MobileMenuKarl-May-Gesellschaft → Primärliteratur

Ein Schundverlagundseine HelfershelfervonKarl May.

Band II.Korrekturheft, Bogen   bis  

denn wer heut noch behauptet, dass Karl May ein Jugend- oder gar ein Kolportage-Schriftsteller sei, der bringt sich in den Verdacht, zu den Interessenten des Münchmeyerschen „Schundverlages“ zu gehören. Dieser Autor hat sich vielmehr gleich von vornherein die höchsten, die idealsten und zugleich auch praktischsten und aktuellsten Ziele gesetzt. Seine scheinbaren Reiseerzählungen, die alle symbolisch zu nehmen sind, haben die Aufgabe,

„1.

den Uebergang des jetzigen Gewaltmenschen zum spä­teren Edelmenschen zu illustrieren,

„2.

die Möglichkeit eines allgemeinen Völkerfriedens an Beispielen zu erläutern,

„3.

die Aussöhnung zwischen Morgenland und Abendland anzubahnen und

„4.

durch seine sogenannten Indianererzählungen nach­zu­wei­sen, dass sich jenseits des atlantischen Ozeans eine neue Menschenrasse bilde, die man als die germanisch-indianische zu bezeichnen hat.

„Karl May lässt sich zu allem, was er schreibt, von der Ueberzeugung leiten, dass sich zwischen den vier Giganten der nächsten Zukunft ein Riesenkampf um die Weltherrschaft vorbereite. Diese Giganten sind: der sieggewohnte Europäer, die soeben aus dem Schlaf erwachte gelbe Rasse, der noch im Schlafe liegende, aber riesenstarke Islam und die sich neu bildende germanisch-indianische Nation jenseits des Ozeans. Der Ringkampf zwischen diesen vier Athleten wird die Erde erzittern lassen. Karl May hält es für möglich, sie, noch ehe die ersten Streiche fallen, miteinander auszusöhnen. In welcher Weise dies zu geschehen hat, schildert er in seinen „Reiseerzählungen“. Er beschreibt die vier Giganten. Old Shatterhand ist der Europäer, Winnetou der Amerikaner, Kara Ben Halef der Mohammedaner, und der gelbe Mongole ist Tsi aus „Friede auf Erden“. Indem man sich mit den Erlebnissen dieser vier scharfgezeichneten Menschheitstypen beschäftigt, beteiligt man sich an der Lösung aller derjenigen Fragen und Rätsel, welche der Gegenwart aufgegeben sind. Und das ist es, was Karl May will: „Seine Leser sollen sich zu Edelmenschen erheben, um befähigt zu werden, Mit-Schöpfer und Mit-Lenker der Völkerschicksale zu sein. Einen Autor, der solche Zwecke

und solche Ziele verfolgt, bis herab zum „Kolportage-Schriftsteller“ zu degradieren, das konnte nur einem „Schundverlag“ mit seinen Fälschungen gelingen!

„Karl May ist nicht nur ein Reise-, sondern zu gleicher Zeit auch Schlüssel-Erzähler. Als solcher hat er der gegenwärtigen Literatur vollständig neue, äusserst fruchtbare Gebiete erobert. Das ist ihm sehr hoch anzurechnen, und die Zukunft wird es ihm danken. Sie wird nicht begreifen können, dass es einst Leute gegeben hat, die entweder so kurzsichtig oder so übelwollend waren, grad über diese seine Verdienste herzufallen und sie als Unehrlichkeiten, Unwahrheiten und noch viel Schlimmeres zu bezeichnen. Als Schlüsselerzähler versetzt er europäische Stoffe nach Asien oder Amerika, um sie als Beduinen- oder Indianererzählungen zu behandeln. Sie werden dadurch interessanter und leichter begreiflich. Um das Milieu und die Gegenden kennen zu lernen, in denen er sie spielen lässt, unternimmt Karl May sehr weite und sehr umfangreiche Reisen. Dies ist aber keineswegs notwendig. Denn was er schildert und was er erzählt, ist hier im Vaterland zu sehen und ist hier im Vaterland geschehen. Er hat es mitgesehen und miterlebt. Indem er es als Selbstgesehenes und Selbsterlebtes anderen erzählt, berichtet er die reinste Wahrheit. Nur um es leichter verständlich und leichter begreiflich zu machen, trägt er es hinaus in die Fremde, stellt es in die dortige, viel klarere Beleuchtung und bringt es dann als Reiseerzählung zurück. Hätte er gar keine Reisen gemacht, so wären seine Schilderungen noch viel mehr zu bewundern, und er stände als Dichter unerreicht. Andere Kritiker haben das noch anders ausgedrückt. Sie sagen: Hätte Karl May seine Reiseerzählungen geschrieben, ohne Reisen gemacht zu haben, so wäre er nicht bloss ein Talent, sondern ein Genie!

„Hieraus folgt, dass man gar nicht von ihm verlangen kann, dass seine Gestalten wirklich gelebt haben oder gar noch heut existieren. Grad auf dem Gebiete, welches er bearbeitet, sind ihm wie jedem andern sämtliche Freiheiten des Dichters im höchsten Grade zuzumessen. Er darf nicht nur frei schaffen, sondern er soll und muss es tun, um uns das geben zu können, was wir von ihm verlangen. Trotzdem wurde wohl eine jede

seiner Figuren nach einer Person modelliert, die wirklich lebte; er selbst ist ja eine von ihnen!

„Bekanntlich erzählt er im „Ich“, in der ersten Person. Aber es wäre ein grosser Fehler, ihn infolgedessen der Schriftstellergattung „Icherzähler“ beigesellen zu wollen. Er ist nichts weniger als das! Die Person des wirklichen Icherzählers steht unausgesetzt und alles dominierend im Vordergrund; die Person Karl Mays verschwindet in seinen „Reiseerzählungen“ aber ganz und gar, um der Idealgestalt seines Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi vollständig Platz zu machen. Diese Idealgestalt, dieses „Ich“, ist also nicht Karl May, sondern der kommende Edelmensch, der sich aus dem jetzigen Gewaltmenschen zu entwickeln hat. Darum sind ihm von dem Dichter alle Kenntnisse und Fertigkeiten, alle Vorzüge und Fähigkeiten der zukünftigen Geschlechter gegeben, und es ist entweder eine Verständnislosigkeit oder ein Argwille sondergleichen, zu behaupten, dass Karl May so wahnsinnig sei, seine eigene Person mit ihnen zu schmücken. Als Dante vor nun sechshundert Jahren in seiner Divina Commedia schrieb, er sei mit Virgil in der Hölle, im Fegefeuer und im Himmel gewesen und diese seine Wanderungen auf das ausführlichste schilderte, fiel es keinem Menschen ein, ihn als Lügner, Schwindler oder gar Hochstapler zu bezeichnen. Jedermann erkannte sofort, dass es sich um symbolische Wanderungen handelte. Das war vor sechs Jahrhunderten, im „geistesfinstern, verdummten Italien“! Heut, am Beginn des „erleuchteten zwanzigsten Jahrhunderts“ darf es im „Lande der Denker und Dichter“ geschehen, dass ein wohlmeinender Schriftsteller öffentlich an den Pranger gestellt und hingerichtet wird, weil er so kühn gewesen ist, seinen Zeitgenossen zuzutrauen, Erzählungen zu taxieren, deren Symbolik sich gar nicht einmal bis in den Himmel und in die Hölle versteigt, sondern in den wohlbekannten, irdischen Grenzen bleibt! Ist das zwanzigste Jahrhundert etwa rückständiger als das vierzehnte? Gewiss nicht! Der Grund liegt einfach darin, dass es vor sechshundert Jahren keine Revolverpresse gab, die, falls sie kein Geld bekommt, die Macht besitzt, den redlichsten Autor öffentlich zu Grunde zu richten, wenn sie es nur versteht, gewisse Grenzen nicht zu überschreiten.“ – – –

— 6 —Die Fäden der Spinne.

Nachdem ich im vorigen Kapitel andere, und zwar berufene Leute über mich und meine Aufgaben sprechen liess, glaube ich nachgewiesen zu haben, dass die ganze gegen mich gerichtete Zeitungs-, Journal- und Jugendschriftenhetze nur aus den trüben Wassern stammt, welche der Münchmeyersche „Schundverlag“ über mich ausgegossen hat. Bis zu dem Zeitpunkte, an welchem dieser „Schundverlag“ es wagte, meinen Namen unter seine Fälschungen zu setzen, waren mir alle deutschen Zeitungen Freund, mit alleiniger Ausnahme der religionsfeindlichen Frankfurter Zeitung, welche gegen mich schrieb, weil meine Werke streng königstreu und christlich gehalten sind. Sobald aber die Münchmeyerschen Umarbeitungen unter meinem Namen erschienen und ich als „abgrundtief unsittlich“ gebrandmarkt wurde, gab es wie mit einem Schlage keine einzige Zeitung mehr, die freundlich über mich schrieb. Der Besitzer des Schundverlages bekam unzählige Anfragen, ob ich denn wirklich der Verfasser dieser zügellosen Unsittlichkeiten sei. Er kannte meine Unschuld ganz genau; er kannte die Fälscher. Und dennoch antwortete er in den Zeitungen, also in vollster Oeffentlichkeit: „Ja, Karl May in Radebeul bei Dresden, Villa Shatterhand, der Verfasser von „Winnetou“, ist auch der Verfasser dieser unserer Romane!“ Um etwas so Unbegreifliches begreiflich finden zu können, muss man das Spinnennetz sehen, welches von lange her gewebt und sorgfältig befestigt worden war, um mich darin zu fangen und zu vernichten. Ich zeige die Fäden dieses Netzes, indem ich aus dem ersten Bande des vorliegenden Werkes den ganzen Münchmeyerschen Feldzugsplan in Kürze rekapituliere und ganz besonders darauf hinweise, dass alles, was ich da sage, gerichtlich erwiesen ist. Es sind folgende Punkte:

Im Jahre 1875 kam der Kolportageverleger H. G. Münchmeyer dadurch in schwere Not, dass sein Redakteur ihn plötzlich verliess, um ihn durch ein Konkurrenzunternehmen geschäftlich totzumachen. Münchmeyer bat mich, ihn durch sofortige Uebernahme der Redaktion und Gründung neuer Blätter zu retten. Ich tat es.

Sobald ich bei ihm eingetreten war, machte ich die Erfahrung, dass er es liebte, entlassene Strafgefangene bei sich anzustellen. Er sagte, er tue das aus Humanität. Später erkannte ich den eigentlichen Grund. Er drückte sich in unvorsichtigen Augenblicken folgendermassen aus: „Solche Leute hat man im Sacke. Sie müssen tun, was man will, damit man ihre Vergangenheit nicht verrät. So ein bestrafter Schriftsteller schreibt gern um den geringsten Preis, wenn man ihm nur verspricht, zu schweigen!“

Weil man diese seine Gewohnheit kannte, entwickelte sich bald ebenso über mich das Gerücht, auch der neue Redakteur sei vorbestraft. Und da er früher Lehrer gewesen sei und man die Gründe, weshalb Lehrer bestraft zu werden pflegen, sehr wohl kenne, so sei mit Sicherheit anzunehmen, dass ich wegen unsittlichen Umganges mit Schulmädchen bestraft worden sei. Diese Nachrede wurde überallhin verbreitet. Ich nehme an, dass Münchmeyers sich hieran zunächst nicht beteiligt haben. Ich selbst hatte keine Ahnung von dem, was man über mich sagte.

Meine Redaktion entsprach den Münchmeyerschen Erwartungen. Ich gründete drei neue Zeitungen und schlug den früheren Redakteur vollständig aus dem Felde. Das Münchmeyersche Geschäft ging so gut, dass man mir den Vorschlag machte, die Schwester von Frau Münchmeyer zu heiraten und dadurch für immer einzutreten. Ich lehnte ganz selbstverständlich ab.

Diese Ablehnung wurde von Münchmeyer sehr wohl begriffen, von seiner Frau und deren Schwester mir aber ausserordentlich übelgenommen. Sie begannen, mich zu hassen, sich zu rächen und mir das Leben derart schwer zu machen, dass ich die Redaktion kündigte und hierauf niederlegte.

Von jetzt an wurde mit Behagen davon erzählt, dass ich wegen Unzucht mit Schulmädchen vorbestraft sei. Niemand im Geschäft zweifelte an der Wahrheit dieser Behauptung.

Ich hatte keinen Grund, mich ferner um das Münchmeyersche Geschäft zu kümmern. Darum erfuhr ich nicht, dass das Glück mit mir fortgegangen war. Es gab keinen Nachfolger, der ausführen konnte, was ich gegründet hatte. Die drei Zeitungen gingen wieder ein, und die Lage Münchmeyers gestaltete sich bedenklicher, als sie vorher gewesen war.

Ich war von Dresden fortgezogen und hatte mich inzwischen verheiratet. Im Jahre 1882 wünschte meine Frau, die jung und unerfahren war, Dresden kennen zu lernen. Ich erfüllte ihr diesen Wunsch. Wir trafen Münchmeyer. Er befand sich in äusserst trüber Stimmung. Er klagte mir seine Not. Er sagte, er wisse weder aus noch ein; Gott habe mich zu ihm geschickt. Ich sei inzwischen berühmt geworden mit meinen Reiseerzählungen; er aber stehe dem Bankerotte nahe. Ein Reiseroman aus meiner Feder würde ihn schnell und sicher retten. Zwar augenblicklich könne er mir nur sehr wenig zahlen, aber er würde sehr gern auf jede Bedingung eingehen, durch die ich mir die Nachzahlung dessen, was jetzt zu wenig sei, sichere. Ich wollte nicht. Da wendete er sich an meine Frau und bat um ihre Fürsprache. Sie liess sich durch seine Kolportage-Ritterlichkeit verleiten. Ich leistete nur bis zum nächsten Tage Widerstand und gab mich dann gefangen.

Es gefiel meiner Frau derart in Dresden, dass wir uns entschlossen, in der Nähe zu wohnen. Wir zogen nach Blasewitz. Münchmeyer wurde da unser Haus- und Familiengast. Seine Frau schien mir alles verziehen zu haben – – – einstweilen! Sie wurde sehr schnell die „mütterliche“ Freundin der meinigen. Hierdurch erreichten Münchmeyers, dass ich nicht nur einen, sondern schnell hintereinander fünf Romane für sie schrieb. Aber als diese fertig waren, war auch meine Geduld mit der Münchmeyerschen Freundlichkeit zu Ende. Um ihr zu entgehen, war ich schon nach einem Jahre von Blasewitz nach Dresden, Prinzenstrasse, dann nach der Schnorrstrasse verzogen, und als auch das nicht half, verliess ich Dresden ganz, um in einem entlegenen Vororte meine Frau dem Münchmeyerschen Einflusse zu entziehen. Es war leider schon zu spät!

Die fünf Romane, die ich für Münchmeyer geschrieben hatte, waren nicht Kolportage-, sondern Reiseromane. Für den ersten erhielt ich einstweilen 35, für die andern je 50 Mark pro Heft. Das war sehr wenig. Darum wurde bestimmt, dass Münchmeyer von jedem Romane nur 20 000 drucken und verkaufen durfte und mir dann je „eine feine Gratifikation“ zu zahlen hatte. Hierauf sollten die Romane in meine „Gesammelten Reise-Erzählungen“ aufgenommen werden.

Dieser Verlagskontrakt war ein mündlicher, nicht ein schriftlicher. Münchmeyer wünschte das so. Er sagte, wer von uns beiden einen schriftlichen Kontrakt verlange, beleidige den anderen, denn wir seien beide Ehrenmänner, deren Wort genüge. Ich konnte hierauf eingehen, weil das damalige Gesetz mich sicherstellte und weil ich Briefe von Münchmeyer besass, die denselben Wert hatten, wie ein schriftlicher Kontrakt.

Die fünf Romane erreichten ihren nächsten Zweck, Münchmeyer aus seiner Not zu befreien. Sie gingen gut. Das erfuhr ich, mehr aber nicht. Uebrigens stand ich mich pekuniär so, dass ich nicht zu drängen brauchte, sondern warten konnte, solange es mir beliebte. Auch wurde mir auf schriftliche oder mündliche Anfragen stets der Bescheid erteilt, dass ich noch kein Geld zu bekommen habe. Das sollte heissen, dass die 20 000 noch nicht erreicht sei. Zudem schickte Münchmeyer einmal sein Faktotum Walther zu mir, um mich durch List zu bewegen, nun doch einen schriftlichen Kontrakt zu unterschreiben, in dem ich ihm die Romane für immer und ganz überliess und auf alle meine Rechte verzichtete. Natürlich tat ich das nicht. Aber den eigentlichen Grund dieser Pfiffigkeit ahnte ich keineswegs, nämlich den, dass er anstatt nur Zwanzigtausend viele Hunderttausende gedruckt hatte und nun Angst vor den Folgen bekam, die vielleicht doch nicht diejenigen waren, die er sich berechnet hatte. Und das führt auf den Punkt, aus dem die späteren, schweren Folgen sprangen.

Nämlich während ich Münchmeyer, grad weil ich ihn zweimal gerettet hatte, mein ganzes Vertrauen schenkte, hatte er mich doch gleich von allem Anfang an betrogen. Es waren gleich im ersten Jahre weit über 20 000 gedruckt worden, und so die folgenden Jahre weiter. Das erfuhr ich aber erst später. Und meine Romane waren nicht so gedruckt worden, wie ich

sie geschrieben hatte. Man hatte sie verändert, aus belehrenden Reiseromanen in aufregende Kolportageromane verwandelt. Das ist durch Zeugen mehr als genugsam erwiesen. Und um alle Beweise dieser Fälschung zu beseitigen, waren meine von mir geschriebenen Originalmanuskripte, die mir gehörten, ca. 26 000 engbeschriebene Seiten, verbrannt worden. Auch das erfuhr ich erst später, leider viel zu spät!

Fragt man, wie so unglaubliche Unterschlagungen, Betrügereien und Fälschungen möglich waren und auf welche Gründe hin man sie wagen konnte, so lautet die Antwort sehr einfach: Man hielt mich ja für vorbestraft, und zwar wegen Unzucht mit Schulmädchen, also unter sechzehn Jahren! Adalbert Fischer, der spätere Besitzer des „Schundverlages“, hat das vor Gericht als Zeuge erhärtet. Und dieser Mann ist es auch, durch dessen Drohungen und Erpressungsversuche der ganze Münchmeyersche Feldzugsplan verraten wurde.

Der unzüchtige Umgang eines Lehrers mit seinen Schulmädchen wird mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus bestraft. Ich betone ausdrücklich, dass ich so etwas nie getan habe. Wer der Erste war, der mich solcher Handlungen beschuldigte, weiss ich nicht, zur „Münchmeyerei“ aber hat er jedenfalls gehört, denn nur in ihrem Bereiche hat sich dieses Gerücht entwickelt, bis es gross und stark geworden war, und nur vom Münchmeyerschen Geschäft aus ist es dann in weitere Kreise verbreitet worden. Nicht nur mein ganzes Wesen, sondern auch meine ganze schriftstellerische Wirksamkeit empört sich gegen den Vorwurf geschlechtlicher Ausschreitungen. Es ist geradezu weltbekannt, dass in meinen „Reiseerzählungen“, die jetzt 30 Bände füllen, niemals eine „Liebesscene“ vorkommt. Ich bin sogar stolz darauf, bewiesen zu haben, dass ein Schriftsteller, der auf derartige Unreinheiten ganz verzichtet, ebenso grosse oder gar noch grössere Erfolge haben kann als einer, der sich in seinen Werken nicht stubenrein benimmt. Die Kritik hat ganz besonders betont, dass man meine Bücher getrost und ungelesen einem jeden Kinde in die Hand geben könne. Darum haben Eltern und Erzieher stets und zunächst nach meinen, nicht nach anderen Büchern gegriffen. Darum werde ich auch noch heut von der „Jugend“ so viel gelesen und bin in den Ruf eines „Jugendschriftstellers“ gekommen, obgleich alles,

was ich schreibe, zunächst nur an Erwachsene gerichtet ist. Und darum muss der Vorwurf der Unsittlichkeit, wenn er öffentlich gegen mich erhoben wird, mir gefährlicher werden als jedem andern, weil er meinen Ruf nicht etwa nur schädigt, sondern sofort und geradezu vernichtet. Jeder andere, der nicht nach meinen Idealen, nach meinen Zielen strebt, mag unsittlich schreiben; man wird lächeln und ihn weiterlesen; ein unsittlicher Karl May aber ist für immer ausgelöscht!

Diese Gedanken waren es, die einem Plane zu Grunde lagen, der sich in Beziehung auf mich und meine Romane in den Köpfen der Münchmeyerschen Geschäftsleitung entwickelte. Vielleicht hatte Münchmeyer anfangs die Absicht, ehrlich gegen mich zu sein. Hätten sich nur die „guten“ Erfolge eingestellt, die er erwartete, so wäre er gerettet gewesen, ohne in Versuchung zu kommen, mich zu betrügen. Aber die Erfolge waren nicht nur gut, sondern „ausserordentlich“. Das Geld strömte der Kasse nur so zu, und da war es für die Münchmeyersche Habsucht und Geldgier nicht nur sehr schwer, sondern gerade unmöglich, mit der vorgeschriebenen 20 000 aufzuhören und alles Uebrige an mich auszuliefern. Lieber sterben! Man verheimlichte mir also den Riesenerfolg und druckte und verkaufte einfach weiter. Weil aber, früher oder später, die Stunde kommen musste, die mir diese Unterschlagungen verriet, war man darauf bedacht, sich nach einer Waffe umzusehen, welche scharf und schwer genug war, mich und die Einsprüche, die ich erheben würde, niederzuschlagen. Diese Waffe fand man in meiner vermeintlichen Vorbestrafung. Es ist durch Zeugen erwiesen, dass man sich folgendermassen sagte:

„May ist wegen Unzucht mit Schulmädchen im Zuchthause gewesen. Er verheimlicht das. Er ist jetzt ein berühmter Schriftsteller. Sobald man von seinen Vorstrafen hört, ist er verloren. Man braucht ihm also nur mit der Veröffentlichung zu drohen, so kann man mit ihm machen, was man will. Drucken wir also ruhig weiter! Erfährt er, wie es steht, und will es sich nicht gefallen lassen, so halten wir ihm die Schulmädchen vor; dann ist er sicher still!“

Doch auch die Möglichkeit, dass ich nicht still sein würde war mit in Betracht zu ziehen. Man musste schlimmsten

Falls auch hiergegen gewappnet sein. Es handelte sich dann um einen bösen Prozess, den May ganz unbedingt gewinnen musste, wenn es nicht gelang, ihn derart zur moralischen Fratze zu machen, dass weder das Gericht noch die Oeffentlichkeit ihm glaubte. Denn dass es im Falle des Prozesses nur darauf ankam, wen das Gericht für eideswürdiger hielt, ob Münchmeyer oder May, das war klar. Und dass die Sache dann in die breiteste Oeffentlichkeit gelangte und von der gesamten Presse besprochen wurde, das war ebenso klar. Es galt also vor allen Dingen

durch die Presse auf die Richter einzuwirken!

