Der Weg zum Glück - Teil 11

Lieferung 11

Karl May

9. Oktober 1886

Der Weg zum Glück.

Vom Verfasser des »Waldröschen«, »Verlorner Sohn«, »Deutsche Helden« etc.


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von einem geheimen Fluidum erfaßt, drehte sie sich um, deutete auf die Mühle und sagte:

»Geh hin! In diesem Augenblick
Hält in den Händen er Dein Glück.
Versäume ja nicht diese Stunde;
Das Schicksal ist mit Dir im Bunde!«

Dann drehte sie sich um und ging fort.

»Hasts gehört?« fragte der Wurzelsepp leise. »Das war ja ganz besonderbar! Wen kann sie meinen?«

»Den Müllern meint sie. Das weiß ich ganz gewiß. Komm mit! Ich muß hin.«

»Was willst bei ihm? Er schläft schon ganz gewiß!«

»Der, jetzund bereits schlafen? Was denkst! Der kommt nicht so schnell zur Ruh. Wann Alles still worden ist im Haus, nachhero bekommt er erst den richtigen Besuch, der ihn nicht schlafen läßt.«

»Besuch, des Nachts? Wer könnt das wohl sein? Er hat doch nicht etwan ein hübsch Weibsbild, mit der er im Dunkeln schamerirt?«

»Hör einmal, Sepp, wann Du mal einen Witz willst machen, so laß halt einen bessern los. Es kommt zu ihm weder ein Weibs- noch ein Mannsenbild. Den Besuch, den ich mein, den bekommt er in seiner Seel, in seinem Innern, in seinem Gewissen. Da hinein schleichen sich des Nachts allerhand Geistern und Gespenstern, allerlei Gedanken und Vorwurfen, die ihn drücken und dracken und zwicken und zwacken, die ihm keine Ruh lassen und ihm den Schlaf nehmen. Da ächzt und stöhnt er; da jammert er und klagt und seufzt. Und wann er ja ein Wenig eindusselt ist, so weckt ihn das Gewissen allsogleich wieder auf, und er batallgt sich mit Gespenstern herum, die nur er sieht aber kein Anderer nicht.«

»So hat er freilich ein bös Gewissen.«

»Freilich! Und das ist ja auch gar nicht zu verwundern. Wann Einer ein Mörder ist, so hat er die Höllen schon hier auf der Erden. Aber komm! Wie hat der Spruch gelautet, den die Nachtwandlerin sagte?«

»Ich hab ihn mir ganz genau gemerkt. Er lautete:

Geh hin! In diesem Augenblick
Hält in den Händen er Dein Glück.
Versäume ja nicht diese Stunde;
Das Schicksal ist mit Dir im Bunde!«

»Siehst, ich soll nicht saumselig sein. Mach schnell, damit wir hinkommen!«

Während dieses kurzen Wortwechsels war die Mondsüchtige in der Villa verschwunden. Die Beiden bekümmerten sich nicht um den König und seine zwei Genossen. Sie gingen nach der Mühle, bis zu den Fenstern der Stube, in welcher der Müller bei Tag und Nacht seinen Aufenthalt hatte.

Diese Fenster waren mit hölzernen Läden verschlossen, die ein bedeutendes Alter hatten. Einer derselben hatte rechts einen ziemlich bedeutenden Riß und links


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ein offen gewordenes Astloch. Durch Beide konnte man leicht in die Stube blicken. Der Wurzelsepp stellte sich an den Riß und der Fex an das Astloch. Beide blickten hindurch in die von der Lampe erleuchtete Stube.

»Siehst was?« fragte der Sepp leise.

»Ja,« flüsterte der Fex. »Ich kann die ganze Stuben überschauen. Der Müllern sitzt gleich hier am Fenstern am Tische. Sein Kopf liegt tief unten auf der Brust. Kannst ihn auch sehen?«

»Freilich wohl! Er hat jetzt nicht sein bös Gewissen, denn er schlaft.«

»Meinst? Siehst nicht, daß er zuckt und zittert?«

»Ja, das schau ich wohl, und - - Halt! Jetzt fährt er empor und blickt sich um. Er macht ein Gesicht, als ob er einen großen Schreck erfahren hätt.«

Der Müller war aus einem unruhigen Halbschlummer emporgeschreckt. Er blickte sich angstvoll und starr um. Dabei vernahmen die Lauscher seine Worte:

»Was? Bist schon wieder da? Alle guten Geister loben ihren Meister. So! Jetzt mußt wieder fort. Wann Einer diesen Vers sagt, verschwinden die Geister. Wie? Du willst nicht gehorchen? Wart, ich werd Dir sogleich die Thüren zeigen!«

Er ergriff die neben ihm liegende Peitsche und führte einen gewaltigen Hieb aus, als wenn er Jemand, der vor ihm stehe, treffen wolle. Dann kicherte er schadenfroh:

»Bist weg? Bist fort? Ja, die Peitschen, die Peitschen, die ist der richtige Zauberstab. Jetzt hast gleich Reißaus genommen und wirst nicht so bald wiederkommen.«

Er lehnte die Peitsche wieder hin. Dann aber blieb sein Blick erschrocken in der einen Ecke haften.

»Wie?« fragte er. »Bist doch noch nicht fort? Hast Dich in die Eck gelehnt und lachst mich nun an mit Deinem Todtenkopf? Hier hast Eins, hier!«

Er ergriff die Peitsche wieder und schlug nach der Ecke, aber vergebens. Das Phantasiegebilde, welches er zu erblicken wähnte, tauchte immer von Neuem auf, bald hier, bald dort, er konnte zürnen oder bitten und schlagen wie er wollte. Da endlich sank er mit dem Kopfe in die Lehne zurück und ächzte:

»Ja, Dich kenn ich schon! Du gehst halt nicht eher, als bis ich klein zugeben und Dir gebeicht hab. Willsts heut wohl auch wieder wissen?«

Nach einer kurzen Pause, während welcher er wie auf eine Antwort gelauscht hatte, fuhr er fort:

»Ja, ich solls sagen! Nun gut, ich hab sie erwürgt. Jetzt kannst gehen!«

»Jetzt meint er die Südana!« flüsterte der Fex.

»Horch! Er redet ja weiter!«

Wirklich fuhr der Müller fort:

»Ihr Bild willst wieder sehn, der Andern ihrs? Hasts doch bereits schon tausendmal gesehen! Aber ich wills Dir doch noch mal zeigen, sonst bleibst da stehn in alle Ewigkeit.«


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Er machte die geschwollenen Beine auseinander, bückte sich mühsam nieder, griff mit den Händen zwischen seinen Beinen an die vordere Seite des Sitzes seines Polsterstuhles, nestelte da ein Weilchen herum und zog dann einen Kasten heraus.

»Schau, da giebts ein verborgenes Geheimniß,« flüsterte der Wurzelsepp. »Das hätt ich nicht gedacht.«

»Ich auch nicht. Niemand hats gewußt, daß ein Kasten im Stuhl ist. Aber sei still! Wir müssen hören, was er weiter spricht.«

Der Müller hatte den Kasten nicht ganz herausziehen können, weil ihm dabei die Beine im Wege waren. Aber derselbe stand doch so weit offen, daß er hinein langen konnte. Er zog eine Photographie heraus, hielt sie empor und sagte:

»Da schau ihr Bild! Hier ists. Nun bist wohl zufrieden?«

Aber die Gestalt, welche er zu sehen meinte, schien nicht zufriedengestellt zu sein, denn er fuhr gleich fort:

»Nicht? Du schüttelst den Kopf? Was willst dann noch sehen? Etwan die Papieren oder gar mein Geld? Das bekommst nimmer zu schaun. Das ist verdientes Geld und kein geraubtes. Ja, wann ich den Schatz gefunden hätt, droben am Scheideweg, der dort vergraben ist, der hätt mir nicht gehört. Da könntst so eine Visagen machen. Geh fort, geh, sonst werf ich Dir hier die Flaschen an den Kopf!«

Er griff nach einer Branntweinflasche, welche auf dem Tisch stand. Der Duft des Getränkes schien ihn aber auf den Gedanken zu bringen, daß es besser sei, den Inhalt zu trinken als ihn einem Geiste an den Kopf zu werfen. Er setzte die Flasche an den Mund und that einen tüchtigen Zug. Dieser Schluck kräftigte ihn und seine Nerven so, daß die Gesichts-Hallucination sofort von ihm wich. Er sah keinen Geist mehr.

