Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 16, Seite 241
Reprint Seite 111


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

Indem er sich mit beiden Händen an der Wand festhielt, gelang es ihm wirklich, sich aufzurichten. Durch diese Anstrengung mehr zur Besinnung gekommen, sah er die beiden verwundert an; dann griff er nach seinem Kopfe und sagte:

»Mijn hoofd, mijn hoofd (Haupt)! Ik heb een Nijlpaard tußchen mijnen hersenen - mein Kopf, mein Kopf! Ich hab ein Nilpferd zwischen meinem Gehirn!«

»Aber Sie sehen und erkennen uns?«

»Ja wel.«

»So sagen Sie zunächst, wo Sie Ihre Munition haben!«

»Daar - dort!«

Er deutete nach dem Tornister. Der Methusalem öffnete denselben und erblickte eine beträchtliche Anzahl verschiedenfarbiger Tüten, welche sich in demselben befanden. Er nahm eine derselben heraus und fragte:

»Was ist der Inhalt dieses Papieres?«

»Hooizaad,« lautete die Antwort.

»Heusamen! Und hier?«

»Driekleurigviooltjetee.«

»Also Stiefmütterchenthee. Und hier?«

»Kruizemuntentee.«

»Krausemünzthee! Und in dieser Tüte?«

»Lindeboombloesemtee.«

»Lindenblütenthee! Weiter hier?«

»Seringatee.«

»Also Fliederthee. Aber, Mijnheer, das sind zwanzig Tüten, also eine ganze Apotheke! Wozu schleppen Sie denn diese verschiedenen Thees mit sich herum?«

»Voor mijne gezondheid. Ik heb vele ongesteldheiden - für meine Gesundheit. Ich habe viele Krankheiten.«

Degenfeld nahm die Tüten alle heraus, bis er ganz unten auf die Munition kam und die beiden abgeschossenen Gewehre nun laden konnte. Dies brachte den Dicken vollends zu sich. Er erkundigte sich, weshalb man seine Gewehre lade, und erhielt die nötige Auskunft. Als er hörte, in welcher großen Gefahr er sich befand, wurde er äußerst beweglich. Er packte nun selbst die Tüten wieder ein, um seine sieben Sachen beisammen zu haben, zog sich dann mit den Gewehren, dem Schirme und dem Tornister in eine Ecke zurück und erklärte, jeden durch und durch zu schießen, der es wagen werde, ihm wenn auch nur ein finsteres Gesicht zu machen.

Nun galt es, auch den Kapitän und Gottfried von Bouillon zur Besinnung zu bringen. Es gelang, wenn auch nur schwer. Sobald sie hörten, daß man ihnen nach Eigentum und Leben trachte, flog der Rausch von ihnen. Aber auf wie lange, das war die Frage. Für jetzt hielt die Energie den Körper aufrecht und die Augen offen; aber vielleicht war das Gift noch gar nicht in seine volle, eigentliche Wirkung getreten; vielleicht begann es erst noch, dieselbe zu entfalten. Dem mußte vor allen Dingen vorgebeugt werden. Aber wie und womit? Ein Gegenmittel gab es ja nicht hier in der Kajüte.

Als erstes Mittel hat der Arzt das Erbrechen und, wenn nötig, die Magenpumpe anzuwenden, um das etwa noch im Magen vorhandene Gift zu entfernen. Deshalb riet Degenfeld seinen Genossen, ihre Magen durch mechanische Mittel zum Erbrechen zu reizen. Dies reichte aber natürlich nicht aus, da das Opium bereits ins Blut übergetreten war. Die sonst anzuwendenden Medikamente wie Kaffein oder Quaranaabkochung gab es nicht. Eine Tanninlösung - ah, das brachte den Methusalem auf einen guten Gedanken.

»Mijnheer, Ihr Tornister muß uns retten!« sagte er zu dem Holländer.

