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JÜRGEN PINNOW


Sächsisches in den Werken Karl Mays*




Die sächsische Sprache die scheenste ist
Von der Elbe bis zum Ganges;
Sie hat so was Italienisches
Hinsichtlich des Gesanges.
Wie scheen ist doch: Ja, ja, nee, nee!
Und gar nur erscht: Nu äben!
Wie scheen is ooch: Herrjemerschnee!
Es gann nischt Scheeners gäben?1


V o r b e m e r k u n g


Die folgenden Ausführungen, die nur auf der Auswertung eines kleines Teils der Werke Karl Mays beruhen - insbesondere wurde ›Der Weg zum Glück‹2 berücksichtigt -, können natürlich keineswegs auch nur annähernd erschöpfend sein. Sie sind eher als eine Art Auftakt für weitere Forschungen gedacht, die Berufenere, also insbesondere ausgebildete Dialektologen, durchführen mögen.

   Es erübrigt sich eigentlich, hinzuzufügen, daß die vorliegenden Zeilen in keiner Weise eine Herabsetzung Karl Mays bezwecken; vielmehr bietet die intensive Beschäftigung mit dem Werk eines Schriftstellers, auch wenn sie kritisch ist, eo ipso den Beweis einer hohen Wertschätzung.


1.Fremdsprachliche Proben bei Karl May (Allgemeines)


Karl May hat bekanntlich seine Leser mit zahlreichen Proben aus Sprachen aller Welt konfrontiert, zum Teil mit solchen, die zu damaliger Zeit nur wenig bekannt und erforscht waren, etwa afrikanischen Idiomen wie Nama-Hottentottisch und Zulu, asiatischen Sprachen wie Kurdisch und Malaiisch und vor allem nordamerikanischen Sprachen wie Navaho (= Navajo), Apache, Dakota, Blackfoot, Tonkawa, Utah u. a. Auch das Repertoire europäischer Sprachen, die bei May vertreten sind, ist nicht gerade gering. Aus dem romanischen Bereich sind Lateinisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und etwas Rumänisch3 zu nennen; aus dem slawischen Gebiet Russisch, Polnisch und Serbisch; Tschechisch bzw. Slovakisch nur in Ansätzen.4 Baltisch,5 Keltisch, Griechisch und Albanisch fehlen; Mays angebliches Skipetarisch




*Probleme bei der Darstellung von diakritischen Zeichen wurden zunächst dadurch gelöst, daß sie vor den Buchstaben gesetzt wurden, sofern es nicht anders möglich war. Außerdem wurden dann beide Zeichen fett und in [ ] gesetzt. Wenn also ein Sonderzeichen und ein Buchstabe in [] und fett gesetzt sind, sind sie als ein Zeichen zu lesen; die Internet-Redaktion


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oder Arnautisch entpuppt sich als Serbisch.6 Hingegen sind solche ausgefallenen Idiome wie das Zigeunerische (Sinti/Roma) und das Lappische oder Samische (die Sprache der Lappen oder Samen) vertreten, wenn auch nur ganz fragmentarisch. Ungarisch kommt wohl nur einmal kurz vor.7 Mays Hauptsprachen sind bekanntlich Arabisch und Türkisch, weniger Persisch. Armenisch und Hebräisch vermißt man ganz.

   Aus dem uns linguistisch am nächsten stehenden Bereich, den germanischen Sprachen, ist neben Englisch eigentlich nur noch das Niederländische, das bei May vom Afrikaans nicht abgegrenzt erscheint, an Fremdsprachen zu nennen.

   Auffällig ist, daß bei May die skandinavischen Sprachen ein absolutes Vakuum bilden, obwohl gerade diese für uns relativ leicht zu erlernen sind. May zog es vorwiegend in den Süden; der Norden ließ ihn weitgehend kalt. Skandinavier kommen bei May handelnd praktisch nicht vor; eine Ausnahme bildet die kurze Erzählung des Viejo Desierto in ›Cordilleren‹, in der die Dänen nicht gerade gut wegkommen.8 Ähnlich in ›Der beiden Quitzows letzte Fahrten‹, Kapitel 9.9 Sprachproben finden sich nirgends. Es ist möglich, daß sich May von den schwedischen Landschaftsnamen Norrland und Södermanland hat inspirieren lassen für die Benennung seiner Phantasiestaaten Norland und Süderland, zumal dort ein Seebadeort namens Fallum vorkommt, den man mit dem schwedischen Falun in Kopparbergslän/Dalarna verbinden mag; das Wort erhielt die friesische Ortsnamenendung -um (wie in Hörnum, Rantum, Keitum, Morsum usw.). Mays Norland und Süderland sind aber keineswegs etwa mit Norwegen und Schweden oder Dänemark gleichzusetzen; sie stehen eher symbolisch für Deutschland und Österreich-Ungarn.

   Erwähnt werden mag in diesem Zusammenhang, daß im ›Weg zum Glück‹ über die Aufführung einer Oper, ›Götterliebe‹ von Max Walther, komponiert von Kurty von Gulijan, berichtet wird. Der Stoff war der nordischen Götterlehre entnommen. (WzG 2544). Hier wird der Einfluß Richard Wagners spürbar. Woher May Kenntnisse der altnordischen Religion hatte, müßte noch überprüft werden.10

   Das Friesische tritt bei May ebenfalls nicht in Erscheinung. Friesen werden gelegentlich erwähnt, so in ›Quitzows‹, in ›Waldröschen‹11 u. a.; in ›Der blau-rote Methusalem‹ wird der Kapitän und Sprachverdreher Heimdall Turnerstick (Drechslerstock) als friesischer Seebär vorgestellt. Ansonsten wird er (mit dem Vornamen Frick) als waschechter Yankee geschildert.12 Sein Steuermann in den in Südamerika spielenden Bänden ist allerdings ein Friese, Hans Larsen mit Namen.13


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   Echtes Jiddisch findet sich bei May ebenfalls nicht, nur mehr oder weniger mißglückte Versuche, das Jiddische nachzuahmen; es handelt sich vorwiegend um ein ›Jüdeln‹, wie man solche Ausdrucksweise zu nennen pflegt.14

   Man sollte erwarten, daß May, der ja häufig Gaunermilieu geschildert hat, so in ›Waldröschen‹, ›Die Liebe des Ulanen‹15 und vor allem in ›Der verlorene Sohn‹, Beispiele des Rotwelschen, der Gaunersprache oder Kochem-Loschen (bzw. Kochemer Loschen)16 anführt, wie es Franz Josef Weiszt getan hat, aus dessen Feder eine romanhafte Schilderung von Karl Mays Leben stammt.17 Karl May, der sich nicht scheute, durch detaillierte Berichte aus dem Gefängnisleben verdächtig gut informiert zu erscheinen, und gern mit fremdsprachlichen Brocken um sich warf, auch wenn seine Kenntnisse überall ziemlich moderat waren,18 hätte gewiß nicht gezaudert, seine Leser mit einschlägigen Termini der Kochem-Loschen vertraut zu machen.19 Aus seinem Schweigen läßt sich wohl folgern, daß er mit den entsprechenden ›Kreisen‹ (auf Sächsisch lautet es ›Greißen‹) nicht in Kontakt stand und die Kochem-Loschen nicht kannte - es sei denn, es war gesetzlich verboten, darüber zu schreiben. Die Sache ist es wert, genauer untersucht zu werden.



2.Deutsch und deutsche Dialekte bei May (allgemein)


Kommen wir zum Deutschen und seinen Dialekten. Auch hier zeigt sich deutlich, daß May mit dem Norden nicht sonderlich sympathisierte; soweit die Handlungen in seinen Werken Deutschland zum Schauplatz haben, wird der Norden ziemlich stiefmütterlich behandelt. Eine kurze Episode in ›Ein Fürst des Schwindels‹ spielt in Eckernförde, also im Landesteil Schleswig. In ›Quitzows‹ kommen nördliche Gegenden vor, so die Insel Neuwerk; Rendsburg und Meldorf, letzteres in Süder-Dithmarschen, werden erwähnt; andere Handlungsgebiete sind Mecklenburg und Pommern. Eine Humoreske, ›Husarenstreiche‹, hat Stolp in Pommern zum Handlungsort. Die Besitzung der Königsaus, Gut Breitenheim (in ›Ulan‹), lag in Ostpreußen; so führt uns May in einer relativ kurzen Episode dorthin.20 Land und Leute werden nicht näher beschrieben. Etwas besser kommt der märkische Raum weg, abgedeckt durch ›Quitzows‹; sodann spielen einige längere Episoden aus ›Waldröschen‹ und ›Ulan‹ in Berlin. Dazu kommen die verschiedenen Gebiete, in denen sich die Geschichten um den ›Alten Dessauer‹ abspielen. Sonst überwiegen aber - selbstverständlich neben Mays Hei-


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mat Sachsen (Erzgebirgische Dorfgeschichten, ›Der verlorene Sohn‹) - Bayern (›WzG‹) und der an Sachsen und Bayern angrenzende österreichisch-böhmische Raum (›Weihnacht‹, ›WzG‹). Ein dritter Schwerpunkt ist das Rhein-Mosel-Gebiet mit Mainz, Darmstadt, Trier (›Waldröschen‹, ›Ulan‹). Dazu kommen Wien und das damals zu Österreich gebörende Triest (›WzG‹).

   Dementsprechend fallen die Dialektproben aus. Niederdeutsch (oder Plattdeutsch) fehlt total, obschon May andererseits eine erstaunliche Kenntnis der seemännischen Sondersprache damaliger Zeit aufweist und spezielle Termini gibt, die z. T. heute kaum noch bekannt sind. Grotesk ist, daß gerade hier bisweilen sein sächsischer Dialekt durchschlägt, erklärlicherweise deshalb, weil die entsprechenden Ausdrücke nicht oder nicht alle in Wörterbüchern und Enzyklopädien verzeichnet und den Korrektoren auch nicht bekannt waren. So heißt es in ›Auf der See gefangen‹ Drehpasse mit p21 (ebenso Waldröschen 238, zweimal, dort dann später aber korrekt Drehbasse(n) (239,822)). Ähnlich wird douplirt (See 755, Juweleninsel22 301). Der Fehler mit Prise, flotte Prise (See 612), stramme Priese (See 786), hätte eigentlich nicht passieren dürfen.23 Aber ›Brise‹ und ›Prise‹ fallen im Sächsischen eben zusammen. Man vergleiche auch den zweiten Namen des Kapitäns Landola, Grandeprise in ›Waldröschen‹. Hier ist p richtig. - May läßt häufig Seebären auftreten, die ihre der christlichen Seefahrt entnommene Sprache überall anwenden, auch dort, wo es gar nicht angebracht ist. - Einmal schreibt ein norländischer Seemann in einem Brief Wie? Einen Jungen häte Ich? Heiliche Kreuzstänge! Ich weis kein Wort von!24 Vielleicht ist es nur Zufall, aber ›ich weiß kein Wort von‹ ist typisch schleswig-holsteinische Ausdrucksweise.25 In ›Weg zum Glück‹ führt May eine Schleswig-Holsteinsche Sprache an (die es natürlich gar nicht gibt); es sei die Sprache, in der man mit den Geistern reden thut; ein derber Spaß des Wurzelsepp mit pädagogischem Hintergrund (WzG 254). Eine Schleswig-Holsteiner Grammadicka erwähnt der Wurzelsepp (WzG 273). Die Geistersprache als eine typisch nordische Sprache - dies zeigt markant Mays Einstellung.

