Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 3, Seite 33
Reprint Seite 50


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

Sie saßen miteinander auf der Kampanje und schauten vergnügt nach dem vordern Horizonte, an welchem sich mehrere Segel sehen ließen. Aber eigentümlich war die Ordnung, in welcher sie saßen. Die drei Feldstühle, auf denen sie Platz genommen hatten, standen nämlich nicht nebeneinander. Das wäre dem guten Gottfried gegen alle gewohnte Subordination gewesen. Er war jahrelang hinter seinem »Methusalem« hergelaufen und konnte es unmöglich zugeben, daß jetzt eine andere Ordnung eingeführt werde. Darum saß er in der altgewohnten Entfernung von drei Schritten hinter ihm und hielt die Wasserpfeife, deren Schlauchspitze der Student im Munde hatte, in den Händen. Sie war vor der Abreise mit einem neuen Glasballon versehen worden.

Beide, der Herr sowohl wie auch sein Wichsier, waren ganz genau noch so gekleidet, wie man sie daheim in der Humboldtstraße zu sehen gewohnt gewesen war. Richard saß neben dem »Methusalem« und einige Fuß vor demselben der bekannte Neufundländer, welcher es sich also ebenso angelegen sein ließ wie Gottfried, die heimatliche Reihenfolge beizubehalten.

Fritz Degenfeld blies die gewohnten dicken Rauchschwaden aus dem Munde und nickte dem Kapitän freundlich zu, welcher soeben von vorn kam und zu ihnen auf die Kampanje stieg.

»Nun, Kommodore, wie steht's?« fragte er. »Werden wir bald die Küste des himmlischen Reiches zu sehen bekommen?«

»Will es meinen,« antwortete der Gefragte. »Wir werden bereits am Nachmittage vor Hongkong zu Anker gehen. Bald werden sich da vorn die Segel mehren, welche die gleiche Richtung haben.«

»So haben wir eine feine Fahrt gemacht!«

»Unvergleichlich! Wir machen siebzehn Knoten. Das will etwas sagen. In nicht ganz vier Tagen von Singapore bis hierher, das soll dem Heimdall Turnerstick ein anderer nachmachen! Es wird es jeder bleiben lassen!«

»Ja, Sie und Ihr gutes Schiff, da läßt sich etwas erreichen. Ich hätte nicht geglaubt, China so schnell begrüßen zu können.«

»Wissen Sie denn auch, wie man dieses gelobte Land der Zöpfe begrüßt?«

»Nun, wie?«

»Tsching tsching! muß man rufen. Das ist der echt chinesische Gruß.«

»Ach! Sie sprechen wohl auch ein wenig chinesisch?«

Turnerstick setzte den Klemmer auf die Nase, hielt ihn dort fest, weil er sonst gleich wieder herabgefallen wäre, warf Degenfeld einen mißbilligenden Blick zu und antwortete:

»Wie können Sie so fragen! Ein bemoostes Haupt wie Sie hat doch an der Universität ein genug langes Garn gesponnen, um zu wissen, daß man dem Kapitän Turnerstick so nicht kommen darf. Ein wenig chinesisch! Da liegen Sie vor Topp und Takel bei und treiben wohl bis sieben Striche ab! Wenn ich einmal ein Tau in die Hand nehme, so nehme ich es ganz.«

»So sprechen Sie vollständig chinesisch?«

»Natürlich! Wie anders?«

Das war in einem Tone gesprochen, als ob er gefragt worden sei, ob er Wasser trinken könne.

»Das ist mir neu!« gestand Degenfeld. »Sie haben darüber noch kein einziges Wort verloren!«

»Wozu sollte ich davon reden? Von etwas, was sich ganz von selbst versteht, macht man doch kein Geschrei.«

»Nun, desto wertvoller ist mir die Entdeckung, welche ich da an Ihnen mache. Sie haben zugesagt, sich uns für einige Tage anzuschließen. Da ist es für uns natürlich vom größten Vorteile, daß Sie geläufig chinesisch sprechen.«

»Pah! Nicht der Rede wert! Eine wahre Kleinigkeit! Sie haben doch auch chinesisch getrieben, wie Sie mir sagten.«