»Mijn ransden (Ranzen)?« fragte dieser erstaunt. »Welt gij hem als Medizin opvreten - wollen Sie ihn als Medizin auffressen?«

»Nein, ich habe es nicht auf den Ranzen, sondern nur auf dessen Inhalt abgesehen. Die verschiedenen Thees, welche er enthält, sind wohl alle mehr oder weniger gerbsäurehaltig. Wenn wir sie stark einkochen und diesen Aufguß trinken, werden sich die Alkaloide des Opiums im Körper in unlösliche Tannate verwandeln. Es ist ein Glück, daß Sie auf den Gedanken gekommen sind, den Branntwein mitzunehmen. Wir können ihn jetzt als Brennmaterial benutzen. Eine Theemaschine haben die Matrosen uns am Nachmittage besorgt; so haben wir alles Nötige beisammen.«

»Ja,« meinte der Dicke, »mijne tee's ziin goed; wij worden ze drinken.«

Er war stolz darauf, daß die Heilmittel seiner vielen Krankheiten sich jetzt als so nützlich erwiesen. Für Trinkwasser hatte der vermeintliche Malaie gesorgt; so konnte man mit dem Kochen beginnen.

Außer Richard bekam jeder die gleiche Portion des heißen, übel schmeckenden Getränkes. Außerdem war es nötig, dem Opium durch unausgesetzte Körperbewegung und tiefes Einatmen frischer Luft zu begegnen. Auf den Vorschlag des Methusalem wurden darum Exerzitien vorgenommen, Turnfreiübungen, bei denen sich der Dicke außerordentlich komisch ausnahm. Er ahmte aber alle Bewegungen und Stellungen, welche der Blaurote als Vorturner kommandierte, mit wahrer Begeisterung nach, denn er fühlte an sich selbst, daß dieses Mittel den gewünschten Erfolg hatte, obgleich es für ihn sehr anstrengend war. Er schwitzte aus allen Poren.

Wären die vier Personen nicht so tüchtige Trinker gewesen, so hätte das Opium eine noch viel größere und nachhaltigere Macht auf sie geäußert. So aber milderte sich die Herrschaft des Giftes mehr und mehr, bis endlich nur noch eine leicht zu ertragende Benommenheit des Kopfes zurückblieb.

Während sie aus Leibeskräften exerzierten und während der Pausen den starken Absud des Thees tranken, hielt Richard treulich Wache. Er stand mit geladenem Gewehre bereit, dem ersten, der sich an die Thür oder eine der Luken wagte, eine Kugel zu geben. Dabei mußte er sich mehr auf sein Gesicht als auf sein Gehör verlassen. Einen, der sich draußen an die Thür schlich, hätte er nicht hören können, weil die Turnenden zu viel Geräusch verursachten. Aber als sie einmal ruhten und es infolgedessen still in der Kajüte wurde, vernahmen sie alle ein leises Klopfen an der Thür.

»Schui nguái - wer ist draußen?« fragte der Methusalem.

»Gu-ten A-bend!« erklang die Antwort, leise und indem die einzelnen Silben langsam und mit Bedacht ausgesprochen wurden, damit man die Worte deutlich verstehen könne.

»Was!« flüsterte der Student seinen Gefährten zu. »Das ist ja deutsch!«

»Ja,« nickte der Gottfried erstaunt. »Dat ist der traute Abendjruß unserer jeliebten Muttersprache. Wie hat der sich in die olle D'schunke verirrt?«

»Jedenfalls handelt es sich um eine Falle, welche man uns stellt. Man kennt zufällig diese beiden deutschen Worte. Werden ja sehen!«

Und lauter antwortete er, gegen die Thür gerichtet:

»Guten Abend! Wer ist draußen?«

»Ein Freund,« antwortete es ebenso leise wie vorher.

»Gut! Aber wer?«

»Ein Unglücklicher, der auch gefangen ist.«

Diese Worte wurden wieder so wie vorhin in ihre Silben abgeteilt und sehr langsam ausgesprochen, wie einer thut, welcher der betreffenden Sprache nicht ganz mächtig ist und doch gern verstanden sein will.

