Aktuelles aus: KMG-Nachrichten 113 - September 1997

Übermittelt von Engelbert Botschen


EINLADUNG

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Mitglieder, Freunde und Gäste der Karl-May-Gesellschaft!

Wieder einmal ist es soweit: Der 14. Kongreß unserer Gesellschaft, das große Treffen der Karl-May-Freunde aus aller Welt, beginnt schon in wenigen Tagen. Erlangen, die mittelfränkische Metropole, empfängt die Mitglieder der internationalen Karl-May-Gesellschaft e.V. vom 19. bis 21. September 1997 in herzlicher Gastfreundschaft im historischen Redoutensaal in der Theaterstraße 3, direkt neben dem Markgrafentheater. Über 200 Tagungsteilnehmer werden aus allen Himmelsrichtungen anreisen, um aus den wissenschaftlichen Vorträgen namhafter Karl-May-Forscher neue Erkenntnisse über Leben, Werk und Wirkung ihres Autors zu gewinnen. Auch 85 Jahre nach seinem Tode und 28 Jahre nach Gründung der KMG sind noch viele Fragen um den Menschen und Schriftsteller Karl May offen, so daß die ernsthafte und kritische Auseinandersetzung mit diesem unerschöpflichen Thema uns noch lange beschäftigen wird.

Da die Karl-May-Forschung aber eine "fröhliche Wissenschaft" ist, werden nicht nur Germanisten und Philologen zu ihrem Recht kommen, sondern auch die vielen Verehrer und Leser des großen Fabulierers aus Radebeul, der seit mehr als hundert Jahren zahllose Menschen in seinen Bann gezogen und ihnen etwas Bleibendes und Nachwirkendes für ihr ganzes Leben gegeben hat. Auch die Sammler alter Editionen werden sich einfinden, um bei der beliebtem Auktion das langersehnte "Schnäppchen" machen oder eine begehrte Erstausgabe glücklich nach Hause tragen zu können. Und schließlich werden die Fans der beliebten Karl-May-Filme und -Freilichtaufführungen nicht fehlen, die ihren Teil beitragen zum farbigen Bild eines solchen Wochenendes "rund um Karl May".

Aber auch die Satzung des eingetragenen Vereins KMG fordert ihr Recht. Eine umfangreiche Tagesordnung muß am Samstag vormittag - wie alle zwei Jahre - abgearbeitet werden, bevor wir uns wieder schöneren Dingen zuwenden können.

Der Kongreß wird umrahmt von drei eindrucksvollen Ausstellungen: Der Grafiker Klaus Dill, der vor kurzem bei der diesjährigen Berlinale mit dem Deutschen Filmband in Gold (Ehrenpreis) für sein jahrzehntelanges künstlerisches Schaffen als herausragender Filmplakatmaler ausgezeichnet wurde, zeigt seine bekanntesten (Western-) Filmplakate, die populären Karl-May-Illustrationen und die neuen Tecumseh-Bilder. Joachim Klarner gewährt uns Einblick in die faszinierende Exlibris-Kleinkunst mit Motiven aus Karl Mays Amerika- und Orientromanen. Und Hans Grunert, Kustos der Villa "Shatterhand" in Radebeul, präsentiert aus dem Fundus des Karl-May-Museums einige ausgewählte Plakate und Poster der letzten Jahrzehnte.

Als Novität wird unsere Tagung diesmal mit einer kleinen musikalischen Matinee am Sonntag ausklingen. Der Komponist Heinz Borchert (KMG-Mitglied) hat fünf Gedichte von Karl May vertont, die von der Sopranistin Marianne Koch gesungen werden, am Flügel begleitet von Holger Schella.

Liebe Mitglieder und Karl-May-Freunde, dies alles und noch einiges mehr erwartet Sie vom 19. bis 21. September 1997 in Erlangen. Dazu laden wir Sie alle recht herzlich ein, würden uns über eine rege Beteiligung sehr freuen und grüßen Sie bis zum Wiedersehen oder Kennenlernen

in herzlicher Verbundenheit

Ihr Vorstand

Claus Roxin
Helmut Schmiedt Hans Wollschläger
Erich Heinemann Erwin Müller
Uwe Richter Ulrike Müller-Haarmann


Karl May - Erzählbegabung mit einem Schuß Genie

Die Leipziger Volkszeitung v. 14.3.97 brachte ein Interview mit dem Vorsitzenden der Karl-May-Gesellschaft. Das Interview führte Thomas Mayer

Der Leipziger Karl-May-Freundeskreis, 1988 gegründet, lädt heute zu seiner 100. Veranstaltung. Den Jubiläumsvortrag (19 Uhr, Stadtbibliothek Leuschnerplatz) hält Professor Claus Roxin, Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft (KMG). Sie wurde 1969 in der Bundesrepublik zum Leben erweckt und ist mit über 1800 Mitgliedern nach Goethe-, Schiller- und Busch-Gesellschaften die viertgrößte deutsche Dichtervereinigung. Wir sprachen mit ihm, der in seinem Leben jenseits von Old Shatterhand, Hadschi Halef Omar oder Kara Ben Nemsi einer der bedeutendsten deutschen Rechtswissenschaftler ist und an der Universität München dem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht und allgemeine Rechtstheorie vorsteht.

Frage: Wie kamen Sie zu Karl May?
Claus Roxin: Wie jeder leidenschaftliche Leser, hatte auch ich als junger Mensch angefangen, ihn zu lesen. Ich begeisterte mich schnell für diese Welt. Bei manchem hält sich das bis in die höheren Lebensjahre. Als ich erwachsen und Professor wurde, habe ich das Bedürfnis gehabt, herauszubekommen, worauf Mays Wirkung beruht. Ich wollte mich damit bei ihm für die Fördernis bedanken, die ich von ihm als Autor erfahren habe.

Wie hieß Ihr Schlüsselerlebnis?
Im Alter von neun Jahren "Im Lande des Mahdi". Das Buch hatte mich so fasziniert, daß ich mir sagte: Du mußt alle die Bücher lesen. Das hat später dazu geführt, ohne daß ich die Absicht hatte, je für Karl May tätig zu werden, auch die Sekundärliteratur zu verfolgen. 1963 erschien dann die bahnbrechende May-Biografie Hans Wollschlägers, der übrigens Übersetzer von Joyce' "Ulysses" und in der KMG mein Stellvertreter ist. Sie zeigte mir, daß es Leute gibt, die in seriöser Weise über May arbeiten, und motivierte, mich über das Lesen hinaus mit ihm zu befassen.

Haben Sie alle Bücher gelesen?
Alle. Anders als andere Autoren ist Karl May ein gemeindebildender Autor, der eine tiefe Bindung zu seinen Lesern hat. Das heißt, seine begeisterten Leser lassen es normalerweise nicht bei einer Lektüre bewenden. Ich entwickelte mich auch zum Sammler, der stolz darauf ist, die verschiedenen Ausgaben im wesentlichen komplett und in Erstausgaben zu besitzen.

Fern Ihrer Profession ist Ihr Verhältnis zu diesem Dichter auch nicht!
Ich habe in der Tat einen fachlichen Zugang zu diesem Autor. Karl May ist der literarisch berühmteste ehemalige Kriminelle unserer Literaturgeschichte. Jedermann weiß, daß er acht Jahre hinter Gittern verbracht hat. Mit der psychologischen Deutung seiner Straftaten habe ich mich ausführlich befaßt. Demnächst wird ein Essayband von mir unter dem Titel "Karl May, das Strafrecht und die Literatur" erscheinen.

Gibt's unentdeckte Dichter-Werke?
Großes kann man nicht mehr erwarten. Doch May hat immer gesagt, er habe schon 1863 begonnen zu schreiben. Die ersten von ihm gesicherten Texte datieren jedoch von 1872. Wenn er die Wahrheit gesagt hat, müßten einige erzgebirgische Erzählungen, mit denen er angefangen hat, vielleicht noch zu finden sein. Die letzte große Entdeckung war der Urtext des Romans "Zepter und Hammer", eine Abenteuergeschichte aus einem Phantasieland, der jetzt in der historisch-kritischen Ausgabe vorliegt. Wir haben auch das verschollene "Buch der Liebe", Dresden 1875/76, wiederentdeckt und bisher als einzige veröffentlicht. Das ist ulkiger Weise ein Aufklärungsbuch, das Münchmeyer herausgegeben hatte.

Welche seiner Werke halten Sie für die bedeutendsten?
Da muß ich unterscheiden zwischen den exotischen Reise-Erzählungen und seinem Spätwerk nach der Jahrhundertwende mit den symbolistisch-pazifistischen Büchern, die mit erheblichen literarischen Ambitionen verfaßt sind und von denen ich "Ardistan und Dschinnistan" als bedeutendstes ansehe. Bei der Masse der Leser sind die Reise-Erzählungen, etwa Winnetou oder die Orient-Geschichten, die beliebtesten. Das mit Recht, weil ihnen ein strömender Fluß der Erzählung, eine Übersichtlichkeit der Handlungsführung, eine Leichtigkeit der Diktion inne ist, wie sie in der eher schwerblütigen und umständlichen Romanliteratur des 19. Jahrhunderts die große Ausnahme darstellen.

Sie sprühen vor Engagement für Ihren Dichter-Favoriten. Glauben Sie, für ihn alles erreicht zu haben?
Auf alle Fälle sehr viel. Die Gründung der KMG erfolgte, um May vom Odium des absolut Kindlichen, Trivialen, Banalen zu befreien und um deutlich zu machen, daß es sich um einen ernstzunehmenden Autor handelt. Man kann ihn natürlich nicht größer machen als er ist. Ein Mensch, der so viel geschrieben hat wie er, summa summarum 50000 Seiten, kann nicht nur Gutes verfaßt haben. Das wichtigste, was wir uns auf die Fahne geschrieben hatten, hieß, sein Werk zu bewahren und es wieder herzustellen. Es gab damals auch auf dem westdeutschen Markt kein einziges May-Buch, das nicht bearbeitet war. Und heute? Das Gesamtwerk des Dichters liegt wieder im Original vor. Es ist auch erreicht, daß seine Biografie im wesentlichen als gesichert angesehen werden kann. Last not least ist sein literarisches Image so, daß sich kein Verlag scheut, sich ihm zu widmen. Bei Kröner gibt es eben nicht nur Handbücher über Thomas Mann oder Kafka, sondern auch das über Karl May.

Es ist nie passiert, daß man Ihr May-Engagement belächelte?
Aber sicher. Für die KMG war es freilich nur nützlich, wenn ich das mal rein strategisch sagen darf, einen bekannten Professor als Vorsitzenden zu haben. Ich habe ja keinen germanistischen Namen zu verlieren. Überwiegend schlägt mir Sympathie entgegen. Als ich neulich auf einer Tagung den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft traf, sagte mir Professor Markl als erstes: Ich besitze alle Karl-May-Bände in Erstausgaben. Bekannte Leute scheuen also nicht ihr Bekenntnis zu Karl May.

Was ist Karl May für Sie, wenn Sie ihn literarisch sezieren?
Ein Dichter im Rohzustand, eine große Erzählbegabung ohne Ausbildung und ohne großen Bildungshintergrund, aber doch mit erheblichen Kenntnissen und einem Schuß Genie.


Zur Nachahmung empfohlen

Prof. Dr. Helmut Schmiedt, stellv. Vorsitzender der KMG, hat am 13.5.1997 auf Einladung des Fördervereins Lesen und Buch - Freunde der Stadtbibliothek Koblenz e.V. vor zahlreichem Publikum über "Karl May und seine literarische Bedeutung" gesprochen. Kurz danach erhielt ich einen Brief, in dem der Direktor mir folgende erfreuliche Mitteilung machte: "Der Vortrag war so überzeugend, daß die Stadtbibliothek Koblenz Mitglied in der Karl-May-Gesellschaft werden möchte" - was inzwischen erfolgt ist.

Erwin Müller


Ehrung für Karl May in Mittweida

Am 16.6.97 war es soweit: Erich Loest enthüllte eine Gedenktafel. Der Schriftsteller und Ehrenbürger der Stadt Mittweida hatte als Stifter eine Tafel aus Porphyr anfertigen lassen, einem rötlichen Stein, der in der Nähe von Rochlitz vorkommt, die auf den Gefängnisaufenthalt Karl Mays der Jahre 1869 und 1870 hinweist. Bürgermeister Bruno Kny konnte als Ehrengäste begrüßen: die Herren Neubert und Hallmann aus Hohenstein-Ernstthal, Wagner und Grunert aus Radebeul, Ratsmitglieder, das Lehrerkollegium der Stadt Mittweida, Heimat- und Geschichtsverein, Frau Kretschmar von der Sparkasse, FREIE PRESSE, Chemnitzer Morgenpost, Lokalanzeiger, Stadtfernsehen und den Pressebeauftragten der KMG. Im neu gestalteten Rathaushof ist von der Straße gut sichtbar an der Mauer die etwa 120x90 cm große Tafel angebracht, die in erhabenen Bronzegußbuchstaben folgende Inschrift trägt.

Im Gebäude des jetzigen Rathauses,
dem damaligen königlich-sächsischen Bezirksgericht zu Mittweida,
wurde am 13. April 1870
der spätere Schriftsteller
Karl May
zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
Einige Tage war er hier im vormaligen Stadtgefängnis inhaftiert.
Seine Strafe verbüßte er im benachbarten Waldheim.
Gestiftet: Erich Loest 1997

In seiner Rede wies Erich Loest darauf hin, daß es im Leben eines jeden nun einmal gute und auch schlechte Tage gäbe, und so ist dieser Ort nun eine Erinnerungsstätte an den berühmtesten Gefangenen der Stadt. Aus den Gefängnismauern träumte sich Karl May schon damals heraus und sei so Schriftsteller geworden. Im renovierten ehemaligen Gefängnis ist jetzt das Stadtarchiv untergebracht, die Zellen sind noch gut erhalten, natürlich gab es damals noch kein fließend Wasser, und alles wirkt heute fast gemütlich und harmlos. In einer kleinen Ausstellung im Foyer werden Leih-Exponate aus Hohenstein-Ernstthal und Radebeul gezeigt, eine Brille, ein Ledergeldbeutel, eine alte Zeitschrift... -dSch


Karl May auf dem Kirchentag

Am 19. Juni 1997 sprach Christian Heermann in der Leipziger Stadtbibliothek im Rahmen "Leipziger Kultur zum Kirchentag" über das Thema "Warum war Karl May in der DDR 'verboten'?" Er referierte im wesentlichen den Inhalt seines instruktiven Buches "Old Shatterhand ritt nicht im Auftrag der Arbeiterklasse" (Dessau 1995. ISBN 3-9101 92-32-7).

Eine längere Diskussion mit dem Auditorium war angesichts knapper Zeit nicht möglich, da die folgende Veranstaltung exakt 60 Minuten später angesetzt war.

Die eingestreuten Zwischenfragen der Zuhörer erinnerten den Berichterstatter aber fatal an eine Diskussion nach einem Vortrag von Helmut Schmiedt am 11. März d. J. in der katholischen Akademie in Hamburg. Die Zuhörer waren hier wie dort keine Insider sondern wohlwollende May-Fans aus ihren Kindheitstagen, die von der Arbeit der KMG und dem gegenwärtigen Forschungsstand noch nie etwas gehört hatten.

Und so offenbart sich ihr Wissen als eine Mischung der Kenntnis des vollständigen Namens von Hadschi Halef (worauf sie sehr stolz sind) und der Abenteuerbände (1-26, 35 aufwärts). Aus dem Band "Ich" wissen sie vielleicht etwas über die Straftaten, doch nichts über Lebius, Pöllmann, Fronemann. Und selten kann jemand die literarische Spannweite von Karl Mays Entwicklung nachvollziehen und vermag so auch gewisse Mängel aus der Fehsenfeld-Ausgabe - etwa die Ursache von "Holferts Leiche" (Deadly dust 1879) in Winnetou III (1893) - nicht richtig einzuordnen. Ein Hinweis mehr, wie hilfreich eine historisch-kritische Ausgabe mit Kommentar für jedermann ist .

Hartmut Kühne


Karl May und der Ehrenkodex im Western

Die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Western, die von unserem Mitglied Dr. Peter Bischoff (Münster) geleitet wird, hatte vom 27. bis 29. Juni 1997 zu einem Internationalen Symposium nach Hamburg eingeladen, um den "Code im Western" unter verschiedenen Gesichtspunkten zu untersuchen. Neben amerikanischen und deutschen Experten hatten die Veranstalter auch unseren Mitarbeiter Walther Ilmer eingeladen, der in einem auf Englisch gehaltenen Vortrag folgendes Thema behandelte: "Germany's Karl May - An Early (unwitting?) Champion of the Code of the West / Karl May - Ein früher (unwissentlicher?) Verfechter des Ehrenkodex im Western".

Walther Ilmer vertrat die These, daß Karl May zwar kein Western-Autor im eigentlichen Sinne sei, aber viele seiner Erzählungen im Wilden Westen spielten, so daß er doch partiell diesem literarischen Genre zugerechnet werden könne. Obwohl der Ehrenkodex als Verhaltensregeln der Westmänner und Cowboys erst lange nach Karl Mays Tod ausformuliert wurde (z.B. durch H.J. Stammel) und ihm daher expressis verbis unbekannt war, ließ auch er seine Helden intuitiv nach den Mustern dieser ungeschriebenen Gesetze handeln. In seinem mit viel Beifall bedachten Referat zog Ilmer die Schlußfolgerung, daß May "einem ihm von innen auferlegten Kodex gefolgt sei, der darin gipfelte, den Ich-Helden als Friedensstifter einzusetzen: Old Shatterhand unterwirft das Böse und bahnt dem Guten den Weg zum Sieg." Damit nahm May (unwissentlich) vorweg, was nach ihm in unzähligen Büchern und Filmen als klischeehaftes Motiv zum tausendfach variierten durchgängigen Handlungsstrang wurde.