»Nur zwei Jahre lang.«

»Das ist mehr als genug, denn diese Sprache ist die leichteste, die ich kenne.«

»Und ich habe ihre Erlernung für höchst schwierig gehalten.«

»Da haben Sie freilich ein sehr falsches Segel gesetzt. Sie natürlich müssen mit dem obligaten Latein und Griechisch den richtigen Kurs verlieren. Wem der Kopf mit so klassischer Ware vollgestaut wird, der hat eben zuletzt für das Leichteste keinen Platz mehr übrig. Dann segeln solche überstudierte Leute in der Welt herum und können kein Panzerschiff von einer Heringskuff unterscheiden. Ich sage ihnen, das Chinesische ist mir geradezu angeboren gewesen. Es ist ganz von selbst gekommen.«

Der »Methusalem« kannte die Achillesferse des Kapitäns. Darum hütete er sich sehr wohl, den geringsten Zweifel hören zu lassen. Er sagte im ernstesten Tone:

»Das kann eben nur Ihnen passieren. Sie sind ein wahrer Walfisch im Meere der Dialekte. Sie schwimmen spielend drin herum und blasen die schwierigsten Paradigmen nur so aus der Nase.«

Turnerstick hielt den Klemmer empor, warf durch denselben einen forschenden Blick auf den Sprecher und fragte sehr ernst:

»Durch die Nase! Soll das etwa eine Hindeutung auf meine Gesichtszüge enthalten?«

»Was fällt Ihnen ein! Ich spreche vom Walfisch, und daß der bläst, das wissen Sie wohl!«

»Ja, und zwar aus der Nase. Sie haben recht. Wie der sich im Wasser wälzt, so wälze ich mich in den Sprachen herum. Und gerad das Chinesische ist mir völlig wurst.«

»Für mich ist es im Gegenteile ein sehr harter Knochen gewesen, an welchem ich mir die Zähne locker gebissen habe. Bedenken Sie nur die Dialekte! Es sind ihrer neun!«

»Das ist wenig genug! So ein Dialekt läuft bei mir hinunter wie ein steifer Grog. Die Hauptsache ist, daß man sich eben an die Hauptsache hält, und das sind im Chinesischen die Endungen.«

»So? Ich bin stets der Meinung gewesen, daß das Chinesische gar keine Endungen habe.«

»Was! Keine Endungen! Ja, nun ist's mir freilich sehr erklärlich, daß Sie es trotz zwei voller Jahre zu nichts gebracht haben! Wenn Sie nichts von den Endungen wissen, so ist das gerade so, als wenn Sie ohne Wasser schwimmen oder ohne Flügel fliegen wollen. Ich sage Ihnen, daß ich im stande bin, Ihnen das ganze Chinesische mit allen neun Dialekten in fünf Minuten beizubringen!«

»Unglaublich!«

»Sie werden es gleich glauben müssen. Nennen Sie mir doch einmal die Namen von einigen chinesischen Städten oder Flüssen!«

»Das ist sehr leicht. Da haben wir zum Beispiel Jang-tsekiang, Ma-seng, Pe-king, Hong-kong, Wu-sung - -«

»Halt!« unterbrach ihn der Kapitän. »Das genügt vollständig. Da haben Sie ja gleich fünf Endungen!«,

»Endungen? Wohl nicht!«

»Was denn? Sie haben sie ja genannt, ang, eng, ing, ong und ung! Wenn das keine Endungen sind, dann bin ich nicht Heimdall Turnerstick! Diese Endungen sind die wirklichen Kaninchen! Mit ihrer Hilfe schüttelt man das Chinesische nur so aus den Aermeln. Das ist der wahre Jakob. Die Endungen, die Endungen, die geben den Speck zu den dicken Erbsen. Sie freilich mit Ihrem Griechischen und Lateinischen haben gar keine Ahnung von einer anständigen, brauchbaren und bequemen Endung! Ich glaube, auf allen Ihren Universitäten ist keine einzige ordentliche und mundgerechte Endung zu finden wie so ein chinesisches ing, ang oder ung! Mit fünf solchen Endungen stecke ich ganz China in den Sack. Das werde ich Ihnen in kurzer Zeit beweisen. Da draußen hält ein Kutter auf uns zu. Es ist ein Lotse. Ich werde ihm sogleich das Signal geben, da er an Bord kommen soll. Dann werde ich chinesisch mit ihm sprechen, und Sie sollen Ihre Freude daran haben. Sie werden sich wundern, daß Sie nicht ganz von selbst auch darauf gekommen sind.«

Er gab den betreffenden Befehl, und bald wehte vom Vortop des Klippers das Zeichen »PT« des internationalen Signalbuches.