»Ha!« lachte er in befriedigtem Grimm. »Jetzt ist er fort, der Geist! Er hat sich vor der Flaschen gefurcht. Oder ist ers, der den Schatz bewacht, und nun hat er Angst, daß ich doch noch mal nach demselbigen suchen möcht. Da ist er gleich fort, um ihn zu behüten. Ja, den, wann ich finden könnt! Das sollen lauter Goldstuckern gewesen sein. Dieses Geld und nachher das, was ich hier im Kasten hab, da wär ich grad ein Millionenreicher. Dann thät ich nach einem schönen Bad fahren, wo sie Einem die krummen Knochen wieder grad machen, und lebt nachhero wie das Herrgottle in Frankreich. Oh, ich bin müd und will nun schlafen. Wann nur der Gespensterl nicht wiederkommt!«

Er senkte das Kinn auf die Brust und schloß die Augen.

Die Lauscher blickten noch eine kleine Weile durch das Astloch und den Ritz; dann sagte der Sepp:

»Es ist nun wohl gut. Er sagt nix mehr und wird einischlafen. Wollen wir gehn?«

»Ja, komm! Ich hab genug gehört.«

Sie verließen ihren Lauscherposten; aber bereits nach wenigen Schritten blieb der Fex stehen und sagte:


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»Du, Sepp, was sagst von dem Bild?«

»Es war eine Pfotografieen.«

»Ja, das weiß ich gar wohl. Ich habs ebenso gut gesehn wie Du. Aber ich mein, wessen Bild es wohl sein mag.«

»Wohl von Der, die er ermordet hat.«

»Also von meiner Südana.«

»Das wirds sein. Wann ich mir seine Worten richtig überleg, so kanns nix Andres bedeuten.«

»Ich muß sie sehen!«

»Da hätt ich auch eine Lust dazu.«

»Und die Papiere, von denen er redete. Ich mein', daß sie für mich wichtig sind.«

»Freilich wohl. Aber wie willsts halt anfangen, daß Du sie Dir anschaun kannst?«

»Das weiß ich nicht. Er sitzt die ganze Zeiten auf dem Polsterstuhl bei Tag und bei Nacht. Er ist gar nimmer hinweg zu bringen.

»Meinst? Hm!«

»Was brummst da in den Bart? Da helfen weder gute Worten noch die Grobheit Etwas. Er steht nicht auf von dem Stuhl.«

»Ja, die Grobheiten nicht und auch die guten Worten nicht, aber - aber - hm - - hm!«

»Weißt etwan ein Mittel?«

»Vielleicht.«

»Welches?«

»Die List.«

»Ja, die List! Aber da bin ich gleich da, wo der Strick alle wird. Zur List bin ich nimmer geboren.«

»Du nicht? Du kennst Dich selber noch nicht. Ich kenn Einen, ders vielleicht fertig brächt. Der hat bereits so viele Narrenstreich' verübt, daß er sich nur mal hinterm Ohr zu kratzen braucht, so fallt ihm gleich ein guter Gedank heraus.«

»Und wer mag das sein?«

»Das fragst auch noch? Der Sepp ists, der Wurzelsepp.«

»Du?«

»Ja. Oder meinst vielleicht, daß ich Einer von den Dummen bin, welche die Hosen nicht anders an die Beine heraufziehen können als mit der Beißzangen oder der Kneipzangen?«

»Nein, das denk ich schon nimmer. Du bist halt nicht auf den Kopf gefallen, und grad hinter Deiner Stirn krabbeln gar viele bunte Raupen herum. Das aber, was Du meinst, das ist gar sehr schwer.«

»Nun, ich werd schaun, ob es nicht leicht zu machen ist. Was hat er wohl mit dem Schatz gemeint?«

»Das ist eine große Dummheiten. Schau, die Leut hier denken, daß


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der Franzosenkaiser dazumal, als seine Soldateln hier durchkommen sind, eine große Kriegskassen hier vergraben hat, und die soll noch daliegen.«

»Wo?«

»Da zwischen der Mühlen und der Stadt, wo der Weg rechts abgeht nach dem Dorf.«

»Ah, da! Hm! Ob der Müllern allbereits schon mal nachgraben hat?«

»Fast scheint es so.«

»Werd mirs überlegen.«

»Was? Wegen dem Schatz? Da ists gefehlt. Das von der Kriegskassen ist nur eine Albernheiten.«

»Für uns ists keine Albernheiten. Da kannst Dich drauf verlassen. Und an was ich denk, und was ich mir überlegen will, das brauch ich Dir auch nicht grad auf die Nasen zu binden. Komm, wir wollen gehen und noch eine Musiken machen!«

»Ja, aber keine solche wie vorhin.«

»Willst doch nicht noch die Vigolinen des Concertmeisters holen?«

»Die Vigolinen und auch die Musikstucken, die er heut gezeigt hat.«

»Du, wannst erwischt wirst!

»Da werd ich mich schon in Acht nehmen. Es geht ganz leicht. Er schlaft in der Schlafstuben und daneben liegt die Wohnstuben, wo die Geigen liegt. Da steht immer des Nachts das Fenstern auf.«

»Kannst denn hinauf?«

»Ja, ich brauch nur auf das Dingerl zu klettern, was sie die Veranda nennen; da ist gleich das Fenstern, wo ich hineinsteig. Und nachhero, wann wir fertig sind, trag ich ihm seine Sachen wieder hinauf. Da ist er noch gar nicht aufistanden und wird also gar nix merken.«

»Du hast sakrische Anlagen zu einem Spitzbubrich! Mir wird fast angst um Dich. Aber ich will Dich doch nicht allein lassen, sondern mitgehen. Wann ich nicht selber so ein Musikgokerl wär, würd ich mich halt schon sehr hüten, so eine Einbrechereien mit zu machen. Aber ich möcht auch gern hören, wie so ein Concertmeister-Instrumenten klingt. So komm also! Wir wollen schaun, ob wir die Vigolin wegkneipen können. Aber in Acht nimmst Dich! Verstehst?«

Sie schlichen sich die Anhöhe zur Villa hinan. Zum Glück stand der Mond nach der entgegengesetzten Seite des Hauses, so daß die Veranda im Schatten lag. Dort angekommen, umschlich der Fex zunächst das Haus, um sich zu vergewissern, daß kein Lauscher vorhanden sei; dann stieg er auf Sepps Schultern und schwang sich hinauf. Sepp sah, daß er im offenen Fenster verschwand.

Nach wenigen Augenblicken leuchtete ein Licht oben auf. Nach einiger Zeit verlöschte es, und der Fex kam wieder heraus auf die Veranda gestiegen.

»Fang die Vigolinen auf und die Noten!« flüsterte er von oben herab.

Der Wurzelsepp that dies und sagte dann, als der Fex leise herabgestiegen war und nun neben ihm stand:


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»Was fallt Dir ein, Du Sapperlotern Du! Was hast ein Licht anzubrennen!«

»Ich muß doch Licht haben, wann ich die richtigen Noten finden will.«

»Aber Du konntst erwischt werden!«

»Nein. Die Thür zu der Schlafstuben war zu. Jetzt aber komm, daß wir uns weiter machen! Ich kanns kaum erwarten, auf dieser Geigen zu spielen.«

Sie gingen und verschwanden nach kurzer Zeit unter dem Grabe der Zigeunerin. Ein Glück für sie, daß der Italiener gleich nach seiner Heimkunft schlafen gegangen war.

Wenn jetzt nun Jemand in die Nähe des Grabfelsens gekommen wäre, so hätte er noch ganz andere Töne und Weisen gehört als Diejenigen, denen vorhin der König mit Wagner und dem Conzertmeister gelauscht hatten. Später, als der Mond untergegangen war und der Morgen bald graute, schlichen sich die beiden Freunde wieder zur Villa, um die Violine zurück zu bringen. - -

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Viertes Capitel.

Schalksstreiche.

Es war schon spät am andern Morgen, da kam der Wurzelsepp langsam auf die Mühle zugegangen. Er trat in den für Gäste bestimmten Vorgarten und setzte sich wie gestern an einen der Tische.