Das war ein hochwichtiger Punkt. Vielleicht geriet May, zumal als Schriftsteller, auf ganz denselben Gedanken. Da kam es nun darauf an, ihm erstens in dieser Bearbeitung der Richter durch die Presse so weit wie möglich vorauszukommen, und zweitens ein unfehlbares Mittel ausfindig zu machen, durch welches die Presse gezwungen wurde, ihn, den sie bisher gelobt hatte, zu verdammen und zu brandmarken. Welches Mittel konnte das wohl sein? Die Vorstrafen reichten hierzu nicht aus. Die konnten ihm von human gesinnten Zeitungen vielleicht verziehen werden. Man musste ihn grad an dem Punkte fassen, durch der er sich die Sympathie der Oeffentlichkeit erworben hatte, nämlich den, dass er es grundsätzlich vermied, lasciv oder gar obszön zu schreiben. Gelang es, ihm derartige Dinge nachzuweisen, so war er als Lügner, Schwindler und verkappter Wüstling geschändet und musste von allen ehrbaren Zeitungen abgeschüttelt und verachtet werden. Und dieser Nachweis war gar nicht schwer, war geradezu ein Kinderspiel. Man hatte ja Karl Mays Romane in der Hand! Fünf Stück! Man brauchte sie nur aus Reiseromanen in Kolportageromane zu verwandeln! Und falls man dies tat, schoss man sogar eine Dublette, indem man eine unbedingt tötliche Waffe gegen May gewann und zugleich seine Romane geschäftlich noch ausgiebiger machte, als sie an sich schon waren. Aber wie nun, wenn er diese Umarbeitungen, diese Interpolationen, diese Fälschungen entdeckte und mit Hilfe der von ihm mit eigener Hand geschriebenen Originalmanuskripte nachwies, dass er ganz anders geschrieben hatte, als dann gedruckt -

gedruckt worden war? Nun, dem konnte man sehr leicht zuvorkommen, man brauchte diese Beweise ja nur zu vernichten! Man beschloss also

die fünf Romane Karl Mays in Schundromane umzuwandeln und seine Originalmanuskripte zu verbrennen.

Ich bekam infolgedessen keine Korrektur und keine Revision zu lesen und also auch kein Manuskript wieder in die Hand. Das konnte mir nicht auffällig sondern nur als ganz selbstverständlich erscheinen, weil dies nicht nur bei Münchmeyer, sondern auch bei andern Verlegern gar nicht anders gebräuchlich war und ich eine solche Raffiniertheit von seiten eines Mannes, dem ich doch nur Gutes erwiesen hatte, gar nicht für möglich hielt. Ich war vollständig überzeugt, sobald die 20 000 erreicht war, meine „feine Gratifikation“ zu bekommen, meine Originale zurückzuerhalten und dann mit ihrem Druck für meine „Gesammelten Reiseerzählungen“ beginnen zu können. Aber als Münchmeyer plötzlich starb und seine Witwe mich bat, ihr einen neuen Roman zu schreiben, war ich so vorsichtig, Rechenschaft über meine bisherigen Romane von ihr zu verlangen. Sie erklärte, dass die 20 000 „wahrscheinlich“ erreicht sei. Sie wolle genauer nachrechnen lassen. Aber durch den Tod ihres Mannes sei alles in Verwirrung geraten, und in einem Kolportagegeschäft bedürfe es bekanntlich sehr langer Zeit, nach solchen Revolutionen wieder Ordnung und Klarheit zu schaffen.

Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich von ihr, dass meine Originalmanuskripte verbrannt worden seien. Das hielt ich zwar nicht für ordnungsmässig, doch aber für begreiflich, da 26 000 Seiten viel Platz verlangen, um aufbewahrt zu werden. Uebrigens versprach Frau Münchmeyer, mir ganz genau dieselben Manuskripte gedruckt zuzusenden. Diese Sendung empfing ich bald darauf, in acht Bände gebunden. Doch stellte es sich später heraus, dass ich damit betrogen worden war, denn diese Bände enthielten nicht meine Originale, sondern die Fälschungen.

Ich verfuhr sehr rücksichtsvoll mit Münchmeyers Witwe. Ich wartete sehr lange Zeit, ehe ich wieder fragte. Sie gab mir keine Antwort. Das wiederholte sich. Da wurde ich dringender. Ich verlangte nun endlich klare und sachgemässe Auskunft. Da wurde ihr angst. Sie merkte, dass sich die

Katastrophe nahe. Sie war nicht Münchmeyer selbst, kein Mann, sondern eine Frau. Sie hatte in ihrem Hasse, ihrer Rache gegen mich und in ihrer wohlbekannten, zügellosen Geldhungrigkeit zwar den ersten Antrieb zu den beispiellosen, betrügerischen Unterschlagungen gegeben, nun aber, da der Tag der Rechenschaft kam, fühlte sie sich zu schwach, die Folgen zu tragen. Ihr wurde himmelangst. Sie hatte sich auf ihren Mann verlassen. Nun der aber tot war, kam ihr die Sache nicht mehr so leicht vor, wie sie ihr früher erschienen war. Sie beschloss, sich mit den Ergebnissen ihrer Betrügereien dem Verhängnisse zu entziehen. Mit anderen Worten: Sie beschloss, das Geschäft zu verkaufen.

Ich hörte davon und warnte sie. Ich schrieb ihr sehr ausführlich. Ich sagte ihr, dass sie meine Romane auf keinen Fall mitverkaufen dürfe, weil sie nach Erreichung der 20 000 wieder mein Eigentum geworden seien. Wäre sie klug gewesen, so hätte sie mir jetzt, in letzter Stunde, noch alles gestanden, und ich hätte sie geschont nach aller Möglichkeit. Aber sie dachte noch jetzt mit ungeschmälertem Grimm daran, dass ich damals die Verheiratung mit ihrer Schwester zurückgewiesen hatte. Das war noch nicht gerächt! Das konnte nur dann gerächt werden, wenn sie mir jetzt trotz ihrer Angst kein Geständnis machte, sondern sich einen Käufer suchte, der die nötigen Charaktereigenschaften besass, den raffinierten Plan des „Schundverlages“ zu Ende zu führen und die Münchmeyerschen Betrügereien gerichtlich sanktifizieren zu lassen. Und es gelang ihr wirklich, einen Mann zu finden, der sich mit Wonne in den Mittelpunkt des Spinnennetzes setzte, nachdem er sie gezwungen hatte, ihm alles zu sagen und ja nichts zu verschweigen. Er wurde vollständig eingeweiht, und als er alles erfahren hatte, hielt er die Drohung mit den Vorstrafen für so sicher auf mich wirkend, dass er das Geschäft kaufte. Der Kaufpreis betrug angeblich 175 000 Mark; garantiert war ein Reingewinn von 40 000 Mark. Schon das ist bezeichnend! Noch bezeichnender aber ist, dass der Käufer später während des Prozesses wiederholt in den Akten behauptete, er habe mit diesen 175 000 Mark alle von dem Münchmeyerschen Geschäft verlegten Romane bezahlt, also auch die von Karl May, auf die es ihm ganz allein angekommen sei, während aber

Frau Münchmeyer ebenso in den Akten behauptete, er habe die Mayschen Romane nicht mitgekauft, sondern sie habe sie ihm geschenkt!

Ich war, als dies geschah, auf einer ca. zweijährigen Studienreise durch Afrika und Asien von zu Hause abwesend. Meine Frau schrieb mir nach Kairo, dass Frau Münchmeyer an einen gewissen Adalbert Fischer verkauft habe. Ich schrieb diesem Herrn, dass meine Romane unverkäuflich seien und dass ich, falls er sie etwa mitgekauft habe, mir das nicht gefallen lassen könne. Er antwortete ausserordentlich grob, ja rüd, sodass ich schon aus diesem Tone ersah, mit was für einem Manne ich es zu tun hatte. Ich beauftragte sofort einen Freund daheim, den Prozess gegen diesen Fischer und die Münchmeyer in meinem Auftrage anzustrengen, und setzte dann meine Reise nach Aethiopien, Indien und China in der guten Meinung fort, dass damit alles getan sei, was überhaupt zu geschehen hatte.

Aber schon als ich nach einigen Monaten nach Massaua kam und dort aus Deutschland Post empfing, fand ich zu meinem Erstaunen eine ganze Menge deutscher, österreichischer und schweizer Zeitungen, welche behaupteten, dass ich eine ganze Reihe von „abgrundtief unsittlichen“ Romanen geschrieben habe und also einer der grössten, öffentlichen Heuchler sei. Ich schickte ihnen sofort meine Entgegnungen zu, die aber nie gedruckt worden sind.

Als ich einige Zeit später auf Ceylon wieder Post bekam, las ich in einer Nummer der „Frankfurter Zeitung“ dass Karl May der Welt vorschwindele, er befinde sich im Orient. Das sei aber eine Lüge. In Wahrheit habe er sich im Jodbad Tölz in Oberbayern versteckt, um sich von einer bösartigen Krankheit (Syphilis) zu kurieren. Das sei durch die Fremdenliste erwiesen. Als ich das las, war mir wie im Traume. Ich fragte mich, ob ich verrückt sei oder nicht. So etwas konnte doch unmöglich in einer Zeitung stehen! Auch jetzt schickte ich sofortige Berichtigungen heim, doch keine von all den Zeitungen war so ehrlich, sie zu veröffentlichen. Erst nach langer, langer Zeit gingen mir in Padang auf Sumatra die Augen auf. Dort bekam ich ganze Pakete von Zeitungen, die vorher für mich gewesen waren, jetzt aber alle gegen mich schrieben. Ich sah,

dass die ganze deutsche Journalistik sich gegen mich erhoben hatte. Man war empört über meine Heuchelei, meine Unsittlichkeit, meine fünf niederträchtigen, schamlosen Schundromane. Das war ja geradezu entsetzlich! Ich hatte weitergewollt, beschloss aber, meine Reise zu unterbrechen. Ich telegraphierte von Sumatra aus meiner Frau, sofort nach Aegypten zu reisen und mich in Kairo zu treffen, um mir Bericht zu erstatten; ich würde direkt zur See dorthin kommen.

Sie stellte sich ein. Was ich da erfuhr, wollte mir unglaublich erscheinen; ich kannte ja den Zusammenhang nicht. Meine Frau war auf meine briefliche Anweisung hin sofort nach Tölz gefahren und hatte sich das betreffende Fremdenbuch vorlegen lassen. Ja, da stand wirklich mit Vor- und Zuname nebst Stand und Heimat. Aber die Heimat stimmte nicht; auch das Datum war falsch, und die alberne Beifügung „alias Old Shatterhand“, die ich nie geschrieben hätte, bestätigte die Absicht, mich zu blamieren. Der Fälscher kannte meine Handschrift sehr gut. Er hatte sich grosse Mühe gegeben, sie treffend nachzuahmen. Die Wirtinnen des betreffenden Hotels waren Leserinnen meiner Werke. Sie interessierten sich also sehr für mich. Sie hatten wirklich geglaubt, dass der Verfasser dieses gefälschten Eintrages der wirkliche Karl May sei. Um so empörter waren sie nun. Sie rissen das Blatt aus dem Buche und schenkten es meiner Frau, um die Fälschung gerichtlich resp. durch vereidete Sachverständige prüfen und feststellen zu lassen. Das ist geschehen. Später kam auch ich einmal nach Tölz und stellte mich den Damen vor. Sie konstatierten sofort, dass ich der Mann nicht sei, der sich damals als Karl May eingetragen habe; er sei mir nicht im geringsten ähnlich gewesen.

Also eine direkte, absichtliche, raffinierte, wahrscheinlich auch sehr gut bezahlte Fälschung eines Fremdenbuches, um mich als öffentlichen Lügner, Schwindler und literarischen Hochstapler hinzustellen!

Und nicht nur raffiniert, sondern geradezu teuflisch ausgesonnen war die Lüge, dass ich mich in dem Jod- und Schwefelbade Tölz „versteckt habe“, um mich von der genannten, bösen, fürchterlich unsittlichen Krankheit kurieren zu lassen!

Als ich dies in Kairo erfuhr, ahnte ich den Zusammenhang noch immer nicht; aber dass etwas ganz Fürchterliches, geradezu

höllisch Vorbereitetes über mich hereingebrochen sei, das fühlte ich, und darum gab ich alle weiteren Reisepläne auf und beeilte mich so viel wie möglich, heimzukommen.

Als sich dann dort die Nachricht verbreitete, dass ich von meiner langen Orientreise zurückgekehrt sei, stellte sich zu meinem Erstaunen sofort Herr Adalbert Fischer, der Käufer des Münchmeyerschen Schundverlages, bei mir ein. Ich liess ihn vor. Er war unendlich freundlich, ganz anders, als er mir geschrieben hatte! Und er war unendlich diplomatisch! Er lobte mich in einem fort, als Schriftsteller und als Mensch! Er fand nur das eine, einzige an mir auszusetzen, dass ich „vorbestraft“ sei. Das das werde mir verziehen werden, denn es entspringe doch nur aus meinem „ausserordentlich liebenswürdigen“ Charakter.

Das war die Einleitung zum Kampfe. Er fuhr fort:

Er habe gehört, dass ich prozessieren wolle. Das tue ihm leid, nicht etwa um seinetwillen, sondern um meinetwillen, denn er meine es gut mit mir! Er warne mich, ihn als Gegner zu unterschätzen. Er sei reich, sogar sehr reich, und besitze sehr wohl die Mittel, alles, was er wolle, durchzusetzen! Er habe für meine Romane 175 000 Mark bezahlt. Sie seinen sein. Er könne mit ihnen machen, was ihm beliebe! Er wolle mit ihnen Geld verdienen, sehr viel Geld! Er werde also all die Unsittlichkeiten, die ich da hineingeschrieben habe, in der Weise ausbeuten, das [dass] mir Hören und Sehen vergehe. Wenn ich ihm aber versprechen wolle, vernünftig zu sein, so werde er mir einen Vorschlag machen, durch dessen Annahme alle meine Gefahr und Not ein schnelles glückliches Ende nehmen werde. Er biete mir nämlich meine Romane hiermit für den Preis von 70 000 Mark an. Sei ich bereit, ihm diese Summe zu bezahlen, so gebe er sie mir augenblicklich zurück, und alles, was in den Zeitungen gegen mich stehe, sei schnell wieder gut zu machen.

Als ich ihn fragte, wie er sich dieses „wieder gut zu machen“ wohl denke, erklärte er mir, zwar zurückhaltend, aber doch deutlich genug:

Er sei mit Frau Münchmeyer zerfallen; er stehe im Prozess mit ihr. Sie sei nicht ehrlich; sie habe ihn beim Kauf belogen und betrogen. Er wisse aber noch mehr, viel mehr über sie! Sie habe ihm alles erzählen und alles verraten müssen, sonst

hätte er ihr das Geschäft nicht abgekauft. Für 70 000 Mark könne ich nicht nur meine Romane zurückbekommen, sondern auch über die Münchmeyerschen Heimlichkeiten alles erfahren, was mir zu wissen nötig sei. Dann solle ich nicht ihn, sondern Frau Münchmeyer verklagen; er werde sehr gern Zeuge sein; da müsse sie den Prozess ganz unbedingt verlieren.

Dieser Mann war ein Erpresser. Ich sagte ihm, dass ich den Prozess sofort anstrengen werde, und zwar zunächst nicht gegen Frau Münchmeyer, sondern vor allen Dingen erst gegen ihn, denn er sei der jetzige Besitzer des Geschäftes, und er habe die Zeitungen mit den Lügen gefüttert, durch welche mir der moralische Boden zur Gewinnung des Prozesses entzogen werden solle. Er könne sich entfernen; für heut sei ich mit ihm fertig.

Das hatte er nicht erwartet. Aber er glaubte, diese Abweisung nicht auf meinen Charakter, sondern darauf zurückführen zu müssen, dass ich die Gefahr, in der ich schwebte, noch nicht genug kannte. Darum ging er in seinen Mitteilungen aus seiner bisherigen Vorsicht heraus und einige Schritte weiter. Er gab folgendes zu hören:

Karl May behauptet, er habe die fünf Romane sittlich einwandfrei geschrieben und der Firma Münchmeyer nur für eine Auflage von 20 000 überlassen; dann gehören sie wieder ihm.

Die Firma Münchmeyer behauptet, diese Romane seien von Karl May unsittlich geschrieben und von ihr mit allen Rechten gekauft und bezahlt worden; sie gehören ihr also für immer, und sie könne mit ihnen machen, was sie wolle.

Wenn Karl May die Firma Münchmeyer verklage, komme es darauf an, an welche Partei der Richter glaube.

Nun wisse man aber, das [dass] Karl May wegen Unzucht mit Schulmädchen im Zuchthause gewesen sei.

Ferner sei es jetzt aus mehr als tausend Zeitungen und Journalen zur Evidenz erwiesen, dass Karl May diese Romane „abgrundtief unsittlich“ geschrieben habe.

Zum Ueberfluss sei öffentlich festgestellt, dass Karl May an schlimmen Geschlechtskrankheiten leide.

Und endlich wisse jedermann, dass Karl May wegen dieser höchst blamabeln Krankheiten in Tölz in Oberbayern gesteckt habe,

der Welt aber weismachen liess, dass er sich auf einer Studienreise in Asien und Afrika befinde.

Karl May sei also schon jetzt, vor Beginn des Prozesses als Lügner, Schwindler, vollständig sittenloser und sogar syphiliskranker Mensch öffentlich entlarvt.

Die Antwort auf die Frage, ob er den beabsichtigten Prozess gewinnen könne, ergebe sich da ganz von selbst.

Selbst wenn alle diese Behauptungen sich als unwahr erwiesen, was aber vollständig ausgeschlossen sei, würde der Prozess von der Firma Münchmeyer nicht bloss vor Gericht, sondern auch in den Zeitungen derart geführt, dass Karl May sogar als schliesslicher Gewinner des Prozesses für immer kaput und moralisch vernichtet sein würde.

Hieraus folgt, dass es für Karl May gar nichts Besseres geben kann, als seine Romane für 70 000 Mark zurückzukaufen und dadurch einen unerbittlichen Feind in einen guten Freund und Helfer und nützlichen Zeugen zu verwandeln.

Der jetzige Augenblick sei ausserordentlich wichtig. Denn werde Herr Adalbert Fischer heut abgewiesen, so komme er niemals wieder, und Karl May gehe unbedingt zu Grunde.

Uebrigens sei alles, was Herr Fischer jetzt und hier gesagt habe, nur im grössten Vertrauen und unter strengster Diskretion gesagt. Etwa vor Gericht hierüber befragt, würde er kein Wort eingestehen, sondern alles als Schwindel von Karl May bezeichnen. Dieser sei dann doppelt schwer blamiert.

Nun wisse ich, was ich zu wissen habe, und solle mich sofort entscheiden, ob ich die 70 000 Mark bezahlen wolle oder nicht!

Dieser Erpresser brauchte auf die gewünschte Entscheidung keinen Augenblick zu warten. Sie verstand sich ganz von selbst: Ich wies ihm die Tür, und er entfernte sich unter Drohungen, die er später im höchsten Grade rücksichtslos und unerbittlich auszuführen verstand.

Ich war selbstverständlich überzeugt, dass die Witwe Münchmeyer von diesem Besuche Fischers bei mir wusste. Es war ein abgekarteter Schachzug dieser beiden gegen mich. Mir sollte angst werden! Kaufte ich die Romane zurück, so war ihm wie ihr geholfen: Er bekam 70 000 Mark geschenkt und besass nun die grosse Fabrik für nun nur noch 100 000 Mark. Und sie war aller Sorgen frei und mich für immer los. Denn

wenn ich die Romane zurückkaufte, so gestand ich damit ein, dass sie mir nicht mehr gehörten. Und indem ich sie zurückkaufte, konstatierte ich, dass sie wirklich die von mir geschriebenen Romane seien; ich nahm also den Vorwurf der Fälschung zurück, und meine literarische Unsittlichkeit war klar erwiesen, noch dazu von mir selbst! Das hätte diesen beiden Personen mit lautem Jubel in alle Welt hinaus verkündet.

Herr Adalbert Fischer hatte diesen Schachzug in etwas anderer Weise ausgeführt, als ihm wahrscheinlich aufgetragen worden war. Der unerwartete Widerstand von meiner Seite hatte ihn verführt, offener zu sein und in seinen Mitteilungen weiter zu gehen, als er eigentlich sollte und durfte. Um mich zur Zahlung der 70 000 Mark doch noch geneigt zu machen, hatte er mir, wenn auch nicht alles, aber doch viel, sehr viel verraten. Zwar direkt im Prozess konnte ich es nicht verwenden, denn er war es mir ja nicht geständig; aber ich wusste nun doch, woran ich war und was ich alles zu erwarten hatte.

Ich verklagte Adalbert Fischer. Kaum war dies geschehen, so gesellte Frau Münchmeyer sich ihm als Nebenintervenientin bei. Meine Vermutung, dass beide Hand in Hand gegen mich standen, war also richtig gewesen. Ich hatte es von jetzt an mit zwei Gegnern zu tun, von denen der Münchmeyersche sofort die strategische Oberleitung des ganzen Feldzuges gegen mich übernahm. Er hiess Gerlach, hatte von Jugend auf im Münchmeyerschen „Schundverlage“ verkehrt und die Athmosphäre [Atmosphäre] desselben derart eingeatmet, dass der Prozess für seinen ganzen, viele Jahre langen Verlauf eine ausgesprochene, Münchmeyersche Kolportagefärbung bekam. Sachlich konnte gegen meine Ansprüche nichts vorgebracht werden, so ging man also umso unbedenklicher persönlich gegen mich vor, und alles, was von dieser Seite aus geschah, hatte nur den einen Zweck, mich als einen eidesunwürdigen Menschen hinzustellen.

Indem ich die Ueberschrift dieses sechsten Kapitels festhalte, gebrauche ich das Bild von Spinnen, die sich bemühten, mich in ihre Netze zu verstricken. Es gab ihrer mehrere, wie aus den bisherigen Abschnitten zu ersehen ist; hier spreche ich nur von zweien. Den Münchmeyerschen Rechtsanwalt vergleiche ich mit einer Riesenspinne, deren Netz sich nach allen Richtungen -

Richtungen über den ganzen Prozess von Anfang bis zum Ende zog. Er dirigierte und hielt sich für verpflichtet, mir die Hauptbisse beizubringen. Das andere, kleinere, aber ungemein hitzige Exemplar war Herr Adalbert Fischer, die wohlbekannte Journalspinne, welche die Eier der Riesenspinne in die Zeitungen zu tragen hatte, um dort ausgebrütet und so gross wie möglich gezogen zu werden. Herr Fischer hat in dieser Beziehung das allermöglichste geleistet.

