KMG-Nachrichten 125 / September 2000

Herausgegeben von Engelbert Botschen

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Sommerloch

Ich hätte nie gedacht, daß ich mich jemals damit beschäftigen müßte: Wie füllt man zwei Seiten, wenn es nicht viel zu berichten gibt? Schreibt man etwas über die Wetterkapriolen im Frühsommer? – eher was für Meteorlogen. Über das Karl-May-Fest in Radebeul? – steht schon genügend in der Presseschau. Karl-May-Spiele in Bad Segeberg, Elspe, Rathen, Winzendorf usw., usf.? – kann man in Karl May & Co. ausführlich nachlesen. Funkstille im Internet? – kommentiert sich von selbst. Was nun?

Beschäftigen wir uns etwas mit uns selbst: Einige Mitglieder beklagen die Veröffentlichungen der letzten Zeit. Wen interessierten schon Probleme wie Blindheit oder Sexualität, was sollen die Diskussionen über uneheliche Kinder oder literarische Quellen. Und überhaupt wäre alles viel zu wissenschaftlich!

Einerseits habe ich ja ein gewisses Verständnis für diese Meinungen, zumal wenn die Wissenschaft unverständlich wird, andererseits sind wir aber weder in erster noch in zweiter Linie ein Fan-Club, sondern eine literarische Gesellschaft, die sich wissenschaftlich mit Leben und Werk Karl Mays beschäftigen will. Das Thema Blindheit beispielsweise besitzt nach meinen Auffassung eine so zentrale Bedeutung im Leben und Werk Mays, daß eine ausführliche und wissenschaftliche Diskussion darüber einfach notwendig ist.

Wenn ich mir die letzten Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft anschaue, finde ich, daß eigentlich für jeden etwas dabei sein müßte: sei es der Biograph, der Sammler, der Indianerfreund, der Interessent am Werk oder auch nur der "einfache" Leser, der sich dennoch für bestimmte Details interessiert.

Ein weiterer Aspekt: Mir ist nicht bekannt, daß in letzter Zeit Artikel wegen Populärwissenschaftlichkeit abgelehnt worden wären. Irgendwann hatte ich schon einmal angemerkt, daß ein Verein durch die aktive Mitarbeit seiner Mitglieder lebt. Also, Kritiker, schreibt Beiträge über die Themen, die nach Eurer Meinung zu kurz kommen! Die Redaktionen können nur die Artikel veröffentlichen, die bei ihnen eingereicht werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf unsere zwei letzten Neuerscheinungen hinweisen, die sowohl diejenigen, denen es nur um die Bücher Karl Mays geht, als auch jene, die etwas mehr über den Menschen Karl May erfahren möchten, befriedigen bzw. zu Diskussionen anregen dürften. Da wäre zum einen der Reprint "Frohe Stunden" (2. Jahrgang 1877/78) mit der Haupterzählung "Auf der See gefangen" und zahlreichen anderen frühen Erzählungen, die May in dieser Form später nicht mehr verwendete. Dazu schrieb Siegfried Augustin ein ausführliches, hochinformatives Vorwort; das alles zum Preis von 85,­ DM. Zum anderen erschien als zweiter Materialienband "Autor in Fabula. Karl Mays Psychopathologie und die Bedeutung der Medizin in seinem Orientzyklus" von Johannes Zeilinger, die vom Autor überarbeitet und erweiterte Dissertation (16,­ DM).

Mittlerweile ist auch das Archiv der Karl-May-Gesellschaft in der Geschäftsstelle in Radebeul eingerichtet. Näheres dazu weiter hinten. Zum Thema Geschäftsstelle bitte ich alle Mitglieder, Ihre Adreßdateien zu bereinigen. Seit Oktober 1999 befindet sich die Geschäftsstelle in Radebeul (siehe Impressum). Erwin Müller bekommt immer noch jede Menge Post nach Föhren, die er dann an mich weiterleiten muß, so daß es auch in der Beantwortung zu Verzögerungen kommt. Noch eine zweite Bitte: Nach jedem Versand der Mitteilungen bzw. des Jahrbuches gibt es eine Menge Rücksendungen mit der Aufschrift "Empfänger unbekannt verzogen". Eine kurze Mitteilung nach einem Umzug an den Schatzmeister oder mich reichte aus, und wir könnten eine Menge Arbeit und Porto sparen!

Im September findet das erste außereuropäische Symposium der Karl-May-Gesellschaft in Lubbock/Texas statt. Von deutscher Seite sind mittlerweile 14 Beiträge angemeldet. Ich erwarte das Ganze mit großer Spannung und werde darüber im nächsten Heft ausführlich berichten

Geburtstag hatten in den letzten drei Monaten u.a. unser ehemaliger Schatzmeister Herbert Meier (75) und unser Gründungsmitglied Ulrich Freiherr von Thüna (65). Ihnen und allen Nichtgenannten nachträglich die besten Wünsche.

Liebe Mitglieder, ich wünsche allen Mitreisenden nach Lubbock einen guten Hin- und Rückflug, allen Daheimbleibenden einen sonnigen Spätsommer und verabschiede mich bis zum Dezember mit herzlichen Grüßen

Ihr Hans Grunert Geschäftsführer

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Hans Grunert

Lüftung des "Großen Geheimnisses"

Teil 2: Archiv der Karl-May-Gesellschaft *

Ein zweiter Themenkomplex, zu dem es in der Vergangenheit immer mal wieder Anfragen gab, ist das Archiv der Karl-May-Gesellschaft.

In diesem Zusammenhang gewann ich den Eindruck, daß verschiedene Mitglieder in dem Archiv eine wahre Schatzkammer vermuten: Autographen, seltene Bilddokumente und Erstausgaben, Zeitschriftenjahrgänge usw., usf.

Das rührt vermutlich daher, daß in der Vergangenheit die Materialien der Karl-May-Gesellschaft bei Ekkehard Bartsch untergebracht waren und zusammen mit seinem umfangreichen Privatarchiv das Ganze der Einfachheit halber "Archiv der Karl-May-Gesellschaft" genannt wurde.

Leider muß ich all jene enttäuschen, die obigen Bestand vermuten. Die Wirklichkeit ist doch etwas nüchterner. Aber zum Bestand weiter unten.

Zunächst stellt sich folgende Frage: Was sollte in einem Archiv der Karl-May-Gesellschaft enthalten sein?

Auf der Vorstandssitzung in Marbach wurde festgelegt, daß das Archiv in erster Linie alle Publikationen der Karl-May-Gesellschaft enthalten muß, und zwar doppelt (Arbeits- und Sicherungsexemplar). Weiterhin sollten Publikationen der Mitglieder zum Thema Karl May sowie überhaupt die gesamte Sekundärliteratur vorhanden sein, da diese vielfach auch in Bibliotheken nur schwer erhältlich ist. Hier wäre auch eine doppelte Ausstattung wünschenswert, aber das hängt einmal von der Finanzkraft (oder Spendenfreudigkeit?) und zum anderen vom vorhandenen Platz ab.

An Primärliteratur sollte eine zitierfähige Textfassung vorhanden, sei es als Reprint oder auch in der historisch-kritischen Ausgabe.

Auf die Sammlung der einzelnen Buchausgaben und -bearbeitungen sollten sich die Museen konzentrieren. Für Film und Bühne gibt es ja das Karl-May-Archiv in Göttingen.

Natürlich wäre es – aus meiner Sicht - schön, wenn sich unser Archiv auch mit Autographen und Originalausgaben schmücken könnte, aber die Beiträge der Mitglieder sind m. E. nicht dazu da, größere Ankäufe in dieser Richtung zu tätigen. Allerdings hätte ich gegen Schenkungen oder Spenden nichts einzuwenden; im Gegenteil, ich würde das sehr begrüßen. Das muß nicht nur bibliophile Kostbarkeiten betreffen, auch bei neuerer Sekundärliteratur bestehen durchaus noch Lücken (z. B fehlt auch das Karl-May-Handbuch). Eine größere Fehlliste werde ich in einer der nächsten Nachrichten veröffentlichen.

In den letzten Monaten habe ich nun das Archiv in Radebeul eingerichtet. Der Anfangsbestand hielt sich arg in Grenzen. Daß wir mittlerweile mit unseren KMG-Materialien so gut, größtenteils zweifach, ausgestattet sind, sowie auch einen großen Teil der Sekundärliteratur besitzen, verdanken wir unserem Schatzmeister Uwe Richter, der einen Großteil seiner gesammelten KMG- Publikationen zur Verfügung stellte.

Was umfaßt das Archiv nun zum gegenwärtigen Zeitpunkt:

Archiv der Karl-May-Gesellschaft

Bestandsübersicht Juni 2000

Teil 1

Publikationen der Karl-May-Gesellschaft.:

Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1970 – 1999 je 2-fach

Register zu den Jahrbüchern je 2-fach

Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft ab Nr. 1 je 2-fach

Sonderhefte der Karl-May-Gesellschaft ab Nr. 1 1 Serie komplett

Zweitexemplare. 5, 11, 12, 20, 21, 26, 27, 30, 33, 34, 36, 37, 40ff

Materialien Bde. 1-20 1 Serie komplett

Zweitexemplare: 1, 13, 17, 18, 19, 20

Materialien zum Werk Karl Mays Bde. 1, 2 je 2-fach

Juristische Schriftenreihe Bde. 1, 2, 3 1-fach

Geschäftsführerbriefe Nr. 58-67, 70, 71 1-fach

Inform Nr. 24, 38, 39, 40, 43, 44, 47, 49, 51-57, 59, 61-63 1-fach

KMG- Nachrichten ab Nr. 85 1-fach

Reprints der Karl-May-Gesellschaft 1 Serie komplett

Zweitexemplare von den derzeit noch lieferbaren

Heinemann: Eine Gesellschaft für Karl May 2-fach

Seybold: Karl-May-Gratulationen I-VI je 1-fach

Stolte: Karl May in meinem Leben 2-fach

Wiedenroth: Karl May in der zeitgenössischen Presse 2-fach

Tagungsprogramme Regensburg, Königswinter, Wien, Wiesbaden ff je 2-fach

"Archiv-Edition" und "Autographika je 2-fach

dazu kommen noch ca. 50 Aktenordner Schriftverkehr seit 1969, Mitgliederbewegung

Organisationsmaterial

 

Primärliteratur:

Reprints der Fehsenfeld-EA, KMV Bamberg, 1983

numeriertes Exemplar der Halbleder-Kassettenausgabe 33 Bände

Reprints der Union-Jugenderzählungen, KMV Bamberg/Graff Braunschweig

numerierte Exemplare 6 Bände

Der Schwarze Mustang, Union Stuttgart, 1950

Old Surehand I-III in einem Band, Jugendschriftenverlag Hannover 1964

Der Schatz der Mixtekas, Jugendschriftenverlag Hannover 1964

Die Rose von Kairwan, Neues Leben Berlin 1998

Kapitän Kaiman (bulgarisch)

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Ulrich von Thüna

Karl May in Frankreich

Wie man weiß, sind die ersten Buchausgaben Mays, von den Münchmeyer- und Neugebauer-Bänden abgesehen, in Frankreich erschienen, und zwar 1885. Ab 1881 hatte dort eine sehr katholische Tageszeitung Texte von May, aber auch etwa von Gerstäcker, aus dem Deutschen Hausschatz abgedruckt. Über fast 100 Jahre war May eigentlich immer in französischen Ausgaben vorrätig, wenn zum Schluss es auch nur noch der Winnetou in einer stark gekürzten Ausgabe war. Auch hatte er nie den Bekanntheitsgrad wie etwa in Holland, Polen oder der Tschechoslowakei. Seit Anfang der 80er Jahre ist er vom französischen Buchmarkt verschwunden. Das Goethe-lnstitut in Nancy hat sich nun zwischen dem 22. und 25. Mai 2000 mit dem "Literarischen Phänomen von jenseits des Rheins" beschäftigt. Es gab im schönen Garten der eleganten Villa, in der Goethe in Nancy residiert, sogar einen Wild-West-Abend mit Indianern (aus Freiburg) und am 25. Mai eine Round-Table-Diskussion über Karl May und Frankreich, die eingeleitet wurde durch einen äußerst gehaltreichen Vortrag unseres Vorsitzenden, der im übrigen den für Nancy höchst schätzenswerten Vorzug besitzt, sich fließend und elegant in der Sprache von Jules Verne und Gabriel Ferry ausdrücken zu können. Es lebe die Romanistik!

Die wesentlichen Ausführungen von Reinhold Wolff kann man in den Karl-May-Mitteilungen nachlesen. Zusammengefasst hat er sie in drei Hypothesen vom französischen Desinteresse an May, aber diese Hypothesen, besser diese Thesen, relativ rasch ad absurdum geführt:

1. Nationale Inkompabilität: Karl May sei so deutsch, dass er dem französischen literarischen Geschmack nicht entspreche.

2. Nationale Empfindlichkeit: Die Darstellung Frankreichs und von Franzosen verletze das französische Nationalgefühl.

3. Nationale Negation: Frankreich existiere kaum im Werk Karl Mays.

Alle diese Hypothesen treffen entweder nicht zu oder erläutern nicht ausreichend das geringe Interesse französischer Leser, so Wolff. Den Platz, den im Kollektivbewusstsein des Landes in Deutschland May einnimmt, nimmt in Frankreich Jules Verne ein. Heute aber ist es in Frankreich sowieso zu spät für May. Denn auch die französischen Autoren von Wild-West-Geschichten, wie Aimard oder Ferry sind nicht mehr auf dem Markt. Und schließlich geht die Leselust der Jugend in Frankreich ähnlich wie in Deutschland zurück.

Dies wurde bestätigt von Francis Geffard, der die Sammlungen "Terres Indiennes" und "Terres d’Amérique" beim Verlag Albin Michel verantwortet und immerhin ein so guter Karl-May-Kenner ist, dass er schon Radebeul besucht hat. Für Geffard war faszinierend die Rolle, die eben die Fiktion des Indianers bei May in deutschem Verständnis des Indianers bewirkt hat. Er schilderte, wie eine Amerikanerin in Deutschland verblüfft war, dass Deutsche die erfundene Wahrheit Winnetous für eine reale Wahrheit nehmen, und ihm selbst als Herausgeber von Büchern, die sich mit der gesellschaftlichen, historischen oder ethnologischen Situation von Indianern beschäftigen, bleibt es erstaunlich, dass wir Deutsche uns mehr auf die erdachte Indianerwelt aus dem Kopfe des sächsischen Romantikers als auf die Wirklichkeit verlassen. Man möchte einen berühmten Slogan der Pariser Unruhen von Mai 1968 aufgreifen: "Die Phantasie übernimmt die Macht". Auch Geffard sagte natürlich, dass französische Verlage schlicht und einfach Karl May nicht mehr veröffentlichen, weil sie keinen Markt mehr dafür sehen.

Weitere Teilnehmer der Diskussion waren u.a. Bernd Schmid vom Karl-May-Verlag und eine Filmkritikerin, die über ein umgekehrtes apartes Phänomen in Frankreich informierte: Der in Deutschland bestens bekannte Franzose Pierre Brice ist in Frankreich nur Fachleuten vertraut.

Alles in allem eine Veranstaltung, die über interessante Unterschiedlichkeiten im literarischen Geschmack wie in der Karl May Perzeption von Drittländern berichtete. Man hätte ihr nur gerne mehr Zuhörer gewünscht.

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Botschafter der KMG

Ehrung im Lande der Inka

Die Vorsitzenden der KMG übten im Frühling des Jahres eine lebhafte Botschaftertätigkeit in Sachen Karl May aus. Der amtierende Vorsitzende hielt auf Einladung der Universität Lubbock/Texas (Texas Tech) Gastvorlesungen vor graduierten Germanistikstudenten und referierte an zahlreichen Universitäten und weiteren Gremien über Karl May, die KMG und den Einfluß des Autors Karl May auf das Einwanderungsverhalten der Deutschen in die USA. Zugleich bereitete er das große Symposium im September an der Texas Tech vor. Über seinen Vortrag in Nancy/Frankreich berichten wir vorstehend. Der Ehrenvorsitzende der KMG weilte auf Einladung im Frühjahr 2000 in Peru, dem Andenstaat, in dem einst das Reich der Inka seine Blütezeit erlebte. Karl May hat sich in seinem Werk nur selten mit Südamerika befaßt; die Inka und Ihre "Knotenschrift" spielten aber immer am Rande mit.

Heute sind etwa 45 Prozent der Einwohner Perus Indianer; einige Gruppen von ihnen sind Nachfahren der Inka; 37 Prozent der Einwohner gelten als Mestizen. Zunächst nur die Bezeichnung für den Herrscher des Reiches, wurde der Begriff "Inka" später auch auf alle Untertanen des Inka-Herrschers ausgedehnt. Der große Gold- und Silberreichtum des Inkareiches machte es zu Anfang des 16. Jahrhunderts zum Ziel spanischer imperialistischer Bestrebungen in der Neuen Welt.

Die Inka, Verehrer des Sonnengottes, waren ursprünglich ein in einer wüstenhaften Gegend der südlichen Sierra lebender kriegerischer Stamm. Zwischen 1100 und 1300 wanderten sie nordwärts in das fruchtbare Hochtal von Cuzco. Von hier aus eroberten sie benachbarte Gebiete. Dabei begann die Expansion des Inka-Reiches erst reletiv spät unter seinem 8. Herrscher, Viracocha Inca; er lebte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und dehnte das Reich im Jahr 1437 etwa 40 Kilometer über die Cuzco-Region hinaus aus. In den folgenden drei Jahrzehnten vergrößerten und konsolidierten zwei herausragende Herrscher systematisch das Reich: Der erste war Virachochas Sohn, Pachacuti Inca Yupanqui, von einigen Historikern als einer der bedeutendsten Eroberer und Herrscher der Welt eingestuft; der zweite war Pachacutis ebenso fähiger Sohn, Topa Inca Yupanqui.

Auf der Höhe ihrer Macht hatten die Inka ein Staats- und Verwaltungssystem geschaffen, das unter den indianischen Nationen seinesgleichen suchte. Der "sozialistische Staat" der Inka basierte auf der Landwirtschaft und war straff hierarchisch strukturiert: an der Spitze stand der Inka, danach kamen die königliche Familie und der Hochadel, dann die Staatsbeamten und der niedere Adel und, an der Basis, die große Masse der Handwerker und Bauern.

Seine größte Ausdehnung hatte das Reich unter der Herrschaft von Topas Sohn, Huayna Capac (um 1493 bis 1525): Um 1525 erstreckte es sich über eine Länge von 3 500 Kilometern und eine Breite von etwa 800 Kilometern, vom südlichen Ende des heutigen Kolumbien über Ecuador, Peru und Bolivien bis zu den nördlichen Regionen Argentiniens und Chiles. Huayna Capac starb im Jahr 1525, noch bevor er einen Nachfolger ernennen konnte. Das Reich wurde aufgeteilt. Zwei seiner Söhne, die Halbbrüder Huascar und Atahualpa, erhoben beide Anspruch auf den Thron, und der erbitterte Kampf zwischen den beiden, der 1532 mit der Gefangennahme Huascars endete, schwächte das Reich ernsthaft. In dieser kritischen Phase landete der spanische Abenteurer und Entdecker Francisco Pizarro mit einer kleinen Truppe von etwa 180 bewaffneten Männern an der Küste Südamerikas. Die Inka glaubten, die hellhäutigen Spanier seien zurückgekehrte Inka-Götter, und leisteten keinen Widerstand. So gelang es Pizarro, mit seinen wenigen Männern die Kontrolle über den riesigen, stark zentralisierten Inka-Staat zu gewinnen, indem er einfach den Herrscher Atahualpa in seinem eigenen Haus festsetzte. Dieser bot den Spaniern eine ungeheure Menge Gold als Lösegeld an, was Pizarro nicht davon abhielt, Atahualpa zum Tode zu verurteilen und am 29. August 1533 erdrosseln zu lassen. Pizarro gründete 1535 Lima als neue Hauptstadt anstelle von Cuzco. Die Stadt liegt am Río Rímac zwischen dem Pazifischen Ozean und den Anden in der trockenen Küstenregion Perus.

Karl May hat sich nur am Rande mit den Inka beschäftigt und läßt in seiner Jugenderzählung "Das Vermächtnis des Inka" einen fiktiven Inka Haukaropora (KMW III/5 S. 180) auftreten, Nachkomme eines ebenso fiktiven Sohnes Atahualpas, den die Geschichte nicht kennt.

Der letzte Inka, der Anspruch auf den Thron hatte, war Tupac Amaru, jüngster Sohn von Manco Capac, eines Neffen des letzten Inkaherrschers, und letzter in der männlichen Linie. Er wurde von den Spaniern 1572 geköpft. Nach ihm benannte sich dann in unserer Zeit eine Guerillaorganisation.