Eine Magd war beschäftigt, Unkraut zu jäten. Sie war eine übergroße, breitschulterige Gestalt. Wenn sie zur Zeit des preußischen Soldatenkönigs gelebt hätte und von diesem gesehen worden wäre, so hätte dieser sich ganz gewiß sofort ihrer bemächtigt, um sie einem seiner Riesengardisten zur Frau zu geben.

Ihre Züge waren grob wie ihre ganze Gestalt und ihre Bewegungen eckig und massig. Sie hatte den Alten kommen sehen, nahm sich aber nicht die Mühe, zu grüßen. Ihr Character erlaubte ihr selbst diese einfache Höflichkeit nicht.

»Nun, Käthe,« sagte er, »siehst mich nicht?«

Sie antwortete nicht, und so fuhr er fort:

»Ja, ich glaubs gar wohl, so eine gar Schöne und Jugendliche wie Du mag so einen alten Knaxer, wie ich bin, gar nicht anschaun. Könntst Dich sonst an mir vergaffen und dann bald auch so einen Schnurrbarten bekommen, wie ich einen hab.«

Da fuhr sie aus ihrer gebückten Stellung schnell empor. Er hatte sie bei ihrer verwundbarsten Seite angegriffen, denn die schöne Käthe besaß bereits einen ganz respectablen Haarwuchs unter der Nase. Ihr Gesicht glühte vor Zorn, als sie sich nun hören ließ:


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»Was sagst? Was meinst? Einen Schnurrwichsen hätt ich im Gesicht?«

»Nein, das hab ich nicht gesagt; ich hab nur gemeint, daß Du Dir an mir einen verschaun könntst.«

»Das versteh ich halt schon, wiests meinst! So ein alter Gansrichbraten, der gar nimmer weich wird, sollt sich um sein selig End kümmern, aber nicht um andre Leut! Dich kenn ich auch schon gut! Du bist wie der Ameis, der auch gleich beißt, wo er hinkommt. Für uns Beid', für Dich und mich, wärs auch am Besten, wann Eins davon vom Teuxel geholt würd; da käm ich allerwegen gleich in den Himmeln.«

»Ja, Du! Dich, wann Du dann ein Engelein wärst, möcht ich singen und trompeten hören. Das möcht auch klingen grad wie ein Dudelsacken, wann in demselbigen die Ratten ihre Jungen futtern. Warum kannst denn nicht fein höflich grüßen, wann ein Gast kommt, der ein Geldel hier verzehren will?«

»Du? Ein Gast, der eine Zechen machen will? Du wärst auch der Richtige dazu! Du kaufst Dir für zwei Pfennige ein Bier und nachhero für drei Pfennige ein feins Mittagessen; aber warm muß es sein, und drei Gänge muß es haben oder gar vier. Wann Du Dich auf den Kopf stellst und die Bein' gen Himmel streckst, so fallt Dir kein Groschen aus der Taschen. So ists, und nun weißts!«

»Himmelsakra, hast Du eine Schneid und ein Maulwerk! Ich will Dich grad nicht beschrein, aber wann die Russen kommen und die Franzosen, so kannst ganz allein das Deutschland retten. Brauchst blos Dein Plappermaul in Gang zu setzen, so reißen die Kossaken aus und die Zuaven und Turkiko's bis hinauf ins Sibirium hinein. Jetzt aber nun wisch Dir die kleinen Patscherln ab und geh hinein. Ich brauch ein Bier und ein Käs mit Brod. Aber gutes Maaß, verstehst, sonst heirath ich Dich hier auf der Stell'.«

Seine Antworten hatten etwas Lustiges an sich, so daß sie nicht wohl noch gröber werden konnte. Darum wischte sie sich, wie er scherzhaft gesagt hatte, ihre großen Dragonerhände an der Schürze ab und fragte in milderem Tone:

»Hast dann auch Geld?«

»Mehr als Du!«

»Zeigs her!«

»Hier ists! Davon kann ich fragen: Was kost't die Welt und auch die Thalmühlen dazu mit sammt der Käth!«

Er griff in die Tasche und warf eine Anzahl Pfennige und Zweipfennigstücke auf den Tisch.

»Damit willst die Welt kaufen?« meinte sie. »Na, mit dera Million lockst auch kein Hund aus der Hütt. Aber für ein Bier mit Käs und Brod wirds wohl ausreichen. Ich werds holen.«

Sie schickte sich an, in das Haus zu gehen. In diesem Augenblicke trat Paula, die Müllerstochter, aus der Thür. Sie hatte einen belegten Teller in der Hand. Sie sah rosig aus wie ein junger Sommermorgen. Als sie den Alten erblickte, erglänzte ihr liebliches Gesichtchen vor Freude, und sie rief ihm bereits von Weitem zu:


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»Wurzelsepp, Du bist hier? Das ist ja recht lieb und gut von Dir! Sei auch willkommen bei uns!«

»Willkommen Du auch, Herzensdirndl,« lachte er fröhlich. »Das klingt allbereits doch ganz anders als vorhin bei der Käth, die mir ein Gesicht gemacht hat wie ein Scheffel voll verfaulte Zwieberln!«

»Ist sie ungut mit Dir gewesen?«

»Na, ich will nicht über sie klagen, sonst bekomm ich von ihr den richtigen Buckel voll Prügeln. Da steht sie noch, anstatt daß sie mir bringt, was ich begehrt hab. Was hast denn da auf dem Tellern? Ah, ein Butterbemmen mit Rauchwursten! Das laß ich mir gefallen! Und war für eine Portionen! Hast schon einen solchen Hunger in der Fruh?«

»Ich nicht.«

»Wer denn sonst?«

»Der Fex.«

»So! Ihm willsts hintragen?«

»Ja. Es ist sein Fruhstucken.«

Da trat schnell die Magd herbei.

»Was! Dem Fex willsts hinschaffen?« fragte sie.

»Ja.«

»Hast nicht gehört, daß er nix bekommen soll!«

»Er kann doch nicht hungern?«

»O, er soll hungern; der Müllern hats befohlen.«

»Das hat der Vatern nicht so schlimm gemeint.«

»Wie ers gemeint hat, das geht mich nix an. Der Fex, der Faullenzer und Lodrian, soll nix bekommen, und ich darf nicht dulden, daß Du es ihm giebst. Her damit! Ich werds Deinem Vatern erzählen!«

Sie riß ihr den Teller aus der Hand und eilte mit demselben in die Mühle.

»Was fallt Dieser ein!« meinte Paula ganz erstaunt. »Wer hat hier zu befehlen, sie etwan?«

»Ja,« antwortete der Wurzelsepp. »Die Käth ist eine zuwidere Personen. Ich kann sie nimmer leiden. Wann ich sie schau, so ists mir immer, als ob ich ein Seekalb vor Augen hätt!«

»Jetzt werd ich ihr nachlaufen und ihr den Marsch blasen, wie sie ihn noch nimmer gehört hat!«

Zornig drehte Paula sich um und folgte der Magd in die Wohnstube, aus welcher bald die laute, scheltende Stimme des Müllers zu hören war. Sie kehrte nicht wieder zurück. An ihrer Stelle kam die Magd, um dem Sepp das Bestellte zu bringen.

»Nein, so eine Ungehorsamkeiten!« sagte sie. »Jetzt will sogar die Tochter dem Vatern nicht mehr gehorchen. Ich, wann ich das dem meinigen gemacht hätt!«

»Was hätt der da gethan?«

»Er hätt mir ein Ohrwatschen geben, daß mir der Verstand stehen blieben wär.«


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»Ach so! Bei Dir steht er nicht?«

»Wie meinst das?«

»Er lauft davon? Nun, dann wär so ein Ohrwatschen ja recht gut für Dich.«

»Hör Sepp, fang nicht etwan wieder an, mit mir zu beginnen! Ich hab keine Lust, mich mit Dir zu ärgern. Man hat so schon genug Grimmigkeiten und Zürnewuth. Der Fex hats verdient, daß ihm die Seel vor Hunger schreit.«

»Womit denn?«

»Das fragst auch noch? Scham Dich, Alter, daßt noch so dumm bist. Ich, wanns auf mich ankommt, geb ihm kein Stuckerl Brod mehr in das Maul.«

»Und Deine junge Herrin zeigst bei ihrem Vatern an! Das ist ja recht schön von Dir!«

»Das soll die Herrin sein? Die kaum erst aus dem Ei krochen ist? Das kann mich gefreun!«

»Na, was hat der Müllern gesagt?«

»Gelobt hat er mich, daß ich seine Befehle so achten und ehren thu.«

»Ja, Du bist die Lieblingsperson in der Mühlen und auch im ganzen Ort. Aber der Fex wird trotzdem heut nicht hungern.«

Er packte das Brod und den Käse in seinen Rucksack.