So sagte er mir während der ersten Zeit des Prozesses gelegentlich unter vier Augen:

„Im Münchmeyerschen Geschäft herrschte von jeher der Plan, Sie moralisch totzumachen, falls Sie verklagen. Ich habe diesen Plan mit gekauft, und ich führe ihn aus; darauf können Sie sich verlassen! Nehmen Sie sich in acht! Vergleichen Sie sich mit mir! Wenn Sie das nicht tun, mache ich Sie durch ganz Deutschland in allen öffentlichen Zeitungen kaput! Mich kostet das höchstens einige hundert Mark Geldstrafe; Sie aber sind dann für allezeit verloren!“

Adalbert Fischer hatte sogar die Stirn, diese Drohung mehrere Male vor den Rechtsanwälten Bernstein und Kohlmann und auch anderweit zu wiederholen, so dass der Münchmeyersche Feldzugsplan, mich mit meinen Vorstrafen öffentlich in den Zeitungen kaput zu machen, immer weiter verbreitet wurde, und das war es ja, was man wollte!

Aber zu meinem Glück gab und gibt es in Deutschland gerechte Richter, die sich durch keine Zeitung beeinflussen oder gar einschüchtern lassen. Es gelang mir, durch die meinigen eine einstweilige Verfügung zu erwirken, durch welche es dem „Schundverlage“ verboten wurde, die Romane weiterzudrucken. Das war ein schwerer Schlag, der Herrn Fischer veranlasste, von Frau Münchmeyer abzulenken und weniger Rücksicht auf sie, als auf sich selbst zu nehmen. Es kam ein Vergleich zwischen ihm und mir zu Stande, der es mir ermöglichte, ihn als Zeugen gegen die Witwe Münchmeyer, seine bisherige Verbündete, zu benennen. Er wurde gerichtlich vernommen und war nun gezwungen, das, was er mir hatte ableugnen und als „Schwindel von Karl May bezeichnen“ wollen, vor den Richtern zu bestätigen. Er legte folgende Geständnisse ab:

Fischer hat, ehe er das Münchmeyersche Geschäft kaufte, den warnenden Brief gelesen, in dem ich der Witwe Münchmeyer untersagte, meine Romane mit zu verkaufen, denn sie seien nach erreichten 20 000 wieder mein Eigentum.

Fischer hat, ehe er kaufte, auch von Münchmeyerschen Angestellten erfahren, dass ich Ansprüche auf diese Romane habe.

Fischer hat, ehe er kaufte, erfahren und gewusst, dass ich wegen Unzucht mit Schulmädchen im Zuchthause gewesen sein soll.

Fischer hat fest an diese Lüge geglaubt.

Fischer hat der Witwe Münchmeyer und ihren Vertretern gesagt, er zweifle daran, dass sie meine Romane mit verkaufen dürfe.

Fischer hat gefragt, was dann geschehen solle, wenn er diese Romane mitkaufe und Karl May dann gegen ihn auftrete und ihn verklage.

Auf diese wiederholte Frage sind ihm die Antworten erteilt worden: „Haben Sie keine Angst wegen May! Da brauche ich nur ein paar Zeilen zu schreiben an May; da ist er ruhig!“

Ferner:

„Sobald ich ihm drohe, tritt er zurück!“

Und ferner:

„Den machen wir moralisch kaput, wenn er überhaupt gegen uns vorgeht. Den haben wir in der Hand!“

Hierzu noch eine ausserordentlich wichtige Bemerkung: Fischer hat nämlich vor Gericht ausgesagt, dass das, womit man mich in dieser Weise bedrohen und zum Schweigen bringen wollte, meine angeblichen Vorstrafen wegen Unzucht mit Schulmädchen sei.

Ich gebe folgende zwei Punkte zur Erwägung:

1. Als Adalbert Fischer der Witwe Münchmeyer und ihren Vertretern direkt in das Gesicht sagte, er bezweifle ihr Recht, meine Romane mit zu verkaufen, gab man ihm keine Beweise, dass man dieses Recht doch besitze, sondern man versicherte ihm nur, dass man Karl May mit seinen Vorstrafen bedrohen werde; dann werde er schweigen. Nur daraufhin, auf keiner anderen Rechtsbasis, kaufte Fischer das Geschäft!

2. Wie weiter oben erwähnt, hatte Münchmeyer sein Faktotum Walther mit einem schriftlichen Kontrakte zu mir geschickt, den ich unterschreiben sollte. Ich sollte da auf alle meine Rechte, die ich an den Romanen besass, verzichten. Dieser Versuch Münchmeyers war der direkteste Beweis, dass nicht er, sondern ich diese Rechte besass. Ich unterschrieb natürlich nicht. Diesen resultatlosen Kontrakt hatte Frau Münchmeyer sich nach dem Tode ihres Mannes aufgehoben. Er kam während der Kaufverhandlungen in Fischers Hände. Fischer ersah sofort, dass die Romane nicht mehr Frau Münchmeyer, sondern mir gehörten. Er legte ihr das wichtige Schriftstück vor und forderte Aufschluss. Da gestand sie ihm alles. Sie gab zu, dass auch dieser Versuch, mich zu überlisten, vergeblich gewesen sei; ich hatte nicht unterschrieben. Trotzdem kaufte Fischer das Geschäft und kaufte auch meine Romane!

Später, als wir uns verglichen hatten, schenkte er mir diesen nicht unterschriebenen Kontrakt zum Beweise gegen Frau Münchmeyer. Als ich ihn [ihm] bei dieser Gelegenheit einmal sehr ernst in das Gewissen sprach, meinte er:

„Was wollen Sie! Geld verdienen ist Geld verdienen; da stinkt nichts! Wenn Sie sich von Münchmeyers haben betrügen lassen, bin doch nicht ich schuld, sondern Sie selbst! Uebrigens hat diese Frau auch mich belogen und betrogen, beim Kaufe, als sie sagte, man brauche Sie nur zu bedrohen, so seien Sie still. Sie sind eben nicht still gewesen, und das macht mir grösseren Schaden, als ich sagen kann. Ich warne Sie vor dieser Frau, noch viel mehr aber vor ihrem Rechtsanwalt. Die sinnen auf Pläne, vor denen Ihnen bange werden muss! Bis jetzt hatte nämlich ich es über, Sie in den Zeitungen kaput zu machen. Nun ich mich aber mit Ihnen verglichen habe, sehen sie sich nach einem andern um, der womöglich Redakteur oder Schriftsteller ist, also Fachmann, und das Abschlachten besser versteht als ich. Denn ich habe bis jetzt in den Zeitungen auf Ihre Vorstrafen erst nur leise angespielt, weil ich immer dachte, dass wir uns doch noch einmal vergleichen würden. Das ist nun geschehen, aber nur mit mir, nicht auch mit Münchmeyers. Darum wollen die nun schärfer vorgehen und nach und nach immer deutlicher werden. Sobald -

Sobald sie einen Fachmann gefunden haben, der geschickt und auch verschwiegen ist, geht es los. Geben Sie acht! Aber ich warne Sie auch vor mir! So lange Sie so bleiben, wie Sie jetzt sind, haben Sie nichts zu befürchten; sobald Sie aber das Geringste gegen mich unternehmen, sehen Sie mich sofort wieder auf Münchmeyers Seite. Verlassen Sie sich darauf![“] –

— 7 —Herr Rudolf Lebius.

Also ich hatte eine andere Journalspinne zu erwarten, eine neue! Einen Redakteur oder Schriftsteller, einen „Fachmann“, der das Abschlachten besser versteht als sein Vorgänger! Ich meinerseits konnte mir freilich kein menschenähnliches Wesen denken, welches das „Abschlachten“ besser verstand als Herr Adalbert Fischer. Aber es war richtig; es gab doch einen, der ihn noch übertraf und noch heutigen Tages übertrifft. Und dieser eine gehörte auch nicht zu den mir völlig Unbekannten. Er hatte mir schon einmal geschrieben. Im Jahre 1902, als ich mich im Süden befand, waren mir unter anderen Postsachen auch seine Zeilen nachgeschickt worden. Er hiess Rudolf Lebius, war kürzlich nach Dresden gezogen und behauptete, er sei ein grosser Kenner und Bewunderer meiner Werke; er verehre mich aufrichtig und habe den innigen Wunsch, mich einmal als dankbarer Leser meiner Bücher besuchen zu dürfen. Ich antwortete ihm per Postkarte sehr kurz, dass ich verreist sei, mich aber nach meiner Heimkehr seiner erinnern werde. Zu meiner Frau aber sagte ich sofort nach Lesen seiner Zeilen: „Der will Geld von mir, weiter nichts! Einer solchen Lobverschwdung [Lobverschwendung] hört man sofort die gewünschte, vierstellige Summe an!“

Ich muss hier erwähnen, dass man mich wegen meiner schriftstellerischen Erfolge für einen vielfachen Millionär und ausserdem für einen sogenannten guten Kerl hält, dem es ein Vergnügen macht, so recht mit Geld um sich zu werfen. Darum gehen zahlreiche, oft höchst sonderbare Bittgesuche bei mir ein. Besonders werde ich von problematischen „Kollegen“ und Revolverjournalisten überlaufen, die sich genau so wie Herr Lebius mit überschwänglichen Hochachtungsversicherungen einführen und dann, wenn sie zu wenig oder gar nichts bekommen, in der ihnen stets mit Vergnügen offenstehenden Sensationspresse auf mich

losschlagen. In Wahrheit habe ich nicht mehr als nur so grad mein gutes, anständiges Auskommen, und wenn ich ja einmal einem meiner Nächsten helfe, so ist das nur dadurch möglich, dass ich dann mich selbst einschränke. Und nun hierauf weiter:

Am 7. April 1904 schrieb mir derselbe Mann nach Radebeul, unter Beilegung meiner damaligen Antwort:

„Sehr geehrter Herr!

Schon vor anderthalb Jahren versuchte ich, mich Ihnen zu nähern, wovon die inliegende Karte ein Beweis ist. Inzwischen habe ich hier eine neue Zeitung herausgegeben, die grossen Anklang findet[.] Können Sie mir vielleicht etwas für mein Blatt schreiben? Vielleicht etwas Biographisches, die Art, nach der Sie arbeiten, oder über derartige Einzelheiten, für die sich die deutsche May-Gemeinde interessiert. Ich würde Sie auch gern interviewen.

Mit vorzüglicher Verehrung

Rudolf Lebius,

Verleger und Herausgeber.“

Dass Herr Lebius meine damalige Karte anderthalb Jahre lang sorgfältig aufgehoben hatte, um sich Eingang bei mir zu verschaffen, dass er bei seinem erst 10 Nummern alten Blättchen schon von „grossem Anklange“ sprach und dass er die einfache Hochachtung, mit der man sich gewöhnlich zu unterschreiben pflegt, zur „vorzüglichen Verehrung“ steigerte, das bekräftigte mein damaliges Urteil über ihn: „Der will nur Geld!“

Man darf den Besuch solcher Leute nicht abweisen, zumal wenn sie mit einem wenn auch noch so kleinen Zeitüngelchen bewaffnet sind, sonst rächen sie sich. Ich schrieb ihm also, dass er kommen dürfe, und er antwortete am 28. April

„Vielen Dank für Ihr liebenswürdiges Schreiben. Ihrer freundlichen Einladung leiste ich natürlich gern Folge. Falls Sie mir nicht eine andere Zeit angeben, komme ich Montag, den 2. Mai 3 Uhr zu Ihnen (Abfahrt 3,31).

Mit grosser Hochachtung und Verehrung

Rudolf Lebius.“

Er kam zur angegebenen Zeit. Er wurde von meiner Frau empfangen und, da es grad Kaffeezeit war, zum Kaffee eingeladen. -

eingeladen. Sie stellte aber die Bedingung, dass er darauf verzichten müsse, mich zu interviewen, weil es bei mir Grundsatz sei, mich niemals dazu herzugeben. Er müsse versprechen, über diesen seinen Besuch nichts zu veröffentlichen. Er gab sein Wort!

Als ich dann aus meinem Arbeitszimmer herunterkam, stellte ich vor allen Dingen und sogleich dieselbe Forderung an ihn. Ich sagte ihm, ich wolle meinen Kaffee in Unbefangenheit und Ruhe trinken, ohne einen Revolver auf mich gerichtet zu wissen; interviewen lasse ich mich nie, weil es bekanntlich Schurken gebe, aus deren Mund oder Feder dann alles anders klingt, als es in Wirklichkeit geklungen habe; er könne also lieber gleich wieder gehen, ausser er verspreche mir, für heut nur mein Gast, nicht aber Interviewer zu sein. Er gab mir dieses Versprechen unter der Versicherung, er sei ein Ehrenmann und verstehe es sehr wohl, dass der Gedanke, alles, was man sage, werde veröffentlicht, unterhaltungstötend sei.

Ich fühlte mich zu dieser Vorsicht veranlasst, weil ich Herrn Lebius nicht traute. Die bis jetzt erschienenen Nummern der „Sachsenstimme“ – so nannte er sein Blättchen – liessen meiner Ansicht nach, nichts Gutes erwarten. Ich wollte ihn selbst während dieser gleichgültigen Kaffeestunde nicht allein bei uns haben; es musste noch jemand dabei sein, um uns vor späterem Missbrauch zu bewahren. Darum hatte ich den bekannten Militärschriftsteller und Redakteur Dittrich für dieselbe Zeit zu mir geladen. Er war noch vor Lebius eingetroffen und sorgte im Verein mit meiner Frau dafür, dass ich so wenig wie möglich zu sprechen brauchte.

Uebrigens machte mir Lebius die Schweigsamkeit, die ich mir vorgenommen hatte, sehr leicht. Er zeigte sich ausserordentlich gesprächig; ich aber brauchte nur zuzuhören. Es lag ihm sichtlich alles daran, in mir die Ueberzeugung zu erwecken, dass er ein ungewöhnlich „tüchtiger Kerl“ sei. Diesen Ausdruck wiederholte er nämlich sehr oft. Je mehr ich mich dabei in mich selbst zurückzog, desto weiter und eifriger ging er aus sich selbst heraus. Er sprach meist nur von sich, von seinen Ansichten, seinen Grundsätzen, seinen Plänen und vor allen Dingen von seiner grossen Geschicklichkeit, seinen reichen Erfahrungen und seinen ausgezeichneten Erfolgen.

In seinem Eifer, uns zu imponieren, achtete er nicht darauf, dass die Kaffeestunde längst vorüber war und dass er eigentlich nun zu gehen hatte. Er blieb und sprach immer weiter, sodass wir, als die Stunde des Abendessens kam, ihn auch zu diesem einladen mussten. Wir waren gar nicht bös hierüber, denn dieser Nachmittag war in hohem Grade interessant gewesen, besonders für mich als Schriftsteller und Psycholog. Ich hatte ganz ungestört in seelische Abgründe schauen dürfen, bei deren Schwärze und Tiefe mir ethisch schwindelte. Dieser Mann schwamm ja förmlich in einem Meere der trübsten, schmutzigsten Verneinung! Er konnte nicht die leiseste Ahnung von meinem Charakter besitzen! Er konnte nicht eine einzige Seite meiner Werke gelesen haben, in denen ich mich zu der positivsten, idealsten Weltanschauung bekenne! Und doch hatte er sich gleich in seiner ersten Zuschrift einen dankbaren Leser meiner Bücher und einen grossen Kenner und Bewunderer meiner Werke genannt! Da galt es unbedingt, ihn zu entlarven! Wir fragten ihn nach meinen Büchern, nach ihren Titeln, ihrem Inhalte, nach den hervorragendsten Personen und Ereignissen, die da beschrieben werden und die fast jeder Schulknabe kennt. Er wusste nichts, absolut gar nichts! Er wusste nur, dass ich durch diese Bücher reich geworden sei, und war zu mir gekommen, in seiner Weise an meinem Reichtum teilzunehmen!

Dittrich lachte ihm über diese vollständige Entlarvung und Entblössung in das Gesicht; Herr Lebius aber schien sich weder prostituiert noch selbstentehrt zu fühlen; er lachte einfach mit und gab, ohne sich zu schämen, zu, dass er mich und meine Bücher noch gar nicht kenne und mit seiner „Bewunderung“ und „Verehrung“ also gelogen und geflunkert habe. Es sei aber trotzdem und dennoch etwas Wahres an dieser Verehrung und Bewunderung, denn wenn sie sich auch nicht auf meine schriftstellerischen Leistungen beziehe, die er gar nicht kenne, so seien es dafür doch um so mehr meine pekuniären Erfolge, von denen er sich gern und willig imponieren lasse. Um ihn zu verstehen und zu begreifen, sei es für uns nötig, sein religiöses, moralisches, politisches und soziales Bekenntnis anzuhören. Er lebe es uns vor, weil er wünsche, auch uns so frei und glücklich zu sehen, wie er durch diese seine Grundsätze selbst geworden sei. Und nun bekamen wir folgendes zu hören:

Es ist eine grosse Tat und ein grosser Vorzug des Herrn Lebius, öffentlich zu bekennen, dass er aus der christlichen Kirche getreten sei. Denn nur wer keinen Glauben und keine Religion hat, ist frei, ist ein Mann, ist eine wirkliche Persönlichkeit!

Gott, Himmel, Hölle, Seligkeit, Verdammnis, Ehre, Gehorsam, Gerechtigkeit, Wissenschaft, Kunst, Schönheit, Sitte, Moral usw. das alles ist nur Mumpitz, ist höchstens Mittel zum Zweck. Der Gelderfolg ist alles. Er ist der einzige wirkliche Erfolg, den es auf Erden gibt. Und dieser Erfolg ist es, den Rudolf Lebius an Karl May, dem reich gewordenen Sohn blutarmer Webersleute, bewundert!

In sozialer Beziehung gibt es nur Hammel und Schafe, Herren und Knechte, Gebietenden und Gehorchende. Die Menschheit ist eine grosse Schafherde. Wer aufhören will, Schaf zu sein, muss Hammel werden, ganz gleich, bei welcher Herde, bei den Liberalen oder bei den Konservativen, bei den Sozialdemokraten oder bei den Polen und Welfen. Geht es bei der einen Herde nicht mehr, so geht es bei der andern. Die Hauptsache dabei ist, dass der Uebertritt von einer Herde zur andern mit der nötigen Begeisterung geschieht, weil die Schafe das so verlangen.

Ist man Hammel geworden, so hat man sich sofort mit einer Zeitung auszurüsten, denn die Presse verleiht Macht, und Macht bringt Geld.

Mit dieser Zeitung hat man sich vor allen Dingen das Vertrauen der Herde zu gewinnen. Dies geschieht am leichtesten durch die sogenannte redaktionelle oder journalistische Allwissenheit.

Mit dieser Allwissenheit verhält es sich folgendermassen: Kein Mensch ist fehlerlos; jeder Mensch hat irgend etwas zu verbergen. Besonders bei den Regierenden und Befehlenden, bei den Vorgesetzten und Beamten, bei den Richtern und Polizisten, bei den Fabrikbesitzern, Fabrikanten und Direktoren hat jeder Werg am Rocken, hat jeder eine heimliche Schuld und Sünde, die er nicht an die Oeffentlichkeit kommen lassen darf. Ein pfiffiger Leithammel und Redakteur forscht diesen Sünden ebenso heimlich nach und ruht nicht eher, als bis er sie entdeckt. Und alles, was er entdeckt, bringt er in sein Blatt, doch ja nicht so deutlich, dass ihn der Richter und die Polizei fassen kann, aber doch so, dass man ihn versteht und Angst vor ihm bekommt.

Hat er diese Angst und Furcht erreicht, so ist er der Gebieter über alle, denen man sonst zu gehorchen hat, und sie sind gezwungen, nach seiner Pfeife zu tanzen. Auch bei jedem anderen Menschen suche man vor allen Dingen zu erfahren, was er zu verbergen hat. Dann beherrscht man ihn sofort. Ich, Lebius, habe auf diese Weise für die Leser meiner Zeitungen, also für meine Schafe, schon oft sehr viel erreicht! Man wird dadurch nicht nur der Herr der Obrigkeit, sondern auch der Untertanen. Man kommt in den Ruf, „ein tüchtiger, pfiffiger Kerl“ zu sein, und kann von der Herde verlangen, was man will.

Wer etwas werden und zu etwas kommen will, der hat stets nach dem Grundsatz zu handeln:

„Wer am meisten zahlt, der hat uns!“

So oft ich mich nach diesem Grundsatz gerichtet habe, ist es mir wohl dabei gegangen. Alle meine grossen ausserordentlichen Erfolge als Parteimann, als Journalist, als Buchhändler und Verleger habe ich diesem Prinzip zu verdanken. Auch meine reichen Erfahrungen und meine besondere Beliebtheit bei denen, die ich leite, stammt aus derselben Quelle. Man weiss, dass es nicht leicht und auch nicht billig ist, ein einflussreiches Blatt zur Seite zu haben. Nur wer Geld hat, kann das erreichen, und nur wer Geld hat, kann sich einen eigenen Willen und eine eigene Meinung gestatten. Leider aber haben wir Journalisten und Redakteure meist keines. Darum sind wir gezwungen, gegen unsere Ueberzeugung zu handeln und zu schreiben und nur denen zu dienen, von denen wir Geld bekommen. Darum wiederhole ich: Wer am meisten zahlt der hat uns!

Dass diese Grundsätze zunächst nur mir gegeben wurden, und zwar aus sehr pekuniären Gründen, das sah und hörte man Herrn Lebius deutlich an. Ich stand damals an dem Entscheidungspunkte meines entsetzlichen Münchmeyerprozesses, wurde von alles Welt verurteilt und befehdet und hatte kein einziges Blatt, welches den Mut besass, sich meiner anzunehmen. Da konnte es ein Lebius wohl wagen, zu mir zu kommen, um das Terrain unter solchen Redensarten zu sondieren.

Er hatte während des Abendessens schnell und viel starken Wein getrunken. Das war wohl der Grund, dass er so sehr viel aufrichtiger war, als er eigentlich durfte. Diese seine

Aufrichtigkeit verstieg sich sogar zu folgenden zwei Punkten, die ich ganz besonders hervorzuheben habe:

Er brachte nämlich mehrere Male eine ganz bestimmte, unzweideutige Bemerkung, aus der ich ersehen sollte, dass ihm alles, was man über meine sogenannten Vorstrafen sagte, bekannt sei.

Und er war über alle Vorwürfe, die man mir machte, und über alle Einzelheiten der sogenannten Karl May-Hetze, die damals schon fünf Jahre währte, so genau unterrichtet, dass ich seinen heutigen Besuch als einen ganz ungemein wohlvorbereiteten zu betrachten hatte. Dieser Mann handelte nach einem klar und reiflich überlegten Plane! Er sagte im Laufe der Unterhaltung, er wisse sehr wohl, dass und warum alle Welt auf mich einschlage. Er wisse, dass ich völlig unschuldig sei. Er bewundere meine Ruhe und Ausdauer. Und er stelle mir sich selbst und seine „Sachsenstimme“ zur Verfügung, um mich zu retten. Ich antwortete ihm, dass ich keinen Retter brauche; diese Angelegenheit sei bereits ihrem Ende nahe. Hierauf äusserte er, ich sollte mir das doch erst reichlich überlegen, ehe ich sein Anerbieten zurückweise. Er seinerseits werde bis auf weiteres bei seinem Vorschlage bleiben.