[Quelle für die historischen Angaben: Encarta 2000]

Über den iberischen Raum hinaus, wo Professor Roxin, bereits mehrfach für sein wissenschaftliches Werk ausgezeichnet wurde, drang sein Ruf auch nach Lateinamerika zu den Erben der Inka. So besuchte er Peru auf Einladung der Universidad de Lima/Peru, die ihn am 19. Mai zum Honorarprofessor ernannte.

Wir gratulieren herzlich!

Für uns war es zugleich ein willkommener Anlaß, ein wenig über das Reich der Inka zu bringen. Vielleicht reizt es manchen Mayfreund, auch dorthin eine Karl-May-Tour zu unternehmen. [Red.]

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Ulrich von Thüna

Das neue Jahrbuch

Jahrbücher dienen der Sammlung der Erträge wissenschaftlicher Forschung, und diese Forschung präsentiert sich vorzugsweise bei Kongressen, die ebenso dem wissenschaftlichen wie persönlichen Austausch dienen. Ob Mediziner, Juristen oder Karl-May-Fachleute, man sucht die Öffentlichkeit und findet die kundigste und neugierigste Öffentlichkeit bei solchen Versammlungen. Das ist natürlich bei unserer Gesellschaft nicht anders, und deshalb pflegen Höhepunkte der Tagungen der May-Gesellschaft natürlich neben dem Bericht des Vorsitzenden eben diese Vorträge zu sein. Unter denen natürlich auch gelegentlich taubes Gestein sich verirrt, denn wo Licht ist, pflegt auch Schatten zu sein. Mehr Licht hat bei einer bestimmten Gelegenheit ein Kollege unseres Karl May gefordert, weil es ein bisschen dunkel in der Stube war. Herausgeber und Redaktion des Jahrbuches haben denn folgerichtig für mehr Licht dadurch gesorgt, dass die besten Beiträge in diesem Jahrbuch (und ein weiterer exzellenter wird im nächsten Jahrbuch folgen) abgedruckt sind. Der Referent kann also auf die Erörterung der Beiträge von Gert Ueding, Hartmut Schmidt, Günter Scholdt, Martin Lowsky, Werner Rother, Reinhold Wolff und Johannes Zeilinger verzichten, weil wohl ein Großteil der engagierten May-Freunde eben in Hohenstein-Ernstthal war. Es gibt gewiss Fälle, wo die kunstvoll beschriebene ars rhetorica unseres Leitsterns sich sozusagen regeneriert in einer ars rhetorica des Vortragenden, der dann seinen Vortrag mit der ebenso aparten wie verspielten Verknüpfung von Bert Brecht und Moritz Saphir endet. Aber Lesevergnügen mit einverständlichen clins d'oeil gehört zur Literatur. Deshalb soll im nachfolgenden nur auf die Beiträge eingegangen werden, die dem Jahrbuch-Leser neu sind.

Wie es guter Brauch ist, steht an der Spitze ein Beitrag mit bislang unveröffentlichten Originaltexten von May. Es sind Briefe an einen jungen Juristen, die von Hermann Wohlgschaft kompetent erläutert sind. Die Briefe selbst werfen ein interessantes, wenn auch nicht neues Licht auf die Verfassung Mays. Ungewöhnlich und unaufgeklärt ist lediglich ein dort angesprochenes biographisches Detail bei Klara May, nämlich ein angeblicher oder tatsächlicher beträchtlicher Vermögensverlust. Weiterhin ist auf einen Beitrag zu verweisen, durch den der Glaubenskrieg zwischen den Medizinern Zeilinger und Thomas über die frühkindliche Blindheit (hier wird lediglich der aufsehenerregende Vortrag von Zeilinger aus Hohenstein-Ernstthal abgedruckt) eine zusätzliche Facette bekommt. Thomas schreibt über eine psychosomatische Störung Mays, die als eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert wird, offenbar ein Neologismus in der Beschreibung solcher Erkrankungen. Es liest sich recht überzeugend, aber wir sind sicher, dass diese neu diagnostizierte Erkrankung in Fachkreisen nicht unumstritten sein wird (Stichwort: zwei Juristen, drei Meinungen). Wir sehen gespannt der Fortsetzung des wissenschaftlichen Disputs entgegen. Ein spannender Beitrag stammt von Gustav Frank, der mit der feinen Sonde des Literaturwissenschaftlers an den erzähltechnischen Standort Mays herangeht. Er meint, Mays Werk sei bisher zu wenig im zeitgenössischen Kontext der Erzählmodi gesehen worden, bezieht sich hierbei im wesentlichen auf die Münchmeyerromane und versucht, "die Maysche Kolportage sowohl als funktionalen Teil der umgebenden zeitgenössischen Literatur zu profilieren als auch als wesentlichen Teil der Oeuvreentwicklung des Autors zu kennzeichnen." Zu diesem Zweck führt er fünf sog. Referenzebenen ein, die Familienzeitschriften, den Realismus, den "Roman des Nebeneinander", das Literatursystem der achtziger Jahre und eine Zusammenfassung "Die verlorene Generation". Frank fixiert - sozusagen frei nach dem schönen Satz, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt -, die Welt der Familienzeitschriften als den äußeren Rahmen für Mays literarisches Vorgehen definiert den Realismus als ein Moratorium für unerledigte ideologische und soziale Streitpunkte, geht dann ein insbesondere auf Gutzkow, aber auch Hackländer und Andere als Gestalter des "Romans des Nebeneinander" (so Gutzkow selbst in seiner Vorrede zu den "Rittern vom Geiste"). Im ausführlichsten Teil seiner Referenzebenen kommt Frank zum Befund, dass May in seinem "Verlorenen Sohn" letztendlich zu einem zweigliedrigen Weltmodell komme. Er beschreibt May als Autor zwischen den Blöcken des Realismus und der Moderne. In den Kolportageromanen ist für ihn die noch "realistische" Seite dieser Zwischenstellung sichtbar. Der Aufsatz fordert den Nichtlinguisten zu einer gründlichen Lektüre heraus, bei der versucht werden muss, die "Referenzebene" der Fachsprache zu überwinden.

Weiter möchten wir neben einem Beitrag über Mays exotische Romanwelt und ihre Rezeption von der polnischen Hochschullehrerin Malgorzata Klentak-Zablocka auf eine fleißige Stoffsammlung von Wilhelm Brauneder über Mays letztlich unerklärtes Faible für Österreich verweisen. Brauneder stellt zu Recht fest, dass mit Österreich durchaus nicht immer heitere Momente von Mays Biographie verbunden sind. Schließlich macht Helmut Lieblang geographische Anmerkungen zum mythischen Dschinnistan.

Rudi Schweikert schmökert in seinem Pierer und anderen Lexika der Zeit auf der Suche nach Quellen für die Babylon-Erwähnungen. Es verwundert uns bei ihm ein wenig der Verweis auf das Riesenwerk von Ersch und Gruber, das auch damals nur in wissenschaftlichen Bibliotheken stand. Ist May zur Recherche wirklich in die Königliche Landesbibliothek gegangen?

Literaturberichte, ein Bericht über Karl May im Internet und nach dreißig Jahren eine letzte Chronik der Aktivitäten der May Gesellschaft von Erich Heinemann schließen den Band ab.

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Reinhold Wolff

Karl-May-Akte im Vatikan
oder: viele Wege führen zu Karl May...

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - die größte und angesehenste Institution der Forschungsförderung für Hochschulen und öffentlich finanzierte Forschungsinstitute in Deutschland - unterstützt seit langem sogenannte "Sonderforschungsbereiche" (SFB’s), d.h. große, koordinierte Forschungsprogramme, an denen zahlreiche Wissenschaftler an einer oder mehreren Universitäten ihre Forschungsziele unter einem gemeinsamen Thema verfolgen. Die DFG hat nun vor wenigen Jahren, um den Unterschieden zwischen naturwissenschaftlicher und geistes-, bzw. sozialwissenschaftlicher Forschung Rechnung zu tragen, das Instrument der "kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs" entwickelt, mit denen, SFB’s gleichgestellt, die neuerdings so genannten "Kulturwissenschaften" gefördert werden, mit besonderer Schwerpunktsetzung im Bereich der interdisziplinären Forschung.

Eines der ersten, 1999 eingerichteten kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs war - neben einem Kölner Projekt - das Kolleg "Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel" an der Universität Frankfurt. Dieses Forschungskolleg greift spezifische Frankfurter Traditionen der Wissenssoziologie wieder auf (Max Scheler und Karl Mannheim lehrten in den 20er und 30er Jahren in Frankfurt, und in den 60er Jahren Thomas Luckmann) und macht – nach der eigenen Programmformulierung – "von der Steinzeit bis zur Gegenwart, an den indigenen Kulturen Nordamerikas wie an der Kultur des hellenistischen Zeitalters ... die gesellschaftliche Dynamik von Wissensformen zum Thema", Fragestellungen der Archäologie wie der Philosophie, der Geschichtswissenschaft, Ethnologie, Wirtschaftswissenschaften, Rechts- und Wissenschaftsgeschichte miteinander verbindend. Und eben auch Fragestellungen der Theologie: der Frankfurter Professor für Kirchengeschichte, Prof. Dr. Hubert Wolf, verfolgt mit seinen Mitarbeitern in jenem Teilbereich des Kollegs, der sich auf die "Institutionen der Wissenspolitik und der Wissensvermittlung" konzentriert, ein großes Projekt über "Inquisition, Indexkongregation und Imprimatur in der Neuzeit", also über den Versuch der römischen Kirche zwischen dem Konzil von Trient und der Gegenwart, eine nachhaltige und möglichst vollständige) Kontrolle über das intellektuelle Wissen der Gläubigen auszuüben. Die Arbeit dieses Projekts findet vorzugsweise in den Archiven des Vatikans statt, wo die Akten der Römischen Inquisition und der Indexkongregation lagern. (Der Fall Karl May war bei der Indexkongregation, nicht bei der Inquisition anhängig.) 1917 wurde die Indexkongregation aufgehoben, ihr Aufgabenbereich vom Sanctum Officium übernommen. Eine der Aufgaben des Indexkongregation war, den Index der verbotenen Bücher (Index librorum prohibitorum) auf dem jeweils neuesten Stand festzulegen, der 1559 zum ersten Mal erschien und erst 1966 beendet und für obsolet erklärt wurde. Die Akten des Sanctum Officium wurden erst vor wenigen Jahren von Joseph Kardinal Ratzinger, dem Präfekten der römischen Glaubenskongregation (seit 1965 Nachfolgerin des Sanctum Officium), der Wissenschaft zugänglich gemacht. Die Arbeit der Forscher ist schwierig: zu den Bergen von Akten gibt es weder Indices noch Bestandslisten.

Vom 15.-18. Mai fand nun in Frankfurt das Wissenschaftliche Symposium "Die römischen Kongregationen von Inquisition und Index und die Wissenskulturen der Neuzeit" statt, zu dem Kardinal Ratzinger den Eröffnungsvortrag und Prof. Wolf den Festvortrag hielt und das die ersten Ergebnisse des Forschungsprojektes vorstellen sollte. Zur allgemeinen Überraschung war dabei auch von Karl May die Rede, und die eher beiläufige (aber offenbar mit Genuß vorgetragene) Mitteilung stand in der Presseresonanz auf das Symposium im Vordergrund. Weiter unten drucken wir den Bericht der Welt am Sonntag vom 22.5.00 ab, als ein Beispiel für viele: so gut wie alle namhaften Zeitungen haben die dpa-Meldung in dieser oder anderer Form gebracht.

Die Karl-May-Gesellschaft hat Kontakt zu Prof. Wolf aufgenommen und eine (kommentierte) Publikation der Vatikanischen Karl-May-Akte im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft angeboten, die von Prof. Wolf auch ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Bis das gesamte Material in lesbarer Form und kommentiert vorliegt, wird freilich noch einige Zeit vergehen.

Welt am Sonntag 21.5.00:

Geheimakte "Karl May" im Vatikan

Kirchenhistoriker entdecken in den Archiven der Inquisition brisante Papiere über den Schriftsteller - Eine geheime Akte über Karl May wurde 1910 im Vatikan angelegt, nachdem ihn ein Anonymus angezeigt hatte.

Sabine Höher schreibt wie folgt:

Rom ws. - In den jahrhundertelang vor der Öffentlichkeit verborgenen Archiven der Heiligen Römischen Inquisition lagert auch eine geheime Akte über den deutschen Volksschriftsteller Karl May ("Winnetou").

Ein anonymer Denunziant aus Deutschland hatte den beliebten Romanautor 1910 angezeigt, weil May in seinen Spätwerken Ideologien von einer universellen Weltreligion verbreitet hatte. Das Ziel: May‘s Werke sollten auf den berüchtigten "Index Romanus", den erst 1967 aufgelösten Index der verbotenen Bücher, gesetzt werden. Doch das Verbot unterblieb schließlich, weil die Indexkongregation befürchtete, das Interesse der Leser damit nur noch anzufachen.

Entdeckt wurde die Akte jetzt von dem Frankfurter Kirchenhistoriker Hubert Wolf, Leiter des Projekts "Römische Inquisition und Index" bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Er beschäftigte sich bereits vor der vom Vatikan verfügten Öffnung des Archivs vor zwei Jahren mit den Akten der Indexkongregation, der wohl größten Zensurbehörde der Weltgeschichte.

"Bisher wussten wir nur von den Fällen, in denen es tatsächlich zu einem Verbot kam", sagte Wolf der WELT am SONNTAG. Den Fund der May-Akte bezeichnete Wolf als Glücksgriff: "Man ist in einer Goldgräberstimmung - und plötzlich findet man ein Nugget." 400 Jahre hätten die heute von der vatikanischen Glaubenskongregation verwalteten Akten ungeöffnet in den Kellern gelagert. "Es gibt keine Inventarliste. Sie müssen blind graben. Und dann entdecken Sie so etwas."

Der 1842 geborene Karl May, ein Protestant, habe im Bewusstsein der Öffentlichkeit lange Jahre als Katholik gegolten, berichtete Wolf. Vor allem in den berühmten "Winnetou"-Bänden huldigte Karl May dem Marienkult, indem er Winnetou als Marienverehrer porträtierte. In der Reihe ,,Schut" stellte er die Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Islam dar. Die Bücher galten als so pädagogisch wertvoll, dass die Kapläne sie bevorzugt an Messdiener verschenkten. Erst in den späteren Werken "Am Jenseits", "Das versteinerte Gebet" und "Im Reiche des silbernen Löwen" habe der 1912 verstorbene Schriftsteller dann das Bild einer Einheitsreligion entworfen, die das Gute aller Weltreligionen vereint. ,,Diese eher langweiligen Werke haben dazu geführt, dass er in Rom angezeigt wurde", berichtet Wolf. "Man befürchtete, die katholische Jugend zu verderben." Der anonyme Denunziant stamme vermutlich aus dem Rheinland, wie beigelegte Schmähartikel aus Regionalzeitungen nahe legten. "Wir sind dabei, die Anonymität zu lüften." Dass May schließlich nicht auf dem "Index Romanus" landete, hat er letztlich dem deutschen Dominikanerpater Thomas Esser zu verdanken. Der mächtige Sekretär der Indexkongregation erachtete die monierten Werke für so uninteressant für die Jugend, dass das Verbot unterblieb.

Inquisition und Index wurden 1542 und 1571 zur Abwehr der Reformation gegründet. Ihnen von folgte 1965 die Kardinal Joseph Ratzinger geführte Glaubenskongregation nach.

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Helmut Schmiedt

Geschichtsträchtiger Boden

Die Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Hohenstein-Ernstthal

Dreißig Jahre nach ihrer Gründung tagte die Karl-May-Gesellschaft erstmals im Geburtsort ihres Autors. Vom 22. bis 26. September 1999 trafen sich mehr als 300 Mitglieder in Hohenstein-Ernstthal, einer kleinen Stadt am Rande des Erzgebirges. Geradezu auf Schritt und Tritt verfolgte sie dort die Erinnerung an May: im Tagungshotel war er einst als Rezitator aufgetreten, ein paar Jahre vorher aber auch verhaftet worden; in einer nahegelegenen Kirche wurde er getraut; das Geburtshaus ist als Museum eingerichtet; zahlreiche weitere Gebäude des Ortes haben auf verschiedenste Weise mit ihm und seiner Familie zu tun. Um den Besuchern Gelegenheit zu geben, das alles und auch die auf May bezogenen Sehenswürdigkeiten der Umgebung in Augenschein zu nehmen, wurden für diesen 15. Kongreß der KMG so viele Tage angesetzt wie noch für keinen anderen, und geführte Wanderungen sowie Ausflüge per Bus gehörten zum Tagungsprogramm.

Danebem gab es aber auch die bei allen Tagungen üblichen Veranstaltungen, vom Lichtbildervortrag über die Filmvorführung bis zur Podiumsdiskussion und zu diversen wissenschaftlichen Reden, in denen über so unterschiedliche Themen wie die literaturhistorische Verortung von Mays Spätwerk, die Beziehungen zwischen May und dem Dadaismus und Mays späte Auseinandersetzungen mit der Presse seiner Geburtsstadt referiert wurde. Besonderes Aufsehen erregte der Vortrag des Mediziners Dr. Johannes Zeilinger, wonach es Mays in der Autobiographie mitgeteilte mehrjährige Erblindung im frühen Kindesalter nicht gegeben haben kann, da alle in Frage kommenden Krankheiten mit den damaligen ärztlichen Mitteln nicht zu heilen gewesen wären. Daß Mays Blindheit ein gewichtiger Faktor zum Verständnis der Besonderheit seiner literarischen Phantasien ist, zählt bisher geradezu zu den Topoi der Forschung, und so bietet dieser Vortrag ein anschauliches Beispiel dafür, wie von solchen Veranstaltungen gewichtige Impulse für die wissenschaftliche Arbeit ausgehen können.

Etwas ganz Besonderes war die Hohenstein-Ernstthaler Tagung aber auch insofern, als ein Generationswechsel im Vorstand vollzogen wurde. Aus Altersgründen kandidierten der Vorsitzende Prof. Dr. Claus Roxin, der Schriftführer Erich Heinemann und der Geschäftsführer Erwin Müller nicht noch einmal; wenn man bedenkt, daß alle drei jahrzehntelang – Roxin und Heinemann sogar von Beginn an – im Vorstand tätig waren und mithin die Geschichte der KMG maßgeblich geprägt haben, ergibt sich mit diesem Wechsel die einschneidendste personelle Veränderung, die die Gesellschaft je erlebte. Zum neuen Vorsitzenden wurde der Bielefelder Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Reinhold Wolf gewählt, zum Geschäftsführer Hans Grunert und zum Schriftführer Joachim Biermann. Die übrigen Vorstandsmitglieder – Prof. Dr. Helmut Schmiedt und Dr. Hans Wollschläger als stellvertretende Vorsitzende, Uwe Richter als Schatzmeister und Ulrike Müller-Haarmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin – wurden wiedergewählt. Die Versammlung vollzog die Änderungen nicht ohne eine gewisse Wehmut und Rührung, tröstete sich aber damit, daß der neue Vorstand eine augenscheinlich glänzend gestimmte und ertragreich arbeitende Gesellschaft übernimmt und daß die ausscheidenden Vorstandsmitglieder – zu Ehrenmitgliedern bzw. im Falle Roxins, zum Ehrenvorsitzenden gekürt – ihre weitere Unterstützung des Projekts KMG in Aussicht stellten. (Die nächste Tagung der Karl-May-Gesellschaft wird im September 2001 in Luzern stattfinden.)

(Aus: ALG Umschau. Hrsg. von d. Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften u. Gedenkstätten e.V. Nr. 24, Mai 2000.)

