Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 41, Seite 641
Reprint Seite 236


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

Die Reisenden strengten jetzt die Pferde möglichst an, um noch vor Nacht das Ziel zu erreichen. Die Soldaten waren gezwungen, ihnen ebenso schnell zu folgen. Der Weg war menschenleer. Kein Wanderer begegnete ihnen. Hier und da gab es einmal ein Haus oder eine einsame Siedelung, deren Bewohner neugierig vor die Thüren gerannt kamen und halb erstaunt, halb erschrocken zurückfuhren, wenn sie die fremdartigen Reiter erblickten.

Der Methusalem ritt voran; er hatte während des ganzen Tages keine Lust gezeigt, sich zu unterhalten. Seine Gefährten hielten zusammen, um sich den Weg durch Gespräch zu verkürzen. Sie bemerkten, daß er der Gegend eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit schenkte und bald rechts, bald links blickte, als ob er etwas suche.

So verging der Nachmittag, und der Abend wollte hereinbrechen, als man auf der letzten Höhe anlangte, von welcher aus man die Stadt Schin-hoa am Ufer des hier schmalen Flusses liegen sah. - Degenfeld befahl dem Offizier, voran zu reiten, um dem regierenden Mandarin des Ortes die Ankunft des Inhabers eines kaiserlichen Kuan zu melden, welchem schleunigst Folge geleistet wurde.

Nun ging es langsam bergab. Die Sonne war schon hinter den Bergwänden verschwunden, und die Höhen warfen ihre immer tiefer werdende Schatten in das Thal. Als die Reiter die Sohle desselben erreichten, sahen sie die Wirkung der Botschaft, welche Degenfeld dem Oberlieutenant aufgetragen hatte. Dieser hatte die Neuigkeit wohl laut auf der Straße verkündet, denn es kam ihnen eine dichte Menschenmenge entgegen, welche sich zu beiden Seiten des Weges aufstellte.

Um diesen Gaffern schneller zu entgehen, wurden die Pferde angespornt und im Galopp ging es dem Thore der Stadt entgegen. Dort wartete ihrer der Offizier, um sie nach der Wohnung des Mandarinen zu bringen, bis wohin die Einwohner förmlich Spalier bildeten. Und doch war es bereits so dunkel, daß man kaum einige Schritte weit zu sehen vermochte. Laternen aber durften noch nicht gebrannt werden, da das Zeichen dazu noch nicht gegeben war.

Die Gäste wurden wie gestern von dem Mandarin an der Thür empfangen und dann in das Innere des Hauses geleitet. Der lange Ritt hatte die Reisenden, welche nicht gewohnt waren, einen ganzen Tag lang im Sattel zu sitzen, ungemein angestrengt. Am größten mußte die Ermüdung Richards sein. Er konnte kaum die Beine biegen und hatte einen ungemein steifen Schritt, gab sich aber mannhaft Mühe, es nicht bemerken zu lassen.

Noch schlimmer schien der Mijnheer daran zu sein. Er hatte schon während des Nachmittags geklagt, ohne aber sehr beachtet zu werden. Dann waren seine Seufzer tiefer und seine Ausrufungen lauter geworden, und auf Befragen hatte er erklärt, daß er seine Glieder nicht mehr fühle. Es war allerdings nichts Kleines für einen so starkbeleibten Mann, einen Tag lang in der engen Sänfte bewegungslos sitzen zu müssen und, da dieselbe von zwei Pferden getragen wurde, alle Unebenheiten des Weges zwiefach empfinden zu müssen. Als er nun jetzt aus dem Palankin steigen wollte, war ihm das unmöglich. Zwei Diener des Mandarins zogen und ein dritter auf der anderen Seite schob ihn heraus. Als er die Erde unter sich hatte, wankte er, so daß er gehalten werden mußte. Glücklicherweise lag das Empfangszimmer zur ebenen Erde, so daß es keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bot, ihn dorthin zu bringen. Da aber sank er sofort in einen Stuhl, faltete die Hände über den Leib, stieß einen langen, stöhnenden Seufzer aus und schloß die Augen, indem er langsam flüsterte:

»Ik ben dood; ik ben gestorven. Mijne ziel is ginds, en maar mijn ligcham is hier gebleven. Goede nacht, o boose wereld - ich bin tot; ich bin gestorben. Meine Seele ist jenseits, und nur mein Leichnam ist hier geblieben. Gute Nacht, o böse Welt!«

Ganz so wie gestern wurden den Reisenden Zimmer angewiesen. Der Dicke mußte in das seinige getragen werden, wo man ihn auf das Bett legte. Er ließ das mit sich geschehen, ohne auch nur die Augen zu öffnen.