Weil es sich herausgestellt hatte, dass er weder den Inhalt meiner Werke kannte, noch von meinen Idealen, Zwecken und Zielen etwas wusste, hielt ich es für gefährlich, ihn in dieser absoluten Unwissenheit zu lassen. Dass er Geld von mir wollte, war gewiss. Dass er es verlangen würde, war ebenso gewiss. Und dass er, schon um seiner Grundsätze willen, keins bekommen würde, selbst wenn ich welches übrig hätte, das war am allergewissesten. Hierauf stand mir, so wie ich ihn heut kennen gelernt hatte, seine Rache mit tödlicher Sicherheit bevor. Darum beeilte ich mich, ihn noch an diesem Abende über meine Person und meine Bücher derart aufzuklären, dass er nun ganz genau wusste, woran er war. Trat er dennoch später à la Schund und Kolportage gegen mich auf, so war er eben – – – nun der, als den Herr Rudolf Lebius sich später erwiesen hat! Er erfuhr also alles, was jeder wirkliche Karl May-Leser über meine Bücher weiss. Ich betone ganz besonders, dass ich ihm auch alle die Aufklärungen gab, die auf den Seiten 81 bis 83 des vorliegenden Buches zu lesen sind, und wenn er später so tat

und sogar noch heut so tut, als ob er mich zu den Schund- und Schandschriftstellern rechne und ganz und gar nichts Besseres über mich wisse, so habe ich das eben mit auf die Liste zu bringen, die ich den Lesern später über die Eigenschaften des Herrn Lebius vorlegen werde.

Noch ehe er sich an diesem Abende mit Herrn Max Dittrich entfernte, beklagte ich mich absichtlich über die vielen Briefe, in denen man mich, den gar nicht reichen Mann, mit Bitten um Geld überschüttet, und tat dies in einer Weise, die jeden gebildeten und ehrenhaften Menschen abhalten musste, mir mit ähnlichen Wünschen zu kommen. Schon gleich am nächsten Tage schrieb er mir folgenden Brief:

„Dresden-A., den 3. 5. 04.

Sehr geehrter Herr Doktor!

Indem ich Ihnen herzlich für den freundlichen Empfang und die erwiesene Gastfreundschaft danke, bitte ich Sie, wenn Sie die Kunstausstellung besuchen oder sonst einmal nach Dresden kommen, bei uns zu Mittag essen oder den Kaffee einnehmen zu wollen.

In einem Punkte muss ich unser gestriges Abkommen widerrufen. Ihre unentgeltliche Mitarbeit kann ich nicht annehmen. Wir zahlen 10 Pf. für die Zeile, was wohl derselbe Preis sein wird, den Sie auch von anderen Blättern erhalten haben.

Was Sie mir gestern erzählt haben, habe ich heute noch einmal überdacht. Es will mir scheinen, als ob trotz des kollossalen Absatzes Ihrer Werke der Umsatz noch erheblich gesteigert werden könnte. Meine Buchhändler- und Verlagserfahrungen haben mich gelehrt, dass der Wert einer richtig geleiteten Propaganda und direkten Reklame gar nicht überschätzt werden kann.

Meine Frau und ich empfehlen sich Ihrer werten Frau Gemahlin und Ihnen in Verehrung und Dankbarkeit ergebenst

Rudolf Lebius.“

Ich hatte nämlich auf seine Aufforderung, für die „Sachsenstimme“ zu schreiben, geantwortet, dass ich das nur unentgeltlich tun könne.

Um diese Zeit schrieb Max Dittrich eine Brochüre über mich und meine Werke. Er war so unvorsichtig, das Manuskript Lebius zu zeigen. Dieser kam sofort nach Radebeul geeilt, um mich zu bitten, mich bei Dittrich dafür zu verwenden, das [dass] dieser ihm, Herrn Lebius, das Werk in Verlag gebe. Er wurde ganz selbstverständlich mit dieser Bitte abgewiesen, und ich schrieb Herrn Max Dittrich, dass ich niemals wieder mit ihm verkehren würde, wenn es ihm einfalle, diesem Manne die Brochüre zu überlassen.

Dieser zweite Besuch des Herrn Lebius dauerte höchstens zehn Minuten lang. Als er fort war, fehlte mir eine Photographie, die er mir entwendet hatte. Er durfte nie wiederkommen. Trotzdem hat er wiederholt behauptet, in meinem Hause vielfach verkehrt zu sein und mich sehr genau studiert zu haben.

Schon am nächsten Tage, am 12. Juli 1904, schrieb er mir:

„Dresden-A. 12. 7. 04.

Fürstenstrasse 34.

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich möchte sehr gern die Dittrichsche Broschüre verlegen und würde mir auch die grösste Mühe geben, sie zu vertreiben. Durch den Rücktritt von der „Sachsenstimme“ – offiziell scheide ich erst am 1. Oktober d. J. aus – bin ich aber etwas kapitalschwach geworden.

Würden Sie mir vielleicht ein auf drei Jahre laufendes 5prozentiges Darlehen gewähren? Ich zahle Ihnen die Schuld vielleicht schon in einem Jahre zurück.

Als Dank dafür würde ich die Broschüre so lanzieren, dass alle Welt von dem Buche spricht. Ich habe ja auf diesem Gebiete besonders grosse Erfahrung.

Meine Zeitung kommt zu Stande und zwar auf ganz solider Basis. Nun heisst es arbeiten und zeigen, dass man ein ganzer Kerl ist usw. usw. Beste Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin! Ihr Ihnen ergebenerRudolf Lebius.“

Ich antwortete nicht. Ich war der Ansicht, dass jemand, der Ehre besitzt, auf ein solches Schweigen nicht weitergehen könne, zumal ich Herrn Lebius mit der Brochüre total abgewiesen hatte. Aber am 8. August schrieb er trotzdem wieder:

„Die „Sachsenstimme“ ist am 4. d. zu vorteilhaften Bedingungen an mich allein übergegangen. Ich kann jetzt schalten und walten, wie ich will. Um mich von dem Drucker etwas unabhängiger zu machen, würde ich gern einige tausend Mark (3–6) auf ein halbes Jahr als Darlehn aufnehmen. Ein Risiko ist ausgeschlossen. Hinter mir stehen die jüdischen Interessentenfirmen, die mich, wie die letzte Saison bewiesen hat, in weitgehendem Masse unterstützen. Das Weihnachtsgeschäft bringt wieder alles ein. Würden Sie mir das Darlehen gewähren? Zu Gegenleistungen bin ich gern bereit. Die grosse Zahl von akademischen Mitarbeitern erhebt mein Blatt über die Mehrzahl der sächsischen Zeitungen. Wir können ausserdem die Artikel, auf die Sie Wert legen, an 300 oder mehr deutsche und österreichische Zeitungen versenden und den betreffenden Artikel blau anstreichen. So etwas wirkt unfehlbar. In Dresden lasse ich mein Blatt allen Wirtschaften (1760) zugehen.Mit vorzüglicher Hochachtung

Rudolf Lebius.“

Zu derselben Zeit erfuhr ich, dass Lebius den Offenbarungseid geleistet hatte, dass er also nichts besass, dass er den Drucker seines Blattes nicht bezahle, dass er überhaupt Schulden habe, und dass er sogar auch Honarar [Honorar] schuldig bleibe. Ich war der Meinung, dass seine Behauptungen „Ein Risiko ist ausgeschlossen“, von der „grossen Zahl der akademischen Mitarbeiter“, von den 1760 Wirtschaften usw. vor den Staatsanwalt gehöre. Ich antwortete ihm nicht. Da schrieb er am 15. August nicht an mich, sondern an Max Dittrich:

„Werter Herr Dittrich!

Ich gebe Ihnen für die Vermittlung ein Prozent. Mehr als 10 000 Mk. brauche ich nicht. Ich würde auch mit weniger vorlieb nehmen. Das Honorar sende ich am 20. d. wie verabredet.

Könnten Sie nicht Dr. May bearbeiten, dass er mir Geld vorschiesst?

Freundlichen Gruss

R. Lebius.“

Dann am 27. August:

„Werter Herr Dittrich!

Meine Frau kommt am 1. September zu Herrn Dr. Klenke, einen kleinen Betrag kassieren. Bei dieser Gelegenheit gibt Sie Ihnen Ihr Honorar. Sie haben meine schriftliche Zusage, dass ich Ihnen 1 Prozent von dem Gelde gebe, welches Sie mir von H. V. oder Dr. M. (May) vermitteln. Sie erhalten das Geld sofort.....

Freundlichen GrussLebius.“

Er war nämlich Herrn Max Dittrich ein Honorar von 37 Mark 45 Pfennigen schuldig, welches er trotz der Kleinheit dieses Betrages nicht bezahlen konnte. Es wurde ihm daraufhin ein Spiegel gerichtlich abgepfändet. Als er von Dittrich anstatt der 10 000 Mark von mir, eine Mahnung um diese 37 Mark 45 Pfennig bekam, schrieb er ihm am 3. September:

„Geehrter Herr Dittrich!

Ich habe Herrn Dr. med Klenke ersucht, Ihnen 40 Mk. zu meinen Lasten gutzuschreiben. Ihr Verhalten mir gegenüber finde ich höchst sonderbar, um nicht zu sagen beleidigend.

Achtungsvoll

R. Lebius.“

Diesem Dr. Klenke fiel es aber auch nicht ein, die Schulden des Herrn Lebius zu bezahlen, und so kam in logischer Folgerichtigkeit am 7. September in Form einer Postkarte folgende Drohung bei mir an:

„Werter Herr!

Ein gewisser Herr Lebius, Redakteur der „Sachsenstimme“, erzählte einem Herrn, dass er einen Artikel gegen Sie schreibt. Ich habe es im Lokal gerade gehört. Es warnt Sie ein Freund vor dem Manne.B.“

Ueber den Verfasser und den Zweck dieser Karte war ich mir natürlich sofort im Klaren. Auch das Gutachten der vereideten Sachverständigen lautet dahin, dass sie unbedingt von Lebius selbst geschrieben ist. Jedenfalls erwartete er ganz bestimmt, dass ich auf diese Erpressung hin die 10000 Mark zahlen

werde. Gab ich sie nicht, so waren mir nicht nur der jetzt angedrohte, sondern auch noch weitere Racheartikel sicher und auch noch anderes dazu, war mich in Besorgnis setzen musste.

Ich ahnte nämlich, dass Herr Rudolf Lebius bestimmt war, der „Redakteur oder Schriftsteller, also der Fachmann zu sein, der es noch besser als Herr Adalbert Fischer verstand, mich abzuschlachten.“ Seine „Sachsenstimme“ entwickelte sich immer mehr und mehr zum Skandal-, Revolver- und Erpressungsblatt, und die „Schundverlagsleute“ hätten blind sein müssen, um nicht schon längst gesehen zu haben, dass dieser Mann der geeignetste Henker für mich sei! Gab ich ihm die 10 000 Mark, so hatte ich ihn auf meiner Seite und konnte überzeugt sein, dass er mit mir gegen Münchmeyer durch Dick und Dünn gehen werde. Gab ich sie ihm aber nicht, so hatte ich das Schlimmste zu befürchten. Das sagte ich mir sehr wohl! Aber meine Sache war eine gerechte, und mir einem [einen] derartigen Charakter durch Geld zu erkaufen, das hätte mich zur ewigen Scham vor mir selbst getrieben. Darum liess ich auch jetzt nichts von mir hören und sah mit gutem Gewissen dem unvermeidlichen Artikel entgegen, der am 11. September 1904 in Nummer 33 der „Sachsenstimme“ erschien und die dreifache Ueberschrift hatte:

„Mehr Licht über Karl May

160 000 Mark Schriftstellereinkommen

Ein berühmter Dresdner Kolportageschriftsteller“.

In dieser Veröffentlichung wurde der Besuch des Herrn Lebius in meinem Hause in einer Weise ausgebeutet, zu der nur dieser seltene Mann befähigt war. Und zwar trotz seines Wortes, welches er sowohl meiner Frau als auch mir selbst gegeben hatte – – – als Ehrenmann! Gleich als ich diesen Aufsatz zum ersten Male las, zählte ich über siebzig Unsauberkeiten, die er enthielt, zusammen. Die hauptsächlichsten von ihnen sind in der

Rudolf Lebius-Liste, Nummer 11 bis 52

aufgezählt. Ich bitte, sie dort nachzulesen! Ich habe in dieser Liste zwischen gewissenloser Behauptung, wissentlicher Unwahrheit (also Lüge), absichtlicher Fälschung, raffinierter Bosheit und Infamie unterschieden. Dieses Buch soll in die Oeffentlichkeit

gehen. Wäre es nur für juristische Kreise bestimmt, so würde ich diese Unterscheidung unterlassen haben. Ich habe zu diesem ersten Artikel des Herrn Lebius gegen mich nur die folgenden, kurzen Bemerkungen zu machen:

Wenn man in einer Veröffentlichung von nur ca. 200 Zeilen über 70 fragwürdige Stellen resp. 42 mehr oder weniger boshafte oder infame Unwahrheiten anzustreichen hat, so kommt auf drei Zeilen eine Fragwürdigkeit und auf je fünf Zeilen etwas noch viel Schlimmeres. Ich meine, so etwas kann nur Herr Rudolf Lebius leisten!

Bezeichnend ist das Eingeständnis, dass er diesen Artikel wegen der Dittrichschen Broschüre geschrieben habe, die er so gern haben wollte und doch nicht bekommen hat. Also Rache hierfür!

Und noch bezeichnender ist, dass er zwischen seine unqualifizierten Angriffe hinein immer wieder behauptet, dass er mich trotz alledem bewundere. Dadurch schlingt er sich die Aureole der Gerechtigkeit und der Objektivität um das Haupt und ermöglicht sich den Rückzug für den Fall, dass ich das Geld vielleicht doch noch bezahle.

Kurze Zeit nach diesem Artikel wurde Herr Rudolf Lebius von dem Leipziger Tageblatte

als geborener Verbrecher

bezeichnet, und die „Frankfurter Zeitung“ beschuldigte ihn des Grössenwahnes. Fügt man hinzu, dass Lebius gleich darauf in seiner „Sachsenstimme“, die er aber aus taktischen Gründen jetzt plötzlich und einstweilen „Pilatus“ nannte, seinen Grundsatz

„der Meistbietende hat uns!“

erläuterte und dieses Wort sogar sehr fett gedruckt hervorhob, so wird man es begreifen, dass ich mich nicht verleiten liess, auf seinen Artikel öffentlich einzugehen. Infolge dieses meines Schweigens und infolge des Ausbleibens des nun erst recht und ganz gewiss erwarteten Geldes bekam ich in Nummer 40 des „Pilatus“ folgenden Wink:

Unserer Meinung nach gibt es seit dem Erscheinen des „Pilatus“-Artikels über Karl May keine Karl-May-Frage mehr.

Das war doch so zu verstehen, dass die Diskussion über mich zu schliessen sei. Sie wurde aber, als ich auch hierauf

nichts tat, sofort wieder eröffnet, indem Herr Lebius mich in seiner Nummer 43 beschuldigte, mir unberechtigter Weise den Doktortitel zugelegt zu haben und meine Reiseabenteuer in meiner Radebeuler Studierstube zu erdichten. Zugleich wiederholte er, dass meine Schriften mir jährlich 160 000 Mark eingebracht hätten, jetzt aber nach den Enthüllungen über meine Person nur noch die Hälfte. Begleitet war dieser neue Hieb von meinem Bilde. Das waren Kleinigkeiten, die mir andeuten sollten, dass es von nun an schlimmer kommen werde, falls ich noch weiter schweige. Und als ich dies doch tat, erschien in Nummer 44 unter der Marke

„Karl May und die Sachsenstimme“

ein schärferer Artikel, der in 51 Zeilen 12 hervorragende Unwahrheiten enthielt. Man lese das in der

Rudolf Lebius-Liste Nummer 54 bis 65

nach! Als ich auch auf diese Anzapfung nicht reagierte, erschien schon in Nummer 46 ein weiterer Artikel mit der Ueberschrift „Zur Mayfrage“, obgleich soeben erst in Nummer 40 behauptet worden war, dass es keine Mayfrage mehr gebe.

Das hatte einen ganz besonderen, für mich ausserordentlich wichtigen Grund. Es stellte sich in dieser Nummer nämlich heraus, dass Herr Rudolf Lebius, Frau Münchmeyer, deren Rechtsanwalt Gerlach und Herr Adalbert Fischer sich zusammengefunden hatten. Herr Rudolf Lebius hatte sein Amt als „Journalspinne“ angetreten und begann, mich derart „abzuschlachten“, wie die Herren und Damen des „Schundverlages“ wünschten. Herr Fischer wurde öffentlich als der Inhaber grosser, für mich sehr gefährlicher Geheimnisse hingestellt, und, last not least, die Vorstrafen wurden zum ersten Male an dieser Stelle erwähnt, also ganz so, wie Herr Fischer es mir vorausgesagt hatte. Das kam von Gerlach, dem Münchmeyerschen Rechtsanwalt!

Uebrigens enthielt dieser Artikel in 58 Zeilen wieder 9 offenbare Unwahrheiten, die in der

Rudolf Lebius-Liste Nummer 66 bis 74

verzeichnet stehen.

Nun Herr Rudolf Lebius sich der Sache des „Schundverlages“ angenommen hatte, ging er auf diesem moralischen

Grund und Boden in höchster Energie gegen mich vor. Es kam schon in der nächsten Nummer, also 47, ein neuer Artikel, der in 110 Zeilen 13 höchst raffinierte Unwahrheiten brachte. Sie sind

Rudolf Lebius-Liste Nummer 75 bis 86

nachzulesen.

Auf die Vorstrafen wird von jetzt an grösseres Gewicht gelegt. Die Unsittlichkeitsvergehen verwandeln sich in Eigentumsvergehen, und für die nächste Nummer werden noch weitere Enthüllungen verheissen. Sodann wird mein amerikanisches Doktordiplom mit Gewalt herbeigezogen, um einer Fälschung der Jahreszahl und der ministeriellen Bescheide unterworfen zu werden. Und endlich kommt das, was für die Münchmeyer das wichtigste war. Es wird nämlich mein Prozess ganz im Münchmeyerschen Sinne dargestellt und diese Darstellung durch die vollständig unberechtigte Ueberschrift „Amtliches Material“ für die Richter dieses Prozesses geniessbar gemacht.

Da sah ich denn ein, dass es jetzt nicht mehr vornehm, sondern töricht war, zu diesen unausgesetzten Angriffen zu schweigen. Es handelte sich nicht mehr allein um meine persönliche und schriftstellerische Ehre, sondern um den Verlust des Prozesses. Das mir angedrohte „Kaputmachen in den öffentlichen Zeitungen“ ging mit Riesenschritten vorwärts, und wenn ich hierzu noch länger schwieg, wurde ich auch noch kaput vor den Richtern. Ich schritt zur Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Das geschah am 19. Dezember. Die Antwort hierauf gab mir Herr Lebius in der Nummer 48 der „Sachsenstimme“, in der er seinen Lesern mitteilte, dass ich meine Vorstrafen infolge eines Einbruches in einen Uhrenladen erlitten habe. Diese Nummer erschien genau am 25. Dezember, also am ersten Weihnachtstage. Aber schon einen Tag vorher, am Weihnachts-Heiligenabend, prangten an den Schaufenstern der Dresdner Buchhändlerläden grosse Plakate, auf denen in weithin sichtbarer, rotfarbiger Riesenschrift die Ankündigung

„Die Vorstrafen Karl Mays“

zu lesen war. Das war das liebe, heilige Weihnachtsfest, welches Herr Lebius mir dafür bereitete, dass ich ihn trotz

alledem bisher immer noch als Mensch betrachtet und behandelt hatte!

Ueber den Erfolg der Strafanzeige habe ich später zu berichten. Meine Verfolgung durch Herrn Lebius stand eine ganze Zeit lang still. Die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zwang ihn zur einstweiligen Ruhe. Aber ganz schweigen konnte er nicht. Er sagte in der Nummer 11 des folgenden Jahres:

„Es gibt in Sachsen nur ein Blatt, das der Wahrheit ohne Rücksicht auf die Folgen dient. Dieses Blatt ist die „Sachsenstimme“!“ Wahrlich ein stolzes Wort! Und als Beweis brachte er unter anderen Beispielen auch mich: „Wir erinnern nur an die Stellungnahme der „Sachsenstimme“ zum Fall Karl May …“

Ganz plötzlich warf er sich mit einem neuen, in Nummer 12 der „Sachsenstimme“ erscheinenden und „Wer sind die Hintermänner der Dresdner Rundschau“ überschriebenen Artikel über mich her, ohne dass ich ihm die allergeringste Veranlassung dazu gegeben hatte. Herr Lebius war mit der „Dresdner Rundschau“ schwer verfeindet und führte immerwährend Krieg mit ihr. Im Verlaufe dieser Kämpfe warf ihm die Rundschau vor, wie er sich gegen mich benommen hatte. Auf diesen Vorwurf hin zog er von neuem gegen mich los. In der

Rudolf Lebius-Liste Nummer 88 bis 104

sind die 17 hervorragendsten Unwahrheiten aufgezeichnet, die er in diesem Artikel brachte.

Er veröffentlicht da von neuem die ganze Doktor-Diplom-Affäre, natürlich nur, um mir zu schaden, schadet aber nur sich selbst, indem er sich mit eigener Hand als absichtlichen „Fälscher“ entlarvt. Er gesteht hier nämlich zu, dass ich das Doktordiplom am 14. März 1903 dem Ministerium vorgelegt habe, während er, um mich als Fälscher und Schwindler zu entlarven, in seiner „Sachsenstimme“ Nummer 47 behauptete, dass ich das erst März 1904 getan habe. Er war sogar so kühn, diese seine eigenhändige Fälschung damals in grossen Buchstaben als „Amtliches Material“ zu bezeichnen und ist nun infolge seiner Vergesslichkeit in die eigene Falle gestürzt.

Ich muss nun meine Leser dringend bitten, auf das, was ich jetzt zu sagen habe, ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zu richten, denn es ist für die Beurteilung des Herrn Lebius von allergrösster Wichtigkeit.

Ich hatte bekanntlich, als dieser Herr seinen Besuch bei mir machte, den Redakteur und Militärschriftsteller Max Dittrich als Zeugen dazu geladen, aus Misstrauen und Vorsicht, um gegen etwaige spätere Lügen und Schwindeleien des Herrn Lebius durch einen vollgültigen Zeugen geschützt zu sein. Herr Dittrich war damals von Anfang bis zum Ende anwesend und hatte jedes von mir gesprochene Wort gehört. Einen solchen Zeugen zu haben, wurde Herrn Lebius mit der Zeit immer peinlicher, immer gefährlicher. Er beschloss darum, ihn eidesunwürdig zu machen, also ganz dasselbe, was er auch bei mir getan hat und noch heute tut. Es ist das, wie sich später zeigen wird, ein persönlicher Trick von ihm, den er für unfehlbar hält – – – eidesunwürdig machen!

