Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 9, Seite 129
Reprint Seite 76


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

Auf den Tisch klopfend und sich nach dem Wirte umdrehend rief er: »Heda, Hoteliering, ich will bezahleng. Was kostang dreißing Flaschong?«

Der Wirt kam langsam herbei. Er hatte Turnerstick nicht verstanden, verbeugte sich tief und fragte:

»What bid you, Sir - was befehlen Sie, Sir?«

»Bezahleng!«

»I can not understand.«

»Was? Sie könning mich nicht versteheng?« rief Turnerstick zornig. »Das ist mir unbegreifling! Ich drücküng mich doch deutling aus. Passeng Sie nur richting auf! Ich will bezahling!«

Der Wirt schüttelte verlegen den Kopf. Da sprang der Kapitän vom Stuhle auf und schrie erbost:

»Habing Sie keine Ohreng? Ich will bezahlang, bezahleng, bezahling, bezahlong und bezahlung!«

Der Wirt fuhr erschrocken zurück. Sein Gesicht verriet, daß er ratlos sei; darum belehrte ihn der Methusalem in halblautem Tone:

»He will to pay.«

»Ja, to pay, to payeng will ich, payeng, verstandung?« rief Turnerstick . »Aber Li, lauter Li will ich geben.«

Bei diesen Worten zeigte er auf die Geldschnuren, welche um seinen Hals hingen. Im Gesichte des Methusalem war der Ausdruck lustiger Spannung zu bemerken. Der Wirt verstand den Kapitän jetzt; er gab sich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, und sagte sehr höflich:

»Thirty bottles, Sir? I beg, ten thousand Li!«

Turnerstick prallte zurück, als ob er einen Hieb in das Gesicht erhalten habe.

»Wa-a-a-a-as?« fragte er. »Zehntausend Li?«

»Jawohl, zehntausend Li!« bestätigte der Methusalem.

»Das ist doch nur ein dummer Witz!«

»O nein, Kapitän, es ist Ernst.«

»Unmöglich! Bedenken Sie, zehntausend Li! Das ist ja unbegreiflich!«

»Es ist im Gegenteile leicht erklärlich. Zehntausend Li sind nach deutschem Gelde ungefähr sechzig Mark.«

»Also die Flasche zwei Mark?«

»Ja.«

»Die daheim fünfzehn Pfennige kostet!«

»Wir sind nicht daheim. Wir haben deutsches Bier getrunken, irre ich mich nicht, aus der Waldschlößchenbrauerei zu Dresden. Dieses Bier muß den Aequator zweimal passieren. Haben Sie denn noch nie so fern von der Heimat unser Bier gekostet?«

»Nein.«

»Nun, dann ist es eben kein großes Wunder, daß Sie sich um die betreffenden Preise nicht bekümmert haben.«

»Wußten Sie es denn?«

»Ja.«

»Und da verlangen Sie vierundzwanzig Flaschen! Das sind achtundvierzig Mark, die in noch nicht fünf Minuten durch die Gurgel gelaufen sind! Ihr Hund allein hat acht Mark vertrunken; das sind zwei Thaler zwanzig Groschen. Welche Verschwendung, da Sie den Preis gekannt haben!«

Der gute Turnerstick war eigentlich ein sparsamer Mann, wenn auch kein Filz. Sechzig Mark, sage zehntausend Li für Bier, das war ihm doch zu viel; darüber hatte ihn der Zorn ergriffen. Der Methusalem berücksichtigte das, indem er in ruhigem Tone meinte:

»Meine Mittel erlauben mir das. Uebrigens war es ein Willkommentrunk, den ich nicht zu wiederholen beabsichtige, und ich konnte nicht wissen, daß Sie diese Zeche auf sich nehmen wollten. Jetzt denke ich, daß Sie die Absicht, zu bezahlen, aufgeben werden?«

Der Kapitän antwortete nicht. Er hatte behauptet, nicht zurücktreten zu wollen, aber die Summe war ihm doch zu hoch. Mijnheer van Aardappelenbosch war der Szene mit großem Interesse gefolgt. Seine Kenntnis der deutschen Sprache ermöglichte es ihm, jedes Wort zu verstehen. Um dem Kapitän, welcher vorher den großen Mund gehabt hatte und nun mit der Bezahlung zögerte, einen kleinen Hieb zu geben, sagte er zu dem Kellner, welcher ihn bedient hatte:

»Oppasser, ik zull mijn gelag betalen, maar in Li - Kellner, ich will meine Zeche bezahlen, aber in Li!«

»Drie duizend en vijf hondert Li,« antwortete der Markeur.