Der Lotse sah die Aufforderung und folgte derselben. Er hatte kein chinesisches Boot. Sein Fahrzeug war sehr scharf auf den Kiel gebaut, und der Vorsteven stand fast rechtwinkelig auf. Es führte eine sehr hohe Stenge, horizontal liegendes Bugspriet, Gaffel- und Gaffeltopsegel, Stackfock und großen Klüver. Es war eine Lust, zu sehen, wie schnell und anmutig es herbeigeschossen kam. Es gab den Lotsen an Bord und hielt dann mit der Bedienung von dem Klipper ab.

Der Lotse ging chinesisch gekleidet und trug einen ungeheuer breiten Grashut, welcher sein Gesicht so beschattete, daß es kaum zu erkennen war, auf dem Kopfe.

»Jetzt passen Sie auf!« sagte der Kapitän zu Fritz Degenfeld. »Jetzt geht es los mit dem Chinesischen.«

Er trat auf den Lotsen zu und grüßte:

»Tsching, tsching, tsching - -«

»Insaneness!« unterbrach ihn der Mann grob. »Sagt einfach welcome, Sir! Ein Amerikaner hat es nicht nötig, mit dem chinesischen Zopfe zu wedeln!«

»Ihr seid kein Chinese, loadsman

»Nein. Ich bin ein guter Schottländer aus Greenock am Clyde, wißt Ihr, wo die famosesten eisernen Schiffe gebaut werden. Wir können uns also Eurer Muttersprache bedienen.«

»Ich wollte chinesisch mit Euch reden,« meinte Turnerstick enttäuscht.

»Ach was, chinesisch! Die schlitzäugigen Kerls sind es gar nicht wert, daß man sich um ihre Sprache kümmert. Sorgt lieber dafür, daß ich einen guten Rum zum Willkommen erhalte, sonst gehe ich wieder von Bord, und Ihr könnt Euch dann meinetwegen den Bug an der Lammainsel einrennen.«

Er ging nach der Kapitänskajüte, und Turnerstick mußte ihm wohl oder übel folgen.

»O weh!« sagte Richard Stein. »Da hat er sein Chinesisch leider nicht anbringen können!«

»Ein Glück für uns!« antwortete Degenfeld. »Wir hätten es wohl nicht fertig gebracht, dabei ernst zu bleiben, und dann wäre es um unseren Kredit bei ihm geschehen gewesen.«

»Was er nur mit seinen Endungen wollte!«

»Es dämmert eine leise Ahnung in mir auf; aber die Sache ist so ungeheuerlich, daß ich sie gar nicht für möglich halten kann. Er wird doch nicht etwa ein mit seinen berühmten Endungen versehenes Deutsch sprechen wollen! Das wäre allerdings im höchsten Grade drollig. Und dennoch ist's ihm zuzutrauen. Ich sehe lustige Scenen kommen. Gottfried - - ho su!«

Diese beiden chinesischen Worte bedeuten »gib Feuer!« Seit sich die Drei unterwegs befanden, hatte der Student die beiden anderen in die Lehre genommen. Besonders der Wichsier erhielt seine Befehle und Anweisungen alle in chinesischer Sprache, was manches spaßhafte Mißverständnis hervorgerufen hatte.

»Ki eulh - ich höre!« antwortete er sehr ernsthaft, indem er einen Fidibus aus der Tasche zog, ihn in Brand steckte und sodann seinem Herrn half, die ausgegangene Pfeife wieder anzuzünden. Dann setzte er sich wieder hinter demselben nieder.

Nach kurzer Zeit kehrte der Pilot mit dem Kapitän aus der Kajüte zurück. Er übernahm das Kommando des Schiffes, und Turnerstick hatte also Zeit, sich mit seinen Passagieren zu beschäftigen.

Die Segel, welche rings zu sehen waren, wurden zahlreicher. Weißblaue Rauchstreifen zeigten Dampfer an, welche nach Kanton wollten oder von dort kamen. Die See belebte sich mehr und mehr mit Fahrzeugen, und dann tauchten die Felsenmassen Hongkongs und der anderen vor dem Perlenflusse liegenden Inseln langsam auf.

»Höchst ärgerlich, daß der Lotse kein Chinese ist,« meinte der Kapitän. »Aber wir haben nur noch kurze Zeit zu warten, dann werden wir von Booten förmlich umringt sein und ich kann Ihnen zeigen, wie ich die Sprache der Himmelssöhne beherrsche. Es wird übrigens Zeit, daß Sie Ihre Koffer öffnen. «

»Warum?« fragte Degenfeld.