»Wie meinst das? Willst ihm das wohl hintragen?«

»Ja.«

»Das darfst nicht!«

»Wer wills mir wehren?«

»Ich.«

»Du? Ja, Du bist die richtige Personen dazu! Vor Dir hab ich so einen Respect, daß ich vor Hochverachtung schier ganz krumm und bucklig werd.«

»Ich werds dem Müllern sagen!«

»Meinst, daß der mirs auch verbietet?«

»Ja, das mein' ich halt.«

»Ich glaubs nicht.«

Während er das sagte, glitt ein pfiffiger Zug um seinen Mund. Sie antwortete schnell:

»Ich will Dirs sogleich beweisen!«

Sie eilte fort, zum Müller.

Sepp blickte ihr lächelnd nach und brummte vor sich hin:

»Jetzt hab ich sie gefangt. Jetzt will sie mir zuwider sein und thut doch grad das, was ich gewollt hab. O, das Weibsvolk, was ist das doch so schwach und albern gegen uns Männern! Da braucht man nur blos mit dem Fingern zu schnippsen, so laufens gleich dorthin, wo man sie haben will. Wäre diese dumme Käthchen nicht gewesen, so hätt ich gar nicht gewußt, wie ich meine Sach bei dem Müllern anbringen sollt.«


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Nun erschien die Magd wieder unter der Thür. Sie winkte dem Sepp und rief ihm zu:

»Sollst sogleich hereinkommen zum Müllern und Deine Reproschen und Auszahlung empfangen!«

Er stand von seinem Sitze auf und brummte, indem er diesem Gebote Folge leistete, vergnügt in den Bart:

»Vor dieser Reproschen fürcht ich mich schon nicht. Aber Du dumme Käth sollst eine Auszahlung erhalten von meiner Statt; dafür werd ich sorgen. Warte nur!«

Als er bei dem Müller eintrat, saß dieser auf seinem gewöhnlichen Platz.

»Grüß Gott, Thalmüller!« grüßte er.

Der grimmige Mann antwortete ihm nicht, sondern blickte ihm zornig entgegen und fuchtelte mit der Peitsche in der Luft herum. Der Wurzelsepp that, als ob er dies gar nicht bemerke. Er setzte sich auf den nächsten Stuhl, legte die Beine bequem über einander, zog den Rucksack und die Zither nach vorn, daß er sich gut anlehnen konnte, und fragte:

»Du hast mich rufen lassen. Was willst Du von mir?«

»Was ich will? Ausschelten will ich Dich.«

»Mich? Was bist doch heute für ein Spaßvogel!«

»Oho! Ich scherze gar nicht, sondern ich meins ganz im Ernst. Was hast mit dem Fex?«

»Mit Dem? Gar nix.«

»Warum willst ihm da Dein Brod hintragen?«

»Weil er Hunger hat.«

»Den soll er haben!«

»Verduseli! Den soll er haben? Warum denn?«

»Weil er nimmer gehorcht!«

»Ach so! Das hab ich nicht gewußt.«

»Also schau! Wirst ihm das Brod auch nun noch geben?«

»Nein. Wann er so ein Zuwiderwurzen ist, so ists ihm ganz recht, wann sein Magen Fasttag hat.«

»Das ist gescheidt von Dir. Wann Du anders gesprochen hättst, so wär Dirs schlecht ergangen.«

»Wieso wohl?«

»Nun, ich hätt Dir die Peitschen um den Kopf gepfiffen, daß Du hättst gedacht, der Hund und die Katz fressen aus einer Schüssel!«

»Das hättens auch than, die Beiden!« sagte der Sepp mit allem Nachdruck.

»Was willst damit meinen?«

»So wärst Du der Hund gewesen und ich die Katzen. Hätt ich die Peitsch schmecken müssen, so hättst Du sie auch bekommen. Das ist doch nachher aus einer und derselbigen Schüsseln gefressen.«

Die Augen des Müllers blitzten auf.

»Du hättst mich gehauen? Was?«

»Ja, und zwar tüchtig und kuraschirt!«


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»So hätt ich Dich dafür umgebracht!«

»Du mich?« Er lachte laut auf. »Du armes Wurmerl! Du kannst nimmer von Deinem Stuhl hinweg und willst mich umbringen! Eh Du die Hand aufhebst bin ich ja bereits schon zur Thüren hinaus, oder ich hab Dich angefaßt und werf Dich in der Stub herum, daß Du in lauter Stucken ausnander fliegst, die Beine dahin und der Kopf dort hin!«

»Du, das sagst mir nicht noch mal!«

»Warum etwan nicht?«

»Weil ich das nicht dulden werd!«

»Nicht? Meinst etwan, daßt gescheidter bist als ich?«

»Hundert mal mehr.«

»So! Das gefreut mich sehr! Aber da kennst mich schlecht. Wann Du gescheidt bist, nachhero giebts eben gar keinen Dummen mehr in der Welt. Dich halt ich zum Narren und führ Dich an der Nasen herum, ohne daßt nur ein kleins Ahnungerl davon hast!«

Der Müller erhob die Peitsche.

»Laß Deine Peitschen in Ruh! Schau, hier hab ich den Bergstock in der Hand. Ein Hieb mit Deiner Peitschen, und ich schlag Dir den Stock auf den Kopf, daß Du meinen sollst, alle Glocken im bayrischen Land läuten zur Kirchweih! Verstanden! Oder meinst, weil Du reicher bist? Pah! In kurzer Zeit bin ich tausendmal reicher als Du.«

Das Gesicht des Müllers war vor Zorn dunkelroth geworden. Nur mühsam stieß er hervor:

»Du? Reicher als ich? So ein Haderlump wie Du? Da möcht ich auch wissen, woher Dus nehmen wolltst!«

Der Wurzelsepp stellte sich auch sehr erbost. Er that, als ob er nur im Grimme das Geständniß mache:

»Woher? Daher, wo Du freilich kein Garnix bekommst! Vom Schatzheben nehm ichs her!«

Das Gesicht des Müllers veränderte sich sofort. Er horchte auf, sah den Sepp erstaunt an und fragte:

»Vom Schatzbeben?«

»Ja.«

»Ists wahr?«

»Freilich - aber Himmelsakra, jetzt hab ich mich versprochen! Jetzt ists mir herausgefahren! Nein, das wollt ich nimmer sagen! Ich hab halt nur Spaß gemacht.«

»Spaß? Das ist nicht wahr.«

»Freilich ists wahr!« Und in sehr eindringlichem Tone fügte er hinzu: »Das vom Schatz darfst wirklich nicht glauben, Thalmüller!«

»Oho! Meinst etwan, daßt mich jetzt betrügen willst? Nein, an der Nasen laß ich mich schon nicht herum führen, wannts auch vorhin gesagt hast. Ich habs Dir ganz genau und accuratemang angesehen, daß es Dein Ernst gewesen ist. Gestehs nur!«


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»Und ich sag, daß Du Dich irrst.«

»Nein und tausendmal nein! Und wann Du es nicht gestehen willst, so werd ich Dich einen Lügner nennen, so lang Du lebst. Verstanden!«

»Nun, ein Lügner ist der Wurzelsepp all sein Lebtag nimmer nicht gewesen. Das weißt ja.«

»So lüg auch jetzund nicht! Willsts gestehen?«

»Es ist ja nur ein Traum!«

»Sakkerment! Ein Traum! Das ists ja eben, worauf es ankommt! Hast von einem Schatz geträumt?«

»Ja.«

»Wann?«

»In letzter Nacht.«

»Wo er liegt?«

»Ja, eben das.«

»Nun, so sag mir, wo er liegt!«

Der Sepp blickte dem Müller mit größtem Erstaunen in das Gesicht und antwortete dann:

»Das soll ich Dir sagen? Das?«

»Freilich!«

»Was fallt Dir ein! So dumm bin ich nicht.«

»Liegt er etwan hier in der Nähe?«

Er blickte den Alten mit wirklich ängstlicher Spannung an. Dieser aber meinte kopfschüttelnd:

»Nein, sehr weit von hier. Es ist drüben gegen die österreichische Grenz hinüber.«

Da lichtete sich das besorgte Gesicht des Müllers schnell wieder auf.