»Zijn vijf Dollars, twintig Mark en tachtig feningen - sind fünf Dollars, zwanzig Mark und achtzig Pfennige.«

Er griff in die Tasche, zog die fünf Dollars und noch ein Trinkgeld heraus und gab es ihm. Turnerstick hatte alles verstanden, da die holländischen Zahlwörter den deutschen und englischen ähnlich klingen.

»Fast einundzwanzig Mark!« sagte er. »Das nenne ich Preise!«

»lk heb goed ontbeten en goed gedronken; ik heb mij goed vermaakt en will dus ook gaarne goed betalen - ich habe gut gefrühstückt und gut getrunken; ich habe mich gut amüsiert und will also auch gern gut bezahlen,« antwortete der Dicke.

Turnerstick merkte den Stich. Er fühlte sich an der Ehre gepackt, zog seinen Beutel und sagte in spitzem Tone:

»Das will ich auch, obgleich ich gar nicht gegessen und nur einige Schlucke Lagerbier getrunken habe. Hier sind fünfzehn Dollars! Das macht sogar noch mehr als die Zeche. Der Ueberschuß mag Trinkgeld sein. Ein chinesischer Mandarin läßt sich nicht lumpen.«

»Ganz recht!« lachte der Methusalem. »Wie lange haben wir uns noch als Ihre Gäste zu betrachten?«

»Bis zu diesem Augenblick; nun aber ist es aus.«

»Also treten Sie doch zurück?«

»Ja. Ich habe keine Lust, in China bankerott zu werden. Ich wollte für Sie bezahlen, so lange wir uns in Hongkong befinden; aber wir bleiben bis morgen hier, und wer weiß, wie hoch da die Pension zu stehen kommt.«

»Hier an der Wand ist es angeschlagen, pro Mann fünf Dollars ohne die Getränke.«

»Das wären zwanzig Dollars, und wenn Sie so forttrinken, wie Sie angefangen haben und sich dabei sogar von dem Neufundländer unterstützen lassen, so müßte ich, Wein und anderes gar nicht gerechnet, nur für Bier dreihundert Mark bezahlen. Danke bestens! Unsereiner hat doch auch eine gute Gurgel, aber bei Euch läuft's ja wie durch Kellerlöcher. Eure Kehle ist das größte Leck, das es nur geben kann. Es zieht die ganze See ein und kann nie verstopft und kalfatert werden.«

»Und anstatt am Lecke pumpen wir unmoralischerweise an den Manichäern herum!« stimmte der Blaurote lustig ein.

»So ist es; geht mich aber nichts an. Uebrigens werden Sie am wenigsten an derartigen Pumpen gestanden haben.«

»Habens auch nicht nötig,« bemerkte Gottfried von Bouillon. »Unsere finanzielle Konstitution hat kein Jebrechen aufzuweisen. In dieser Beziehung sind wir anderen stets über jewesen, wat ich mit aller Fourore hiermit konstatieren muß. Also Ihre Leib- und Lieblings-Jäste sind wir nun nicht mehr. Dat ist jut, denn nun können wir uns nach unserem individuellen Jelüste und müssen uns nicht mehr nach Ihrem Jeldbeutel richten. Wie steht es mit das Fäßchen, oller Methusalem? Von wejen dem Salamander ist es freilich nichts; aberst wir könnten zur Abwechslung doch mal versuchsweise einen Turnerstick reiben.«

»Danke!« rief der Kapitän. »Ich mag nicht noch mehr gerieben werden. Ich habe auch ohnedies, wohin ich sehe, meinen grünen Aerger. Habe ich nicht das herrlichste Chinesisch gesprochen, ohne daß der Wirt mich verstehen wollte? Das war die strafwürdigste Auflehnung gegen meine Mandarinenwürde. Aber das Holländische des Mijnheer hat der Kellner gleich verstanden!«

»Weil dieser Mann des Niederländischen mächtig ist, wie leicht zu hören war,« erklärte Degenfeld. »Ich rate Ihnen, Ihren Groll schwinden zu lassen, aber - -«

»Aberst dat Fäßchen lassen wir nicht schwinden,« fiel ihm Gottfried, um Turnerstick zu ärgern, in die Rede. »Dat muß anjeschwommen kommen!«

»Bier gibt es hier nur in Flaschen; von einem Faß kann also überhaupt nicht die Rede sein!«

»So soll ich wohl vor Durst zu meinen Ahnen hinüber schmachten? So pflanze mir eine einsame Ranke Hopfen auf mein frühes Jrab, und denk dabei, an dich sei alles Malz verloren!«

Während dieser Wortfechterei hatte der Mijnheer dem Wirte heimlich einige Worte gesagt. Infolgedessen brachten die Kellner dreißig Bierflaschen herbei, welche sie in Reih und Glied auf den Tisch pflanzten.