Er befolgt dabei den Grundsatz, den er uns während seines Besuches bei uns vortrug: Jeder Mensch, jeder Polizist und Richter, jeder Beamte hat Werg am Rocken, hat eine Schuld auf sich, die er verheimlichen muss. Man muss das entdecken und in die Zeitung bringen; dann wird man Herrscher und als „tüchtiger Kerl“ bekannt. So tat Herr Lebius auch hier. Die erste Frau Max Dittrichs war gestorben; von der zweiten Frau hatte er sich scheiden lassen; jetzt war er infolge eines Schiffsbruches, bei dem er nur gefährlich verletzt dem Tode entging, schwer nervenkrank geworden. Das gab ein hochinteressantes Material, aus dem sich jedenfalls etwas machen liess! Herr Lebius ging also aus, um nach dem „Werg am Rocken“, nach der „heimlichen“ Schuld und Sünde zu suchen. Er forschte überall, schriftlich, mündlich, persönlich. Er stellte sich überall ein, wo er glaubte, etwas erfahren zu können. Er scheute sich nicht, sogar zu Dittrichs Verwandten zu gehen. Er schlich sich zu Dittrichs alter Schwägerin, zu Dittrichs Neffen und Nichte, sogar zu Dittrichs zweiter Frau, die wieder verheiratet war und in glücklicher, stiller Ehe lebte. Sie antworteten vertrauensvoll und unbefangen. Aber als er plötzlich zu ihrem Entsetzen die Worte „Gericht“ und

„Eid“ fallen liess, da fühlten sie die Krallen, in die sie geraten waren. Sie hatten nichts Böses sagen können und baten, sie aus dem Spiele zu lassen. Er versprach es ihnen. Besonders entsetzt über die Aussicht, in diesen Lebiusschen Schmutz verwickelt zu werden, war Dittrichs zweite Frau. Ihr jetziger Mann war ein lieber, guter, aber in Beziehung auf die „Ehre“ sehr streng denkender, unerbittlicher Herr. Seine Frau in solcher Angelegenheit an Lebius‘ Seite, das wäre unbedingt von den schwersten Folgen für ihn und sie gewesen! Sie bat also Lebius, sie ja nicht mit darin zu verwickeln, und er scheute sich nicht, es ihr hoch und heilig zu versprechen. Dann aber ging er schleunigst hin und brachte in Nummer 12 seiner „Sachsenstimme“, die ich soeben behandle, einen Bericht, dem ich nur einige Punkte entnehme, die nicht einmal die schlimmsten sind, nämlich:

„Max Dittrich hatte von seiner ersten Frau keine Kinder, wohl aber zwei von seiner Stieftochter, bevor diese das 16. Lebensjahr erreichte.“

„Seine Frau härmte sich über die Ausschweifungen ihres Mannes zu Tode.“

„Obgleich seine zweite Frau sehr tolerant war, trieb Dittrich es schliesslich so schlimm, dass eine Ehescheidung unvermeidlich wurde.“

„Mit der 16jährigen mit im Hause wohnenden Nichte seiner Frau unterhielt er ein mehrjähriges Verhältnis.“ „Dann fing er ein Verhältnis mit einem jungen Mädchen an.“

„Seine Frau liess ihn durch ein Detektivbureau beobachten.“

„Während des Ehescheidungsprozesses wohnte Dittrich mit seiner Braut zusammen und hatte auch seine Tochter bei sich.“

„Jetzt ist er wegen schweren, syphilitischen Nervenleidens Halbinvalide.“ usw. usw.

Man kann sich den Schreck der Verwandten denken, als sie das lasen und dann als Zeugen vor Gericht beordert wurden, weil Max Dittrich ganz selbstverständlich Herrn Lebius verklagte! Die Nichte musste im Hause vernommen werden; sie lag krank. Die geschiedene Frau Dittrichs ging in ihrer Herzensangst zum Richter und sagte ihm aufrichtig, dass diese entsetzliche Sache ein absoluter Todesschlag für das Glück ihrer jetzigen Ehe sei; sie werde das wohl kaum überleben.

Dieser vortreffliche Herr hatte nicht nur das Gesetz im Kopfe, sondern dazu auch ein menschliches Herz in der Brust und erledigte die Vernehmung in entsprechender humaner Weise.

Selbst angenommen, dass die von Herrn Lebius angegebenen Punkte alle auf Wahrheit beruhten, so liegt doch wohl für jeden nur einigermassen gebildeten und nicht verrohten Menschen die Frage nahe, ob die Veröffentlichung solcher Dinge gesetzlich resp. pressmoralisch statthaft sei. Ich bin überzeugt, dass jedermann, ausser Herrn Lebius, diese Frage mit einem „Nein!“ beantworten wird. Das würde zur Charakterisierung dieses Herrn jedenfalls genügen, ist aber noch lange nicht alles, denn wenn man Gelegenheit findet, die Akten Dittrich contra Lebius aufzuschlagen, so sieht man am Schlusse derselben Herrn Lebius in noch ganz anderer Weise beleuchtet. Er gesteht da nämlich ein, dass seine Verleumdungen gegen Max Dittrich

nicht wahr gewesen seien,

und erklärt sich bereit, die Kosten des Verfahrens zu tragen! Ich glaube, mehr braucht man nicht zu wissen, um diesen Herrn nicht nur literarisch und journalistisch, sondern auch auf andern Gebieten für

im höchsten Grade gemeingefährlich

zu halten. Ob jemand aus dem Busch herausspringt und den andern ermordet, oder ob jemand aus den Spalten seines Rowdyblattes heraus die Menschen niederknallt, so oft es ihm beliebt, das wird von der Strafgesetzgebung der Zukunft wohl ganz anders betrachtet und ganz anders behandelt werden als heutigen Tages. Doch gibt es, Gott sei Dank, auch jetzt schon geistige und menschheitsethische Instanzen, welche den Todschlag einer Menschenseele für wenigstens ebenso strafbar halten wie die Ermordung eines Menschenkörpers.

Einen solchen Mörderhieb führte Herr Lebius in seiner nächsten Nummer 13 gegen mich aus, in der er sagte:

„Zu erwähnen bleibt noch, dass nicht wir erpicht waren, die Dittrichsche Brochüre zu verlegen, sondern das [dass] Herr May eifrig bemüht war, uns mit der Broschüre hereinzulegen. Wir wollten die Broschüre nur verlegen, wenn May die Garantie

für den Absatz übernahm. Da er es nicht tat, lehnten wir die Verlagsübernahme ab, und das war unser Glück. Wir wären andernfalls schwer hereingefallen, denn die Broschüre ist entgegen den May-Dittrichschen Verheissungen nicht gegangen.“

Als ich das las, traute ich meinen Augen nicht. Das war ja eine direkte Umdrehung der Verhältnisse! Ich hätte so etwas gewiss nicht für möglich gehalten, wenn es nicht mir selbst geschehen wäre. Das war ja nicht mehr raffiniert und nicht mehr infam, sondern das war geradezu höllisch, teuflisch! Ich wäre ein vollständig ehrloser Mensch gewesen, wenn ich diese öffentliche Anklage, dass ich eifrig bemüht gewesen sei, ihn mit der Broschüre hereinzulegen, auf mir hätte sitzen lassen. Ich war gezwungen, und zwar gezwungen durch ihn selbst, sofort Beleidigungsklage zu erheben.

Ich habe diesen Zwang ganz besonders zu betonen, weil es Gepflogenheit des Herrn Lebius ist, die Staatsanwälte, Richter usw. glauben zu machen, dass ich es sei, der ihn verfolge, nicht aber er mich.

Die Nummer 27 der „Sachsenstimme“ bringt das Ergebnis meiner Beleidigungsklage gegen Herrn Lebius, selbstverständlich mit den unausbleiblichen Randglossen. Er stellt da eine ganze Reihe der lächerlichsten, kindischsten Behauptungen auf und bringt eine Reihe von 13 Unwahrheiten, die in der

Rudolf Lebius-Liste Nummer 109 bis 121

notiert worden sind. Ganz besonders auffällig ist folgendes Bekenntnis:

Wir wissen, wer Karl May ist, aber wir sagen es noch nicht. Ein wenig haben wir schon den Schleier von dem Geheimnis gelüftet. Wir müssten aber schlechte Kartenspieler sein, wenn wir beim Beginn der Partie unsere Trümpfe zeigten. Wir müssten schlechte Strategen sein, wenn wir vorzeitig alle unsere Minen springen liessen.“

Wer sind diese „wir“? Doch nicht etwa Herr Lebius allein! Dem Juristen wird es ein Leichtes sein, diese Frage zu beantworten.

Uebrigens ging es mit Herrn Lebius in Dresden jetzt zu Ende. Man hörte, dass man sich mit ihm nicht mehr zu befassen brauche; er werde ganz von selbst verschwinden. Er

brachte noch in Nummer 30 einen Artikel gegen mich, dessen Unwahrheiten man

Rudolf Lebius-Liste Nummer 122 bis 127

nachlesen kann.

Bezeichnend ist es, dass er in derselben Nummer damit prahlte, dass er wiederholt bestraft sei, so z. B. als Angestellter der Rhein.-Westf. Arbeiterzeitung einmal mit drei Monaten und einmal mit drei Wochen Gefängnis. Auch hier in Dresden sei er schon verhaftet, dann aber freigesprochen worden. Hierzu kam eine Bestrafung wegen Beleidigung des Rechtsanwaltes Bernstein und vieles andere, was ihm sein Vertrauen zu Dresden verleidete. Ich hörte plötzlich, dass er verschwunden sei, und niemand könne ihn finden, trotz der fleissigen Nachfrage, die man nach ihm halte. Das geschah besonders von Leuten, welche ausgelegte Gerichtskosten resp. Vorschüsse einziehen wollten. Denn noch in einer seiner letzten Nummern der „Sachsenstimme“ machte er bekannt, dass er „in einem ganzen Haufen von Prozessen stecke“. Nur ich, der ich mich um seinen neuen Aufenthalt doch ganz und gar nicht kümmerte, erhielt von Zeit zu Zeit ein Lebenszeichen von ihm. Das waren Zeitungen, die mir zugeschickt wurden. Sie enthielten Artikel, die seine verflossene „Sachsenstimme“ gegen mich gebracht hatte. Er verschickte sie, auch nachdem er aus Dresden verschwunden war, an die Redaktionen, sogar an die österreichischen, um selbst auch im Exile keine Pause in den Feindseligkeiten gegen mich eintreten zu lassen. Nur eine Woche, ehe er aufhören musste, in seiner vorletzten Nummer, drohte er mir unter der vorgeschobenen Adresse des „Beobachter-Verlegers“, dass er mir es „schon heimzahlen werde. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Langsam aber sicher!“

Das sind seine eigenen Worte. Er sorgte dafür, dass sie in Erfüllung gingen, und zwar in Berlin, wo der „Bund“ an die Stelle der „Sachsenstimme“ trat und für die Münchmeyersche Journalspinne ein Netz bildete, dessen Fäden für mich unzerreissbar schienen. – – –

— 8 —Erfolge und Misserfolge.

Indem ich die vorstehende Kapitelüberschrift wähle, will ich gleich, kurz und ehrlich sagen, dass sich diese meine Erfolge auf den Münchmeyerprozess, die Misserfolge aber auf meine Verteidigung gegen Herrn Lebius beziehen. Der Prozess an sich und in seinem weiteren Verlaufe wird in einigen späteren Abschnitten ausführlich behandelt werden. Für jetzt genügt es, zu sagen, dass ich ihn in allen Instanzen, auch im Reichsgericht gewann. Das brachte mir aber keine Ruhe, sondern nur neue, grössere Aufregung, denn die Münchmeyerschen Strategen spielten ihn nun zum Staatsanwalt hinüber, indem sie mich und meine Zeugen wegen Meineid anzeigten. Es war mir sehr lieb, dass die Voruntersuchung auf das allerstrengste geführt wurde. Sie dauerte volle zweiundzwanzig Monate lang; dann war auch dieser, wohl der schwerste Streich von allen, die man gegen mich führte, zurückgewiesen.

Ueber einige schon früher ausführlich besprochene Helfershelfer des „Schundverlages“ habe ich hier kurz folgendes nachzuholen.

Herr Cardauns, der frühere Redakteur der Kölnischen Volkszeitung, wurde von dem „Schundverlage“ in geradezu unglaublicher Weise düpiert. Er bekam die gedruckten Münchmeyerschen Fälschungen zugeschickt und liess sich weismachen, dass es die Originale seien. Hierauf trat er, wie einst Goliath gegen David, alltäglich einmal aus seinem Zelt heraus, um mit Schild und Spiess zu klirren. Hatte er dann zum wievielsten Male die grosse Mär erzählt, dass er sich im Besitze untrüglicher Akten und Schuldbeweise gegen mich befinde, so wich er hinter seine Leinwand zurück und war bis morgen wieder ruhig. Noch aber

hat er keinen einzigen seiner Beweise vorgezeigt, die doch nur in meinen von mir selbst geschriebenen Originalmanuskripten bestehen konnten! Dieser Goliath hat, so gross er ist, doch nicht den Mut, ehrlich einzugestehen, dass er genasführt wurde!

Professor Gurlitt, der schon oft erwähnte, ist der Schwager des Münchmeyerschen Rechtsanwaltes Gerlach und hat es sich darum gefallen lassen müssen, in die „Sachsenstimme“ heruntergezogen zu werden, um die Lebiusschen Fälschungen als „Amtliches Material über Karl May“ auf sich und seine persönliche „Magnifizenz“ zu nehmen.

Ueber Herrn Avenarius, Herrn Professor Schumann usw. äussert man sich nur an Ort und Stelle, sonst aber nicht!

Was meine Misserfolge gegen Herrn Lebius betrifft, so beziehe ich mich zunächst auf seine Beleidigung meines Rechtsanwaltes Bernstein, aus der ihm eine Geldstrafe von 50 Mark resp. 5 Tagen Haft erwuchs. Herr Rechtsanwalt Bernstein bekam die Veröffentlichung dieses Urteils auf Lebius‘ Kosten zugesprochen, gab aber folgende Bemerkung zu den Akten:

„Ich verzichte auf die Bekanntmachung der Verurteilung Lebius, weil ich nicht will, dass mein Name mit dem des Lebius verbunden, in die Zeitung gebracht wird.[“]

Meine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Erpressung hatte keinen Erfolg. Ich wollte das, als ich es hörte, nicht glauben. Aber als ich dann später die Kampfesart des Herrn Lebius kennen lernte, wurde, wie so vieles andere, auch dieses mir begreiflich. Der Verdacht war ein grosser und wohlbegründeter. Auch die vereideten Sachverständigen behaupteten, dass er der Verfasser der Erpresserkarte vom 7. September sei, aber der Mann lügt ja geradezu das Blaue vom Himmel herunter, und zwar mit einer so verblüffenden Sicherheit und Selbstverständlichkeit, dass man gar nicht erst auf den Gedanken kommt, die Sache auf ihre Wahrheit hin zu prüfen. Und das ist

die ganze, grosse, einzige Force

des Herrn Lebius. Er lügt ins Schwarze, mit der Treffsicherheit einer Büchsenkugel. Das Loch ist da; aber nun such‘ einmal die Kugel! So machte er der Staatsanwaltschaft weis, dass ein Hotelbesitzer von Berge Sinai dagewesen sei

und meine dortigen Reiseabenteuer als Schwindel bezeichnet habe! Jeder meiner Leser aber weiss, dass ich niemals ein Sinai-Abenteuer geschrieben habe, und jedem Quartaner ist es wohlbekannt, dass es niemals ein Hotel auf dem Sinai gegeben hat. Da frage ich, die Staatsanwaltschaft liess sich das ruhig bieten? Und noch etwas: Bei dieser Gelegenheit bekam der Staatsanwalt auch die Korrespondenz des Münchmeyerschen Rechtsanwaltes mit Lebius in die Hände. Und das, was er schrieb, hat für Herrn Lebius und gegen mich gesprochen! Ich wurde mit meiner Anzeige abgewiesen!

Mit meiner Beleidigungsklage erzielte ich zunächst einen Erfolg. Herr Lebius wurde in erster Instanz mit dreissig Mark resp. fünf Tagen Gefängnis bestraft, in zweiter Instanz aber freigesprochen. Wie das gekommen ist, werde ich in einem der nächsten Kapitel beleuchten. Ich habe Erfahrungen gemacht, welche mich später bestimmten, Herrn Lebius überhaupt unbestraft laufen zu lassen, trotz der grossen Zahl und der ganz ungewöhnlichen Art seiner öffentlichen Beleidigungen und Verleumdungen. Zur Charakterisierung dieses Mannes und seiner Art und Weise komme ich noch einmal auf die entsetzlichen Verleumdungen zurück, die er in der „Sachsenstimme“ vom 27. März 1905 gegen Max Dittrich schleuderte. Ich bitte, sie Seite 120 noch einmal nachzulesen! Solche Scheusslichkeiten verkündet man doch nicht öffentlich, selbst wenn sie tausendmal wahr wären! Aber am 18. November darauf erklärte Herr Lebius in der zweiten Strafkammer des Königlichen Landgerichts:

„Ich erkläre, dass ich die gegen den Privatkläger in der „Sachsenstimme“ vom 27. März 1905 erhobenen, beleidigenden Behauptungen

! ! ! als unwahr ! ! !

hiermit zurücknehme und mein Bedauern über die gedachten Aeusserungen in der „Sachsenstimme“ ausdrücke und den Privatkläger deshalb

! ! ! um Verzeihung bitte ! ! !

So einem Manne läuft man wohl gewiss nicht nach, um ihn zu verfolgen, sondern man schenkt ihm lieber alle Strafe und ist nur froh, ihn endlich los zu sein! So war es auch mit

mir. Ich atmete endlich auf, als er aus Dresden verschwunden war. Zwar hatte mein Rechtsanwalt für mich noch mehrere Klagen gegen ihn eingereicht, ich liess sie aber alle verfallen, um nur nicht wieder mit ihm zu tun zu haben. Er aber liess mir keine Ruhe. Er verfolgte mich fort und fort, obgleich ich ihm nicht das Geringste tat. Er liess seine Schmähartikel gegen mich in fremden Zeitungen weiterdrucken und verstieg sie am 30. Juni 1906 sogar zu einem so empörenden Artikel, dass ich der grössten Selbstbeherrschung bedurfte, so ruhig zu bleiben wie bisher. Dieser Artikel erschien in der sogenannten „Wahrheit“, hatte die Ueberschrift „Atavistische und Jugendliteratur von Rudolf Lebius“ und den Zweck, mir blutrünstigen „Atavismus“ und „fortgesetzte Einbruchsdiebstähle“ vorzuwerfen. Das ist doch wohl nicht mehr menschlich zu nennen! Das ist keine Kritik mehr, selbst die allerelendste nicht, sondern das ist Kavillerei und langsame Todschinderei in vollster Oeffentlichkeit! Es gibt Leute, die hierfür nur das eine Wort haben „Bestie“! Wem dieses Wort zu stark erscheint, den verweise ich auf Seite 2 seiner „Kahl“-Broschüre gegen mich, wo er ganz denselben Artikel wörtlich bringt, doch ohne seinen Namen, und in empörendster Verlogenheit so tut, als ob er gar nicht von ihm sei!

Dennoch blieb ich still und wollte auch still bleiben, wollte niemals wieder etwas mit diesem Manne zu schaffen haben. Leider aber sollte es anders kommen, ganz ohne meine Absicht, ohne mein Verschulden! Nämlich der Münchmeyerprozess war zu jener Zeit so weit gediehen, dass eine höchst notwendige und höchst wichtige Frage an Lebius gerichtet werden musste. Nur wollte es den Anwälten nicht gelingen, seinen Aufenthalt ausfindig zu machen. Da kam ich mit meiner Frau nach Berlin, grad zur Sedanfeier 1907. Dort erfuhren wir ganz zufällig, dass Lebius hier wohne und ein Blatt „Der Bund“ herausgebe. Wir wollten uns eine Nummer desselben kaufen, bekamen aber keine. Ich benachrichtigte meinen Rechtsanwalt sofort, dass ich Lebius gefunden habe. Er telegraphierte zurück: „Wenn er Telephon hat, augenblicklich anklingeln und ihm die Frage vorlegen! Es gibt keinen Grund, uns zu scheuen!“ Ich telephoniere nie. Meine Frau tat es. Lebius war daheim und sagte, er werde nach Café Bauer

kommen. Als wir uns dort einstellten, sass er allein an einem Tisch, um uns zu erwarten. Sobald wir uns aber gesetzt hatten, entfernte er sich, um Frau und Schwägerin herbeizuholen, die an einem andern Tische sassen. Ich wusste sofort, was das bedeutete, und warnte meine Frau. Das sollten Zeuginnen werden! Ich dachte an die Worte auf Seite 105, die ich zu ihm gesagt hatte, als er mich damals besuchte, „weil es bekanntlich Schurken gibt, aus deren Mund oder Feder dann alles anders klingt, als es in Wirklichkeit geklungen hat“. Wir verhielten uns also ausserordentlich vorsichtig. Ich legte ihm meine Frage vor. Er gab keine Auskunft. Ich sagte ihm, ich habe gehört, dass er ein neues Blatt herausgebe; gern hätte ich mir eine Nummer gekauft, habe aber keine bekommen. Das war ganz ehrlich und gut gemeint, ohne alle böse Absicht. Er aber begehrte sofort zornig auf fragte drohend: „Haben Sie etwas vor? Dann gehe ich sofort von neuem los! Hier in Berlin gibt es über zwanzig Blätter wie die „Dresdner Rundschau“. Die stehen mir alle zu Gebote, wenn ich Sie totmachen will! Hier dauert das gar nicht lange!“

Ich antwortete, dass es mir gar nicht einfalle, wieder in den alten Sumpf zu steigen. Meine Frau sagte zu seiner Frau in ruhiger, freundlicher Weise, dass es die schönste Aufgabe verheirateter Frauen sei, versöhnend zu wirken und die Härten des Lebens zu mildern; dann entfernten wir uns.

Das war am 2. oder 3. September. Einen Monat später, am 1. Oktober, kam folgender Brief aus Berlin; ich war verreist:

„Geehrter Herr!

Obwohl völlig unbekannt, erlaube ich mir, bei Ihnen einmal anzufragen, ob Sie mir nähere Mitteilungen über einen Herrn Lebius, seinerzeit in Dresden, machen könnten. Genannter Herr, ehemaliger Sozialdemokrat, hat gegen mich als den seinerzeit verantwortlich zeichnenden Redakteur des „Vorwärts“ die Privatbeleidigungsklage angestrengt. Es wird vor Gericht meine Aufgabe sein müssen, Herrn Lebius als „Ehrenmann“ zu kennzeichnen. Auf den Rat eines Dresdener Kollegen wende ich mich vertrauensvoll an Sie, ob Sie mir

über diesen Herrn vielleicht einige Auskunft geben könnten. Sollte dies der Fall sein, so sehe ich Ihrer Freundlichkeit sehr verbunden entgegen.