»Das glaube ich nicht,« sagte der Methusalem. »Was wollen Sie?«

»Hinein zu Ihnen.«

»Pah! Bleiben Sie in Gottes Namen draußen!«

»Ich bin wirklich Ihr Freund, das hören Sie ja daraus, daß ich deutsch spreche!«

»Ein Verräter sind Sie! Sie sind jedenfalls der Lump, welcher sich für einen Malaien ausgegeben hat.«

»Der Amerikaner, Ihr Diener? O nein! Ich bin ein Chinese.«

»Und sprechen doch deutsch!«

»Mein Herr hat es mich gelehrt.«

»Wer ist das?«

»Herr Sei-tei-nei in Hu-nan.«

»Das ist Schwindel,« bemerkte Degenfeld leise zu seinen Gefährten. »Sei-tei-nei ist kein chinesisches Wort und kein chinesischer Name.«

»Kenne das Wort auch nicht,« antwortete Turnerstick selbstbewußt. »Und einer, welcher alle chinesischen Dialekte so innehat wie ich, müßte es doch kennen, wenn es wirklich chinesisch wäre. Sei-tei-nei hat keine einzige von meinen fünf Endungen.«

»Sehr richtig!« lächelte der Student. »Man will es auf diese Weise mit uns versuchen, uns zutraulich machen. Das soll ihnen aber nicht gelingen. Freilich, wie so ein Halunke zu unserer ehrlichen deutschen Sprache kommt, das kann ich nicht begreifen. Darum bin ich überzeugt, daß es der Yankee ist. Er gibt sich für einen Gefangenen aus und fordert Einlaß. Sobald wir aber öffneten, würden sich so viele hereindrängen, daß wir gar keinen Raum zur Gegenwehr fänden. Ich werde hören, was er weiter sagt. Die Chinesen würden einen Gefangenen wohl nicht frei umher laufen lassen, so daß er Gelegenheit fände, sich hierher zu schleichen und heimlich sich mit uns zu unterhalten.«

Gegen die Thür gewendet, fragte er weiter:

»Wie kommen Sie denn in die Gefangenschaft der Seeräuber?«

»Ganz so wie Sie: Ich hielt sie für ehrliche Leute.«

»Wo trafen Sie die Dschunke?«

»Im Hafen von Schang-hai. Ich wollte in Geschäften nach Kanton und fuhr mit der 'Schui-heu', weil man mir sagte, daß sie dorthin gehe. Erst unterwegs sah ich, unter welche Leute ich geraten war. Man ließ mir die Wahl zwischen dem Tode und dem Beitritt.«

»Hm! So sind Sie Seeräuber geworden?«

»Nur zum Scheine!«

»Und man läßt Sie frei umhergehen?«

»Nur auf hoher See, im Hafen aber nicht. In Hongkong bin ich in den Unterraum geschlossen worden; sobald man aber den Anker gezogen hatte, durfte ich herauf.«

»So! Wer ist bei Ihnen draußen vor der Thür?«

»Niemand.«

»Wirklich?«

»Kein Mensch. Ich bin ganz allein.«

»Aber man muß es doch sehen, daß Sie mit uns reden!«

»Nein. Die Laternen wurden ausgelöscht. Es brennt keine einzige, da kein uns begegnendes Schiff uns sehen oder gar anrufen soll.«

»Hm! Wo ist der Ho-tschang?«

»Der schläft. Die anderen Offiziere auch. Nur der To-kung steht hinten am Steuer.«

»Und die Matrosen?«

»Es sind nur drei Wachen an Deck. Die andern sollen alle ruhen, weil es mit Tagesanbruch viel zu thun geben wird.«

»Werden Sie von diesen Wachen nicht beobachtet?«

»Nein. Einer steht oben am Innenbug; er kann mich also nicht sehen. Der zweite hält am Hintermast; seine Augen reichen nicht bis hierher. Und der dritte schläft am Mittelmast. Jedenfalls schlafen die beiden andern auch.«

»Sonderbar! Fühlt man sich denn vor uns so sicher, daß man uns nicht einmal einen Posten vor die Thür gibt?«

»Es wollte keiner her, weil Sie schießen. Man hat Ihre Thür so verrammelt, daß Sie nicht öffnen können.«

»Und da fordern Sie uns auf, Sie zu uns herein zu lassen? Sie widersprechen sich.«

»Nein, denn ich kann ja die Bambusstützen, welche man gegen die Thür gestemmt hat, wegnehmen. Sie dürfen mir vertrauen.«

»So! Was wollen Sie denn eigentlich bei uns?«

»Ich wollte Sie um Ihre Hilfe bitten, denn ich allein, ich selbst, bin zu schwach, um die Freiheit wieder zu erlangen.«