»Wat ist dat?« rief Gottfried elektrisiert. »So einen halben Zug Garde du Korps lasse ich mich jefallen! Welcher ingeniale Stratege hat diese Helden ins Vordertreffen jeschickt?«

»Ik ben deze veldheer,« antwortete der Dicke. »Hier is her slagveld en de belegering, en wij zijn dappere krijgslieden. jagen wij alzoo onze vyanden buiten veld - ich bin dieser Feldherr. Hier ist das Schlachtfeld und die Belagerung. Wir sind tapfere Kriegsleute. Jagen wir also unsere Feinde aus dem Felde!«

Sein fettes Gesicht strahlte in solcher Freundlichkeit, daß ihm seine Gastlichkeit unmöglich übel genommen werden konnte. Der Kapitän aber hatte ihm den vorhergehenden Stich noch nicht vergeben und sagte:

»Wie, Mijnheer, Sie wollen uns traktieren? Das ist doch nur unter guten Bekannten gestattet. Sie aber sind uns völlig fremd.«

»Gerade weil ik Ihnen niet fremd bleiben will, habe ik Sie gebeten,« antwortete der Dicke ohne allen Groll. »lk möcht so gaarne Ihr vriend sein und mit Ihnen nach Kanton reizen, weil ik sonst niet wieder so goede Gezelschap finde. Werden Sie mij das erlauben?«

»Natürlich, natürlich, lieber Freund!« antwortete der Methusalem. »Ich trinke zwar nicht gern aus anderer Leute Beutel, aber in dieser Weise und unter solcher Voraussetzung angeboten, kann ich die Gastfreundschaft nicht zurückweisen. Wollen's heut mal gelten lassen; deutsches Bier kriegt man in diesem Lande der Zöpfe nicht allemal! Hier meine Hand; wollen gute Kameradschaft halten!«

Er schüttelte dem Holländer die Hand. Auch Gottfried ergriff dieselbe, drückte sie begeistert und rief:

»Hier auch die meinigen fünf Fingern; später drücke ich vielleicht sojar Ihr liebes Anjesicht an mein sanft wallendes Herz. Seien Sie einer von uns, und zwar der Dickste von allen! Ich bejrüße Sie als würdige Masche in unserem Strumpfe. Möge Ihr Wohlthun nie erlahmen und Ihre Einsicht nie versiechen. Empfangen Sie im Jeiste meinen Bruderkuß und überdies die heilige Versicherung, daß Sie sowohl in Beziehung auf Ihr Jemüt wie auch in Betracht Ihres körperlichen Volumens herrlich jeeignet sind, dat jroße Leck zu verstopfen, von welchem unser ruhmesreicher Heimdall Turnerstick vorhin jesprochen hat! Und nun Jläser her, denn dat Jefecht soll bejinnen!«

»Neen, neen,« wehrte der Dicke ab. »Niet kleine Gläser! lk will ook mal aus deze grooten Stamper trinken. lk will zeigen, daß ik niet bloß essen, sondern ook trinken kann!«

Dieser Vorschlag wurde gern angenommen. Das Stammglas ging, immer wieder gefüllt, von einem zum anderen; nur Richard wurde verschont, und der Neufundländer durfte fasten. Mijnheer van Aardappelenbosch trank gerade so wie die anderen das Glas bis auf die Nagelprobe aus. Er gab in den wunderlichsten Worten seiner Freude Ausdruck, eine so gute »Reizegezelschap« gefunden zu haben.