Der in ausgezeichnetem Englisch gehaltene Vortrag unseres Mitarbeiters fand viel Zustimmung und wurde lebhaft diskutiert. Das anwesende NDR-Regionalfernsehen nahm Auszüge daraus in seine Berichterstattung auf und lobte Walther Ilmer als "Sonderbotschafter der Karl-May-Gesellschaft." Der Vortrag wird demnächst in der deutsch-englischen wissenschaftlichen Publikation "Studies in the Western (Jahrbuch 1997)" veröffentlicht und kann zur Lektüre wärmstens empfohlen werden.

Für Anfragen und evtl. Bestellungen wende man sich an folgende Adresse: Deutsche Gesellschaft zum Studium des Western z.H. Herrn Dr. Peter Bischoff, Universität Münster - Englisches Seminar, Johannisstraße 12-20, 48143 Münster, Tel. 0251/8324595

Erwin Müller


Schützenverein Karl May e.V.

Dieser eingetragene Verein hat etwa 200 Mitglieder und wurde am 26.2.1990 gegründet. Präsident ist Rolf Keulig mit Wohnort in Chemnitz. Das Vereinsgelände befindet sich in der Umgebung von Glauchau, dort werden alle Arten von Büchsen benutzt. Im Vereinshaus stehen im Regal alle grünen Bände von Karl May, demnächst aber auch die Schriften der Karl-May-Gesellschaft, denn die KMG konnte im Verein erfolgreich werben. Wir begrüßen die Waffensachverständigen herzlichst als neue Mitglieder. -dSch

Neuer Zug der DB heißt Karl May

Auf der 249 km langen Strecke Magdeburg-Dresden verkehrt ab 1.6.97 ein IC, der den schönen Namen ,Karl May' trägt. Der KMG ist es mit vereinten Kräften gelungen, die DB davon zu überzeugen, daß dies auf einer Strecke in Sachsen unumgänglich ist. Im Kursbuch auf der Route 40 lesen wir: Magdeburg ab 6:41 mit IC 743 (Mo bis Sa) incl. Speisewagen und Fahrradbeförderung, Zwischenstop in Köthen, Halle, Leipzig, Riesa, Dresden-Neustadt, Dresden Hbf. an 9:33. (Hier umsteigen nach Radebeul!) Zurück geht's Dresden ab 20:20 mit IC 742, Ankunft in Magdeburg 23:15. -dSch


Betrifft: Vergriffene Klein-Publikationen der Karl-May-Gesellschaft

Von folgenden vergriffenen "kleinen" Publikationen der Karl-May-Gesellschaft können kopierte Exemplare bezogen werden:

Preise:

Die Preise für Mitteilungshefte und Stichwortverzeichnisse sind jetzt um den Versandkostenanteil reduziert. Daher verstehen sich jetzt alle Preise zuzüglich Versandkosten! Die bisher gewährten Rabatte entfallen. Das heißt: Einzelne Hefte werden gegenüber früher teurer, der Bezug des Gesamtsatzes der M-KMG verbilligt sich hingegen noch einmal. Preisbeispiele inkl. Versandkosten (in der Regel Postporto, Stand: 1. Juli 1997): 1 Heft M-KMG jetzt DM 3,50 statt DM 3,00; 10 Hefte M-KMG jetzt ca. DM 24,50 (inkl. Verpackung) statt DM 27,00; M-KMG 1-51 jetzt DM 112,00 (ggf. zzgl. Verpackung) statt DM 122,40.

Bestellungen an:

Jörg Maske, Postfach 12 35, D-72702 Reutlingen
Bitte warten Sie die Rechnung ab, überweisen Sie dann den Rechnungsbetrag auf das dort angegebene Konto. Der Versand erfolgt erst nach Zahlungseingang!
Die Kopien der meisten Sonderhefte werden nur auf Anfrage angefertigt; bitte räumen Sie mir deshalb ausreichend Zeit ein! Eine Rechnung wird erst dann erstellt und verschickt, wenn die bestellten Hefte hier versandfertig vorliegen!
Und auch heute der Hinweis: Denken Sie bitte daran, daß gelegentlich auch Originale auf neue Besitzer warten, z. B. in der Rubrik "Gesucht - Geboten".


Literatur

Rechtschreibreform?

Der ORF 2 brachte am 13.6.97 um 17:05 in der Sendung ,Willkommen Österreich' eine Diskussion, bei der Gerhard Ruiss, Autor und Geschäftsführer der IG Autoren, im Studio Anrufern Rede und Antwort stand; seine eigene Meinung und die fast aller Anrufer war, daß die Reform diesen Namen nicht verdient und außerdem völlig unnötig sei. Ausgangspunkt der Sendung war aber die eindeutige Stellungnahme der Autoren wie z.B. Thomas Bernhard oder Johannes Mario Simmel, die sich wie die deutschen Autoren, z.B. Günter Grass (Südd.Zeitung vom 2.6.97 "Nachdruck und Gegendruck"), zu der alten Rechtschreibung bekennen und nun darauf bestehen, daß ihre Werke nicht etwa von den Verlagen nachträglich der neuen Form angepaßt würden. Bei der Rechtschreibung gibt es keine rechtliche Grundlage, höchstens für den Unterricht in Schulen; beim Urheberrecht aber gibt es gar keine Vorschriften. Denken wir doch an den eigenwilligen Stil von Arno Schmidt, könnte man den einer Reform unterziehen, ohne seinen unbestrittenen Reiz zu vernichten? Und wie ist das mit Karl May? Auf der Arbeitstagung der KMG im März 97 in Leipzig war die Reform ein Tagungspunkt, die einstimmige Meinung war, es gäbe keinen Handlungsbedarf. Und außerdem: Können wir uns die historisch-kritische Buchausgabe in überarbeiteter Form vorstellen? -dSch

Die Seele frei schreiben

Von vielen Forschern wurde schon auf den Aspekt hingewiesen, der in Karl Mays Leben eine so wichtige Rolle spielte. Erinnert werden soll hier nur an Walther Ilmers Beitrag in Jb-KMG 1982. ("Durch die sächsische Wüste").

Nun werden Seminare mit dem obigen Titel und dem Zusatz "Schreiben in klösterlicher Stille" angeboten, die in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz stattfinden und mit folgendem Wortlaut werben: Sich zurückziehen, um in die Ruhe und die eigene Mitte zu kommen. Aus der Ferne kann man das eigene Leben klarer erkennen und neu ordnen, dazu schreiben und sich tagelang lustvoll von der Fülle der Worte überraschen lassen. Jeder sein kleiner Karl May? Näheres von Frau Josée Ebner, Habichtstrasse 21 in 90766 Fürth. -dSch

Indianerbücher

Vorschläge für den Unterricht - Freie und Hansestadt Hamburg - Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung

Wenn die Schüler und Schülerinnen erzählen, an welche Inhalte sie sich aus Film und Fernsehen erinnern (ist Karl May eigentlich noch aus Büchern bekannt oder nur noch durch die Segeberger Festspiele?), kann man bei dieser Gelegenheit triviale Medienerlebnisse aufarbeiten und die sich noch hartnäckig haltenden Legenden und Mythen knacken vom ach so freien und abenteuerlichen Wilden Westen und die Klischees und Vorurteile vom "edlen Wilden" oder auch vom "barbarischen Wilden". Dabei wird deutlich, daß Indianergeschichten von Lederstrumpf bis heute die Projektionsfläche für kollektive Wunschvorstellungen und verschlüsselte Kritik an der zeitgenössischen Gesellschaft waren und immer noch sind. In diesem Sinne wurden in den 70er und 80er Jahren die männlich orientierten Indianerbücher abserviert, in denen Old Shatterhand als Verkörperung der Machtphantasien der Kolonialherrenzeit als weißer Superman mit der Eisenfaust auftrat und Häuptlingsgestalten nach NS-Ideologie heroisch untergingen. Geschichten von Schlachten und Kriegen verschwanden zugunsten von mehr ökologisch und kulturgeschichtlich orientierten Geschichten mit Mädchen als Hauptpersonen; Klage um untergehende Kulturen mischte sich mit der Sehnsucht nach den magisch-esoterischen Erlebnissen eines Naturvolks.

Erschließung der Schulz-Sammlung

Ein Zwischenbericht von Andreas Bode

Internationale Jugendbibliothek München - Report 2/96 (S. 16f.)

Das vom Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens der Deutschen Forschungsgemeinschaft ab Juni 1994 bewilligte Projekt der Katalogisierung der Schulz-Sammlung ist in diesem Jahr bis Mai 1998 verlängert worden. Dadurch konnten von der rund 12500 Bände umfassenden Sammlung von Abenteuerliteratur für Kinder und Jugendliche bis zum Jahresende 6080 Bände mit Hilfe der EDV in den Bibliotheksverbund Bayern (BVB) katalogisiert werden - ein gutes Ergebnis angesichts der Komplexität des vorliegenden Materials. Die das Projekt durchführenden Mitarbeiterinnen der IJB haben in diesen zweieinhalb Jahren vielfältige Erfahrungen in der Erschließung historischer Jugendliteratur sammeln können. Welcher Art die Schwierigkeiten waren, mit denen sie dabei zu kämpfen hatten, soll im Folgenden kurz geschildert werden.

Als historisch werden Kinder- und Jugendbücher im allgemeinen bezeichnet, wenn sie bis 1950 erschienen sind. Innerhalb der Regeln zur alphabetischen Katalogisierung (RAK) werden Sondervorschriften zur Katalogisierung historischer Bestände bis zum Erscheinungsjahr 1800 angewandt. Für die Kinderliteratur ist diese Grenze nicht geeignet, da sich grob gerechnet erst ab 1871 eine allgemeine Standardisierung der Buch- und Titelgestaltung durchgesetzt hatte, die es erlaubt, auch die Katalogaufnahmen entsprechend zu schematisieren. Der tatsächliche Zustand der Bücher macht in der Praxis jedoch immer wieder Ausnahmen notwendig. Kinderbücher, Jugendbücher und Abenteuerliteratur waren von jeher einem starken Verschleiß ausgesetzt. Häufig mußten sie neu gebunden werden, wobei es im Ermessen des Buchbinders lag, welche Informationen er dabei erhielt oder wegfallen ließ. Durch nicht mehr vorhandene Originaleinbände und Vortitelblätter mit Angaben zu Serien, zu schweigen von immer wieder fehlenden Haupttitelblättern, aber auch durch die Makulierung von Verlagswerbungen am Ende des Bandes gingen wertvolle Informationen verloren, weshalb genaue Zuordnungen eines Titels und Datierungen oft selbst zu einem Abenteuer werden. Durch die unsanfte Benutzung gefährdet waren aber auch die Illustrationen, vor allem, wenn sie als Stahlstiche oder Chromolithographien auf besonderes Papier gedruckt und an die einzelnen Lagen nur angeklebt waren. Abgesehen davon, daß die Feststellung der vorhandenen Illustrationsbeigaben wichtig ist, um nicht etwa Benutzer für das Fehlen einzelner Blätter verantwortlich machen zu müssen, brachte die Verlagspraxis der Zeit mit sich, daß von den Illustrationen der Originalauflagen in späteren Ausgaben häufig nicht mehr alle übernommen wurden - eine für die genauere Datierung wichtige Tatsache.

Übrigens sorgt sowohl der Konservativismus der Verlage, als auch deren Bestreben, die Unkosten so gering wie möglich zu halten, für Komplikationen bei der Titelaufnahme. Es scheint Praxis gewesen zu sein, den Satz einer Ausgabe recht lange abgebunden aufzubewahren. Neuauflagen bekamen dann nur ein neu gesetztes Titelblatt, oft auch nicht einmal dies, sondern nur einen neuen Einband - der Inhalt blieb derselbe, auch wenn die Angaben von Innen- und Außentiteln dann nicht mehr ganz übereinstimmten. Wechselte der Verlag den Besitzer oder den Namen, ging der Satz einschließlich etwa vorhandener Restauflagen mit und bekam ebenfalls meistens nur ein neues Titelblatt und einen neuen Einband. Ja, öfters scheint man fertig gedruckte Buchblöcke ohne Einband auf Lager gehabt zu haben, die dann mit neuem Einband als neue Auflage deklariert auf den Markt kamen.

Bei fehlenden Jahresangaben, was für dieses literarische Genre eher die Regel als die Ausnahme ist, hat der katalogisierende Bibliothekar oft keine Hilfe durch die allgemeinen Bibliographien (GV-Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums, Lorenz: Catalogue General de la Librairie Francaise; das beste Auskunftsinstrument ist noch der General Catalogue des British Museum). In der Lückenhaftigkeit der meisten Angaben spiegelt sich die Praxis dieser Verlagsbranche am Rande der Trivialliteratur wider: schnell wechselnde Verlagsnamen, schnelle Titelfolge, der Brauch, verkaufsfördernde Serienpublikationen ohne Zählung auf den Markt zu werfen, Nachlässigkeit bei Ablieferung von Pflichtexemplaren. Daher sind häufig Erstausgaben nicht verzeichnet, Nachauflagen fehlen oft über Jahrzehnte hinweg, sind undatiert, die bibliographische Beschreibung im Gesamtverzeichnis ist nicht zuverlässig oder zu stark vereinheitlicht, wodurch die Zuordnung mancher Ausgaben unmöglich wird.

Der Nutzen des Arbeitseinsatzes für dieses Projekt kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mit dem immer tieferen Einsteigen in das Projekt wuchs unsere Erkenntnis, daß wir in diesem Bereich auf Grund aller geschilderten Umstände Pionierarbeit leisten. Da das wissenschaftliche Interesse an Jugend- und Abenteuerliteratur ständig wächst (siehe einschlägige Publikationen und Lexikaunternehmen), wird eine Ordnung im Dschungel dieser einander jagenden Veröffentlichungen, wenn sie auch häufig relativ bleiben muß, immer dringender notwendig. Als Nebeneffekt ergibt sich eine Durchleuchtung der Editionspraxis der Zeit für den, der die Angaben zu lesen versteht.

Der erste große Nutzen ist unser Bemühen um eine genaue oder eingrenzende Datierung undatierter Ausgaben. Angesichts der nur mangelhaften Hilfe durch die Bibliographien müssen Einbandgestaltung, Papierqualität, Qualität des Druckes (scharfer oder abgequetschter Satz), Verlagswerbung und andere Kriterien (etwa Vergleich von Verlagssignets, Druckerfirmierungen oder Vorsatzpapiere) in die ungefähre Datierung bis weit in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts einbezogen werden. Wenn es auch nicht immer gelingt, ein genaues Erscheinungsjahr zu ermitteln, fällt unsere ungefähre Datierung durch die inzwischen erlangte Sicherheit in der zeitlichen Einschätzung von Einband, Typographie und Gestaltung in vielen Fällen genauer aus, als in älteren Katalogen, deren Angaben oft um mehr als zehn Jahre differieren.

Der zweite große Nutzen besteht in der konsequenten Ermittlung der Originaltitel bei Übersetzungen und Bearbeitungen. Noch komplizierter als die Identifizierung eines Werkes durch fehlende Titelblätter gestaltet sich oft das Herausfinden des Originaltitels (Einheitssachtitel) bei Übersetzungen. Zwar verlangen die RAK für wissenschaftliche Bibliotheken (RAK-WB) seine Angabe nur, wenn er in der Vorlage genannt oder "ohne besonderen Aufwand" zu ermitteln ist. Aber gerade der Einheitssachtitel ist angesichts der Internationalität unserer Sammlung und der Tatsache, daß es im Abenteuer- und Jugendbuchbereich von immer wieder neuen Übersetzungen und Bearbeitungen (einschließlich Bearbeitungen von Bearbeitungen!) nur so wimmelt, eine ganz wichtige Information, auf die wir als Spezialbibliothek nicht verzichten können. Daher legen wir großen Wert auf seine Ermittlung. Dadurch ist es gelungen, die Vorlagen für Übersetzungen von Abenteuerliteratur herauszufinden, die oft selbst abenteuerlich genug sind, wovon die künftigen Benutzer unserer Kataloge großen Nutzen haben werden.

Drittens bemühen wir uns, sonstige an einem Werk beteiligte Personen mit zu erfassen, auch wenn solche zusätzlichen Angaben nach RAK-WB nicht immer erforderlich sind. Vor allem ist die Angabe der Illustratoren, soweit ermittelbar, im Kinder- und Jugendbuchbereich ganz besonders wichtig. Vor allem im 19. Jahrhundert ist bei verhältnismäßig reich illustrierten Büchern der Illustrator oft nicht auf der Titelseite angegeben oder nur aus der Signatur erschließbar. Durch die genauere Katalogisierung, vor allem im Lokaldatenbereich, können nun Werke bestimmter Illustratoren vollständiger erfaßt werden. Das gleiche gilt natürlich für Übersetzer und Bearbeiter.

In den Anmerkungen sind ferner Angaben über die Drucktechnik der Illustrationen bis ungefähr 1850 zu finden. Sie sind neben der buchgestalterischen Information vor allem auch für Datierungsfragen wichtig, da Verlage im 19. Jahrhundert oft stillschweigend von der Kupfer- oder Stahlstichtechnik zur Lithographie oder Xylographie übergegangen sind, während es auf dem Titel immer noch "Kupfer" heißt.

Reisen zu Karl May

Das Buch mit diesem Titel von Wolfgang Hallmann und Christian Heermann aus dem Westsachsen Verlag Zwickau ist nicht neu und sei trotzdem noch einmal wärmstens empfohlen.