»Wir sind ja ebenso, wie Sie gefangen!«

»Freilich wohl! Aber nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, besitzen Sie genug Mut, Entschlossenheit und Waffen, sich wieder zu befreien. Darum wollte ich mich so gern in Ihren Schutz begeben.«

»Das klingt alles sehr gut, aber ich darf Ihnen nicht trauen. «

»Sie dürfen es. Ich meine es ehrlich. Glauben Sie mir das!«

Da legte Gottfried dem Studenten die Hand auf den Arm und flüsterte ihm zu:

»Dat klingt so jut und erbärmlich. Der Kerl kann mich leid thun. Wenn es wirklich an demjenigen ist, wie er sagt, so müssen wir uns seiner annehmen. Lassen Sie ihn also rin in die Bude, oller Methusalem!«

»Es ist zu gefährlich!«

»Jefährlich? Dat will mich nicht einleuchten. Wat kann uns so ein einzelner Mann anhaben?«

»Wissen Sie so genau, daß er allein ist?«

»Jenau freilich nicht; aberst es ist wat in seine Rede, wat mich ins Herze jeht. Und wenn er nicht allein wäre, wenn die janze Sippschaft bei ihm stände, so fürchte ich als Jottfried von Bouillon mir noch lange nicht. Habe ich damals Jerusalem erobert und den Seldschuken mein Jebiß jezeigt, so sollen die paar Chinesigen mich ooch nicht bange machen. Jewehre haben wir jenug. Wenn wir ihnen eine volle Salve jeben, reißen sie aus wie die Dorfjungens, wenn der Herr Kantor kommt.«

»Du magst recht haben; aber ich möchte nicht noch mehr Blut vergießen.«

»Und vorhin haben Sie selbst jesagt: Auge um Auge, Schinken um Schinken, Schmer um Schmer!«

»Das war notwendig, um ihnen zu zeigen, was sie von uns zu erwarten haben.«

»Jut, so haben sie auch jetzt, wenn sie uns überrumpeln wollen, nur blaue Bohnen von uns zu erwarten. Ich bin übrigens überzeugt, daß der arme Teufel es wirklich ehrlich meint. Und wat verhindert Ihnen, dat Papier wegzunehmen und dann hinauszuschauen, wat für Jeister draußen sind?«

»Das ist richtig. Wollen sehen.«

Er trat leise an die Thür, entfernte eines der Papiere und blickte durch das Kugelloch. Es war so sternenhell auf dem Verdeck, daß er sich genau orientieren konnte. Es war niemand da. Erst als er das unterste der Papiere wegnahm, sah er den Mann, welcher draußen am Boden lag, das Gesicht nahe an die Thür gelegt. Er klebte die beiden Papiere wieder auf die Löcher und sagte zu dem Wartenden:

»Ich will es versuchen. Entfernen Sie also die Stützen!«

Gleich nach diesen Worten wurde draußen ein stoßendes und schiebendes Geräusch hörbar, und dann öffnete der Methusalem die Thür, welche sich nur nach außen in ihren ledernen Angeln bewegte. Der Mann kam schnell herein, und der Student verriegelte die Thür sofort wieder. Dann musterte er den Eingetretenen.

Dieser war ein junger Mann von vielleicht vier- bis fünfundzwanzig Jahren. Er trug eine bessere Kleidung als die Matrosen und sogar deren Offiziere. Waffen sah man bei ihm nicht. Er ergriff die Hand des Methusalem und sagte in herzlichem Tone:

»Ich danke Ihnen, mein Herr! Nun darf ich doch Hoffnung haben, wieder frei zu kommen.«

»Hm!« meinte der Student kopfschüttelnd. »Ein Chinese, welcher deutsch spricht und unter solchen Verhältnissen sich uns vorstellt, das ist ungewöhnlich. Sie sind doch Chinese?«

»Sogar Vollblutchinese!«

»Und weshalb sprachen Sie uns deutsch an? Wie erfuhren Sie, daß wir Sie verstehen würden?«

