Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 20, Seite 305
Reprint Seite 132


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

Das Panzerschiff näherte sich mit großer Schnelligkeit. Noch waren nicht fünf Minuten vergangen, so kräuselte von seinem Decke eine helle Wolke auf und dann ertönte der Schuß.

»Können leider nicht antworten,« sagte Turnerstick. »Haben kein Geschütz oben; stecken alle in den Kisten. Will ihm aber doch zeigen, daß wir seine Sprache verstehen. Nehmen Sie das Steuer und halten Sie es genau so wie ich bisher. Ah, ein Engländer!«

Er deutete nach dem Kriegsschiffe, auf dessen Flaggenstock jetzt die großbritannische blaue Divisionsflagge gehißt wurde; dann sprang er die Treppe hinab zum Hintermaste, ließ die chinesische rotgelbe Handelsflagge, welche auf demselben wehte, herab, band sie der Länge nach zusammen, und zog sie wieder auf. Man nennt dies »die Flagge weht im Schau«, und es gilt das als internationales Notzeichen.

Dann zog er sein Messer und zerschnitt die beiden Brassen des Besansegels, welches sofort im Winde gierte. Dasselbe that er auch mit dem Groß- und Focksegel. Die schweren Matten schlugen an die Masten, daß diese erklangen; aber das Schiff stoppte. Als er nun wieder zum Steuer kam, sagte er:

»Eine schwere und gewagte Sache! Aber bei dem jetzigen Winde geht es. Wollte die Matrosen nicht wieder losbinden. Sehen Sie ihre Gesichter an! Die helle Angst schaut ihnen aus den Augen. Sie wissen, daß für sie der jüngste Tag gekommen ist.«

Jetzt rauschte der Dampfer heran, ging hart vorbei, gab dann Gegendampf und legte bei.

Die ganze Deckwache stand an Steuerbord und sah herüber. Der Kommandierende stand auf der Brücke und musterte mit scharfem Blicke die Dschunke. Der Deckoffizier aber rief chinesisch herüber:

»Dschuen ahoi! Nan-tao Schui-heu?«

»Mein Himmel!« sagte Turnerstick. »Soll das etwa chinesisch sein? Dann mag er sich einpappen lassen! Es ist keine einzige Endung dabei!«

»Natürlich ist's chinesisch,« antwortete Degenfeld. »Er ruft: 'Schiff ahoi! Ist's wirklich die Königin des Wassers?' Er ist erst an uns vorüber gegangen, um den Namen der Dschunke zu lesen.«

Und sich nach dem Kreuzer wendend, rief er:

»Piratendschunke Schui-heu, aufgebracht von uns fünf Europäern. Stecken sechzig Mann im Raume, haben die Luke vernagelt. Bitten um schnelle Hilfe!«

Der Deckoffizier wendete sich zu dem Kommandanten auf der Brücke, wechselte einige Worte mit ihm und fragte dann in englischer Sprache, deren sich Degenfeld auch bedient hatte:

»Wer sind Sie?«

»Drei deutsche Studenten, ein holländischer Pflanzer und Heimdall Turnerstick, amerikanischer Handelsschiffskapitän.«

»Turnerstick, Turnerstick! All devils! Wo ist der alte Swalker?« fragte da der Kommandierende schnell.

»Hier bin ich, hier!« antwortete der Kapitän, mit einer Hand am Steuer und mit der andern seinen Rohrhut schwenkend. »Ah, ist's möglich! Jetzt sehe ich erst das Gesicht. Kapitän Beadle, ist's möglich!«

»Hallo! Turnerstick, Ihr seid es wirklich! Aber welcher Teufel reitet Euch denn, daß Ihr auf den Gedanken kommt, Euch in dieses heidnische Gewand zu stecken?«

»Geschieht meinem jetzigen Range gemäß. Bin Tur-ning sti-king kuo-ngan ta-fu-tsiang.«

»Der Kuckuck mag Euch verstehen! Gewiß wieder 'mal so eine linguistische Marotte! Habe auf die Dschunke, gleich als ich sie sah, acht gehabt. Traute ihr nicht. Muß sie schon kennen. Traute auch der Angabe Eures Nachbars nicht. Da ich aber Euch am Steuer sehe, glaube ich alles. Müssen einmal hinüber zu Euch!«