Die Autoren beschreiben genauestens die Erinnerungsstätten in Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Die KMG war zugegen, als Erich Loest die Gedenktafel in Mittweida enthüllte und hörte des Volkes Stimme zum Thema Fremdenverkehr; allgemein wünscht man sich höhere Besucherzahlen. Was hindert uns denn, einmal eine Reise zu Karl May zu machen? Wollten wir nicht immer schon mal an die Orte fahren, wo er lebte, wenn auch stellenweise nur kurz? Zum Beispiel nach Mittweida? Wer das o.e. Buch besitzt, ist bereits gut gerüstet. Der Pressebeauftragte hat eine Liste zusammengestellt, die Hotels und andere Einzelheiten der Orte Plauen bis Radebeul enthält, die sich sozusagen auf einen Rutsch machen lassen, eventuell auch per Rad oder sogar zu Fuß. Interessenten werden kostenlos beliefert von Dietrich Schober, Bernaysstr.12a, 80937 München.

"Abenteuer im Lande des Mahdi"

Aus einer Rezension (von Stefan Busch) des Buches von Rudolph Slatin Pascha: Feuer und Schwert im Sudan (1879-95) in der F.A.Z. vom 6.5.1997

Wie der Verlag weiterhin behauptet, handelt es sich bei Slatins Bericht um "ein einzigartiges Zeugnis von Kultur und Lebenswirklichkeit". Das mag schon seine Richtigkeit haben, aber Historiker oder Ethnologen, die das Buch als Quelle benutzen möchten, bleiben auf die alten ungekürzten Ausgaben angewiesen. Und als unterhaltsames Sachbuch für das breite Publikum, auf das der Verlag zielt, ist es ebenfalls nicht geeignet - oder besser: nicht mehr. Denn wer sich über den Mahdi-Aufstand informieren möchte, kann in den Bibliotheken Fachliteratur finden, die weniger trocken ist als Slatins Bericht. Wer dagegen lesend "Abenteuer im Lande des Mahdi" erleben will, dem seien die unter diesem Titel erschienenen fiktiven Reiseberichte des Kara Ben Nemsi Effendi alias Karl May empfohlen.


Medien

Platitüden über Winnetous Vater

Alle fünf Jahre wird Karl May zum Thema. Diesmal ist das 155 Jahre zurückliegende Datum seiner Geburt Anlaß, sich mit Old Shatterhand zu beschäftigen. Und wieder gibt es die überflüssigen, nicht endenden Streitereien um den "echten" oder "verfälschten" Vater Winnetous, die emsigen Bemühungen, das Leben des Sachsen zu analysieren und als Phänomen darzustellen Einen ganzen Themenabend widmete Arte dieser unendlichen Geschichte deutscher Befindlichkeiten. Daß auch hier die Bausteine der May-Betrachtung nur etwas anders gestapelt serviert wurden, war zu erwarten So konnten die Freaks in Interviews ihre durchaus legitimen Bedürfnisse nach trivialer Unterhaltung wieder peinlich mit pseudopsychologischen und vorgeblich wissenschaftlichen Phrasen verbrämen. Die Platitüde, daß Karl May im "Dritten Reich" hofiert wurde, kam zur Sprache, aber auch in dieser Wiederholung konnte man aus dem Erfolgsautor - genausowenig wie aus Richard Wagner - einen Stammvater der Nazi-Diktatur machen.

Leider beeinträchtigten solche Gemeinplätze auch die an sich korrekte Rezeptionsgeschichte von Uta Kulano. Daß der lange Abend nicht in Belanglosigkeiten versackte, ist dem Berliner Autor Claus Peter Eberwein zu verdanken. Sein einleitend gezeigter Film über die "Stationen des gebrochenen May-Lebens" kam ohne jedes falsches Pathos daher und erwies sich in cineastisch ungewöhnlicher Form als frisches, sehr einfühlsames, überzeugendes und mit reicher Fachkenntnis ausgeführtes Porträt.

[Gerhard Klußmeier über den Karl-May-Themenabend der arte-Sendung vom 8.4.1997 in der "Welt" vom 10. April.]

Karl May in München vor 100 Jahren

Die Süddeutsche Zeitung brachte am 4.Juli 97 einen Bericht über den Aufenthalt von Karl May in München im Jahre 1897. Im wesentlichen basiert der Beitrag von Dr. R. Reiser auf den Artikeln von C. Roxin im Jb-KMG 1974 und von S. Augustin im KMV-Jb 1978. -dSch

Merkwürdigkeiten

Es gab Dutzende wenn nicht gar Hunderte ähnlicher Berichte im Blätterwald über den unsterblichen Pierre Brice-Winnetou. Als Beispiel bringen wir:

Trierischer Volksfreund v. 23.5.97

Winnetous Schicksal auf der Kippe

Elspe. Zwei Wochen vor der Premiere von "Winnetous letztem Kampf" auf der Freilichtbühne im sauerländischen Elspe ist eine Frage noch unentschieden: Muß der Häuptling der Apachen sterben? Über 100.000 Zuschauer, die hierzu in den vergangenen Monaten ihre Meinung äußerten, sind gespalten. Die Abstimmung steht nach Angaben des Elspe-Festivals vom Donnerstag 50:50.

GlosSe
Karl-May-Festspiele
Lebenshilfe

Hugh, das Publikum hat gesprochen. Die ewigen Jagdgründe können warten, Winnetou muß noch mal ran. So einfach läuft's auf der Naturbühne. Lebenshilfe der besonderen Art, und jeder hat sein Scherflein dazu beigetragen.

Aber, mal im Ernst, soll das schon alles gewesen sein? Einmal Briefchen schreiben vor dem ersten Auftritt, und Schluß ist mit der Mitbestimmung? Wo sich doch auf diesem neugeschaffenen Gemeinschaftsgefühl bestens aufbauen ließe.

Zum Beispiel, wenn es regnet. Wer wollte Winnetou im Ernst zumuten, auch noch ins nasse Gras zu beißen. Wie wär's, wenn Winnetou - von der Mehrheit sanktioniert - statt dessen auf seinem Rappen gen Himmel entschwebte?

Und überhaupt, warum eigentlich soll nur der edle Winnetou von den Toten auferstehen? Wer denkt an die armen Siedler, die vor dem Publikum von den Banditen dahingemetzelt werden? Auch sie verdienen eine reelle Chance.

Vielleicht sollte die Gewaltfrage als solche auch noch einmal diskutiert werden. Könnten nicht Banditen, Siedler und Indianer sich zusammensetzen und das ganze palavern? Auch an der Grenze zu Arizona sollte doch ein friedlicher Ausweg zu finden sein.

Und erst die Ärzteschaft. Warum sollten sie wohl dem betagten Herrn Karl May als Wunderheiler das Feld überlassen. Denn ein Mann im weißen Kittel sticht den roten Medizinmann doch allemal noch aus. Die Stimmzettel könnten dann gleich im Wartezimmer ausliegen. Wenn das kein Ansatz für eine wirklich innovative Ärzte-Serie ist.

Wollen nur hoffen, daß nicht irgendwann der Intendant der Bielefelder Bühnen das Publikum auf seine Seite zieht. Und beschließen läßt, daß Benjamin-Winnetou Armbruster künftig nur noch am Teuto auf die Bühne darf. Sonst muß Winnetou am Ende doch noch sterben.

[Stefan Schelp in ,Neue Westfälische' vom 6. Juni 1997]

Elspe: Mehrheit von 52 Prozent beschert dem Apachen ewiges Leben

Winnetou darf nicht sterben

Helden sterben nie: In Elspe besteht Winnetou seinen letzten Kampf mit der Hilfe seines Schöpfers Karl May. Natürlich hat Old Shatterhand seinen Anteil am Happy-End. Aber ohne die kleine Jane wären beide Blutsbrüder verloren. Denn sie ist es, die den Romanautor in der Menge entdeckt und ihn überredet, sein Werk kurzerhand umzuschreiben und Winnetou ein ewiges Leben zu bescheren.

Elspe. Winnetou lebt! Mehr noch, er ist quicklebendig. Eben noch hat er scheinbar den letzten Atemzug getan, getroffen von der Kugel des Erzganoven Rollins. Im nächsten Moment reitet er schon wieder auf seinem edlen Rappen, grüßt mit gewinnendem Lächeln seine unzähligen Fans bei den Karl-May-Festspielen in Elspe - und hinterläßt ein verblüfftes, aber glückliches Publikum.

Wochenlang stand das Leben des edlen Häuptlings der Apachen auf des Messers Schneide. Doch die Macher des Elspe-Festivals hatten es nicht anders gewollt: "Wir haben das Publikum gefragt, ob Winnetou leben oder sterben soll", berichtet Regisseur Jochen Bludau. 100.000 Fans beteiligten sich an der Abstimmung - und riefen den Apachen zurück aus den ewigen Jagdgründen. 52 Prozent beschlossen: Winnetou darf nicht sterben!

Um diesen Wunsch zu erfüllen, hat Bludau tief in die Trickkiste gegriffen, er ließ den ehrwürdigen Karl May von den Toten auferstehen. Die kleine Jane, die gerade erst den fiesen Banditen entronnen ist, bringt den Autor ins Spiel. Als sie den alten Mann in der trauernden Menge entdeckt, beschwert sie sich: "Das find ich aber blöd. Warum müssen die Helden in Deinen Büchern immer sterben?" Und der alte Herr hat ein Einsehen: "Du hast recht", grübelt er, "wahre Helden sterben nie."

So recht will das merkwürdige Gastspiel am Ende des Stücks nicht zum Rest der Vorstellung passen. Denn die ist durchaus traditionell. Winnetou, alias Benjamin Armbruster aus Bielefeld, trägt weißes Leder, das glänzende schwarze Haar wird gehalten vom Stirnband aus Schlangenleder. Kaum prescht er auf die Bühne, erklingt die Melodie, die schon Generationen beim Anblick des Häuptlings der Apatschen im Ohr haben. Ihm zur Seite sein Blutsbruder Charlie (mit Betonung auf dem langen I), jünger zwar als sein Apachen-Freund, aber mit kaum weniger Ausstrahlung.

Gemeinsam wirbeln sie reichlich Staub auf im heißen Arizona, irgendwo zwischen den Hügeln des Sauerlands. Und besiegen die goldgierigen Gangster, die die beschauliche Ruhe im Städtchen San Manuel zerstören. Bis zum Happy-End gibt's selbstverständlich jede Menge Knalleffekte. Zum Beispiel, als Old Shatterhand gewohnt treffsicher das Seil durchschießt, an dem sein Bruder Winnetou am Galgen baumeln soll. Oder der Winnetou-Kontrahent Red Manga erst einen Güterzug und dann sich selbst samt Kirche und Banditen in die Luft jagt.

Nur einen winzigen Moment zu spät geht das Dynamit hoch, mit seinem letzen Schuß streckt Erzganove Rollins den edlen Winnetou nieder. Der sinkt in die Arme seines Freundes Old Shatterhand. Und raunt die Worte, die schon unsterblich waren, bevor die Fans ihrem Apachen das ewige Leben bescherten: "Ich bestehe gerade meinen letzten Kampf. Charlie, mein Bruder, vergiß mich nicht."

[Stefan Schelp in ,Neue Westfälische' vom 6. Juni 1997]

Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften Nr. 18 - März 1997

Karl-May-Gesellschaft

Münstersche Zeitung v. 21. April 1997

Streitobjekt ist Bier
Großneffe kämpft um den Ruf von Crazy Horse

Washington - Crazy Horse ist unter den Indianern in den USA eine Legende. Der Führer der Lakota-Sioux war es, der zusammen mit Sitting Bull 1876 die berühmte Schlacht am Little Bighorn in Montana gewann.

Jetzt tritt ein Großneffe von Crazy Horse an, den Ruf seines Vorfahren zu retten. Seth Big Crow Senior hat der New Yorker Brauerei Hornell den Krieg erklärt, nachdem diese ein hochprozentiges Bier unter dem Namen Crazy Horse auf den Markt brachte.

"Es ist sehr zynisch", sagt Big Crow und betont, daß Crazy Horse energisch gegen den Genuß von Alkohol Front gemacht hat. "Bei uns hier ist Alkohol ein riesiges Problem", sagt Big Crow, der auf dem Rosebud-Reservat in South Dakota lebt.

1992 verabschiedete der Kongreß in Washington ein Gesetz, das die Benutzung des Namens Crazy Horse untersagte. Ein Richter hob das Gesetz jedoch wieder auf, da auch ein Unternehmen Meinungsfreiheit besitze.

Seitdem versucht das in St. Paul (Minnesota) ansässige Crazy Horse Defense Project, den Verkauf des Getränks in den Bundesstaaten zu verhindern - in Washington und Nebraska mit Erfolg. Big Crow fordert Schadensersatz von 100 Millionen Dollar ein.

Karl May schon Pfändungsopfer
Rheinische Post v. 8.4.97

Steigende Zahl von Schuldnern / Stadt bleibt meist unerbittlich

"Pfändungen müssen weh tun", so Ellrichmann, "wir hatten schon einmal eine verstaubte Karl-May-Sammlung im Keller der Stadtkasse. An der hing das Herz des Schuldners, nach wenigen Tagen hatte er die Bücher ausgelöst."

Karl May & seine roten Brüder
Das Fernseh-Magazin FUNKUHR, 5.-11. April

Seine Abenteuer- und Reiseromane machten ihn unsterblich: Karl May (1842-1912) gehört zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern (siehe Sendehinweis). Seine Helden Winnetou und Old Shatterhand prägen bis heute unser Indianerbild. Dabei schrieb Karl May, Sohn einer armen Weberfamilie aus dem Erzgebirge, über die edlen Apachen, ohne vorher selbst in Amerika gewesen zu sein...

Alles rund um den sächsischen Bestseller-Autor gibt es bei der Karl-May-Gesellschaft (Eitzenbachstraße 22, 54343 Föhren). Alle Jahre wieder reiten seine Helden auch bei Freiluft-Festspielen.

Auch im ZDF heißt es: Die Indianer kommen! 14 Filme geben einen Querschnitt durch mehr als 60 Kinojahre.

Trierischer Volksfreund v. 10. bis 16. April 1997

Von Karl May bis Böttger

Kurzreisen bieten sich zum Beispiel an, um nach und nach die deutschen Lande im Osten kennenzulernen. Nehmen wir Sachsen, eine Fahrt nach Dresden. Da kann der Reisende mit dem Besuch in Dresden einige interessante Abstecher verbinden. Da wäre eine Fahrt nach Meißen. Auf dem Burgberg den Dom und die Albrechtsburg zu besichtigen, das sind schon Kostbarkeiten baulichen Schaffens. Die Albrechtsburg, wo die weltberühmte Meißener Porzellanmanufaktur untergebracht war, wo Böttger für August den Starken das kostbare "weiße Gold" herstellte. Wie wäre es mit einem Abstecher zur Geburtsstadt von Karl May nach Radebeul? Der Besuch des Karl-May-Museums wäre zu empfehlen, mit der alten Schmalspurbahn eine Fahrt durch das Lößnitztal mit dem Besuch des wunderschönen Schlosses Moritzburg. Diesem Beispiel einer Kurzreise lassen sich viele hinzufügen.

Winnetous frommer Vater
Pfarrer Wohlgschaft erforscht unbekannte Seiten von Karl May
Glauben und Leben - Kirchenzeitung für das Bistum Mainz -Nr. 22 v. 1.6.97

Er redet viel lieber über Karl May als über sich selbst: Hermann Wohlgschaft, katholischer Pfarrer in Landsberg am Lech, blüht auf, wenn es um den sächsischen Erfolgsautor geht.

"Karl May ist kein Schund-Schriftsteller, weder in moralischer noch in künstlerischer Hinsicht", verteidigt Wohlgschaft den Literaten. Bereitwillig erzählt er von Mays Eskapaden in der Jugend und von dessen Zeit als Strafgefangener. Der bayerische Pfarrer ist Mitglied in der Karl-May-Gesellschaft, in deren Jahrbüchern er mehrere wissenschaftliche Artikel publizierte.

Außerdem hat er über den Winnetou-Autor eine 900 Seiten dicke Biographie veröffentlicht. Geforscht hat der 53jährige zum Beispiel über die "Theologie des Silberlöwen". Derzeit arbeitet er an seiner Interpretation der "Sterbeszenen in den Kolportageromanen".

Wie viele andere Jungen und Mädchen hat Wohlgschaft als Kind angefangen, Karl May zu lesen. Die Flucht in die Traumwelt, so berichtet er, habe ihm damals Halt gegeben. "Ich kam mir so unverwundbar vor wie Old Shatterhand." Später legte er die Winnetou-Bände verschämt zur Seite: "Ich versteckte sie sogar und wollte mit meiner Kindheitslektüre nichts mehr zu tun haben."

Erst nach seinem Examen zog er die alten Bücher wieder aus der Kiste hervor, dieses Mal aber aus wissenschaftlichem Interesse. Ein Seminar an der Theologischen Fakultät in Augsburg über "religionspsychologisches Gedankengut bei Karl May" gab dem ehemaligen Studentenpfarrer "den Kick", sich erneut mit dem Schriftsteller zu befassen.

