Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 8, Seite 113
Reprint Seite 71


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

»Etwas Aehnliches? Warum haben Sie dann dort verkauft?«

»Wegen dem Klima, welches mir schädlich wurde. Ich konnte niet mehr essen und niet mehr trinken; ich schwand zusammen, daß ich jetzt nur noch een Gespenst von früher bin.«

»Hallo! Dann möchte ich Sie früher gesehen haben, Mijnheer von Aardappelenbosch!«

»Jawohl!« seufzte der Dicke, indem er sich mit beiden Händen liebkosend über den Bauch strich. »Damals aß ich für twaalf Männer, jetzt aber esse ich niet mehr für eenen halfen!«

»Schrecklich!«

»Nicht wahr! Ich bin ganz sterfelyk (sterblich) geworden. Was nützt mir mein Zilver (Silber), mein Goud (Gold), mein Rykdom (Reichtum), wenn ich niet essen und niet trinken kann? Nur wer tüchtig essen und trinken kann, darf gelukkig (glücklich) und tevreden (zufrieden) sein. Darum habe ich Abschied von dem dortigen Klima genommen und bin nach China gekommen, um mich wieder dick und fett zu essen.«

»Nun, hoffentlich ist dieses Vorhaben von gutem Erfolge. Aber Ihre Haut, Mijnheer, Ihre Haut!«

»Was ist mit der Haut? Nicht wahr, sie hat ein ganz krankhaftes Aussehen?«

»Das möchte ich nicht behaupten; aber ob sie zulangen, ob sie ausreichen wird!«

»Zulangen? Ausreichen?«

»Ja. Wenn Sie noch dicker werden wollen, so muß sie unbedingt platzen.«

»Platzen? O mijn hemelsche Vader!1) Da hätten Sie mijne Haut früher sehen sollen! Die glänzte wie eene rosenrote Speckswarte! Wenn ich niet baldige Beterschap2) finde, so sterbe ich im Handumdrehen.«

»Und diese Besserung suchen Sie in China?«

»Ja.«

»Warum?«

»Weil mijn Geneesheer3) sagte, das Klima sei in Java zu südlich. Er riet mir, nach Norden zu gehen, und was liegt im Norden? Doch China! Vielleicht werde ich hier wieder gesund. Früher glich ich im Gesicht der hellen Sonne; jetzt aber bin ich nur noch die reine Maansverduisterung.4)«

»So müssen Sie wohl an einer abzehrenden Krankheit leiden?«

»An einer, nur einer? Dann wäre ich ganz glücklich! O nein, ich leide an twintig, dertig, veertig, an hondert verschiedenen Krankheiten.«

»Das ist schlimm. Wo liegen dieselben denn?«

»Wo? Ueberall!«

»Nun, zum Beispiel?«

»Im ganzen Ligcham,5) im Angezigt, im Oogappel, in de Ooren und de Oorlapjes, im Kinnebak, in de Keel und Gorgel, im Elleboog und in de Vingers, im Maag und zwischen den Ribben, in den Beenen und den Voetzoolen, in de Long und de Lever, in de Gal und de ganze Romp.6) Ich schwebe stündlich zwischen Leven und Dood, und nur Essen und Trinken kann mij retten. Ich bin ein elendes Schepsel7) und würde gern honderdduizend Gulden geben, wenn ich einen Offizier van der Gezondheit8) wüßte, der mich retten kann!«

Er zählte seine Leiden in so traurigem Tone auf, und seine Gestalt stand so in Widerspruch mit diesen Klagen, daß es großer Selbstbeherrschung bedurfte, nicht zu lachen. Gottfried machte sein mitleidigstes Gesicht und fragte in teilnehmendem Tone:

»Glauben Sie etwa, daß die chinesischen Aerzte die Kunst besitzen, Sie herzustellen?«