Mit grösster Hochachtung

Carl Wermuth,

Redakteur des „Vorwärts.“

Ich wiederhole, dass ich verreist war und also auf diesen Wunsch, selbst wenn ich gewollt hätte, nicht eingehen konnte. Am 5. April 1908, also

ein volles halbes Jahr später,

erhielt ich von der Redaktion des „Vorwärts“ eine weitere Zuschrift:

Zu unserm Bedauern haben Sie es bisher unterlassen, sich über die gegen Sie gerichteten Angriffe des Lebius zu äussern resp. uns die notwendigen Beweismittel der ehrabschneiderischen Tätigkeit des Lebius in Bezug auf Ihre Person zur Verfügung zu stellen. Wie ich von meinem Kollegen Wermuth erfuhr, hat Ihre Frau mitgeteilt, dass Sie sich zur Zeit auf Reisen befinden und nicht in der Lage seien, uns mit dem gewünschten Material gegen Lebius zu versehen. Ich hoffe, dass Sie inzwischen von der Reise zurückgekehrt sind und nunmehr ....“

Hiermit ist wohl zur vollsten Genüge bewiesen, dass nicht ich Herrn Lebius verfolge, sondern er mich. Herr Lebius behauptet, dass ich mich damals, am Sedantage, an ihn gemacht habe, um dem „Vorwärts“ beizustehen. Hier beweise ich, dass ich damals von jeder Beleidigungsklage noch gar nichts gewusst habe, sondern dass der „Vorwärts“ es mir erst einen Monat später mitteilte und dann aber nach wieder sechs Monaten noch gar keine Antwort bekommen hat!

Hat Herr Lebius vielleicht bei der Berliner Staatsanwaltschaft ebenso gelogen wie bei der Dresdner? War auch dort vom „Sinai-Hotel“, das es gar nicht gibt, und ähnlichem die Rede?

Und während ich jetzt, bei Ankunft dieses Briefes, Herrn Lebius sechs Monate lang geschont hatte, wo es mir doch so bequem und leicht gemacht worden war, mich an ihm

zu rächen, was hatte da er getan? Mir ein Schaffot gebaut, auf dem ich öffentlich hingerichtet werden sollte. Sogar die Zeit, das Datum dieser Exekution, war fest bestimmt: es war der erste April. Der Henker wünschte das so, denn wenn ich länger lebte, so war er selbst verloren.

Nämlich Herr Lebius hatte den „Vorwärts“ wegen Beleidigung verklagt, und der „Vorwärts“ hatte mich, natürlich ohne erst viel zu fragen, als Zeugen angegeben. Sein Gewissen sagte ihm, dass er von diesem Zeugen wohl nicht viel freundliches zu erwarten habe. Ja, es kam ihm sogar der Gedanke, dass ich von dieser Zeugenschaft schon im Café Bauer gewusst habe. Das erzürnte ihn. Er schickte seine Frau zu meiner Frau nach Radebeul, um mir zu drohen. Meine Frau wünschte diese Zusammenkunft in meinem Hause; aber darauf ging Frau Lebius nicht ein. Sie entschloss sich für ein öffentliches Lokal, weil sie da wieder eine Schwester als „Zeugin“ mitbringen konnte, da es, wie bereits zweimal gesagt, „Schurken gibt, aus deren Mund oder Feder dann alles anders klingt, als es in Wirklichkeit geklungen hat“. So ist es denn gekommen. Meine Frau wurde als Zeugin vernommen, und die Schwägerin des Herrn Lebius wurde vernommen. Beide haben gegenteilig ausgesagt, und beide haben ihre Aussagen beschworen. Eine von ihnen hat also gewissenlos geschworen, und Gott wird Richter sein! Meine Frau, deren Gewissen ich kenne, sagt mir, Frau Lebius sei von ihrem Manne sehr gut instruiert gewesen und habe verlangt, ich solle beschwören, dass jene Erpresserkarte nicht von Lebius sei. Da wir aber heut mehr als je davon überzeugt sind, dass er sie geschrieben hat, so ist seine Gattin ganz unverrichteter Sache zu ihm nach Berlin zurückgekehrt.

Als er erfuhr, dass dieser Versuch misslungen sei, sah er sich ganz selbstverständlich auf den alten, vertrauten Trik [Trick] zurückgewiesen, mich – – – eidesunwürdig zu machen. Er beschloss, dies durch die Herausgabe einer Broschüre zu tun, deren Inhalt, ganz gleich, ob wahr oder unwahr, absolut tödlich für mich sein musste. Dass das mit der Wahrheit nicht zu erreichen war, verstand sich ganz von selbst. Es musste gelogen werden, und zwar viel und völlig ungeniert. Da das aber für Herrn Lebius zu gefährlich war, sah er sich nach einem Strohmanne -

Strohmanne um, der ihn und Karl May noch nicht kannte und unerfahren, vertrauensselig und bedürftig genug war, sich für einige hundert Mark völlig ungeahnt in die ganz sicher zu erwartende Gefängnisstrafe stürzen zu lassen. Er fand ihn in einem gewissen Herrn F. W. Kahl aus Basel, zog ihn in sein Netz und umspann ihn derart mit Selbstvergötterungs- und Lügenfäden, dass der junge, völlig ehrliche Mann es fast für eine Ehre hielt, sich in den Dienst eines so bedeutenden, geistig, sozial und auch juristisch hervorragenden Mannes stellen zu dürfen.

Herr Lebius ging, wie überhaupt und immer, auch hierbei ausserordentlich schlau und raffiniert zu Werke. Er verschwieg anfänglich, dass es sich nur um eine Broschüre gegen mich handle. Er machte dem jungen Manne weis, dass er ein wissenschaftliches Werk über berühmte resp. berüchtigte Männer schreiben solle. Er nannte ihm Namen derselben; darunter befand sich auch der meinige. Aber als Kahl sich an das Werk machte und täglich seine Instruktionen erhielt, lauteten diese so, dass nach und nach alle diese „Berühmten und Berüchtigten“ verschwanden und nur Karl May allein übrig blieb. Aus dem „wissenschaftlichen“ Werke aber sollte ein Pamphlet allerniedrigsten und allergefährlichsten Ranges werden. Kahl erkannte das von Tag zu Tag immer deutlicher. Er begann zu ahnen, dass er in aller Liebenswürdigkeit in das Verderben geführt werden solle. Als er das Herrn Lebius zu verstehen gab, hielt dieser es für geraten, ihm den ganzen Zweck der Broschüre einzugestehen. Er gab folgendes zu:

Lebius hat den Redakteur des „Vorwärts“ wegen Beleidigung verklagt.

Der „Vorwärts“ hat Karl May als Zeugen gegen Lebius angegeben.

Darum ist es für Lebius notwendig, Karl May kaput zu machen.

Um das zu erreichen, gibt er die hier in Arbeit liegende Broschüre heraus.

Der Termin, in dem Karl May als Zeuge verhört wird, findet anfangs April statt.

Darum muss die Broschüre ganz unbedingt bis zum 1. April fertig zum Versenden sein.

Wenn die Broschüre erst später fertig wird, hat sie keinen Zweck; dann braucht man sie überhaupt gar nicht erst zu schreiben.

Sie wird an die Zeitungen versandt, die darüber berichten. Das soll auf die Richter wirken.

Sie wird auch den Richtern direkt vorgelegt. Sobald dies geschieht, ist May als Zeuge kaput.

Als der ehrliche, junge Mann das hörte, wurden seine Bedenken noch grösser, als sie vorher gewesen waren. Als er diese äusserte und seiner Besorgnis, gerichtlich bestraft zu werden, Ausdruck gab, stellte Herr Lebius ihm folgendes vor:

Wir Schriftsteller stehen überhaupt und stets mit einem Fusse im Gefängnisse.

Bestraft zu sein ist für uns eine gute Reklame. Auch ich bin schon oft vorbestraft.

Sie brauchen sich vor dem Gericht gar nicht zu fürchten. Sie sind noch nicht vorbestraft, Sie dürfen schwören. May aber darf nicht schwören.

May steht unter Polizeiaufsicht. Es ist ihm verboten, in einer Stadt zu wohnen. Darum wohnt er in Radebeul.

Ich bin ein grosses, forensisches Talent. Wenn ich anfange, zu sprechen, sind die Richter alle mein!

Wenn man in einem Prozesse steckt und man schreibt eine solche Broschüre, das wirkt ungeheuer bei den Richtern!

Die Frau May hat mich mit Tränen in den Augen um Gnade für ihren Mann gebeten.

May muss durch die Brochüre totgemacht werden. Alles übrige ist Beiwerk, um den wahren Zweck zu verschleiern!

Die Folge von diesen und ähnlichen sonderbaren Expektorationen war, dass Herr Kahl beschloss, sich von dieser Sache zurückzuziehen. Er verbot Herrn Lebius, etwas von ihm zu drucken oder gar etwa seinen Namen für diese Broschüre zu missbrauchen. Er richtete ganz dasselbe Verbot auch an den Verleger. Er glaubte, damit ganz sicher aus diesem Sumpfe wieder herausgestiegen zu sein. Aber er kannte Herrn Lebius und dessen Unverfrorenheit noch nicht. Die Brochüre erschien, und zwar genau zum Hinrichtungstage, am ersten April. Ihr Titel war:

Karl May,

ein Verderber der deutschen Jugend

von

F. W. Kahl-Basel.

Herr Kahl erfuhr erst durch eine Schweizer Zeitung, dass die Broschüre doch noch erschienen sei, und zwar unter seinem Namen. Er tat sofort die geeigneten Schritte. Der von Herrn Lebius gefürchtete Termin, an dem ich als Zeuge vernommen werden sollte, hat nicht stattgefunden. Ob er den Herren Richtern die Brochüre dennoch vorgelegt hat oder nicht, ist mir unbekannt. Aber an die Zeitungen versandt hat er sie schleunigst, und zwar mit Waschzetteln, Begleitworten usw. von deren verleumderischer – – – Niederträchtigkeit, hätte ich fast gesagt, man eine Ahnung bekommt, wenn man nur folgende Zeilen liest, die er an die „Neue Züricher Zeitung“ schickte:

„Herr May hat sich an mir dadurch gerächt, dass er durch Verleumdungen meine wirtschaftliche Stellung untergrub und mich in den Bankrott trieb. Sobald ich in einer andern Stadt festen Fuss gefasst hatte, erschien er wieder auf der Bildfläche, um dasselbe Manöver zu wiederholen. Dabei liebt er es, bevor er zu einem neuen Schlage gegen mich ausholt, mich jeweils in meiner Wohnung aufzusuchen und mit tränenden Augen um Frieden zu bitten.“

Hierauf erkläre ich:

Die „wirtschaftliche Stellung“ des Herrn Lebius konnte überhaupt von keinem Menschen untergraben werden; sie hatte niemals Untergrund.

Herr Lebius soll mir einen einzigen Zeugen dafür bringen, dass ich ihn in den Bankrott getrieben habe.

Herr Lebius mag mir die Städte nennen, in denen ich erschienen bin, um dieses Manöver zu wiederholen.

Herr Lebius mag sagen, welches die Schläge sind, zu denen ich ausgeholt habe.

Ich bin niemals in irgend einer Wohnung des Herrn Lebius gewesen.

Er hat niemals eine Träne in meinem Auge zu sehen bekommen.

Ich habe ihn nie um Frieden gebeten.

— 9 —Die Hinrichtung.

Indem ich dieses Kapitel beginne, muss ich vor allen Dingen sagen, dass es mir jetzt noch nicht möglich ist, in einer Verleumdungsklage gegen Herrn Lebius auf das einzugehen, „was er meine Vorstrafen nennt“ und über sie berichtet und veröffentlicht hat. Es gehört das in die letzte Phase des Münchmeyerprozesses, wo ganz ausschliesslich nur über dieses Thema verhandelt wird und nachzuweisen ist, welch ein geradezu unbeschreiblicher, sowohl geheimer wie auch öffentlicher Unfug mit diesen Ausstreuungen getrieben worden ist. In diesem letzten Stadium des Münchmeyerprozesses werden sich alle die zu verantworten haben, welche an dem Münchmeyerschen Plane,

mich durch die Ausstreuungen in allen Zeitungen

kaput zu machen,

mitgearbeitet haben. Es ist mir nicht möglich, da vorzugreifen. Meine Rechtsanwälte versichern, dass ich den natürlichen Gang der juridischen Erwägungen und Entwickelungen stören würde, wenn ich mich durch Lebius zu Schritten, die erst später erfolgen sollen, verleiten liesse. Aber es sei in dieser Beziehung für einstweilen erklärt,

dass ich mich im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinde, dass ich dieselben auch als von der Vormundschaftsbehörde angestellter Pfleger und Verwalter eines bedeutenden Vermögens ausgeübt habe und dass Herr Lebius absichtlich lügt, wenn er behauptet, dass „aus bekannten Gründen mich kein Gericht vereidige.“ Ich bin schon wiederholt als Zeuge vernommen und vereidigt worden, und als sich im Münchmeyerprozess meine Gegner sieben

Jahre lang bemühten, den entscheidenden Eid für sich zu bekommen, entschieden sich die Richter aller drei Instanzen trotz alledem für mich.

Nach dieser Vorbemerkung betrete ich ohne Weiteres die Richtstätte, auf welcher ich am 1. April von Herrn Rudolf Lebius gewaltsam vom Leben zum Tode gebracht werden sollte. Das hierzu bestimmte Mordinstrument war die Broschüre, deren Titel ich wiederhole:

Karl May,

ein Verderber der deutschen Jugend

von

F. W. Kahl-Basel.

In dieser Broschüre masst Herr Lebius sich an, öffentlich über mich zu Gericht zu sitzen. Ich frage, welcher Gott, welche Obrigkeit, welche Instanz hat ihn dazu eingesetzt und berechtigt?

! ! ! Er selbst ! ! !

Gut! Aber wer ist dieser Er selbst? Und als was steht er so hoch über mir? Als Mensch? Als Bürger? Als Journalist? In Beziehung auf seine Intelligenz, auf seine Moral, auf seine Religion? Ich gestatte mir hier einige Fingerzeige. Ehe Herr Lebius im Jahre 1905 aus Dresden verschwand, veröffentlichte er in seiner „Sachsenstimme“ noch folgende Anekdoten als Souvenirs an seine zu Ende gehende geistige und moralische Tätigkeit:

Karlchen: „Wir haben Schule gespielt.“

Mutter: „Hast Du Dich auch anständig betragen.“

Karlchen: „Ich brauchte nicht anständig zu sein. Ich war der Lehrer.“

           

Richter: „Sie scheinen besonders gemeingefährlich zu sein. Mitten in der Nacht brachen Sie ein, um zu stehlen.“

Angeklagter: „Das vorige Mal nannten Sie mich besonders gemeingefährlich, weil ich am hellen Tage einen Einbruch verübte. Ja, wann soll ich denn nun eigentlich einbrechen?“

           

Der alte Papa Eberle aus Konstanz fährt mit dem Schiff über den Bodensee und sucht unterwegs den Abort auf. Der

Zufall will es, dass der Abortboden durchbricht und Papa Eberle samt dem Abortsitz in den rauschenden Wellen des Dampfers verschwindet. Der Kapitän lässt das Schiff stoppen, doch bezweifelt niemand, dass Papa Eberle ertrunken ist. Da taucht er plötzlich auf und wird gerettet. Allgemeiner Jubel. Nachdem die Schar der Glückwünschenden von Papa Eberle abgelassen hat, tritt der Herr Stadtpfarrer zu dem Geretteten. „Einen schaurig erhabenen Augenblick“, sagt Hochwürden, „haben Sie durchlebt, Herr Eberle. Sie haben dem Tode ins Angesicht geschaut. Sie haben an der Schwelle zweier Welten gestanden, und es wäre mir wissenswert, zu erfahren, welches Ihre Gedanken waren, als Sie sich anschickten, unser irdisches Leben zurückzulassen und vor den Thron des Allmächtigen zu treten.“

„Ei ja, Hochwürden“, antwortete Papa Eberle, „ich besinne mich noch ganz genau auf meine letzten Gedanken, als ich in die Tiefe stürzte. Ich dachte: „Eberle, Eberle, nu bischt Du auch zum letzten Mal auf’m Klosett gewese“.

           

Aeltlicher Freier: „Das Andenken an Ihren seligen Gatten hindert Sie doch nicht, sich wieder zu verheiraten?“

Junge Witwe: „Ach nein, meine gute Mutter überlebte ihre vier Ehemänner, und meine Mutter betrachte ich als mein Vorbild, dem ich nachstrebe.“

           

Mehr bedarf es wohl nicht, um über die Moral und die Religion des Herrn Lebius vollständig klar zu sein.

Was ihn als Schriftsteller betrifft, so hat er auch einmal einen Roman geschrieben. Die Presse äusserte sich über ihn folgendermassen:

Lebius hat diesen Roman verbrochen – – erbärmliches Machwerk – – – Parteischmutz – – – Skandalgeschichten – – – schmutzige Erlebnisse – – – grässlich langweilig – – – Kinkerlitzchen – – – Schnüffler usw.

Ein Drama hat er ebenso verbrochen. Auch in diesem spielt, genau wie bei „Papa Eberle“, der Abtritt die Hauptrolle. Im entscheidenden Augenblick bekommt nämlich der Hauptheld Bauchgrimmen und Leibschneiden und wird von den unwiderstehlichsten Darmbewegungen gezwungen, die Entscheidung -

Entscheidung des Stückes unter entsprechenden Geberden draussen auf dem Klosett zu suchen. In zusammengebrochener Körperhaltung, die Hände auf dem Unterleib, kommt er dann wieder herein.

Das ist Herr Lebius als Mensch, als Schriftsteller und als Inhaber einer Moral, die sich so erhaben dünkt, dass sie sich berufen fühlt, mich mit Fusstritten aus der deutschen Literatur hinauszustossen! Ich halte das Schicksal, auf die Angriffe dieses Herrn antworten zu müssen, für grausamer, als alles andere, was mir je geschehen ist!

Ich spreche ihm nicht nur jedes Recht, sondern auch jede Art von Befähigung ab, an mir, an meiner Person oder an meinen Werken Kritik zu üben. Er schreibt nicht etwa aus literarischen, ethischen oder anderen edlen Gründen über mich, sondern nur um Geld zu verdienen, um sich zu rächen und, wie Zeuge Kahl beschwören kann, um mich als eidesunwürdig hinzustellen, damit man mir nicht glaube, sondern ihm. Das sind seine Gründe. Weiter hat er keine.

Das über den Verfasser. Und nun zu dem Pamphlete selbst, welches nur nach den in ihm enthaltenen negativen Dingen besprochen werden kann, weil nichts anderes daran ist.

Zunächst bringt diese Schmähschrift keine einzige Zeile aus meinen Werken. Sie hat es also nur auf meine Person abgesehen und scheidet damit ganz von selbst aus der anständigen, ethisch gestatteten Literatur aus.

Der Titel ist unwahr, und der Name des Verfassers ist unwahr. Ich bin kein Verderber der deutschen Jugend, und der Urheber und Verfasser heisst Lebius. Der Name Kahl wurde nur zum Zweck der Verschleierung geschrieben. Die Broschüre beginnt also gleich in ihrem Titel mit jener

erstaunlichen Verlogenheit,

die ich schon näher gekennzeichnet habe und als seine Haupteigenschaft bezeichne. Ich habe mich auf sie noch oft zu beziehen. Um ihr gleich von vornherein die Wahrheit entgegenzuhalten, bringe ich in

Anlage A

jene grässlichen, unflätigen Anekdoten, jenes vernichtende Urteil über den Lebiusschen Roman, eine Abschrift jenes

Protokolles der zweiten Dresdner Strafkammer, eine Abschrift des Urteiles Bernstein-Lebius, zwei Abschriften der Dittrichschen und Kahlschen Versicherungen an Eidesstatt und die Abschrift eines Briefes des angeblichen Broschürenverfassers Kahl an mich.

Auf Seite 2 vergleicht mich Herr Lebius mit Manulescu. Ist das Wahnwitz oder die scharfe, gewissenlose Berechnung auf den Zweck der Broschüre? Er nennt sich „ehemaliger, eifriger Mayleser“ und gestand doch, noch gar nichts gelesen zu haben!

Hierauf folgt eine atavistische Taschenspielerei, an der kein ernst zu nehmendes Wörtchen ist. Sie hat nur den Zweck, seinen Verleumdungen eine Art wissenschaftlichen Aussehens zu geben, um damit ein Recht auf § 193 zu erwerben. Dieser Aufsatz hat schon in der „Wahrheit“ gestanden, und ich beweise durch

Beilage B,

dass Herr Lebius der Verfasser ist. Dass er das, um sich nicht zu verraten, in der 2. Alinea ableugnet, ist eben in seiner oben bezeichneten Haupteigenschaft begründet.

Uebrigens ist es grad für Herrn Lebius gewagt, andere mit Atavismus und Lombroso in Beziehung zu stellen. In

Beilage C

beweise ich, dass ihn die Frankfurter Zeitung, die er selbst auf Seite 14 der Brochüre als massgebend anführt, des Grössenwahnes beschuldigt und das Leipziger Tageblatt ihn einen geborenen Verbrecher nennt.

Seite 8 beginnt Herr Lebius mit einem unerhörten Vergleiche, an dem ich völlig unschuldig bin,

Beilage D

zeigt, wie man heut darüber denkt. Der das geschrieben hat, ist der Prälat Dr. Joseph Scheicher, Landtags- und Reichstagsabgeordneter, Mitglied des österreichischen Landesausschuss, Geheimkämmerer Seiner Heiligkeit, Professor des Kirchenrates, der Moral, der Sozialpolitik usw. Natürlich also kein Herr Lebius.

Auf derselben Seite wird behauptet, ich sei für die literarischen und kritischen Kreise abgetan, ich wende mich in

meinen Schriften nur an die urteilsunfähigen Schichten des Volkes, und Lehrer und Erzieher beschäftigen sich überhaupt nicht mehr mit mir. Das alles ist nicht wahr. Ich gebe in

Beilage E

ein [eine] Anzahl von Zeitungsstimmen, in denen man sieht, dass ein sehr gebildeter und geübter Verstand dazu gehört, mich und meine Bücher zu verstehen und dass ich von Lehrern und Erziehern vorzugsweise gern gelesen werde.

Auf Seite 9 werde ich als Kolportageschriftsteller bezeichnet. Ich habe niemals Kolportageromane geschrieben; aber eine Kolportagefabrik, die Freundin von Herrn Lebius, hat einige meiner Romane gefälscht, wie ich durch

Beilage F

beweise, und mich dadurch unverdienter Weise in den Ruf eines Kolportageschriftstellers gebracht. Herr Lebius weiss das ganz genau. Umso schlimmer, dass er trotzdem die Unwahrheit behauptet!