Vor allem Mays Spätwerk hat es ihm angetan. "Das ist reine Theologie in Bildern", schwärmt der ansonsten eher zurückhaltende Geistliche. Der Schriftsteller aus einer armen sächsischen Weberfamilie habe biblische Inhalte mit einer "grandiosen Sprache" dargestellt. Die späten Erzählungen wie zum Beispiel das Drama "Babel und Bibel" enthalten, so sagt Pfarrer Wohlgschaft, "Einsichten in die Symbolik der Bibel, die man auch bei Drewermann findet". Einzelne Passagen im Roman "Am Jenseits" erinnern ihn an moderne Theologie. "So etwas würde man heute bei Karl Rahner lesen", ist sich Wohlgschaft sicher. Man könne Mays Spätwerk als "theologische Poesie" auffassen. Als Beispiel dafür nennt er den Roman "Ardistan und Dschinnistan", in dem der Friede als ein versiegter Fluß dargestellt wird, der wieder Wasser spendet. Friede, so legt das Buch nahe, sei nur möglich in der Umkehr zu Gott.

Der Karl-May-Gesellschaft trat Wohlgschaft bei, weil er merkte, "daß das keine Wildwest-Fans sind. Die ziehen sich nicht wie Cowboys an, sondern beschäftigen sich mit Literatur". Die populären Winnetou-Filme mit Pierre Brice und Lex Barker hingegen lehnt er ab. Darin komme die Vielschichtigkeit des Autors zu kurz. "Daß Karl May auch Wildwestromane geschrieben hat, ist für mich ohnehin nur ein Nebenaspekt." Die Filme und die Freilichtspiele in Bad Segeberg sieht er als ungerechtfertigte "Einengung" des May-Werks.

Neulich hat Wohlgschaft bei einer Aufführung des Bruckner-Requiems in Landsberg meditative Zwischentexte gelesen, darunter einen Dialog von Karl May über das Sterben. Und einmal im Jahr kommen May-Texte in seiner Predigt vor - auch nicht häufiger als Dostojewskij oder Goethe, deren Werke er ebenso bewundert. Der Priester fühlt sich nicht als "penetranter Fan", sondern als schlichter Leser: "Ich habe keine Haarlocke oder andere Reliquien von Karl May."

Dieter Klink


Leserbriefe

Klaus Eggers, Köln

Ihr Leipziger Vortrag
Ich bitte, Ihnen über Ihr Sekretariat einen Leserbrief schreiben zu dürfen, es geht so schön schnell, und noch trägt mich die Begeisterung. Mit großer Freude und intellektuellem Gewinn habe ich die Beilage zum Mitteilungsheft 112 gelesen. Ihre Art, einen Gegenstand, selbst wenn man ihn kennt oder zumindest zu kennen glaubt, interessant und ansprechend darzustellen, ist bewundernswert. Karl May hafte oft in seinem Leben und noch weit darüber hinaus Pech mit den Leuten, auf die er getroffen ist. Mit Ihnen hatte er viel Glück, und auch wir alle dazu. Ich danke Ihnen von Herzen.

Volker Klotz, Stuttgart

So ungern ich Briefe schreibe, zu Papier gebracht muß werden, wie sehr mir Ihr Vortrag über die "Aufgaben in Gegenwart und Zukunft der KMG" aus dem Herzen gesprochen war. Klar und entschieden, wohl formuliert und zugleich diplomatisch. Das mach Ihnen mal einer nach; oder besser nicht, das ginge daneben!

Zumal der Hinweis auf Begeisterung am eigenen produktiven Tun in eine Zeit, die perverserweise Leistung nur mit Geld mißt; ferner die emphatische Empfehlung eines sozusagen klassenlosen Forschers; schließlich das Gewicht auf den Reise-Erzählungen.

Gustav Freininger, Graz

Betr.: Ihr Buch "Karl May, das Strafrecht..."
Ihr Buch, von dem ich durch eine Besprechung in der Wiener "Presse" Kenntnis erhielt, habe ich mit großem Interesse gelesen und ich möchte Ihnen dazu herzlich gratulieren. Wer, so wie ich, von Jugend an begeisterter Karl-May-Leser war und am Schicksal des Autors Anteil nimmt, muß Ihnen Dank und Anerkennung zollen für die objektive Beurteilung der Stärken und Schwächen dieser, in jeder Hinsicht außerordentlichen, Persönlichkeit.

Horst Friedrich, Wörthsee

... besten Dank für die wiederum bemerkenswert guten und interessanten neuesten KMG-Nachrichten, die heute hier eintrafen!


Kleine Meldungen

Die Phantastische Bibliothek Wetzlar konnte schon häufiger von uns zitiert werden. Aus ihrem Veranstaltungsprogramm entnehmen wir diesmal:

2. Litauische Begegnungen - 11. bis 15. Juni 1997 - Stadthaus am Dom: großer Saal

Vortrag: Teodoras (etrauskas

Aus der Übersetzerwerkstatt: Deutsche Kinderliteratur in litauischer Sprache

Teodoras (etrauskas gilt als einer der versiertesten Übersetzer deutscher Literatur ins Litauische (Günter Grass, Heinrich Böll, Michael Ende, Karl May), er hat auch über 20 der bekanntesten deutschen Kinder- und Jugendbücher ins Litauische übersetzt. Er wird nicht nur aus seiner eigenen Übersetzertätigkeit berichten, sondern auch von einem von ihm durchgeführten Projekt einer gemeinsamen Übersetzung von Kinderliteratur mit einer Kindergruppe.

Karl-May-Straße Nr. 5

Die Karl-May-Straße in Fischerbach ist nichts für uns, ein falscher Fünfziger sozusagen, nach Erlangen-Frauenaurach die zweite Enttäuschung, schade. Dieser Namensgeber war ein respektabler Heimatforscher im Kinzigtal, schrieb auch Gedichte und sogenannte Geistergeschichten. Er lebte von 1901 bis 1956, war mit Leib und Seele Lehrer und Mitglied im Gesangsverein. Seine Ausbildung erhielt er in Bruchsal, Gengenbach und Karlsruhe, seine erste Lehrerstelle in St. Blasien. Seine Kenntnisse der Natur schlug sich in Werken nieder wie z.B. ,Pflanzen und Tierwelt im Wandel', ,Von den Witterungsverhältnissen'. Also wohl auch geographische Predigten?? Damit endet aber der Vergleich. dSch

Wilhelm Brauneder, Wien

Das "Asyl für Obdachlose":
Zu Karl Mays Vortrag in Wien 1912

Mit dem Buch von Brigitte Hamann "Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators" (Wien 1996) besteht wohl Gewißheit darüber, daß sich unter den Zuhörern von Karl Mays berühmtem Vortrag im Sofiensaal in Wiens 3. Gemeindebezirk auch der junge Adolf Hitler befunden hat: "In den geliehenen Schuhen machte sich H. am 22. März 1912 auf den weiten Weg von der Brigittenau zu den Sofiensälen im 3. Bezirk", so schreibt Hamann (544). Von "der Brigittenau", dem 20. Gemeindebezirk Wiens, kam Hitler aus dem dortigen Männerheim in der Meldemannstraße 27 nächst der die Donau überspannenden Floridsdorfer Brücke.

Das "Männerheim", wie die offizielle Bezeichnung etwa in Anzeigen lautete (233), bezog Hitler am 9. Februar 1910 (217), nachdem er unmittelbar zuvor ab Herbst 1909 (222) im Obdachlosen-Asyl im 12. Wiener Gemeindebezirk Meidling gewohnt hatte (oberflächlicher: Joachim C. Fest, Hitler, 1973, 70 f.). Exakt, so vermeldet "Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k.k. Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien" für die Jahre 1910 bis 1912, lauteten Bezeichnung und Anschrift wie folgt: "Asyl für Obdachlose, für Männer, Frauen und Kinder, XII., Unt. Meidlingerstraße 63 (Asylgasse 2) nächst der Philadelphia-Brücke" - daher kurz: "Asyl für Obdachlose".

Am bekannten Werbeplakat zum "Vortrag Karl May" fällt nun folgender Hinweis auf: "Ein Teil des Reinertrages fällt dem Asyl für Obdachlose zu"! "Asyl für Obdachlose": Nach Lehmanns "Anzeiger" handelt es sich dabei eindeutig um Hitlers Unterkunft bis zum 9. Februar 1910: Es gab zwar noch ein "Asyl für obdachlose Familien" im 20. Gemeindebezirk in der Universumstraße 62 sowie ein "Asyl für obdachlose Familien ohne Unterschied der Konfession und Herkunft" im 7. Gemeindebezirk in der Kaiserstraße 92 - aber nur das eine "Asyl für Obdachlose"! Der Zusammenhang mit Hitlers ehemaliger Unterkunft, der "ein Teil des Reinertrages" jenes Vortrages, dem Hitler beiwohnte, zufallen sollte, ist auffällig. Vielleicht wurden Plakate von Mays Vortrag in derartigen Heimen, auch in Hitlers neuer Unterkunft, dem "Männerheim", angeschlagen?

Hamann berichtet weiters noch: "Bei den Diskussionen im Männerheim nimmt er (Hitler) für den angegriffenen May Partei..." (547). Das geschah allerdings schon vor dem Vortrag von 1912 (238) und war nicht erst durch ihn veranlaßt. Denn nur aus der Lektüre Mays vermochte Hitler zu wissen, daß dieser "Länder und Leute aus den entferntesten Erdteilen wahrhaftig schildern konnte", "daß Mays Schriften dem Empfinden junger Leute so nahe waren" wie ein Anonymus über seinen "Freund Hitler" 1935 berichtete (547). Vielleicht kannten Hitler und seine Diskutanten Werke Mays auch aus dem "Männerheim"? Denn "ein geräumiges, sehr nett eingerichtetes Lesezimmer", "Tagesblätter und eine hübsche Bibliothek" standen nach der Auskunft eines damaligen Journalisten "den Gästen zur Verfügung" (231). Von "Diskussionen im Leseraum" (237) auch über Karl May (238) berichtet Hamann selbst. Die Bibliothek enthielt übrigens "leichte Romane und populärwissenschaftliche Schriften" (232). Welche Titel dies genau waren, das wissen wir leider nicht mehr (Anm. 6 zu 232), aber die Charakteristik vermag auch Werke Mays zu umschließen.

Wilfried Fitzenreiter zum 65. Geburtstag

Sicherlich werden diese Zeilen den Jubilar verlegen machen, entspricht doch eine aufdringliche "Rampenlicht-Show" nicht seiner Art. Eher schüchtern und verhalten sein Auftreten - kurz gesagt: ehrlich und seriös - man merkt es seinen Arbeiten an.

Eine Laudatio, so lehrt uns das Lateinische, kann sowohl löbliches Zeugnis als auch Dankschreiben bedeuten. Unbestritten gilt beides heute dem Jubilar Wilfried Fitzenreiter, der am 17. September seinen 65. Geburtstag begeht. Seine künstlerische Kurzbiographie verrät uns, daß er nach einer Steinmetzlehre und dem Studium am Institut für künstlerische Werkgestaltung Halle als Schüler von Weidanz und Lichtenfeld zum Meisterschüler bei Heinrich Drake an der Deutschen Akademie der Künste in Berlin wurde. Ergebnis: ein seit 1961 freischaffender Künstler, dem wir den Lutherkopf in Genf, das wunderbare Paris-Urteil in Chemnitz, die Saale-Nixe in Halle u. a. Hauptwerke verdanken. Dem Erfolg steht auch der Lorbeer zur Seite: 1959 - Goldmedaille Wiener Weltfestspiele, 1964 - Willi-Lammert-Preis, 1981 - Nationalpreis u. a.

Neben zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland wurden Plastiken und Grafiken in einer Ausstellung der Kleinen Galerie in der Karl-May-Geburtsstadt Hohenstein-Ernstthal gezeigt. Zumindest aus Sicht des Karl-May-Freundes sind wir damit beim vorläufigen Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens: der Karl-May-Büste. Dieses künstlerische und geschichtsträchtige Kleinod wurde der Karl-May-Geburtsstadt anläßlich des 150. Geburtstages des großen sächsischen Fabulierers zum Geschenk gemacht und am 25. Februar 1992 auf dem Neumarkt seiner Geburtsstadt enthüllt. Eine weitere Karl-May-Büste schuf der Künstler für das Museum in Radebeul. Neben der Büste schuf Wilfried Fitzenreiter noch zahlreiche andere May-bezogene Skulpturen und Medaillen. Jede einzelne für sich beseelt mit dem Geist des "Maysters".

"IN MANU ILLIUS PLUMBUM AURUM FIEBAT - In seiner Hand wurde selbst Blei zu Gold." So könnte das zwischenzeitliche Fazit seines Schaffens lauten. Doch sicherlich können wir davon ausgehen, daß dies auch forthin der Fall sein wird. Deshalb, lieber Wilfried Fitzenreiter, wünschen wir Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit, Wohlergehen und eine kreative Strebsamkeit für zukünftige Projekte.

Wolfgang Hallmann - André Neubert

Pfarrer em. Ernst Seybold ist tot

Die Nachricht vom Tode Ernst Seybolds kam für seine Freunde leider nicht überraschend; sie traf uns aber alle tief. Noch bis in die jüngste Zeit hinein nahm er regen Anteil an der Arbeit der KMG; Zettel und Notizen, Kopien seiner Arbeiten erreichten die Redaktion noch bis zur Sommerpause.

Sein Tod hinterläßt eine große und kaum zu schließende Lücke im Mitarbeiterkreis unserer Gesellschaft. Seit Jahren war er einer der eifrigsten May-Forscher, der bei unseren Mitgliedern durch zahlreiche Veröffentlichungen bekannt und anerkannt war. Wer ihn kannte, war stets von seinem freundlichen Wesen und seiner Liebenswürdigkeit beeindruckt. Wir verlieren mit ihm einen Freund, der uns stets beratend und helfend zur Seite stand.


!!!!! SOEBEN IST ERSCHIENEN !!!!!

KARL-MAY-AUTOGRAPHIKA HEFT 3

47 Seiten (DlN-A-4) - Preis: DM 15,- zzgl. Versandkosten

Mit Karten und Briefen Karl und Klara Mays an Franz Joseph Völler, Leopold Gheri, Otto Hartmann u.a.: dazu ein Konvolut von Karten Klara Mays an den Wiener Polizeibeamten Josef Breitschmid.

Ich bestelle:

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Ich abonniere die unregelmäßig erscheinenden Hefte der Reihe ,Karl-May-

___ Autographika' bis auf schriftlichen Widerruf (ab Heft 4)

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Auslieferung: Ekkehard Bartsch Postfach 1122,

23781 Bad Segeberg


Reprintvorhaben der KMG:

Zunächst die schlechte Nachricht: Der Reprint "Frohe Stunden" kann 1997 definitiv nicht mehr erscheinen, da die Vorarbeiten leider immer noch nicht abgeschlossen sind. Die Bestellungen bleiben weiterhin gültig.

Und nun die gute: In Vorbereitung befindet sich eine stark erweiterte Neuauflage des vor 20 Jahren erschienenen, lange vergriffenen Hausschatz-Reprints "Der Scout/Deadly Dust. Der Zeitschriftenurtext (insbesondere des Scout) weicht beträchtlich von den späteren "Winnetou"-Buchausgaben ab und ist von "besonderem Reiz" und der "literarisch bessere Text" - so Prof. Roxin, der die 2. Auflage durch ein vollkommen überarbeitetes und erweitertes Vorwort einleitet.

Der ganze Band erfährt eine Umfangssteigerung von 211 auf ca 300 Seiten mit einer Vergleichslesung des "Scout" (Buchausgabe - Zeitschrift) von Anton Haider, die die Veränderungen dokumentiert, einer Konkordanz, dem Abdruck von Briefkastennotizen aus dem Hausschatz u.a.m.

Obwohl nicht im Hausschatz erschienen, legt die KMG im Anschluß zum erstenmal die thematisch eng verwandte Geschichte vom Tode Winnetous mit dem Titel "Ave Maria" in der Fassung der "Fuldaer Zeitung" (1890) vor, die sich vom früheren Druck unterscheidet und May unmittelbar als Vorlage für die Buchausgabe gedient hat, wie das Vorwort zu dieser Erzählung u.a. zeigen wird.

Der Vorbestellpreis bis zum 31.12.1997 beträgt ca. 50,- DM zzgl. Versandkosten, danach 65,- DM zzgl. Versandkosten. Bitte benutzen Sie die beiliegende Bestellkarte!

Wie schon früher erwähnt, benötigen wir ca. 200 Vorbestellungen, um das finanzielle Risiko kalkulieren zu können und das Projekt durchzuführen.

Ein letzter Hinweis: Für Reprints gibt es keine Abonnements. Ruprecht Gammler


Ausschreibung

Vom Memorial-Museum der Karl-May-Geburtsstadt Hohenstein-Ernstthal wird 1998 ein Preis für die treffendste Karikatur oder den aussagekräftigsten Cartoon vergeben

Zum Thema "Karl May im Sichtwinkel seiner Leser" soll mit Zeichenstift und Feder Leben, Werk und Wirken des großen sächsischen Fabulierers originell und souverän reflektiert werden.

Über die Vergabe des mit 5.000,00 DM ausgeschriebenen Preises entscheidet eine berufene Jury. Ihr gehören Repräsentanten folgender Vereine und Institutionen an:

Wer sich am Wettbewerb beteiligt, ist einverstanden, daß seine Arbeit(en) zu Ausstellungszwecken benutzt werden.

Jeweils ein Wettbewerbsbeitrag jedes Teilnehmers kann vom Veranstalter zum Verbleib ausgewählt werden.

Im Falle einer Veröffentlichung kann ein Pressehonorar gefordert werden.