»So wird aus dem Saulus ein Paulus!« lachte Gottfried vergnügt. »Erst nannten Sie sich unsern Feind und nun haben Sie uns Ihr janzes Herz zum Präsent jebracht. Wat hat Sie denn mit solche Alljewalt in unseren schönen Kreis jetrieben?«

»Daß Sie so wacker Bier trinken, das hat Ihnen mijne Vriendschap zugewandt, denn ik sage mij, daß Sie ook genau so goed essen können.«

»So viel Vleeschernes wie Sie? Hm!«

»Und sodann heb ik mij gesagt, daß Mijnheer Methusalem mij vielleicht gezond machen kann.«

»Wollen sehen!« nickte der Blaurote. »Dazu aber muß ich Sie erst näher kennen lernen; ich muß Sie beobachten, um den eigentlichen Sitz der Krankheit zu entdecken. Erst dann kann ich sie anfassen und vertreiben.«

»Grad soo wie Mijnheer Gottfried den Lindeboomworm,« nickte der Dicke.

»Wen? Was? Einen Lindwurm? Gottfried, Gottfried, du scheinst dich in meiner Abwesenheit der Zügel zu entledigen! Ich muß sie straffer anziehen! Also in China wollen Sie bleiben, Mijnheer van Aardappelenbosch? Sich völlig da niederlassen!«

»Ja, das will ik, namelyk mijne Gezondheit wegen. Ik will eene Plantage kaufen, und finde ik niets, so lege ik eene an.«

»Aber wo?«

»Das weiß ich nook niet; ich suche derhalve überall.«

»Sprechen und verstehen Sie denn Chinesisch?«

»Weniger als niets.«

»So ist es sehr gewagt von Ihnen, sich in das Innere des Landes zu begeben.«

»O, ik heb keene Furcht. lk nehme eenen Dolmetscher mit. Onze Konsul geft mij eenen goeden. lk brauche niet Sorgen zu hebben. Vor wen soll ik Angst hebben? Mijn Geld heb ik niet bei mij, und auf dem Rug1) trag ik twe Geweeren; Kruit2) und Kogels heb ik ook genug. Nun werd ik mij noch een Zwaard3) kaufen; das sind Wapens genug, um alle Vyanden in die Flucht zu schlagen.«

»Wissen Sie bereits, wohin Sie von Kanton aus gehen wollen?«

»Neen, ik word den Konsul fragen.«

»Mir scheint, Ihr Arzt hat Sie ins Blaue hineindirigiert. Hat er ein Interesse an Ihrer Entfernung gehabt?«

»Wohl niet, offschoon zijn Schoonvader4) mij die Plantage abgekauft heeft.«

»Da haben wir es! Sie sind ein lieber, vertrauensvoller Herr. Haben Sie Familie?«

»lk heb keine Vrouw und keine Kinderen. Aber mijn Grootvader lebt noch in Nederland. Er wohnt bei mijne Zuster5) und hat eene sehr goede Unterkunft.«

»Wollen Sie denn nicht lieber zu diesen Verwandten in die Heimat gehen?«

»Neen. Nederland ist für mijne Gezondheit niet passend. Ik heb mijn Vaderland lieb, aber es ist dort niet benaauwd6) genug. Ik kann da niet essen und niet trinken. Mijn geheele Ligchaam7) wird krank vom Hoofd8) bis zu den Voeten9) herab. Was nützt mij het Vleesch, wenn ik es niet essen kann, und de Genever, wenn ik ihn niet trinken darf? Ik werde dünn und immer dünner bis endlich wie eene Breinaald10) und de Armen und Beenen wie een Draad11) so schwach. Ik sehe mijn Tod vorher vor de Oogen. Neen, ik wäre een ongelukkige Nijlpaard, wenn ik nach Nederland gehen wollte. Ik bleib hier, weil ik niet sterben will.«

»Haben Sie denn alles, was Sie hier zum Reisen brauchen?«

»Ik heb mijn Paspoort,12) und überall Krediet. Ik brauche niet mehr.«

»Nun, wir sind nicht besser ausgerüstet als Sie und wollen es miteinander versuchen. Da wir nun heut doch nicht abreisen können, so schlage ich vor, uns Hongkong anzusehen. Bei dieser Gelegenheit werde ich Ihnen die Dschunke zeigen, und Sie mögen dann bestimmen, ob wir ihr uns anvertrauen wollen. Gottfried, stopfe die Pfeife und fülle neues Wasser in den Ballon!«

»Dat könnte eijentlich der Kellner oder der Hausknecht machen. Hier bin ich anjenehmer und anjesehener Voyageur, mit dessen männlicher Würde sich dat Reinigen der ollen Pipe nicht vertragen dürfte.«

