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Theodor Storm und die Medien



    Vom 11. bis 15. September 1996 veranstaltete die Theodor-Storm-Gesellschaft in Husum die traditionelle Storm-Tagung, die im Jahre 1996 in Kooperation mit den Husumer Filmtagen abgehalten wurde und die durch ein fünftägiges Symposion ihr besonderes Gepräge erfuhr, das die Storm-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg organisierte und zu dem unter dem Thema »Theodor Storm und die Medien - Zur Mediengeschichte eines poetischen Realisten« 30 Wissenschaftler aus Belgien, Großbritannien, Österreich, den USA und Deutschland diskutierten.

    Am Samstag, den 14. September (Storms Geburtstag!), trafen sich rund 200 Mitglieder der Gesellschaft vormittags zur Mitgliederversammlung. Dabei wurden zwei Neuerscheinungen vorgestellt, wie immer der neueste Band der »Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft« (immerhin schon die Nummer 45!) und The Dykemaster, die im Moment einzige auf dem Markt befindliche englische Übersetzung des Schimmelreiters, vorgelegt von Denis Jackson, Dipl.-Ing. i.R., erschienen im Londoner Verlag »Angel Classics«.

    Am Nachmittag hielt Prof. Dr. Harro Segeberg den Festvortrag »Theodor Storm und der Film des 20. Jahrhunderts oder Die Elemente einer Novelle leicht verändert zu verfilmen ist Unfug«. In Anlehnung an ein leicht verändertes Brecht-Zitat zeigte der Referent auf, daß eine eigene Film-Bildsprache eine produktive Transformation eines literarischen Textes in das neue Medium des Films möglich macht. Damit befinden sich die Regisseure nach Darstellung des Referenten in Stormscher Tradition, denn der Dichter selbst sei auch schon ein Meister des Medienwechsels gewesen, indem er schriftliche Erzählung als mündlich überlieferte legitimiert habe. Prof. Segeberg untersuchte das im Vergleich zum literarischen Text ganz neue Zeichensystem ds Films am Beispiel des Stummfilms Zur Chronik von Grieshuus von 1924/25 und dem Schimmelreiter-Film von Klaus Gendries aus dem Jahre 1984.

    Am Sonntag, den 15. September, stellte im Storm-Haus Hans-Jörg Dost Storm in einem anderen Medium - dem Hörspiel - vor »Storm im Exil oder Was Sie in Heiligenstadt hören wollen, müssen Sie schon selber singen« aus dem Jahr 1990, eine der letzten Produktionen des DDR-Rundfunks. Der Hörspiel-Autor erklärte


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den Zuhörern, welche spezifischen Mittel eingesetzt werden können, um »Kino im Kopf« zu erzeugen.

    Von Mittwoch bis Sonntag hörten und diskutierten Wissenschaftler und Interessierte im Husumer Schloß rund 30 Symposions-Beiträge. Eine Veranstaltung dieser Größenordnung war nur möglich dank der Zusammenarbeit der Storm-Gesellschaft (Dr. Gerd Eversberg) mit der Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg (Prof. D. Harro Segeberg). Die Bandbreite der Vorträge war gewaltig. Sie reichte von »Theodor Storm und die Fotografie« über »Die Manifestation nationalsozialistischer Ideologeme in Veit Harlans Immensee-Film aus dem Jahr 1943« bis »Zur Zukunft des Lesens im Medienzeitalter«.

    Teilnehmer des Symposions und Gäste der Storm-Tagung trafen sich in den Storm-Filmen, die im Husumer Kino-Center liefen und mit einer cineastischen Kostbarkeit begannen, dem verschollen geglaubten Stummfilm Ein Fest auf Haderslevhuus aus dem Jahre 1921 (Regie: August Weigert), am Klavier begleitet von Arthur Weinbrenner. Prof. Dr. Horak, Leiter des Filmmuseums München, berichtete von der Wiederentdeckung dieses Films. Die Storm-Filme trugen dazu bei, die diesjährigen Husumer Filmtage zu den bisher erfolgreichsten zu machen, denn von den knapp 3.000 Besuchern waren 1.800 in den Storm-Filmen.

    Die Storm-Gesellschaft hat versucht, durch diese vielfältigen Tagungsangebote einerseits ihren Anspruch auf wissenschaftlich begründete Arbeit am Werke Theodor Storms fortzusetzen, zu der auch die aktualisierten Fragestellungen der modernen Medienwissenschaften zählen, zum anderen aber ein breites Publikum, zu dem viele Storm-Freunde aus dem In- und Ausland zählen, durch populäre Veranstaltungen, hier insbesondere die Filmvorführungen und die öffentlichen Vorträge, über die moderne Storm-Forschung und den Stand unserer Kenntnisse der Medienszene zu informieren.

    In diesem Zusammenhang muß auch noch die Ausstellung erwähnt werden, die eine Mitarbeiterin der Storm-Gesellschaft Anfang 1996 erarbeitete und die bis Frühjahr 1997 im Storm-Haus in Husum zu sehen ist: »Storm-Verfilmungen«. Die Ausstellung versucht am Beispiel der Pole Poppenspäler-, Immensee- und Schimmelreiter-Verfilmungen, die unterschiedlichen Interpretationen darzustellen, die im Medium Film entstanden sind und die durch Novellenstoffe Storms angeregt wurden.

Gerd Eversberg


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