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VILLA SHATTERHAND RADEBEUL-DRESDEN. 1./9. 2000

Liebe Karl-May-Freunde!

ein großer Erfolg ist unsere buchstabengetreue Internetveröffentlichung der Romane Waldröschen (1882ff.) und Die Liebe des Ulanen (1883ff.), die in Fortsetzungen stets am Sonnabend erscheinen. Mehrere tausend Besucher konnten wir innerhalb weniger Monate zählen; dies ermutigt uns, weitere Texte zu veröffentlichen. Man kann aber auf unseren Seiten nicht nur lesen, sondern auch schreiben. Wir haben einen Karl-May-Postkartendienst mit historischen Bildmotiven eingerichtet. Eine virtuelle Postkarte erreicht beispielsweise Australien in wenigen Sekunden. Auf Wunsch sogar mit melodischen Klängen. Dieser Service ist für unsere Besucher kostenlos. Weltweit kann man ferner über das Internet erfahren, wer für die Restaurierung der Bibliothek Karl Mays gespendet hat. An die Stiftung oder an das Museum gespendet, haben ferner:

Erwin Müller .DM 1100,00

Dresdner Leasing GmbH DM 500,00

Prof. Dr. Claus Roxin DM 550,00

Thomas Grafenberg DM 73,50

Die Auflistung erfolgte in der Reihenfolge der Spendeneingänge. Wir danken herzlich allen Spendern! Unterstützen Sie bitte auch weiterhin die Restaurierung der Bücher in Karl Mays Bibliothek, z. B. indem über bestimmte Bücher die Patenschaft übernommen wird. Bitte spenden Sie auf das Konto:

Karl-May-Museum

Kreissparkasse Meißen  ·  BLZ 850 550 00    Konto-Nr. 300 000 1912

Stichwort: Bibliothek

Alle Spender werden auch künftig auf dieser Seite und, wie gewöhnlich, im Internet genannt.

René Wagner, Hans Grunert, Ralf Harder

Karl-May-Museum

Karl-May-Straße 5  · D-01445 Radebeul

Tel.: (0351) 8373010  ·  Fax: (0351) 8373055

Internetadressen

http://www.karl-may-stiftung.de

http://www.karl-may-museum.de

Email: redaktion@karl-may-stiftung.de

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Lubbock 2000 Symposium

Die Universität Lubbock (Texas Tech) hat einen einzigartigen Campus, der eine Stadt innerhalb der Stadt Lubbock bietet. Deutsche Professoren und Studenten können nur davon träumen, ähnliche Verhältnisse auch bei uns zu finden.

Das ICC (internationales Kulturzentrum) wird unser Tagungszentrum im Campusbereich sein. Die Teilnehmer der Winnetour 98 hatten schon Gelegenheit, diese einmaligen Tagungsräume zu besichtigen; Sie lassen kaum Wünsche offen.

Die KMG-Nachrichten werden nach Möglichkeit schon im Dezemberheft einen ersten Tagungsbericht liefern.

Symposium - Rednerliste

Freitag 8. September

10.30- 12.30: Eröffnungsvorträge im Lubbock Civic Center / Karl-May Room

Session I: Meet the Llano Estacado

- Dr. Dan Flores, Missula, Montana (A.B. Hammond Professor of Western History, University of Montana):

Sky, Plain and Canyons - - The Environmental Setting of the Llano Estacado.

- Dr. Donald J. Blakeslee, Dept. Of Anthropology, Witicha State U., Witicha, Kansas:

Native American Geography of the Llano Estacado.

- Dr. Richard H. Cracroflt, Provo, Utah (Nan Osmond Grass Professor in English, Brigham Young University):

Siegfried in a Coonskin Cap: The (German) American West of Karl May.

14.00 - 15.30: Session II: Texas History and Karl May

- Mr. Kenn Knopp. Fredericksburg, TX.:

Friedrich A. Strubberg of Kassel (1806-1889): A Procursor of Karl May.

- Mr. Charles Patrick, Manor, TX.:

The Life and Times of Texan Karl May .

15:30 - 16:30 Session III: Inner Structures

- Dr. Ben Novak, Bellefonte, PA.:

The Sign of Four: Dupin, Hohnes, Peirce --- and Karl May.

Samstag 9. September

Am Lagerfeuer Vorlesen von Karl-May-Texten und Pionier-Geschichten durch Eric Breaden aus Hollywood

Montag 11. September

14-17.00 Vorträge im ICC: Session IV: Werk-Interpretationen:

- Dr. Harald Eggebrecht, München (Journalist der Süddeutschen Zeitung und freier Publizist):

Die Wüste lebt / Über jenes Gelände, auf dem die Maysche Phantasie besonders blüht.

- Irina Bronoka, Waterloo, Canada (Universität Waterloo):

Rot und Weiß, Weiß und Rot - Fremderfahrung in Karl Mays "Winnetou."

- Assistant Professor Claudia Marra, Nagasaki, Japan (Fremdsprachenhochschule):

Karl Mays Chinabild im Spannungsfeld der deutschen Chinarezeption.

- Dr. Oskar N. Sahlberg, Berlin (Literaturwissenschaftler, Publizist):

Geburt und Wiedergeburt in Karl Mays Spätwerk

- Prof. Dr. Reinhold Wolff, Bielefeld (Literaturwissenschaftler der Universität Bielefeld, Vorsitzendcr der Karl-May-Gesellschaft):

Der Indianer-Mythos als (europäische) Identifikationsphantasie.

Dienstag 12. September

9.30 -12.00: Vorträge, Session V:Transatlantische Beziehungen: Deutschland

- Prof. Dr. Karl Markus Kreis, Dortmund (Fachhochschule Dorknund):

Karl May begegnet Indianern in Deutschland.

- André Neubert, Hohenstein-Ernstthal (Leiter des Karl May Hauses):

Old Shatterhands Wiege: Karl May und sein Geburtsort Hohenstein-Ernstthal damals und heute.

- René Wagner, Radebeul (Geschäftsführer der Karl-May-Stiftung und Direktor des Karl- May-Museums):

Geschichte der Karl-May-Stiftung (Unterschied zu den Foundations in den USA) sowie des Karl-May-Museums und seiner Sammlungen.

13.30-16.00 Vorträge und Abschluss Session VI: Transatlantische Beziehungen: USA

- Hans Grunert, Dresden (Kustos des Karl May Museums Radebeul, Geschäftsführer der Karl-May-Gesellschaft):

Karl Mays "Wilder Westen" - Spurensuche in Vergangenheit und Gegenwart am Beispiel der Jugenderzählung "Der Ölprinz''.

- Hans-Christian Kirsch (= Frederik Hetmann), Limburg/Lahn (freier Schriflsteller, zweimal mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet):

Kosmisches Bewußtsein - Spiritualität und Religion der Native Americans des Südwestens der USA.

- Dr. Jochen Rascher, Dresden:

"So zog ich aus, die Spuren von Winnetou zu suchen": Klara Mays Amerikareise 1930.

- Falko Henning, Berlin (Schriftsteller und Journalist):

"American Tales Writer, Dead.": Die Aufnahme von Karl Mays Tod in der amerikanischen Presse

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Auf Karl Mays Spuren zu den Komantschen

Forscher aus den USA in Bissendorf

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete so am 20.6.00:

Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft ist seit 1999 Prof. Reinhold Wolff aus Bissendorf. Jetzt empfing der Literaturwissenschaftler Gäste aus Lubbock in Texas. Dort wird im September dieses Jahres ein deutsch-amerikanisches Karl-May-Symposium stattfinden. Mit den Forschern aus USA sind Prof. Dr. Meredith McClain und Prof. Dr. Donald Haragan gemeint, die vom 5. bis 20. Juni in Deutschland weilen. Das Programm sieht unter anderem vor: 46th German-American Friendship Week and Expo 2000 in Wilhelmshaven, Besuch des North German Farm House Museum in Cloppenburg, Treffen mit Professoren der Fachhochschule in Wilhelmshaven, Besuch in Bad Segeberg mit Eröffnung der Exibition of the Llano Estacado in the Nebrasca House, und eben auch Besuch in Bissendorf. Für Prof. Wolff hat die Wahl des Tagungsortes Lubbock eine besondere Symbolik. "Kein Autor hat das Amerikabild der Deutschen in der Phase der grossen Auswanderungswellen stärker geprägt". -dSch

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Meredith McClain

Karl May und die Amerikaner

Unser amerikanisches Mitglied, Prof. M. McClain, sprach in Wilhelmshaven als einzige amerikanische Rednerin beim "German-American Weekend". Wir bringen eine Kurzfassung ihres Vortrags.

Heute im Jahre 2000 - 88 Jahre nach seinem Tode - ist Karl May immer noch der ‘meist gelesene deutsche Autor.’ Das Publikum in Deutschland zeigt noch reges Interesse an den Karl-May-Filmen, die jetzt im Fernsehen zu genießen sind. Nach Feststellung des Karl-May-Magazins ‘Karl May & Co.’ können Fans in der Sommersaison 2000 mindestens auf 11 Freiluft-Bühnen in der Bundesrepublik und in Österreich Karl-May-Spiele erleben. Die Karl-May-Gesellschaft ist eine der größten und aktivsten literarischen Gesellschaften Deutschlands. Es gibt immer neue Ausgaben von Mays Werken - vom Karl-May-Verlag Bamberg, wie von anderen Verlagen. Wissenschaftler erforschen alle Details der Mayschen Bibliographie. Neue Übersetzungen erscheinen in Bulgarien, in China und sogar in Amerika, wo nur die wenigsten Leute von May gehört haben.

Es ist ein großes Paradoxon, daß dieser Karl May, der eine heute noch ziemlich unbekannte Ecke Amerikas, den Llano Estacado, so gut, so spannend, so oft beschrieben hatte und sich in fast allen deutschen Fantasien eingeprägt hatte, in Amerika selbst unentdeckt bleibt.

Viele Fragen tauchen auf: Wenn Karl May selbst nie im Llano Estacado war, woher hat er seine atemberaubenden, oft haargenauen Beschreibung einer Gegend, von deren Geschichte Amerikaner im allgemein und die texanischen Einheimischen spezifisch sehr wenig zu wissen scheinen? Gibt es sehr viele Deutsche, die lieber ihre Fantasien aus der Kindheit aufrecht und bequem behalten wollen, anstatt die Wirklichkeit des Llano Estacados zu erforschen? Können die Amerikaner durch das potentielle Interesse der Deutschen an ihrer Geschichte, eine Anregung zur Forschung und Selbstkenntnis gewinnen? Was sind die neuen Themen, die neuen Bewegungen, die schon auf beiden Seiten des Ozeans in der Sache Karl Mays tiefere Verständigung und Freundschaften zwischen Deutschen und Amerikanern ermöglichen?

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Was sonst noch war

Radebeul Anfang Juni 2000

Verschiedene Veranstaltungen lockten nach Radebeul, über die im folgenden kurz berichtet werden soll; damit wird der Chronistenpflicht nachgekommen, es soll aber auch der geschätzte Leser und Karl-May-Freund angeregt werden, vom vielfältigen Angebot Gebrauch zu machen, wozu insbesondere die neu geschaffenen Rubrik ‚Termine‘ dienen soll.

Am 1. Juni 11:00 Uhr: Der Freundeskreis "Karl-May-Museum" traf sich am späten Vormittag im Gelände des Museums zum Country-Frühschoppen, drei routinierte Musiker spielten unaufdringlich echten country-sound, es gab Karl-May-Bier und Grillwürstchen bzw. Koteletts zum zwanglosen Talk bei herrlichem Freiluftwetter. Später wurden die Klänge orientalisch, eine Blondine führte raffinierten Bauchtanz vor, viele Museumsbesucher genossen alles sichtlich überrascht. Für Kinder gab es noch Hufeisen- und Lassowerfen an der Holzkuh, ein Tipi und einen Cowboy-Küchenwagen neben dem ‚Saloon‘ zu besichtigen.

Am 1.6. 17:00 Uhr: Lesung ‚Karl-May-ABC‘; die Autoren Bernhard Essig und Gudrun Schury, die bereits am 5.5. in Berlin vor dem dortigen Freundeskreis lesen wollten und kurzfristig auf den 4.5. umdisponiert hatten (s.a. N-KMG 124 S.60), brachten ihr umstrittenes Buch aus dem Reclam-Verlag ausschnittweise zu Gehör, und dabei handelt es sich ‚um eine teils amüsante, teils provokante Reise durch Themen rund um Leben und Werk Karl Mays in alphabetischer Reihenfolge‘ (Essig/Schury). Zunächst einmal: Das Buch ist nicht für Leser geschrieben, die keinen Humor haben, es strotzt von amüsanten Formulierungen und behandelt das ABC nach sehr eigenwilligen Vorstellungen, denen man aber bereitwillig und schmunzelnd folgt. Für den, der Karl May nicht streng wissenschaftlich, sondern mit einem Augenzwinkern liest, ist es genau die richtige Lektüre. Und so war es nicht überraschend, dass die Lesung diese humoristische Seite markierte, gekonnt und sprachgewandt von den Autoren im Duett vorgetragen. Dass der Buchstabe B mit Bamberg beginnt und unter diesem Stichwort 12 ½ Seiten Buchtext zu lesen sind, überrascht kaum, denn die Bearbeitungen werden ausführlich auf die Schippe genommen und sorgen auch im Vortrags für Heiterkeit. Mays freiwilliger, mehr aber noch der unfreiwillige Humor werden schamlos ausgeschlachtet, auch vor dem Lied an Winnetous Sterbelager bleibt das Autorenteam nicht in Andacht stehen, sondern macht eine Persiflage daraus, wen’s halt nicht stört, denn Kitsch hin oder her, zum Tod hat jeder seine eigene Beziehung. Ein insgesamt köstliches Vergnügen für die Zuhörerschar. Die Berliner Morgenpost vom 6.5.00 schreibt dazu: Die meisten Stichwörter sind so verrückt, dass es niemandem in den Sinn käme, danach zu suchen. "Leichenhandschuhe" etwa oder "Quimbo"... G.Schury und R.-B. Essig lesen diese und andere Einträge ironisch unterkühlt, wohl akzentuiert und werfen sich in den einzelnen Passagen routiniert die Bälle zu...

Am 2.6. 11:00 Uhr: Eröffnung der Sonderausstellung ‚Aufbruch in eine neue Welt‘ - Sächsische Auswanderer unter den Mormonen. Hermann Wiedenroth hatte sich in monatelanger Rechenarbeit sachkundig gemacht und Archive besucht, sogar Salt Lake City bereist, die geistige Zentrale der Mormonen. Wer diesen Namen aus den Büchern Karl May kennt und sonst nichts weiter weiss, hat leider nicht die geringste Ahnung von dieser Religionsgemeinschaft, die mehr unseren Respekt als Verachtung verdient. Aufrechte Gesinnung, Hilfsbereitschaft, solide Lebensregeln, Gottesfurcht (d.h. Achtung, nicht Angst vor dem Höchsten), und eine an Mitgliedern schnell wachsende Gemeinschaft sind markante Daten dieser ‚Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage‘. Wie auch bei der Behandlung der Indianer unterlag Karl May dem Klischeebild des 19. Jahrhunderts; diese Ausstellung regt an und informiert. Wer sich eingehender informieren will, möge ins Internet gehen und z.B. anklicken:

http://www.mormonen.de oder weiteren Links folgen. Noch ein Hinweis: Im Jahrbuch der KMG 1980 hatte Wiedenroth bereits dieses Thema behandelt, was dann im Reprint ‚Der Krumir‘ von Siegfried Augustin ergänzt wurde. Im Ausstellungsraum liegen diverse Bücher aus, die bekannte Schriftsteller verfasst haben, z.B. B.Möllnhausen: Das Mormonenmädchen, Z.Grey: Das Gesetz der Monmonen, Moritz Busch : Die Mormonen. Der President der mormonischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland, Mr. Reed Moss, war mit anderen Amerikanern angereist, einer von ihnen, Elder (d.i. Missionar) Jacob Callister, sang drei stimmungsvolle Lieder zur Gitarre auf einem typischen Auswandererwagen, den man vor das Museum gerollt hatte; und dann gab’s eine alkoholfreie Erfrischung, denn das ist eine ihrer Lebens-Regeln.

Am 2.6. 17:00 Uhr: Im Museumsgelände wird das Karl-May-Fest eröffnet. Jetzt gab’s wieder Bier, und zwar Freibier von der Fürstenberg-Brauerei. An Prominenz wurde gesichtet: OB Dr. Kunze, Kulturamtsleiter Schubert, Generalkonsul der Schweiz H.Kaegie, Abordnung aus der Partnerstadt Sierra Vista, USA, eine Gruppe aus Tumbstone, (Unterdorf von Sierra Vista), Vertreter der Partnerstadt St. Ingbert, vom Westernclub Kaufbeuren, eine Soldatenformation unter Cornel Peter Sherayko, das sind Freizeit-Cowboys, und so weiter, es wurde Salut geschossen und Freundschaft geschlossen, die laue Sommernacht wollte gar kein Ende finden.

Am 3.6. ab 13:00 Uhr: Im Lössnitztal beginnt das ‚Karl-May-Fest‘. Alle waren wieder da, mehr als in den Jahren zuvor, die Sächsische Zeitung hatte 30.000 Besucher gezählt, der Leipziger Volkszeitung schienen es 35.000, alle genossen die pralle Sonne und den Fasching mitten im Sommer, die stilechten Cowboys überfielen wieder den Lössnitz-Dackel, erfolglos allerdings, denn der dampfte unbeirrt durch das Tal, die Sternreiter in ihrem Camp zeigten Reiterkunststücke, im Indianerlager gab’s ein echtes POW WOW, die Indianer vom Stamm der Totonaken imponierten bei ihrem Sonnenbaumritual durch schwindelfreie Akrobatik auf dem 32m hohen Stamm, von dem sie sich mutig absegeln lassen, was manchen Maulhelden verstummen lässt, diverse Musik gab’s, Country, Bluegrass oder modern, ein kurdisches Zentrum glänzte farbenprächtig usw. usw. Wie schreibt Ober-Cowboy Kunze im Festprospekt: "Wenn wir die Augen schliessen und wieder öffnen, können wir - mitten im Lössnitzgrund stehend - den Geist der ganzen abenteuerlichen Welt des Karl May erleben: die Radebeuler Karl-May-Festtage machen’s möglich". Und an anderer Stelle: "Esgibt doch noch ein Leben abseits des Bildschirms". Dem kann der beeindruckte Besucher nur hinzufügen: Karl May wäre stolz darauf, so viele kleine und grosse Menschlein in seinen Bann gezogen zu haben, denn die Ehre gebührt ihm, der uns alle zu solchen Taten veranlasst hat.

Am 4.6. ab 10:00 Uhr bis zum Abwinken: Sonne, Frohsinn und immer wieder Karl May.

-dSch

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Dietrich Schober

7. Feldkircher Literatur- und Philosophietage 7.-10.Juni 2000

Diese mehrtägige Veranstaltung im Saumarkt-Theater Feldkich/Österreich zum Thema Karl May hatte illustre Redner und Programmpunkte. Bereits am 4. Juni wurde der Film "Karl May. Die Seele ist ein weites Land, in das wir fliehen" unter der Regie von H.-J. Syberberg gezeigt, dann am 7.6.00 hielt Dr. h.c. Hans Wollschläger einen Vortrag : "Karl May nach der Moderne" und am 8.6. die Lesung "Karl May: Frau Pollmer, eine psychologische Studie", am gleichen Tag sprach Dr. Gabriele Wolff (Krimiautorin und Staatsanwältin): "Das Frauenbild Karl Mays am Beispiel Emma Pollmers", und am 9.6. folgte der Vortrag von Dr. Konrad Paul Liessmann (Univ.Prof. am Institut für Philosophie der Uni in Wien): "Lieber Leser, weisst Du, was das Wort Greenhorn bedeutet?" Am 10.6. gab’s nach dem obligatorischen Ava Maria und anderen Stücken von Karl May die Abschlussdiskussion unter Leitung von Dr. Peter Huemer, Autor und Leiter der Reihe ‚Gespräche und Diskussionen‘.

Die Vorarlberger Nachrichten berichteten ab 31. Mai über diese ausschliesslich unserem Karl May gewidmete Veranstaltung. Am 7.6. las man: Glänzende Augen trotz Männerbündlerei- Karl May erinnert auch Frauen an erste Leseerlebnisse ... Männerbündlerei, eine merkwürdige Beziehung zu Frauen, die entweder als negative Figuren auftreten oder so früh sterben, dass sie dem männlichen Heldentum nicht weiter im Weg stehen, werde einem im Kindesalter letztlich ja nicht bewusst, meint Ulrike Längle. Sie war als Volksschülerin von den spannenden Abenteuern fasziniert und hat sich Winnetou mit seinen schönen langen Haaren eben auch einmal als Frau vorgestellt. So einfach sei das für ein Kind und letztlich sei es ja Karl May gewesen, der Toleranz gefordert hat.

Und am 13.6.00 schreibt die Neue Vorarlberger Tageszeitung: Sind die Helden von Karl May heute noch gefragt? Es waren spannende, ja fesselnde Vorträge und gewagte Thesen um einen Mann, der - verehrt und angefochten - mit den Klischees seiner Helden die Gemüter erregte. ,,Wie bringt man Karl May mit Philosophie zusammen? Konrad Paul Liessmann, Philosophie-Professor aus Wien, zog ein Zitat von Ernst Bloch zu Rate: ,,Es gibt nur zwei große Autoren - Hegel und Karl May. Alles andere ist eine Mischung von beiden. Würde ich nicht Karl May gelesen haben, hätte ich Hegel nie gelesen!"