Für alle Einsendungen gilt Format DIN A 5 - 3

Einsendeschluß: 30. November 1997

Preisvergabe: 25. Februar 1998

Einsendeadresse: Karl-May-Haus
Karl-May-Straße 54
09337 Hohenstein-Ernstthal


Peter Krumbiegel

Der Mann, der Jerry Cotton war
Bestseller-Autor Heinz Werner Höber lernte mit Karl Mays Hilfe lesen

Heinz Werner Höber (65), der wichtigste Autor jener berühmten Krimihefte (annähernd zweitausend), in deren Mittelpunkt FBI-Agent Cotton steht, ist ein ausgesprochener Karl-May-Fan. In seinen Erinnerungen ist ,Cotton, wie ich ihn verstehe, den Helden Karl Mays sehr nahe. Winnetou und Old Shatterhand sind als moralische Vorbilder konzipiert. Als ich Winnetou zum ersten Male las, war ich fest davon überzeugt, daß er lebt. Auch die Leser, die sich auf Jerry Cotton stürzten, glaubten, daß er lebt. Die Parallelen zu meinem großen Vorbild Karl May sind mindestens darin offensichtlich.' Wie Karl May so schrieb Heinz Werner Höber über Länder, die er nie gesehen hatte und das mit ,affenartiger Geschwindigkeit'

Interessant sind Höbers erste Bekanntschaften mit den Karl-May-Romanen. In Heinz Werner Höbers Erinnerungen liest es sich so: ,Als ich das erste Kapitel von Winnetou auswendig vorlesen konnte, kam ich in die Schule. Dort fingen sie mit den einzelnen Buchstaben an. Bei meiner Vorbildung begriff ich die schnell, und als wir in der Fibel so schwierige Wörter wie der Hahn - das Huhn lesen sollten, wurde es mir zu langweilig und ich beschäftigte mich unter der Bank mit Winnetous zweitem Kapitel. Das trug mir hin und wieder einen Verweis ein, aber auf dem ersten Zeugnis eine Eins im Lesen. Mein Vater führte das auf Vererbung zurück, mein Lehrer auf seine pädagogische Befähigung. Ich war taktvoll genug, ihnen nicht zu widersprechen. Ich war noch nicht einmal zehn, aber ich kannte die Kordilleren und den Rio de la Plata, ich hatte die Geysire am Yellowstone gesehen und die Pfähle im Llano Estacado. Ich wußte, daß Panther mit th geschrieben wird, ein Wadi ein ausgetrocknetes Flußbett ist und Hai es callah die Aufforderung zum Gebet.'

Für die älteren Radebeuler und Dresdner Karl-May-Freunde dürfte von Interesse sein, wie Heinz Werner Höber im Juli 1945, wenige Wochen nach Kriegsende, das Karl-May-Museum in Radebeul aufsuchte. Glücklicher Umstand für Heinz Werner Höber war, daß er sich mit einem russischen Oberleutnant im besetzten Döbeln/Sachsen angefreundet hatte. ,Es mag im Juli 1945 gewesen sein, als mich mein russischer Freund, starschi leitenant Prechodin, nach Dresden mitnahm, weil ich ihn darum angebettelt hatte. Denn Dresden bedeutete für mich Radebeul, und Radebeul war Karl May. Prechodin fuhr mit einem offenen amerikanischen Lkw, wie ihn die Rote Armee damals benutzte. Das läßt darauf schließen, daß er in Dresden etwas abholen wollte. Er war immer in irgendwelche Geschäfte verwickelt. Zuerst fuhren wir zu einer russischen Kaserne, und ich erinnere mich, daß Prechodin ziemlich sauer wieder auf den Laster stieg. Er hatte offenbar nicht bekommen, was er wollte. Dennoch hielt er sich an sein Versprechen und fuhr mit mir nach Radebeul.

Nach einigem Suchen kamen wir vor der Villa Shatterhand an, und im Garten daneben stand das von innen verbarrikadierte Blockhaus. Mein Oberleutnant hämmerte mit der Pistole solange gegen die Tür, bis Patty Frank, der

Verwalter, die Tür öffnete. Prechodin sagte: Maltschik gucken. Du zeigen. Dawai, dawai. So kam ich wahrscheinlich als erster Deutscher nach dem Krieg zu einer Privatführung durch das Karl-May-Museum in der Villa Bärenfett. Für mich war das mehr als ein Museumsbesuch. Endlich sah ich die Traumbilder meiner Jugend leibhaftig vor mir. Mein großer Landsmann aus Hohenstein-Ernstthal und seine unsterblichen Helden haben mich mein Lebtag nicht losgelassen.'

Quelle: Jan Eik, Der Mann, der Jerry Cotton war, Erinnerungen des Bestseller-Autors Heinz Werner Höber

Verlag Das Neue Berlin, 1996


Independence Day in Berlin

Mitten in Berlin (Siemensstadt) liegt die Old Texas Town, eine Western-Stadt, bei der auch nichts vom klassischen Ambiente fehlt - vom Saloon bis zur Kirche, vom City-Hall Museum bis zur Wells-Fargo-Station ist alles vorhanden. Bürgermeister ist der Mayor Ben Destry; doch er sagt von sich: "Draußen bin ich weiter nichts als Fritz Walter aus Berlin. Patty Frank und Bill Jenkins waren oftmals Gäste in der Town und am 4. Juli dieses Jahres war auch die KMG mit zahlreichen Mitgliedern vertreten.

Eingeladen hatten die Checkpoint Charlie Stiftung, die Initiative Berlin-USA, der Cowboy-Club Old Texas und die Karl-May-Gesellschaft in Person des rührigen Organisators Thomas Grafenberg, um mit amerikanischen Gästen den Unabhängigkeitstag der Vereinigten Staaten zu feiern. Berlin verdankt den Amerikanern viel auf seinem Wege in die Freiheit; die Mitglieder der KMG freuten sich vor allem auf die Begegnung mit den Freunden aus Lubbock: So waren vor allem auch Teilnehmer der bisherigen "Winnetours" erschienen, um mit unserem amerikanischen Mitglied Prof. Meredith McClain und weiteren amerikanischen Bekannten einige angeregte Stunden zu verbringen.

Zwar stand die Unabhängigkeitsfeier mit der eindrucksvollen Flaggenparade im Mittelpunkt, doch dann ging es mit Musik- und Tanzdarbietungen (Quadrille und Square Dance) weiter, über die sich auch die zahlreichen prominenten Gäste (u. a. Mr. Barcas, der amerikanische Botschafter in Berlin, die Botschafter von Kanada und Jamaika und die Vertreter des Spandauer Bezirksamtes und des Senates der Stadt Berlin) freuten. Nach den obligatorischen Reden wurden neben Mayor Ben Destry (Fritz Walter) und dem Geschäftsführer der Checkpoint Charlie Stiftung (A. Longolius) auch unser Mitglied Thomas Grafenberg als Berliner Repräsentant der KMG mit einer texanischen Flagge ausgezeichnet, die am 21.4.97 auf dem Capitol in Austin aufgezogen war. Amerikaner sind sehr traditionsbewußt, das ist für uns Deutsche immer wieder sehr überraschend. Der 21.4.1836 war der Tag, an dem die Texaner Mexiko endgültig besiegten (Schlacht bei San Jacinto, Gefangennahme von General Santa Ana). Überhaupt war ein bemerkenswertes Interesse an Kontakten in Deutschland zu verspüren. So waren vom Tourismus-Büro in Lubbock die Damen Aimée Martin und Nicole Robins in Mrs. McClains Begleitung, die für Besuche in Texas (und speziell in Lubbock/Llano Estacado) warben. Von der ,Chamber of Commerce' Levelland (nördlich von Lubbock gelegen) waren Sandy und Rodney Parker anwesend; Sandy Parker (als Vorstandsmitglied der Handelskammer) schenkte Ben Destry eine Gitarre mit der Signatur von Tom Hales — in Levelland gibt es die Tom-Hale-Gedächtsnishalle für berühmte klassische Gitarren-Country-Musik. Fritz Walter bekam zusätzlich von Lubbock eine Einladung als Ehrengast zum Cowboy-Symposium in der 1. Septemberwoche. Neben den Mitgliedern der KMG dürften die deutschen Cowboy-Clubs primär Interessenten für Besuche im amerikanischen Süd-Westen sein.

- Daß am Rande dieses Treffens auch die Reisefolge der Winnetour 1998 abgestimmt wurde, sei nur kurz erwähnt. Das Ergebnis können Sie auf Seite 10 in diesem Heft [unten auf dieser Seite - die WWW-Red.] nachlesen. Die Reise verspricht für Karl-May-Kenner sehr spannend zu werden.


Quirlig, witzig, fünfundsiebzig

Das Geburtsdatum - 29. Juni - vereinnahmt ihn unter dem Sternkreiszeichen des Krebses, das Geburtsjahr zeigt an: Joachim Schmid ist nunmehr 75 Jahre jung. Also nachträglich allerherzlichste Glückwünsche!

Der älteste der vier Söhne von Dr. Euchar Albrecht Schmid und Frau Katharina wurde sicherlich mit einem Schmunzeln auf den Lippen geboren. Anders als andere "Krebse" hat er sich das über siebeneinhalb Jahrzehnte bewahrt, und so soll's bitte bleiben; denn auch geborene Frohnaturen werden nicht von Schatten verschont...

Was viele Karl-May-Freunde wohl übersehen: die Schmid-Söhne wurden ab der ersten Schuljahre schon mit May belastet. "Hast du nicht mal `nen Karl May für mich? Ihr habt doch genug davon!" Immer und immer wieder KARL MAY. Das ist nicht die reinste Freude. Das - würde man heute sagen - nervt.

Bruder Wolfgang starb 1945 an einer Kriegsverletzung. Joachim, Roland und Lothar traten des Vaters und Karl Mays verlegerisches Erbe an, wie man halt ein Erbe antritt: eine geschäftliche und lohnende Verpflichtung.

In den 50er Jahren firmierte der Karl-May-Verlag unter Joachim-Schmid-Verlag, und in der Zeit verzwölffachte sich die Buchauflage seit 1913 auf rund 13 Millionen, bis 1963 verdoppelte sich noch einmal die Gesamtauflage.

Nun steht sie wohl um die 100 Millionen.

Zweifelsfrei wohl darf festgestellt werden, daß ohne den verlegerischen und nicht uneigennützigen Einsatz der Familie Schmid Karl May den Buchwert-Weg Coopers oder Gerstäckers gegangen wäre: unter ferner liefen.

1992 begab sich der geschäftlich sehr erfolgreiche Joachim Schmid, gebürtiger Radebeuler, vom May-Verleger ins May-Rentner-Dasein, Bruder Lothar und Sohn Bernhard sind nunmehr allein für den Verlag in Arbeit und Verantwortung.

So bleibt Joachim das nie vernachlässigte Familienleben mit Frau Barbara, fünf Töchtern und neun Enkeln, mit Ritten weltweit zu den "Schlaraffen", deren Ritter-Namen-Liste Seiten füllt. Wie "Kalumet, der Büchsenschmid". Allüberall erfreut der Globetrotter mit flinken Stegreifdichtungen und Mutterwitz, ist wegen seines rundum von aller Gäste Tellern Aufgepicktem als gefürchteter Esser bekannt, auch durch fast Geiz und Sparsamkeit in Perfektion. Und er pflegt seinen Stall voller Steckenpferde. Als da sind Berge von mechanischem Spielzeugs, raffinierte Heimorgeln (mit einschiebbaren Melodie- und Taktkarten), unüberschaubarer Zettelwirtschaft, Unordnung pur, Familiengeschichten im Krimistil, Autos voller technischer Schnickschnacks. Und er pflegt Freundschaften beispielhaft.

Im Ganzen rundherum ein Hobble-Frank, eine Tante Droll - eine Karl-May-Figur wie aus dem Bilderbuch. Ein Mensch zum Liebhaben!


Tragik und Triumph - Video über Karl May

Karl May - Tragik und Triumph. Ein Besuch im Wigwam Old Shatterhands. Neue Filmproduktion GmbH & Co. KG 1997

Endlich liegt ein Video über Leben und Werk Karl Mays vor, das das Informationsbedürfnis eines breiten Publikums stillt. Aber nicht nur das: mit diesem Video ist es auch gelungen, Mays Leben und Werk in Verbindung mit der Ausstellung "Die Indianer Nordamerikas" in Radebeul aufzuzeigen. Um das Fazit schon vorwegzunehmen: Dieses Video ist rundherum ohne Einschränkungen zu empfehlen - ich habe es, weil ich meinem eigenen Urteil erstmal "Befangenheit" unterstellte, Bekannten vorgeführt, und diese haben mein Urteil voll bestätigt: das Video bietet eine hervorragende, verläßliche Einführung in Mays Leben und Werk, und es verbindet es mit Bildern aus dem Karl-May-Museum, der Villa Shatterhand, sowie dem Indianermuseum in Radebeul. Der Film stammt von Andreas Schlosser (Regie und Kamera). Die Fachberatung haben René Wagner, Direktor des Karl-May-Museums und Geschäftsführer der Karl-May-Stiftung, sowie unser allbekanntes KMG-Mitglied Walther Ilmer, Bonn, bedeutend als Autor und Vortragender zu May, übernommen. Ferner dankt der Filmautor der Karl-May-Stiftung und dem Karl-May-Museum (Wagner, Grunert) sowie dem Progress-Filmverleih für Unterstützung bzw. Zusammenarbeit. Besonders betont werden sollte in diesem Zusammenhang, daß der Erlös des Videos an die Karl-May-Stiftung fließt (Kaufpreis DM 39.95; zu beziehen über das Karl-May-Museum in Radebeul). Inzwischen gibt es auch eine englische Fassung, deren Übersetzung Walther Ilmer besorgt hat.

Walther Ilmer spielt übrigens in diesem Video eine Paraderolle. Zum einen gibt er fachkundige Informationen zu Mays Leben und Werk in Form von Interviews, zum anderen übernimmt er die Rolle Mays, tritt also als May auf. Schon zu Beginn des Filmes sieht man ihn als May in dessen Bibliothek in der Villa Shatterhand, wo er aus seinem Werk vorliest: "Ich bin im niedrigsten, tiefsten Ardistan geboren, ein Lieblingskind der Not, der Sorge, des Kummers, und ich schreibe hier, um zu beichten. Aber ich spreche hier nicht nur für dieses Leben, sondern auch für jenes, an das ich glaube, und nach dem ich mich sehne." Man kann natürlich darüber streiten, ob das "Schlüpfen" eines lebenden Experten in Sachen May in Mays "Haut" - Aussehen und Zitieren - in einem Film überhaupt zu begrüßen ist; aber ohne Zweifel spielt Ilmer hier seine Rolle ernsthaft und überzeugend. Übrigens sind in einer Szene auch Wagner und Grunert - beides essentielle Mitglieder der KMG - zu sehen.

Die inhaltliche Abfolge des Filmes soll hier nicht verraten werden. Wie schon eingangs gesagt, wird das Leben Mays erzählt. Bilder historischer Gestalten und Stätten werden angereichert mit szenischer Gestaltung, Interviews und Zitaten aus Mays Werk, wobei Walther Ilmer hierbei eine führende Rolle zukommt. Ein besonderes Kompliment gebührt der musikalischen Untermalung. Hervorragend gelungen ist die Verbindung mit Bildern aus dem Indianermuseum, mit Einblendungen filmischer Szenen (z.B. zur Custer-Schlacht, zu Sitting Bull, zum Untergang der Indianer) - auf diese Weise gerät der Film regelrecht spannend. Drei kleine Unebenheiten - Mays Beschäftigung mit Indianern während der Gefängniszeit beginnt bei den Indianern der Nordwestküste; die Indianer der Nordostküste werden ausführlich dargestellt, aber Grizzly-Bären gab es dort nicht; und unvermittelt schließt sich hier ein Bericht über die Hopi und Pueblo an, ohne daß mitgeteilt wird, daß sie im Südwesten lebten, was vermutlich als Wissen vorausgesetzt wird - fallen angesichts des positiven Gesamteindrucks des Filmes nicht ins Gewicht. Man lernt viel über indianische Kulturen, aber vor allem gewinnt man ein adäquates Bild über Karl May - vom Uhrendiebstahl etc. über Kochta und Fehsenfeld, Emma und Klara, Sascha Schneider und Suttner, Winnetou und "Ardistan und Dschinnistan", Kolportageromane und Wiener Rede - bis zu seinem Tode, dem der Triumph mit Übersetzungen in mehr als 30 Sprachen und mehr als 100 Millionen verkauften Exemplaren allein in Deutschland folgte. - Kurzum: Dem Video ist eine weite Verbreitung zu wünschen. Es lohnt sich!

Eckehard Koch

Herr Grunert vom Karl-May-Museum wird das Video auf unserer Tagung in Erlangen der Öffentlichkeit vorstellen


Eckehard Koch

"... mit Genuß gelesen"

Siegfried Augustin:

Die Geschichte der Indianer. Von Pocahontas bis Geronimo 1600-1900. Mit 123 Abbildungen und 9 Karten.