»Da drüben? Ach so! Hast den Ort denn wirklich ganz deutlich geträumt?«

»So deutlich, daß ich ihn des Nachts finden kann. Ich kenn ihn schon bereits seit langer Zeit.«

»Wird Dich aber doch nix nützen.«

»Warum?«

»Weil Du den Schatz nicht heben kannst.«

»O Jerum! Da bist schief gewickelt!«

»Weißt dann nicht, daß ein jeder Schatz auch von Geistern bewacht wird?«

»Das weiß ich sehr wohl, besser als Du.«

»Aber diese Geister muß man bannen!«

»Auch das weiß ich.«

»Wie willst das anfangen?«

»Das ist meine Sach,« antwortete der Sepp im zuversichtlichen Tone, indem er mit den Augen blinzelte.

»Du! Willst etwan klüger thun, als Du bist?«

»Nein, gar nicht. Vor denjenigen Geistern aber brauch ich mich nimmer zu fürchten.«

»So kannst sie bannen?«


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»Was gehts Dich an!«

»Nix, aber ich verinteressir mich für solche Sachen.«

»So glaubst auch an Geister?«

»Ei wohl.«

»Und an den Teufel?«

»Grad ebenso.«

»So wärst eigentlich ganz der richtige Mann für so Etwas. Ich hab mir lange, lange Zeit gewunschen, daß es mir einmal von einem Schatz träumen sollt. Wie man ihn leicht heraus bekommt, das hab ich allbereits schon seit ewig langer Zeit gewußt; aber wo einer liegt, das hab ich nimmer erfahren können. Nun endlich hat mirs in verwichener Nacht ganz deutlich träumt, und jetzt weiß ich gewiß, daß ich ein reicher Mann sein werd.«

Der Müller hatte ihm die Worte förmlich von den Lippen hinweg gelesen. Er beugte seinen Kopf so weit wie möglich vor und fragte in größter Spannung:

"Also Du weisst, wie man einen Schatz heraus bekommt?"

»Also Du weißt, wie man einen Schatz heraus bekommt? Du weißt es richtig und wirklich?«

»Ja.«

»Woher?«

»Das ist meine Sachen aber nicht die Deinige.«

»Geh! Thu doch nicht so verschweigheimlich damit! Mir kannsts schon sagen.«

»Dir? Du bist grad der Letzte, dem ichs sagen möcht!«

»Warum?«

»Hast mich nicht eben erst prügeln wollen?«

»Das war nur ein Gespaß von mir.«

»Ach so! Du spaßest Dich mit der Peitschen?«

»Ja. Ein Jeder hat seine eigne Art und Weisen. Auch will ich ja nicht Alles genau wissen, sondern nur, wie Du es erfahren hast.«

»Wanns nur das ist, so kann ich Dirs schon sagen. Schau, als ich da drüben im Oesterreichischen war, um meine Wurzerln zu verkaufen, hab ich einmal in einem Kloster übernachtet. Da ist die Thürschwellen verfault gewesen in der Zellen, in welcher ich geschlafen hab, und da hat Etwas darunter herausgeschaut, grad wie etwa Geschriebenes.«

»Was wars?«

»Wart doch nur! Ich habs unter der Schwellen hervorgezogen, und da ists ein Heft gewesen, von Pergamenten, mit allerlei Kreisen, Kreuzen und anderen Figuren und mit einer Schrift in einer ganz fremden Sprachen.«

»Du kannst ja nicht lesen!«

»Ich kann unsere Sprachen nicht lesen, diese fremde abers erst recht nicht.«

»So hat Dich dieses Pergamenten doch auch gar nimmer nix nützen können?«

»Meinst? Schau, jetzt kommts heraus, daß ich dennerst gescheidter bin und klüger als Du. Sag mir doch, was hättst mit dem Heften gethan?«

»Ich hätts freilich heimlich mitgenommen.«


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»Das hab ich natürlich auch than. Aberst nachher?«

»Nachher hätt ichs von Einem lesen lassen.«

»Von wem?«

»Von einem gelehrt Studirten.«

»Ja, aber der hätts für sich gelesen und Dir gar nicht zuruckgegeben.«

»Da wär er freilich schön ankommen bei mir!«

»Was hättst dagegen thun wollen?«

»Ihn anzeigen.«

»So hätt das Gericht gefragt, woher Du das Pergamenterl hast. Verstanden! Und weil kein gar Niemand so eins haben darf, wärst gar noch bestraft worden mit Gefängniß und Karzer.«

»Nun, was hast dann Du da gemacht?«

»Weißt, bei mir gings sehr gut. Ich hab eine alte Muhm. Der ihr Vettern mütterlicher Seits hat mal bei einer Familie Gevattern gestanden, wovon dero jüngste Sohn nachher geheirathet hat. Dem seine Tochter hat einen Bauern zum Mann genommen, dem seine Bas' einen Liebsten hat, dessen Bruderssohn ein beinahe Studirter ist. Er ist noch nicht ganz fertig, aber er kennt die Sprachen, in der man mit den Geistern reden thut.«

»Sakral Demselbigen hasts zeigt?«

»Ja.«

»Das ist freilich etwas Andres. So ein naher Verwandter wird Einen nimmer verrathen. Was für eine Sprachen ists dann gewest?«

»Die Schleswig-Holsteinsche.«

»Alle Wettern! Die hat er verstanden?«

»Sehr gut. Und nachher hat er mir das ganze Pergamenten ins Deutsche übersetzt.«

»Aber dann hasts dennerst noch nicht lesen können!«

»Das braucht ich nicht. Nachhero bin ich heimkommen und hab mirs von meinem Nachbarsbuben so lange vorlesen lassen, bis ichs auswendig konnt hab. Schau, so muß mans machen.«

»Ja, Du bist nun fast ein gar sehr Gescheidter. Aber was hat auf dem Pergamenterl gestanden?«

»Fast möcht ich Dirs gar nimmer sagen.«

»Geh! Warum nicht? Ich bin doch Dein guter Freund! Das weißt schon längst. Komm her, und trink mal mit mir! Da steht die Flaschen.«

Er gab ihm die Schnapsflasche hin und sagte, als der Sepp einen tüchtigen Zug gethan hatte, in möglichst gewinnendem und herzlichem Tone:

»Was zwischen uns gesprochen wird, das erfährt kein Anderer nicht. Da drauf kannst Dich schon verlassen! Also sags: Was hat drauf gestanden?«

»Der dreifache Höllenzwang.«

»Alle guten Geister - - -!«

»Ja!« nickte der Alte wichtig.

»Was ist denn das?«


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»Nun, man kann die Geister auf dreierlei Art zwingen, nämlich auf einerlei Art, auf zweierlei Art und auf dreierlei Art. Verstanden?«

»Ja.«

»Und deshalb heißts der dreifache Zwang. Und weil diese Geister meist zur Winterszeit, wann es kalt ist, in der heißen Höllen wohnen, wo man sie damit herauszwingen thut, so heißts der dreifache Höllenzwang.«

»Ists so! Ja, nun kann ichs begreifen. Aber ob sie sich auch wirklich zwingen lassen?«

»Warum nicht? Sie müssen ja! Schau, so ein Pergamenterl ist wie ein Wechselpapier. Wanns kommt, so mußt zahlen, sonst wirst ausgepfändt. Nicht?«

»Ja.«

»Und wann ich das Pergamenterl hab, so müssen die Geister gehorchen, sonst - sonst holt sie der Teufel.«

»Sappermentl! Da haben dies doch auch sehr streng!«

»Das kannst Dir denken. Warum sollts denn in der Höllen hübscher sein als bei uns?«

»Hast Recht! Du hast überhaupt eine ganz besondere Arten und Weisen, es Einem zu erklären.«

»Das liegt daran, daß mein Vatern, als ich auf die Welt kommen bin, gemeint hat, daß ich einmal Schulmeister werden sollt. Seit demselbigen Tag hab ich an Weisheit und Verstand immer weiter zugenommen, konnt aberst doch kein Schulmeister werden, weil ichs so gar sehr auf die Wurzelsucherei abgesehen gehabt hab. Ein Jeder machts eben nach dem seinigen Gusto.«