In Rücksicht auf die allgemeine Ermüdung hatte Degenfeld das Abendessen für später als gestern bestellt. Jeder wollte vorher ein wenig ausruhen, und so kam es, daß keiner sich um den Mijnheer kümmerte. Man kannte ihn ja und wußte also, daß es ihm mit dem Sterben keineswegs Ernst sei.

Als dann an alle die Aufforderung zum Nachtmahle erging, fanden sie sich in dem dazu bestimmten Zimmer zusammen. Nur Aardappelenbosch fehlte, und so ging der Gottfried ihn zu holen. Er lag noch wie vorher mit geschlossenen Augen auf dem Bette.

»Mijnheer, schlafen Sie?« fragte der Wichsier.

Keine Antwort.

»Mijnheer, wachen Sie auf!« bat Gottfried, indem er ihn rüttelte.

»Ik ben gestorven,« antwortete der Holländer in klagendem Tone.

»Sind Sie wirklich tot?«

»Ja, op mijn woord!«

»So müssen wir Sie also begraben?«

»Ja, ik moet in de aard geleid worden - ja, ich muß in die Erde gelegt werden.«

»Schade, jammerschade! Gerade jetzt, wo es Leberpastete mit Reispudding gibt!«

»Leverpastei met rijstepudding?« schrie der Dicke, indem er in demselben Augenblicke kerzengerade auf den Beinen und in der Stube stand.

»Ja, das Essen ist serviert.«

»Het avondeten? Ik ga met; ik ga spoedig met - das Abendessen? Ich gehe mit; ich gehe schnell mit!«

Er faßte den Gottfried beim Arme und zog ihn eilig zur Thür hinaus, obgleich seine noch ungelenken Beine sich gegen diese Eile sträubten. So kam es, daß die Seele des Dicken wieder aus dem »Jenseits« zurückkehrte, und dieses Wunder, diese Auferstehung eines Toten war von zwei sehr einfachen, aber höchst delikaten Worten vollbracht worden - Leverpastei und Rijstepudding.

Wie Schin-hoa kleiner ist als Schao-tscheu, so hatte alles hier einen bescheideneren Anstrich. Der Gemeindepalast war ein gewöhnliches, wenn auch geräumiges Haus. Der Bürgermeister trug die einfache Goldkugel auf der Mütze und floß weniger über von unterwürfigen Redensarten. Das Essen bestand aus weniger und nicht so kostbaren Gängen, und es gab nur zwei Personen, um die Gäste zu bedienen. Der Mandarin getraute sich gar nicht, bei dem Essen gegenwärtig zu sein.

Dies alles war den Reisenden nur lieb. Sie sahen sich nicht unter dem Zwange der Etikette und konnten sich nach Herzenslust unterhalten, obgleich sie dies der beiden Diener wegen mit dem gebotenen Ernste thaten. Als diese aber am Schlusse den Raki brachten und sich dann entfernten, konnte der Gottfried es nicht länger zurückhalten, auf welche Weise er den Mijnheer vom sichern Tode errettet hatte. Sein Bericht erregte natürlich die allgemeinste Heiterkeit, in welche der Dicke endlich selbst mit einstimmte. Doch versicherte er im vollen Ernste:

»Ik ben zekerlijk gestorven geweest, op mijne eer - ich bin sicher gestorben gewesen, bei meiner Ehre!«

»So sind Sie unsterblich,« lachte der Gottfried.