»Ja. Wir haben jetzt die Morgenwache. Schickt die Vormittagswache herüber.«

»Was? Die halbe Mannschaft!«

»Ist notwendig. Haben über sechzig Piraten im Raume.«

»Gut! Bin begierig, zu hören, wie sich das zugetragen hat. Jedenfalls wieder 'mal ein Meisterstück von Turnerstick!«

Der Deckoffizier rief das bekannte »Rise out, Quartier in Gottes Namen!« und bald strömten die kräftigen Blaujacken aus den Luken. Das Boot und das Fallreep wurden herabgelassen, und auch Turnerstick bat den Gottfried und Richard, die Treppe der Dschunke niederzulassen. Kapitän Beadle übergab seinem Offizier das Kommando des Schiffes, um sich selbst mit auf die »Königin des Wassers« zu begeben.

Turnerstick stand am Steuer und jauchzte ihm entgegen. Sie kannten einander von früher her; sie hatten sich schon oft getroffen und schüttelten einander erfreut die Hände. Der Kommandeur lachte trotz des Ernstes der Situation laut auf, als er nun die Kleidung Turnersticks genau betrachtete. Dieser aber blieb sehr ernst und sagte:

»Was gibt's da zu lachen, Sir? Ich bin jetzt chinesischer Generalmajor, und daß ich mein Fach verstehe, beweise ich Euch dadurch, daß ich Euch über ein halbes Hundert Piraten samt ihrer Dschunke in die Hände liefere!«

»Weiß schon! Kenne Euch ja! Aber nur fünf Mann, wahrhaftig nur fünf Mann! Sagt, wie ist das möglich!«

»Werde es Euch erzählen. Eigentlich gehört der Ruhm nicht mir, sondern unserm blauroten Methusalem da.«

»Blaurot? Methusalem? Hm!« sagte Beadle, indem er Degenfeld musterte.

Es war ihm anzusehen, daß ihm nicht nur Turnerstick drollig vorkam; er gab sich aber Mühe, ernst zu bleiben.

Turnerstick erzählte ihm in kurzen Worten das erlebte Abenteuer. Der Kommandant wurde jetzt ernst, ohne sich Mühe geben zu müssen, es zu sein.

»Bei Gott,« sagte er, »das ist wirklich eine That, welcher man alle Ehre geben muß! Im Studentenwichs nach China zu kommen, ist - - hm! Aber Sie haben sich so verhalten, daß ich Ihnen allen die Hände drücken muß.«

Er that es auch und fuhr dann fort, indem er einen prüfenden Blick über das Deck warf:

»Ich sagte bereits, daß ich denke, diese Dschunke zu kennen. Darum ließ ich fragen, ob es wirklich die 'Schui-heu' ist.«

»Natürlich ist sie es.«

»So? Hm! Ich möchte wetten, daß ich da vielmehr einen alten Bekannten vor mir habe, der mir leider schon einigemal zwischen Untiefen, wo ich ihm nicht folgen konnte, entkommen ist. Ein Seemann kennt ein Schiff wieder, mag man ihm zehn andere Namen geben. Ich bin überzeugt, daß dieses Fahrzeug der berüchtigte 'Hai-lung' (Seedrache) ist. Wollen doch einmal sehen.«

Seine Leute standen in Reihe und Glied bewaffnet aufgestellt. Er winkte Turnerstick, ihm zu folgen, stieg auf das Vorderdeck und bog sich über die Bugbrüstung nach außen.

»Dachte es mir! Falsches Bild! Man braucht es nur umzukehren, so sieht man den gemalten Drachen und unter demselben jedenfalls die beiden Schriftzeichen, welche Hai-lung, also Seedrache bedeuten. Das Bild ist angeschraubt. Hätten wir einen Schraubenschlüssel, so ...«

»Unten an der Kajüte steht ein Kasten, welcher allerlei Werkzeuge enthält,« fiel der Methusalem ein. »Auch die beiden Bohrer, mit denen sie die Löcher in unsere Thür gemacht haben.«

Richard ging, den Kasten zu holen. Er enthielt einen Schraubenzieher. Der Kapitän befahl zwei seiner Leute herbei, welche hinaussteigen und das Bild umdrehen und so wieder festschrauben mußten. Da war wirklich ein häßlicher Drache, welcher den Rachen aufsperrte, mit der Unterschrift »Hai-lung«, abgebildet.