»Hast nicht Unrecht. Wurzeln werden auch gebraucht. Aber wie ists nun eigentlich mit dem Pergamenten? Wie fangt mans an, um die Geistern zu bannen?«

»Zuerst muß man sich in Acht nehmen, daß es stets am richtigen Tag geschieht.«

»Welcher ist das?«

»Immer der zweite Tag nach dem Vollmond.«

»Sakra! Das wär ja morgen!«

»Ja, grad morgen ist so ein Tag.«

»Und was hat man an demselbigen zu thun?«

»Weißt, das ist sehr verschieden. Das richtet sich ganz nach dem Ort, wo er liegt, und auch nach noch anderen Dingen. Aber auf alle Fälle muß man einen Geist haben, um den Schatz empor zu bringen. Den muß man rufen.«

»Kommt er nachhero?«

»Ganz gern.«

»Wie ist der Ruf?«

»Das soll ich Dir etwan sagen und verrathen?«

»Warum nicht?«

»Hast etwan auch einen Schatz?«


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»O nein.«

»So brauchsts auch nicht zu wissen.«

»Aber aus Wißbegierde. Ich thu Dir auch schon bald einmal einen andern Gefallen!«

»Das ist schon gut. Aber - - na, wann ich Dir auch diesen einen Vers sag, so weißt doch die andern nicht. Aber er ist schwer zu merken.«

»Ich merks mir schon.«

»Vorher muß man einen Erbschlüssel haben.«

»Davon hab ich bereits auch gehört. Was ist das aber für ein Schlüssel, ein Erbschlüssel?«

»Nun, einer, den Du geerbt hast und nicht gekauft.«

»Da hab ich mehrere.«

»Schau, wann Du dieselbigen mal gebrauchen könntst! Ich hab nur einen einzigen.«

»Was thut man damit?«

»Das kann ich nicht verrathen.«

»Aber der Vers?«

»Der lautet:

Ambos, Hexos, Hippopodamos.
Nun ist auch gleich der Teufel los.«

»Das kann man sich schon merken. Aber warte dennerst ein Wenig. Ich werds mir aufschreiben.«

»Warum?«

»Ums zu merken.«

»Du willst doch nicht einen Geist bannen!«

»Nein, aber ich hab Dir bereits gesagt, daß ich mich grad für diese Sachen gar sehr verinteressir.«

Er nahm eine Schiefertafel vom Tisch, ließ sich die zwei Zeilen nochmals sagen und schrieb dieselben mit schwerer Hand auf die Tafel.

»So!« sagte er. »Also wann man dies sagt, so kommt der Geist.«

»Auf der Stellen.«

»Wie schaut er aus? Wohl fürchterlich?«

»Gar nicht. Es kann sogar vorkommen, daß man ihn gar nicht zu sehen bekommt, nämlich wann man sich das Gesicht verdecken muß. Es kommt eben ganz auf den Ort an, an welchem der Schatz vergraben liegt, und auch auf den, der ihn vergraben hat.«

»Nun, wanns nun eine Kriegskassen wär?«

»O, die läßt sich sehr leicht heraufheben.«

»Warum?«

»Weils eigentlich keine bestimmte Person geben hat, der diese Kassen gehört hat. Ich, wann ich so eine wüßt, die müßt in einer Dreiviertelstunden heraus. Und dabei thät ich gar noch spazieren fahrn.«

»Da machst wohl nur blos Spaß?«


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»O nein. Es ist mein richtiger Ernst. Aber die andere Person muß auch zuverlässig sein und muthig dazu.«

»Welche Andre?«

»Das Weibsbild, welches man dazu braucht.«

»So macht mans nicht allein?«

»Nein. Zwei müssens sein, ein Mannsen und ein Weibsen, sonst gehts halt nicht. Man muß sich das größte und stärkste Weibsbild heraussuchen, welches man im Haus besitzt.«

»Das wär bei mir die Käth.«

»Ja, die ist stark genug.«

»Was hätt sie da zu machen?«

»Das ist auch wieder unbestimmt. Auf diese Frag und auf noch gar viele andre kann man keine Antwort geben, wann man nicht weiß, um was sichs handelt. Und weil Du keinen Schatz zu heben hast, so ists ganz unnütz, davon zu reden. Ich hab heut mehr zu thun. Ich muß jetzt in die Stadt hinein.«

Er stand von seinem Stuhle auf. Das war dem Müller höchst unangenehm, denn dieser hätte den Alten doch gar zu gern vollends ausgefragt. Er war fest überzeugt, daß der Sepp es verstehe, Geister zu citiren, und doch wollte er ihm nicht mittheilen, daß er einen Schatz liegen wisse. Es kam nun jetzt darauf an, sich zu vergewissern, daß der Alte baldigst wiederkomme. Darum fragte der Müller:

»Bleibst noch lange hier?«

»Bis ich meine Wurzeln verkauft hab.«

»So gehst doch heut noch nicht?«

»Nein.« »Und wo wohnst?«

»Bald hier und bald da.«

»Könntst doch bei mir schlafen!«

»Dank sehr schön! Das will ich nicht verriskirn.«

»Warum nicht?«

»Weils bei Dir die Peitschen setzt, aber nix zu essen.«

»Das ist doch nur beim Fex.«

»Wann auch. Ich geh lieber.«

»Aber so kommst doch heut mal wieder?«

»Weiß es nicht.«

»Oder morgen?«

»Ja.«

»In der Fruh?«

»Warum da?«

»Weil ich da vielleicht was mit Dir zu reden hab.«

»Schön! So werd ich kommen. Behüt Dich Gott.«

»Behüt!«

Der Sepp ging. Draußen legte er den kleinen Betrag seiner Zeche


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auf den Tisch und wandte sich nachher der Stadt entgegen. Zum Fex brauchte er nicht zu gehen. Daß er diesem sein Brod hatte hintragen wollen, war nur ein Vorwand gewesen. Er hatte mit ihm bereits in der Nacht genug gegessen.

Während er nun langsam dahinwanderte, nickte er lachend vor sich hin. Er war sehr befriedigt.

»Der Hecht hat angebissen!« brummte er. »Aber der Vergleich ist alleweil ein falscher. Dieser Thalmüllern ist kein Hecht, sondern ein so dummes und albern Mondkalb, wie ich noch keins nicht troffen hab. Ich weiß freilich noch gar nicht, was ich mit ihm anfangen werd, aber der richtige Gedank wird mir schon noch kommen. Ihn will ich ärgern und diese saubere Magd auch. Und wann ich nachhero diesen Hallodri, den Fingerlfranz, auch noch mit dazubekommen könnt, so hätt ich eine Freuden, die ich gar nicht für hundert Gulden verkaufen thät. Aber schau, was ich gesagt hab! Wann man den Teuxel nur an die Mauern malen thut, so ist er auch schon schnell da!«

Er sagte das, weil ihm Derjenige, dessen Namen er soeben genannt hatte, jetzt entgegenkam - der Fingerlfranz.

Dieser schob seine riesige Figur langsam des Wegs daher. Er ging gesenkten Hauptes und sein Gesicht hatte einen außerordentlich finsteren Ausdruck.

»Grüß Gott auch!« grüßte der Sepp freundlich.

Der Riese blickte ihn unmuthig an und antwortete:

»Halts Maul!«

Damit wollte er vorübergehen, schien sich aber auf Etwas zu besinnen, denn er blieb stehen und fragte:

»Wo hast übernachtet?«

»Warum?«

»Weil ichs wissen will!«

»Darum also? Nun, darum erfährsts eben nicht.«

»Wann ich Etwas frag, will ich auch eine Antworten haben. Verstehst mich oder nicht?«

»Meine Antworten hast.«

»Aber ich bin nicht mit ihr zufrieden!«

»Desto mehr ich. Mir gefallt sie ganz gut.«

»Du bist ein Grobsack! Und wannt nicht so alt wärst, so haut ich Dir Eine ums Ohr.«

»Da könnts Dir gehn wie gestern auch!«

»Wieso? Was meinst?« brauste der Franz auf.