»Ik? Werkelijk?«

»Ja, denn wenn Sie einst der richtige Tod beim Schopfe nimmt, so bedarf es nur eines Puterbratens oder einer Sardellensemmel, um Sie ihm zu entreißen. Sie werden der zweite ewige Jude sein und können sich also jetrost morjen wieder in Ihre Sänfte zusammenrütteln lassen.«

»Ik dank zeer! Da fluit ik niet met. Ik will niet gedragen zijn - ich danke sehr! Da pfeife ich nicht mit. Ich will nicht getragen sein.«

»Was denn?«

»Ik word ruiten - ich werde reiten.«

»Sie? Reiten? Und gestern waren Sie so dagegen? Gestern versicherten Sie aus Leibeskräften, daß Sie sterben würden, falls Sie reiten müßten.«

»Dat is ook zoo; maar ruit ik, zo moet ik sterven, en word ik gedragen, zo moet ik ook sterven; alzoo wil ik liever op mijnen paard sterven als in dezen ongelukkigen Dragstoel - das ist auch so; aber reite ich, so muß ich sterben, und werde ich getragen, so muß ich auch sterben; also will ich Iieber auf einem Pferd sterben als in diesem unglücklichen Tragstuhle.«

»Da haben Sie recht,« stimmte der Methusalem bei. »Denn dann sterben Sie wenigstens in freier Luft und hauchen Ihre Seele nicht in dem elenden Kasten aus. Wir bekommen hier neue Pferde. Ich werde Ihnen eines auswählen.«

»Ik pflieg maar op de aard, zoo dra ik opgestegen ben - ich fliege aber auf die Erde, sobald ich aufgestiegen bin!«

»Ich suche Ihnen ein sehr geduldiges aus.«

»Ik geloov an geen paard - ich glaube an kein Pferd!«

»So binden wir Sie fest. Dann kann Ihnen nichts geschehen.«

»Dat is goed. Ik word op dat paard gebonden. Da mak ik met; da mak ik zeer geerne met - das ist gut. Ich werde auf das Pferd gebunden. Da mache ich mit; da mache ich sehr gerne mit!«

So war es also beschlossene Sache, daß der Dicke morgen sich als Kavallerist sehen lassen werde. Man war jetzt lustig geworden und hätte sich gerne noch länger unterhalten; aber in Anbetracht der heutigen und der morgen wieder zu erwartenden Anstrengungen hielt man es doch für geraten, zur Ruhe zu gehen. Der Methusalem ließ dem Mandarin, welcher sich nicht wieder sehen lassen wollte, eine gute Nacht von allen wünschen, und dann begab sich jeder in sein Zimmer.

Am andern Morgen weckte Gottfried wieder. Der Oberlieutenant hatte bereits für den Umtausch der gestrigen mit frischen Pferden gesorgt, und Degenfeld suchte für den Mijnheer einen starken Gaul aus, dessen Alter vermuten ließ, daß er keine Jugendstreiche mehr begehen werde. Aardappelenbosch wurde in den Sattel gesetzt, und dann führte man das Pferd einigemal im Hofe herum. Er saß aber so schauderhaft da oben, daß er sich unmöglich vor den Leuten sehen lassen konnte; darum wurde beschlossen, ihn zunächst in einer Sänfte voranzuschicken.

Nachdem dies geschehen war, brach die Gesellschaft auf, begleitet von den Wünschen des Mandarins, welcher froh war, von so vornehmen Gästen befreit und wieder Herr seines Hauses zu sein.

Der Auszug aus der Stadt glich, wenn auch in kleinerem Maßstabe, dem gestrigen. Die Menge begleitete die Reisenden bis vor die Stadt und kehrte dann zurück, ganz befriedigt davon, einmal so sonderbare Fremdlinge gesehen zu haben.

Der Weg stieg kurz hinter der Stadt gleich steil an, und kaum hatte man einige hundert Schnitte zurückgelegt, so begegnete man den zurückkehrenden Sänftenträgern, welche wenig weiter oben den Mijnheer nach dem ihnen gewordenen Befehle mitten auf die Straße abgesetzt hatten. Er hatte den Riesenschirm aufgespannt und trug kreuzweise über dem Rücken die Gewehre, an denen die Tasche hing. Diese letztere enthielt längst die verschiedenen Theesorten nicht mehr, und dennoch behandelte er sie mit so ausgesetzter Sorgfalt, als ob sich ganz unersetzliche Kostbarkeiten in derselben befinden.