»Ich hörte, daß der Amerikaner zu dem Ho-tschang sagte, daß Sie Deutsche seien.«

»Haben Sie auch gehört, welche Absichten man mit oder vielmehr gegen uns hegt?«

»Sie sollen getötet werden.«

»Wann?«

»Sobald es Tag wird.«

»Und wie?«

»Man wird das Dach Ihrer Kajüte einschlagen und Stinktöpfe hineinwerfen.«

»Alle Wetter! Gut, daß wir das erfahren! Bis dahin aber will man nichts unternehmen?«

»Nein. Wenn Sie dann ja ausbrechen, so glaubt man, am Tage sich besser gegen Sie verteidigen zu können.«

»Also haben die Kerls doch Angst vor uns?«

»Sogar große Angst. Sie haben doch bereits mehrere getötet.«

»Also sind sie nicht nur verwundet, sondern wirklich tot! Nun, wir werden uns auch ferner unserer Haut wehren. Jetzt müssen wir uns zunächst mit Ihnen beschäftigen. Was sind Sie denn eigentlich?«

»Kaufmann.«

»Was verkaufen Sie?«

»Kohlen.«

»Kohlen? Hm! Hier in China ein Kaufmann, welcher Kohlen verkauft! Das könnte mich wieder mißtrauisch machen, wenn Sie nicht ein so ehrliches Gesicht hätten. Sie gefallen mir, und ich möchte Ihnen gern mein Vertrauen schenken, wenn nur dieser sogenannte Herr Sei-tei-nei nicht wäre!«

»Was haben Sie gegen ihn?«

»Dieser Name ist nicht chinesisch!«

»Das ist richtig. Sprechen Sie vielleicht chinesisch?«

»Ja.«

»Nun, so werden Sie wissen, daß wir fremde Worte nach unserer Weise aussprechen. Es fällt uns schwer, gewisse Konsonanten, wenn sie nebeneinander stehen, richtig hervorzubringen. So sagen wir zum Beispiel statt Christus Chi-li-su-tu-su und anstatt Spiritus Su-pi-li-tu-su.«

»Das weiß ich; aber Sie selbst sprechen diese beiden Worte doch richtig aus!«

»Nur weil ich mich jahrelang habe üben können. Der Name Sei-tei-nei ist auch deutsch, aber mit chinesischer Zunge ausgesprochen. Er heißt eigentlich ... «

»Halt!« unterbrach der Methusalem ihn schnell. »Sollte das möglich sein! Was ahne ich! Sie sprachen von Kohlen. Sie sprachen ferner von einem Herrn Sei-tei-nei, welcher in der Provinz Hu-nan wohnt! Sei-tei-nei! Da haben Sie ein 'ei' zwischen die Konsonanten und dann noch eines an das Ende des Wortes gesetzt, weil der einzige und eigentliche Vokal des einsilbigen Wortes eben auch ein 'ei' ist?«

»So ist es.«

»Der Name lautet also Stein?«

»Ja, Stein. Herr Stein ist mein Pi-li-ni-zi-pa-la, mein Prinzipal.«

»Wie ist sein Vorname?«

»Da-ni-ne-le, also Daniel.«

Da stieß Richard einen Schrei des Entzückens aus, eilte auf den Chinesen zu, faßte ihn an der Hand und rief:

»Stein - Daniel - ein Deutscher - in der Provinz Hu-nan - Sie kennen also meinen Oheim, den guten Onkel Daniel? Welch eine Ueberraschung, welches Entzücken! Das ist eine Fügung Gottes, welche mich außerordentlich glücklich macht. Wie gut, daß wir Sie herein gelassen haben!«

Der Chinese sah den Jüngling ganz erstaunt an und fragte ihn:

»Wie? Was? Sie kennen den Herrn?«

»Natürlich! Er ist ja mein Oheim!«

»So sind Sie ... so haben Sie seinen Brief empfangen?«

»Ja. Wissen Sie von diesem Briefe?«

»Alles! Ich selbst habe ihn ja nach Kanton zu unserm Agenten gebracht.«

»Sie selbst, Sie selbst!«

»Ja, und jetzt wollte ich diesen Agenten besuchen, um ihn im Auftrage meines Prinzipals zu fragen, ob vielleicht eine Antwort eingelaufen sei! Dabei bin ich unter die Piraten geraten.«


(Fortsetzung folgt.)



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