   Märkischer, speziell Berliner Dialekt findet sich vor allem in ›Das Vermächtnis des Inka‹, wo Fritze Kiesewetter26 berlinert, und in ›Der blau-rote Methusalem‹, in dem Gottfried Ziegenkopf diesen Dialekt benutzt, ansonsten nur sporadisch. In ›Durch Wüste und Harem‹ und ›Von Bagdad nach Stambul‹ kommt ein angeblicher Preuße aus Jüterbock (= Jüterbog (k)) vor, der sich Hamsad al Dscherbaja nennt und eigentlich aus Thüringen stammt. Er gibt einige märkische Dialektproben.27 Märkisch sein sollender Dialekt wird von Pruder Schwalpe


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(= Schwalbe) in ›Quitzows‹ gesprochen, der alles mit thun umschreibt.28 In diesem Zusammenhang sei auch das übertriebene Kauderwelsch des Krüger Bei erwähnt.29

   Bairisch-Österreichisch war gleichfalls nicht Mays Stärke. Bairisch spricht so der aus Kaltenbrunn stammende Staffelsteiner in ›Die Gum‹; er erwähnt aber - vorsichtshalber (!) - , daß Leute aus Baden und der Rheinpfalz ihm seinen Dialekt verdorben hätten.30 Bairisch kommt ferner in der ›Sklavenkarawane‹ vor. Das Bairische, das May in ›Weg zum Glück‹ fast ständig anführt, hält einer Überprüfung kaum stand, wenn auch z. T. nicht alles so falsch ist, wie es zunächst den Anschein hat. Z. B. das ›dera‹ = ›der‹ ist so schlecht gar nicht wiedergegeben; man schreibt meist ›dea‹, aber ein Hauch von r klingt wohl durch. Ironischerweise finden sich in den Reden von Bayern, die May anführt, handgreifliche Saxonismen (sächische Dialekteigentümlichkeiten); so erzählt der bayrische Krikelanton, daß er Schnupftoserln verkaufe (WzG 185); »Abgemacht und pasta!« bekräftigt der Lehrer Max Walther (WzG 1105). Es wird mit »Holterroihoooo« und »Holderoijooooh« gejodelt (WzG 6, 12). T für d und p für b verrät den Sachsen, der dahintersteht. Bei »Bist Du ein durchdrieben Geschöpferl!« (WzG 296) mit d für t könnte es sich schon eher um Bairisch handeln, weil z. T. hochdeutschem t ein bayrisches d entspricht,31 aber aus der Gesamtsituation geht hervor, daß hier auch ein Sachse am Werk war. Einmal verrät der Wurzelsepp: »Ich kann ein Gesicht machen, wie dem Millionär sein Köderhund ...« (WzG 300), und Flaustern (= Austern) werden aufbocht wie die Nüssen (WzG 406). In den vom Karl-May-Verlag bearbeiteten Ausgaben wurden diese Fehler beseitigt und die Dialektpassagen meist ins Hochdeutsche, z. T. etwas Bairisch gefärbt, seltener in echtes Bairisch umgesetzt.32

   Bemerkenswert ist die Tatsache, daß bisweilen  k e i n  Dialekt angewendet wird, wo man ihn erwarten sollte. In den Passagen in WzG, die in Böhmen, im Dorf Slowitz und Umgebung, spielen, sprechen nur die nicht ortsansässigen Bayern Dialekt, die Einheimischen indes Hochdeutsch, was sicher inkonsequent ist. Die Ursache liegt darin, daß May offensichtlich der entsprechende sudetendeutsche Dialekt, der als Unterdialekt zum Bairischen zählt, unbekannt war.

   Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch, daß May auch gelegentlich altertümliches Deutsch bringt, z. T. echt (in ›Mein Leben und Streben‹,33 z.T. vielleicht mehr oder weniger selbstgebastelt; z.B. ›Mein Leben und Streben‹ 22; ›Waldröschen‹ 117). Im letzteren Fall handelt es sich um ein verhängnisvolles Giftrezept, das May vielleicht irgendwo abgeschrieben hat.


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3.Obersächsisch bei May


Wenden wir uns nun unserem Hauptanliegen, dem Sächsischen, genauer Obersächsischen zu, Karl Mays Heimatdialekt. Hier ist zunächst eine sehr wichtige Unterscheidung zu treffen, nämlich zwischen dem, was die bewußte Absicht des Schriftstellers war, den Dialekt darzustellen, und dem ungewollten Einfließen von Dialekteigentümlichkeiten, den sogenannten Saxonismen oder Sachsizismen, in sein auf Standardhochdeutsch geschriebenes Werk.

   Gewollt dargestellt hat May vor allem den speziellen erzgebirgischen Unterdialekt, der nicht wenig von dem Sächsischen, wie man es z. B. in Dresden und Leipzig spricht, abweicht, und zwar in seinen Erzgebirgischen Dorfgeschichten. Ferner kommen in ›Von Bagdad nach Stambul‹ Preßnitzer34 Sänger vor; zwei Proben in der reinsten erzgebirgischen Mundart werden gegeben:


»Zum heil'gen Ab'nd um Mitternacht
Da fließt statt Wasser Wein,
Und wenn 'ch mich nur net färchten thät,
Da holt 'ch mir 'n Topp voll 'rein.«

»Mer hab'n auch neunerlei Gericht,
Aach Wurscht und Sauerkraut;
Das hat mei' Alte vorgericht't,
Die alte, gute Haut.«
35


Hier weist sich May verständlicherweise als ganz anderer Kenner aus als etwa im Bairischen. Dennoch hat er auch hier wichtige Besonderheiten übersehen; dies kann jedoch im folgenden nicht behandelt werden.

   Die Hauptfigur, die bei May das eigentliche Sächsisch, wie es allgemein bekannt ist, spricht, ist Heliogabalus Morpheus Franke, genannt Hobble-Frank, aus Moritzburg, in ›Der Sohn des Bärenjägers‹, ›Der Geist des Llano estakado‹, ›Der Schatz im Silbersee‹, ›Der Ölprinz‹ und ›Der schwarze Mustang‹. An zweiter Stelle ist zu nennen Frau Rosalie Ebersbach (Eberschbach), geborene Morgens(ch)tern, verwitwete Leiermüller in ›Der Ölprinz‹. Sebastian Melchior Pampel, genannt Tante Droll, aus Langenleube-Niederhain, damaliges Herzogtum Sachsen-Altenburg, bedient sich seines Altenburgischen Dialektes, der nicht Sächsisch im eigentlichen Sinne, sondern Thüringisch ist. Hier eine Probe des Zwiegesprächs Hobble-Frank - Tante Droll:


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»... Ihr seid ein Landsmann von Old Shatterhand?« - »Das ist richtig.« ... »Herrjemerschnee!« fiel da der Kleine in seinem heimischen Dialekte ein. »Ooch een Sachse, und zwar een Altenburger? Is es denn die Möglichkeet! Aus der Schtadt Altenburg oder vom Lande, he?« - »Nich aus der Residenz, sondern aus der Langenleube.« - »Langen - - leube?« fragte Frank, indem ihm der Mund offen stehen blieb. »Langenleube-Niederhain?« - »Jawohl! Kennen Sie es?« »Warum sollte ich nich? Ich habe ja Verwandte dort, ganz nahe Verwandte, bei denen ich als Junge zweemal off der Kirmse gewesen bin. Hören Sie, dort gibt's aber Kirmsen, im Altenburgischen! Da wird gleich vierzehn Tage lang Kuchen gebacken. Und wenn so eene Kirmse alle is, da geht sie off dem nächsten Dorfe wieder an. Drum schpricht man dort nur so im allgemeenen vom Altenburger Landessen.« - »Das is richtig!« nickte Droll. »Mache könne mersch, denn habe thune mersch. Aber Se habe Verwandte bei uns? Wie heiße denn die Leute, und wo schtamme se her?« - »Es is ganz nahe Verwandtschaft. Das is nämlich so! Mein Vater hat eenen Paten gehabt, dessen selige Schwiegertochter sich in der Langenleube wieder verheiratet hat. Schpäter schtarb sie, aber ihr Schtiefsohn hat eenen Schwager, und der is es, den ich meene.« - »So! Was war er denne?« - »Alles mögliche. Er war een ganzer Kerl, der alles fertig brachte ... « - »Halt!« unterbrach ihn Droll ... »Wie war sein Name?« - »Seinen Vornamen kenne ich nich mehr; aber sein Familienname war Pampel. Ich nannte ihn nur immer Vetter Pampel.« - »Wie? Pampel? Höre ich recht?« rief Droll. »Hatte er Kinder?« »Die schwere Menge!« - »Wisse Se, wie se geheeße habe?« - »Nee, nich mehr. Aber off den größten kann ich mich noch sehr gut besinnen, denn ich war dem Kerl gut. Er hieß Bastel.« - »Bastel, also Sebastian?« - »Jawohl, denn Sebastian wird off Altenburgisch Bastel ausgeschprochen. Ich gloobe, er hieß ooch noch Melchior dazu, een Name, der in Altenburg sehr gäng und gäbe is.« - »Richtig, sehr richtig! Es thut schtimme, es thut sehr genau schtimme! Sebastian Melchior Pampel? Wisse Se, was aus ihm geworde is?« - »Nee, leider nich.« - »So sehe Se mal mich an, schaue Se mal her zu mir!« - »Warum?« - »Weil ich es bin, der draus geworde is.« - »Sie - Sie?« fragte der Kleine. »Ja, ich! Ich war der Bastel, und ich weeß noch ganz genau, wer bei uns off der Kirmse gewese is; des war der Vetter Frank aus Moritzburg, der nachher Forschtgehilfe geworde is.« - »Der bin ich, ich in eegener Person! Vetter, also hier, hier mitten in der Wildnis finden wir uns als schtammverwandte Menschen und Cousängs! Wer hätte das für möglich gehalten! Komm her, Bruderherz, ich muß dich an meinen Busen drücken!« »Ja, ich ooch. Hier haste mich!«36


Sonst fällt auf, daß der Dichter relativ selten gewollt das eigentliche Sächsisch, so wie er es sprach, wiedergab, vor allem gar nicht in ›Der verlorene Sohn‹, einem Roman, der fast ausschließlich in Sachsen spielt. May wollte sicher nicht darauf hinweisen, daß es sich hier um seine engere Heimat handelte, weshalb er auch den Namen Dresden konsequent vermied und dafür nur das Wort Residenz gebrauchte - anders als im ›Weg zum Glück‹, wo der Name München oft fällt. Sächsisch kommt bei May mehr sporadisch vor, so bisweilen in ›Wanda‹, etwas in ›Freuden und Leiden eines Vielgelesenen‹,37 in ›Satan II‹38 wo der Celloist Vogel sächselt, und dann vor allem bei einzelnen engeren


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Landsleuten in der Fremde, die sich ihres sächsischen Dialekts bedienen, wenn sie Deutsch sprechen. Allen voran geht hier, wie erwähnt, der Hobble-Frank; relativ wenig sächseln etwa der Pirnero in ›Waldröschen‹ oder der Knopfmacher Sam Barth aus Herlasgrün in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹. Bei all diesen Passagen werden wir mit der wirklich merkwürdigen Tatsache konfrontiert, daß ein Hauptcharakteristikum des Obersächsischen, die sogenannte Konsonantenschwächung, überhaupt nicht zum Ausdruck gelangt; wir kommen darauf noch zurück.