»Das genügt,« sagte Beadle. »Weitere Beweise brauchen wir eigentlich gar nicht. Der Hai-lung ist in diesen Gewässern so berüchtigt, daß man mit seiner Bemannung sehr kurzen Prozeß machen wird. Aber wie uns nun dieser Leute bemächtigen? Was meint Ihr, Kapitän?«

»Hm!« brummte Turnerstick. »Eine böse Frage!«

»Allerdings. Ich möchte meine Jungens nicht geradezu in den Tod schicken. Die Kerls haben genug Waffen unten, um uns, wenn wir durch die Luke eindringen wollen, mit Salz und Pfeffer zu empfangen. Und die Pulverkammer ist auch unten. Wenn sie auf den Gedanken kämen, sich und uns Iieber in die Luft zu sprengen, als sich uns zu ergeben!«

»Dazu fehlt ihnen die Kourage.«

»Denkt Ihr? Ich halte es doch für besser, List anzuwenden. Aber wie? Mein Leutnant hat zwar bereits unsere Geschütze herüber aufs Deck gerichtet. Er kann es mit einigen Salven leerfegen. Aber die Halunken sind doch nicht oben, sondern unten.«

»Lassen Sie mich einige Worte hier mit Liang-ssi sprechen!« bat der Methusalem. Und sich zu dem Chinesen wendend, fragte er diesen:

»Es gibt noch eine Vorder- und Hinterluke hier. Sind diese beiden Räume unten mit dem Mittelraume verbunden?«

»Nein.«

»Die Piraten befinden sich also nur in dem letzteren?«

»Ja.«

»Auf welche Weise kommandiert der Ho-tschung alle Mann auf Deck?«

»Mit seiner Pfeife.«

»Wo ist dieselbe?«

»Er hat sie stets am Halse hängen.«

»Ja, ich besinne mich, sie gesehen zu haben.«

»Dann denke ich, brechen wir die Mittelluke wieder auf. Wenn wir pfeifen, so kommen die Leute herauf.«

»Daß sie dumm wären. Meinen Sie etwa, daß sie noch schlafen?« sagte Beadle. »Die stehen unten an den Fenstern und sehen, daß sie neben einem Kriegsschiffe hegen. Sie wissen also bereits, woran sie sind. Und der erste von ihnen, welcher an Bord steigen wollte, würde meine Leute sehen, sogleich wieder verschwinden und seine Genossen warnen.«

»Gut, so gibt es noch ein Mittel, nämlich wenn wir zu demselben kommen könnten. Wir schlagen sie mit ihren eigenen Waffen. Ich meine die famosen Hi-thu-tschangs.«

»Was ist das?«

»Die Stinktöpfe.«

»Das wäre freilich ein Prachtmittel. Aber wo befinden sich dieselben?«

»Im Vorlukenraume,« antwortete Liang-ssi.

»So können wir dazu. Führen Sie uns!«

Er winkte noch einige seiner Leute herbei und stieg mit ihnen hinab. Turnerstick und der Methusalem folgten. Der Mijnheer wollte sich ihnen anschließen, aber es zeigte sich leider, daß die Luke nicht für seinen Körperumfang berechnet war. Er mußte oben bleiben.

Sie gelangten in einen nicht sehr großen Raum, welcher vollständig leer war. Er hatte jedenfalls den Zweck, die geraubten Güter aufzunehmen. Eine noch schmalere Treppe führte weiter hinab in den Kiel- oder Ballastraum. Dort war es vollständig dunkel. Beadle brannte ein Wachshölzchen an, und beim Scheine desselben sah man mehrere Reihen verschlossener Töpfe im Sande stehen, welcher den Ballast bildete.

»Da sind sie,« sagte Turnerstick. »Schaffen wir eine Anzahl hinauf!«

Das Hölzchen verlöschte. Es war wieder dunkel. Aber man wußte nun, wo die Töpfe standen und stieg nun im Sande zu ihnen hin. Während dieser Pause, in welcher niemand sprach, ertönte ein lauter, stöhnender Seufzer.

»Ist jemand hier?« fragte Beadle.

»Ngái ya!« erklang es von der Seite her.