»Vielleicht. Es ist mijn letzter Versuch, den ich mache. Ich habe gesprochen mit Doktors aus Duitschland, aus Nederland, aus Frankrijk, aus Oostenrijk, aus Spanje, aus Zweden, aus Oostindie, aber keiner hat mij helfen konnt. Jetzt will ich es mit China versuchen. Es soll da Leute geben, welche wahre Wunder wirken.«

»Ich hätte zu anderen mehr Vertrauen. Sie sind jedenfalls nur mit Pfuschern zusammengekommen. Hat man Ihnen Arzneien verschrieben?«

»Alle möglichen Boomen und Heesters, alle Bladen und Bloems,9) die es nur geben kann.«

»Das war verkehrt. Ein einsichtsvoller Arzt würde das unterlassen haben.«

»Warum?«

»Weil Ihre Krankheit durch solche Mittel nur verschlimmert wird.«

»Wie können Sie das wissen?«

»Ich? Ich bin ja Fachmann.«

»Sie? Fachmann?«

»Ja, Student!«

»Student? Was studieren Sie denn?«

»Was ich jetzt studiere? Nichts, gar nichts mehr,« antwortete Gottfried, indem er sich in die Brust warf. »Ich habe das nicht mehr nötig, denn ich habe studiert, verstehen Sie, ich habe, habe, habe, also Perfektum; das heißt, ich bin perfekt. Ich habe alles studiert, alles ohne Ausnahme. Ich habe mich auf jedes und alles geworfen und bin schon seit Jahren zur allgemeinen Meisterschaft gelangt. Das soll heißen, ich erfreue mich der außerordentlichsten Omnipotenz. Ich pflanze meinen Kohl wie der reichste Rittergutsbesitzer; ich dirigiere die gefährlichsten Eilzüge wie der erfahrenste Lokomotivführer; ich entwerfe Schlachtenpläne wie der berühmteste Feldmarschall; ich spreche in allen Zungen der Erde wie die Poeten des Erdenrundes am Maifeste; ich schlachte Schweine und Kälber wie der meisterhafteste Metzger; ich halte Parlamentsreden wie ein Palmerston; ich gewinne die verwickeltsten Prozesse, leichter als jeder andere Jurist; ich predige trotz einem Bischof oder Konsistorialrat; ich gerbe alle Häute und Tierfelle, am liebsten mit dem Ziegenhainer; ich baue Brücken über die Thäler und Viadukte über die Flüsse; ich fahre mit dem Luftballon, wohin Sie nur wollen und sogar noch einige Meilen weiter; ich schreibe geognostische Werke über die Algen und Tangen und zoologische Bücher über den Venusdurchgang; ich besohle die Pferde und beschlage die Reiter; ich fertige aus Watte die feinsten Chronometer und bediene mich als Ziergärtner des besten Meißener Porzellans; ich tanze Seil; ich laufe Schlittschuhe; ich heize mir und anderen ohne Holz und Kohlen ein; ich entdecke Naphtha am Nordpole und Eis in Arabien; ich - ich - ich - - nun, ich kann eben alles, alles, alles!«

Der liebe Gottfried hatte sich erhoben und brachte dies alles in so begeisterter Schnelligkeit hervor, daß der Dicke nicht die Hälfte der Lobrede verstand. In solchen Augenblicken pflegte er auf seinen märkischen Dialekt zu verzichten und sich in gutem Hochdeutsch auszudrücken. Dies letztere that er überhaupt stets dann, wenn er imponieren wollte.

Mijnheer van Aardappelenbosch hatte den Mund weit geöffnet und machte Augen, als ob er ein wahres Wunder vor sich sehe. Er hatte der schnellen Rede nicht folgen können und nur das behalten, daß er einen hoch und tief studierten Mann vor sich habe. Aber eins hatte er vermißt, und zwar gerade das, was ihm am liebsten gewesen wäre. Darum sagte er jetzt, als Gottfried ihn erwartungsvoll von oben herab anblickte:

»Solche Schulen sind Sie durch, so außerordentlich viele, Mijnheer?!«

»Ja - freilich!«

»Aber die Medizin, die Medizin, die fehlt!«

»Fehlt? Fällt mir gar nicht ein! Das fehlte noch, daß die fehlt! Die Medizin ist ja gerade mein Lieblingsfach!«

»Wirklich? Ist das wahr?«

»Natürlich!«

»Haben Sie schon kuriert, Kranke gesund gemacht?«

»Und wie! Dem Dalai-Lama habe ich ein Bandwurmmittel gegeben, und als das Tier zum Vorschein kam, war es ein Lindwurm, sehr einfach deshalb, weil ich ihn mit Lindenblütenthee behandelt hatte - - - «

»Wie? Mit Lindeboombloesem?«

»Ja, mit Lindeboombloesem, wie Sie es holländisch nennen. Und dem türkischen Großwesir habe ich den Flamingo operiert. Was sagen Sie dazu?«

»Fla - fla - fla -, was ist das für ein Wesen?«

»Ein Vogel, eigentlich viel größer als ein Storch. Die Aerzte hatten die Krankheit für den grauen Star gehalten; aber als dann ich den Kerl herausgeschnitten hatte, zeigte es sich, da es ein roter Flamingo war.«

»Das - das verstehe ich niet!«

»Ist auch nicht notwendig. Das ist nur Sache für den Ophthalmologen.«

»Aber so ein großer Vogel!«

»Thut nichts! In leichten Fällen nennt man es bloß Star, in schweren aber Flamingo; das sind die wissenschaftlichen Ausdrücke.«

»Aber, Mijnheer, wenn Sie sich auf solche Kuren verstehen, so können Sie ja wohl auch mir helfen!«

»Mit Leichtigkeit sogar!«

»So kennen und heilen Sie alle Krankheiten?«

»Alle, nämlich wenn der Patient nicht allzu dick ist.«

»Mijn Hemel - mein Himmel! Warum diese Ausnahme?«

»Sehr selbstverständlich, weil es dann ganz unmöglich ist, ihm in das Innere zu blicken.«

»So sagen Sie, wie steht es da mit mir?«

»Sie sind zu fett.«

»Dit Ongelukk! Ich war erst viel dicker als jetzt! So können Sie mij also niet kurieren?«

»Schwerlich! Aber es ist einer da, welcher Ihnen sicher Hilfe brächte, wenn Sie sich an ihn wenden wollten.«

»Wer ist das?«

»Mein Kommilitone, welcher vorhin fortgegangen ist.«

»Der mit vier Flaschen Bier in drei Minuten?«

»Ja, derselbe. Ich heile alles, aber bei so korpulenten Patienten ist er mir doch überlegen. Wenden Sie sich also nur getrost an ihn!«

In diesem Augenblicke ging die Thür auf, und der Methusalem trat herein. Sofort sprang der Holländer auf, eilte auf ihn zu, ergriff ihn am Arme und fragte hastig:

»Mijnheer, wat leert het Woordenboek van mijn maag en van mijne zenuwen?«

Fritz Degenfeld maß ihn vom Kopfe bis zu den Füßen herab, schüttelte den Kopf und antwortete.

»Was das Wörterbuch von Ihrem Magen und Ihren Nerven lehrt? Um da zu wissen, woran man ist, bedarf es gar keines Buches.«

»Sehen Sie, Mijnheer! Habe ich es Ihnen nicht vorherjesagt!« rief Gottfried, jetzt wieder in seine Mundart fallend. »Er weiß eben allens, und zwar janz ohne in dat Wörterbuch zu kieken.«

»Du!« mahnte der Methusalem, ihm mit dem Finger drohend. »Da hast du dich wohl wieder einmal gehen lassen!«