   Bei Beurteilung der ungewollt eingeflossenen Dialekteigentümlichkeiten, also den Saxonismen oder Sachsizismen, ist große Vorsicht geboten. Da in den meisten Fällen die Manuskripte nicht erhalten geblieben sind, läßt sich auf Anhieb nicht entscheiden, ob die entsprechenden Saxonismen aus Mays Feder stammen oder durch sächsische Setzer hineingekommen sind, wobei es sich in manchen Fällen auch um einfache Druckfehler handeln mag. Eine vierte Möglichkeit kommt noch hinzu, nämlich die, daß May in bestimmten begrenzten Fällen scheinbare oder wirkliche Saxonismen von einer anderen Quelle übernommen hat. Andererseits ist es auch so gut wie sicher, daß Saxonismen durch ausgebildete Korrektoren teilweise ausgemerzt worden sind. Strenggenommen müßte man bei Mays Briefen und den wenigen erhaltenen Manuskripten beginnen; aber dies kann hier mangels Unterlagen nicht geleistet werden, ist auch gar nicht unbedingt nötig, denn wegen der Fülle des Materials läßt sich auch so vieles relativ klarstellen. Man mag dies bei entsprechender Durchsicht der Handschriften und Briefe überprüfen und notfalls berichtigen.

   Ein Beispiel kann hier schon gebracht werden. Eine erhaltene Manuskriptseite (682) zu ›Old Surehand III‹39 enthält zweimal das Wort Schneuße, eine durch sächsischen Dialekt bedingte sogenannte hyperkorrekte Form für ›Schneise‹ (Näheres S. 251); Schneuße findet sich auch in ›Mutterliebe‹.40 Der Urheber von Schneuße dürfte so klar sein; es war May selbst. Dies eine Beispiel mag für viele stehen.

   May hat unzweifelhaft stark gesächselt. Er sprach nicht neben seinem Heimatdialekt reines Hochdeutsch, sondern sein Hochdeutsch verriet sicher unverwechselbar seine sächsische Herkunft. Dafür gibt es zahlreiche Anzeichen und Hinweise. Erstens haben wir Zeugnisse anderer. In einem Steckbrief etwa wird angegeben, daß der Gesuchte »den in hiesiger Gegend üblichen Dialect gesprochen« habe.41 Zweitens weisen Mays Gedichte auf den Sachsen. Hier reimt er häufig Wörter, die sich strenggenommen nach hochdeutschen Regeln nicht reimen, so ›Freude‹ und ›heute‹, ›Leide‹ und ›Seite‹, ›Augen‹ und ›tau-


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chen‹, ›steigen‹ und ›reichen‹, ›Feigen‹ und ›entweichen‹, ›Freude‹ und ›Seide‹, ›Geier‹ und ›ungeheuer‹ usw. Gewiß muß eingeräumt werden, daß auch Nichtsachsen mitunter solche Reime produzieren oder produziert haben, u. a. kein Geringerer als Goethe; aber es macht hier die Masse. Genaueres später.

   Drittens ist die Tatsache zu erwähnen, daß sich May offensichtlich der Konsonantenschwächung, die noch ausführlich behandelt werden wird, nicht oder wenigstens nicht voll bewußt war, weil er sie sonst in seinen Dialektproben berücksichtigt hätte. Dazu kommt viertens Mays Aussprache des Englischen. In den älteren Ausgaben des Bandes »Ich«42 erwähnt E. A. Schmid, daß Mays Aussprache des Englischen alles andere als rein gewesen sei. Ihm wird dort ein »amerikanischer Slang« angedichtet, augenscheinlich eine sehr diskrete Umschreibung für ein sächselndes Englisch. Schade, daß es damals noch keine Schallplatten gab! Als letzten Punkt kann man Saxonismen in Manuskripten und Briefen gelten lassen.

   Somit ist klar die Möglichkeit gegeben, ja sogar die Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß in Mays Werke unbewußt Saxonismen eingeflossen sind, die nur teilweise von Korrekturlesern beseitigt wurden.



4.Saxonismen in Mays Werken: Vorkommen - Art - Urheber


Im folgenden wollen wir uns die einzelnen Punkte, die die Saxonismen betreffen, also ihre Verteilung, spezielle Art u. ä. etwas genauer anschauen und - wenn möglich - feststellen, wer der Urheber sein könnte.

   In den in Sachsen erschienenen Schriften, z. B. bei Münchmeyer in Dresden, die auch dort gedruckt wurden, finden sich, was verständlich ist, ungleich mehr Saxonismen als etwa in den in Regensburg publizierten Hausschatz-Erzählungen oder in den Fehsenfeld-Büchern, verlegt in Freiburg i. Br., gedruckt z. T. oder ausschließlich in Stuttgart. Es finden sich aber Saxonismen auch z. T. noch in den grünen Bänden des Karl-May-Verlages, Radebeul bei Dresden, gedruckt in Leipzig, so z. B . in ›Weihnacht!‹: °wurde dafür von ihm mit dem grassesten Undank gelohnt.42a Ähnlich lesen wir (Er hatte) ... dem Verderben kühn in das grasse Angesicht geschaut. (WzG 51) Das kann durch unterschiedliche Setzer erklärt werden, aber auch durch andere Korrektoren. Innerhalb eines Werkes ist die Verteilung der Saxonismen bisweilen unterschiedlich, z. B. in ›Weg zum Glück‹ wimmeln manche Teile von Saxonismen, in anderen sind nur relativ wenige vorhanden. Dies kann ebenfalls


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durch verschiedene Setzer oder durch Wechsel der Korrekturleser bedingt sein. Diese beiden bis jetzt genannten Punkte geben also für unsere Ermittlungen nicht viel oder nichts her.

   Die Saxonismen sind auf bestimmte Sachgebiete konzentriert. Sie finden sich  n i c h t  oder kaum bei alltäglichen, viel gebrauchten Wörtern, deren Orthographie bekannt ist, wie etwa bei den Verben packen, beten, tanzen, drehen, kommen, gehen usw.; dagegen sind sie in folgenden Fällen mehr oder weniger stark vertreten:

   1) Bei lautmalenden (onomatopoetischen) Ausdrücken inklusive Jodlern: Pum-pum-derum! fiel unten die Musik mit Paukenschlägen ein, ärgert sich May über gestörtes Lauschen in ›Weihnacht‹,43 die beiden Nachtwächter blasen hingegen »Dut« und »Du-u-u-ut«,44 also nicht ›Tut‹. »Dschingterum« heißt es ›Weg zum Glück‹ 286. Gejodelt wird, wie schon erwähnt, mit »Holterroihoooo« und »Holderoijoooh« (WzG 6, 12).

   2) Bei Interjektionen (Ausrufen): »Abgemacht und pasta!« (WzG 1105); »pasta« für ›basta‹ kommt öfter vor (z. B. auch in ›WzG‹ 1345 und ›See‹ 434, 465). »Bst!« für ›pst!‹ wird keinem Geringerem als dem Präsidenten Benito Juarez zweimal in den Mund gelegt (Waldröschen 1140, vgl. auch WzG 558).

   3) Bei mehr volkstümlichen Ausdrücken: »Alberne Drine!« brummte der [bayrische] Müller leise. (WzG 1152); ...ein herrlich gebildetes Weib, welches sich aber sofort in einen riesigen Köder verwandelt (Quitzows 147); Runkelrübenbams und Rabunzerln (WzG 643 u. 264) laden zur Schmaußerei ein (WzG 714); als Medizin dient Baldriandincturen (WzG 619); Diensttagsladschen finden sich ›WzG‹ 114.

   4) Bei nicht sonderlich häufig gebrauchten Nomina: Zeißig (WzG 840); Schardeken (WzG 714, für ›Scharteken‹, alte wertlose Bücher); Deschin (WzG 1504, für ›Tesching‹, Luftgewehr, leichtes Gewehr) Meerrettig (Waldröschen 1476);

   5) Bei relativ selten gebrauchten Verben: Max glimmte ... den schmalen Steig empor (Scepter 505, statt ›klomm‹); »Ich habe ihm das Schulterblatt zerbocht« (Old Surehand III, 363);

   6) Bei der Beschreibung von Geräuschen: so hört man das leise, unterdrückte Dicken einer Uhr (WzG 1912) oder ein heißeres entsetzliches Brüllen (Juweleninsel 194); man wird ermahnt »nießet nur nicht« (DH-DH 907); ferner heißt es da hat sie ... gepiebt ... vor Zorn (WzG 320) und braußte der Diener auf (WzG 869, ähnlich: Einen blendenden Lichtkeul [!] vor sich herwerfend, braußte der Zug heran.45).

   7) Bei bestimmten Termini technici: vor allem bei Seemannsausdrücken (s. S. 233), Lockleine (See 690, statt ›Logleine‹); Schleuße


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bzw. Schleußen (WzG 217, 1673, 1683); mit Dressen auf dem Kragen (WzG 869, Dressen für ›Tressen‹ auch WzG 932); selbst in der Musik: Cympeln und die Harfen (WzG 49);

   8) Bei Fremdwörtern (hier sind die Saxonismen besonders grass): horrentes (See 561, DH-DH 1217); Allodria (WzG 586); brovocirt (Waldröschen 1186); Atobesstädte;46 Tschungeln Indiens;47 Hippopodamos (WzG 256, 270, = Hippapotamus, Flußpferd); Briganden (Waldröschen 34f., 39); Rastreator (Waldröschen 406, 409);

   9) Bei Fremdpassagen: Theadrum mundi (WzG 143); »daßt vor Freuden ... gleich ein Dedeum singen lassen willst« (WzG 505);

   10) Bei Eigennamen (hierbei z. T. Wechsel in der Schreibung): Personennamen: Sander/Santer (s. S. 257); Gualèche/Qualèche (s. S. 241); Sakundala statt ›[´S]akuntal[-a]‹ (s. S. 244) - bei Volksstammnamen: Yagui/Yaqui;48 Karakirchisen (DH-DH 1580) - bei Ortsnamen: Quayaquil (Tui Fanua 203, statt ›Guayaquil‹ (Ecuador)); Dscholumandela49 (WzG 892); auch bei fiktiven Ortsnamen: Trippsdrillen (WzG 685)

   Es ist wohl möglich, daß hier manches auf die Setzer zurückgeht, aber alles kann ihnen gewiß nicht angelastet werden.

   Ein besonders markantes Beispiel greifen wir noch heraus. In ›Mein Leben und Streben‹ ist ein Gedicht zitiert, das angeblich aus einer lateinischen Grammatik stammt, der das Titelblatt fehlt: Ein buer lernen muß, / Wenn er will werden dominus, / Lernt er aber mit Verdruß, / So wird er ein asinus.50 Daß May hier buer statt puer ›Knabe‹ mit b aus einer lateinischen Grammatik entnommen hat, ist unwahrscheinlich. Es könnte natürlich ein einfacher Druckfehler sein, aber es sieht eher nach einem Saxonismus aus; das Wort klingt an ›Bauer‹ an. Nun erschien das Werk in Freiburg i. Br. bei Fehsenfeld und wurde in Stuttgart gedruckt. Der Setzer hätte dann zufällig ein Sachse sein müssen, was nicht sehr wahrscheinlich ist.



Ein wichtiger Punkt zur Feststellung der Urheberschaft der Saxonismen ist der, daß sich viele Saxonismen häufig wiederholen, und zwar nicht nur innerhalb einer Schrift, sondern in verschiedenen Werken, die oft an unterschiedlichen Orten gesetzt und gedruckt wurden. Hier einige Beispiele:

   1) Der markanteste Fall ist wohl, daß bei May jemand ›ein Amt begleitet‹, nicht ›bekleidet‹. So heißt es: Wer war der ... Mann, der ... eine ... Polizeistelle begleiten mußte? (See 354); ähnlich: welch ein wichtiges Amt er in der Gemeinde begleitete (WzG 614); Er hatte ... seine Stelle verloren. Er war zu schwach, eine andere zu begleiten (WzG 819);


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dann aber, ab ›WzG‹ 827 steht plötzlich das richtige ›bekleiden‹ (so 881, 939). Vermutlich ist ab dort besser Korrektur gelesen worden - oder der Verfasser hat irgendwie festgestellt, wie es korrekt heißt.