»Das war chinesisch. Was bedeutet es?«

»O wehe!« antwortete der Methusalem.

»Sollte sich einer der Piraten hier befinden?«

»Vielleicht zur Strafe!«

»Kieu schin!« ertönte es abermals.

»Was heißt das?«

»Zu Hilfe!« antwortete der Blaurote.

»Vielleicht ist's doch ein ehrlicher Mensch, der in die Gewalt dieser Piraten geraten ist. Wollen es untersuchen.«

Er gebot seinen Leuten, inzwischen eine Anzahl von Töpfen hinauf zu schaffen, und brannte abermals ein Hölzchen an. Als er sich mit Turnerstick und Degenfeld nach der Seite wandte, von welcher her die Seufzer hörbar gewesen waren, gewahrten sie einen niedrigen Bretterverschlag. Beadle klopfte an denselben und fragte:

»Ist jemand hier drin?«

»Hu-tsi - o wehe!« antwortete es.

»Schui tschung-kian - wer ist da drinnen?« fragte der Methusalem.

»Ngo-men-ri - wir zwei,« hörte man es erklingen.

»Schui ni-men - wer seid Ihr?«

»Ngo Tong-tschi, t'a Ho-po-so - ich bin der Tong-tschi und der andere ist der Ho-po-so.«

Degenfeld mußte dem Kapitän diese Antworten übersetzen.

»Alle Wetter!« meinte dieser. »Sollte das möglich sein? Ho-po-so heißen die beiden Beamten, welche alle Schiffer im Hafen von Kanton zu beaufsichtigen haben. Sollte einer von ihnen in die Hände der Piraten geraten sein? Was der zweite ist, weiß ich nicht. Tong-tschi ist mir unbekannt. Wissen Sie es vielleicht?«

»Ja. Tong-tschi und Tong-pan sind sehr hohe Magistratspersonen, mit deren Obliegenheiten ich mich oft beschäftigt habe, da sie sehr viel zu thun haben müssen. Das Gesetz trägt ihnen auf, die Abgaben an Geld oder Naturalien zu erheben, das Militär zu überwachen, die Polizei zu leiten, die Poststationen zu revidieren, für die Verbesserung der Pferderassen Sorge zu tragen, die Domänen des Staates zu beaufsichtigen, Dämme und Kanäle in Stand zu halten, auf die noch nicht ganz unterworfenen Bergvölker acht zu geben und endlich und vor allen Dingen auf die Fremden an den Grenzen und im Innern des Reiches zu vigilieren und das Paßwesen in Ordnung zu halten!«

»O wehe! So ein armer Teufel möchte sich doch in Stücke zerreißen!«

»Ja, das Amt eines Tong-tschi ist ein schwieriges und bedeutungsvolles. Wo ist der Verschluß dieses Kastens?«

Man konnte es nicht sehen, da das Hölzchen wieder verlöscht war.

»Lassen wir das einstweilen!« sagte Beadle. »Wir haben Nötigeres zu thun. Die beiden Kerls können noch eine Viertelstunde stecken, mögen sie nun sein, wer sie wollen. Wir müssen uns vor allen Dingen der Mannschaft versichern.«

Es waren inzwischen wohl zehn bis zwölf Stinktöpfe an Deck gebracht worden. Das genügte für den beabsichtigten Zweck. Die drei stiegen wieder nach oben, und nun wurden die schweren Körbe von der Luke weggenommen. Unter derselben regte sich nichts. Man hätte versucht sein können, zu bezweifeln, daß so viele Menschen sich unterhalb derselben befanden. Sie wurde aufgesprengt.

Wer gedacht hätte, daß die Piraten nun heraufspringen würden, der hätte sich in einem bedeutenden Irrtume befunden. Sie ließen von sich weder etwas hören noch sehen. Natürlich aber hütete man sich, der offenen Luke nun nahe zu kommen. Man hätte leicht eine Kugel bekommen können.

Nun wurden die Stinktöpfe herbeigebracht. Sie schienen sehr dünnwandig zu sein und hatten fast die Gestalt und auch die engen Oeffnungen unserer thönernen Wärmflaschen. Natürlich waren sie luftdicht verschlossen.

