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Ein neues Haus für die Phantastik

... oder Was lange währt wird endlich gut



    Im September 1989 wurde nach anderthalb Jahren Sammlung und Vorbereitungszeit die Phantastische Bibliothek Wetzlar eröffnet. Die beiden anfangs nur als Provisorium gedachten Räume im Haus Domplatz 7 erwiesen sich schon bald als viel zu klein. Auslagerungen der rasch wachsenden Buchbestände auf den Speicher des Rathauses, dann in das Haus Geiersberg 15 und zuletzt in die ehemalige Pestalozzischule in der Kirchgasse konnten zwar die Bücher notdürftig in Kartons unterbringen, machten aber die Bestände nur teilweise erschließbar. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung diskutierten daraufhin einige Jahre lang mehrere Lösungsmöglichkeiten für das offensichtliche Raumproblem, die sich allerdings aus den verschiedensten Gründen dann nicht realisieren ließen.

    Am 13. Dezember 1995 beschlossen die Stadtverordneten in einer zwar stürmischen, dann aber doch recht klaren Abstimmung (mit 2/3-Mehrheit) den Umzug der Phantastischen Bibliothek vom Domplatz zum Friedrich-Ebert-Platz in das Gebäude einer ehemaligen Druckerei, das die Stadt vor ein paar Jahren erworben hatte.

    Dieses zweistöckige Haus besitzt die Vorzüge einer zentralen Lage am Tor der Altstadt, mit Bushaltestellen in unmittelbarer Nähe und Parkplätzen vor dem Haus, sowie der Möglichkeit, in diesem Haus unseren gesamten Buchbestand aufzustellen und endlich auch die versprochenen Arbeitsplätze für die Nutzer bereitstellen zu können. Wir haben den notwendigen Platz für kleinere Veranstaltungen wie Lesungen, Seminare, Workshops, sogar Ausstellungen geschaffen. Im Erdgeschoß und im Obergeschoß sind die Buchbestände in Freihandaufstellung zugänglich. Zwischen den Regalen sind multifunktional Einzelarbeitsplätze (mit insgesamt vier PCs), Gruppenplätze und eine variable Veranstaltungsfläche eingerichtet. Außerdem wurden drei kleine Büros abgetrennt, die der Verbuchung, der Titelaufnahme und der internen Verwaltung dienen.

Natürlich sind auch die wertvollen Bücher und bibliophilen Ausgaben, die wir jetzt endlich allen Interessenten zeigen können, in einem abgetrennten Raum aufgestellt und nur unter Aufsicht zugänglich. Der Dachboden mit seinen schrägen Wänden dient als Stauraum für Mehrfachexemplare, eigene Veröffentlichungen, Büro- und Veranstaltungsmaterialien. Der inzwischen ausgebaute Keller umfaßt einen separaten Seminarraum, zwei kleinere Arbeitsräume, die Teeküche, die Toiletten und weitere Archivräume, denn auch alle anderen Medien - insbesondere die Objekte der documenta 1984 - wollen untergebracht sein.

    Einiges konnte zur Eröffnungsfeier allerdings noch nicht fertiggestellt sein, denn Renovierung und Umzug mußten von der Bibliothek mit eigenen Mitteln bewältigt werden. Nicht zuletzt, um der Stadt die Entscheidung zur Zuweisung dieses Gebäudes zu erleichtern, hatte der Förderkreis Phantastik zugesagt, daß die erforderlichen Schönheitsreparaturen von Seiten und mit Mitteln des Förderkreises erfolgen. Die Stadt hat die Grundsicherung (insbesondere Sanitär und Elektrik) übernommen. Die Renovierungen der Räume, der Umbau des Kellers, die Isolierung des Dachbodens sowie den größten Teil der Möblierung haben die Freunde der Bibliothek in bewundernswertem Engagement vorgenommen. Diese Renovierung ist ein Kompromiß zwischen Wünschbarem und Möglichem geworden, wir haben selbstredend auf praktische und finanziell tragbare Lösungen geachtet. Altes wurde wiederverwertet, und wir haben uns auch bemüht, dem Charakter des Hauses zu folgen: eine Bibliothek ist sicher die passende Nachfolgerin einer Druckerei.

    Wir wollen allerdings nicht verschweigen, daß die Renovierung mehr an Organisation, Arbeit und Geld gekostet hat, als wir uns zunächst vorgestellt hatten, und unser finanzieller Einsatz wird sich in einigen Beschränkungen in diesem und im kommenden Jahr niederschlagen. Aber in dieser schwierigen Phase hat sich gezeigt, wie viele Freunde die Phantastische Bibliothek hat und wie unbeirrbar sich diese Freunde auch für »ihre« Bibliothek einsetzen. Wir haben von vielerlei Seiten, von Fachluten wie von Laien, Rat und tatkräftige Mithilfe erhalten. Und entgegen den Behauptungen einiger Kritiker der Bibliothek haben wir mit besonderer Aufmerksamkeit registriert, wie deutlich zahlreiche städti-


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sche Bedienstete uns fachmännische und unkomplizierte Unterstützung gewährt haben und uns dabei Steine aus dem Weg geräumt haben. All das hat uns bewiesen, wie sicher die Phantastische Bibliothek mittlerweile in Wetzlar verankert ist, wie sehr ihre Arbeit geschätzt wird und wie selbstverständlich man sich auch mit ihr identifiziert.

    So ist eine Kultur- und Arbeitsstätte entstanden, die der Begegnung zwischen traditioneller und moderner Literatur dient und die zeigt, was Phantasie zuwege bringt. Und die reichen Schätze, über die diese einmalige Bibliothek verfügt, können endlich von jedermann genutzt werden. Die Phantastische Bibliothek im neuen Gebäude ist ein Ort, auf den Wetzlar stolz sein kann und der in verstärktem Maße literaturinteressierte Menschen aus ganz Europa nach Wetzlar einlädt.

Thomas Le Blanc


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