   2) Ein weiteres immer wiederkehrendes Wort mit Saxonismus ist Wildpret (DH-DH 981, Waldröschen 1542 und anderswo; andererseits auch Wildbrethändler (Waldröschen 2069)).

   3) Summen und Arbeitslöhne sind bei May manchmal nicht ›horrend‹, sondern ›horrent‹ (See 561, DH-DH 1217).

   4) Die Personen bei May niesen in der Regel nicht, sie nießen (WzG 467); dazu Nießrich (WzG 467); vernießt (WzG 288); »nießest du«;51 »nießet nur nicht« (DH-DH 907).

   5) Reißig findet sich ebenso häufig (DH-DH 909, WzG 596 u. a.) wie blos (WzG 50, 596, 856u. a.) und Ambos (WzG 19, 256, 1328, Mein Leben und Streben 5); einem Zeißig (WzG 840) entspricht eine Jungfer Zeißig in ›Der Scheerenschleifer‹.

   6) Austern, Nüsse - und Schulterblätter - werden aufbocht bzw. zerbocht (WzG 406, Old Surehand III, 363).

   7) Typisch für May ist auch der Ausdruck lüderlich (WzG 131, 659); Lüderlichkeiten (WzG 1304); (dieser) lüderliche Bruder.52

   8) Bei May heißt es häufig das Bette, das Hemde, schlechter Kerle, ein gutes Herze u. ä.; zu den Stellen und dem -e s. S. 254.

   9) Der Satz Die Sakundala in der Hand kommt ›Juweleninsel‹ 226 und unverändert in ›WzG‹ 892 vor (s. S. 244).

   10) Zu grass statt ›kraß‹ (lat. crassus ›dick‹) s. S. 238).

   11) Auch über die Interjektionen bst! und pasta! wurde bereits gesprochen (s. S. 239).

   In allen diesen Fällen - oder wenigsten den meisten - dürfte es sich um  e i n e n  Urheber handeln, und das kann dann nur der Verfasser gewesen sein.

   Bei Eigennamen finden sich mehrfach Varianten, die auf sächsischen Dialekt hinweisen; so haben wir in ›Winnetou I-III‹ gewöhnlich Santer, in ›Winnetou IV‹ auch Sander; in ›WzG‹ kommt der französische Name Gualèche vor, der mit Qualèche wechselt. Zunächst wird eine Frau Director Gualèche eingeführt, und es wird noch extra angegeben, daß das Wort wie Galehsch gesprochen werde, was der Wurzelsepp (als Bayer) natürlich als Kalesch versteht; er macht ein Kalescherl (Wagen) daraus (WzG 295), ab S. 307 wird aber plötzlich Qualèche geschrieben (so auch S. 323, 334 u. a.). S. 2526 wieder Gualèche, dann S. 2532, 2543 Qualèche. Für diesen Wechsel kann man wohl kaum einen Setzer verantwortlich machen. Mays Gedächtnis war in dieser Hinsicht nicht brillant; so verwandelt sich der Name Silberstein unver-


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sehens in Silberberg, englisch Silverhill52a, was eine gute Parallele zu Gualèche/Qualèche bietet.

   Mitunter kommen Passagen vor, wo Fremdwörter von einfachen Leuten falsch verstanden werden, siehe Gualèche/Kalesch; dann sind oft Saxonismen im Spiel. So faßt der sächsische Feldbauer in ›Der Waldkönig‹ ›Rendezvous‹ als Rangtewuh53 also mit t auf; ähnlich wird ›Chapeau claque‹ (zusammenklappbarer Zylinderhut) als Schaboh klack verstanden (WzG 66). Hier dürfte ebenfalls klar May Urheber dieser Formen sein.

   May führte gelegentlich Briefe seiner Romanfiguren an, die in schlechter Orthographie gehalten sind. Hier wurden Fehler absichtlich hineingesetzt; diese Passagen sind so für weitere Erörterungen ziemlich unwesentlich. Man kann sich darauf beschränken, festzustellen daß hier häufig Saxonismen vorkommen. May sah dies aber wohl kaum als Saxonismen an, sondern eher als einfache orthographische Fehler. So schreibt der Steuermann Schubert in ›Juweleninsel‹ Badafia (326) für Batavia, Pompei (327), was sicher nicht Pompe(j)i bedeuten dürfte, sondern Bombay. Der Briefeschreiber schickt Daußend Grieße (327).

   Ähnlich zu beurteilen sind die witzig sein sollenden absichtlichen Verdrehungen von Wörtern, die May öfter seinen Figuren in den Mund legt, wobei offen bleibt, ob diese Personen dies bewußt scherzhaft tun oder unwissentlich - häufiger scheint das letztere der Fall zu sein. Der Schmied alias Musikdirektor Wenzel gebietet: »Silicium, zu Deutsch: Alle sollen die Mäuler halten« (WzG 1568), sofort danach bekräftigt er »Ich habe Sicilium sagt, und Ihr haltets Maul.«54 Colophonium wird zu Carliphonium verdreht (WzG 1333, 1334). Manches verknüpfte May mit einer Art Volksetymologie, z. B. Champagner wird als Schlammpanscher umgedeutet (WzG 405), aus Pantoffeln werden Panteufeln (WzG 429). May neigte zu solchen simplen Wortspielen und Kalauern; er hätte hier seinem Widersacher Arno Schmidt die Hand reichen können. So wird Literatur als Ein Liter Natur (WzG 732) verstanden, Philosophie als ›Viele so ein Vieh‹55 und dergleichen geistloses Zeug. Wir könnten darüber hinweggehen, aber diese Passagen stehen gelegentlich im Zusammenhang mit Saxonismen; sie sind insofern wichtig, als sie zeigen, daß diese Besonderheiten eben doch auf den Verfasser zurückgehen. Beispielsweise in ›Deutsche Herzen - Deutsche Helden‹ 829 findet sich eine Art Wortspiel mit p/b-Zusammenfall: »Daß ich ein prächtiger Kerl bin?« - »Ja, ein brechtiger Kerl, nämlich entweder zum Brechen oder zum Zerbrechen.« In ›WzG‹ 404 erklärt der bayrische Thalmüller das Wort Diplomaten volksetymologisch sächselnd: » ... solche große Herren nennt man doch die Dippelmaden; die dippeln


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überall herum, wo's in der großen Politiken mal einige Maden giebt.«56 In Passagen wie »daßt vor Freuden ... gleich ein Dedeum singen lassen willst«, eine Rede, die dem bayrischen Fingerlfranz in den Mund gelegt wird (WzG 505), muß offen bleiben, ob May hier absichtlich das Tedeum sachsifizierte oder nicht. Notiert werden sollte es jedenfalls.

   Bei Eigennamen und fremdsprachlichen Ausdrücken, die bei May vorkommen und des Saxonismus verdächtig sind, liegen die Verhältnisse teilweise so, daß May die Formen fertig übernommen hat. Entweder stammen sie so von einem anderen Sachsen, sind Druckfehler oder aber - wohl häufiger - handelt es sich dann gar nicht um Saxonismen. Man muß bedenken, daß auch aus verschiedenen anderen Gründen ein Wechsel von etwa p und b, t und d usw. vorkommen kann. Hierfür einige Beispiele:

   May gebraucht so mehrfach das Wort Athabaskah;57 in ›Winnetou IV‹ kommt ein Mr. Athabaska vor, ein symbolhafter Vertreter einer großen nordamerikanischen Sprachfamilie. Der Name kommt von Cree (genauer Woods Cree, einer Algonkin-Sprache) a[-d]apaskaaw ›(where) there are plants one after the other‹ und bezeichnet zunächst einen See, Lake Athabaska (oder Athabasca) in Alberta und Saskatchewan (Kanada), dann eine Gruppe der Chipewyan (K'estai[-l]hot'ine) und schließlich in der Verallgemeinerung einen ganzen Sprachstamm. Im Cree kommt nun ein Phonem /p/ vor, kein b; aber zwischen zwei Vokalen werden Verschlußlaute wie p unter bestimmten Bedingungen stimmhaft, was hier der Fall ist; und so schreibt man beliebig Athapaskan, Athabaskan bzw. athapaskisch, athabaskisch. Die Amerikaner sprechen das Wort allgemein wie [æthöbäskön ] aus, also mit b. Hier kann also bei May, wenn er b setzt, von einem Saxonismus keine Rede sein.

   In ›Weihnacht‹ 544 schreibt May: »Er [Winnetous Vater] hat das Geheimnis [des Finding-hole] von einem Krieger des Panackstammes erfahren ... « Panack kommt auch S. 548 und 550 vor. May hat den Namen wohl aus Gatschet58, der »Pa-nasht oder Bonnacks« gab. Es handelt sich um den Stamm der Bannock, ursprünglich in Oregon, später in Idaho ansässig. Das Bannock ist ein Dialekt des Northern Paiute und dem Shoshone eng verwandt; beide bilden zusammen mit Comanche, Mono, Panamint, Kawaiisu und Ute den sogenannten numischen Zweig59 des Uto-Aztekischen. Wenn May aus Gatschets ›Bonnack‹ (statt Bannock) ein ›Panack‹ macht, dürfte ein Saxonismus vorliegen. Aber das Seltsame ist hier, daß der Name Bannock - mit b - aus der Bezeichnung des Northern Paiute für die Bannock, nämlich pannakwati stammt,60 das also mit p anlautet. Die Shoshonen nennen die Ban-


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nock pannait[-i] und die Gosiute (West-Shoshone-Dialekt) painaneht[-i], also überall p-Anlaut. Weil dieses p nicht aspiriert ist, hat man in Unkenntnis der Tatsachen ein b daraus gemacht. Das konnten damals weder Gatschet noch May wissen. Mays p ist hier also ein reiner Zufallstreffer!

   Wenn May als Eigennamen eines Apachen Pesch endatseh ›Langes Messer‹ gibt,64 und man weiß, daß ›Messer‹ im Südathapaskischen (Navaho, West-Apache, Chiricahua, Mescalero) béésh ist, also anlautendes b hat, so liegt in diesem Fall kein Saxonismus Mays vor, denn May hat hier aus Gatschet geschöpft, der selbst pesh, also p-Anlaut bot.62

   May bringt zweimal in einem Gedicht den Passus Die Sakundala in der Hand (Juweleninsel 226, WzG 892). Wahrscheinlich liegt hier ein Saxonismus vor. Altindisch (Sanskrit) [´S]akuntal[-a]63 ist ein Frauenname, speziell der Name einer Apsaras (Nymphe aus Svarga, einer Art Himmel des Gottes Indra), zugleich Titel eines berühmten Sanskrit-Dramas von K[-a]lid[-a]sa. Alle älteren Übersetzungen bieten Sakuntala bzw. Sakontala.64 Dennoch wäre es möglich, daß May aus einer Quelle geschöpft hat, die Sakundala gab. Eine Aussprache des Namens mit nd ist unter Umständen nicht in jedem Fall falsch. Im Tamil, der bekanntesten dravidischen Sprache (in Südindien und nördlichen Sri Lanka) wird die Kombination nt stets wie nd gesprochen. Es ist zwar unwahrscheinlich, daß dies hier mit eingeflossen ist, aber zu erwägen ist es doch.65

   So muß bei fremdsprachlichen Ausdrücken von Fall zu Fall geprüft werden, was vorliegt.