In Beziehung auf die beiden Beispiele von „Jugendverführungen“ verweise ich auf

Beilage G und H, Seite 19, auch auf 3 und 4.

In Beilage J

gebe ich ein Exemplar der „Sächsischen Volkszeitung“, um den Schund zu zeigen, der die Jugend vor die Strafgerichte führt und dessen Wirkung man dann auf mich zu werfen pflegt. Wenn ein Vorsitzender, wie Lebius auf Seite 10 berichtet, fragt: „Auch wohl Geschichten von Karl May?“ so wird und muss in allen Fällen ein Ja erfolgen, weil eben ein jeder auch mich gelesen hat. Das beweist aber doch nicht, dass ich der Schuldige bin!

Ich gebe dem Heft 22 der „Pädagogischen Zeitfragen“, Seite 15, 19 usw., vollständig Recht, wenn es, das Bemühen, die Schuld anderer auf mich abzuladen, als einen „höchst verwerflichen Advokatenkniff“ und einen „forensischen Unfug sondergleichen“ bezeichnet, siehe

Beilage H,

Uebrigens konstatiere ich, dass Lebius sich, als er bei mir war, über diesen Unfug in höchst entrüsteter Weise ausgesprochen hat und mir sein Blatt,Die Sachsenstimme“, zur

Verfügung gestellt hat, solcher Gewissenlosigkeit entgegen zu treten. Nun ich ihm aber weder die sechs- noch die zehntausend Mark gegeben habe, die er von mir forderte, sind Gewissenlosigkeit, Unfug und Kniffe an die Stelle der Entrüstung getreten.

Zu dem Absatz „Gegner Karl Mays“ habe ich hier folgendes zu sagen:

1. Was Ferdinand Avenarius über mich schreibt, muss ich als völlig wertlos resp. verkehrt zurückweisen.

Ein Kritiker, der mich unter die „Schundromanfabrikanten“ wirft, obgleich ich niemals einen Schundroman geschrieben habe, ist kein Kritiker mehr, sondern ein Fälscher. Es ist allerdings bedauerlich, dass ein Mann von seinem Rufe und seinen Verdiensten, die auch ich anerkenne, sich durch leib- und wahlverwandtschaftliche Verhältnisse zu derartigen Auslassungen treiben lässt. Ich kann hier nur andeuten, dass er der Schwager Paul Schumann’s ist und mit ihm in Blasewitz in einem Hause zusammenwohnt, desselben Paul Schumann, den Lebius in seiner Broschüre zweimal gegen mich zu Felde führt, nämlich Seite 17 oben und 18 unten. Sie besitzen das Haus, in dem sie wohnen, in Kompagnie, und so ist es kein Wunder, dass sich diese Kompagnie auch auf die Unwissenheit und Feindseligkeit erstreckt, die ich Herrn Paul Schumann weiter unten nachzuweisen habe. Lebius verschweigt natürlich dies innige Verhältnis dieser seiner beiden Gewährsmänner und zieht sie so weit wie möglich auseinander, um den Eindruck, den er bezweckt, zu verdoppeln.

2. Was die „Frankfurter Zeitung“ betrifft, so ist ihr die Religiosität meiner Bücher zuwider. Um dies nicht offen eingestehn zu müssen, schiebt sie andere Gründe vor, mich anzugreifen. Ganz besonders stellt sie sich, als ob sie noch gar nicht wisse, dass meine Reiseerzählungen figürlich zu nehmen sind. Herr Lebius ahmt ihr das schlauerweise nach. Wer so unwissend, oder so böswillig ist, zu behaupten, dass ich mit dem „Ich“, von dem ich erzähle, nicht die grosse, allesvermögende Menschheitsfrage meine, sondern nur mich selbst, der hat es freilich leicht, mich fälschlich der Dinge zu zeihen, deren mich Herr Lebius zeiht. Über die Unwissenheit könnte man still hinweggehen, zur Böswilligkeit aber soll man nicht

schweigen. Die bodenlose Unwissenheit des Herrn Lebius dokumentiert sich durch die Behauptung auf Seite 14, dass ich „nicht einmal das Geographiebuch genügend studiert hätte“. So drückt sich doch nur ein Knabe von 6 bis 7 Jahren aus! Heute weiss jedes Kind, dass es kein „Geographiebuch“ gibt, sondern eine geographische Wissenschaft, aus der man nur für Kinder und Herrn Lebius das A-B-C in eine Schulfibel setzt. Die „Frankfurter Zeitung“ beschuldigte mich 1899 allerdings, von einem schiffbaren, texanischen Flusse erzählt zu haben, und Texas habe doch gar keinen schiffbaren Fluss. Aber wenn sie in das famose „Geographiebuch“ des Herrn Lebius guckt, wird sie finden, dass Texas nicht nur einen, sondern sogar viele schiffbare Flüsse hat, und dass also die „Frankfurter Zeitung“ und Herr Lebius die Blamierten sind! Aber sie stellte mich in demselben Jahre auch als Schwindler und Hochstapler hin, indem sie veröffentlichte, ich tue, als ob ich in Asien und Afrika reise und liege doch in Tölz in Oberbayern versteckt. Es wurden sogar in der dortigen Fremdenliste meine Personalien gefälscht. Seitdem ist es mir unmöglich, die „Frankfurter Zeitung“ als einwandfreie Zeugin anzuerkennen. Ich lehne sie ab. Ich habe Herrn Lebius, als er bei mir war, auch von dieser Zeitung erzählt. Er zeigte sich empört über ihre Lügen. Da ich ihm aber kein Geld gab, mit seiner „Sachsenstimme“ gegen sie loszumarschieren, so macht er nun gemeinsame Sache mit ihr und wärmt diese Lügen tapfer auf!

3. Die auf Seite 15 erwähnte „Sachsenstimme“ ist das eigene Blatt des Herrn Lebius. Es erschien nicht in Leipzig, sondern in Dresden. Es als ein „Leipziger Blatt“ zu bezeichnen, ist also eine

absichtliche Fälschung.

Diese Fälschung wird bei allen Gelegenheiten wiederholt. Sie geschah und geschieht, um

Polizei, Staatsanwalt und Richter irrezuleiten,

wie Herr F. W. Kahl bezeugen kann.

Eine weitere, noch augenfälligere Fälschung wird in der Wiedergabe des „Sachsenstimmen“-Artikels vom 19. Juli 1905 begangen. Man vergleich den Punkt 3 der Broschüre mit

Punkt 3 dieses Artikels, so wird man finden, dass über 4 Zeilen hinzugefügt worden sind. Siehe

Beilage K.

Und was meinen Doktortitel betrifft, so habe ich das Diplom dem Ministerium eingereicht und es wiederbekommen, und erst kürzlich ist es auch von der Staatsanwaltschaft und dem Kriminalrichter untersucht und mir ohne Weigern zurückgegeben worden. Mehr habe ich hierzu nicht zu sagen.

Zu Punkt 2 erwähne ich, dass ich mich niemals als „Indianertöter“ und als „adleräugig“ bezeichnet habe und dass ich auch kein gescheitertes, schwächliches, kurzsichtiges Schulmeisterlein bin.

Zu Punkt 4 fordere ich Herrn Lebius auf, mir die Wahrheit desselben nachzuweisen. Richtig ist nur, dass Herr Lebius eine solche Broschüre herausgeben wollte, aber nicht durfte!

Was nun die „Vorstrafen“ insbesondere betrifft, so verweise ich auf die Bemerkung, mit der ich das vorliegende Kapitel einleitete. Doch kann ich nicht umhin, durch den Inhalt der

Beilagen L, M, N usw.

nachzuweisen, mit welcher raffinierten, strategischen und taktischen Ueberlegsamkeit der Münchmeyersche Plan, mich durch meine „Vorstrafen“ in den Zeitungen kaput zu machen, von Stufe zu Stufe verfolgt und ausgeführt wurde. Herr Lebius begann mit der leisen Andeutung: „was er so meine Vorstrafen nennt“ stieg hinauf bis zu den Plakaten, die er zu Weihnacht in die Schaufenster hängen liess, und ist nun, da ihm die Zeitungen nicht mehr genügen, daran, sogar Broschüren darüber zu schreiben.

Wenn Herr Lebius auf Seite 15 der Broschüre, Alinea 7 sagt: „Man sehe, was dieselbe Zeitung weiter über May schreibt“, so verschweigt er, dass es seine Zeitung ist und dass das was da steht, aus seiner eigenen Feder stammt. Das nennt man „Sand in die Augen streuen“ und gehört zur bekannten, schon oft erwähnten „Haupteigenschaft“ des Herrn Lebius.

Den Absatz der Broschüre Seite 15 unten: „Wie es mit der Wahrheitsliebe Karl May’s bestellt ist[“], hat man zu verwandeln in „Wie es mit der Wahrheitsliebe des Herrn Lebius

bestellt ist“. Denn grad in der Angelegenheit, die er da anzieht, hat er eine seiner raffiniertesten Fälschungen begangen, indem er die 1903 in eine 1904 verwandelte und dieser Fälschung die unwahre Ueberschrift „Amtliches Material“ gab.

Es ist sehr richtig, dass ich Herrn Gurlitt damals einen Brief schrieb, in welchem ich ihn auf die Tragweite dessen, was er hatte mit sich tun lassen, aufmerksam machte. Er war damals Rektor der technischen Hochschule. Aber er war auch der Schwager des Münchmeyerschen Rechtsanwaltes. Er stieg in die „Sachsenstimme“ hinab und gab seinen Namen zu den Lebius’schen Fälschungen her. Dadurch hat er die „Magnifizenz“, die nicht ihm gehörte, sondern ihm seitens der technischen Hochschule für ein Jahr geliehen war, prostituiert. Der hierauf bezügliche Artikel des Herrn Lebius liegt in

Beilage R.

Herr Lebius nennt mich auf Seite 16 der Broschüre, ganz unten, den „grossen und edlen Dichter“. Das soll den Anschein erwecken, als ob ich mich so bezeichne. Das ist mir aber niemals eingefallen! Auch das deutet auf seine Haupteigenschaft.

Genau diese Abgefeimtheit und Durchtriebenheit zeigt er auf Seite 18 in der Behauptung, es stehe fest, dass ich eine Reise gemacht habe, und zwar mit einer Reiseagentur. Auf Seite 14 zitiert er, dass ich fremde Länder mit keinem Fusse betreten habe, und nun gibt er gnädigst doch wenigstens eine Reise zu, aber ja keine selbständige, sondern nur per Agentur! Mit Agenturen zu reisen, ist mir niemals eingefallen. Das habe ich ihm auch ganz besonders gesagt. Also auch hier gleich wieder seine „Haupteigenschaft“!

Ebenso lügenhaft ist die Behauptung, dass ich „den Rückzug angetreten“ habe. Wo steht in Kürschners Schriftstellerlexikon vom Jahre 1898, dass diese meine Werke nicht figürlich zu nehmen sind? Wann habe ich jemals gesagt, dass sie nicht allegorisch sind? Und wie will Lebius nachweisen, ob ich evangelisch oder katholisch denke? Wer hat mir nachgewiesen, dass ich Protestant bin? Wo sind die Schleichwege, auf denen ich meine Leser gewinne? Ist es ein Schleichweg, wenn ich im Schriftstellerlexikon und in allen

Büchern in allergrösster Oeffentlichkeit und Ehrlichkeit zeige, dass ich in Beziehung auf meinen Glauben nicht einseitig, sondern ein Christ in Christi ursprünglichem Sinne bin und mich zu den ewigen Wahrheiten des Katholizismus ebenso bekenne wie zu denen der evangelischen Abzweigung der allgemeinen christlichen Kirche?

Und nun zu Herrn Professor Paul Schumann, von dem Lebius behauptet, er habe „nachgewiesen“, dass es keine Indianerdialekte gibt. Ich bringe

in Beilage S.

ein Verzeichnis zur Ansicht, welches ca. 125 Indianerdialekte anführt. Wie kostbar diese Bücher sind, zeigt z. B. die Nummer 125 und 226, von denen 24 Blätter in Chibchasprache 2450 Mk. und 115 Seiten Moxasprache gar 2800 Mark kosten. Und diese Bücher bilden nur einen Teil der Bibliothek eines einzelnen Amerikanisten! Ich bitte, hieraus auf die Grösse und Menge der Literatur zu schliessen, die sich mit den Indianerdialekten beschäftigt! Und ebenso bitte ich, zu erwägen, welche Summe von Unwissenheit, Gewissenlosigkeit und Böswilligkeit von Seiten des Lebius und des Redakteurs Paul Schumann dazu gehört, mich in öffentlichen Blättern und Broschüren durch die geradezu schwachköpfige Behauptung, dass es „keine Literatur in jenen Dialekten gibt“, als Lügner hinzustellen. Dass ich diesen Herrn Schumann, der sich auch noch ganz anderer Dinge schuldig machte, ad absurdum geführt habe, soll Lebius nicht mir, sondern ihm vorwerfen, denn es war der Oeffentlichkeit gegenüber ganz einfach meine Pflicht!

Wie ausserordentlich gefährlich Lebius ist, ergeht aus

Beilage T.

Als Lebius bei mir war, fragte er mich nach den früheren Verhältnissen meines Verlegers Fehsenfeld. Ich sagte ihm, Fehsenfeld sei, bevor er mein Verleger wurde, ein armer Sortimenter gewesen. Der Militärschriftsteller und Redakteur Max Dittrich, welcher dabei war, als ich das sagte, bezeugt mir das in Beilage T. Wie aus

Beilage L.

zu ersehen ist, macht Lebius daraus die Fälschung, dass Fehsenfeld bankerott gemacht habe – – – natürlich nur, weil ich

ihm kein Geld gab – – – um mir zu schaden und mich mit meinem Verleger auseinander zu bringen.

Zu den lügnerischen Behauptungen auf Seite 15 der Broschüre, dass ich bei Münchmeyer nicht Redakteur gewesen sei und dass dieser sich meiner erbarmt habe, wurde von mir im Prozess durch zahlreiche Zeugen und Briefe usw. bewiesen, dass ich gar wohl Redakteur gewesen bin und dass sich

Münchmeyer nicht meiner erbarmt hat, sondern sich ganz im Gegenteile in grosser Not befand, aus der ich ihn gerettet habe. Siehe

Beilage U,

mit einem Brief meines Rechtsanwalt Klotz.

Herr Lebius kann den § 193 des St. G. B. nicht zu Gunsten seiner Broschüre anführen. Er hat durch die vier Anekdoten auf Seite 135 und 136 bewiesen, dass er vollständig unwürdig und unfähig ist, jemals irgendwelche literar-ethische Interessen wahrzunehmen. Die Geschichte der Entstehung seiner Broschüre weist überzeugend nach, dass sie nur zu dem Zwecke geschrieben wurde, die Richter zu beeinflussen und mich als Zeugen unmöglich zu machen. Sie ist kurz folgende:

1. Wütende, verleumderische Angriff in seiner „Sachsenstimme“ gegen mich, weil ich ihm kein Geld gab und er infolgedessen aus Dresden verschwinden musste, denn auch andere, an denen er sich aber nicht rächen kann, gaben ihm nichts.

2. Mittwoch, den 4. September 1907 droht mir Lebius im Café Bauer, dass in Berlin mehr als 20 Zeitungen nach dem gefährlichen Rundschaumuster seien. Wenn er sich an diese wende, sei es für immer mit mir aus.

3. Am 1. Oktober fragt der „Vorwärts“ bei mir wegen Lebius an. Er wurde von Lebius verklagt. Ebenso auch die Dresdner „Arbeiterzeitung“. Beide haben mich als Zeugen benannt.

4. Am 26. Oktober schreibt Frau Lebius an meine Frau, dass ich Zeuge des „Vorwärts-Redakteurs“ sei. Sie wünschte, mit meiner Frau in einer Dresdener Konditorei hierüber zu sprechen.

5. Am 29. Oktober fand diese Unterredung statt, doch nicht in Dresden, sondern in Radebeul. Frau Lebius las meiner Frau Aktenstellen vor, die ihr ihr Mann hierzu mitgegeben hatte. Sie verlangte, dass ich als Zeuge die Unwahrheit sage, und wenn ich das nicht tue, so werde ihr Mann die Dresdner Angriffe erneuern, und dann wüssten wir ja, was darauf folgt. Meine Frau erklärte aufrichtig, dass ich die Wahrheit sagen würde. Frau Lebius ging fort, ohne mit ihrer Erpressung durchgedrungen zu sein.

6. Sofort, nachdem Lebius erfahren hat, dass ich nicht nach seiner Drohung funktioniere, nämlich Anfang November, engagierte Lebius einen gewissen F. W. Kahl aus Basel, der noch nie ein Buch geschrieben hat, und bestellt bei ihm scheinbar ein hochwissenschaftliches Werk „Dichtung und Verbrechen“.

7. Die Bestellung stellt sich als ein riesiger Schwindel heraus. Das „wissenschaftliche“ Werk schrumpft zu einem armseligen, lügenhaften Pamphlet zusammen, mit dem Karl May „totgemacht“ werden soll.

8. Am 10. April ist Verhandlung in Dresden, in Sachen Lebius gegen die Arbeiterzeitung. Da soll ich zeugen. Lebius sagt zu Kahl, dass die Broschüre bis zum 1. April fertig sein müsse, sonst habe sie für ihn keinen Wert mehr. Er habe ihm schon 250 Mk. dafür bezahlt. Bis zum Termin müsse ich totgemacht sein. Er sei ein grosses, forensisches Talent und werde mit den Richtern schon fertig. So eine Broschüre, wenn sie grad zur rechten Zeit fertig werde, tue Wunder bei den Richtern.

9. F. W. Kahl bekommt Angst. Sein Gewissen schlägt. Er weigert sich, den literarischen Mord zu begehen. Er verbietet, zu drucken, was er geschrieben habe; er verbietet es beiden, dem Lebius und auch dem Verleger Bechly.

10. Lebius begeht die Erpressung, sein Geld sofort zu verlangen. Bekommt er es nicht, so erscheine die Broschüre doch! Kahl kann angeblich nicht zahlen. Die Broschüre erscheint, und zwar allem Recht zuwider unter seinem Namen. Lebius hat sie verfasst und nur einige nichtssagende Stellen von Kahl mit eingeflochten.

11. Ich reise sofort nach Berlin zum Verleger Bechly. Dort nannte man mir Kahl-Basel als Verfasser, obwohl man wusste,

dass nicht er, sondern Lebius es war. Ich erhob gerichtliche Klage.

12. Kahl, obgleich als Verfasser genannt, erfuhr kein Wort vom Erscheinen der Broschüre. Dass und wie man ihn hintergangen und beschwindelt hatte, ersah er erst aus meiner Warnung, die im „Berner Bund“ erschien. Er wendete sich hierauf an mich und gestand und offenbarte mir die ganze Schurkerei!

Zum Schlusse habe ich zu betonen, dass es sich hier nicht um eine einfache, sondern um eine verleumderische Beleidigung handelt, absolut wider besseres Wissen. Auch ist sie nicht eine private, sondern eine öffentliche, durch den Druck und Zeitungsversand begangen. Die bei meinem Anwalt liegenden Zeitungen beweisen es.

Lebius will Redakteur sein. Kein ehrlicher Redakteur wird gegen einen Schriftsteller etwas unternehmen, ohne über ihn nachzuschlagen. Solche Nachschlagewerke sind z. B. „Unsere Zeitgenossen“ oder „Deutsches Zeitgenossen-Lexikon“ oder „Bildende Geister“ usw. Diese Bücher geben ehrliche Auskunft. Wie eine solche Auskunft über mich lautet, mag

Beilage V.

zeigen, in welcher das Nachschlagewerk „Sächsische Schriftsteller, Gelehrte und Künstler“ den Nachweis führt. Und wenn Herr Lebius diese Werke nicht zur Verfügung gestanden hätten, so konnte er sich in jeden [jedem] anständigen Bücherladen informieren, wo er Auskunft erhalten hätte, wie ich sie in

Beilage W.

zeige. Und in

Beilage E.

gebe ich eine nur ganz kleine Probe von den hunderten der Zeitungen und Blätter, welche die Wahrheit über mich schreiben und gegen welche die 4–5 feindlichen mit Cardauns, Avenarius und Schumann tief unter Null versinken. Das alles kann Herrn Lebius doch nicht entgangen sein und ist ihm auch nicht entgangen; er kennt es nur zu gut; aber es muss mit Anwendung aller Mittel weggelogen, weggeschwindelt

und wegatavistet werden; ich muss beseitigt werden, tot gemacht bis zum 1. April, weil am 10. die öffentliche Verhandlung ist, in welcher er zeigen will, dass er ein forensisches Talent ersten Ranges ist und den Richtern vormachen kann, was ihm beliebt! Lebius ist ein journalistischer Kehlabschneider, der für Geld literarische Meuchelmörder dingt, um einen Jeden beiseite zu schaffen, der ihm im Wege steht! Seine Broschüre dient nur dem einen Zweck, mich literarisch, gesellschaftlich und geschäftlich zu morden! – – –

Rudolf Lebius-Liste.

Die Zeichen und Abkürzungen in dieser Liste haben folgende Bedeutung: G = gewissenlose Behauptung. W = wissentliche Unwahrheit, also Lüge. A = Absichtliche Fälschung. Raff. = raffinierte Bosheit. Inf. = Infamie.

1. Herr Lebius bewundere und verehre mich. W

2. Herr Lebius kenne meine Werke. W

3. Er habe grosse Erfahrungen als Geschäftsmann. W

4. Er habe ausserordentliche Erfolge als Parteimann, Jour­nalist, Buchhändler und Verleger. W

5. Seine „Sachsenstimme“ habe grossen Anklang ge­fun­den. W

6. Seine Zeitung sei auf ganz solider Basis zustande ge­kommen. W

7. Sie sei zu vorteilhaften Bedingungen an ihn allein über­gegangen. W

8. Wenn man ihm Summen wie 3–6000 Mark borge, sei ein Risiko ausgeschlossen. W

9. Die grosse Zahl der akademischen Mitarbeiter seines Blättchens. A

10. Er lege sein Blatt in 1760 Wirtschaften aus. W

In „Sachsenstimme“ Nummer 33: [1904]

11. Ich sein ein Kolportageschriftsteller. W

12. Ich habe 160 000 Mark Einkommen gehabt. A

13. Jetzt aber habe ich jährlich 80 000 Mark. A

14. Ich selbst soll ihm das gesagt haben. W

15. Er kenne mich genau. Er habe öfters mit mir ge­spro­chen, getrunken, gegessen. A

16. Meine Frau habe nicht mir, sondern ihm Recht ge­ge­ben. A

17. Meine Frau habe behauptet, Chateaubriand sei nicht in Amerika gewesen.

18. Ich soll ihm gestanden haben, gar keine Reisen ge­macht zu haben. A

19. Ich soll mir Marmorbüsten zum Preise von 50–60 000 Mark haben machen lassen. A

20. Um mich als Schwindler hinzustellen, behauptet er, ich sei kurzsich­tig. Raff.

21. Mein Verleger habe mit einem kleinen Papiergeschäft Bankerott gemacht. Inf.

22. Er spricht von „unlängst“ und von „Erkundigungen bei Fremden“, wo er doch schon vor Monaten und persönlich bei mir gewesen ist. A

23. Er sagt die Unwahrheit über meine Leserkreise, um mich zu blamie­ren.   A

24. Er stellt sich, als ob er vor dem Erscheinen der Max Dittrich-Broschüre nichts von ihr gewusst habe, und hat sich doch so grosse Mühe gegeben, sie selbst in Verlag zu be­kom­men. Raff.