»Ik heb alreeds langs geroepen en gepepen,« schrie er ihnen schon von weitem zu. »Maakt snelst! Ik will ruiten - ich habe schon längst gerufen und gepfiffen. Macht schnellstens! Ich will reiten.«

»Schon jut, und nur Jeduld! « antwortete der Gottfried. »Sie kommen zeitig jenug in den Sattel und vielleicht noch schneller wieder herunter.«

Man hielt bei dem Dicken an und gab sich Mühe, ihn auf das Pferd zu bringen, was bei seinem Gewichte und seiner Unbehülflichkeit keine leichte Aufgabe war.

Endlich saß er oben, aber wie! Der Methusalem riet ihm, den Regenschirm zu schließen, worauf er aber nicht einging, weil, wie er behauptete, die ihm etwa Begegnenden ihm seinen Rang nicht angesehen hätten. Den Schirm in der Linken und die Zügel in der Rechten, begann er den Ritt, und zwar sehr langsamen Schrittes. Dennoch rutschte er, da er nicht fest in den Bügeln stand und die Schenkel nicht anlegte, bald herüber und bald hinüber, so daß er die Zügel an den Sattelknopf, welcher sehr hoch war, band und sich mit der rechten Hand an demselben anhielt. Hätte man einen Gorilla auf das Pferd gesetzt, so wäre die Haltung desselben wohl keine lächerlichere gewesen. Dennoch meinte er in sehr befriedigtem Tone:

»Zoo is het goed. Ik ben een bijzonder ruiter - so ist es gut. Ich bin ein vorzüglicher Reiter!«

In der Freude über die Gewandtheit, welche er seiner Ansicht nach entwickelte, machte er eine lebhafte Bewegung und verlor die Bügel. Das Pferd protestierte gegen diese Unruhe, indem es vorn in die Höhe stieg, und infolgedessen rutschte der Mijnheer hinten herab. Es gab einen dumpfen Ton, wie wenn ein Wollsack auf die Erde geworfen wird, und der Dicke kam, alle vier Extremitäten samt dem Regenschirm in die Höhe streckend, auf die Straße zu liegen.

Zum Glück besaß der Gaul kein überflüssiges Feuer. Er drehte sich um, den Reiter anzusehen, und blieb so stehen, ohne sich weiter zu bewegen. Die andern standen erschrocken um Roß und Reisigen, und Degenfeld fragte:

»Um Gotteswillen, Mijnheer, haben Sie sich etwa Schaden gethan?«

»Ik? Zeer grooten!« antwortete er stöhnend, indem er Arme und Beine noch immer in die Luft streckte. »Het dome Nijlpaard heeft mij van achteren verloren. Ik been dood; ik ben gestorven; ik ben buiten tegenspraak gestorven - ich? Sehr großen! Das dumme Nilpferd hat mich von hinten herunter verloren. Ich bin tot; ich bin gestorben; ich bin ohne Widerrede gestorben!«

»So legen Sie doch wenigstens die Arme und Beine nieder!«

»Dat kan ik niet. Ik ben dood!«

»So müssen wir versuchen, Ihre Lebensgeister aus dem Grabe zu erwecken. Es befindet sich eine Flasche Raki unter unsern neuen Vorräten. Wir werden Ihren Leichnam mit demselben einreiben.«

Da sprang der Dicke wie elektrisiert auf, machte eine Bewegung des Entsetzens und schrie:

»Raki? Brandewijn? Met den brandewijn zal niet gereven worden. Ik wil hem drinken. Gedronken is hij beter dan gereven. Waar is de flesch - Raki? Branntwein? Mit dem Branntwein soll nicht gerieben werden. Ich will ihn trinken. Getrunken ist er besser als gerieben. Wo ist die Flasche?«

Er erhielt sie und that einen solchen Zug, daß den andern angst und bange wurde. Der Methusalem nahm sie ihm aus der Hand und sagte:

»Das genügt. Ich sehe, daß Ihre Lebensgeister sich wieder eingefunden haben. Wie aber wird es nun mit dem Reiten stehen?«

»Indien ik mag de flesch dragen, zoo rijd ik straks beter dan een offizier van het paardevolk - wenn ich die Flasche tragen darf, so reite ich straks besser als ein Kavallerieoffizier.«