In manchen Fällen, wo man Saxonismen vermuten mag, können auch unter Umständen alte Orthographieregeln oder Schreibgewohnheiten vorliegen, die nicht mehr mit dem, was jetzt durch Duden usw. festgelegt ist, übereinstimmen. May schreibt so die Nachsilbe -nis praktisch ständig -niß. Die in Band 34 »Ich« abgelichteten Dokumente bieten entsprechend »Zeugniß«, also mit ß bzw. auch ss.66 Ähnliches liegt möglicherweise vor bei Schreibungen wie Brod (WzG 297, 583 u. a.), Brödchen (WzG 1090), Päcktchen (WzG 4), Packet usw. Das müßte noch genau überprüft werden.

   Hier kann auch erwähnt werden, daß May gelegentlich Schreibungen übernahm, die uns jetzt seltsam erscheinen. So dürfte Jogui mit ui alte französische Umschrift darstellen (WzG 891) für Yogi, der natürlich nicht speziell ein Priester Wischnu's (WzG 891) ist, sondern allgemein ein Anhänger des Yoga, ein Mensch, der Yoga ausübt.67


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   Des weiteren sind zu erwähnen allgemein vorkommende Irrtümer und Fehler in der Orthographie, die bisweilen auch mit Saxonismen zu tun haben mögen. Hier zwei Beispiele ohne Saxonismen: Bramah, Bramahne (WzG 892), statt ›Brahm[-a]‹, ›Brahmane‹, vielleicht nur Druckfehler, vielleicht soll das h auch den Langvokal andeuten.68 Dazu der unausrottbare Fehler Orang-Utang (WzG 1111).69

   Dazu kommen schließlich Fehler des Setzers, wo man unterscheiden muß zwischen reinen Druckfehlern und solchen, wo der Setzer das Manuskript falsch gedeutet hat - beides ist nicht immer klar erkennbar, und auch der Autor mag in manchen Fällen einfach geirrt haben. So steht: Hundwerk für ›Handwerk‹ (WzG 1496); einmal heißt es lockte die Aufmerksamkeit (WzG 820) statt ›lenkte‹, rauch (WzG 1333) statt ›rauh‹. Bei pflegmatisch (WzG 620) mag unbewußte Assoziation im Spiel gewesen sein. Hier hatte wohl nur der Druckfehlerteufel seine Hand dabei. Wenn es aber z. B. in ›Tui Fanua‹ (205 und anderswo) Kais lautet statt des richtigen ›Kris‹ (malaiischer Dolch), so dürfte dies darauf zurückzuführen sein, daß der Setzer Mays r in deutscher Schrift mit einem a verwechselt hat.

   Dies alles muß bei Beurteilung von Saxonismen mit in Erwägung gezogen werden, und es ist, wie erwähnt, oft nicht leicht herauszufinden, was in den einzelnen Fällen zutrifft.



4.1Die wichtigsten Eigentümlichkeiten des Sächsischen, gespiegelt in Mays Werken


Wir wollen nun die wichtigsten sprachlichen Züge des Sächsischen systematisch im Zusammenhang mit Mays Werk durchgehen, auch wenn die Eigenheiten dieses Dialektes vielfach bekannt sind und weiter oben schon verschiedenes gebracht wurde. Wiederholungen lassen sich, will man alles beleuchten, leider nicht vermeiden.

   Das Sächsische, genauer Obersächsische, gehört mit dem Thüringischen, Schlesischen und Hochpreußischen (letzteres früher in westlichen Teilen Ostpreußens) zum Ost-Mitteldeutschen. Von Sachsen ging die neuhochdeutsche Schriftsprache aus, eng verknüpft mit der Bibelübersetzung Martin Luthers.

   Das Hauptcharakteristikum des modernen Sächsischen - im Gegensatz zum Schrifthochdeutschen und vielen deutschen Dialekten - besteht im Fehlen von verschiedenen sogenannten phonemischen Oppositionen, d. h. Gegensätzen lautlicher Art, die bedeutungsunterscheidend sind. So liegt der Bedeutungsunterschied zwischen den Verben


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›backen‹ und ›packen‹ allein in der Differenzierung von /b/ und /p/.70 Ähnlich aufzufassen ist der Gegensatz von g und ch in ›Reigen‹ und ›reichen‹, von ie und ü in ›Tier‹ und ›Tür‹ usw., oder von eu zu ei in ›Keule‹ und ›Keile‹. Im Sächsischen wird in diesen und zahlreichen anderen Fällen kein Unterschied getroffen, sondern die Formen fallen lautlich zusammen, so daß es viele gleichklingende (homonyme) Wörter gibt (wie z.B. in hochdeutsch ›heute‹ und ›Häute‹, ›Lehre‹ und ›Leere‹). Dieser Zusammenfall klingt natürlich für jeden, der das Standardhochdeutsche als Muttersprache spricht, höchst komisch, ja lächerlich, weil man z. B. einen Kuchen backen und einen Koffer packen wird und nicht für beides das gleiche Verb gebraucht. ›Mantel‹ ist etwas ganz anderes als ›Mandel‹, und ›Kinder‹ klingt im Hochdeutschen ganz anders als ›Günter‹. Dies ist der Grund, weshalb man den sächsischen Dialekt sehr treffend als ›breiig, verwaschen, schwabbelig‹ bezeichnet, und dies ›Verwaschensein‹ bildet die Quelle für ungezählte Witze und Anekdoten.71 Hier ein besonders charakteristischer Witz:

   Klein-Röschen macht Schularbeiten. »Babba, was for'n Ardigl sedsd mer vor Lehm?« - »Also das gommd ganz druff an, Reeschen. Der Lehm is, womid de Dischlr Dische lehm, die Lehm sin die Geenje der Wüste und das Lehm is das, von dem der Dichder sagd: ›Een freies Lehm fiehren wir.‹«72 (Geenje = Könige)

   Es soll angeblich sogar Sachsen geben, die wegen ihres Dialektes ›Rebublig-Fluchd‹ begehen; so erwähnt Lewe einen Sachsen, der die Heimat verläßt, weil er »diesen Dialeggd nich mähr erdraachn gönne.«73

   May aber liebte seine Heimat, die Menschen dort und den Dialekt offensichtlich. So heißt es ›Deutsche Herzen - Deutsche Helden‹ 833: »Die Sachsen sind gute Menschen. Sie thun nicht leicht Jemandem Etwas.« Und in ›Waldröschen‹ 1416 schwärmt der Gastwirt Pirnero: »... Pirna. Das ist die schönste Stadt in der ganzen Welt. Sie ist berühmt wegen ihrer schönen Sprache ...« Pirna steht hier gewiß für Sachsen allgemein. Es scheint fast so, als ob durch das Sächsische selbst das Negativste gemildert werde, sogar der Tod am Marderpfahl (See 674) scheint etwas von seinem horrenten Schrecken zu verlieren.


4.1.1.Konsonantenschwächung


Die auffälligste Erscheinung des Fehlens einer Opposition (Gegensatzes, Unterschiedes) ist die bei den Verschlußlauten p und b; t und d; k und g, die sogenannte Konsonantenschwächung, die es auch sonst in deutschen Dialekten vielfach gibt, doch nicht in so extremer, auffäl-


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liger Weise wie im Sächsischen.74 Die Konsonantenschwächung soll etwa im 15. Jahrhundert eingesetzt haben und beinhaltet, wie mehrfach erwähnt, das Zusammenfallen von den stimmlosen, ›harten‹ (fortis) Konsonanten p t k mit den entsprechenden stimmhaften, ›weichen‹ (lenis) Konsonanten b d g. So werden ›Peter‹ und ›Beter‹, ›Torf‹ und ›Dorf‹, ›Kreis‹ und ›Greis‹ nicht voneinander unterschieden. Die Sachsen sprechen jeweils Mittellaute zwischen p/b, t/d, k/g, die stimmlos, aber ›weich‹ sind, die sogenannten stimmlosen Mediae, die es auch im Standardhochdeutschen gibt, aber dort nur in bestimmten Stellungen, so nach s, z. B. in ›Sprache‹, ›Straße‹, ›Scooter‹75 oder im Silbenauslaut wie in ›abgeben‹, ›radfahren‹, ›weglaufen‹.76 Das p in ›Sprache‹ ist nicht gleich p in ›Pater‹ und nicht gleich b in ›Bader‹, sondern steht dazwischen, und genau diesen Laut artikulieren die Sachsen grundsätzlich bei p  u n d  b. Bei t/d und k/g verhält es sich genauso. Insofern ist es inkorrekt zu sagen, die Sachsen ›verwechseln‹ p und b usw.; richtig ist die Aussage, ›sie unterscheiden p und b nicht‹. Wenn aber ein Sachse, für den ›Karten‹ und ›Garten‹ dasselbe ist, Hochdeutsch sprechen oder schreiben soll, muß er den Unterschied erlernen - was ihm Mühe bereitet und ihm beim Sprechen meist nicht gelingt; und dann verwechselt er beim Schreiben tatsächlich t und d usw., d. h. er schreibt t, wo d stehen muß und umgekehrt, und dies umso mehr, wenn die Alternative auch einen Sinn ergibt. So ist das bei May häufige ›er begleitete ein Amt‹ ein an sich durchaus mögliches Bild, das dem ›er bekleidete ein Amt‹ kaum oder nicht nachsteht. Dies Beispiel ist besonders markant, weil hier gleich zwei Konsonanten ›vertauscht‹ werden, ähnlich bei ›Pater‹ und ›Bader‹.77


D i e  L a b i a l l a u t e  p  u n d  b :  Die Witze der ›Verwechslung‹ von p und b reichen von der empörten Behauptung eines Sachsen, es seien jetzt sogar Geistliche unter den Terroristen - es gäbe doch die ›Bader-Meinhof-Bande‹ (er versteht ›Pater‹ statt ›Bader‹) bis zum ›Ballasd der Rebublig‹ in Ost-Berlin. Genau dieselbe Verdrehung mit umgekehrtem Vorzeichen passierte May in ›Wanda‹ »denn der Palast wird mit ausgeschüttet werden«78 (aus einem Ballon). Ferner (allgemein): In der Oper. Tannhäuser. Die Rom-Wallfahrer treten auf, in der härenen Kutte. »Billcher-Gohr!« flüstert Herr Frisch seiner Frau zu. »Na, das siehd man ja gleich an der Gleidung,« flüstert sie zurück, »daß das ä billcher Gohr isd.«79

   Hochdeutsch und fremdsprachlich p, bei May b: er wird mit aller Gewalt brovocirt (Waldröschen 1186); behaubtet (Waldröschen 947); Runkelrübenbams (WzG 643); Rabunzerln (WzG 264; »Sie [Austern]


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werden aufbocht wie die Nüssen« (WzG 406); »Ich habe ihm das Schulterblatt zerbocht« (Old Surehand III, 363); »da hat sie ... gepiebt ... vor Zorn« (WzG 320); »Bst!« unterbrach ihn Juarez (Waldröschen 1140, aber »Pst«, Waldröschen 803); »... bst, bst!« (WzG 558); Ein buer lernen muß ... (Mein Leben und Streben 68); Sebastebol (WzG 727, zweimal, vielleicht nur scherzhaft für Sewastopol); ›Chapeau claque‹ wird verstanden als Schaboh klack (WzG 66); ›Corpus delicti‹ versteht der Wurzelsepp (scherzhaft?) als Korbus infecti (WzG 1744).