Und Hans Wollschläger gestand: ,,Für mich war es die Macht der Worte und damit der Impuls für meinen Einstieg in die Dramenliteratur als Vertiefung einer Erfahrung, die Karl May bewirkt hat!"

Die bei der Abschlussdiskussion von Peter Huemer gestellte Frage, ob Karl May bei der Jugend noch ankomme, verneinte Claudia Werlhof, Professorin aus Innsbruck: ,,Die Helden von Karl May -gerecht, verantwortungsvoll, menschlich - passen nicht mehr. Heute sind Typen wie Rambo gefragt. Killer, die töten und HighTech-Waffen haben!" Westernhelden seien zu altmodisch, zu untechnisch . ,,Wären wir wirklich schon in der Postmoderne, hätte Karl May vielleicht wieder eine Chance?" Gabriele Wolff, Krimi-Autorin und Staatsanwältin: ,,Ich hätte Old Shatterhand nie verziehen, wenn er jemanden erschossen hätte." Der Gerechtigkeitssinn sei für sie vielleicht der Auslöser gewesen, Juristin zu werden. ,,Ich habe als Neunjähriger die Nachsichtspassagen als Heuchelei empfunden", widersprach Peter Huemer, der als Moderator bewusst provozierend stichelte: ,Für mich ist es auch ein Unding, dass Liessmann, der alle Romane Karl Mays gelesen hat, in seiner Kindheit nie Indianer spielte". Liessmann: ,,Ich wollte nicht als Indianer rumlaufen, weil ich wusste: Ich bin keiner!" Als Huemer gestand, beim Tod Winnetous wie ein Schlosshund geheult zu haben, spottete Liessmann: ,,Wenn der Romanleser weint, ist er auf Kitsch gestoßen!" Der Karl May sei so barmherzig, dass der Leser empört aufschreie, warum der Schurke nicht gerichtet werde! Andererseits sei es aber gerade der Triumph der Güte, die so demütigend auf den Bösewicht einwirke.

Augenzwinkernde Scharmützel mischten sich mit ernsthaften Fragen: Wie ist mit einem Text umzugehen, den junge Leute für wahr halten und der sich dann als Lüge herausstellt? Mit welchem Hintersinn zeichnete Karl May die Charaktere von Naturmenschen und jenen der ,,zivilisierten" Welt? Spiegelt sich in den Erzählungen nicht auch das Bild des Paradedeutschen? Karl May habe nationalistische Symptome ironisch durchtränkt, wiegelte Wollschläger zu letzterem ab. Wolff wollte das Deutsche lediglich als Gemütsfaktor erkannt haben. Obwohl - so war man sich einig - Karl May ein des Brotverdienens halber gehetzter Schreiber war, habe er durchaus eine künstlerische Feder geführt. Von jedem seiner hundert Titel würden jährlich noch 3000 verkauft. Karl May bleibe präsent, gleichwohl seltener. -,,Pädagogik und Literaturgeschichte werden sich weiter mit ihm befassen müssen", prognostizierte Hans Wollschläger.

Zum Programmpunkt am 8.6.00 sei hier noch näher eingegangen. ‚Das Frauenbild Karl Mays am Beispiel Frau Emma Pollmer‘, Vortrag von Gabriele Wolff. Unter den Zuhörerinnen befand sich die KMG-lerin Regula Jucker (Schweiz), sie berichtet:

Das heikle Thema May/ Pollmer, sein Frauenbild allgemein, ist für mich in seiner Widersprüchlichkeit noch lange nicht abgehakt. So lauschte ich denn erst gespannt der Lesung H. Wollschlägers aus der Studie und dann der vortragenden Juristin und Krimiautorin, Gabriele Wolff.

Ihrer Ansicht nach kann den Ausführungen Mays in dieser Schrift mehr Realität zugemessen werden, als bis anhin angenommen. Dass Karl May diese "Studie" verfasst hat, um seinen Kopf vor Gericht aus der Schlinge zu ziehen, ist hinlänglich bekannt. Dass ihn der Kampf in der Sache Münchmeyer zum Äussersten trieb und er für seine Rehabilitation keine Mühe scheute, auch. Mays Verfassung war dementsprechend schlecht und doch zeigt diese Studie gemäss G. Wolff eine wertende Darstellung einer Ehe. Mays passive Beobachterrolle gegenüber Emma sei der beste Beweis für die Glaubwürdigkeit der brillant geschilderten brisanten und äusserst intimen Vorkommnisse im Hause May. Die Gerichtsakten, die die verschiedenen Verhöre von Karl und Emma dokumentieren, lassen ferner den Schluss zu, dass der Studie die Authentizität zugeschrieben werden kann, die Fritz Maschke in seinem Buch "Karl May und Emma Pollmer" oder Heinz Stolte in seinem Vortrag vom Oktober 83, in Frage gestellt haben.

Gemäss Mays Äusserungen ist die unehelich geborene Emma, die bei ihrem, sie masslos verwöhnenden Grossvater, dem Barbier Christian Gotthilf Pollmer aufgewachsen ist, bereits damals auf die schiefe Bahn geraten. Als junges Mädchen sei sie schon Zeugin des aktiven Liebeslebens ihres Grossvaters gewesen und von dessen Geliebten schlecht beeinflusst worden. Karl May, der von ihrem gefälligen Äusseren sehr angetan war, wollte ihren wahren Charakter und Lebenswandel nicht zur Kenntnis nehmen und ihr sämtliche Eskapaden vergeben. So habe er sie, nach dem schweren Schlaganfall ihres Grossvaters, sozusagen aus Mitleid geheiratet. In seiner Studie beschreibt er seine Ehe weiter als einzige Tragödie, seine Frau als Megäre, die dämonische Kräfte besitze und ihm sogar nach dem Leben trachte. Dazu betont er die sexuelle Besessenheit Emmas ausführlich, ihre spiritistischen Neigungen, Ehebrüche und lesbische Veranlagung. G. Wolff, die den realen Gehalt dieser Studie auch darum in Erwägung zieht, weil die zeitlichen Abläufe von May exakt wiedergegeben werden, und das Emma-Bild deutlich erkennbar sei: Emma, eine Frau von geringem Intellekt, emotional, leicht beeinflussbar, genusssüchtig und sexuell überdreht, die ihren Mann und seine Werke immer weniger nachvollziehen kann und ihn wegen seiner Edelmenschen-Visionen verhöhnt, wird auch von ihm mehr und mehr als kranker Mensch gesehen, der ihm aber seine Selbstwertgefühle zu zerstören droht. Mays psychoanalytischen Fähigkeiten sind Tatsache, und diese Studie durchaus nicht nur exotisch. Auch die Gerichtsakten, die von Frau Wolff durchforscht und analysiert wurden, geben genügend Anhaltspunkte für ein Ernstnehmen dieses zu rein biographischen Zwecken verfassten Textes.

Der anschliessenden Diskussion konnte ich leider aus zeitlichen Gründen nicht beiwohnen, aber auf der langen Nachhausefahrt haben mich folgende Fragen und Hypothesen beschäftigt:

Karl May verfasste hier ein Werk, das wie Hans Wollschläger treffend sagt, teilweise "Strindberg’schen" Charakter hat. Der Hass auf Emma spricht für sich und dennoch kann man sich kaum vorstellen, dass er über 20 Jahre mit einer Frau verheiratet war, die ihm angeblich nur Verdruss bereitet hat. Warum sollte er eine Dorfschlampe geheiratet haben, wo ihm doch soviel daran lag, vorwärts zu kommen, um auch gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Schaut man sich das Foto in Maschkes Buch "Karl May und Emma Pollmer" aus dem Jahr 1894 an (Abb. 1), so erkennt man in Karl May einen liebevoll auf seine Frau blickenden Mann, Geste und Gesichtsausdruck verraten Zuneigung und Stolz. In seiner Studie jedoch stellt er Emma als perverse Lustmolchin dar und sich als den hilflos Ausgelieferten, der sich seiner Frau wehrlos hinzugeben hat. Ist Old Shatterhand also ein geschändeter und vergewaltigter (?) Ehemann? Emma, die unehelich Geborene, die ihre Verruchtheit als elterliches Erbe mitbekommen haben soll, wäre also trotz ihrer bescheidenen Intelligenz die Tonangebende gewesen und er in der Tat das "Strohmännle"? Nein, ich denke eher, dass die Dominanzen in dieser Ehe ständig wechselten, je nach (auch sexueller) Befindlichkeit von Karl May und später auch durch Emmas vom Klimakterium stark belasteten gesundheitlichen Zustand.

Die pikanten Details zur ganzen Ehetragödie lassen sich jedoch nicht ignorieren! Eine Beziehung, die aus sexueller Hörigkeit, Liebe und immer mehr Hass bestanden haben muss, geht schliesslich an die Substanz beider Partner. Inwiefern Klara Plöhn rettender Engel oder raffiniertes Teufelchen war, darüber werden die Meinungen immer auseinander gehen. Dass ihre Rolle aber nur selbstlos war, glaube ich nicht. Sein während der Orientreise verfasstes Gedicht "Für Emma" im Jahre 1900, aus dessen Zeilen das Unverstandensein wohl herausklingt, aber ebenso Besorgnis und Zuneigung spricht, weist auf seinen schweren inneren Kampf hin.

Wie verzweifelt muss May gewesen sein, dass er eine solche Studie schreibt, in der er Genitales und Geniales vermengt und dies sogar noch zu biographischen Zwecken verwenden will. Goethe hat all seine Tagebücher wohlweislich verbrannt, ebenso einen grossen Teil seiner Korrespondenz mit Christiane Vulpius. Auch er war mit einer Frau verbunden, die seinen geistigen Höhenflügen in keiner Weise folgen konnte. Allein durch ihre Duldsamkeit und Fürsorge blieb er ihr als Partner erhalten. Dazu war Emma viel zu egoistisch und unvorsichtig. Es ist möglich, dass das Geschwätz Emmas im Vorlaufe der Münchmeyer Prozesse und ihre Freundschaft mit Pauline M. ebenso viel Schaden angerichtet haben, wie die Kritik und Anschuldigungen seiner Gegner.

Ist Karl May an seinem Frauenumfeld zerbrochen und dadurch geschwächt worden? Was hätten eine Christiane Vulpius oder Eva König (Frau von Lessing) bei Karl May bewirken können? Wieviel Einfluss hatte das Zusammenleben mit seinen Frauen tatsächlich auf sein Schreiben, Leben und Streben?

Regula Jucker

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"Frühe Liebesgeschichte um Karl May"

So lautet der Titel einer Erzählung des Schriftstellers und Buchhändlers Veit Bürkle, mit bürgerlichem Namen Karl Heinrich Bischoff (1900-1978). Die Stadt Laichingen auf der Schwäbischen Alb, Bischoffs Geburtsort, feierte im Juni 2000 den 100. Geburtstag ihres Ehrenbürgers. Es gab eine Matinee mit Lesungen, einen profunden, differenziert würdigenden Festvortrag von Heinz Surek, umrahmt von Darbietungen der örtlichen Musikschule, und eine reichhaltige Ausstellung zu Leben und Werk. Am Rande war auch Karl May präsent: Die vom Bürgermeisteramt Laichingen herausgegebene Festschrift "Karl H. Bischoff" gibt auf S. 19 in Farbe die Umschlagseite der "Frühen Liebesgeschichte um Karl May" wieder - erschienen 1942 in der Reihe "Münchner Lesebogen" -, zusammen mit Erläuterungen Bischoffs, in denen er seine Freude an "Ausfahrt und Heimkehr" beschreibt. - Zur Erinnerung: die Karl-May-Gesellschaft hat für ihre Mitglieder diese Kinder- und Liebesgeschichte bereits nachgedruckt (Karl Mays Spuren in der Literatur. I. Sonderheft der KMG 70/1987, hg. v. Hansotto Hatzig und Rudi Schweikert, S. 57-80). Martin Lowsky

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Karl May fährt nicht mehr nach Dresden

Voller Stolz konnte unser Geschäftsführer im Dezember 1997 in den N-KMG 114 berichten, dass die Deutsche Bahn AG einem Zug den Namen "Karl May" gegeben hatte. Der Intercity 742 verkehrte zwischen Magdeburg und Dresden bzw. der IC 743 in entgegengesetzter Richtung. Der Fahrplan ab 28.5.2000 weist aus, dass IC 722 "Karl May" wie bereits 1999 aus Hannover (Abfahrt 5:24) kommend diesen Namen trägt, nunmehr aber nicht mehr bis Dresden fährt, sonder in Leipzig endet, Ankunft 8:16. In der anderen Richtung wurde bereits 1999 kein Karl May mehr geführt. Schade, nicht? -dSch

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Karl-May-Uhr

Noch eine Vermarktung: Radebeuler Karl-May-Uhr Edition 2000. Eine Initiative gefördert von der Kreissparkasse Meißen in Zusammenarbeit mit der Karl-May-Stiftung und des Karl-May-Museums Radebeul. DM 69,- (incl. MwSt.), darin enthalten ist ein Spendenanteil von DM 20,- . Ausführung: Metallgehäuse veredelt in mattchrom, Mineralglasabdeckung, Quarzlaufwerk, Edelstahlboden, Lederarmband, ein Jahr Herstellergarantie. Erhältlich in allen Sparkassengeschäftsstellen vorrangig in Radebeul und online unter

www.sparkasse-meissen.de oder im Trading-shop des Karl-May-Museums unter der Adresse http://www.karl-may-stiftung.de/tradingpost/index.htm -dSch

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SCHWEIZER-KARL-MAY FREUNDE

100 Jahre Karl May auf der Rigi

Die KMG-Kongressteilnehmer 2001 erwartet ein grossartiges Landschafts-Erlebnis. Auch

Karl May war vor 100 Jahren von diesem See begeistert und schrieb darüber in Ismailija!!

am 13. 4. 1899 jene empfindungsvollen Zeilen im 2. Vers. (KMV, "In fernen Zonen", S.55)

Am Vierwaldstättersee

.... Er lag so still; er lag so her

In Fels und Matten eingebettet,

Als hätte, so wie ich, auch er

Sich aus der Welt hierher gerettet.

Und jeden Strahl, der ihm hernieder

Vom lichten Firmamente kam,

Gab ehrlich er dem Himmel wieder,

Von dem er seinen Ursprung nahm .....

In Luzern nächtigen jedes Jahr nahezu eine Million Gäste aus allen Staaten der Welt. 2'197'587 Touristen fuhren 1999 mit den schmucken SGV-Schiffen, darunter fünf vorzüg
lich restaurierten Raddampfern über den Vierwaldstättersee. Sie liessen sich von den zwölf Verkehrsträgern, Seilbahnen, Standseilbahnen und Zahnradbahnen vom See bis auf die umgebenden Berge bringen.

Die Vierwaldstätter-Ferienregion - eine Region der Superlative, kommen Sie 2001 am besten selbst und wandern Sie auf des Maysters Spuren am Vierwaldstättersee!

Einige Sammlerraritäten aus dem zukünftigen Kongressland Schweiz

Für Philatelisten 2 Briefmarkenbogen, (Auflage nur 30 Stk.)

mit 8 Briefmarken zu 90 Rappen und zwei verschiedenen Varianten mit dem Hinweis auf den 16. KMG-Kongress. Rigi-Kulm, KM-Portrait, Winnetou. je DM 20.- zzgl.Porto

Für Sammler

Leseerfahrungen mit Karl May in der Schweiz, ill. DM 6.-

Für Liebhaber

Der Karl May Stammbaum in einer Auflage von 57 Stück

handkoloriert, nummeriert und signiert, in Rolle. DM 125.-

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WWW.literatur Auf den Spuren Karl Mays.

Unter diesem Titel brachte die "Rheinische Post Düsseldorf" am 17.5.2000 folgenden Artikel:

Er hat Winnetou und Old Shatterhand zum Leben erweckt, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar. Und selbstverständlich ist er als einer der meistgelesenen deutschen Autoren auch im Internet: Karl May. Unter www.karl-may-gesellschaft.de wurde ein dickes Paket geschnürt, in dem sich unter anderem zahlreiche Fotos des Schriftstellers finden (das älteste stammt aus dem Jahr 1890); in dem das May-Museum in Radebeul (bei Dresden) vorgestellt wird - hier starb der Autor am 30. März 1912 in seiner ,,Villa Shatterhand" - und in dem auch von der wechselvollen Geschichte der Karl-May-Gesellschaft die Rede ist, von jener Organisation, die 1944 von der Gestapo verboten wurde und die auch in der DDR nur im Verborgenen wirken konnte. Heute sind unter dem Dach der Gesellschaft rund 2000 Mitglieder aus 24 Ländern vereint. Es sind Missionare, die auch übers Netz ihre Botschaft in die Welt tragen wollen. Neben einer Biografie von Karl May, allerhand Hinweisen zur Sekundärliteratur und anderen ,,May-Links" haben die getreuen Leser auch 40 Romane, 20 Erzählungen und autobiografische Schriften vollständig ins Internet gestellt. Und wem all das immer noch nicht reicht, der kann im großen Figurenlexikon zu Karl May so ziemlich jede Spur verfolgen, die es irgendwo und irgendwie im mächtigen Gesamtwerk noch zu entdecken gilt.

Sehr schön, möchte man sagen, ein Lob für unsere Internet-Aktivisten. In einem Punkt ist allerdings eine Korrektur angebracht: Unsere "Karl-May-Gesellschaft e.V." wurde erst am 22. März 1969 in Hannover gegründet und ist nicht gleichzusetzen mit einer ganz allgemeinen Karl-May-Bewegung. Die Chronik ‚Eine Gesellschaft für Karl May‘ von Gründungsmitglied Erich Heinemann kann bei der zentralen Bestelladresse geordert werden, siehe Angebotsliste im Mittelteil des N-KMG-Heftes. -dSch

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HIGH SOCIETY

Ob Karl May heute zur High Society gehören würde, wer weiss! Das Magazin mit diesem Titel bringt in seiner Ausgabe 5/2000 überraschenderweise einen zwei Seiten langen Bericht über den "Dauer-Pop-Star des 20. Jahrhunderts". Aha, der Leser reibt sich die Augen, da werden nackte Tatsachen enthüllt, dieses Mal aber sind nicht die hübschen Mädels gemeint, mit denen das Heft ansonsten prall gefüllt ist, sondern wirklich unser Karl May. Das Magazin ist mittlerweile nicht mehr am Markt, wie man hört, der besagte Artikel hat’s auch nicht retten können. Der Verfasser ist Manager im Showgeschäft und vermarktet Karl May auf seine Weise, dazu dienen events wie z.B. das Doppelgängerfestival am 21. August in der Maingauhalle in Kleinostheim, bei dem auch Karl May auftreten soll. Ein wenig Skepsis ist hier wohl angebracht, denn zur Zielscheibe plumper Verulkerei möchten wir unseren Karl May denn doch nicht machen lassen.

Der o.e. Artikel endet mit den einsichtigen Worten: Für mich, der ich als Junge die Bücher verschlungen habe, kommen einige der nun veröffentlichten Werke so vor, als seien sie mehr oder weniger ,zusammengesucht‘, einfach, um sich dem Karl-May-Boom anzuhängen. Doch ist das vielleicht eine Frage des Verständnisses. Eines steht auf jeden Fall fest: der am 31. März 1912, also vor nunmehr zweiundachtzig Jahren verstorbene Schriftsteller wäre mit Sicherheit mehr als überrascht, könnte er die Rundum-Vermarktung erleben. Letztlich bleibt es abzuwarten, ob die derzeitigen Popstars nach 82 Jahren auch noch "in" sind. - Kurt Bauer.

So ist es, und nur die vage Hoffnung, die Konsumenten solcher Vermarktung könnten Appetit auf seine Bücher bekommen, lässt uns solche events gelassen vorübergehen. Es sind übrigens schon mehr als 82 Jahre, wir wissen das, und vieles andere auch. Wer sich aber über das Showangebot ausführlicher informieren möchte, hier die Internetadresse: www.dull-entertainment.de -dSch

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Erwin Müller

Die Winnetou-Welt im Lexikonformat

Anmerkungen zu einem neuen Buch von Michael Petzel

Die Sekundärliteratur zu Karl May, die nach der Zahl ihrer Titel das literarische Gesamtwerk unseres Autors inzwischen bei weitem überrundet hat, ist um eine Neuerscheinung reicher geworden. Nach der "Illustrierten Karl-May-Bibliographie" von Hainer Plaul, dem "Großen Karl-May-Figurenlexikon" von Bernhard Kosciuszko (Herausgeber) und der "Großen Karl-May-Biographie" von Hermann Wohlgschaft ist nun endlich auch das längst fällige "Große Karl-May-Lexikon" von Michael Petzel erschienen.