»Das mit dem Fex.«

»So weißts auch bereits?«

»Alle wissens.«

»So hol der Satan die Waschweibern, die solche Sach gleich überall herumtragen. Aber es ist nix Wahres dran. Nicht wahr, man hat Dir weiß gemacht, daß der Fex mich besiegt hält?«

»Man hats so erzählt.«


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»Das ist eine Lügen. Ich hab nach ihm geschlagen, und weil er geflohen ist, so hab ich den Baum troffen und mir den Arm aus dem Gelenk geprellt. Der Badern hat gemeint, er sei zerbrochen, der Esel; aber als ich nachher zum Stadtdoctorn kommen bin, hat der ein Wengerl am Arm zogen und ihn gleich wieder in's Gelenk geruckt. Also mit dem Fexen brauchst nicht zu prahlen. Den schlag ich bald in Grund und Boden hinein. Und daß ich Dich fragt hab nach dem Nachtquartier, das hat seine Ursach auch.«

»So sag doch, welche?«

»Es ist heut in der Nacht ein Dieb bei uns gewesen.«

»Und da fragst mich nach meinem Quartier?«

»Ja doch.«

»Denkst etwan, daß ich der Dieb gewesen bin?«

»Nein, obgleich ich Dir auch nicht grad lauter Nobels zutrau, denn ein Herumstreicher und Landläufer bist doch auch. Aber ich hab gemeint, wo Du in der Nacht bleibst, da bleiben auch noch Andre Deines Schlags, und so Einer muß der Dieb gewesen sein. Da könntst vielleicht ein Wörtle gehört haben, was mich auf den Thäter zu bringen vermag.«

»So, so! Also helfen soll ich Dir?«

»Wannt kannst, ja.«

»Und dabei beleidigst mich bei jedem Wort? Was hat man Dir denn gemaust?«

»Eine Sauen, ein fast fettes Schwein.«

»So, so! Eine fette Sauen! Der Spitzbub ist kein dummer Kerl gewest. Ein Schwein giebt halt Schinken, Würst und Speck und Schmalz. Der Kerl hat einen guten Geschmack. Ich könnt ihn fast beneiden; aber kennen thu ich ihn nicht, und eine Spur von ihm kann ich auch nicht vermuthen. Behüts Gott!«

Er wendete sich um, blieb aber bereits nach drei Schritten stehen. Es kam ihm eine plötzliche Idee, unter der seine alten Augen lustig aufleuchteten.

»Fingerlfranz! Halt noch mal!«

"Was willst noch?"

»Was willst noch?« fragte der Franz, welcher sich nun ebenso zurückwendete.

»Einen guten Rath kann ich Dir doch geben.«

»Nun?«

»Weißt bereits, daß man Spitzbuben fest machen kann?«

»Ja. Aber der meinige ist bereits fort.«

»Er muß wieder zuruck.«

»Das wird er sich hüten!«

»Er muß, sage ich.«

»Wer könnt dies fertig bringen?«

»Zu wem gehst jetzt?«

»Zum Thalmüllern.«

»So frag ihn. Er weiß Einen, der solche Sachen machen kann. Und wann Du nachher die Grobheiten drinnen behältst und ein höflich Wort sagst,


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so ist der Mann Dir vielleicht behilflich, Deine Sauen wieder zu bekommen und den Dieb zu fangen. Ueberleg Dir die Sachen. Vielleicht sehn wir uns bald wieder.«

Er ging nach der Stadt, und der Franz schlenderte langsam nach der Mühle. Die Worte des Alten hatten ihm zu denken gegeben.

Dieser Letztere hatte keineswegs Handelsgeschäfte in der Stadt. Er hatte seine Wurzeln bereits gestern verkauft und hätte nun leicht seinen Wanderstab weitersetzen können. Aber er gehörte nicht zu den rastlosen Geldverdienern. Er betrieb sein Geschäft in aller Gemüthlichkeit und pflegte, wenn er demselben obgelegen hatte, auch seinen Freunden einige Zeit zu widmen.

Hier an dem Badeorte hielt ihn nun eine ganz besondere Herzensangelegenheit fest. Er hatte bei seiner letzten Anwesenheit in München seine Pathe Leni besucht und von ihr erfahren, daß sie hier nächsten Sonnabend im Concerte auftreten werde. Natürlich mußte er sie da hören. Er war der Erste, welcher das Recht hatte, sich an ihrem Triumphe zu erfreuen, und so war er gleich direct nach hier geeilt, hatte seine Wurzeln verkauft und blieb nun ganz selbstverständlich bis nach dem Concerte hier.

Zu thun hatte er nichts, und so ging er spazieren. Während des ganzen Tages kam ihm die Schatzhebergeschichte nicht aus dem Kopfe und wiederholt ertappte er sich bei dem wohlthuenden Gedanken:

»Und den Fingerlfranz, den Schurkian, bring ich auch mit hinein, damit er sich mit dem Müllern verfeindet, und nachhero bekommt er die Paula nicht, die ich für den Fex aufheben werd.«

Er hütete sich wohl, in die Mühle zu gehen, obgleich er wußte, daß der Müller ihn nun mit Ungeduld erwartete. Am Abende, als es dunkel war, suchte er den Fex auf. Die Beiden musicirten miteinander und holten sogar die Geige und die Noten des Concertmeisters wieder. Da es gestern geglückt war, so hatte der Alte heut weniger dagegen einzuwenden, und als dann der verachtete junge Mann im Innern seiner »Kapellen« die schwierigen Passagen nur so herunterstrich, fühlte sich der Alte glücklicher als ein König.

Erst am nächsten Morgen spazierte er wieder nach der Mühle. Die große Magd war ebenso wie gestern im Garten beschäftigt; aber sie empfing ihn heut ganz anders. Kaum hatte sie ihn erblickt, so rief sie ihm bereits von Weitem zu:

»Kommst endlich mal wieder! Warum machst Dich jetzt plötzlich so rar, Sepp?«

»Weil ich weiß, daßt mich doch nicht magst.«

»Ja, wannt etwas jünger wärst!«

»Und hübscher wohl auch?«

»Ja freilich.«

»Na, das halt ich nun nicht grad für nothwendig. Zu Deinem Erbsengesicht thät ich schon noch ganz gut passen. Meinst nicht auch?«

»Willst mich schon wieder ärgern?«


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»Nein. Weißt, Erbsen sind halt mein Lieblingsgericht. Also kannst hören, daß ich Dich für hübsch halt.«

»Du bleibst der Gespötter alle Zeit. Geh nur nun schnell hinein!«

»Zu wem?«

»Zum Müllern.«

»Schnell auch noch! Was ists mit ihm? Liegt er in den letzten Zügen und will mir die Mühlen veruniversalerbvermachen?«

»Nein. Er hat mit Dir zu reden.«

»Ich mit ihm nicht.«

»Auch der Fingerlfranz war gestern dreimal da nach Dir. Er hat Dich auch in der Stadt gesucht.«

»Schau, was für ein Wichtigkeitler ich geworden bin! Wer hätt das noch gestern denken mögen, wo Du mich beim Müllern anzeigt hast! Wie aber steht es mit dem Fex? Hungert er noch immer?«

»Er erhält so lange nix zu essen, wie der Müllern es bestimmt hat. Davon beißt keine Maus keinen Faden ab.«

»Ja, der Müllern ist der richtige Kurakter. Was der sich mal vorgenommen hat, dabei muß es auch bleiben. Ich will doch schaun, weshalb er so begierig nach mir verlangt. Kannst mir indessen ein Bier und ein Käs und Brod zurecht machen.«

»Das brauchts nicht.«

»Warum nicht? Ich hab Hungern.«

»Wirst Alles drin finden beim Herrn.«

»Das ist mir noch lieber. Darum will ich springen, daß ich hinein komm.«

Er ging nach der Wohnstube. Sein Schnurrbart zuckte verrätherisch, und ein siegreiches Schmunzeln legte sich über sein altes, ehrliches, gutes Gesicht.

»Wenn der Geizhals mir das Fruhstucken bereitet hat,« dachte er, »so ist das ein Zeichen, daß ich schon jetzt gewonnen hab. Ja, an mir ist halt ein großer Diplomaterich verloren gegangen. Ewig Schade drum!«

Er klopfte höflich an.

»Herein!« hörte er die ungeduldige Stimme des Müllers.