München 1995 (nymphenburger)

KMG-Mitglied Dr. Dipl. Ing. Univ. Dozent Siegfried Augustin, bekannt durch die Herausgabe von mehr als 50 Büchern der Reise- und Abenteuerliteratur und der Geschichte Nordamerikas, Mitherausgeber der Roten Karl-May-Reihe in der nymphenburger u.v.a., gilt längst als bedeutender Kenner der indianischen Geschichte. Schon vor zwei Jahren hat er nun eine "Geschichte der Indianer" vorgelegt, die er bislang in der KMG, vermutlich aufgrund seiner freundlichen Bescheidenheit, nicht bekannt gemacht hat, obwohl sicher viele Mitglieder bereits darauf gestoßen sind - wie eben ich auch. In diesem Fall wäre es zu wenig, einfach nur eine Zeile in den Mitteilungen oder Nachrichten der KMG mit Hinweis auf dieses imponierende Werk zu bringen, das auf ca. 560 Seiten einen exzellenten Überblick über die Geschichte der nordamerikanischen Indianer bietet. Das Buch folgt einem besonderen Ansatz. Es gliedert sich in 3

Teile (Der Osten, Die Großen Ebenen, Der Ferne Westen) und bringt in diesen Abschnitten - nach geographischen Regionen (z.B. Teil II: Die Prärien, Die nördlichen Plains, Die südlichen Plains) unterteilt - Darstellungen einzelner Stämme. Bleiben wir bei dem eben gewählten Beispiel: Nach einer allgemeinen Einführung folgt dann eine spezielle Einführung zum Kapitel "Die Prärien" mit Auflistung der wichtigsten Stämme, der Sprachgruppen, Lebensgrundlagen, Lebens- und Wohnformen mit anschließenden allgemeinen Erläuterungen. Dann wird in Kultur und Geschichte des 1. Stammes eingeführt, in diesem Fall in die der Pawnee - und dann folgt das, was den eigentlichen Reiz des Buches ausmacht: sie wird erzählt anhand der bedeutendsten Häuptlinge oder Persönlichkeiten, die der Stamm hervorbrachte (in diesem Fall Petalesharo). Das nächste vorgestellte Volk sind die Mandan mit Mato-Topa. Jede auf diese Weise vorgestellte indianische Persönlichkeit wird - soweit vorhanden - mit Bild und einem Auszug aus einer gehaltenen Rede eingeführt bzw. mit einem Urteil über ihn (im Fall von Mato-Topa eine Beurteilung durch George Catlin). Auch die Biographien der Häuptlinge sind keine trockenen Abrisse, sondern angereichert mit Zitaten und spannenden Beschreibungen. Ich habe das Buch in wenigen Tagen ausgelesen, so spannend und hervorragend lesbar ist es geschrieben. Daß die Quellenforschung das eine oder andere Detail heute in etwas anderem Licht erscheinen läßt, tut diesem - und ich sage das bewußt und ohne Übertreibung - einzigartigen Werk keinen Abbruch. Besonders zu betonen ist, daß Augustin nicht nur die "üblichen" Häuptlinge portraitiert, sondern auch solche, die allgemein weniger bekannt wurden (wie Adario von den Huronen , Kamiaken von den Yakima oder Ouray von den Ute). Wer sich fundiert über die indianische Geschichte informieren will, kann an diesem Buch mit seinem interessanten und andersartigen Ansatz nicht vorbeigehen. Ich habe es mit Genuß gelesen und viel daraus gelernt, und ihm ist eine weite Verbreitung zu wünschen. In diesem Jahr wird es noch als Taschenbuch erscheinen. Gerüchteweise habe ich vernommen, es sei für einen Preis vorgesehen - ich würde mich freuen.

Andreas Graf

Helmut Schmiedt: Ringo in Weimar

Begegnungen zwischen Hochliteratur und Popularkultur

Wirkendes Wort 3/96. Würzburg: Königshausen & Neumann 1996

Der Koblenzer Germanist Helmut Schmiedt legt eine ebenso instruktive wie kurzweilige Essaysammlung vor, deren neun knappe Kapitel sämtlich um das landläufig - und entgegen gängiger Vorurteile durchaus nicht nur in Deutschland - schwierige Verhältnis zwischen E- und U-Kultur kreisen. Dabei geht es Schmiedt keineswegs darum, den einen oder den anderen Bereich a priori auf- oder abzuwerten; eine Kanondiskussion im gängigen Sinn findet mit guten Gründen nicht statt. Schmiedts Zugriff ist weitaus direkter, als dies bei ähnlichen Publikationen in der Regel der Fall zu sein pflegt, und die Differenziertheit seiner Ergebnisse rechtfertigt die gleichsam kompromißlose Vorgehensweise. Denn es wird nicht erst einleitend und theorielastig erörtert, was denn "Popularität" auf der einen und "Hochliteratur" auf der anderen ausmache, obwohl dies naturgemäß implizit stets mitdiskutiert wird; vielmehr wird eine solche Trennung zunächst einmal als - im Bewußtsein der Rezipienten - faktisch vorhanden vorausgesetzt. In unbefangener und eingehender interpretatorischer Beschäftigung mit herausragenden Werken der einen wie der anderen "Richtung" setzt dann die Untersuchung eigene Schwerpunkte, die das Einzelwerk zum Sprechen bringen, die verschiedensten Vertreter plausibel miteinander vergleichen und zeigen - dies überhaupt der thematische Kern der Sammlung -, daß sie sich in einer Weise längst - und wohl seit je - miteinander im Gespräch befinden, die gerade der germanistischen Literaturwissenschaft noch kaum zu Bewußtsein gekommen ist. Sengles Theorie vom "abgesunkenen Kulturgut", die einst folgenreich eine kommunikative Einbahnstraße von E- in Richtung U-Literatur postulierte, wird damit einmal mehr als deutlich modifizierungsbedürftig erkennbar, indem bei Schmiedt die Literatur- und Kulturgeschichte von Goethe bis Stephen King als ein teils überraschend intensives Zwiegespräch beider Bereiche Kontur gewinnt.

Im ersten Kapitel (10-18) werden grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis der beiden Sphären angestellt: die Darlegungen nehmen den Gedanken ernst, daß "Rinaldo Rinaldini" und die "Wahlverwandtschaften", allen Unterschieden zum Trotz, "nicht Bewohner zweier separater Welten sind, sondern Verwandte in einem einzigen Kosmos, und daß es darum geht, was wir über solche Werke erfahren, wenn wir sie im Lichte ihrer Verwandtschaft lesen." (18) Sodann wird die Reaktion deutschsprachiger Autoren auf Texte der anglo-amerikanischen Popmusik an einigen Beispielen, vor allem deutsche Übersetzungen englischer Songs (Camillo Felgen), Johannes Mario Simmel u.a., untersucht - mit dem Ergebnis, daß tendenziell die provokatorische, gesellschafts- und kulturkritische Tendenz der Vorlagen in Deutschland abgemildert oder sogar umgedreht wurde. Beispiel: "Entgegen den Vorgaben englischer Songs betonen die deutschen Autoren den Wert dauerhafter bzw. ehelicher Beziehungen" (25). Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Funktion populärer Lieder im "Werther" und in Handkes "Jukebox" (31-40): der stürmende-drängende Umgang mit Ossian und Klopstock hat überraschende Parallelen in Handkes "Liebeserklärung" (32) an die Beatles. Anknüpfend an frühere Überlegungen entdeckt Schmiedt sodann ebenso überraschende Parallelen in der Rezeptionsgeschichte von Goethe und Karl May, die weit über kuriose Zufälligkeiten hinaus Grundsätzliches zum Umgang unserer Kultur mit ihren - wie auch immer gearteten - Klassikern verraten: "man hat auf diese Größen und ihre Werke im wissenschaftlichen wie im außerwissenschaftlichen Bereich auf eine ganz ähnliche Weise reagiert, man ist in der Annäherung an sie und in der Wertung eng benachbarte Wege gegangen" (57). Daß dies möglicherweise mehr auch mit literarisch-immanenten Kriterien zusammenhängt, als manche meinen mögen, wird im Anschluß daran erläutert, am Beispiel der Argumentationsstrukturen im "Werther" und in Karl Mays Abenteuerromanen (59-66); der Umgang von Film und Literatur wird an vier sehr unterschiedlichen Beispielen vorgeführt (67-87), von Härtlings "Casablanca"-Roman und Kristls "Sekundenfilmen" über eine "Bonanza"-Folge zu dem Shakespeare-inspirierten Horrorfilm "Theater des Grauens" (1972): Besonders gelungen scheinen mir dabei Schmiedts differenzierte Hinweise zu der "Bonanza"-Folge "Charles Dickens in Virginia City" (76-81). Untersuchungen zum Verhältnis von Schein und Sein in Heinrich Spoerls humoristischem Roman "Der Maulkorb" (88-95) und zur literarischen Konstruktion erotischen Erlebens (96-109) mit Beispielen aus "Werther", "Wahlverwandtschaften", E. Marlitt, einem Arztromanheft und Bildlegenden in den Magazinen "Penthouse" und "High Society" schließen sich an. Abschließend folgen unter der Überschrift "Männer in Fesseln" überraschende Vergleiche der Romane "Misery" (dt. "Sie") von Stephen King und "Ein Mann im Haus" von Ulla Hahn - die durchaus sehr zuungunsten der deutschen "Hochliteratur"-Autorin ausfallen: Kings Werk erweist sich als "ein hochmoderner Roman" (126), während Hahns Roman "eher bieder" (128) wirkt.

Durch Schmiedts Sammlung weht ein beeindruckend frischer interpretatorischer Wind; eine hilfreiche Lehre für alle Fachgermanisten zumal läßt sich daraus abschöpfen: Kein Gegenstand ist zu niedrig, als daß ihm nicht eingehende Beschäftigung gewidmet werden könnte - findet man nur den richtigen Angelpunkt; und kein Name ist zu hehr, als daß an ihn nicht jede neue Frage gestellt werden können muß. Im Kontinuum der Reflexion schließlich erweist sich erst die Kraft der Literatur - von Goethe bis Karl May.


Eine völlig neue Handlung
Die Originalfassung fehlt ganz

Manfred Raub

Es ist immer wieder erstaunlich, welch unerschöpfliches Informationsreservoir die grünen Bände bieten. - Bei Arbeiten an meiner USA-Briefmarkensammlung stieß ich auf den Namen FARRAGUT. MICHEL: 149A, $1.00. Ich erinnerte mich, den Namen in den Nordamerika-Büchern gelesen zu haben.

WINNETOU. 2. Band.

Im Folgenden eine Episode aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, (1861-1865) in die sich unser Autor geschickt einbezieht, uns, en passant, das Weltgeschehen jenseits des Ozeans - die Seekriegführung der Union - näherbringt und uns zudem mit einem Teil der Inselwelt des Golfes von Mexiko bekanntmacht.

Zuerst muß jedoch auf die einzelnen Karl-May-Ausgaben eingegangen werden.

  1. Winnetou der Rote Gentleman, 2. Band, 41.-45. Tausend, Fehsenfeld. Seiten 5-10
  2. Winnetou. 2. Band, 191.-209. Tausend, Radebeul. Text und Seitenzahl sind mit Nr. 1 identisch.
  3. Winnetou, 2. Band, 623.-682. Tausend, Bamberg. 1951
Im Bamberger wurde eine völlig neue Handlung konstruiert. Die weiter unten gezeigte Originalfassung fehlt ganz.

Auf Seite 8 wird darauf hingewiesen, daß: "Amerika kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges stand", obwohl auf Seite 4, unter dem Inhaltsverzeichnis, schwarz auf weiß zu lesen ist: "Die vorliegende Erzählung spielt Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts".

Am 18. April 1862 bricht Farragut mit seiner Flotte zwischen den Forts am unteren Mississippi durch und besetzt am 26. April New Orleans. Hier beginnt unsere Handlung:

W. 2.: Erstes Kapitel. Als Detektive.

Old Shatterhand kehrt mit dem Kleeblatt nach St. Louis zurück und reist alleine nach New Orleans. um Winnetou zu treffen.

"Es sollte aber anders kommen. Wir befanden uns, was ich noch gar nicht erwähnt habe, weil es auf die bisher erzählten Ereignisse keinen Einfluß gehabt hatte, mitten im Bürgerkriege. Zufälligerweise war grad jetzt der Mississippi offen, denn der berühmte Admiral Farragut hatte ihn wieder in die Gewalt der Nordstaaten gebracht; dennoch aber wurde die Fahrt des Steamers, auf dem ich mich befand, durch allerlei Maßregelungen, die freilich wohl notwendig waren, sehr verzögert, und als ich in New Orleans ankam und in dem betreffenden Hotel nach Winnetou fragte, wurde mir der Bescheid, daß er gestern fort sei und für mich die Weisung zurückgelassen habe, daß er nach Vicksburg hinter Santer her sei, mir aber der Unsicherheit wegen nicht raten könne, ihm zu folgen, und später bei Mr. Henry in St. Louis sagen werde, wo er zu finden sei."

Er schifft sich in New Orleans auf einem Yankee nach Cuba ein, um von dort aus nach Deutschland oder zurück nach New York zu kommen. In einem Hurrican erleidet er Schiffbruch und wird auf den Tortugas angespült.

In Fort Jefferson findet er Aufnahme.

"Sie befanden sich bei einigen Gebäuden, denen der Sturm arg mitgespielt hatte; von einem derselben hatte er das ganze Dach mit fortgenommen. Wie staunten die Leute, als sie mich erblickten! Sie starrten mich an, als ob sie mich für ein Gespenst hielten. Die See tobte noch so, daß wir brüllen mußten, um uns zu verstehen. Sie waren Fischersleute. Der Sturm hatte unser Schiff gegen die Tortugas getrieben, und zwar gegen diejenige Insel, auf welcher sich Fort Jefferson befindet. In diesem waren damals konföderierte Kriegsgefangene interniert.

Die Fischer nahmen sich meiner auf das freundlichste an und versahen mich mit frischer Wäsche und den notwendigsten Kleidungsstücken, denn ich war nur so bekleidet, wie man sich während einer Seereise schlafen zu legen pflegt. Dann schlugen sie Alarm, denn es galt, die Küste nach andern vielleicht Geretteten abzusuchen. Es wurden bis zum Morgen sechzehn Personen gefunden. Bei dreien gelang es, sie ins Leben zurückzurufen; die andern waren tot. Als es Tag wurde, sah ich das Ufer mit angespülten Trümmern bedeckt; das Schiff war zerschellt; der Vorderteil des Rumpfes saß auf der Klippe, auf welche ihn der Hurrikan getrieben hatte.

Ich war also ein Schiffbrüchiger, und zwar im vollsten Sinne des Wortes, denn ich besaß nichts, gar nichts mehr; das Geld, welches einem so Freude erregenden Zweck hatte dienen sollen, lag auf dem Grunde der See. Natürlich bedauerte ich diesen Verlust, doch nicht ohne mich über denselben zu trösten; ich selbst war ja gerettet worden, ich und noch drei von so vielen, gewiß ein großes Glück!

Der Kommandant des Forts nahm sich unser an; wir bekamen, was wir brauchten, und mir erwirkte er die Gelegenheit, per Schiff nach New York zu gehen."

Die Tortugas - heute Dry TORTUGAS NATIONAL PARK - sind die westliche Fortsetzung der Florida-KEY'S im Golf von Mexiko. (KEY : flache Insel, Riff, Koralleninsel im Süden Floridas)

Fort Jefferson - heute F.J. NATIONAL MONUMENT - liegt 65 miles (ca. 104 km) westlich des Seehafens KEY WEST.

Zeitlich-historisch richtige Einordnung und geografische Genauigkeit, angesprochener Örtlichkeiten, zeichnen dieses Abenteuer aus.

Quellennachweis:

Der amerikanische Bürgerkrieg - Weltbildverlag Augsburg 1992
Für die Freiheit sterben - Battleery of Freedom - Südwestverlag München 1992
Webster. New World Dictionary, World Publisching Company, Cleveland, New York, 1960
Webster. New Collegiate Dictionary, Merriam Company, Springfiede, Mass. 1973
Rand Mehally Road Atlas 1995
Rand Mahally Road Atlas 1956
Gulf Tour Guide 1977


Horst Friedrich

Wo liegt das unerschlossene Potential an neuen KGM-Mitgliedern?

Die Mitgliederstatistik auf S. 9 der KMG-N. Nr. 112 nebst zugehörigem Beitrag von Wolfgang Hammer, Hildesheim, ließ mich zum Taschencomputer greifen! Die Institutionen abgezogen, hat die KMG demnach derzeit 1797 persönliche Mitglieder. Davon rd. 86% Männer, aber nur rd. 14% Frauen! Und noch etwas fällt sofort ins Auge: die geringe Mitgliederdichte in Österreich (wo man ja ebenso an Karl May interessiert sein müßte wie hierzulande) und in der größtenteils deutschsprachigen Schweiz. In Deutschland sind, ich habe es ausgerechnet, 0,0021% der Bevölkerung KMG-Mitglied, in Österreich hingegen nur die Hälfte, nämlich 0,0011%, und in der Schweiz sind es gar nur 0,0004%. Man sollte diese Werte mit den Verkaufszahlen für die diversen Karl-May-Editionen in den drei Ländern vergleichen. Wären es in Österreich und der Schweiz auch 0,0021% wie in Deutschland, hätte die KMG die "magische Marke" von 2000 Mitgliedern schon übertroffen!

Wir sollten also nicht nur wissen, wie man neue KMG-Mitglieder wirbt, sondern vor allem, wo ganz aktuell unerschlossenes Mitglieder-Potential liegt. Dies sind einmal Österreich und die Schweiz. Vor allem aber sind das (neben dem stets vorhandenen männlichen Mitglieder-Potential) die Frauen! Angesichts der heutigen Anteilnahme der Frauen an allen geistigen Aktivitäten, erscheinen mir 14% als lächerlich gering. Womit sich die KMG beschäftigt, dürfte weitaus mehr Frauen interessieren! Wir müssen sie aber erst einmal aufmerksam machen, sie ansprechen und ihnen eine KMG-Mitgliedschaft als interessantes Betätigungsfeld "verkaufen". Hier hat, meine ich, die KMG, und haben wir als männliche Einzelmitglieder, viel nachzuholen!