Auf 413 Seiten ist von A (wie Abenteuer) bis Z (wie Zürcher Ausgabe) alles aufgelistet, was der Verfasser aus Karl Mays Kosmos der Phantasie subjektiv für erwähnenswert hält. Mit dieser Feststellung wird der Leser sogleich darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei diesem Lexikon nicht um eine wissenschaftliche, um Objektivität und Vollständigkeit bemühte Publikation handelt, sondern um eine sehr eigenwillige Stichwörter-Auswahl von, zu und über Karl May, mit zwar vielen nützlichen, aber auch etlichen überflüssigen Informationen (z.B. die Nennung der Bad Segeberger Ehrenhäuptlinge). Der künftige Lexikonbenutzer hat also kein verbindliches Nachschlagewerk a la Brockhaus in der Hand, sondern lediglich ein vergnügliches und reich bebildertes Kompendium zum Blättern und Schmökern, ein buntschillerndes Kaleidoskop der auch nach über einem Jahrhundert immer noch faszinierenden Karl-May-Welt.

Da vom selben Verfasser vor einiger Zeit bereits das umfängliche und lobenswerte "Karl-May-Filmbuch" (KMV) erschienen ist, hätte dieser spezielle Bereich zugunsten anderer Themen jedoch wesentlich reduzierter behandelt werden können. Für den mehr literarisch interessierten Karl-May-Freund ist dieses Lexikon in cineastischer Hinsicht daher reichlich kopflastig geraten. Die Möglichkeit, einfach aus dem vorhandenen Fundus zu schöpfen, war für Michael Petzel doch wohl zu verführerisch.

Da es sich bei den KMG-Nachrichten um ein Fachperiodikum für eine sehr sachkundige Leserschaft handelt, möchte der Rezensent aber auch - ohne Anspruch auf Vollständigkeit und fern jeder oberlehrerhaften Besserwisserei - auf einige Fehler, Irrtümer, Ungenauigkeiten und Mängel in diesem Lexikon hinweisen, die sich bei einer gewiß zu erwartenden zweiten Auflage leicht korrigieren oder beseitigen lassen:

Ausstellungen (S. 20) Die Ausstellung von Thomas Range und Peter Krauskopf heißt richtig "Karl May. Die Jagdgründe der Phantasie. Foto-Inszenierungen", während die Ausstellung von Sabine Lehmann, Martin Sadek und Günther Sommer den Titel "Karl May. Die Seele ist ein weites Land ..." trägt.

Cottbus (S. 65) Freundeskreis Karl May

Cottbus (S. 109) Freundeskreis Karl May

Leipzig e.V. (S.109) Unter diesen Stichwörtern gibt es unterschiedliche Angaben über den ersten, zweiten oder dritten Zusammenschluß von Karl-May-Freunden in der DDR. Richtig ist, daß es in Cottbus (1987) den ersten und in Leipzig (1988) den zweiten Freundeskreis unter dem Dach des damaligen Kulturbundes gab. Außerdem hieß der Cottbuser Gründer und langjährige Vorsitzende nicht Reinhold, sondern Reinhard Seidler, der inzwischen leider verstorben ist.

Frank, Patty (S. 105) Seine letzte Ruhestätte ist kein Grabmal, sondern ein schlichtes Grab.

Karl-May-Gesellschaft (S. 175) Neben Helmut Schmiedt gehört auch Hans Wollschläger dem Vorstand als gleichberechtigter Stellvertretender Vorsitzender an.

Medizin (S. 227) Unter den Literaturangaben fehlt die wichtige Dissertation von Johannes Zeilinger: "Autor in Fabula. Karl Mays Psychopathologie und die Bedeutung der Medizin in seinem Orientzyklus", Leipzig 1999.

Roxin, Claus (S. 300)

Er ist Vizepräsident des Kuratoriums der Karl-May-Stiftung, nicht Mitglied im Aufsichtsrat.

Schmid, Euchar Albrecht (S. 313)

Wolfgang Schmid, der zweite Sohn des Karl-May-Verlegers, ist nicht im 2. Weltkrieg gefallen, sondern an den Folgen einer Verwundung im Lazarett gestorben.

See Genezareth (S. 322)

Diese Erwähnung, nur weil Karl May einmal dort gewesen ist, grenzt schon ans Absurde!

Stolte, Heinz (S. 342) Seine Doktorarbeit hieß "Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde", nicht "Karl May und das Geheimnis seines Erfolges"; diese Dissertation stammt von dem 0sterreicher Viktor Böhm.

Wollschläger, Hans (S. 404)

Er lebt seit geraumer Zeit nicht mehr in Bamberg, sondern im bayerischen Königsberg.

Wenn der Verlag mit dem angeblich "Großen Karl-May-Lexikon" auch den Mund etwas zu voll genommen hat, so kann diese Neuerscheinung doch ihren Zweck in der Hand vieler Karl-MayFreunde erfüllen: Ein amüsantes und vielseitiges Begleitbuch zu den Gesammelten Werken, bei dessen Lektüre einem Nietzsches Wort von der "fröhlichen Wissenschaft" in den Sinn kommt, das Erich Heinemann seit langem auch für die Karl-May-Gesellschaft in Anspruch nimmt. Bekanntlich betreibt Michael Petzel seine Forschungen über den sächsischen Fabulierer ja ebenfalls nicht ohne ein gewisses Augenzwinkern. Wer mit dieser Einstellung das Lexikon nutzt, kann durchaus Gewinn daraus ziehen; bierernste Karl-May-Fans hingegen sollten auf diese Geldausgabe eher verzichten.

Michael Petzel: Das große Karl-May-Lexikon

413 Seiten, Paperback, mit vielen Illustrationen, DM 29,80 - Lexikon Imprint Verlag, Berlin 2000

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Karl Mays frühkindliche Erblindung - eine Legende?

Unter diesem Titel hatte Dr. med. Johannes Zeilinger (Berlin) beim 15. KMG-Kongreß in Hohenstein-Ernstthal einen Aufsehen erregenden Vortrag gehalten, der seitdem unter den Mitgliedern unserer Gesellschaft lebhaft und kontrovers diskutiert wird. Daher springt mir diese Anzeige in meiner Tageszeitung geradezu ins Auge:

Kinderblindheit

Eine einzige Mark reicht aus, um ein Kind in der "Dritten Welt"

mit Vitamin A zu Versorgen und so vor der Erblindung zu retten.

Wann helfen Sie?

[Adressen]

Wenn also bereits ein Vitamin-A-Mangel zur Erblindung von Kindern führen kann, dann soll Karl May, der in äußerster Not und bitterster Armut aufwuchs (s. "Mein Leben und Streben"), nicht blind oder zumindest sehgestört gewesen sein?

Das fragt sich der medizinische Laie Erwin Müller

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Karl May im Internet

Klicken Sie doch mal auf www.karl.may.richtig.de und sehen Sie sich diese Seite an. Ganz putzig, auch die Beiträge im Gästebuch. Oder mal http://www.guenter-fell.onlinehome.de/ anklicken, auch nicht schlecht, was? Aber hier ist was besonderes:

Ein Dreizehnjähriger Schüler, ausgerüstet mit Handy und eigenem PC, ist auf dem besten Weg, ein Karl-May-Sachverständiger zu werden; mit der modernen Technik kommt er bestens zurecht und hat gemeinsam mit seiner Klasse eine Internetseite gestaltet, wo er das grüne Buch ‚Der Schatz im Silbersee‘ vorstellt, Adresse:

www.geocities.com/shg_deutschprojekte (der Strich ist unten!)

Ich hatte während einer gemeinsamen Wanderung in der sächsischen Schweiz Gelegenheit zu langen Gesprächen, die mich heiter an meine eigene Jugend erinnerten, die mich aber auch etwas verärgerten, weil sich in dieser jungen Seele das Kuddelmuddel abgesetzt hatte, das durch die Verfälschungen der Vermarktungsindustrie entsteht. Natürlich hat Santer nicht Winnetou erschossen, auch wenn das im Film wie neulich in SAt1 immer wieder behauptet wird. Über Post von echten Karl-May-Freunden freut sich: Sebastian Weyand, über e-mail zu erreichen: eds.weyand@t-online.de

-dSch

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Harald Mischnick

Rein literarisch zu sehen - oder:

Vom Umgang mit Archivalien und autobiographischen Texten

In den letzten Monaten hat eine sich ständig verschärfende Diskussion über den Wahrheitsgehalt von Äußerungen, die Karl May in seiner Autobiographie Mein Leben und Streben macht, eingesetzt, die in Versuchen gipfelte, dieses Buch als eine rein literarische Streitschrift einzuordnen, die wenig wirkliche Erlebnisse des Autors, und wenn, dann sehr beschönigend, enthalte. Teilweise wurde jede Zeile unter die Lupe genommen und deren Inhalt nach dem heutigen Stande der Wissenschaft beurteilt. Diese Art von Textsezierung hat oft den Charakter der Be-Urteilung verloren und ist zur Ver-Urteilung geworden. Man hat sogar die Behauptung aufgestellt, gewisse von May niedergeschriebene Lebenserinnerungen seien nur zur Überhöhung der eigenen Großartigkeit entstanden, oder aber um seinem unerbittlichen Gegner Lebius und dessen Verleumdungen mit eigener frisierter Vita Paroli zu bieten.

Solche Äußerungen kommen im Gewande seriöser wissenschaftlicher Ausarbeitungen daher, haben aber einen gewaltigen Hinkefuß, der möglicherweise den Autoren selbst entgangen ist, nämlich unzureichende Quellenheranziehung sowie deren Abwägung bei der Auswertung. Um einen Vorgang zu erforschen, der sich vor der Lebensspanne der allermeisten Jetztlebenden ereignet hat, muß man zuerst feststellen, ob er gravierend genug sein könnte, um irgendwelchen Niederschlag in Schriftzeugnissen gefunden zu haben. Je weiter man sich in die Vergangenheit zurückbewegt, umso mehr nehmen die Quellen ab. Außerdem muß man fähig sein, sich mit der Zeit zu beschäftigen, in der sich die interessierenden Ereignisse abspielten.

Ein Beispiel möge die Problematik verdeutlichen: Will man eine politische Willensbildung innerhalb des LDP-Kreisverbandes Chemnitz 1946 oder seinerzeit in Dresden oder sonstwo in der sowjetischen Besatzungszone erforschen, so kann ich, Schriftführer meines Parteiortsverbandes, in Dokumente Einsicht nehmen, die in Archiven lagern, beispielsweise offizielle Vorstandsprotokolle, und zur Meinung kommen, daß man damals den sowjetischen Kontrolleuren schon sehr willfährig gewesen sei. Sollten Beteiligte an der Sitzung nicht mehr befragbar sein, so könnte man sich damit zufriedengeben - und eine Halbwahrheit besserwisserisch in die Öffentlichkeit blasen. Offizielle Protokolle sind nämlich bis heute nicht einzig maßgebend. So kann ich als Schreiber meines Partei-Ortsverbandes wirklich nicht jeden Satz, der in einer Sitzung gesprochen wurde, im Protokoll verewigen, manchmal, weil er peinlich wäre, ein andermal, weil über eine geplante Aktion Stillschweigen vereinbart wurde und sie deswegen auch nicht in der Niederschrift erscheinen konnte, da diese auch Leuten zuging, die ihren Schweigstill nicht halten konnten.[1] Derlei Dinge stehen oft in den Handakten von Amtsträgern, die später in den Archiven landen - vorausgesetzt, der ordnende Archivar hält sie für erhaltenswürdig und weitet seinen pflichtschuldigen Kassationsvorschlag nicht von Unmengen Briefumschlägen auf ihm aus diesen oder jenen Gründen mißfallende oder unleserliche meist handschriftliche Notizen aus. Und niemand kann garantieren, daß sich bei späteren Umzügen ganzer Archive Teilbestände auf Nimmerwiedersehen verabschieden - oder ob kriegerische Auseinandersetzungen samt deren Folgen zu Verlusten führten. Hat im fiktiven Fall Chemnitz 1946 der Protokollant eine stenographische Notiz verfaßt, daß gewisse Äußerungen im kleinen Kreise abgesprochen wurden, bevor der zuhörende Sowjetbeobachter erschienen ist oder sein heimlicher, aber intern enttarnter, deutscher Zuträger, so sieht die Sache ganz anders aus.

In der laufenden Sezierung von Mein Leben und Streben sind schon allerlei Quellen bemüht worden, doch sind Zeugnisse, die aus dem Besuche von Archiven oder dem Studium von Ortschroniken und persönlichen Berichten von Zeitaugen entstanden sind, eher rar. Beispielsweise wird das von Karl May erwähnte, ins Jahr 1869 zu datierende Schadensfeuer entweder angezweifelt oder als Deckerinnerung aus psychischen Gründen angesehen, da man dieses nirgends lokalisieren konnte. Hat aber jemand sich darum bemüht, Akten der Polizei oder der Feuerwehr zu suchen, in denen über Probealarme, Übungen oder den sogenannten "heißen Abriß" berichtet wurde? Wenn das Feuer keinen fahrlässigen oder kriminellen Hintergrund hatte, sondern mit Zustimmung oder gar auf Anregung des Gebäudebesitzers gelegt worden ist, um den Ausbildungsstand der Beteiligten zu überprüfen und die Baulichkeit preiswert niederzulegen, so interessiert das keinen Chronisten und keinen Polizeianzeiger; davon berichtet höchstens mündliche Überlieferung, und was die Fama daraus macht, deren Plappermaul auch heute noch in kleineren Gemeinwesen aktiv ist, steht auf einem ganz anderen Blatte. Jemanden, der polizeilich gesucht wird und zufällig am Ort des Geschehens erscheint, kann das natürlich sehr berühren, da er ständig einer neuen Anschuldigung, ob berechtigt oder nicht oder gar böswillig, gewärtig sein muß.

Schon früher hat Plaul sich über Karl Mays ironischen Bericht vom Auszuge der Revolutionshelden 1848 mokiert und postuliert, diese hätten nicht für ihren König gekämpft, sondern gegen ihn. Zu DDR-Zeiten jedoch, als er seinen Artikel schrieb, hätte er sich aus politischen Gründen eine Bestätigung der königstreuen Aktivitäten nicht erlauben können und hatte über die angebliche antimonarchistische Wahrheit zu referieren. Das war Pflicht. Ortschronisten wurde auferlegt, die Hälfte ihrer geplanten Veröffentlichung der Arbeitergeschichte zu widmen. Ein mir persönlich bekannter, unterdes verstorbener Forscher wollte über einen jetzigen Leipziger Stadtteil schreiben, erfuhr von dieser Pflicht und meldete, Arbeitergeschichte habe nicht stattgefunden, woraufhin er die Anweisung erhielt, diese eben zu erfinden. Um nicht lügen zu müssen, wurde die Broschüre nie geschrieben. Dieses berichtete er mir in mehreren persönlichen Gesprächen. Die Braven von 1848, zumindest in Hohenstein, betreffend bedeutet das, daß Karl May durchaus die Wahrheit sagte und die Tätigkeiten einiger Akteure jener Zeit einen eher peinlichen Charakter hatten. Darüber äußert sich Otto Sebastian[2] ausführlich. Plaul hat sein Buch seinerzeit nicht ausgewertet, wobei man ihm zugutehalten muß, daß Sebastian eindeutig monarchiefreundlich eingestellt war, eine Haltung, die zu DDR-Zeiten in Veröffentlichungen natürlich nicht genehm und auch nicht unkommentiert zitierfähig gewesen wäre.

Eine Person, die in Mays Leben eine marginale Rolle gespielt hat, aber in einer Aussage vor Gericht genannt wurde, konnte bis heute nicht verifiziert werden, und zwar die Witwe Vogel im Jagdweg, bei der der junge Redakteur, der sich unerlaubt aus der Polizeiaufsicht abgesetzt hatte, seinerzeit Unterkunft gefunden hatte. Sie muß nicht fiktiv sein! Heute noch werden in Kleinstädten häufig Frauen, auch wenn sie längst wieder verwitwet oder geschieden sind, mit dem Geburtsnamen benannt. So könnte die Witwe Vogel eine Witwe geborene Vogel sein. Wer denkt da nicht an Mays Figur Jungfer Zeisig geborene Linde?

Mit vielen autobiographischen Aussagen tun sich heutige Forscher schwer. Besonders bis 1861 bestehen noch Lücken bei der Untermauerung von Mays Vita. Gerade erst ist seine Seminarzeit erfaßt, ja sogar in manchen Facetten bizarr überdokumentiert worden.[3] Schwierigkeiten bereiten die Kindheit und Jugend des Autors bis 1857. Ein generelles Problem ist die soziale Herkunft Karl Mays. Andere bekannte Schriftsteller, die ihre Lebenserinnerungen im Alter niederschrieben, entstammten sozial ungleich besser gestellten Schichten, in denen die Erstellung und Verbreitung von Schriftzeugnissen schon so Usus war, daß diese nicht als etwas Besonderes empfunden wurde. In der ärmlichen Herkunft hingegen war das Verfassen von Briefen sehr selten und die Schreibkünste, wenn überhaupt vorhanden, relativ unterentwickelt. Wie viele eigenhändig verfaßte Dokumente aus dem Weberelend in Hohenstein und Ernstthal, soweit sie die Zeit überdauerten, sind jenseits der Eingaben an Behörden aus dem privaten Bereich vorhanden?

Karl May schrieb, daß seine Familie nicht immer so arm wie in seiner Kindheit gewesen sei und daß sich die Familiensaga von gelehrten, reichen, weitgereisten Herren unter der Vorfahrenschaft erhalten habe.[4] Plaul vermerkt: "Von weitgereisten Herren hat sich freilich nichts feststellen lassen ..." und nennt "Reisen von Torgau nach Freiberg oder von Nordhausen nach Ernstthal" als einzig ermittelte Untermauerung von Mays Behauptung.[5] Er betrieb jedoch keine akribische Familienforschung, da ihm das durch ungerechtfertigte Angriffe auf die Genealogie im Allgemeinen sowie ihn persönlich einschließlich einer böswilligen Anschwärzung seiner Persönlichkeit bei der stets wachen DDR-Obrigkeit gründlich verleidet wurde. Dank der heutigen Forschungsmöglichkeiten und Zugänglichkeit von Dokumenten in Archiven konnten der gelehrte und weitgereiste Herr sowie sein reicher Schwiegersohn ausfindig gemacht werden. Ersterer, ein Pfarrer[6], war, um Theologie studieren zu können, aus seinem südosteuropäischen Heimatort jenseits der Grenzen der heutigen EU ins damalige Reich gekommen. Er war wohl von Haus aus vermögend, da er oft Gelder verleihen konnte. Seinen Schwiegersohn, der eine Tochter zweiter Ehe des Pfarrers heiratete, konnte er, da vorher gestorben, nicht mehr persönlich kennenlernen. Dieser war Weißgerber und stammte aus einer Stadt, die heute für ihr Starkbier bekannt ist. In seinem neuen städtischen Wirkungskreis nahe des einstigen Dienstortes seines Schwiegervaters kaufte und verkaufte er öfters Häuser. Er avancierte bald zum Ratsherrn, wurde dann auch Bürgermeister. Dazu verhalfen damals, mehr als heute, Ansehen, familiäre Bindungen und Vermögen, da beide Ehepartner eigentlich Stadtfremde waren.

Eine große Unbekannte ist die Abstammung von Mays Vater. Die Anstellung dessen Mutter, Mays Märchengroßmutter, in einem einsamen Forsthaus bei einem verwitweten Adligen ist bis heute nicht verifiziert worden, braucht aber nicht aus der Luft gegriffen sein. Dessen Dienstherr muß nicht unbedingt ein Schönburger Fürst gewesen sein; das sächsische Königshaus kommt genauso infrage. Nicht nur im schönburgischen Gesamtarchiv, das sich heute in Chemnitz befindet, müßte gesucht werden, sondern auch in sächsischen Forstsachen in Beständen der Ämter. Das Aktenmaterial zu diesem Komplex im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden soll umfangreich und weitgehend unaufgearbeitet sein. Wichtig wäre aber schon, herauszufinden, ob Dokumente betreffs der Einschulung von Mays Vater noch existieren, und unter welchem Namen er sein Schülerdasein begann. Erscheint er unter dem Namen jenes Mannes, der bei seiner Geburt die Vaterschaft abstritt und seinerzeit noch lebte[7], so ist die Unehelichkeit mehr als zweifelhaft geworden, denn das bedeutet eine Vaterschaftsanerkennung.