Als dieser ihn erblickte, legte er die Peitsche, welche er in der Hand gehalten hatte, eiligst fort und sagte:

»Endlich, endlich!«

»Grad wie aufm Bilderbogen.«

»Was?«

»Da ist ein Bild mit Schulbuben, die mit einem Geisbock kämpfen, und darunter steht:

Endlich ist der Sieg errungen
Und der Ziegenbock bezwungen.«

»Du bist und bleibst doch ein alter Spaßvogerl, und Du wirst in Deinem Leben auch nicht anderst!«

»Nein, nun nicht mehr. Aber, grüß Dich Gott!«


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»Dich auch! Gieb die Hand!«

Das war das erste Mal, daß der Müller dem armen Wurzelhändler die Hand geboten hatte. Sepp that, als ob sich das ganz von selbst verstehe. Er drückte sie ihm in jovialer, brüderlicher Weise und sagte dabei:

»Siehst heut recht wohl aus und bist lebendig. Das kann mich gefreun. Vielleicht stehst bald auf von dem Stuhl, sonst wachst er Dir noch hinten an.«

»Ja, das wird möglich sein. Aber sag, warum kommst so spät heut?«

»Es ist nicht später als gestern.«

»Und warum kamst nicht gestern noch mal?«

»Ich hatt hier nix zu suchen.«

»Aber der Franz hat Dich gesucht.«

»Der mags bleiben lassen. Ich hab mit ihm gar nix zu schaffen.«

»Warum?«

»Weil er mich einen Herumtreiber und einen Landstreicher geschumpfen hat.«

»Das meint er nicht so. Weißt, er ist von kräftger Art, grad so wie ich, und da kommt manchersmal ein Wörtle anders heraus, als es gesollt hat. Er hält gar viele Stucken auf Dich.«

»Sappermentsky! Davon hab ich noch gar nicht das allerkleinste Ahnungen gehabt!«

»Kannsts glauben. Er wird Dich gut zahlen.«

»Wofür? Er ist mir gar nix schuldig.«

»Ich mein, von wegen der Sauen.«

»Er hat mir niemals keine abkauft. Ich hab kein Geldl von ihm zu fordern.«

»So thu doch nur nicht, als obst mich nimmer verstehen thätst. Ich mein das Schweinerl, was ihm gestohlen worden ist.«

»Ach so! Davon hat er gestern gesprochen.«

»Du willst sie ihm wiedern verschaffen?«

»Ich?«

»Ja. Und den Spitzbuben dazu.«

»Wer hat das gesagt?«

»Du doch selber!«

»Ist mir nimmer eingefallen.«

»Er hats aberst ja gesagt!«

»Er? Dieser Lügner.«

»Hast Du ihn nicht zu mir geschickt?«

»Ja, das hab ich freilich than.«

»Und er soll mich fragen von wegen der Persönlichkeiten, die einen Spitzbuben festmachen kann?«

»Ja, das hab ich ihm freilich gerathen. Hast ihm dann auch einen guten Rath geben?«

»Freilich! Den besten, den es geben kann. Ich hab ihm gesagt, daß Du derjenige Geisterbeschwörer bist.«

»Da hast zuviel gesagt.«


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»Nein, ich weiß, daß Dus bist.«

»Aber ich hab nur mit Dir davon reden wolln. Was hast dem Franz davon zu sagen?«

»Warum hast ihn zu mir her gesandt!«

»Um ihn los zu werden!«

»So willst ihm nicht helfen?«

»Nein.«

»Aber er läßt Dich gar sehr schön bitten, zu ihm zu kommen. Er läßt Dir sagen, wo Du ihn finden kannst.«

»Wo?«

»Beim Scat-Matthes, vor dem Mittagsessen und nachhero wieder von vier Uhr an.«

»Er mag warten. Ich hab meine Kunst nicht gelernt, um gestohlenen Sauen nachzulaufen.«

»Aber um Schätze zu heben?«

»Schätze? Ich brauch nur den Einen, von dem mir gestern träumt hat.«

»Nur diesen einen?«

»Nur ihn.«

»Und wann ich nun noch einen wüßt?«

»Der geht mich nix an.«

»So würdst ihn mir lassen?«

»Gern. Hol ihn nur!«

»Ja, das kannst gut sagen. Ich kann doch den Geist nicht bannen. Wie soll ich da den Schatz holen?«

»Das ist freilich schlimm.«

»Kannst mir nicht helfen?«

»Nein.«

»Warum aber nicht?«

»Bist etwan Du so schnell mit Deinen Gefälligkeiten?«

»Dir, ja Dir thät ich doch Alles zu Lieb!«

»Das sch ich jetzunder. Steh ich doch bereits eine ganze Halberstunden hier und hast noch nicht mal gesagt, daß ich mich niedersetzen soll. Nennst das Gefälligkeiten?«

»Himmelsakra! Das hab ich ganz vergessen. Da setz Dich nur schnell nieder!«

Sepp wollte auf dem Stuhle Platz nehmen, worauf er gestern auch gesessen hatte.

»Nein,« rief der Müller. »Nicht dorthin. Setz Dich zu mir her an den Tisch. Ich bin eben beim Fruhstuck. Kannst mir helfen.«

»So bei Zeiten schon!«

»Warum nicht! Hier hast Schinken, selber geschlacht't und geräuchert. Auch eine Servellatenwursten und eine Kalbsfußsülzen mit weißen Semmeln. Da hast auch einen Sempfen und Paprumkapfeffern. Die Buttern steht hier


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und der Käs dorten. Und wannt eine Bratwursten auch noch willst und einen Eierkuchen, so darfsts wohl nur sagen.«

Sepp setzte sich an den Tisch, griff zum Messer und antwortete schmunzelnd:

»Ja, das kannst noch machen lassen: Eine gebratene Wursteln und einen Eierkuchen mit Rabunzerln dazu in Essig und Oelen. Nachher auch eine Gänselebern und einen halben Kapaunen. Und wann das einmal gemacht wird, nachher geht auch noch ein Karpfen und ein geräucherter Lachsen mit darein. Sags nur der Magd. Sie mag sich sputen!«

Der Müller zog ein eigenthümliches Gesicht. Er hatte nicht erwartet, daß der Sepp auf eine solche Höflichkeit in dieser Weise eingehen werde.

»Aber das kannst ja nicht Alles essen!« meinte er.

»Nicht? O, das eß ich Alles.«

»So bist ein solcher Nimmersatt und Vielfraß worden in letzter Zeit?«

»Ja,« antwortete Sepp einfach.

»Aber einen Karpfen hab ich nicht da!«

»So fangt Ihr einen.«

»Und einen Lachsen giebts halt gar nicht.«

»So nehm ich dafür eine hübsche Keulen von einem Kalb, oder giebst mir da den Schinken mit.«

»Was! Mitgeben auch?«

»Was sonst? Meinst, daß ich Alles auf einmal auffressen werd, was Du mir da geschenkt hast und was ich mir noch bestellt hab?«

»Ach so! Das willst Alles mitnehmen?«

»Ja. Es kommt hier hinein in den Rucksack.«

»So! Hör mal, das nimm mir nicht übel! Du sollst fruhstucken, aber nicht einstecken.«

»Ach so! Mir auch recht. So werd ich mich also nun da ins Zeug legen!«

Er schnitt sich gehörig ab, so daß es dem Müller bange werden wollte.

»Was machst für Augen?« fragte der Sepp lachend. »Wie müßtst thun, wann der Fex sein Essen bekäm!«

»Ja, so viel bekommt der nimmer, wie Du Dir da vorschneidst. Da hätt der vier Tage dran.«

»Meinst? Nun, freuen mußt Dich doch drüber. Das Geben ist selger als das Nehmen. Nicht?«

»Ja, und Dir geb ichs auch gern. Aber wann Du ein so gewaltig Stuck Schinken in's Maul steckst, so wirst nicht reden können!«

»Das will ich auch nicht. Jetzt eß ich!«

»Himmel und Höll! Und jetzt schiebst gar einen ganzen Ziegenkäser hinein! Theil doch die Gottesgab besser ein. Wann man Brod daliegen hat, so frißt man doch nicht nur Schinken und Käs!«

»Brod hab ich immer! Verstehst? Hast nicht auch eine saure Gurken oder den eingelegten Bohnensallat? Das thät gut hierzu passen.«


Ende der elften Lieferung - Fortsetzung folgt.



Karl May: Der Weg zum Glück

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