   Hochdeutsch und fremdsprachlich b, bei May p: in Pausch und Bogen (WzG 834, zweimal); Sie trug ein weitpauschiges, grasgrünes Kleid (WzG 1120); Palast (für ›Ballast‹, Wanda 655); Plessur (Juweleninsel 194); Wildpret (DH-DH 981, Waldröschen 1542, aber Wildbrethändler (Waldröschen 2069)); Cympeln und die Harfen (WzG 49); Prise (Scepter 479, 611); stramme Priese (See 786); Drehpasse (See 612, 771, aber Drehbassen (Waldröschen 239, 749, 822)); douplirt (Juweleninsel 301, See 775); Pum-pum-derum (Weihnacht 227); »Abgemacht und pasta!« (WzG 1105); »Milka heiße ich, damit pasta!« sagt Milka Radovec, wohl eine Tschechin oder Slovenin (WzG 1735); knupperte an einer Nuß (WzG 142, = knabberte); Er schaffte mit Hilfe der beiden Andern die Plessirten hinein. (WzG 2461, aber blessirt (WzG 2480)).

   Reime mit p/b, etwa ›glauben‹ und ›Raupen‹ o. ä. sind nicht zur Verfügung.


D i e  D e n t a l l a u t e  t  u n d  d :  Für die Verwechslung von t und d gibt es bei May ebenfalls viele Beispiele. An Witzen wäre dazu - allgemein anzuführen: Der von dem Vopo, der auf die Antwort eines Reisenden: »Dankwart«, ärgerlich erwidert: »Ich hab Sie nachem Vornamen gefrachd, nich nach dem Beruf.« - oder: »Wo machsde denn hin, Reeschen?« - »In de Dornschdunde, Babba.« »Na, da bisde ja n richdjes Dornreeschen »80

   Hochdeutsch und fremdsprachlich t, bei May d: Tod am Marderpfahl (See 674); ... das leise, unterdrückte Dicken einer Uhr (WzG 1912, 7 Zeilen später aber: Es tickte eine Uhr, und: Tiken einer Uhr (WzG 91)); Scheidel (WzG 227); Köderhund (WzG 300); Köder (Quitzows 147); Gefährde (See 737); ein durchdrieben Geschöpferl (WzG 296); Diensttagsladschen (WzG 114); Baldriandincturen (WzG 619); »Alberne Drine« (WzG 1152); Leni wurde mit Blumen und Kränzen fast überschüttet. Sie konnte in ihnen förmlich waden. (WzG 2551).

   Hochdeutsch und fremdsprachlich d, bei May t: HerrJoseph Brendel ... wird präsitiren (WzG 2551); ein horrentes Vermögen (WzG 2173); dieses horrente Geld (WzG 2239); horrenten Arbeitslohn (DH-DH


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1217); der Krikelanton verkauft Schnupftoserln (WzG 185); Rinalto Rinaltini sagt ein österreichischer Baron von Alberg (WzG 1756); Rastreator (Waldröschen 406, 409, aber Rastreador (Waldröschen 457)); besonders erheiternd ist es, daß neben Köder für ›Köter‹ (s. S. 239) auch umgekehrt Köter für ›Köder‹ vorkommt: »... so werd ich doch durch Geduld und guten Köter ihn endlich noch überlisten.« (WzG 1791, jedoch findet sich auch zweimal richtig Köder (WzG 1820)).

   Reime, in denen t mit d gereimt wird (dies kommt auch sonst gelegentlich bei Dichtern vor): »Ich verkünde große Freude, /.../ Denn geboren wurde heute ...« (Weihnacht 10 u. a. ); »Suchtest du noch im Verscheiden / Droben den Erlösungsstern, / Wird er dich zur Wahrheit leiten / Und zur Herrlichkeit des Herrn.« (Weihnacht 51, 617 u. a.); »Ich bin mit meinem Leide / So einsam und allein, / Und möcht an ihrer Seite ...« (Juweleninsel 288); »... Und können weder vorn noch hinten / Die goldene Bonanza finden ...« (Old Surehand III, 325); ferner wird gereimt Accorde mit Pforte (WzG 894); herunter mit Plunder (WzG 550); hinten mit binden (Schatz im Silbersee 393).


D i e  V e l a r l a u t e  k  u n d  g :  Bezüglich des intervokalischen (zwischen zwei Vokalen stehenden) ›g‹ ist eine Besonderheit zu merken, s. S. 251. - In einem politischen Witz kommt als Antwort auf die Frage des Schulungsleiters, welche Völkerschaften dem großen Brudervolk am liebsten seien: »Die Griechen« (d. i. ›die (die) kriechen‹). Ein weiteres Beispiel ist die Mahnung eines Sachsen an seine Kinder, ihre Kinder nicht Günter zu nennen; dies ist zugleich ein Beispiel für i statt ü und für t/d-Zusammenfall: »Gindr! Nennd eire Gindr nicht Gindr! Sonsd, wenn'r ›Gindr‹ rufd, gomm'n alle Gindr, bloß nich eier Gindr!«81

   Hochdeutsch und fremdsprachlich k, bei May g: Max glimmte ... den schmalen Steig empor ((Scepter 505; statt ›klomm‹); Wergraum (Waldröschen 236); hatte ... dem Verderben kühn in das grasse Angesicht geschaut (WzG 51); wurde aber dafür von ihm mit dem grassesten Undank belohnt (Weihnacht 40); Yagui/Yaqui (vgl. Anm. 48).

   Hochdeutsch und fremdsprachlich g, bei May k, ck, q: Das Feuer bildete eine einzige gewaltige Lohe ... Sie versenkte die Kleider ...82 Lockleine (See 690, statt ›Logleine‹); Zwetschken (Waldröschen 1163); Schlinkelschlankel (WzG 74; aber auch Schlingel, Schlangel WzG 287); Quayaquil (Tui Fanua 203); Forte del Quadeloupe (Waldröschen 379); er klotzte sie an (WzG 2567); Qualèche (s. S. 241).

   Reime mit k/g fehlen.


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Erwähnt wurde bereits, daß May sich dieses markanten Zuges der Konsonantenschwächung wohl nicht voll oder sogar gar nicht bewußt war, denn dann, wenn er absichtlich Sächsisch wiedergibt, kommt diese Besonderheit überhaupt nicht zum Tragen. Hier einige Passagen des Celloisten Vogel: »Sapperlot! Is das nich der Dres'ner Doktor, der meine Kinder nach Dres'en mitgenommen hat?« ... »Nich nur Amerikaner, sondern ooch Millionärsch sind wir geworden; denken Sie sich nur, die reenen faktischen Millionärsch. ...« »Na, eegentlich ja; wie man's nimmt. Er hat uns mit der Nase droffgestoßen; aber daß wir nachher mit der Nase droffgeblieben sind, das war die Folge von unserer eegenen und angeborenen Pfiffigkeet. Doch darum keene Feindschaft nich. Zu was treiben denn Sie sich hier in Amerika herum?« (Satan II, 233f.) In ›Freuden und Leiden eines Vielgelesenen‹ belauscht May vier junge Burschen: »Es is richtig, ganz richtig! Mer ham uns nich verloofen! Siehste denn nich die großen, goldnen Buchschtaben da droben, Du Dummkopp, Du? Das heeßt ›Villa Schschschatterhand‹. Mer sin also an Ort und Schtelle! Itzt kannste klingeln!« - - »Nee, ich nich!« - - »Warum denn nich?« - - »Ich fürcht mich so.« - - »Unsinn!« Er wird Dich nich beißen! Hast's doch gelesen, was für een guter Kerl er is!« (2). - Der Hobble-Frank führt sogar einen Streit um die Aussprache des Wortes ›meistenteils‹, das unterschiedlich als mehrschtentheels, mehrschtenteils und meistenteels angegeben wird.83 Man erwartet eigentlich ›meerschdendeels‹.

   In ›Quitzows‹ kommen zwei Brüder vor, Kaspar und Peter Liebenow, die beide kein b aussprechen können; Kaspar bemerkt dazu: »... aper der Peter war ein ganzer Kerl und fast nach mir gerathen. Er hatte nur einen Fehler, und den hape ich ihm nie apgewöhnen können, nämlich er sprach das sanfte p grad' so aus wie das scharfe p und prachte nicht einmal seinen eigenen Namen Liepenow richtig üper die Zunge, denn er sprach ihn stets nur Liepenow, und es muß doch heißen: Liepenow. Ich hape mir viel Mühe mit ihm gegepen, aper es ist umsonst gewesen, denn der Fehler stammt von unserm Vater, der auch immer Pruder statt Pruder gesagt hat und Paum statt Paum.« (225) Es wird nicht erwähnt, daß es sich hier um Sachsen handelt. Ähnlich schildert May in ›Scepter/Juweleninsel‹ einen Kavalleristen namens Thomas Schubert, einen Norländer; dieser »hatte es in seinem ganzen Leben niemals fertig gebracht, ein B auszusprechen, so daß sein eigener Name in seinem Munde nicht anders als Schupert klang.« (Scepter 21). Dies wird so als Sprachfehler interpretiert, nicht als Dialekteigentümlichkeit. Inkonsequenterweise bezieht sich dieser ›Sprachfehler‹ nur auf b, nicht auf d und g.84


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   Bei diesem Sachverhalt wird man unwillkürlich an einen Witz erinnert: Sächsische Touristen besuchen ein bayrisches Bauerntheater. Sie sind stark beeindruckt. Am Schluß des Stückes flüstert Frau Pietzsch ihrem Mann zu: »Eechendlich schade, daß mir geen Dialeggd ham!«85

   In Briefen mit absichtlich falscher Orthographie kommen, wie bereits S. 242 erwähnt, Saxonismen vor, z. B. Krohnenpauer (WzG 1785, 1787); Weip (WzG 1787), hindren (WzG 1787, für ›hinteren‹).

   Merkwürdigerweise wird die Verwechslung von zumindest k und g von May notiert beim Deutschsprechen eines Italieners, des Concertmeisters Rialti in WzG. Dieser sagt »Guten Morken« (WzG 137); »bekraben« (WzG 237); »kut« (WzG 138) mit k für g, aber »gennen« (WzG 137; »Gönik« (WzG 171) mit g für k, obgleich das Italienische deutlich zwischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten unterscheidet, wenngleich die stimmlosen Konsonanten nicht aspiriert (behaucht) sind wie im Hochdeutschen. Über allzu große Kenntnis des Italienischen verfügte May wohl nicht, denn er läßt Rialti einmal »ßteichen« sagen für ›steigen‹ (WzG 467); ein reiner Saxonismus, denn ein ch der Aussprache wie in ›reichen‹ kommt im Italienischen nicht vor.


4.1.2.Spirantisierung (g, k und ch):


Sehr charakteristisch für das Sächsische ist ferner die Aussprache ch für standardhochdeutsches g in der Stellung zwischen zwei Vokalen (intervokalisch), gelegentlich auch sonst, besonders dann, wenn ein Vokal verlorengegangen ist. Hier fällt g also nicht mit k zusammen, sondern mit ch. ›Ziege‹ ist so  n i c h t  gleich ›Zieke‹, sondern wird wie ›Zieche‹ gesprochen.86 Der Zusammenfall von Wörtern unterschiedlicher Bedeutung ist hier nicht weniger putzig, z. B. ›Reigen‹ und ›reichen‹, ›zeigen‹ und ›Zeichen‹ »billiger‹ wird so ›billcher‹ gesprochen und fällt mit ›Pilger‹ zusammen, s. den Witz S. 247. Der Sachse, wenn er hochdeutsch spricht und schreibt, muß den Unterschied gelernt haben, sonst verwechselt er beide Konsonanten leicht; er schreibt ch für g und auch umgekehrt g für ch, was besonders lächerlich wirkt. So findet sich bei May (WzG 1444) Weigensteller für ›Weichensteller‹. Man nennt solche Schreibungen ›hyperkorrekte‹ Formen. Der Gedanke dabei ist der: In der Standardsprache entspricht einem dialektischen ch oft ein g, aber nicht umgekehrt. In ›Weichensteller‹ wird nun ›korrekt‹ ein ch artikuliert. Wenn ein Sachse daraus dann ein g macht, das niemand spricht, so ist das ›hyperkorrekt‹. - Bisweilen wechseln so k und ch für g in den Texten, etwa Zwetschken (Waldröschen 1163), Zwetschchen (WzG 654) für ›Zwetschgen‹.