In letzter Zeit ist Mays frühe Kinderzeit in den Mittelpunkt der Diskussion geraten. Mangels schriftlicher anderweitiger Bestätigung ist sein Bericht über schwere Erkrankung und zeitweilige Erblindung im heutigen Kindergartenalter vehement in Zweifel gezogen worden. In seiner Doktorarbeit und einem Vortrag bei der letzten Tagung der Karl-May-Gesellschaft hat Zeilinger[8] diese prägende Erfahrung aus der Zeit vor der Ausbildung eines erinnerungsfähigen Bewußtsein des Kindes als eine spätere Erfindung des Autors zur eigenen Selbstverherrlichung bezeichnet. Zu den Quellen, die Zeilinger heranzieht, gehören in hohem Maße Statistiken und seinerzeitige Berichte in medizinischen Fachpublikationen. Vortrag und Dissertation geben einen überzeugenden Eindruck vom damaligen medizinischen Fachwissen sowie der Möglichkeit operativer Eingriffe zur Behebung schwerer körperlicher Schäden. Zeilinger geht jedoch davon aus, daß May eine schlimme, folgenreiche kindheitliche Augenerkrankung postulierte, die operativ geheilt worden sei. May spricht, jedoch nur von der Blindheit aus Unfähigkeit, die Augen zu öffnen, und einer schließlichen erfolgreichen Behandlung durch einen Spezialisten der Geburtshelferkunde. Von einem auffälligen Augenschaden samt einer bemerkenswerten Wunderheilung ist in der Autobiographie nicht die Rede!

Wie man durch Auswertung anderer Quellen aus dem gleichen Fachbereich zu ganz anderen Ergebnissen kommen kann, zeigen die Repliken des Australiers Dr. Thomas.[9] Von seiner Blindheit kann May kaum durch eigenes Erinnern gewußt haben, allenfalls durch Berichte seiner Eltern, der Großmutter und des Lieblingspatenonkels. Warum sollten sie gelogen haben? Die sezierende Forschung verlangt dafür Beweise in Form schriftlicher Unterlagen. Je nachdem, als wie außergewöhnlich damals die mißglückte oder erfolgreiche Behandlung eingestuft wurde, sind Archivalien entstanden. Wenn heute etwas nicht mehr vorhanden ist, spricht das nicht gegen dessen vormalige Existenz. Ein Beispiel möge das verdeutlichen: Im Jahre 1938 zitierte der verdienstvolle Heimatforscher Dr. Friedrich Hermann Löscher für die Familienchronik der Stollberger Buchdruckerei Keller ausführlich aus einem sehr frühen, Gerichtsbuch deren Heimatdorfes Gablenz.[10] Seit Kriegsende ist dieses wichtige Dokument[11] spurlos verschwunden. Man sucht danach, aber keiner behauptet, die in der Chronik zitierten Vorgänge seien vom Autor des Buches erfunden worden. Quellenverlust ist ein immer bestehendes Problem. Für Mays frühkindliche Blindheit dient bisher seine autobiographische Aussage als einziger Beweis. Befremden muß das Bestreben, jede auch nur denkbare schriftliche Mitteilung Mays aus seinem Leben anzuzweifeln. Ob sich Nachlässe einfacher Mediziner des vorigen Jahrhunderts bei deren Nachkommen oder in kommunalen oder fachlichen Archiven en Masse erhalten haben, ist zu bezweifeln. Die Frage stellt sich, ob die Herren Doctores nach jeglicher Behandlung ausführliche Niederschriften angelegt haben. Weiterhin müssen wir uns fragen, in welchen Rahmen die Behandlung eines kranken Kindes bei anerkannten Kapazitäten sich in der Erinnerung niederschlug und in welchem Umfang deren Verschriftlichung erfolgte. Aktenmaterial kann auf ganz unterschiedliche Weise entstehen, zugeordnet und überliefert werden. Wurde das kranke Kind einer Hebammenschülerin behandelt, so muß zuerst festgestellt werden, ob hier ein Sonderfall vorlag oder ob dieses Regel war, indem die künftigen Geburtshelferinnen, die wohl schon allesamt selbst geboren hatten, aufgefordert wurden, eigene Erfahrungen zu berichten sowie über Krankheitserscheinungen ihrer Kinder, die sie Problemen bei der Geburt zuschreiben könnten. In beispielhaften oder schwierigen Fällen, aus denen die Schülerinnen wohl hätten zu lernen vermögen, wird die Vorführung des kranken Kindes angeregt worden sein. Mays Mutter ist im Abschlußzeugnis ihres Lehrgangs die beste Note zuerkannt worden, die nicht allein ihrem fleißigen Zuhören zu verdanken sein dürfte, sondern auch ihrer Lernfähigkeit, in die auch Schlußfolgerungen für ihre künftige Tätigkeit aus den Lehren der erfolgreichen Behandlung ihres kranken Knaben eingeflossen sein können. Notizen über einen solchen Vorgang mögen eventuell sehr allgemein gehalten sein. Als deren Fundort kämen Akten der Hebammenschule, der Gesamtakademie[12] oder des Bestandes der Leitung genauso infrage wie persönliche Notizen Grensers innerhalb seines beruflichen oder auch seines ganz persönlichen privaten Nachlasses, dessen Verbleib zu erforschen wäre. Untersucht müßte weiterhin werden, ob eine erfolgreiche Behandlung eines kranken Kindes in der Fremde ein schriftliches Echo in dessen Heimat hatte. Das ist zu bezweifeln, wenn ein Kind noch nicht völlig gesund, sondern erst im Heilungsprozesse begriffen, zurückkehrte,  nicht allzu lang ortsfern und eines von vielen kranken Kindern der sozial Tiefergestellten in der Heimat war. Eine reine Auswertung von Statistiken und sporadischen Veröffentlichungen von Untersuchungsergebnissen durch Kapazitäten kann nicht als vollgültige Recherche in einem Problemfall angesehen werden.

Unterlagen zu Karl Mays Kindheit insgesamt dürfen nicht allein in schönburgischen und sächsischen Quellen gesucht werden. Auch kirchliche Quellen müssen herangezogen werden. Die Trennung von Kirche und Staat war noch nicht vollzogen. Für Geburt, Trauung und Tod waren zur Beurkundung allein die Pfarreien zuständig; Standesämter existieren erst seit 1876, und zu Karl Mays Kinderzeit hatte die Kirche das Recht und die Pflicht, sich in schulische Dinge einzumischen. Damals konnten Lehrer im weiteren beruflichen Werdegang noch zum Pfarrer avancieren.

Heute haben wir unendlich viele Möglichkeiten, jegliche Ereignisse für die Nachwelt zu dokumentieren. In Mays Kinder- und Jugendzeit standen nur Papier und Feder zur Verfügung; die Photographie stand in ihren Anfängen, Portraitaufnahmen waren eher selten und bewegte Bilder festzuhalten extrem schwierig. Im Jahre 1855 kam erstmalig ein Photograph nach Hohenstein; sein Erscheinen galt als Sensation und wurde für die Nachwelt dokumentarisch festgehalten. Damals stand fast nur die Handschrift zum Festhalten eines Ereignisses für die Nachwelt zur Verfügung, in einer Zeit, als das Analphabetentum noch weit verbreitet war und viele Ältere gerade einmal ihren vollen Namen schreiben konnten. In letzter Zeit hat das, was auf Neudeutsch Oral History heißt, also das Festhalten mündlicher Erinnerungen aus der Vergangenheit der älteren Leute, unter Fachleuten zunehmend Befürworter gefunden. Diese Dokumente werden transkribiert und archiviert, obwohl beziehungsweise gerade weil häufig für die referierten Erlebnisse schriftliche Belege fehlen, weil sie nie erstellt wurden oder verlorengingen. Für die gnadenlosen Autobiographiesezierer kommt deren Anerkennung natürlich nicht infrage, da anscheinend ihrer Meinung nach jede Bewegung im Leben eines Menschen mehrfach bezeugt und beurkundet sein muß, Orwell, Gestapo, Stasi und ihre Entsprechungen lassen freundlich grüßen!

Auch für Karl May hat der allgemeine deutsche Rechtsgrundsatz zu gelten: In dubio pro reo! Beim Vergleich vieler Aussagen mit der Realität fällt auf, daß er sich in seiner ersten Lebenshälfte in der Datierung seiner Erinnerungen oft um ein Jahr vertan hat. Die Ereignisse selbst haben allerdings stattgefunden. Wenn er nun schreibt, er habe eine Auslandsreise unternommen, so hat man sich nach der zu seinen Lebzeiten geltenden Bedeutung des Begriffes zu richten. Wie gut er sich an Einzelheiten seiner Straftaten erinnert hat, können wir schwerlich nachvollziehen, da keiner von uns weiß, wie sehr im Alter sein Gedächtnis nachlassen könnte. Auffällig ist sein Schweigen über seine früheren Liebschaften, jedoch ließ man sich seinerzeit bei ganz anderen Moralbegriffen nicht ellenlang darüber aus. Außerdem hätten solche Berichte Lebius wieder Möglichkeiten zu neuen Geifereien gegeben.

Wer sich heute mit Karl May beschäftigt beziehungsweise sein Werk propagiert, darf dieses nicht auf eine Facette eindampfen oder gar sein Werk stromlinienförmig darauf ausrichten. Nur wer ihn als Jugendschriftsteller propagieren will, wird sich über erotische Szenen in seinen Münchmeyer-Romanen[13] in deren Fassung vor der Jahrhundertwende aufregen und sie als unsittlich bezeichnen. Als ob sie in einer Zeit die deutsche Jugend verderben könnten, in der fast Tag für Tag auf der Titelseite eines sattsam bekannten deutschen Massenblattes blanke Milchdrüsen und mehr prangert! Wer will oder kann die angeblich so unschuldigen Kinderlein davor schützen? Die Glotze betrommelt das Publikum ja auch reichlich mit bewegten Bildern teils obszönster Sorte. Und dann wird an Karl May herumgemäkelt, er habe angeblich unsittlich geschrieben?!

Leider ist heute verbreitet die Unsitte zur Manie geworden, denkmalwürdige große Deutsche erbarmungslos in ihrem Ansehen zu schädigen und zu demontieren, denn das bringt Schlagzeilen und macht kleine Lichterlein groß, eben weil sie ein Denkmal gestürzt haben, auch wenn sie ansonsten keinerlei Qualifikationen vorzuweisen haben!

Karl May wird vorgeworfen, seine Lebenserinnerungen in den Dienst seiner zeitweiligen Großmannssucht gestellt und prägende Kindheitserlebnisse zum Heil der eigenen Größe erfunden zu haben. Dieser Vorwurf ist ungeheuerlich! Man verwechsle seine gegenüber gewissen Leuten im Alter gezeigte Arroganz bitte nicht mit Großmannssucht! Als er erstmalig von Blindheit und deren Behandlung schrieb, war er noch ein winziges Lichtlein am deutschen Schriftstellerhimmel, der Name Old Shatterhand noch nicht erfunden, und als er seine Autobiographie verfaßte, die großspurigen Auftritte als Old Shatterhand aus seiner Lebensführung gemäß eigenem Willen und freiwillig verbannt. Wer um der Erlangung eines Titels oder akademischen Grades willen mit anzweifelbaren Thesen und ungenügender Archivrecherche an die Öffentlichkeit tritt, darf sich nicht wundern, wenn ihm anschließend gewisse Fragen zu seinen eigenen Denkstrukturen gestellt werden! Kritik, die förderlich sein kann, ist immer angebracht, nicht aber im Gewande der Kritik dargebrachte Rufschädigung! Dagegen muß man sich namens des Toten, der nicht mehr mit einer Replik antworten kann, verwahren!

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Anmerkungen

[1] Zugespitzt behauptet kannte das bedeuten, daß ein späterer Erforschen des Vorgangs, von dem er gehört hat, darüber nichts Schriftliches in den Parteiakten findet, keine weiteren Unterlagen anderer Institutionen einsieht und dann postuliert, diese Aktion habe nie stattgefunden, da in denn Parteiakten nicht festgehalten. So etwas ist, drastisch ausgedrückt, Billigheimerei.

[2] 'Entstehung und Entwicklung der Bergstadt Hohenstein'. Zusammengestellt und herausgegeben von Oberlehrer Otto Sebastian, zweite vervollständigte Auflage. Verlag des Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger 1927, S. 160ff., insbesondere S. 164. Die als peinlich einstufbaren Ereignisse spielten sich im März 1849 ab. So wurde in einer Versammlung eine Resolution des Inhalts verabschiedet: "Der Stadtrat solle dafür sorgen, daß der Handel mit Rußland wieder offen werde." (Sebastian, a.a.O., S. 160) - Ein Ausmarsch von je 65 antimonarchistischen "Freischärlern" und Turnern aus Hohenstein gen Dresden im Mai 1849 hat tatsächlich stattgefunden: "Voran schritt als wackerer Tambour der Weber, auch Scheunenbrenner, Senf." (Sebastian, a.a.O., S. 164). Die Kommunalgarde blieb im Orte.

[3] Gemeint ist hier Grafs Untersuchung 'Lektüre und Onanie · Das Beispiel des jungen Karl May, sein Aufenthalt auf dem Seminar in Plauen (1860/61) - und die Früchte der Phantasie'. In Jb-KMG 1998, Husum 1998, S. 84ff.

[4] Karl May: Mein Leben und Streben, Freiburg [1910], S. 21.

[5] Hainer Plaul: Ererbte Imagination · Über drei schriftstellerische Stammverwandte Karl Mays. In Jb-KMG 1981, Hamburg 1981, S. 227ff., hier speziell S. 228. Die Ergebnisse seiner als Laie zusammen mit dem Ephoralhistoriker und engagierten Familienforscher Karl Streller angestellten Untersuchungen, wegen deren Veröffentlichung er seitens eines Einzelnen übelst diskreditiert wurde, sind als genealogisch hochwertig einzustufen und konnten unterdes von mir umfassend weitergeführt werden.

[6] Eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse sowohl innerhalb einer Fachpublikation als auch im Schrifttum der Karl-May-Gesellschaft ist vorgesehen. Zu den männlichen Nachfahren des Pfarrers zählten im 17. Jahrhundert viele Schulmeister.

[7] Christian Friedrich May (1779-1818), Weber in Hohenstein.

[8]  Vgl. Johannes Zeilinger: AUTOR IN FABULA - Karl Mays Psychopathologie und die Bedeutung der Medizin in seinem Orientzyklus, Med. Dissertation, Leipzig 1999.

[9] Dr. William E. Thomas: Karl Mays Blindheit II  /  Karl May & Rachitis

[10] Löscher, Dr. Friedrich Hermann: "Sippe Keller und das Unternehmen E. F. Kellers Witwe", Stollberg 1938. Unterdes hat sich herausgestellt, daß diese Keller gar nicht aus Gablenz, Kreis Stollberg, stammten, sondern aus dem benachbarten Oberdorf. Die Geschichte der Gablenzer Keller auf dem 'Stammgut' bis 1715 ist korrekt dargestellt; bei der Rückverfolgung der Stollberger Keller-Sippe ist im Traubuch Stollberg ein Eintrag überlesen worden. Auch zu diesem Thema plane ich eine Veröffentlichung  in einer der Fachzeitschriften. - Merkwürdig ist, daß die Familiennamen der beiden schurkischen Müller und Brandstifter in Der Weg zum Glück, Clauß und Keller(mann), nicht nur die alter Müllersippen rund um Stollberg sowie in Reinsdorf bei Zwickau sind, sondern daß Namensträger aus diesen Familien auch zu Karl Mays Vorfahren zählen! Interessanterweise hieß ein Beteiligter der Ereignisse des April 1849, der in Hohenstein mit einer Mordbrennerdrohung hausieren ging, Conrad Clauß!

[11] GB Grablenz 1507-1544. Laut Löscher befand sich dieses im Gemeindearchiv. Nach Zetteln, die im Jahre 1930 vonseiten der Gemeindeverwaltung in drei seinerzeit eingerichtete Sammelaktenbände für alte Dokumente eingeklebt wurden, waren jedoch seinerzeit im Archiv keine vor 1546 datierbare Archivalien gefunden worden

[12] Diese samt ihren Nachfolgeinstitutionen befand sich im Kurländer Palais, das beim Bombenangriff am 13. 2.1945 bis auf die Außenmauern und wenige Innenwände zerstört wurde. Ob das Archivmaterial dieser Institution noch darin lagerte oder, zumindest ältere Bestände, längst an das Sächsische Hauptstaatsarchiv abgegeben worden war, kann vermutlich noch geklärt werden. Die Bezeichnungen der Akademie wechselten mehrfach. Um 1895 hieß sie "Königlich Sächsisches Medicinal-Collegium". Der persönliche Nachlaß von Grenser scheint sich nicht im Sächsischen Hauptstaatsarchiv zu befinden.

[13] Zu Zeiten von Lebius und Cardauns herrschte bei den Kritikastern große Aufregung darüber, daß May durchsichtige und enganliegende Frauengewänder beschrieb. Dem entgegengestellt seien zwei Zitate aus: Milde, Karoline S. J., 'Der deutschen Jungfrau Wesen und Wirken', Leipzig 1888, Erstens S. 275: "Kleidsamer und gut sitzender Schnitt, der sich der Figur ebenmäßig anschließt, ohne sie in ihren Formen zu beengen, ist Hauptbedingniß." Zweitens S. 278: "Der Ballanzug sei luftig und duftig und – weil er einmal vergänglich und der flüchtigen Stunde dient – so sollte die weiße Farbe, der durchsichtige Stoff und die leichte Garnirung von bunten Bändern und Blumen den Vorzug haben."

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Aus dem Internet gefischt

Inzwischen erfahren wir fast mehr im Internet über Karl May als in den ‘normalen’ (gedruckten) Publikationsmedien. Es wäre keine Mühe, den Stoff für mehrere Hefte aus dem Internet zu fischen. Wir dokumentieren aber nur gelegentlich einige Fundstücke und überlassen es lieber den Mitgliedern, ob sie sich dem ‘Websurfing’ anschließen wollen. Vielleicht lohnt es sich - wir verstehen sonst eines Tages unsere Kinder nicht mehr! Viele Tageszeitungen setzen ihre Texte zusätzlich (teilweise) ins Internet: so stand in der Berliner Morgenpost Sonntag, 07. Mai 2000, http://www.berliner-morgenpost.de/bm/inhalt/heute/feuilleton/story57882.html> zu lesen:

Hammelfett im Bart

Ein Ave Maria für Winnetou

Natürlich weiß inzwischen jeder, dass Karl May kein Globetrotter war, sondern seine ethnografischen Romane am Radebeuler Schreibtisch montierte. Trotzdem hat der aus dem Erzgebirge stammende Wildwest- und Orient-Romancier 90 Millionen Leser weltweit und so unterschiedliche Verehrer wie Theodor Heuss und Arno Schmidt.

Solches und anderes steht geschrieben im «Karl-May-ABC» des Leipziger Reclam Verlages, das ein hoch amüsantes, schillerndes Panorama der Karl Mayschen Welten entwirft. Knapp 30 Gäste haben sich an diesem warmen Frühlingsabend nach Dahlem verirrt, um im Rahmen der Ausstellung «Indianer Nordamerikas - Vom Mythos zur Moderne» im Ethnologischen Museum einer Lesung beizuwohnen, die in ihrem Verlauf auch mit Karl May, dem Komponisten, bekannt machen sollte. Das «Karl-May-ABC» ist allerdings nicht wirklich ein Nachschlagewerk. Die meisten Suchwörter sind so verrückt, dass es niemandem in den Sinn käme, danach zu suchen. «Leichenhandschuhe» etwa oder «Quimbo». Unter «Trabi» findet sich eine DDR-Zeitungsannonce, in welcher jemand 51 May-Bände für einen Trabant 601 bietet. Und bei «Duden» erfährt man, dass es der Name Winnetou bis in den Mannheimer Duden schaffte - eine sprachwissenschaftliche Adelung, derer sich sonst nur noch Goethes «Werther» erfreut.

Gudrun Schury und Rolf-Bernhard Essig lesen diese und andere Einträge ironisch unterkühlt, wohl akzentuiert und werfen sich in den einzelnen Passagen routiniert die Bälle zu. Dass die beiden Wahl-Bamberger ihren Gegenstand lieben, merkt man spätestens beim mit Abstand längsten Kurztext (Stichwort «Bamberg»), der von den schlimmen Verunstaltungen handelt, denen das Werk Karl Mays zwischen den dunkelgrünen Buchdeckeln des Bamberger Verlages ausgesetzt wurde. Allein Winnetou I erlitt rund 11.000 Veränderungen gegenüber dem Originalmanuskript und ist doch nur ein Fall von unzähligen, in denen Mays Texte «umgestellt, geändert, ergänzt, verkürzt, eingedeutscht, getönt und umgebildet» wurden. Man spürt förmlich das Mitleid der Schreibkollegen Essig und Schury.