»Um Ihre chinesischen Anzüge hervorzuholen.«

»Wir haben keine.«

»Was? Sie wollen an das Land gehen und sich mitten in das Treiben der Chinesenstadt begeben, ohne sich nach der Sitte dieses Landes zu kleiden? Sie wollen gerade so gehen, wie Sie hier sitzen, mit der bunten Studentenkappe auf dem Kopfe?«

»Warum nicht?«

»Weil dies grundfalsch ist. Man wird Sie anstaunen und auslachen. Man wird Sie belästigen und einen fremden Barbaren schimpfen. Sie werden allerhand Aergerlichkeiten erleben und vielleicht sogar in wirkliche Gefahr geraten.«

»Pah! Wer will es mir verbieten, mich so zu kleiden, wie es mir beliebt?«

»Der gesunde Menschenverstand. Wenn Sie China und die Chinesen richtig kennen lernen wollen, so dürfen Sie möglichst wenig verraten, daß Sie kein Chinese sind. Sie kennen dieses Volk noch nicht. Man hat sie gezwungen, uns ihre Häfen zu öffnen, aber sie hassen uns als Fremdlinge, welche mit Gewalt bei ihnen eingedrungen sind. Sie werden als Ausländer nicht einmal im Bereiche der Konsulatgewalt vollständig sicher sein. Begeben Sie sich aber gar darüber hinaus, wie es doch Ihre Absicht ist, so werden Sie nur auf Feinde stoßen.«

»Wollen sehen. Ich habe wenig Lust, aus reiner Angst meine deutsche Abstammung zu verleugnen.«

»Das ist sehr ehrenwert und sehr national gedacht, aber - hm, streng genommen haben Sie freilich nicht unrecht. Denn selbst wenn Sie sich genau wie ein echter Chinese kleiden, wird man an Ihrer Unkenntnis der Sprache sofort den Ausländer erkennen, während ich für einen Eingeborenen gelten werde. Aber es ist trotzdem besser, wenn Sie sich den hiesigen Gebräuchen fügen.«

»Nun, was das betrifft, so ist es gar nicht ausgeschlossen, daß wir Drei uns auch nach Landessitte kleiden. Zunächst jedoch mag es so bleiben, wie es ist. Wie lange werden Sie von Ihren Pflichten in Hongkong zurückgehalten?«

»Gar nicht. Ich werde dem Steuermann Vollmacht geben. Nur einige kleine Formalitäten sind zu erfüllen, die mich aber kaum eine Stunde lang beschäftigen werden. Den amerikanischen Konsul, welchen ich aufsuchen muß, treffe ich in Kanton.«

»Das ist mir lieb, weil wir uns sonach nicht erst zu trennen brauchen. Ich werde mich nämlich gar nicht in Hongkong verweilen, welches mir gar nichts bietet. Es ist eine auf chinesischen Boden gesetzte europäische Stadt, an welche ich keine Stunde meiner Zeit verschwenden möchte.«

»Mir auch ganz recht. Wir können uns eines Dampfes der China Navigation Compagnie bedienen, aber auch, um uns sofort ins hiesige Leben zu stürzen, auf einer chinesischen Dschunke nach Kanton fahren.«

»Ich ziehe das erstere vor, da ich möglichst schnell dort ankommen möchte. Dann ist es ja noch vollauf Zeit, mit dem chinesischen Drachen anzubinden. Unsere Koffer lassen wir an Bord zurück, da wir uns nicht allzulange in Kanton aufhalten werden.«

Inzwischen hatte sich der Klipper schnell der Mündung des Tschu-kiang (Perlenfluß) genähert. Alle Mannen standen an ihren Plätzen, um die Befehle des Lotsen augenblicklich auszuführen. Das Schiff lenkte in die westliche Lamma-Straße ein, bog um die grüne Insel und steuerte dann dem Hongkong-Kai zu, in das dichte Gewühl der Dampfer, Segelschiffe, Ruderboote und Dschunken hinein. Dort ließ es die Segel fallen, und der Anker ging auf Grund.

»Tsching tsching!« rief Turnerstick, indem er begeistert die Arme ausbreitete, als ob er ganz Hongkong umarmen wolle. »Jetzt sind wir da und werden zeigen, was für Kerls wir sind. «

Der Hafen bot trotz des europäischen Charakters der Stadt immerhin ein genügendes Bild ostasiatischen Verkehrslebens. Von dem wohl 1200 Fuß hohen Viktoriaberge blickte das neben der Flaggenstange stehende Wachthäuschen herab. An seinem Abhange zog sich die Promenade der Kennedyroad hin. Darunter die belebte Stadt mit der von Schiffen bedeckten Bai. Jenseits das chinesische Bergland, ziemlich gut angebaut, und links davon die vielen, sich bis nach Macao hinziehenden, leider kahlen Felseninseln.