Einer der Matrosen warf, sich aber von der Luke so fernhaltend, daß er nicht von unten gesehen werden konnte, den ersten Topf hinab. Seine Kameraden hielten ihre Gewehre schußbereit. Man hörte, daß der Topf in Scherben ging.

»Ngu-hu, hi-thu-tschang - o wehe, Stinktöpfe!« ertönte unten ein lauter Schrei.

Ein zweiter und dritter flog hinab. Die Wirkung war eine solche, daß man sie auch oben spürte.

»Macht schnell,« gebot Kapitän Beadle, »sonst müssen wir selbst auch ausreißen!«

Man gehorchte diesem Befehle, und dann wurde die Luke wieder zugemacht.

Unten erhob sich ein vielstimmiges Geschrei, ein wüstes Lärmen und Klagen. Es wurde an die Luke gestoßen, um sie zu öffnen, aber man hatte die Körbe wieder darauf gestellt. Dann hörten die auf dem Decke befindlichen, daß an den Schiffsseiten die Fenster aufgerissen wurden. Die Piraten schnappten nach frischer Luft.

Das Mittel war außerordentlich drastisch. Es wirkte nicht nur auf die Patienten, sondern auch auf die Aerzte. Der schreckliche Gestank, welcher jeder Beschreibung spottet, drang durch die Fenster herauf auf das Deck. Kapitän Beadle zog sich auf das Quarterdeck zurück, Turnerstick mit ihm.

Die Marineleute wären gern auch ausgerissen, mußten aber stehen bleiben.

»Na, wer diese Erfindung jemacht und vorher jeprobt hat, der muß eine Nase jehabt haben mit Nerven, so dick wie ein Heubaum!« rief Gottfried von Bouillon. »Wat soll mein Fagott denken! Es wird mich in die schönste Seelenverstimmung jeraten. Ich retiriere es und mir mit. Wat sagen Sie dazu, Mijnheer?«

»Wat ik zeg? Foei! Donder en bliksem! Dat ruikt waarachtig na honderd duizend ongelukkigen nijlpaarden - was ich sage? Pfui! Donner und Wetter! Das riecht wahrhaftig nach hunderttausend unglücklichen Nilpferden!«

Er ergriff schleunigst die Flucht und retirierte sich an das äußerste Ende des Vorderschiffes.

Nur der Chinese kann auf eine solche Erfindung verfallen. Der Räuber eines jeden andern Landes wagt sein Leben. Der chinesische Pirat besiegt seine Gegner mit Gestank!

Es dauerte eine geraume Zeit, bevor dieser Geruch sich so verflüchtigt hatte, daß Kapitän Beadle wieder auf das Mittelschiff herabkam.

»Was nun?« fragte er abermals. »Ich möchte wissen, wie die Kerls sich da unten befinden. Versuchen wir, die Luke zu öffnen!«

Einige seiner Leute machten sich daran, diesen Befehl auszuführen. Kaum war es geschehen, so ergriff der Kapitän die Flucht schleunigst wieder. Die Luke glich einer Esse, aus welcher die Dämpfe der Hölle entstiegen. Man mußte wohl zehn Minuten vergehen lassen, ehe man ihr wieder nahen konnte.

Nun galt es, nachzuforschen, welche Wirkung die Stinktöpfe gehabt hatten. Beadle wollte Freiwillige vortreten lassen. Da aber meinte Gottfried von Bouillon:

»Nein, Sir, dat ist nicht nötig. Ich habe auch die meinige Ehre im Leibe und lasse mir nicht lumpen. Ich binde mir an einen Strick und nehme meine Oboe mit. Sobald ich blase, ziehen Sie mir wieder ans joldene Tageslicht. Die Oboe soll dat Zeichen jeben, dat da unten nicht allens in jutem Zustande ist. Wer Opium jetrunken hat, kann wohl auch Ammoniak vertragen. Mijnheer, halten Sie mir am Seile fest!«

Er band sich einen Strick um den Leib, hielt sich das Taschentuch an die Nase und stieg mit dem Fagotte in die Tiefe. Niemand hatte ihm abgeraten. Was er unternahm, war doch eine Heldenthat. Er hatte nicht nur die Gase zu fürchten, sondern wohl noch mehr die Piraten, welche vielleicht nicht betäubt worden waren.


(Fortsetzung folgt.)



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