»Nicht die Spur von da! Er ist krank an alle innerliche und äußerliche Extremitäten. Mit die äußerlichen wollte ich's schon gern probieren, aberst zu die innerlichen, was man die internen heißt, kann meine Auskultur nicht jelangen, weil da die sojenannte »Dickt« im Wege steht. Darum habe ich mir erlaubt, den Mijnheer an Ihnen zu adressieren, weil Ihr Blick sojar durch Fleisch und Knochen jeht. Jestatten Sie mich aberst vor allen Dingen, ihm Sie vorzustellen, nämlich Mijnheer Willem van Aardappelenbosch aus Java. Dat Klima hat ihn dort so abjemagert, daß er nach hier jekommen ist, um sich da wieder emporzuessen. Der Offizier van der Gezondheit hat es ihm jeraten.«

»Wirklich?« fragte Degenfeld, sich an den Holländer wendend.

»Ja, Mijnheer,« antwortete dieser. »Ik ben seit einiger Zeit ganz und gar vom Vleesch gefallen.«

»Waren Sie früher noch dicker?«

»lk was een reus - ich war ein Riese; jetzt aber kann man mij nur mit Mitleid betrachten.«

Er begann, seine Leiden gerade so aufzuzählen, wie er sie vorhin genannt hatte. Degenfeld ließ ihn ruhig sprechen; er merkte sehr bald, wen er vor sich hatte. Dann, als die Aufzählung zu Ende war, fragte er Gottfried:

»Habt ihr euch dem Mijnheer denn auch schon vorgestellt?«

»Namentlich noch keineswegs,« antwortete er; »aberst daß ich ein jroßes Lumen bin, das hat er bereits jemerkt.«

»So will ich diese Versäumnis nachholen. Mijnheer, hier sehen Sie zunächst den jungen Herrn Richard Stein, einen deutschen Gymnasiasten. Neben ihm sitzt unser Freund Turning sti-king kuo-ngan ta-fu-tsiang - - - «

»Also ein Chinese! Vorhin sprach er doch deutsch!« meinte der Dicke.

»Von Haus aus ist er allerdings ein Deutscher. Da er aber jetzt aus dem Häuschen ist, so dürfen Sie ihn für einen Chinesen halten. Ferner sehen Sie hier meinen Spiritus familiaris, vom heiligen Femgerichte, eingetragen als Gottfried von Bouillon. «

»Ist das niet een tapperer Ritter?«

»Ja. Vor ungefähr achthundert Jahren hat er einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen unternommen; jetzt aber kriecht er vor jedem Gläubiger zu Kreuze, sintemalen alle ihm zur Zahlung präsentierten Wechsel mit dem schönen Namen Gottfried Ziegenkopf querbeschrieben sind. Was nun mich selbst betrifft, so bin ich einfach der allbekannte Methusalem.«

»Von dem die Bibel verhalt?«

»Ja, von dem die Bibel verzählt, der Sohn Henochs und Vater des Lamech. Da ich aber weder Henoch noch Lamech gekannt habe, so möchte ich zuweilen an mir selbst verzweifeln. In solchen trüben Augenblicken nenne ich mich Fritz Degenfeld und nehme an, daß ich in einem deutschen Brauhause dem irdischen Dasein guten Morgen sagte. Ob Sie mich nun Degenfeld oder Methusalem nennen wollen, ist mir gleich; meine intimen Bekannten ziehen das letztere vor, was ich ihnen aus wohl erwogenen Gründen nicht verdenken kann.«

Mijnheer van Aardappelenbosch sah von einem zum anderen. Er wußte nicht, was er denken solle. Hier ein Patriarch aus dem Alten Testamente und dort ein Ritter aus der Zeit der Kreuzzüge, beide nach einer ihm unbegreiflichen Art gekleidet! Der dritte nun gar ein unechter Mandarin, der Bier wie Wasser trank. Ueber Richard brauchte er sich den Kopf nicht zu zerbrechen; aber die anderen waren ihm rätselhaft, zumal die Ausdrücke des Methusalem und seines Wichsiers so dunkel waren, daß er den Sinn derselben nicht recht zu erfassen vermochte.