»Ach so! Du willst den Herrn spielen? Habe nichts dagegen, versuche es auf Deine Weise; dann reise ich mit einem anderen Wichsier. Kündigung haben wir nicht, also kannst Du Dich als Regenwurmjäger hier vermieten. Den Vorschuß, welchen Du hast, will ich Dir schenken.«

»Wat? Abjegangen soll ich werden? Dat fehlte mich jerade noch, daß ich hier im fremden Lande der Chinesigen als kindlicher Waisenknabe sitzen jelassen werden sollte. Da will ich mir doch lieber mit die jewohnte Bejeisterung über die jute Wasserpipe hermachen! Ich und meine Fagottoboe janz alleine hinter die chinesische Mauer! Davor soll mir dat alljütige Fatum ewig behüten. Ich verbleibe Ihr treuer Jottfried nebst Bouillon in tiefster Erjebenheit nach wie vor!«

Er öffnete eine der noch übrigen vollen Flaschen, trank sie aus und trollte sich dann mit der Pfeife aus dem Zimmer. Kurze Zeit später machte sich die Gesellschaft auf den Weg.

Es war wie immer: Voran der Hund, dann der Herr, die Spitze des Schlauches im Munde, und hinter ihm Gottfried von Bouillon mit Pfeife und Oboe. Ihnen folgte Richard im schmucken Wichs, und nach diesem schritten Turnerstick und Mijnheer van Aardappelenbosch nebeneinander her.

Der Kapitän hatte seinen kleinen, gegen den Holländer gehegten Groll aufgegeben. Der letztere war überhaupt ein Mann, dem man höchstens nur auf Minuten zürnen konnte.

Eigentlich braucht es gar nicht wieder erwähnt zu werden, daß ihr Erscheinen das größte Aufsehen erregte. Besonders spaßhaft nahm sich der Mijnheer neben dem Talmi-Mandarin aus. Er hatte sich nicht entschließen können, seine Gewehre und den Tornister im Hotel zu lassen; er trug die drei Gegenstände in der schon beschriebenen Weise auf dem Rücken und hatte darüber seinen Riesenschirm gespannt.

So wanderten sie langsam und gravitätisch nach dem Quai, um zu der Dschunke zu gelangen. Sie entfernten sich dabei aus der Gegend, in welcher die europäischen Schiffe vor Anker lagen.

Die chinesischen Fahrzeuge sind ganz geeignet, das Auge des Europäers, welcher noch keins derselben gesehen hat, auf sich zu ziehen.

Die großen Handelsdschunken sind ungeschlachte Schiffe von bedeutender Größe, deren Vorder- und Hinterdeck bedeutend höher ist als der Mittelbord, was ihnen ein seltsames Aussehen gibt. Sie ragen mit nilpferdartiger Unbehilflichkeit aus dem Wasser.

Ihr Stern ist sehr breit, gleich demjenigen eines altholländischen Linienschiffes, bunt bemalt und zuweilen vergoldet, und das Deck ist mit einem ungeheuren Strohdache, welches das Fahrzeug noch viel schwerfälliger erscheinen läßt, versehen.

Die Masten, welche ungemein dick sind, aus einem einzigen Stücke bestehen und keine Stengen haben, tragen an der Spitze eine Rolle, durch welche ein schweres, starkes Tau läuft, mit dessen Hilfe das gewichtige Mattensegel aufgehißt wird.

Das Vorderteil ist meist rot bemalt. Rechts und links vom Steven erblickt man je ein Auge, oft vier bis fünf Fuß im Durchmesser haltend und in möglichst grellen Farben gemalt. Von diesen beiden Augen, welche einen eigenartig glotzenden Ausdruck zeigen, haben die Dschunken den allgemein gebräuchlichen Namen »Lung-yen« d. i. Drachenaugen erhalten. Sie sollen dem Schiffe jenen drohenden Ausdruck verleihen, durch welchen böse Geister und andere unirdische Ungetüme, welche sich zu gewissen Zeiten zur Erde und besonders in das Wasser niederlassen, vertrieben werden sollen. Das Wort Dschunke bedeutet Schiff und lautet im Hochchinesischen »dschuen«, in der Mundart von Kanton aber »dschonk«.


1) : Rücken.
2) : Krautpulver.
3) : Schwert.
4) : Schwiegervater.
5) : Schwester.
6) : Warm.
7) : Ganzer Körper.
8) : Kopf.
9) : Füßen.
10) : Stricknadel.
11) : Zwirn.
12) : Paß


(Fortsetzung folgt.)



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