Nach 40 Minuten unterbrechen die beiden Autoren ihren Stakkato-Vortrag und bitten den Wilmersdorfer Kammerchor nach vorn. Die große Überraschung: Karl May war nicht nur ein Mann der Feder, sondern auch der Akkorde. Für sein Buch Winnetou III (hier stirbt der Apachenhäuptling in den Armen Old Shatterhands) komponierte er ein Ave Maria «für gemischten Chor, sehr langsam und innig.» Während nun Frau Schury die entsprechenden Textpassagen aus dem Winnetou-Band vorliest, intoniert der Chor nacheinander die drei Strophen. Das passiert so ernst und würdevoll, dass man fast ein Tränchen vergießen könnte, enthielte das Stück nicht Zeilen wie diese: «Das Gottvertraun der Jugend Zeiten, es soll mir abgestohlen sein. Die Seele will die Schwingen breiten, es muss, es muss gestorben sein.»

Nach diesem originellen Intermezzo spinnen die Autoren noch mal für knapp 20 Minuten ihr Garn. Von dem italienischen Film «Cinema Paradiso» ließen sie sich inspirieren, 18 deftige Kuss-Szenen aus den May-Büchern zu versammeln. Da knutscht Kara Ben Nemsi Hadschi Halef Omar, Winnetou Old Shatterhand, Hatatitla Old Shatterhand, dieser sein Pferd Swallow und stets ist eine große Menge Hammelfett im Bart. Nach Wissenswertem über die «Muhrenleni» und das «Juchheirassasa!» lassen die beiden May-Kundler den Abend dann mit einem Original-Zitat aus Old Surehand III stilsicher ausklingen: «Diese Geschichte muss ein Ende nehmen. Ich habe das ewige Anschleichen satt.» Ivo Mailand

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Buchbesprechung

"Rettung des verrißnen Karl May"

"Der Begriff der Rettung gehört zu den zentralen Kategorien in Benjamins Denken". Heinrich Kaulen, der mit seiner Arbeit "Rettung und Destruktion. Untersuchungen zur Hermeneutik Walter Benjamins (Tübingen 1987) schon eine tiefgehende Untersuchung zu dem Themenkreis vorgelegt hat, hat jetzt in dem zweibändigen Sammelband "Benjamins Begriffe" (Frankfurt a.M. 2000, suhrkamp 2048) den "Lexikon"-Artikel zum Begriff "Rettung" verfaßt. Er ist für uns in unserem Zusammenhang deswegen von besonderem Interesse, weil Kaulen zeigt, wie Benjamin als "Statthalter (und Wegbereiter) einer verständigeren Nachwelt" in seiner Eigenschaft als Kritiker fungiert und damit zugleich ein Modell für "rettende Kritik" vorlegt. "Die Parallelen zu Benjamins Konzeption der Rezeptionskritik, die, ohne den Glauben des deutschen Aufklärers an eine gütige Vorsehung zu teilen, in der geschichtsphilosophischen Perspektive der ausstehenden Befreiung des Vergangenen gründet, und zu seiner literarischen Praxis, die sich immer wieder darum bemüht, vergessene oder falsch beurteilte Objekte der Tradition in ein neues Licht zu rücken, liegen auf der Hand" (S. 627). Mit dem Aufklärer ist Lessing gemeint, auf dessen "Rettung" (1753/54) Kaulen verweist, weil Lessing hier zum Dogma geronnene Fehlurteile über Schriftsteller und Gelehrte zu widerlegen trachtete. In diesem Kontext kommt Kaulen auch auf Benjamins Haltung zu Karl May zu sprechen: "Wenn Benjamin etwa in einem Rundfunkbeitrag davon spricht, "daß der tiefer Blickende gerade in den Niederungen des Schrift- und Bildwerks die Elemente findet, die er in den anerkannten Kulturdokumenten vergeblich sucht, und als Beispiel "die Rettung des verrißnen Karl May" durch Ernst Bloch nennt (VII/1, 256), dann hat er exakt jenen literarischen Typus der "Rettung" im Blick, der seine erste wichtige Ausprägung in der Literaturkritik des 18. Jahrhunderts gefunden hat (S. 627). So spanne sich, wie Kaulen ausführt, der Bogen zwischen den Versuchen des 18. Jahrhunderts, verkannte oder mißachtete Traditionsbestände für die Erinnerung in Form einer "Rettung" wiederzugewinnen, und Benjamins Programm einer kritischen Revision der Überlieferungsgeschichte, das sich in der Hinwendung zu scheinbaren Randfiguren der Tradition ebenso niederschlage wie in der Umwertung fälschlich abgewerteter Kunstformen oder in dem Versuch, dem in der Gegenwart vergessenen Teil des bürgerlichen Erbes im "Eingedenken" die Treue zu bewahren. Der Begriff der Rettung begegnet uns somit in Benjamins Werk nicht nur als epistemologischer Begriff oder philosophisch-eschatologisch, sondern als literaturgeschichtliche Kategorie zur Charakterisierung "einer bestimmten Genres der Literaturkritik" (S. 629) mit dem Ziel der Neubewertung und Reaktualisierung "gänzlich übersehener oder auf problematische Weise rezipierter Traditionsbestände". Der Artikel verweist schließlich auch darauf, daß Ernst Bloch seinerseits wiederum mehr oder weniger offen dem Benjaminschen Gedanken der Rettung verpflichtet war in Studien auf der Suche nach "Spuren des utopischen Vorscheins in Epiphänomenen der Realität" (S. 662), in denen zu einer kritischen Dechiffrierung des Alltagslebens der bürgerlichen Gesellschaft" angesetzt wird.

Der exzellente, hier nicht auszuschöpfende lexikonartige Sammelband, herausgegeben von den ausgewiesenen Benjamin-Spezialisten Michael Opitz und Erdmut Wizisla (2 Bände) entfaltet die Entwicklung der Benjaminschen Begriffswelt wie z.B. Allegorie, Aura, Passagen, Revolution, Eros, Erzählen, Geschichte, Kunstwerk, Schicksal, Sprache, Theologie u.a. Auf die übrigen wichtigen Darstellungen von Kennern der Begriffswelt dieses bedeutenden Philosophen und Literaturkritikers kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.

Benjamins Begriffe, hrsgg. von Michael Opitz und Erdmut Wizisla, 2 Bände, Frankfurt a.M.: suhrkamp 2000. 853 S. DM 39,90.

Albrecht Götz von Olenhusen, Freiburg i. Br

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Engelbert Botschen

Karl May in Winterberg

Karl May im Sauerland ja oder nein? Das hatte schon Dieter Sudhoff (KMG-N 115 S. 28ff.) gefragt und einen möglichen Besuch Winkhausen (Schmallenberg) untersucht, letztlich aber die Entscheidung offen gelassen. Bei einem Besuch im blitzsauberen Sauerlandstädchen Winterberg im Rothaargebirge staunte der Redakteur daher nicht schlecht, als er auf der Suche nach einem guten Mittagsimbiß auf die Ankündigung einer Hausplatte "Karl May" stieß.

Das Rothaargebirge ist mit seinen starken, im Winter als Schnee fallenden Niederschlägen ein beliebtes Wintersportgebiet für das dicht besiedelte Ruhr- und Rheingebiet. Hauptort und Zentrum vor allem für den Wintersport ist Winterberg. Eine große Sprungschanze und vor allem die weitbekannte Bobbahn haben den Ort bekannt gemacht.

Aber Karl May?

Das gemütliche Lokal machte einen anheimelnden Eindruck, vor allem aber weckte ein Schild "Karl May-Stuben" das Interesse. Sie lagen eine Treppe hoch, hell und freundlich - und die ausliegende Speisekarte wies noch weitere "Karl-May-Gerichte" aus. Die Wißbegier war gewachsen, da wurde die freundliche Wirtin um Auskunft gebeten.

Ja, es gab einen "Karl May" - und indirekt hatte er auch mit ‘unserem May’ zu tun, obwohl er weder ein Namensvetter noch ein Doppelgänger war:

Der Bäckermeister Willi Engemann, aus einer alten Winterberger Bäckerfamilie stammend, gründete im Jahre 1921 zusammen mit Frau Anna eine Bäckerei, die 1955 durch Aus - und Anbauten zu einer Gastwirtschaft mit Café vergrößert wurde, die noch heute seinen Namen trägt. Er hatte ein besonderes erzählerisches Talent, ‘Lügengeschichten’ zu erfinden, und das brachte ihm den Namen "Karl May" ein. Dieser Hausname ist auch heute noch im ganzen Sauerland bekannt. Inzwischen leitet die dritte Generation das Haus und pflegt den Ruf einer guten Küche.

Zwar ist damit die Frage, ob Karl May einst auch im Sauerland war, noch immer nicht entschieden, sein Name allerdings ist auch heute dort sehr bekannt. Vielleicht besuchen Sie einmal die Karl May Stube in Winterberg! - Und Elspe ist nicht sehr weit.

Pressespiegel

Winnetou und ein Ave Maria - Berliner Morgenpost 7.5.00: Knapp 30 Gäste haben sich an diesem warmen Frühlingsabend nach Dahlem verirrt, um im Rahmen der Ausstellung "Indianer Nordamerikas - Vom Mythos zur Moderne" im Ethnologischen Museum einer Lesung beizuwohnen, die in ihrem Verlauf auch mit Karl May, dem Komponisten bekannt machen sollte. Das "Karl-May-ABC" ist allerdings nicht wirklich ein Nachschlagewerk. Die meisten Suchwörter sind so verrückt, dass es niemandem in den Sinn käme, danach zu suchen. Ein ernsthafter Karl-May-Forscher würde ihr Buch natürlich strikt von sich weisen.

Kunst bei Old Shatterhand - Reutlinger General-Anzeiger 6.4.00: Zwei Ausstellungen eröffnet die städtische Kunstgalerie in der Eberhardstrasse 14 (neben der Hauptpost) am Sonntag, 9. April, um 11 Uhr. "Villa Shatterhand" ist der Titel der Ausstellung von Jess Walter (bis 30. Juli im ersten Obergeschoss der Galerie).

Freie Presse Chemnitz 8./9.4.00: Frankfurter Schau mit Chemnitzer Bildern. "Die Glut" von Sascha Schneider aus dem Bestand der Chemnitzer Kunstsammlungen nimmt einen zentralen Platz in der Frankfurter Symbolismus-Schau ein. Der Dresdner Künstler malte es 1904 im Auftrag eines Industriellen für ein Sport- und Kulturhaus an der Kriebsteintalsperre. Bekannt ist Schneider auch für seine Titelbilder zu den Werken Karl Mays.

Karl-May-Dreier - Freie Presse 19.5.00: Die Fans werden hin- und hergerissen. Die Region hat es tatsächlich geschafft, die Karl-May-Fans zu spalten, ähnlich wie es den nordamerikanischen Indianerstämmen im 19. Jahrhundert erging. Die Freunde des Abenteuerschriftstellers, des "genialen Spinners aus Hohenstein-Ernstthal" (Herrmann Kant), sind an diesem Wochenende hin- und hergerissen. So viel Karl May auf einmal kriegen sie wohl nie wieder geboten: Das Karl-May-Fest auf dem Ernstthaler Neumarkt, die Saisoneröffnung im "Indian Village" mit Westernkiosk am Stausee Oberwald und die Premieren von "Winnetou I" "Im Zauberreich Karl Mays", das im Grünfelder Park in Waldenburg seine Pforten öffnet.

Winnetou reitet gegen König Fussball - AZ München 8.6.00: Gute Zeiten für die Öffentlichen: ZDF-Sportchef Wolf-Dieter Poschmann rechnet mit "Einschaltquoten um die 20 Millionen Zuschauer". "Gegen den rollenden Ball haben wir keine Chance", beurteilt Nicole Mattig-Fabian von Sat 1 die Lage. Genau wie Pro Sieben packt der Sender keine teuren Eigenproduktionen aus, um der EM Zuschauer abzuzwacken. So zeigt Sat 1 etwa zum x-ten Mal den Klassiker "Winnetou 1" (1963).

War Kalkberg GmbH unterversichert? - Segeberger Nachrichten 1.6.00: Für die Provinzial-Versicherung ist der Fall klar: Sie will die 600 000 Mark, die die Kalkberg GmbH bei der Versicherung als Anspruch angemeldet hat, nicht zahlen. Ute Thienel, jetzt Geschäftsführerin der GmbH, möchte keine öffentliche Diskussion. Der künstliche Felsen sei ein "kritischer Punkt" in den Gesprächen mit der Assekuranz. War er denn versichert? Thienel: "Darüber wird diskutiert".

Ehrenhäuptling "Direkter Draht"- Segeberger Nachrichten 4.6.00: Beim Empfang zu seinem 50. Geburtstag kündigte Georg Gorrissen vor über 150 Gästen gestern an, dass er anstrebe, auch nach der Wahl in zwei Jahren Landrat zu bleiben. Auch bei den Indianern hat Gorrissen einen Stein im Brett. Sie kürten ihn zum Ehrenhäuptling "Direkter Draht". Eine Anspielung auf die schnelle Hilfe Gorrissens bei dem Kulissenbrand in vergangenen Jahr, der fast das Aus für die Karl-May-Spiele bedeutet hätte.

Neuer Film über Radebeul - Stadtspiegel 4.6.00: "Radebeul - Lebensart zwischen Tradition und Hightech". So heisst Radebeuls neuester Streifen. Der Imagefilm über die Lößnitzstadt wurde pünklich zum Karl-May-Fest fertig und ist für 19,90 DM seit gestern erhältlich. Der 39-Minuten-Film beschreibt dabei die Lößnitzstadt über alle vier Jahreszeiten.

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Jörg Weigand

Klaus Dill, der beste deutsche Westernmaler,
ist tot

Im Jahre 1992 von der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ als »der beste deutsche Westernmaler« tituliert und 1997 während der ›Nacht der Stars‹ wegen seiner Verdienste um die Filmplakatkunst mit dem ›Filmband in Gold‹ des Bundesinnenministers ausgezeichnet, hatte Klaus Dill erst spät jene offizielle und öffentliche Anerkennung gefunden, die ihm so lange versagt geblieben war. Nun ist er am 19. Februar diesen Jahres in einer Frankfurter Klinik im Alter von 77 Jahren verstorben.

Klaus Dill, geboren am 6. Oktober 1922 in Neustadt an der Haardt (heute: an der Weinstraße), ist ein Neffe des Impressionisten Otto Dill, der wegen seiner Fähigkeiten, dramatische Handlungsabläufe von und mit Tieren besonders überzeugend darzustellen, auch »Löwen«- und »Pferde«-Dill genannt wurde. Eifersüchteleien des älteren, insbesondere aber von dessen Ehefrau, verhinderten, daß es zu einer Förderung des einen durch den anderen kam. Mit 17 Jahren begann Klaus Dill an der Städel’schen Schule zu Frankfurt am Main sein Kunststudium, das 1941 durch die Einberufung zum Arbeitsdienst jäh unterbrochen wurde. Den Krieg überlebte er, nach kurzem Fronteinsatz in Rußland, als Kartenzeichner eines Artilleriekorps. Als er 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte, stand er wie Millionen andere vor dem Nichts, hatte aber darüber hinaus acht Jahre künstlerischer Entwicklung verloren. Dill nahm sein Studium sofort wieder auf und besuchte die damalige Werkkunstschule in Offenbach, die heutige Hochschule für Gestaltung. In jene Studienzeit fallen die ersten Aufträge für Film und Buch. 1952 entstand das erste Filmplakat, für den Paramount-Western ›In Rache vereint‹ mit Wendell Corey und Macdonald Carey; außerdem entstanden unter anderem Plakate für die Wiederaufführung des Universal-Films ›Im Westen nichts Neues‹ (Erstaufführung 1930) und das Johnny-Weismüller-Abenteuer ›Hölle am Kongo‹ (Columbia).

Klaus Dill lernte zu jener Zeit den Autor Joachim Heinrich Rennau kennen, geboren 1919 in Berlin und damals wohnhaft in Frankfurt am Main, der einer der Hauptautoren der Westernserien ›Billy Jenkins‹ und ›Tom Prox‹ war. Diese Heftromanserien wie auch die Jugendserie ›Pete‹ erschienen im Uta-Verlag und erhielten bald ergänzende Buchausgaben, die vor allem für gewerbliche Leihbüchereien hergestellt wurden. Rennau, der diese Romane unter seinem Pseudonym »Rolf Randall« veröffentlichte, vermittelte Dill an den Uta-Verlag. In der Folge schuf Dill eine ganze Reihe von Schutzumschlägen für die Buchausgaben und zeichnete auch Titel für ›Pete – Zeitschrift für die Jugend‹, deren Stories in der Regel ebenfalls einen Western-Hintergrund hatten. Nach diesem ersten Schritt hinein in den Leihbuchmarkt folgten weitere Aufträge von anderen Verlagen; Dill schuf Cover für Autoren wie H. C. Nagel, Jim Allison (d.i. Bernhard Bömke, geboren 1921, als Westernautor besser bekannt als »Larry Lash«, »L. S. Ranger«, »King Keene« u. a.), Ax Arex und Tom Hardy (richtige Namen beider Autoren unbekannt). Insgesamt hat Klaus Dill auf diese Weise an die 120 Westernromane im Leihbuch optisch umgesetzt. Dabei kannte Dill die Romane nicht, vielmehr gab es eine kurze Inhaltsskizze in zwei, drei Zeilen von seiten des Verlages, an die sich der Maler bei der Covergestaltung zu halten hatte. Bei den ›Tom Prox‹-Bänden gab es, nach Dills Erinnerung, auch Szenenbeschreibungen vom Autor Rennau. Später ist Klaus Dill noch einmal auf das Westerncover zurückgekommen, als der Münchener Franz Schneider (Jugendbuch-)Verlag eine Reihe von Zane-Grey-Western veröffentlichte, für die Dill 1960/70 die Titelbildgestaltung verantwortete.

Bei den Leihbuchcovern fällt bereits auf, was erst viel später als Chrakteristikum der Dill-Arbeiten sozusagen offiziell bemerkt und anerkannt wurde: Klare Personen- und Landschaftskonturen in Verbindung mit liebevoll ausgeführten Details insbesondere im Hintergrund vermitteln Atmosphäre, packen den Leser und führen ihn geradewegs in das Buch, in das Westerngeschehen hinein. Das graphische Element bestimmt stark, ja dominiert zuweilen den optischen Eindruck, Überflüssiges ist weggelassen, Wichtiges oft nur skizzenhaft, aber deswegen nicht weniger klar angedeutet.

Während dieser Zeit arbeitete Dill stetig weiter an den Kinoplakaten, machte sich in der Branche einen Namen als Künstler, der mehr als nur routinierter Umsetzer filmischen Geschehens in ein das Publikum animierendes Standbild war. Insgesamt waren das im Laufe der Jahrzehnte, bis Anfang der neunziger Jahre, 627 Filmplakate und Videocover; ein Sammler, der dieses Konvolut zusammentragen wollte stünde wohl vor einer geradezu unlösbaren Aufgabe, besaß doch selbst der Künstler nicht mehr alle von ihm geschaffenen Plakate.

Als der Pressechef des Universal-Filmverleihs 1964 als Comic-Redakteur zum Bastei-Verlag ging, beauftragte er den ihm von den Filmplakaten bestens bekannten Klaus Dill mit der Gestaltung der Titelbilder der Comic-Westernserie ›Bessy‹, die als selbständige Publikation ab 1965 bis 1985 mit insgesamt 992 Ausgaben lief. Dill hat für diese Serie, eine Kreation des belgischen Zeichners Willy Vandersteen, die überwiegende Anzahl der Titelbilder, fast 600, gestaltet; außer die für Ausgabe Nr. 1, die damals bereits vorlag.