Degenfeld sah ihm das an und erlöste ihn aus seiner Pein, indem er ihm wohlwollend sagte:

»Nicht wahr, Sie können nicht recht begreifen, wen Sie vor sich haben? Sie sollen bald Klarheit haben. Wo wohnen Sie?«

»Hier im Hotel, Mijnheer.«

»So nehmen Sie bei uns Platz, denn wir werden auch hier logieren!«

Er schob ihm zwei Stühle zusammen, und der Holländer ließ sich auf dieselben nieder.

»Hier logieren?« fragte Turnerstick. »Das fällt mir nicht ein! Wir müssen ja nach Kanton. Wir fahren mit dem Dampfboote.«

»Das geht wöchentlich nur zweimal. Ich habe mich beim Konsul erkundigt. Das nächste geht erst in drei Tagen ab.«

»Was? Wie? Und so lange sollen wir hier warten?«

»Ja, wenn wir es nicht vorziehen, uns auf einer chinesischen Dschunke einzuschiffen.«

»So thun wir das, wenn wir da auch viel langsamer vorwärts kommen.«

»Nun, eine Dschunke läuft ziemlich schnell, wenn sie guten Wind hat und mit der Flut aufwärts geht. Aber wollen Sie es wirklich wagen, sich einem solchen Fahrzeuge anzuvertrauen?«

»Warum nicht? Fürchten Sie sich?«

»Fürchten, nein, obgleich ich gelesen habe, daß man sich möglichst in acht nehmen solle, da es Dschunken gibt, denen nicht zu trauen ist. Aber ich denke an die Unreinlichkeit, welche uns sehr lästig werden könnte.«

»Pah! Werde die Kerls schon zur Reinlichkeit bringen. Bin ja Mandarin!«

»Wird man das glauben?»

»Will keinem raten, daran zu zweifeln! Wird überhaupt gar niemanden geben, der mich nicht für einen Mandarin hält. Ich mit meiner Kleidung, meiner persönlichen Würde, meinen tiefen Sprachkenntnissen und vortrefflichen Endungen. Wenn ich diesen Menschen mit meinem Kang-keng-king-kong-kung angesegelt komme, so verkriechen sie sich aus lauter Respekt in alle Löcher. Die Hauptsache ist nur, schnell eine Dschunke zu finden. «

»Habe mich auch in dieser Beziehung erkundigt. Mit der morgen Vormittag steigenden Flut segelt eine hier ab. Sie heißt Schui-heu, zu deutsch Königin des Wassers.«

»Schöner Name, der etwas verspricht. Eine Königin muß sauber sein. Unreinlichkeit werden wir also nicht zu befürchten haben. Und da eine Regentin sich nicht wohl mit Gesindel befassen kann, haben wir auch Sicherheit vor sonstigen Unbilden. Was hat sie geladen?«

»Allerlei Artikel. Etwas Spezielles konnte ich nicht darüber erfahren. Ich habe sie übrigens schon gesehen.«

»Sah sie schmuck aus?«

»Recht leidlich.«

»Und haben Sie mit dem Kapitän gesprochen? Das ist ja die Hauptsache.«

»Da haben Sie unrecht, obgleich Sie selbst Kapitän sind. Der eigentliche Kapitän oder Pilot, hier Ho-tschang genannt, hat mit der Ladung, mag dieselbe nun aus Gütern oder Menschen bestehen, gar nichts zu schaffen. Er hat sich allein nur mit der Leitung des Schiffes zu beschäftigen. Wer Fracht aufgeben oder selbst mitfahren will, hat sich an den Eigentümer der Dschunke oder dessen Superkargo zu wenden. Und das habe ich gethan.«

»Schon mit ihm abgeschlossen?«

»Nein, denn ich wußte nicht, ob ich Ihre Einwilligung erhalten würde. Uebrigens gefiel mir der Mann gar nicht so recht. «

»Warum?«

»Das kann ich eigentlich nicht sagen. Er hatte ein Gesicht, welches mir Mißtrauen einflößte, und seine allzu große Höflichkeit stieß mich ab.«