»Gut, wollen es versuchen. Aber ich mache die Bedingung, daß Sie die Bouteille nicht in der Hand, sondern in der Tasche tragen. Und um ganz sicher zu gehen, werden wir, wie schon gestern abend beschlossen wurde, Sie auf das Pferd binden.«

»Ja, ik wil op het paard gebonden zijn, diensvolgens kann ik niet van den diere vallen - ja, ich will auf das Pferd gebunden sein, dann kann ich nicht von dem Tiere fallen.«

Er bekam die Flasche, welche er in die Tasche schob; dann wurde ihm wieder in den Sattel geholfen. Darauf erhielt er an die beiden Füße eine Leine, welche unter dem Bauche des Pferdes straff angezogen wurde. Dadurch bekam er festen Schluß. Er fühlte das mit großer Befriedigung und sagte vergnügt:

»Zoo, nu is het goed. Wij worden rijden als de stonnwinden - so, nun ist es gut. Wir werden wie die Sturmwinde reiten.«

So schlimm war es nun freilich nicht; aber es ging doch weit besser als vorher, zumal er jetzt auf den großen Schirm verzichtet hatte. Freilich, hätte er die Gesichter gesehen, mit denen die chinesischen Reiter den Vorgang beobachtet hatten, so wäre es um seine gute Laune geschehen gewesen. Diese letztere verließ ihn auch dann nicht, als er bald mittraben mußte und tüchtig zusammengerüttelt wurde. Er lachte vielmehr im ganzen Gesichte und behauptete, der beste Reiter der Welt zu sein. Von dieser Meinung wurde er selbst davon nicht abgebracht, daß Turnerstick und der Gottfried sich stets zu seinen beiden Seiten hielten, um ihn, was sehr häufig vorkam, zu unterstützen.

Die Sonne schien nicht heiß; vielmehr war es hier oben im Gebirge ziemlich kühl und dennoch liefen dem Mijnheer die dicken Schweißtropfen von der Stirn. Er pustete wie ein Narwal, blieb aber doch bei guter Laune.

»Das wird Ihrer Gesundheit sehr zuträglich sein,« meinte der Methusalem. »Durch das Schwitzen wird das schlechte, dicke Blut ausgeschieden.«

»Het bloed? Wordt mij dat niet zwak maken? Word niet de miltzucht, de tering en de beroerte in mij binnen kruipen - das Blut? Wird mich das nicht schwach machen? Wird nicht die Milzsucht, die Verzehrung und der Schlagfluß in mich hineinkriechen?«

»Im Gegenteile! Sie werden ein helles und gesundes Blut bekommen und sich dann viel wohler fühlen.«

»Zal ik ook dikker worden - werde ich auch dicker werden?«

»Hoffentlich, da gutes Blut gutes Fleisch ansetzt.«

»Goed vleesch! Heiza, voorwarts! Ik rijd al het heelal neder - gutes Fleisch? Juchhe, vorwärts! Ich reite das ganze Weltall nieder!«

Er schlug mit seinem Schirm in der Weise auf das Pferd ein, daß es einen weiten Satz machte und dann im Galoppe davonflog. Das hatte er nicht gewollt. Einen schrillen Angstruf ausstoßend, klammerte er sich an der Mähne fest, während er Mütze, Schirm und den Theeranzen verlor. Man hörte ihn schreien:

»Help, help! Voorgezien, voorgezien! Vaarwel, mijn Holland een Nederland! O wee, ik oongelukkige Nijlpaard, ik vlieg in de lucht; ik vlieg in de radijsjes een in de peterselie Hilfe! Hilfe! Vorgesehen, vorgesehen! Lebe wohl mein Holland und Niederland! O weh, ich unglückliches Nilpferd, ich flieg in die Luft; ich flieg in die Radieschens und in die Petersilie!«

Die andern sprengten hinter ihm her, um die verlorenen Sachen aufzulesen und sein Pferd zum Stehen zu bringen. Als das geglückt war, richtete er sich wieder auf, trocknete sich den Angstschweiß aus dem hochroten Gesicht, setzte die Mütze wieder auf, nahm den Schirm an sich, ließ sich den Ranzen wieder auf die Gewehre hängen und fragte dann:

»Holla, mijne heeren, was dat niet nederlandsche dapperheid en heldenmoed? Ben ik niet een roemrijken ruiter - holla, meine Herren, war das nicht niederländische Tapferkeit und Heldenmut? Bin ich nicht ein ruhmreicher Reiter?«

»Ja,« antwortete Gottfried lachend. »Ein Glück, dat Sie anjebunden waren, und die Mähne erwischten, sonst wären Sie wirklich in die Petersilie jeflogen. Ik rate Sie, den Heldenmut nicht gleich wieder in Anwendung zu bringen. Galoppieren können Sie noch nicht.«

»O, ik moet zoo rijden; ik wil dik worden - o, ich muß so reiten; ich will dick werden.«

»Da sind Sie auf dem Holzwege. Vom Schnellreiten wird man dürr. Nur das langsame Reiten setzt Fleisch an.«

»Zoo? Werkelijk? Dan zal ik niet meer zoo gaauw rijden. Ik ben namelijk zoo zwak en laar, dat mijn lichaam slap als en rokzak is - so? Wirklich? Dann werde ich nicht mehr so schnell reiten. Ich bin nämlich so schwach und leer, daß mein Körper so schlaff wie eine Rocktasche ist.«

Von jetzt an hütete er sich aus Angst vor dem Magerwerden sehr, wieder das »ganze Weltall niederzureiten«. Er trieb sein Pferd nur so an, als nötig war, mit den Gefährten gleichen Schritt zu halten. Und da zeigte es sich, daß er das Reiten viel besser vertrug als das Sitzen in dem engen Palankin. Nach einer Stunde hatte er es zu einer ganz leidlichen Haltung gebracht, wohl meist infolgedessen, daß sein Gaul einen sehr glatten, ruhigen Gang hatte.

Ueberhaupt zeigte der Methusalem bei weitem nicht die Eile, die er gestern gehabt hatte. Er ritt immer nur im Schritt voran, schenkte der Gegend aber noch weit größere Aufmerksamkeit als gestern.

Die Gegend war jetzt geradezu hochgebirgig geworden. Man ritt durch düstere Thäler, welche alter Nadelwald füllte; rechts und links folgten dann Grasflächen, über denen die Felsen nackt zum Himmel ragten. War eine solche Schlucht passiert, so stieg die Straße wieder bergan, um sich aus schwindelnder Höhe abermals steil abwärts zu senken.

Auch hier gab es Einkehrhäuser in den bereits angegebenen Abständen voneinander, doch hatte sich der chinesische Offizier die gestern erhaltene Lehre so zu Herzen genommen, daß er nicht wieder zum baldigen Rasten trieb. Erst gegen Mittag hielt der Methusalem vor einem dieser Sié-kia an, um den Pferden und Menschen eine Stunde Ruhe zu gönnen. Es wurde von den mitgenommenen Vorräten ebenso wie gestern ein Mahl genossen. Der Wirt war nicht so menschenscheu wie der gestrige. Er bediente seine Gäste, und Degenfeld erkundigte sich sehr angelegentlich nach dem Wege.

Er erfuhr, daß man nach vier Stunden die Grenze der benachbarten Provinz erreichen werde, nachdem man über eine uralte und weltberühmte Kettenbrücke geritten sei.

Es war so viel Vorrat an Speise mitgenommen worden, daß nicht einmal die Hälfte desselben verzehrt wurde. Weshalb der Blaurote dies beim letzten Gastgeber so angeordnet hatte, das wußte keiner der Gefährten. Doch als die Gesellschaft wieder aufgebrochen war und sich unterwegs befand, fragte Gottfried:

»Hören Sie mal, alter Methusalem, Sie machen ein Jesicht wie ein mexikanischer Joldsucher. Schon jestern hatten Sie die Augen überall am Wege. Wat wollen Sie denn eijentlich entdecken?«

»Etwas sehr Wichtiges.«

»Und wat ist dat? Doch nicht schon Kue jang, die nächste Stadt, oder jar King, wohin wir wollen?«

»Nein. Und doch hättest du zweimal recht gehabt, wenn du nämlich Kin anstatt King gesagt hättest.«


(Fortsetzung folgt.)



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