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   Hochdeutsch und fremdsprachlich g, bei May ch: »Keiner taucht was« (WzG 320); Zwetzschchen (WzG 288); Karakirchisen (DH-DH 1580, Volksname) neben Kirgis-Kaisaken (DH-DH 1580); gichen = ›gegeigt‹ (WzG 512), soll betont Dialekt (bairisch) sein. ßteichen (WzG 467); bucklichen (WzG 1852).

   Hochdeutsch ch, bei May hyperkorrekt g: Meerrettig (Waldröschen 1476); Weigensteller (WzG 1444), neben korrekt Weichensteller (Waldröschen 2276); »Weig fort!« (WzG 2002); »Weig aus! Er schießt!« (WzG 2003); beabsigtigte (WzG 1011, Druckfehler?); Auf dem Fenster stand eine dickbäugige, staubige Flasche. (WzG 2356)

   Dieser Zusammenfall von g und ch findet sich sehr häufig in Reimen; die Schreibung ist aber korrekt. Das ›Waldröschen‹ beginnt mit folgendem Vers: O, wende deine Strahlenaugen / Von meinem bleichen Angesicht; / Ich darf ja meinen Blick nicht tauchen / Zu tief in das verzehrend Licht. (1) Ferner: Zu Helden werden die Feigen. /... / Er weiß ja, er kann nicht entweichen (Waldröschen 747); »O laß Dir nicht zu Herzen steigen / Die lang verhaltne Thränenfluth. / Wiß, daß grad in den schmerzensreichen / Geschicken tiefe Weisheit ruht, / ...« (WzG 1585).

   Eine Besonderheit liegt vor bei Brieftaschenportföllchen (WzG 677), Brieftaschenportföllgen (WzG 680), scherzhaft gesagt zu ›Portefeuille‹, gesprochen ›portföj‹.


4.1.3.Labialwechsel


W e c h s e l  b / f / v / w / p f :  (Bei diesen Schreibungen kann es sich um Druckfehler handeln; die Einzelheiten sind unklar).

   Hochdeutsch b, bei May f, pf: »Speckgriefen« (WzG 299); »Wann der Auerhahn pfalzt« (WzG 2511).

   Hochdeutsch bzw. fremdsprachlich f bei May v: »Converenz« (WzG 1352, sagt ein Bayer); »daß der Kopf ein vingirter ist ...« (›vingirt‹ für ›fingiert‹ kommt dreimal vor, WzG 1483).

   Der Dorfname ›Slowitz‹ wird einmal ›Slobitz‹ . geschrieben (WzG 1386, mit ›w‹ u. a. WzG 1337).

   Absichtlich falsche Schreibungen in Briefen des Samiel: Awand (WzG 1787, für ›Abend‹); davier (WzG 1785).


4.1.4. ß und s


Ein weiteres Charakteristikum des Sächsischen, das allerdings auch in anderen Dialekten zutage tritt, ist die grundsätzlich stimmlose Aussprache des s, das also mit ß zusammenfällt. Zwischen ›reisen‹ und


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›reißen‹, ›Weise‹ und ›Weiße‹, ›Muse‹ und ›Muße‹ ist so kein Unterschied; dementsprechend werden s und ß (auch ss) häufig verwechselt. So hört man bei May das Braußen eines Wasserfalls, das Singen eines Zeißig, ein heißeres Knurren und dergleichen. Der Autor hatte wohl nicht ›Muse‹ genug, alle Fälle zu kontrollieren - oder waren die Setzer verantwortlich? Um ›blosen Zufall‹ kann es sich kaum handeln; hat sich der Autor hier doch eine ›Blöse‹ gegeben? Aber ›das beweißt noch nix!‹

   Im Auslaut kommt auch im Standardhochdeutschen nur stimmloses s vor; dennoch werden s und ß unterschieden: zwischen ›bis‹ und ›biß‹ ist lautlich kein Unterschied. In Mays Werken gehen s und ß auch hier ziemlich oft durcheinander.

   Hochdeutsch ß, bei May s: Im Inlaut zwischen Vokalen: Blöse (Old Firehand 238,WzG 795); blosen Zufall (WzG 856, 1234); Schultheise (WzG 614, aber Schultheißen (WzG 615)); Muse (See 404); »Endlich finde ich Muse« (WzG 2554) - im Silben- und Wortauslaut: blos (WzG 50, 596, 1335, 1361 u. a.); bis (WzG 818, = biß); Ambos (WzG 19, 256, 1328, Mein Leben und Streben 5); Giesbaches (WzG 1); ein Bisle (WzG 22, 543).

   Hochdeutsch s, bei May ß: Im Inlaut zwischen Vokalen: Ein leises, heißeres Knurren ließ er hören (WzG 1892); ein heißeres entsetzliches Brüllen (Juweleninsel 194); als Geißel gebrauchen;87 Verließen (Juweleninsel 64, zu ›Verlies‹); Schmaußerei (WzG 714); braußenden (See 691); »nießet nur nicht« (DH-DH 907); Reißigholz (WzG 596); Kirmeßzeit (WzG 2006) - im Silben- und Wortauslaut, auch vor t: lößt sich ... auf (WzG 1545); er pußtete kräftig (WzG 287); vernießt (WzG 288); Nießrich (WzG 467); bließ (WzG 1347, aber blies (WzG 1348)); braußte der Diener auf (WzG 869); braußte der Zug heran (Old Firehand 141); vorübergesaußt (See 593); Käß und Brod (WzG 1463); - die Nachsilbe -nis wird nahezu ständig -niß geschrieben: Und welch eine Kenntniß indischer Zustände entwickelte er! (WzG 895); Geheimniß (WzG 1192); Hinderniß (WzG 885); vgl. hierzu aber S. 244.


4.1.5. Einige Besonderheiten bei den Konsonanten:


Einige Besonderheiten bei der Schreibung von Konsonanten sind zu vermerken; hier mag es sich meist um Druckfehler handeln.

   Einmal haben wir sch für j; bei »Scatmatsches« für ›Skat-Matjes‹ (WzG 1175, zu ›Matthias‹). Vielleicht absichtlich scherzhaft.

   Mehrfach steht tz, wo z gesetzt werden müßte, so Heitzer (See 500); Kautz (WzG 1314); anschnautzen (WzG 572, 617); umgekehrt: krazte (WzG 1332, für ›kratzte‹).


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4.1.6. Vokallänge


Mit dem Verlust des Unterschiedes Kurz- und Langvokal (wie in ›Kamm‹ zu ›kam‹, ›Herr‹ zu ›Heer‹, ›bitten‹ zu ›bieten‹, ›hoff‹ zu ,Hof‹, ›Rum‹ zu ›Ruhm‹) hängt es zusammen, daß bei May Schreibungen mit Doppelkonsonanz (an sich vorangehender Vokal kurz) für einfachen Konsonanten (an sich vorangehender Vokal lang) und umgekehrt vorkommen:

   Hochdeutsch l, bei May ll: Hallunk (WzG 24 u. a.); Bohnensallat (WzG 264); Sallat (WzG 1975).

   Hochdeutsch m, bei May mm: Kommet (WzG 1862, für ›Komet‹).

   Hochdeutsch tt, bei May t: Bret (WzG 233, dreimal); Staffetenreitern (WzG 1171, zu ›Stafette‹). Vielleicht nur Druckfehler.

   Hochdeutsch ß, bei May ss: Erfindung einer müssigen Phantasie (WzG 1086); aus müssiger Neugierde (WzG 1706); müßig (WzG 2203, aber in müßigen Stunden (WzG 1721); spaßen (Juweleninsel 137).

   Hochdeutsch ss, bei May ß, ss: Bußerl (WzG 164); Bußeln, Busseln (WzG 9).

   Doppelvokal für einfachen Vokal: Loose (WzG 1746); Schlooßen (WzG 519, aber Schloßen, WzG 997: zu ›Schloße‹, bes. Mitteldeutsch für ›Hagelkorn‹).


4.1.7. -e im Auslaut


Auslautendes -e der Standardhochsprache und des Obersächsischen befinden sich durchaus nicht immer in Übereinstimmung. So kommen Schreibungen bei May vor mit auslautendem -e, wo in der Schriftsprache auslautender Konsonant steht:

   Finke (WzG 2); das Bette (WzG 57); Hemde (WzG 62, u. a.); Hemdeärmel (WzG 144); Kerle (WzG 557); Radewelle (WzG 269, ›Radwelle‹); ein gutes Herze (WzG 1424); Schreibepult (WzG 1441); Fronte (WzG 1673, 2531); Corridore (WzG 1540).

   In »... wenn ich zu dicke bin« (WzG 1721) könnte Einfluß des Berliner Dialekts vorliegen; den Satz sagt allerdings keine Berlinerin, sondern eine tschechische oder slovenische Köchin.


4.1.8. Entrundung (ö/e, ü/i)


Die Umlaute ö und ü fehlen im Sächsischen weitgehend oder ganz; dafür treten, wie auch in verschiedenen anderen Dialekten, e bzw. i ein; so haben wir etwa ›Le(h)m‹ für ›Löwen‹ und ›Gindr‹ für ›Günter‹,


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s. oben die Witze S. 246, 249. Entsprechend finden sich ›hyperkorrekte‹ Formen mit ü für i(e) oder ö für o u. ä.; das klingt dann ›gebüldet‹ (nicht so bei May).

   Hyperkorrektes ü: lüderlich (WzG 131, 659); Lüderlichkeiten (WzG 1304, aber Liederlichkeit, WzG 1249); Pürschgange (WzG 46); pürschte mich (Tui Fanua 206); Kraußemünz' (WzG 5, statt ›Krauseminze‹, Würz- und Heilkraut‹); Münze (Waldröschen 1416, statt ›Minze‹).

   Hochdeutsch ü, bei May i: gleichgiltigem (WzG 134); verknillte Posaune (WzG 1321); vgl. hierzu aber S. 244.

   ö für o: in gewöhnter Geistesgegenwart (WzG 1764).

   In Reimen werden i(e) und ü/e und ö zusammengebracht: Ich suche Dich, o Vaterhand, / Der man mich mit Gewalt entrissen, / Und werde wohl von Land zu Land / Fremd und erfolglos wandern müssen (Waldröschen 63); ferner werden gereimt schön und aufgehn (WzG 1796); verführt und verliert (WzG 21).


4.1.9.Entrundung bei der Diphthongen eu/äu zu ai/ei


Durch Entrundung fallen im Sächsischen ai/ei (lautlich ai) und eu/äu (lautlich oi) in ai/ei zusammen; so sind ›Feuer‹ und ›Feier‹, ›Keule‹ und ›Keile‹, ›Läuse‹ und ›leise‹ nicht zu unterscheiden. Bei May findet sich selten ei für eu, aber hyperkorrekte Formen mit eu für ei kommen öfter vor; zum Schmunzeln ist: Einen blendenden Lichtkeul vor sich herwerfend, braußte der Zug heran (Old Firehand 141, dieselbe Passage, See 498, korrigiert); Langeweule (Juweleninsel 326).

   Hochdeutsch eu/äu, bei May ei: »verteie(n)« (See 641, 676, für ›vertäuen‹, ein Schiff festmachen).