Immer wieder finden sich in der Literatur, in alten, vergilbten Blättern aber selbst in Prospekten oder Katalogen - kurz: an völlig unerwarteter Stelle Hinweise und Bezüge auf unsern Autor. Manche stimmen uns nachdenklich, andere wieder heiter. Gerne veröffentlichen wir daher gelegentlich diese Fundsachen, auf die wir zumeist von aufmerksamen Mitgliedern hingewiesen werden, um auch unsere anderen Leser damit zu erfreuen.

Seeteufel erobert Amerika

Felix Graf von Luckner (Korvettenkapitän a. D.) 86.-94. Tausend, Koehler & Amelang, Leipzig

Nun möchte ich aber einmal etwas vom romantischen Amerika erzählen. Als ich in meiner Jugend begeistert Karl May las und mir in den glühendsten Farben ausmalte, wie großartig ein Zusammentreffen mit echten Indianern sein müßte, so hatte ich doch nicht geglaubt, daß mein Wunsch so sehr spät in Erfüllung gehen sollte. Gelegenheit dazu gab mir die Einladung eines neugewonnenen Freundes, Ingeborg und mich zu einem Ausflug ins Yosemite-Tal mitzunehmen. Neben vielen Wundern der Natur birgt dieser riesige Nationalpark auch noch die Wigwams der Yochemiti-Indianer. Als ich davon hörte, war mein Entschluß gefaßt: auch mit diesen "echten" Amerikanern wollte ich Freundschaft schließen. Als ich im Indianerlager eintraf, standen da wirklich zwei ganz famose Kerle, aber mit Federn waren sie nicht geschmückt. Etwas kühl war die Begrüßung der beiden Häuptlinge, keiner reichte mir die Hand. Der Chief Hailstorm, der in Zivil gar nicht wie ein Hagelsturm aussah, fragte mich nach meinem Namen. Wenn der Hagelwetter heißt, dachte ich mir, so mußt du auch so einen schönen Namen haben, und ich antworte nur ganz kurz: "Sea Devil". Beider Augen guckten mich erstaunt an: "Bist du auch ein Häuptling?" fragte mich das Hagelwetter. "Jo, jo," segg ick, "im Kriege, da war ich ein Piratenhauptmann auf meinem Seeadler." Da reichte er mir begeistert die Hand, die ich ihm kräftig drückte; aber einen solchen Händedruck hatte die olle ehrliche Rothaut wohl nicht erwartet, denn sein rechtes Bein zuckte in die Höhe, als ob er aus der Balance gekommen wäre. Na, ich habe wohl einen guten "Eindruck" auf ihn gemacht, denn er holte plötzlich seinen Kriegsschmuck und auch ich mußte einen aufprobieren. Wie rührend hätte Karl May sicherlich diese Szene beschrieben! Auch meine Frau mußte sich im Glanze der Federn zeigen. Natürlich wurden wir sofort geknipst, aber erst nahm der Häuptling mir die Pfeife aus dem Munde. Aha, dachte ich, im Dienstanzug darf auch hier nicht geraucht werden! Dann aber hat das Calumet freundschaftlich zwischen uns gekreist. Als Zeichen seiner Zuneigung schenkte er mir einen Tabaksbeutel eigener Handarbeit. Die Leute ernähren sich nämlich jetzt durch den Verkauf selbstgemachter Gegenstände, aber er vertraute mir an, daß dieses Stück ein ganz altes, echtes, von ihm schon viel gebrauchtes Stück sei und fügte zum Beweis der Richtigkeit hinzu: "it smells!" ("Es riecht schon!") Sehr imponierte es ihm, als ich ihm erzählte, daß unsere deutschen Jungen immer noch begeistert Indianer spielten, und er unterwies mich noch im Werfen des Tomahawks, worin der alte Knabe eine fabelhafte Fertigkeit hatte. Ich war doch froh, daß ich nicht am Marterpfahl vor ihm stand. Chief Hailstorm hat dann auch auf der "Vaterland" seinen Gegenbesuch gemacht.


Rezensionen

Dr. med. Heilig vom Erzgebirge

Spectrum (Presse) v. 24. Mai 1997

Alfred Pfabigan über Essays zur "wirren Biographie" Karl Mays

Seit Arno Schmidts Buch "Sitara und der Weg dorthin" gilt der ehedem als "Verderber deutscher Jugend" den wilhelminischen Pädagogen verhaßte Karl May als der vielleicht letzte "Großmystiker der deutschen Literatur". Das öffentliche Interesse, das Schmidt und der ihm folgende Hans Wollschläger auslösten, galt immer auch der wirren Biographie dieses Schriftstellers, der jahrzehntelang als Genie der Eigenreklame für seine phantastischen Abenteuer den Authentizitätsanspruch reklamierte und als greiser Erfolgsautor wegen seiner kriminellen Jugend im Zentrum einer in ihrer Grausamkeit in der deutschen Literaturgeschichte einzigartigen Hetzkampagne stand.

May, den der erpresserische Journalist Lebius als "geborenen Verbrecher" im Sinne des Kriminologen Lombroso beschimpfte, hat tatsächlich als junger Mann zahlreiche fast komödiantische Züge tragende Straftaten begangen: Als "Hermes" und in der Maske des Neffen eines Pflanzers aus Martinique narrte er die sächsischen Behörden, therapierte als Augenarzt Doktor Heilig die Bauern des Erzgebirges, ließ sich bargeldlos neu einkleiden und "beschlagnahmte" als Staatsanwalt und Mitglied der "Geheimen Polizei" angebliches Falschgeld. Den Rückfalltäter hat die volle Härte des Gesetzes getroffen und ihn zu insgesamt mehr als sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.

In der anhaltenden Karl-May-Renaissance ist der Rechtswissenschaftler und Präsident der Karl-May-Gesellschaft Claus Roxin eine nur Eingeweihten bekannte Zentralfigur. In seiner Sammlung einfühlsamer Essays zur Deutung Mays liest er das Werk sozusagen rund um die Straftaten des Schöpfers. May - strafrechtlich ohne Zweifel ein Hochstapler und Betrüger - war kein zweckorientierter Lügner, sondern ein "Pseudologe" im Sinne des Psychiaters Delbrück: Dem auf Grund seiner zeitweiligen Blindheit als Kind zum Autismus Disponierten sei die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Realität, zwischen "Wahrheit" und "Phantasie", zeitlebens schwergefallen. May hätte sich zuerst in seinen Straftaten sozusagen selbst erfunden, bevor er das gleiche in der angeblich autobiographischen Literatur tat. Viele "Heldentaten" der Old Shatterhand und Kara ben Nemsi variieren in grandioser Weise die Delikte ihres Erfinders. Ein Hochbegabter, der unter elenden Bedingungen aufwuchs, hätte auf seine Benachteiligung zunächst mit Trotz und dann mit einem Literatur gewordenen kompensierenden Tagtraum von berauschender seelischer Heilkraft reagiert.

Darin sieht Roxin auch eine Ursache für den überwältigenden Erfolg Mays: In den naiven Abbildern kollektiver Nöte hätten Jugendliche eine Möglichkeit gefunden, sich mit Mays phantasievoller Strategie der Überwindung eines mißlichen Schicksals zu identifizieren. Roxin folgt hier dem Selbstbild des Autors: Das May-Problem sei das "Menschheitsproblem, aus dem großen, alles umfassenden Plural in den Singular, in die einzelne Individualität transponiert".

Claus Roxin
Karl May, das Strafrecht und die Literatur
Essays, 190 S., geb., S 248 (Klöpfer & Meyer Verlag, Tübingen)

Gerechtigkeit für Winnetou

Der Strafrechtler Claus Roxin auf den verschlungenen Spuren von Karl May

Schwäbisches Tagblatt vom 30. Juni 1997

Tübingen

Man wünscht, den Fabulierer Karl May unbehelligt zu lesen, ohne Einwürfe und Zwischenrufe der literaturwissenschaftlichen oder ideologiekritischen Art. So hofft man, der eigenen Kindheit nahezubleiben. In seinen Büchern scheint sie aufbewahrt, das ist das Wunder des May-Lesens. Bei allem Verständnis für diesen Wunsch nach dem unverfälschten, mit immergleichem Auge verschlungenen Karl May, diesem Homer für ewige Steppkes: Es lohnt durchaus, sich auch mit seinem Leben und den Umständen seines Schreibens zu beschäftigen. Ernst Bloch hat es zuerst vorgemacht, als er May in den Adelsstand eines auch philosophisch bedenkenswerten Autors erhob und ihn zu einer Art Vorschule der Utopie erklärte. In Tübingen folgte ihm der Rhetoriker Gert Ueding, für dessen "Ästhetik des Vorscheins" May zum Kronzeugen wurde.

Bei Klöpfer & Meyer ist nun in der vielgelobten Promenaden-Reihe ein literarisch-kriminologischer Essay über den Vater Winnetous und Old Shatterhands erschienen. Ihr Autor: Claus Roxin, 66, Strafrechtler an der Uni München und Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft. Seine Aufsätze, die zurecht in die von Gert Ueding herausgegebene Reihe aufgenommen wurden, weil sie essayistischen Schwung haben und keine dröge Kathederprosa sind, stammen aus den letzten dreißig Jahren. Sie fordern Gerechtigkeit für einen Publikumsliebling, der zu Lebzeiten mehrmals auch zum juristischen Fall wurde und den Knast von innen kannte.

Das Schlimmste daran: Gegen Ende seines Lebens - er starb 1912 - sah Karl May sich einer Hetz- und Verfolgungskampagne durch die wilhelminische Sensationspresse ausgesetzt - vermutlich haben die Angriffe sein Leben vorzeitig beendet. May hatte stets behauptet, alle von ihm erzählten Abenteuer auch selbst erlebt zu haben, die Ereignisorte aus eigener Anschauung zu kennen und überdies 1200 (!) Sprachen zu sprechen. Vorsichtig gesagt, stimmte davon nur das wenigste. Seine Feinde stellten ihn aber nicht allein als Lügenbaron bloß, sondern brandmarkten ihn als mehrfach Vorbestraften. Das stimmte auch, und May bestritt es nicht, er wünschte nur, mit all diesen Fällen aus seiner Frühzeit nicht wieder konfrontiert zu werden, zumal er nie rückfällig geworden war. Das war das gute Recht eines als "geborener Verbrecher" verdammten Mannes, dessen bürgerliche Reputation in kurzer Zeit beinahe zerstört war.

Auf spannende Art dröselt Roxin diesen Fall auf. Er schildert die erbärmliche Kindheit des Webersohns, seinen mühsamen Aufstieg, die mal kleinen, mal größeren Delikte, meist Trickdiebereien oder Betrug. So gab May, der liebend gerne einen echten Doktortitel geführt hätte, sich als Arzt oder Geheimagent aus - und mußte dafür mehrmals ins Gefängnis oder gar ins Zucht- und Arbeitshaus, wo er zum Schriftsteller wurde.

Roxin ist ein mit allen Wassern seines Fachs sowie etlicher Nachbardisziplinen gewaschener Kriminologe. Als Gerichtspsychologe etwa klärt er, wie May zu seinen Vergehen kam, vergißt aber nicht, auch den schwierigeren Weg einzuschlagen und die innige Verwandtschaft von Karl Mays deutlich hochstaplerischen Delikten mit dem phantastischen Charakter seines Werks aufzuzeigen. Hätte May damals nur bessere Richter gefunden! Der pseudologische Felix-Krull-Typ, der er als Erfinder seiner Alter-ego-Helden Winnetou oder Old Shatterhand war, dieser Typus war er auch im richtigen Leben, besonders im frühen. Nur sehr wenig galt ihm die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit.

Roxin hat mit seinen Arbeiten wesentlich dazu beigetragen, den dummen Mythos von Karl May als einem genetisch vorprogrammierten Verbrecher aus der Welt zu schaffen. Damit sollte seinerzeit sein Ruf und sein Einfluß auf die Jugend zerstört werden. Zugleich aber öffnet Roxin am Beispiel Mays den Blick auf ein poetisches Temperament, das dem eines Goethe, Gottfried Keller oder Thomas Mann verblüffend ähnlich sieht, auch wenn die Letzteren die bedeutenderen Dichter waren und nie straffällig wurden.

Claus Roxin: Karl May, das Strafrecht und die Literatur. Essays. Promenade 8 (hrsg. von G. Ueding), Klöpfer & Meyer Verlag, Tübingen 1997. 190 Seiten, 34 Mark.


Liste ergänzt:

Die 50 Großen unseres Jahrhunderts

Petra Weber: Carlo Schmid -1896-1979 - Eine Biographie. Verlag C.H. Beck München, 1996

Anfang der 60er Jahre startete die Radiozeitung "HÖRZU" eine Umfrage: Wen zählen Sie zu den 50 Großen unseres Jahrhunderts? Einige Schriftsteller wurden in der vorgegebenen Liste auch genannt. Schmid ließ Camus Name auf der Liste stehen. Dann ergänzte er die Liste: "Sartre, Jaspers, Heidegger, Brecht, Rilke, Stefan George, Karl May". Die Lektüre Karl Mays war früher im Hause Schmid verpönt gewesen. Jetzt kam es gelegentlich vor, daß er jungen Schülern Karl May zur Lektüre empfahl. Er selbst las noch immer gern in Coopers Lederstrumpf. Die anderen Namen verbanden sich für ihn mit der Überzeugung oder der Hoffnung, daß durch ihr Werk ein geändertes gesellschaftliches Bewußtsein geschaffen wurde oder geschaffen werden könnte. Albert Camus' frühen Tod hatte er zutiefst bedauert. Er hatte gehofft, vielleicht sich auch nur der Illusion hingegeben, daß von dessen Literatur Impulse ausgehen könnten.

[Eingesandt: Theodor Meilinger, Kriftel]


Ehrenvolle Auszeichnung

Für die Übersetzung von "Dede Korkut's Buch - Das Nationalepos der Oghusen hat die Staatliche Universität Baku unserem Mitglied H. Achmed Schmiede die Ehrendoktorwürde verliehen!

Außerdem hat ihn die Akademie der Wissenschaften von Aserbaidschan zum Leitenden Wissenschaftlichen Mitarbeiter der dortigen Abteilung für Textforschung ernannt und ihm die vollständige Neuauswertung und Vorbereitung einer textkritischen Ausgabe der Dresdner Originalhandschrift aus dem 16./17.. Jahrhundert übertragen.

Wir gratulieren unserem Mitglied H. Achmed Schmiede recht herzlich zu den beiden hohen Auszeichnungen.


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Karl-May-Gesellschaft

- Juristische Schriftenreihe -

hrsg. von Jürgen Seul
- - Bd. 2 - -

Jürgen Seul: Karl May ./. Dr. Alban Frisch/Wilhelm Lippacher
216 Seiten - (DIN-A-4) - DM 26.- (zuzgl. Versandkosten)

Karl May verklagte 1910 Verleger und Redakteur des ,Hohenstein-Ernstthaler Tageblattes', von denen er sich in ihren Berichten über den Charlottenburger Prozeß beleidigt fühlte. Diese Klage gehört sicher nicht zu den bedeutenden Gerichtsaktivitäten Karl Mays. Doch lassen sich, wie Jürgen Seul in seinem minutiösen und kenntnisreichen Kommentar zeigt, an diesem Fall besonders gut auch die vorangegangenen - von May nicht vor Gericht gebrachten - Angriffe der bedeutenderen Pressegegner (Cardauns, Mamroth, Schumann) hinsichtlich ihrer teilweise auch vor den Richter gehörenden Verunglimpfungen des Schriftstellers darstellen. Seul arbeitet dieses ,dunkle Kapitel' im Leben Mays vorbildlich auf.

Selbstverständlich enthält der Band die Reproduktion der vollständigen Gerichtsakte (100 Seiten mit einigen längeren handschriftlichen Schriftsätzen Karl Mays) und Reprints der inkriminierten Zeitungsartikel.

Bestellungen an: Ulrike Müller-Haarmann, Gothastr. 40, 53125 Bonn

- übrigens: die Reihe kann man bei ihr auch abonnieren -

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Ulrich von Thüna

Das neue Jahrbuch

Die lange Reihe der Jahrbücher wird im Herbst um den Band 27 verlängert. Bald ist sie so bunt, wenn auch nicht in der Reihenfolge der Regenbogenfarben, wie seinerzeit die Reihe Suhrkamp.

Der Aufgabe des Jahrbuchs, ebenso Gehäuse für Fakten und Forschungsergebnisse zu sein wie Diskussionsforum für neue Ausblicke auf das Werk Mays, werden die Herausgeber auch in diesem Jahr gerecht. Hinzu tritt natürlich das Jahrbuch als natürlicher Ort für Erstveröffentlichungen bisher unbekannter May-Texte. So steht füglich am Anfang des Bandes die von Ulrich Schmid herausgegebene und kundig kommentierte Korrespondenz von Karl und Klara May mit Babette Hohl-Kopp. Neben vielen "Harmlosigkeiten" aber auch biografisch nicht unwichtigen Zeugnissen aus der "Kampfzeit" steht ein langer Brief Mays vom 11. März 1905, in dem er ausführlich auf sein bekanntes Thema eingeht, daß er in seinem bisherigen Schaffen nur skizziert und sich geübt habe und nun erst sein Lebenswerk beginne. Zu den Zeugnissen aus der Werkstatt Mays gehört auch eine Kuriosität, eine Liste chinesischer Vokabeln, die May hauptsächlich aus der kleinen chinesischen Grammatik des seinerzeit bekannten Sinologen von der Gabelentz entnommen hatte. Er hatte das Buch zur Entstehungszeit des "Blau-roten Methusalem" gekauft. Der Sinologe Walter Schinzel-Lang hat diese im Faksimile vorgelegte Liste Mays, die dessen engagiertes, wenn natürlich auch laienhaftes Studium chinesischer Wörter dokumentiert, überaus sachverständig kommentiert. Ergänzend dazu steuert Rudi Schweikert als neueste Lesefrüchte aus dem "Pierer" diesmal Chinoiserien bei.