»Unsinn! Gesicht! Danach darf man gar nicht gehen. Mancher Schurke hat das einnehmendste Gesicht, und mancher Häßliche ist ein Ehrenmann. Und Höflichkeit muß sein. Ich wollte es keinem Sohne der Mitte raten, es daran fehlen zu lassen. Schließen Sie immerhin ab! Morgen segeln wir. Kennen Sie die Höhe des Passagepreises?«

»Das Fahrgeld wird hier sehr drolliger, aber ganz bezeichnender Weise Schui-kio genannt; das heißt wörtlich »Wasserbeine«. Die Geldstücke, welche man bezahlt, sind die Beine, mit denen man über das Wasser läuft. Der Mann verlangte pro Person nur einen Dollar bis Kanton. Auf dem Dampfer hätten wir das Vierfache zahlen müssen.«

»So segeln wir. Speisung ist nicht dabei?«

»Nein. Man hat hier eben für alles zu sorgen, auch für die Betten.«

»Brauche ich nicht. Schlafe so, wie ich es finde. Soll ich, wenn ich nach China will, etwa vorher zweihundert böhmische Gänse und ebenso viele Gänseriche rupfen und monatelang Federn schleißen, um dann hier von Gänseleberpastete nur träumen zu können, ohne sie wirklich verspeisen zu können? Das - - - «

»Oh!« unterbrach ihn der Holländer, indem er seufzend die Hände auf die Gegend seines Magens legte. »Eene knusperene gebraden gans of eend is klein, maar goed - eine knusperige gebratene Gans oder Ente ist zwar klein, aber gut!«

»Da haben Sie recht!« stimmte der Methusalem bei. »Leider haben wir es jetzt mit einer Dschunke, nicht aber mit einer gebratenen Martinsgans zu thun. Die »Schui-heu« ist das einzige Schiff, welches morgen aufwärts geht. Es fragt sich, ob wir es benutzen wollen. Der Superkargo gefiel mir nicht, aber ich füge mich den anderen Stimmen.«

»Wir fahren,« sagte der Kapitän. »Hoffentlich ist Gottfried nicht dagegen?«

»Ich bin dabei,« meinte der Genannte. »Warum sollen wir hier hocken bleiben. Je eher wir abjondeln, desto eher werfen wir um, und dat ist doch auch eine jewisse Art von Vergnüjen.«

»Ja, Onkel Methusalem,« bat Richard. »Wollen hier nicht unsere Zeit verschwenden. Ich möchte gern sobald wie möglich am Ziele sein.«

»Gut, so werde ich nachher gehen, um die Passage fest zu machen und Lebensmittel einzukaufen, mit denen wir bis Kanton reichen.«

»Das ist meine Sache,« fiel Turnerstick ein. »Sie sind ja hier noch meine Gäste, und ich habe noch siebzehnhundert Li, ein wahres Vermögen für die hiesige Gegend.«

Der Methusalem lachte heimlich in sich hinein und antwortete:

»Wenn Sie darauf bestehen, so müssen wir uns freilich fügen.«

»Natürlich stehe ich fest auf meinem Willen.«

»Ohne Rücktritt?«

»Ohne zurückzutreten. Den Anfang will ich jetzt machen. Also wir logieren bis morgen hier im Hotel?«

»Ja, denn es ist das einzige anständige. Die anderen Gasthäuser sind nur Spelunken.«

»Gut, es wird hier geblieben! Und damit der Wirt sogleich bemerkt, daß er feine Gäste hat, will ich jetzt das Bier bezahlen. Wir haben dreißig Flaschen.«


1) : Himmlischer Vater.
2) : Genesung.
3) : Arzt.
4) : Mondsfinsternis.
5) : Leib.
6) : Rumpf.
7) : Geschöpf.
8) : Ausdruck für Militärarzt.
9) : Bäume und Sträucher, Blätter und Blumen.


(Fortsetzung folgt.)



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