Am Landeplatze wimmelte es von Europäern aller Nationen, von Chinesen, Japanesen, Malayen, Hindus, Parsen, Singhalesen, portugiesischen Mestizen und tiefdunkel gefärbten Afrikanern.

Und in der Nähe des Schiffes schossen eine ganze Menge von Kähnen und Flößen durcheinander, beladen mit frischen Erzeugnissen des Landes und allerhand chinesischem Krimskrams. jeder der Bootsführer wollte der Erste sein, der den Neuangekommenen seine Ware anbot, um den mit den hiesigen Preisen noch Unbekannten die gewöhnliche mehrfache Bezahlung abzunehmen.

Das war ein Schreien, Rufen, Brüllen, Zanken, Fluchen, Loben und Anpreisen, daß einem die Ohren gellten.

»Nur nichts kaufen!« warnte der Kapitän. »Hier wird man riesig übers Ohr gehauen. Am besten ist's, man läßt die Kerls gar nicht heran, sonst wimmeln sie förmlich an Bord, und man ist sein eigener Herr nicht mehr. Ich verstehe, mit diesem Volke zu sprechen. Das sollen Sie gleich sehen.«

Er ließ schnell einige Wassereimer füllen und hart an die Schanzkleidung stellen. Dann bog er sich über die letztere hinaus und brüllte mit laut schallender Stimme in das Bootsgewühl hinein:

»Zurück hier! Wir werdeng nichts kaufang! Fort mit Euch, Ihr Hallunking! Augangblickling fort mit Euch, forteng, forting, fortung! Travaillez, travaillong, travaillang!«

Nicht diese Worte waren es, welche wirkten, sondern seine gewaltige Stimme und seine wilden, drohenden Gesten hatten den Erfolg, daß unten das Geschrei für einige Augenblicke verstummte. Die Blicke der Händler richteten sich erstaunt auf ihn. - »Habt Ihr's gehörengt!« rief er weiter. »Wir können nichts gebrauching! Wir habeng kein Geld. Ihr könnt Euch von danneng trolling!«

Noch waren die erstaunten Kulis still. Sie wußten nicht, was sie denken sollten. Gottfried von Bouillon sah das riesige Sprachrohr in seiner Nähe lehnen. Er ergriff es, hielt es dem Kapitän hin und sagte im ernstesten Tone:

»Alle tausend Teufling, Kapitäng! Da hört mang freiling, daß Sie in den neun Dialecteng etwas los habing. Bitte, das Sprachrohr zu nehmang! Das wird ungeheure Wirking machung!«

»Was höre ich da!« antwortete Turnerstick. »Sie sprechen ja ein ganz unvergleichliches Chinesisch. Sehen Sie, wie schnell meine Lehre von den Endungen gewirkt hat! Gratuliere herzlich! Mit dem Sprachrohre haben Sie recht. Das wird doppelten Effekt machen. Geben Sie mal her!«

Die Bootsinsassen hatten ihre Ruder wieder in Bewegung gesetzt und drängten von neuem herbei. Da hielt Turnerstick ihnen das Sprachrohr entgegen und donnerte sie an:

»Augenblickling halteng, Ihr Schurkang, Ihr Hallunking. Wollt Ihr gleich folgeng und gehorchung! Zurück, zurück mit Euch! Flink, flunk, flank, flink, flink!«

Das Sprachrohr sandte diesen Befehl weit hin über das Wasser. Hunderte wurden aufmerksam auf den Klipper und die sich an denselben drängenden Boote. Turnerstick fühlte, welche Bedeutung seine Person in diesem Augenblicke habe. Er wollte zeigen, daß er auch der Mann sei, seinen Worten Nachdruck zu geben. Darum ergriff er jetzt einen der bereit gestellten Wassereimer nach dem anderen und schüttete den Inhalt derselben auf die Köpfe der zudringlichen Handelsleute.

Diese mußten nun erkennen, daß man hier nichts von ihnen wissen wolle, und zogen sich unter zornigem Geschrei zurück. Geschadet hatte das Wasser ihrer Kleidung nichts. Viele von ihnen trugen nichts als kurze Leinen- oder Kattunhosen, und in Beziehung auf ihr unsauberes Wesen konnte ein solches Sturzbad nur wohlthätig wirken.


(Fortsetzung folgt.)



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