25. Er behauptet, diese Broschüre mache Dunst, und wollte sie doch veröffentlichen. Inf.

26. Er erklärt, nur deshalb Geld von mir verlangt zu haben, um es an dieser Broschüre zu verwenden, und war doch mit ihre schon abgewiesen, als er die 10 000 Mark verlangte. A

27. Er leugnet 20 Jahre meiner Schriftstellertätigkeit hin­weg. A

28. Er spricht von einem „fünfjährigen Stillschweigen“ meinerseits, und doch sind in dieser Zeit vier vollständig neue Bände von mir erschienen.

29. Er bediente sich das Ausdruckes: „wie er selbst mir mitteilte“, und doch habe ich ihm so etwas nie gesagt. Raff.

30. Er bezeichnet die Helden meiner Erzählungen als „Glücksritter“ und weiss doch ganz genau, dass sie Per­so­ni­fi­ka­tio­nen der Menschheitsseele, des Edelmenschen, des Chri­sten­tums, des Islam usw. sind. Inf.

31. Es soll mir „peinlich gewesen“ sein, dass meine Frau mich desavouiert habe. Sie hat dies aber gar nicht getan, son­dern mir völlig Recht gegeben. Inf.

32. Das ganze Gespräch mit meiner Frau hat in grad ent­ge­gen­ge­setz­ter Weise stattgefunden. A

33. Ich soll gestanden haben, nicht gereist zu sein. Und ich soll behauptet haben, mich „auf der ganzen Erde her­um­ge­trie­ben“ zu haben. A

34. Ich soll ihm eine „mystische Zweiseelentheorie“ ent­wickelt haben. A

35. Die „zahlreichen Amateurphotographien“ von denen er redet, sind nur vier ganz bescheidene, kleine Aufnahmen. A

36. Meine Frau ist auf diesen Aufnahmen nicht mir zu sehen. A

37. Er sagt: „Wie May nach dieser Anerkennung und die­sem Ruhm lechzt!“ Ich habe ihm ganz im Gegenteil gesagt und ausführlich erklärt, dass und warum ich diesen fürchterlichen Ruhm geradezu hasse und dass ich nichts sehnlicher wünsche, als ganz unbekannt zu sein; die Menschen sollen mich in Ruhe lassen! Raff. Inf.

38. Ich befände mich auf einer schiefen Ebene, die nach ab­wärts führt. W

39. Er weiss genau, weshalb ich in der Ichform schreibe, und dennoch schändet er sie. A

40. Die 400 Mark für Professor Sascha Schneider sind nicht wahr. A

41. Auch das von der „Karl May-Mappe“ ist nicht wahr. Ich soll dadurch als Geck, als eitler Mensch hingestellt werden. A

42. Er nennt Max Dittrich wegwerfend „Provinzredakteur“. Dittrich war Redakteur in Strassburg, Dresden, Berlin usw. A

43. Er bezeichnet Max Dittrich als einen „schwer Rücken­markleidenden“ und verwandelt das später öffentlich in ein schwe­res syphilitisches Nervenleiden. A. Inf. Raff.

44. Ich soll eingestanden haben, dass Dittrichs Brochüre für mein neues Buch Reklame machen solle. W

45. Als das „Jugendbildnis, welches mich Ende der zwan­zi­ger Jahre darstellt“, aufgenommen wurde, war ich fast 60 Jahre alt! A

46. Ich soll den Eindruck eines Schwächlings auf ihn ge­macht haben! A

47. Ich soll einen „Kneifer tragen, den ich aber ver­stecke“! Raff.

48. Die „österreichische Thronfolgerin“ ist nicht wahr. A

49. Ich habe nie gesagt, dass man an kaiserlichen und kö­nig­li­chen Höfen „für mich schwärme“. Raff. Inf.

50. Mich hat weder der Zufall noch die Not zur Kolportage getrieben. Ich habe ihr niemals angehört. W

51. Ich habe niemals skrupellos geschrieben. Inf.

52. Mein Verleger Fehsenfeld hat keinen Onkel; also ist das, was über diese Person gesagt wird, erdichtet, wie sie selbst. A

53. Er sagt, ich erdichte meine Reiseabenteuer in meiner Radebeuler Studierstube. A

In „Sachsenstimme“ Nummer 44:

54. Er habe, ehe er mich kannte, Bücher von mir gele­sen.  W

55. Ich sei ein gebrechliches Männlein. Ich messe aber 1 Meter 70 und habe 1 Meter 5 Brustumfang. Inf.

56. Er und ich, wir hätten Vertrauen zu einander gefasst, als wir uns kennen lernten. Raff. Inf.

57. Er habe über die Verlagsbedingungen der Broschüre des Langen und Breiten mit mir verhandelt, während ich ihn doch sofort abgewiesen habe. A

58. Ich habe unausgesetzt über meine Gegner und deren Undankbarkeit geklagt. A

59. Er habe mich gefragt, ob ich mich pekuniär an seinem Blatte beteiligen wolle. Raff.

60. Es soll mir zugemutet worden sein, im Falle des Miss­er­fol­ges der Broschüre den Verlust des Lebius zu decken! Raff.

61. Sein Blatt sei damals noch wenig gelesen worden. Da­mals behauptete er, dass es „grossen Anklang“ gefunden ha­be.  W

62. Er behauptet, von mir gefordert zu haben, zuzugeben, dass ich ein Schriftsteller Jules Verne’scher Art sei. Hätte er das getan, so hätte ich ihn augenblicklich hinauswerfen lassen. Raff. Inf.

63. Meine Frau sei ganz mit seinem Vorschlage ein­ver­stan­den gewesen. Er hat es aber gar nicht gewagt, ihn zu machen! Raff. Inf.

64. Meine „Indianergeschichten“ seien blutrünstig. Grad das vermeide ich stets. Das habe ich ihm bewiesen.

65. Er behauptet, ich reize ernste Leute durch krankhafte Schwindelei­en.   Inf.

In „Sachsenstimme“ Nummer 46:

66. Ich sei ein zweiter Leo Taxil. Inf.

67. Mein Vater sei Barbier gewesen. A

68. Ich habe Lehrer werden sollen, sei es aber nicht ge­wor­den. W

69. Ich sei ein sinnlich veranlagter Mann. Inf.

70. Meine Bekannten hätten sich darüber gefreut, dass es mir endlich besser gehe. W

71. Der Inhaber der Münchmeyerschen Firma, Fischer, kön­ne ganz genau über mich Auskunft erteilen, wenn er nur wolle. W

72. Herr Fischer habe einen ganzen Haufen alter Briefe von mir in der Hand. W

73. Es habe eine hohe Konventionalstrafe zwischen mir und Fischer gegeben. G

74. Meine Rechtsanwälte seien Brückner und Hientzsch.  G

In Sachsenstimme Nummer 47:

75. Die Ueberschrift „Amtliches Material“ enthält die Un­wahr­heit. Raff.

76. Ich soll Wind „ausgestreut“ haben und darum nun Sturm „einheim­sen“!   Inf.

77. Ich soll in jüngster Zeit zwei Broschüren zu meiner eigenen Verherrlichung haben erscheinen lassen. Ich habe mich aber bemüht, ihr Erscheinen zu verhindern. Ich habe sogar ver­hin­dert, dass Herr Lebius die eine herausgab, was er doch gar zu gern getan hätte! Raff. Inf.

78. Ich soll die „gekränkte Unschuld“ gespielt haben. Inf.

79. Ich soll das Doktordiplom im März „dieses Jah­res“ beim Ministerium eingereicht haben. Das ist unbedingt ab­sicht­li­che Fälschung, denn das hierauf bezügliche Material wurde Herrn Lebius in die Hand gegeben. Er wusste, dass diese Eingabe schon früher geschehen war! Raff. Inf.

80. Er behauptet, das Ministerium habe diese Worte nicht gesagt; ich aber erkläre, dass sie aus dem Munde des Freiherrn von Welck stammen, der als Regierungsrat im Ministerium über diese Angelegenheit zu befinden hatte und als Vertreter des Ministers meine Frau in Audienz empfing. Raff. Inf.

80. [!] Ich habe mich als Messias aufgespielt! Inf.

81. Ich bausche den Münchmeyerprozess über Gebühr auf. A

82. „Ungeheuere Honoraransprüche“ ist unwahr. A

83. Den Kolportageverlag können sich nur reiche Leute leisten? Lächer­lich!   Raff.

84. Diese ganze Darstellung des Kolportageverlages ist ei­ne einzige, grosse Unwahrheit, um auf meine Richter ein­zu­wir­ken. Raff.

85. Ich habe nie behauptet, auf „diesen“ Gewinnanteil An­spruch zu ha­ben.   Raff.

86. Dass es sich in diesem Prozesse um „kein“ Vermögen handelt, ist unwahr. Raff.

In Sachsenstimme Nummer 48:

87. Ich soll in einem Uhrenladen eingebrochen sein! Inf.

In „Sachsenstimme“ Nummer 12: [1905]

88. Ich soll „Hintermann“ der „Dresdner Rundschau“ sein. G

89. Auch Max Dittrich soll der Gewährsmann dieses Blat­tes sein.

90. Ich soll wegen Einbruchs auf viele Jahre in das Zucht­haus gekommen sein. Inf.

91. Ich soll im bürgerlichen Leben einen schweren Stand ge­habt ha­ben.   Raff.

92. Münchmeyer soll sich meiner erbarmt haben. Raff.

93. Ich sei gar nicht Redakteur gewesen. Inf.

94. Ich soll den „kriminellen Grundzug meines Wesens“ nicht verloren haben. Raff. Inf.

95. Man könne mich als „Hochstapler auf dem Gebiete der deutschen Jugendschriftstellerei“ bezeichnen. Und doch habe ich Herrn Lebius versichert und bewiesen, dass ich gar nicht Ju­gend­schrift­stel­ler sein will und es auch nicht bin. Raff. Inf.

96. Er sagt, ich behaupte noch heute, meine In­dia­ner­ge­schich­ten selbst erlebt zu haben. Inf.

97. Es sei irreleitend, wenn Max Dittrich sich als Redakteur und Militärschriftsteller bezeichne. Raff.

98. Max Dittrich sei niemals Militärschriftsteller ge­we­sen. Inf.

99. Max Dittrich werde von mir über dem Wasser ge­hal­ten. Inf.

100. Ebensowenig wird ere sagen, dere Jude so und so.“ Zu uns hat er wiederholt gesagt „der Jude Herzfeld“ .... A

101. Er habe keine Schandartikel gegen mich verfasst. W

102. Meine „eigene Verherrlichungsbroschüre“. Die er doch selbst so gerne lanzieren wollte! Inf.

103. Max Dittrich habe den Verlag bemogelt. Inf.

104. Nur darum habe seine Honorierung Schwierigkeiten ge­macht. A

In „Sachsenstimme“ Nummer 13:

105. Er sei nicht erpicht gewesen, die Dittrich’sche Bro­schü­re zu verlegen. A

106. Herr May war eifrig bemüht, Herrn Lebius mit der Broschüre hereinzulegen! Man weiss aber, dass er sie wollte, und ich wies ihn sofort ab, sogar persönlich und binnen zehn Mi­nu­ten! Raff. Inf.

107. Er habe die Verlagsübernahme abgelehnt. Raff.

108. Er wäre schwer hereingefallen. G

In „Sachsenstimme“ Nummer 27:

109. Ich soll des Kriegsbeil ausgegraben haben. A

110. Ich behaupte, der Schrecken der Indianer zu sein. Raff.

111. Ich behaupte, dass an meinen Händen das Blut un­zäh­li­ger Indianer und Angehöriger anderer unkultivierter Na­tio­nen klebe. Inf. Raff.

112. Meine Freunde behaupten, dass ich 80 000 Mark Ein­kom­men habe! Nur er selbst hat das getan! Raff.

113. Meine Villa gehöre meiner Frau. Raff.

114. Ich zahle für jede Zeichnung 400 Mark. W

115. Ich habe ungefähr 30 Bücher geschrieben. W

116. Er habe sich nie als Gegner Karl Mays gefühlt. W

117. Ich arbeite mit Mitteln der Brunnenvergiftung gegen ihn. Raff. Inf.

118 Ich fordere durch Selbstverherrlichung die Kritik her­aus. Raff.

119. Ich habe den Angriff der „Dresdner Rundschau“ in­spi­riert. A

110. [120.] Das Verhalten meines Anwaltes sei reif, von der Anwaltskammer geprüft zu werden. Raff. Inf.

121. Die erste „Selbstverherrlichungsbroschüre“. A

In Sachsenstimme Nummer 30:

122. Er habe den „Karl May-Rummel“ ein für alle Mal auf­ge­klärt. W

123. Ich sei ein in meinem Berufe gescheitertes, schwäch­li­ches, kurzsichtiges Schulmeisterlein. Raff. Inf.

124. Ich rase vor Wut. Inf.

125. Meine Rachsucht schrecke vor keinem Mittel zu­rück. A

126. Ich habe einen schaurigen Enthüllungsartikel in die „Rundschau“ lanziert. Inf.

127. Ich soll im „Beobachter“ gegen ihn gewütet haben.  W

In der inkriminierten Broschüre:

128. Schon der Titel, „ein Verderber der deutschen Jugend“, sagt die Unwahrheit. W

129. Auch der Name Kahl ist unwahr. A Raff.

130. Der Aequivalentsatz soll Gültigkeit auf mich haben. Raff. Inf.

131. Will ehemaliger eifriger Mayleser sein. W

132. Sagt, er erkläre sich mit dem Artikel in der „Wahrheit“ nicht vollständig einverstanden, und ist doch selbst der Ver­fas­ser! Schwindel! A Raff.

133. Hierzu gehören die Karl May’schen Reiseschriften. Inf.

134. Blutrünsitgkeit. W

135. Atavistischer Charakter! Inf.

136. Schwere chronische Krankheit. Raff. Inf.

137. Ich ein Leo Taxil! Inf.

138. Durch mich zum Narren gehalten. Raff.

139. Wahrheit verschleiert. Inf.

140. Ich sei abgetan. Lächerlich! A

141. Ich wende mich an die Unbefähigten. Raff.

142. Lehrer und Erzieher beschäftigen sich überhaupt nicht mit mir. A

143. Sie seien falsch unterrichtet. A Raff.

144. Will mich als Volks- und Jugenderzieher hinstellen. Raff.

145. Suche das mit allen möglichen Mitteln zu erreichen. Raff.

146. Jugendverführung. Raff. Inf.

147. Wirkung der Mayliteratur. Raff. Inf.

148. Soll dem Mörder ein Rezept gegeben haben.  Raff.  Inf.

149. Ich preise mich als Wohltäter der Menschheit. Inf.

150. Die „Briefsammlung“ soll öffentlich ausgestellt ge­we­sen sein! Raff. Inf.

151. Frankfurter Zeitung soll den Schleier von mir weg­ge­zo­gen haben. W

152. Ich soll nicht einmal das „geographiebuch“ genügend studiert haben! A

153. Ich schreibe geographische Böcke. A

154. Die „Sachsenstimme“ sei ein Leipziger Blatt! Infame Fäl­schung! Er selbst gab sie in Dresden heraus. Siehe Zeuge Kahl! Raff.

155. Pag. 15 Aufzählung Punkt 1–4 enthält in Punkt 3 eine raffinierte Fälschung. Raff. Inf.

156. Der „edle, fromme“ Dichter der Himmelsgedanken. Inf.

157. Der „grosse, edle Dichter“. Raff. Inf.

158. Soll eine Reise gemacht haben, und zwar mit einer Reiseagentur! A Inf. Raff.

159. Ich soll mich gern an Plätzen aufgehalten haben, die von der Kultur beleckt sind. Raff.

160. Wilde, blutige Abenteuer! A

161. Der Boden sei mir abgegraben worden. W

162. Ich soll eingesehen haben, dass manche Positionen ver­lo­ren sei­en.   Raff.

163. Ich soll den Rückzug angetreten haben, und zwar selbst. Raff.

164. Ich soll 1898 meine persönlichen Reiseerlebnisse er­zählt haben. A

165. Es soll keine Literatur in den Indianerdialekten ge­ben. Inf.

166. Professor Schumann soll das nachgewiesen haben. Inf.

167. Ich soll als katholischer Schriftsteller schreiben. A

168. Ich soll diese Position geändert haben. A

169. Sie sollen für mich so wichtig gewesen sein. Raff.

170. Meine Reisen sollen „auf einmal“ figurisch (sic!) oder allegorisch geworden sein. Inf.

171. Katholischer Protestant. A

172. Ich habe mich für einen katholischen Schriftsteller aus­ge­ge­ben. A

173. Ich sei „deshalb“ empfohlen worden. A

174. Ich soll Schleichwege gegangen sein. A.

175. Es sei mir nachgewiesen worden, dass ich pro­te­stan­tisch sei. Raff.

176. Die ganze katholische Presse sei von mir abgefallen. A

177. Die Art und Weise, wie ich meine Leser zu „ge­win­nen“ suche. Inf.

178. Ich sei nicht aufrichtig. G

179. Ich habe mich in eine Lügenburg verschanzt. Hier zei­ge ich die seinige! Raff. Inf.

180. Die „Wahrheit“ habe dieses Gebäude zuerstört. Inf.

181. Ich habe Schwindel für gute Arbeit ausgegeben. Inf.

182. Ich habe die Oeffentlichkeit jehrzehntelang ir­re­ge­führt. Inf.

183. Meine Arbeiten seien böse Taten. Raff.

184. Seine Broschüre setze meine Qualität als Mensch und Persönlichkeit in das richtige Licht. W

185. Diese Menschen versuchten, Licht in das Dunkel zu bringen. W

186. Ich sei ein „lauernder Feind, ein Brunnenvergifter“. Raff. Inf.

Im „Bund“ vom 28. März 1909:

187. Die „Genossin“ Klara May. Raff.

188. Die Frau des bekannten Indianertöters. Raff.

189. Der „Genosse“ Karl May. Raff.

190. „Unter ihrem Eide“. A

191. Meine Frau schreibe dauernd für den Vorwärts. Inf.

192. Meine Frau schreibe dauernd für die Me­tall­ar­bei­ter­zei­tung. Inf.

193. Meine Frau bringe ungereimte Beschuldigungen ge­gen Lebius vor. W

194. Er stütze sich hierbei auf Aktenmaterial. W A

195. „Genossin May“, wegen Meineides und Betruges. A W Raff. Inf.

196. Sein „Geschäft stand auch nicht allzubest“. Raff. Inf.

197. May wurde mit Leib und Seele Spiritist“. Inf.

198. Ich habe das der Oeffentlichkeit verborgen. Raff.

199. Ich fürchtete die katholische Geistlichkeit. Inf.

200. Zupfen am Aermel von Geisterhand. G

201. Die Plöhn horchte die Emma May aus. Inf.

202. Ich soll Tausendmarkscheine geschenkt haben. G

203. Ich soll Wirtschaftsgeld gegeben haben. Es gab keines. Diese „Ersparnisse“ sind Schwindel. G

204. Ein Brief mit dem Befehle, Herrn Plöhn 20 000 Mark aus­zuhändigen. Raff. Inf.

205. Frau Emma habe aufs Wort gehorcht. G

206. Die Plöhn sei immer kühner geworden. Raff. Inf.

207. In kurzer Zeit hatte sie die ganzen 36 000 Mark der Em­ma May in ihrem Besitz. Raff. Inf.

208. Alles, was ich meiner Frau schenkte, hätte ich auch der Plöhn geschenkt. G

209. „Kleider, Schuhe, Hüte brauchte die Plöhn nicht mehr zu kaufen“. G

210. In der Nachbarschaft hiess es sehr bald, Karl May habe zwei Frauen. Raff. Inf. W

211. Herr Plöhn lächelte duldsam dazu. Inf.

212. Es sei für ihn auch reichlich etwas abgefallen. Raff. Inf.

213. Frau Plöhn langweilte sich in Radebeul. Raff. Inf.

214. Geisterbefehl zur Fahrt nach München. Raff.

215. Ich sei zurückgekehrt. G

216. Nochmals eine Orientreise. G

217. Fast täglich für 10 bis 20 Mark Blumen nach dem Gra­be.

218. Jährliche Rente von 3000 Mark. Inf.

219. Geschlechtsverkehr mit meiner Frau verbieten. Raff. Inf.

220. Ich sei mit der Plöhn eine Gewissensehe ein­ge­gan­gen. Inf.

221. Im ersten Wagen sassen May und die Plöhn um­schlun­gen. Inf.

222. Frau Emma zu Tode vergrämt. Raff.

223. „Karl und ich werden uns heiraten.“ Inf.

224. „Wir sind tot, tot, tot!“ Raff. Inf.

225. Ich wiederholte diese Szene in noch brutalerer Wei­se. Raff. Inf.

226. Unsere „Vergnügungsfahrt als Ehepaar“. Raff. Inf.

227. Strengsten Befehl an die Emma May, zu bleiben. W

228. Sie blieb und wagte nicht, sich zu rühren. Inf.

229. Im Jenseits würde sie wieder mit ihrem Manne ver­ei­nigt sein. Raff.

230. Im Diesseits gehöre er mit samt seinem Gelde der Plöhn. Inf.

231. Am 9. März floh Emma May nach Dresden. G

232. Es wurde ihr „befohlen“, alle belastenden Schrift­stücke herauszugeben. G

233. Es wurde ihr „befohlen“, sich in Weimar nie­der­zu­las­sen. G

234. May setzte ihr eine kleine Rente aus. A

235. Diese Plöhn schreibe jetzt Artikel gegen Lebius. W Raff.

Im „Bund“ vom 14. März 1909:

236. In der Fussnote: Auf Anstiften der Sozialdemokratie.​A W

237. Fälschung des tatsächlichen Sachverhaltes. A

238. „Wir halten uns zum Abdruck der Broschüre be­rech­tigt.“ W

In „Bund“ vom 17. Januar 1909:

239. Der Zeuge ist nämlich Herr May, den kein Gericht aus bekannten Gründen vereidigen wird! W Raff. Inf. usw. usw.

Diese Liste wird fortgesetzt.

Diese Liste enthält nur die augenfälligsten Unwahrheiten, Erdichtungen usw. des Herrn Lebius. Nicht stark hervortretende Winkelzüge, Pfiffigkeiten usw. wurden weggelassen.