Schwerpunkt dieses Jahrbuchs ist der "Schatz im Silbersee". Er ist bekanntlich bisher von der Forschung eher stiefmütterlich behandelt worden. Nach einem knappen, dichten Text von Wollschläger über den "Silbersee" bildet im Jahrbuch ein nicht weniger glänzend geschriebener Aufsatz des Rechtswissenschaftlers Klaus Lüderssen das schönste Lesevergnügen. Er blickt als kundiger Amateur sozusagen von außen auf das Werk und siedelt es in einer ldeallandschaft zwischen der Wohnung von Mathilde Möhring und der Kartause von Parma an, seine sinnlich-emotionalen Eindrücke der Lektüre in der Jugendzeit jetzt hinterfragend.

Auch von außen gesehen, aber mehr dem Universitätsstil einer Vorlesung (hier eine Ring-Vorlesung der Universität Augsburg) verpflichtet, ist der Vortrag von Thomas M. Scheerer über den "Silbersee". Er ist aufschlußreich für das Informations- und Reflexionsniveau der Germanistik außerhalb des Kreises der Spezialisten. Neben informativen Beiträgen von Andreas Graf und Eckehard Koch über Gerstäcker-Texte als Quellen für May und zum zeitgeschichtlichen Hintergrund vom "Schatz im Silbersee" steht noch ein langer Artikel von Wolfgang Hammer, der eine Strukturanalyse des Buches verspricht. Hammer beschreibt sehr detailliert eben die Strukturen der Erzählung und gelangt zu der Überzeugung einer durchaus übersichtlichen Anlage des Ganzen, basierend auf dem zentralen Motiv der Rache (mit dem sich Hammer schon im Jahrbuch 1994 ausführlich beschäftigt hatte). Hammer meint, daß May im "Silbersee" einem genauen Plan gefolgt sei, und zwar Episoden von "Deutsche Herzen, deutsche Helden". Der aufmerksame Leser wird im einzelnen den Ausführungen Hammers nachzugehen haben, um in der Lage zu sein, seine Thesen zu akzeptieren oder abzulehnen. In weiten Strecken enthält Hammer sich der Wertung, ganz anders als seinerzeit Lorenz in seiner Einleitung zum "Kamerad"-Reprint, der auf pointierte und eher kritische Wertungen nicht verzichtet hatte. Bei erster Lektüre erscheinen mir die gelegentlich in Erwägung gezogenen biografischen Spiegelungen wie die Utahs als Sinnbild für kärglich zahlende Verleger oder aber die Begegnung von Haller und Hartley als Spiegelung der Begegnung von Mays ehrlichem mit seinem hochstaplerischen Ich der kritischen Diskussion bedürftig.

Ein Hauptbeitrag des vorliegenden Jahrbuchs steht außerhalb des "Silbersee"Komplexes. Der gelernte Philologe Werner Kittstein listet zunächst ausführlich am Beispiel von Textstellen bei May (und anderen Autoren) bestimmte Erzählfiguren auf. Das ist für den Deutsch-Unterricht eine wundervolle Materialquelle, und ich sehe schon die Schüler vor mir, die mit Kittstein auf dem Tisch vom Lehrer aufgefordert werden, seine Analysen nachzuvollziehen und andere Beispiele für das epische Präteritum mit Vergangenheitsbedeutung oder die erlebte Rede einer dritten Person oder eine auktoriale Erzählsituation im Œuvre des Meisters ausfindig zu machen. Nach dieser Aufzählung beginnt Kittstein seine literarische Wertung von Orient-Erzählungen mit der Feststellung, daß Interpretation keine unwiderlegliche Entscheidung über richtig oder falsch ist. Das schränkt sicher auch die Gültigkeit der vorgestellten Beispiele für den literarischen Kanon ein. Regelverstöße brauchen keine Verstöße gegen die ästhetische Gültigung eines Werkes zu sein. Kittsteins Analyse der Erzähltechnik nun ist wohl abgewogen, auch durchaus kritisch, wo Kritik angebracht ist. Er ist sehr zurückhaltend gegenüber übersteigerten und damit beliebigen Textausdeutungen. Bei seiner ausführlichen Erörterung des ersten Kapitels von "Silberlöwe II" kommt er zu dem Ergebnis, daß May hier voll seine erzählerischen Fähigkeiten entfalte (was auch heiße, daß deren Begrenztheit deutlich werde). Abschließend bespricht er die im Orient spielenden Altersnovellen.

Helmut Lieblang berichtet ausführlich über Brehms Orient-Eindrücke - in Mays Frühwerk. In weiteren Beiträgen des Jahrbuchs beschäftigt sich der Germanist Karl-Otto Sauerbeck mit sprechenden Namen bei May, unterschiedlichen Formen der Anrede und mit den Skizzen, die May gelegentlich in seinen Erzählfluß einblendet. Hermann Wohlgschaft schreibt über Sterbeszenen in den Kolportage-Romanen. Er sieht sie als bewegend und zugleich metaphysisch geprägt an.

Alles in allem ein Jahrbuch, das sowohl die angenehme Lektüre gut geschriebener Prosa wie ernsthaftes Nachbaggern im Detail verheißt und verdient.


Karl Mays zähe Vorurteile

Nordbayerische Zeitung 19.4.97

Seit über 100 Jahren verschlingen vor allem junge Leser die Bücher von Karl May über die Abenteuer von Old Shatterhand bei den Indianern und von Kara Ben Nemsi im Orient. "Karl May hat die Vorstellungen von Generationen über die Indianer und den Orient geprägt und damit auch eine ganze Menge Vorurteile begründet", sagt der Ägypter Shaker El-Rifai (33), der derzeit von Bonn aus für seine Doktorarbeit über das Bild forscht, das Karl May vom Islam gezeichnet hat.

Rifai arbeitet normalerweise als Oberassistent in der Germanistik-Abteilung der berühmten "Al-Azhar"-Universität in Kairo, die im Jahre 972 als islamische Universität gegründet wurde und sich als älteste Hochschule der Welt versteht. In den arabischen Ländern gilt Karl May als Lügner, der eine Menge Unsinn über den Orient verbreitet hat. Als Rifai vor Jahren seinen ersten Karl May ("Durch die Wüste") las, wurde er neugierig: "Da stehen viele zutreffende und viele falsche Informationen nebeneinander. Man fragt sich natürlich, warum die Qualität der Angaben so unterschiedlich ist."

Heute weiß der Doktorand, daß Karl May seine ersten Orient-Bände schrieb, ohne selbst im Orient gewesen zu sein. "Er hat viel gelesen, aber Lexika und Reisebeschreibungen waren damals auch nicht immer zuverlässig. Als er später im Auftrag der katholischen Kirche schrieb, bekam das vermittelte Islam-Bild offenbar gewollt eine negative Färbung. Erst als seine Bücher ein Riesenerfolg wurden, konnte er es sich leisten, selbst Reisen zu unternehmen und unabhängig zu schreiben."

Rifai hat inzwischen alle 20 Orient-Bände von Karl May gründlich durchgearbeitet und auch Quellen des Karl-May-Museums in Radebeul und der Karl-May-Gesellschaft einbezogen. Sein bisheriger Eindruck: "Einerseits hat Karl May Interesse am Orient und am Islam geweckt. Ich habe einen Deutschen kennengelernt, der sich nach der Lektüre von Karl May intensiv mit dem Islam befaßte und sogar Muslim wurde. Andererseits hat Karl May viele falsche Vorstellungen geweckt, die sich heute noch in deutschen Köpfen befinden."

Paradebeispiel sei, daß Karl May Hadschi Halef Omar, den Gefährten Kara Ben Nemsis, sagen läßt: "Weißt du nicht, daß ein Weib keine Seele hat und deshalb auch nicht in den Himmel kommen kann?" Solche Äußerungen, die sich woanders wiederholen, haben die Vorstellung von der Minderwertigkeit der Frau im Islam ausgelöst, so Rifai. "Dafür gibt es im Koran keinerlei Beleg." Auch die Darstellung, daß Muslime zu Lethargie und Fatalismus neigen, weil ihr ganzes Leben durch "Kismet" von Allah bestimmt ist, sei so nicht zutreffend.

Was ihn an Karl May besonders stört, kann er in einem Satz zusammenfassen: "Da sind durchweg die Christen die guten Menschen, die meisten Scheichs sind böse. Und die wenigen guten Menschen unter den Muslimen werden meist am Ende Christen, so wie Hadschi Halef Omar."

Horst Zimmermann


Stephan Wagner

Die kleinsten Karl-May-Spiele mit den jüngsten Darstellern -
Die Spielgemeinschaft ,Gojko Mitic' Bischofswerda

Von Seiten der einschlägigen Magazine in den Anfangsjahren und bis dato von der KMG etwas unbeachtet geblieben, fand in diesem Jahr die fünfte Saison von Karl-May-Spielen einer besonderen Art statt: "Die kleinsten Karl-May-Spiele mit den jüngsten Darstellern" der Spielgemeinschaft ,Gojko Mitic' Bischofswerda.

Im Jahre 1993 entstand während eines Grundschulprojektes zum Thema "Indianer" die Idee, ein Karl-May-Stück aufzuführen. (Teile von "Winnetou 1") Die Begeisterung der Darsteller und die Resonanz der Zuschauer war so groß, daß der leitende Grundschullehrer sich zu einer weiteren Aufführung dieses Stückes - mit einigen Erweiterungen - im folgenden Jahr entschloß. Nachdem als Wandergruppe in Schulen und Kindergärten gespielt wurde, konnte im Jahr 1994, unterstützt durch Sponsoren und Fördermittel, mit dem Bau einer kleinen Bühne im Stadtwald der Stadt Bischofswerda begonnen werden. Die erste Aufführung auf dieser Bühne konnte, zum Teil noch mit provisorischer Technik (wobei bis heute aus finanziellen Gründen noch mit einigen Notlösungen, z. B. einem etwas schwachbrüstigen Dieselgenerator, gearbeitet wird), im selben Jahr stattfinden.

Wie man in Bischofswerda sieht, ist die Jugend heutzutage durchaus noch für Karl May zu begeistern.

Neben der Tatsache, daß die Darsteller zwischen fünf und 14 Jahren alt sind, zeichnen sich die Aufführungen durch besonderen Ideenreichtum und Vorlagentreue aus. Wohl bedingt dadurch, daß diese Spielstätte nicht dem Konkurrenzdruck der kommerziellen Bühnen unterliegt, können Ideen verwirklicht werden, welche im Großmaßstab unmöglich - im Sinne von: wenig rentabel - wären. Dabei wird keinesfalls in Größenwahn verfallen. Im Gegenteil: Die Bischofswerdaer Inszenierungen kommen fast ohne pyrotechnische Effekte aus - Details stehen im Vordergrund. Die Kostüme, Kulissen und Requisiten bis hin zum Buch werden mit tatkräftiger Unterstützung der Eltern und Großeltern in Eigenarbeit gefertigt. Hier wird nicht um Interpretations- und Auslegungsfragen des Stoffes gestritten; es wird solides, handgemachtes Laientheater gespielt, bei dem alle mit spürbarer Begeisterung bei der Sache sind - hier hat man Karl May begriffen.

Wer aufgrund der Jugend der Darsteller meint, dies sei nicht möglich, ist gewaltig auf dem Holzweg. Mit der Umsetzung der "Winnetou"-Trilogie wurden die Ansprüche an sich selbst hoch angesetzt und nicht verfehlt. Im diesjährigen Stück "Winnetou III" wird die besondere Tragik des Stoffes voll erfaßt und ausgezeichnet umgesetzt. Alle Besucher waren spürbar ergriffen vom Tod Winnetous - es stirbt nicht nur ein Häuptling, sondern auch ein Wunschtraum. Während in fast allen Umsetzungen des "Winnetou" auf Bühne und Leinwand der Mörder Santer schon in Teil 1 den Tod findet, bewies die Spielgemeinschaft die nötige Ausdauer und hielt sich an den Willen des Autors, um Santer erst am Dunklen Wasser sein gerechtes Ende finden zu lassen. Aber in Bischofswerda geht man noch einen Schritt weiter. Pida schließt mit Old Shatterhand Freundschaft, um den Traum Winnetous zu erfüllen. (Hat nicht Karl May mehrfach den Gedanken dieser Freundschaft angedeutet, ihn aber nie direkt zum Ausdruck gebracht?!)

Einen eindringlichen Appell an uns alle richtet der alternde Old Shatterhand, der nach Jahren zu den Gräbern von Winnetou und Klekih-Petra, Nscho-tschi und lntschu Tschuna zurückkehrt mit Worten, wie sie der Effendi nicht besser finden könnte:

"Ich bin wieder hier, mein Bruder Winnetou.
Es ist viel geschehen, seit ich dich verlor.
Ich ging nach Deutschland zurück und schrieb Bücher über unsere Abenteuer in den Prärien und Felsengebirgen Nordamerikas.
Die Leute in meiner Heimat lieben diese Bücher.
Sie lieben Winnetou, Old Shatterhand und Sam Hawkens.
Sie lieben uns, weil sie selbst nicht so sein können wie wir waren.
Der Kleinmut hat uns Deutsche zu Sklaven des Geldes gemacht.
Wir werden immer reicher, wir Deutschen, Jahr für Jahr,
aber eigentlich werden wir Jahr für Jahr ärmer.
Bald ist der letzte Baum gerodet.
Bald ist der letzte Fisch gefangen.
Bald ist der letzte Fluß vergiftet,
und wir haben nichts begriffen.
Wer Geld und Reichtum gegen die Kraft der Liebe tauscht,
der verrät bald auch die Mutter Erde.
Auch ich bin ein Sklave des Geldes geworden.
Meine Bücher haben mich reich gemacht.
Ohne dich habe ich nicht die Kraft umzukehren.
Ohne euch sind wir verloren.
Mit der Vernichtung deines Volkes haben wir auf ewig die Chance vergeben, uns selbst zu erkennen."


WINNETOUR 1998

Die nächste Winnetour ist geplant von Samstag, 4.April bis Samstag, 18.April 1998. Diese Reise führt uns wieder nach Texas, New Mexico und neu mit einem Abstecher nach Mexiko. 44 Karl-May-Freunde/innen plus Meredith Mcclain (unsere Organisatorin in den Staaten) haben die Möglichkeit zwei Wochen lang bekannte und unbekannte Ecken auf Mays Spuren zu entdecken.

Sa, 4.4.: Abflug Frankfurt um 9.35 Uhr, Ankunft Dallas 18.30 Texastime Check-In in Dallas, erstes Kennenlernen der Gruppe, freier Abend

So, 5.4.: Rundfahrt Dallas mit Besichtigung JFK-Memorial-Museum Weiterflug nach Lubbock, Check-In, Begrüßungsprogramm

Mo, 6.4.: Texas-Tech-Museum, Culture Center, Ranching-Heritage-Museum; abends Omnimax-Theater

Di, 7.4.: Crosbyton, Hank-Smith-Museum mit Karl-May-Corner, Casa del Sol, Blanco Canyon mit Winnetou-Pueblo und Barbecue-Abend

Mi, 8.4.: Weiterfahrt zum Big Bend Nationalpark, Ubernachtungsstop im Fort Davis

Do, 9.4.: Check-In am Big Bend Nationalpark, dieser Park ist auf jeden Fall ein Höhepunkt dieser Reise: schroffe Gebirgsformationen, Täler und Abhänge mit Wüstencharakter, der Rio Grande als Grenze zu Mexiko in tiefen Schluchten dahinschießend; Apachengebiet

Fr, 10.4.: Der ganze Tag ist Big Bend gewidmet, verschiedenartige Möglichkeiten der Unterhaltung (Wandern, Reiten, evtl. Rafting,...)

Sa, 11.4.: Abschied von Big Bend, Weiterfahrt nach El Paso, Check-In und erste Erkundigung dieser alten, phantastischen Stadt

So, 12.4.: Ausflug nach Huertas (Steinformation mit Aushöhlungen, die von den Indianern genutzt wurden, indianische Malereien), Besuch des Pueblo in El Paso

Mo, 13.4.: Ausflug nach Ciudad Juarez in Mexiko mit Marktbesuch

Di, 14.4.: Weiterfahrt Richtung Carlsbad (Tropfsteinhöhlen), Fahrt durch die White Sands

Mi, 15.4.: Ankunft in Las Cruces am Rio Grande (eine wundervolle alte Stadt)

Do, 16.4.: Besichtigung in und um Las Cruces

Fr, 17.4.: Abfahrt nach Albuquerque, Indian Culture Center, spanische Altstadt

Sa, 18.4.: Abflug nach Frankfurt (Ankunft Sonntag vormittag 6.15 Uhr)

Literatur zum Eingewöhnen: Satan und Ischariot III Old Surehand I Winnetou II, Der Geist des Llano Estacado

Da schon Voranmeldungen da sind, sollte man/frau sich schnell entschließen, denn: wer zuerst kommt, mahlt zuerst! und bei max. 44 Personen ist Schluß!

Reisepreis: ca 3500,- DM (stand bei Drucklegung leider noch nicht fest) (incl. Flug, Transfers, Bus, Reisebegleitung, Hotels, und und und ...)

Für den ersten Überblick empfehle ich in den KMG-Nachrichten die entsprechenden Artikel über die Winnetour I (Ostern 1995) und Winnetour II (Ostern 1996)

Für nähere Auskünfte und Anmeldungen:

Thomas Grafenberg Tel.: 030-70189313
Am Irissee 14 Fax: 030-70189314
12349 Berlin


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