War Dills Weg hin zum besten deutschen Westernmaler bis dahin ziemlich gradlinig verlaufen, wenn auch ohne öffentliche Anerkennung, so änderte sich das mit Beginn der neunziger Jahre schlagartig. Ausschlaggebend dafür war eine private Initiative des Malers, der in jener Zeit nicht mehr genügend Aufträge erhielt. Er mußte sich ein neues Betätigungsfeld suchen. Er fand es in den Werken von Karl May. »Als Junge war ich ein begeisterter Karl-May-Leser und auch anderer Bücher über Indianer, deren ich habhaft werden konnte«, erzählte Dill. Insbesondere Winnetou, der edle Freund Old Shatterhands, hatte es ihm angetan. Das fand Nachhall bis in die neunziger Jahre. Dill begann, Winnetou I, ganz ohne Auftrag in Bilder umzusetzen. Und hatte damit sein Thema gefunden. Denn im Gegensatz zu den ›normalen‹ Western der Leihbücher und zum Bessy-Comic entdeckte er in den Büchern des sächsischen Vielschreibers, insbesondere aber in der Person des edlen Apachenhäuptlings, eine Westernsicht, die seiner aus Jugendjahren erhalten gebliebenen Schwärmerei nicht nur entgegenkam, sondern zusätzlich zur malerischen Umsetzung hin inspirierte. Im Vergleich zu den früheren ›Karl-May-Malern‹ wie Sascha Schneider, Peter Schnorr, Willy Planck, Claus Bergen, Karl Lindeberg und Zdenek Burian kann Dill nicht nur bestehen, er zeigt ein ausgeprägtes, eigenes künstlerisches Profil und präsentiert uns einen neuen, unverwechselbaren Winnetou, der sich eben nicht an jenem Filmklischee eines Pierre Brice orientiert. Darin folgt er Michael Sowa, der die Titelbilder der Haffmans Werkausgabe gestaltete, freilich sieht Dill den Häuptling der Apachen nicht durch die ironisch eingfärbte Sowa-Brille, sondern nimmt Karl Mays Personenbeschreibung ernst: Er nimmt sie auf und setzt sie ins Bild, ohne ihr sklavisch zu folgen. Drei Punkte scheinen dem Betrachter dabei ganz besonders bemerkenswert: Zum einen dominiert bei aller Farbigkeit der Darstellung das graphische Element, unterstreicht die einzelnen Sequenzen durch klare Konturen und ausgestaltete Umgebung. Der zweite Punkt mag mit dem ersten zusammenhängen: Die Bilder durchzieht eine jugendliche Naivität der Sicht, die Freude am ungetrübten Miterleben der erzählten Abenteuer, die Begeisterung für heldenhaftes Verhalten. Und der dritte Punkt ist eine besondere Überraschung und beweist bei aller Texttreue des Malers künstlerische Unabhängigkeit von der schriftlichen Vorlage Karl Mays: Oder wußten Sie, daß der blonde Recke Old Shatterhand einen ebenso blonden Schnauzbart trug?

Jeweils zwölf Gemälde hat Klaus Dill den drei Winnetou-Folgen gewidmet; für jedes Bild benötigte er etwa 100 Arbeitsstunden, die Vorabskizzen miteingerechnet. In Tempera und Gouache gewährt uns der Künstler auf diese Weise, im Format 55x75 cm, ein neues Westernerlebnis im Bild.

1991 erschien, für das Jahr 1992, der Kalender ›Klaus Dill. Karl May. Winnetou‹ im Brönner Kalenderverlag. Die Auflage von 3.000 Exemplaren war rasch vergriffen. Für den ›Kalender im Karl-May-Jahr‹ 1993 wurden die Bilder zu ›Winnetou II‹ verwendet, Auflage 5.000 Exemplare, die zu einem Teil unverkauft blieben. Die Dill-Bilder zu ›Winnetou III‹ sowie zum ›Schatz im Silbersee‹, die in Folge entstanden, wurden zum ersten Mal in dem Band ›WesternArt‹ abgedruckt.

Bereits 1990 hatte Dill Kontakt zum Haffmans Verlag bekommen. Als die 1989 gestartete historisch-kritische Karl-May-Edition in 99 Bänden, zur Zeit gestoppt, im Kölner Parkland-Verlag mit immerhin 33 Bänden nachgedruckt wurde, konnte Klaus Dill die Neugestaltung der Titelbilder übernehmen. Und auch die Taschenbuchausgabe, die der Weltbild-Verlag 1996 veranstaltete, trägt Titelbilder von Klaus Dill. Dies alles gestaltet mit soviel Einfühlungsvermögen, nicht nur in das Werk Karl Mays, sondern offensichtlich auch in die Erwartungshaltung der noch immer zahlreichen May-Leser, daß Dill zunehmend aufgefordert wurde, nun endlich auch die Orient-Abenteuer ins Bild zu setzen. Daraus wird nun freilich nichts mehr werden.

Zuletzt hat Klaus Dill die Person eines zweiten großen Indianerhäuptlings fasziniert, Tecumseh, auf den ihn die Lektüre des Buches von Glenn Tucker ›Tecumseh. Roten Mannes Ruhm und Ehre‹ (Bremen: Schünemann, 1956) gebracht hatte. Nach einigen wenigen Vorabdrucken in ›WesternArt‹ hat der Heider-Verlag, Bergisch Gladbach, im vergangenen Jahr eine Mappe mit Tecumseh-Umsetzungen Dills herausgebracht, deren Luxus-Edition in 258 Exemplaren restlos vergriffen und nur noch in einem nachgeschobenen Kartenset lieferbar ist. Diese ›CoverArt‹ genannte Edition wird in diesem Jahr fortgesetzt mit einem ›Bessy‹-Zyklus, der Dills Arbeit an diesem Western-Comic dokumentiert. Eventuell ist sogar an weitere Fortsetzungen gedacht.

In einer Zeit, in der die unterhaltende Literatur zunehmend in ihrer Bedeutung erkannt wird, hat auch die sie begleitende und interpretierende Kunst die Chance erhalten, ihre Qualitäten unter Beweis zu stellen. Klaus Dill hat davon profitiert, zu Recht, denn er war ein Meister seines Faches.

Literaturhinweise

Klaus Dill. - Filmplakate. Mit Beiträgen von Peter Bischoff, Klaus Dill, Hanns Fischer, Dirk Hess u. Eberhard Urban; mit einem Vorwort von Walter Schobert. – Bergisch Gladbach: Joh. Heider, 1998. 180 S., zahlr. farbige und s/w-Abb., 89 DM, ISBN 3-87314-315-2 [Limitierte Aufl. mit 970 Expl.]

Klaus Dill. - WesternArt. Mit Beiträgen von Peter Bischoff, Helge Haaser, Martin Hilland u. Eberhard Urban. – Bergisch Gladbach: Joh. Heider, 1997. 192 S., zahlr. farb. u. s/w-Abb., 95 DM, ISBN 3-87314-315-1 [Limitierte u. numerierte Aufl. mit 1.020 Expl.]

Klaus Dill. – Tecumseh. CoverArt-Sammelmappe mit zwölf Originalreproduktionen u. einer Originalzeichnung (vergriffen). Lieferbar als 12teiliges Kartenset mit einer zusätzlichen Porträtskizze. – Bergisch Gladbach: Joh. Heider, 1999. 19,80 DM, ISBN 3-87314-349-6.

Klaus Dill. – Bessy. CoverArt-Sammelmappe mit zwölf Originalreproduktionen u. zusätzlichen Skizzen und Studien. – Bergisch Gladbach: Joh. Heider, 2000. 129 DM, ISBN 3-87314-351-8.

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"Karl Mays Helden treffen echte Indianer"

Das Radebeuler Amtsblatt Nr. 5/2000 vom 1.Mai 2000 beginnt so die erste Seite und schreibt:

Am 3. und 4. Juni locken die Karl-May-Festtage zum neunten Mal die Besucher in den romantischen Lößnitzgrund, wo sie auf Karl Mays Spuren zwischen Illusion und Wirklichkeit wandeln werden. Neben Indianern verschiedener Stämme, die ihre Kulturen im Original präsentieren, werden wieder Darbietungen von Artisten und Indianistikvereinen bei den Festtagen zu sehen sein. Die Karl-May-Festtage sind inzwischen eine der wichtigsten Veranstaltungen außerhalb Amerikas, bei denen die indianische Kultur so intensiv und vielgestaltig zu sehen ist. Dazu haben auch die persönlichen Kontakte beigetragen, die zwischen Radebeul und Sierra Vista in Arizona bestehen.

In diesem Jahr werden Vertreter der Navajos zum Pow Wow am ,,Hohen Stein" erwartet. Dieses Tanzfest entstand in den Reservaten der nordamerikanischen Indianer zum Erhalt ihrer kulturellen Identität sowie zum Austausch von Nachrichten. Die Navajos sind der größte nordamerikanische Indianerstamm. Etwa 200.000 Menschen leben heute in der Navajo Nation, dem größten Indianerreservat der USA, das sich vom Norden Arizonas bis nach Utah und New Mexiko erstreckt.

Die Navajos nennen sich in ihrer Sprache Dinè - das Menschenvolk. Das Wort Navajo selbst entstammt der Tewa-Sprache: navahun bezeichnet ein bestelltes Feld in einem arroyo (Trockental). Sie durchlebten eine sehr wechselvolle Geschichte. Ursprünglich waren die Navajos Jäger und Sammler. Später übernahmen sie von den Pueblo-Indianern den Maisanbau und unter spanischem Einfluss kamen sie zur Viehzucht. So wurden sie auch Wollweber und Teppichknüpfer. Sie kannten die Töpferei und die Korbflechterei. Im 19. Jahrhundert wurden die Navajos von der US-Armee deportiert. ,,The Long Walk" - den langen Marsch - von Arizona nach New Mexiko überlebten damals nur 8000 von ihnen. Sie bekamen 1868 ein Reservat zugeteilt, in dem sie erfolgreich Viehzucht betrieben und noch heute leben. Inzwischen sind sich viele Navajos ihres reichen Erbes bewusst und wenden sich verstärkt ihrer Geschichte zu. Auch April Renae Watchman, die mit ihrer Gruppe nach Radebeul kommt, folgt dem ,,Pfad der Pow Wows", durch den sie zu einem traditionellen Lebensstil zurückgefunden hat. Sie wurde im Staate Utah geboren, als Tochter eines Navajo und einer Mutter, die halb Navajo und halb Cheerokee ist. Auf Anregung ihrer traditionsbewussten Mutter tanzte sie schon im Alter von 3 oder 4 Jahren bei vielen Pow Wows mit.

Die Tanzkleidung, die sie dabei trägt, unterscheidet sich sehr von der indianischen Stammeskleidung. Sie ist bunt und vollständig mit Perlen besetzt. Die wesentlichen Bestandteile sind ein Umhang, ein Schultertuch oder eine Weste, Beinteile von den Knien bis zu den Knöcheln, Mokassins, Haarschmuck und Ohrringe.

Die Tänze sind schnell und lebendig. Das Tuch wird dabei wie die Flügel eines Schmetterlings ausgebreitet. Renae trägt dazu silberne Squash-Blüten-Armbänder, die mit Türkisen besetzt sind. Diese Silberarbeiten haben eine lange Tradition bei den Navajos, und der Türkis wird von ihnen als eine starke Medizin verehrt. Renae lebt inzwischen ein sehr traditionell geprägtes Leben, bereitet traditionelle Speisen zu und beschäftigt sich mit den Ritualen ihres Volkes.

Die Navajo-Indianer leben heute mit großen Widersprüchen. Nach langer Zeit darf an den Schulen wieder Navajo gelehrt werden und es gibt auch eine Kleinindustrie, aber die Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Probleme sind dennoch sehr beträchtlich. Es ist schon paradox, dass in einem ,,Land des Überflusses" ein einstmals autarkes und gesundes Volk sich in armseligen Verhältnissen wiederfindet. Nach wie vor haben sie aber ein starkes Selbstwertgefühl und wissen um ihren besonderen Platz in der multikulturellen Gesellschaft.

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Auf den Spuren Karl Mays

Der Wiler Willi Olbrich ist seit seiner Jugend ein glühender Verehrer von Karl May und seinen Abenteuergeschichten um Winnetou und andere. Olbrich arbeitet zurzeit an einem außergewöhnlichen Projekt.

Olbrich hat sich zum Ziel gesetzt, die rund 300 Orte, an denen May gelebt und die er bereist hat, in zeitgenössischen Ansichtskarten zu dokumentieren. Systematisch schickte er Ansichtskarten-Händlern im In- und Ausland seine Liste mit den benötigten Sujets. An den Ansichtskarten-Börsen ist Olbrich Stammgast gewesen. »Meine Aktion verlief sehr erfolgreich. Ich habe heute bis auf etwa 30 Sujets alle benötigten Ansichtskarten beisammen«, sagt Olbrich. Für die Ansichtskarten zahlt er zwischen 8 und 40 Franken. [ ... ] Kürzlich wurde in Wil der traditionelle Frühlings-Flohmarkt in der Allee durchgeführt. Selbstverständlich war auch Olbrich [ ... ] auf der Jagd nach möglichen Schätzen. [...] Wie schlug sein Herz höher, als er lang gesuchte Karten aus Penang (Malaysia) fand. Noch größer war die Freude, als sich darunter auch eine Karte mit der Abbildung des »Eastern and Oriental«-Hotels fand. Dort hatte May auf seiner Orientreise Anfang November 1899 logiert.

[ ... ] Olbrich möchte die Resultate seiner Nachforschungen gerne publizieren. Ihm schwebt die Herausgabe eines reich illustrierten Buches vor. Sobald die Vorarbeiten abgeschlossen sind, wird sich Olbrich auf die Suche nach einem Verleger begeben. Über die Ergebnisse seiner Forschungstätigkeit informiert Olbrich in einem Vortrag unter dem Titel »Unterwegs mit Karl May« am 10. September, 14 Uhr, im altehrwürdigen Hof zu Wil. Eingeladen zu dieser Veranstaltung sind die Mitglieder der Vereinigung der Schweizer Karl-May-Freunde sowie weitere interessierte Zuhörer. Der Leiter dieser Vereinigung, Elmar Elbs, bezeichnet Olbrichs Forschungsarbeit über Mays Aufenthaltsorte als »sensationell«. (Aus: Anzeiger/Wil, Sankt Gallen, Schweiz, Nr. 22 vom 30./31. Mai 2000, gekürzt)

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Karl-May-Freunde in Litauen

In den M-KMG 122 vom Dezember 1999 berichtete Jokubas Skliutauskas über den Stand der Karl-May-Edition in Litauen und in diesem Zusammenhang auch über den Besuch Gerd Hardackers in Kialme.

Gerd Hardacker hat uns nun zwei Artikel aus litauischen Zeitungen geschickt, die anläßlich seines Besuches erschienen sind, den bereits von J. Skliutauskas erwähnten aus »Lietuvos Rytas« (›Morgen Litauens‹, Text: Jokubas Skliutauskas) und aus »biciulis« (›Der Freund‹, Text: Danute Zalpiene) Nr. 33 von 1999. Seit Anfang der 90er Jahre unterhält Hardacker freundschaftliche Beziehungen zu Kialme und den rührigen Mitarbeitern des kleinen Karl-May- und Indianermuseums, an dessen Gründung er mit 96 Ausstellungsstücken wesentlichen Anteil hat.

Eine Ausstellung im Karl-May-Haus in Hohenstein-Ernstthal über den ersten litauischen Übersetzer Karl-Mays, Jonas Wadeikis (Durch die Wüste, Winnetou, Schatz im Silbersee), sollte das litauische Interesse an Karl May in Deutschland wecken. Wadeikis lebte als Gymnasiallehrer für Literatur in Kialme, starb 1982 und ist auch dort begraben.

In Deutschland hat Gerd Hardacker emsig die Trommel gerührt, um Freunde und Förderer für das neue Museum in Kialme zu finden, die Karl-May-Exponate (Bücher, Prospekte, Indianer-Utensilien) zur Ausstattung des Museums beisteuern könnten. Im Januar 1995 rief er sogar die »Focus«-Leser zur Unterstützung auf. Aber auch aus Kanada und Amerika erhält das Museum Spenden, und ehemalige Litauer, die heute im Ausland leben, fühlen sich dem Museum verbunden.

Die kleine Stadt im Westen Litauens, etwa auf geographischer Höhe mit Klaipeda (Memel) und abseits aller größeren Städte, die sich eifrig bemüht, sich den Touristen als Hüterin des Karl-May-Hortes in Litauen zu präsentieren, verdient alle Anerkennung. (-sSe frei nach der Übersetzung von Nijole Samulioniene.)

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Thomas Grafenberg

Neue Ehrung für René Wagner

Der Berliner Cowboyclub ‚Old Texas Town‘ feierte am 27.Mai 2000 Geburtstag. Runde 50 Jahre waren Grund genug, die Pforten zu öffnen und die Interessierten in ihre historische Westernstadt zu laden, sich ca. 135 Jahre zurück versetzten zu lassen, in eine Zeit, wo der Colt locker hing und alle Frauen noch als Damen behandelt wurden.

Unter den Ehrengästen René Wagner, seines Zeichens Museumsdirektor in Radebeul und höchster Wächter der Mayorabilien dort. Schon häufigst in O.T.T. zu Besuch weilend, wie auch die Cowboys schon in Radebeul das Museum unsicher gemacht hatten. Ihm sollte heute eine besondere Ehrung zukommen.

Die Karl-May-Freunde Berlins trafen sich in den letzten Jahren hier; hier wurde die KMG offiziell vom Präsidenten des Texas Tech University Lubbock Prof Harragan für das Karl May Symposium im Sept.2000 eingeladen, die Einladung nahm damals Prof. Dr. Wolff entgegen. Nun im langen Reigen aller Prominenten unser René. Zwar war das Gelände des Clubs schon seit 14.00 Uhr für das in Scharen herbeigeeilte Publikum offen, aber erst um 19.00 begann der offizielle Teil.

20.00 Flaggenparade, im Fort maschiert die 1st US-Infantery in historischen Uniformen ein, in einer feierlichen Zeremonie wird die texanische Flagge eingeholt. Vor dem Alamo-Gedenkstein halten derweil zwei Infanterygirls mit Fackel Gedenkwacht. Danach im Saloon, Quadrille in historischen Kostümen und Ballkleidern, ein Augenschmaus zu Straussens Musik. Schnell werden Stühle in Reih und Glied vor der Bühne aufgebaut, die Ehrengäste gebeten Platz zu nehmen und Ben Destry, Vorsitzender des Clubs seit 1951 (!) und Bürgermeister der historischen Westernstadt seit Beginn, also einer der dienstältesten Bürgermeister Deutschlands überhaupt, hält die Jubiläumsansprache, ein Rückblick auf 50 Jahre Westernkultur, aber auch harter Arbeit das zu erreichen. Dann wird als erstes der Spandauer Bezirksbürgermeister mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet. In seiner Dankesrede erinnert zieht er auch einen Vergleich zu den Figuren und der Welt Karl Mays. Dadurch gefiel mir die Rede sofort.

Dann der große Augenblick, René Wagner wird zum Ehrenbürger ernannt. Eine goldene Anstecknadel wird ihm ans Revers gesteckt und eine Urkunde überreicht. Im Angesicht des wartenden, teilweise leider auch ungeduldigen Publikums, hält er eine kurze knappe Rede und weist auf die Verbindungen Radebeul, Karl May, Patty Frank und O.T.T. hin. Überhaupt nicht mit einer Ehrung gerechnet, hatte er aber vom Museum aus ein Geschenk für das 50 Jahre-Jubiläum des Clubs mitgebracht. Er überreichte Ben, stellvertretend für den Club, eine goldene Gedenkmünze. Der Rest ging erst Mal in Beifallklatschen und -gejohle unter, ehe noch anderen die verdiente Ehrenbürgerschaft verliehen werden konnte.

Nach diesem offiziellen Teil, folgten noch Square-Dance Aufführungen, eine Girlie-Truppe mit CanCan-Einlage und vieles mehr.

Hier die letzten Neueinrichtungen in Old Texas Town:

Vor dem Eingang des historischen Museums wurde gerade letzte Hand an zwei kleinen Gedächtnisräumen gelegt, die bald zu besichtigen sein sollen. Links der Karl-May-Raum mit Büste, zwei Sascha-Schneider-Bildern und einem Regal mit KM-Büchern; zur rechten der Patty-Frank-Raum, wo der Blick sofort auf das Patty-Frank-Bild fällt. Also wer noch Mal nach Berlin will, sollte es so planen, dass ein Besuch in der historischen Westernstadt möglich ist. Für das Publikum geöffnet ist aber nur der erste Freitag eines Monats (18.-22.00 Uhr) und der darauffolgende Samstag (19.-2.00 Uhr morgens). Eintritte und Preise sind moderat (10 - 12,- DM Eintritt, 3,20 ein Bier) und man bekommt viel für sein Geld zu sehen. Aber der Colt muss zu Hause gelassen werden, man will dort

‚Und Frieden auf Erden‘.

Zur Zeit kämpft Old Texas Town wieder ums Überleben. Eine Investorengruppe einigte sich mit Siemens über den Bau einer riesigen Mehrzweckhalle, dieser Superhalle sollen alle umliegenden Kleingärten und auch O.T.T. zum Opfer fallen.

Aber diese einzigartige historische Westernstadt, seit ca. 30 Jahren auf diesem Gelände, ist ein kultureller Bestandteil Berlins und international bekannt.

Wer will kann auch auf der Radebeuler Museums-Homepage dazu Informationen finden.

 

 


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