   Hochdeutsch ei, ai, bei May eu (hyperkorrekt): Preußelbeeren (WzG 1569 u. a.); Lichtkeul (Old Firehand 141); Langeweule (Juweleninsel 326); Schneuße (Old Surehand III, 560, Mutterliebe 237); bewußt falsch in deunne für ›deine‹ (Brief des Samiel; WzG 1785).

   In Reimen bringt May eu mit ei ohne weiteres zusammen: Getroffen ist der Geier - der Schuß war ungeheuer (Der Schatz im Silbersee 117); weitere Reime sind: Freude mit Seide (Waldröschen 1688); naseweise mit Läuse (WzG 551).

   Etwas anders, nämlich als scherzhafte Verknüpfung mit ›Teufel‹ ist wohl aufzufassen Karteuffelbeet (WzG 70).


4.1.10.Zur Morphologie


Hinsichtlich von Besonderheiten in der Morphologie wären noch genauere Forschungen nötig; einstweilen hat sich nicht viel Auffälliges


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gefunden. Dies betrifft natürlich nicht die Darstellung des erzgebirgischen Dialekts in den ›Erzgebirgischen Dorfgeschichten‹. Dieser Dialekt wird hier nicht behandelt.

   Beispiele für morphologische Besonderheiten: Der Wurzelsepp, ein Urbayer, wünscht einmal »gutsten Morgen!« (WzG 1089). - Es finden sich gelegentlich Formen mit Plural -s, abweichend von der Standardhochsprache: Mädchens (WzG 1336, 1341); Möbels (WzG 1569); Zettels (WzG 1839, 1907).



5.Berücksichtigung der Saxonismen bei der allgemeinen Karl-May-Forschung


Eine Beachtung von Mays Saxonismen kann auch bei der allgemeinen Karl-May-Forschung in manchen Fällen weiterhelfen. Wir stehen hier wohl noch ganz am Anfang. Im folgenden vier Beispiele, die aber teilweise schon bekannt sein dürften.

   Die Hauptfigur in ›Weihnacht‹ ist ein Schulfreund Mays, den der Leser nur unter dem Namen Carpio kennt. Ein fleißiger und ernster Junge, pflegte er, außer mit mir, nicht viel zu sprechen und wurde deshalb Cyprinus Carpio oder kurzweg Carpio genannt, weil Karpfen bekanntlich auch nicht gern viele Worte machen. (19) Der Leser gewinnt den Eindruck, daß der Verfasser hier einen wirklichen Bekannten geschildert hat, und es ist erwiesen, daß es sich in diesem Fall nicht um eine Romanfigur oder eine ›Spiegelung‹ seiner selbst handelt. Roland Schmid verrät den tatsächlichen Namen Carpios, nämlich Garbe.88 Im Sächsischen sind nun Garbe und Karpe nicht getrennt, und die wissenschaftliche Bezeichnung für den (Leder-)Karpfen, Cyprinus carpio, sprechen Sachsen etwa wie Gibrinus garbio. So sind Garbe und Carpio praktisch beinahe das gleiche Wort für Sachsen, und der Schulfreund hieß also nicht nur so, weil er angeblich meist stumm wie ein Karpfen war. Dies zeigt, daß May zumindest in diesem Fall fast unverhüllt wirkliche Personen in seine Werke einbezog. In bezug auf Martha Vogel verhält es sich ganz ähnlich. Daß May, wie es scheint, diesen beiden Personen spezielle Werke gewidmet hat, also Garbe das einbändige Buch ›»Weihnacht!«‹ und Martha Vogel die eigentlich vierbändige Reiseerzählung ›Satan und Ischariot‹, dürfte ein Anzeichen dafür sein, daß diese beiden eine außerordentlich wichtige Rolle in seinem Leben und vor allem Denken gespielt haben. Keine anderen Bände sind so speziell auf bestimmte, nachweislich reale Personen abgestimmt.

   Der böse Gegenspieler in ›Winnetou I-IV‹ ist unter dem Namen


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Santer bekannt; man versteht dies oft als englischen Namen und spricht ihn ›Sänter‹ aus. Aber in ›Winnetou IV‹88a wird der Name Sander geschrieben. Der Sohn dieses Mörders nennt sich (S. 30) Hariman F. Enters, auf S. 31 findet sich aber Hariman F. Enders, eine Verdrehung von Sander/Santer. Für May waren eben d und t letztlich eins. In ›Juweleninsel‹ (434) kommt ein ungetreuer Reitknecht namens Georg Sander vor, und Heinrich Sander nennt sich in ›See‹ (482, 531 u. a.) der Franzose Latour, der ›Schwarze Kapitän‹. Möglicherweise gibt es noch mehr Beispiele für Sander. Der eigentliche Name ist gewiß nicht Santer, was keinen Sinn gibt, sondern Sander. Sander, auch Sanders und Zander, Zanders kommen im Mittelalter zuerst in Adels- und Patrizierkreisen als Vornamen vor. Der Name ist verkürzt aus Alexander; Namensvarianten sind allerdings auch Santner, Sandner.89 Mit Sander/Santer verbindet May an sich stets Negatives; es ist anzunehmen, daß er einen Feind dieses Namens hatte. Allerdings kommt in Rudolf (von) Sandau im ›Weg zum Glück‹ eine positive Gestalt vor. Sandau dürfte mit dem Wort ›Sand‹ zusammenhängen - vielleicht auch in einzelnen Fällen bei Sander.90 Der Wechsel Sander/Santer hat einen Gegenpart in Gualèche/Qualèche, s. S. 241. Arno Schmidt91 führte den Wechsel Sander/Santer auf Fahrigkeit zurück.

   In ›Ein Fürst des Schwindels‹ kommt ein kroatischer Prinz namens Paranow vor. »Patsch bereits wies darauf hin, daß der kroatische Prinz Paranow seinen im übrigen gar nicht kroatischen Namen dem Schurken Parranoh der ›Old Firehand‹-Erzählung verdankt.«92 Eher aber ist anzunehmen, daß Paranow sächsisch für Baranow steht. Baranow ist ein bekannter russischer Eigenname, von barán ›Hammel, Widder‹ abgeleitet. Aleksandr A. Baranov (1746-1819) war der Chef der Russisch-Amerikanischen Gesellschaft in Alaska mit dem Sitz Sitka, der sogenannte ›Kaiser von Alaska‹. May sprach diesen Namen wohl nach deutschem Muster aus, ähnlich wie Quitzow, Liebenow, Mahlow, Gülzow, also nicht wie baránof, sondern mit auslautendem o, und als Sachse báranoh bzw. páranoh, und das ist lautgleich dem Parranoh, dem angeblichen Sioux-Namen der Kröte von Athabaskah, wie es in ›Old Firehand‹ (157) so wenig schön heißt. Dabei taucht die Frage auf, wie May dazu kommt, den Stammesnamen Athabaska hier einzubauen; auf alle Fälle scheint dies ein Hinweis auf den Norden zu sein. In ›Die Both Shatters‹ (851) wird berichtet, daß Winnetou von einem Stämmlein Athabaskas überfallen worden war. Ob hier Zusammenhänge bestehen und wenn ja, welche, müßte noch überprüft werden.

   Ein früher rätselhafter Fall ist längst geklärt, nämlich der nach der Herkunft des angeblichen Märchenbuches ›Der Hakawati‹. Hierbei


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spielt ein Saxonismus eine wichtige Rolle, und deshalb sei diese Angelegenheit noch einmal kurz aufgerollt. Das fiktive Märchenbuch ›Der Hakawati‹ ist nach Mays Angaben verfaßt von Christianus Kretzschmann und Gedruckt von Wilhelmus Candidus.93 Mays Großmutter hieß nun bekanntlich Johanne Christiane, geborene Kretzschmar, und Mays Mutter Christiane Wilhelmine war eine geborene Weise. May kannte wohl die Bedeutung von Kretzschmar nicht (vgl. polnisch karczmarz, tschechisch kr[`´c]má[`´r] ›Kneipenwirt, Schenkwirt‹),94 deshalb wurde aus Kretzschmar ein Kretzschmann - kaum verschleiert. Den Namen Weise aber übersetzte May ins Lateinische, und als Sachse faßte er den Namen nicht als sapiens ›weise‹, sondern als candidus ›weiß, glänzend‹; für ihn war ›weise‹ und ›weiße‹ eben klanggleich. Die beiden Wörter sind indes etymologisch gänzlich verschieden.95


1 Angebliches Gedicht des Hobble-Frank. In: Karl Mav: Der Schatz im Silbersee. In: Der gute Kamerad. V. Jg. (1890/91); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1987, S. 287 (›Fragen und Antworten - Anzeigen‹ zu Heft 40)

2 Karl May: Der Weg zum Glück. Dresden 1886/87. Reprint Hildesheim-New York (künftig: WzG)

3 Vgl. Karl May: Giölgeda padi[´s]hanün. Der letzte Ritt. In: Deutscher Hausschatz. Xll. Jg. (1885/86), S. 7f.; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg Regensburg 1978, (in der Buchausgabe fehlen die fremdsprachlichen Proben) - derselbe Passus »Je lukrul drakului« (»das ist des Teufels«) kommt auch WzG 234 vor.

4 So in ›WzG‹ 1281f., 1305, 1308

5 In ›WzG‹ wird Liefland erwähnt (d. i. Livland, ein Teil des jetzigen Lettlands und Estlands) (2103).

6 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. Il: Durchs wilde Kurdistan. Freiburg 1892, S. 135

7 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. IV: In den Schluchten des Balkan. Freiburg 1892, S. 420; ein Ungar bzw. ein Slovak namens Uszkar Istvan (Stephan Pudel) kommt in ›Die Sklavenkarawane‹ vor.

8 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XIII: In den Cordilleren. Freiburg 1894, S. 335f., 341f.; hier kommen ein Harald Delmenborg aus Handsted an der Westküste Jütlands und sein Sohn Knut vor. Dabei wird auch die seinerzeit dänische Karibikinsel Sankt Thomas östlich von Puerto Rico erwähnt, die Dänemark bereits 1665 in Besitz nahm. Sankt Thomas gehört jetzt zu den USA.

9 Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten. In: Feierstunden am häuslichen Heerde. 1. Jg. (1876/77); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1972 (künftig: Quitzows)

10 May führt fünf nordische Götter an, z.T. in nicht ganz korrekter Schreibung: 1) Odyn, der Allesbeherrscher (WzG 2544), d. i. korrekt Odin (Ó[-d]inn), niederdeutsch Wodan, althochdeutsch Wuotan, Wotan, 2) Tor, ... der Gott des Donners und Blitzes (WzG 2548), d. i. Thor (þórr), der Donnerer, 3) Freya, die schöne, herrliche Göttin der Liebe (WzG 2544), genauer Freyja ›Frau Herrin‹, nicht mit der Göttermutter Frigg zu verwechseln, wenn auch Beziehungen bestehen, 4) Od (Ó[-d]r, ›Erregtheit‹, ›Wut‹), ihr Gemahl, der sie schändlich verlassen hat (WzG 2544); nicht mit Odin zu verwechseln, wenn auch beide Namen etymologisch zusammengehören, 5) Heimdall, der Herrliche, erscheint Freya und wird (nach May) ihr Gemahl. Heimdall(r) (›Weltglanz‹) ist einer der zwölf Asen und Wächter der Götter. - Vgl. Germanische Götterlehre. Hrsg. Ulf Diederichs. Köln 1984.


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11 Karl May: Das Waldröschen oder die Verfolgung rund um die Erde. Dresden 1882-84; zit. nach dem Reprint einer späteren Ausgabe; Hildesheim-New York (1969ff.), S. 234 (künftig: Waldröschen)

12 In Karl May: Christus oder Muhammed. In: Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. X: Orangen und Datteln. Freiburg 1893/94, S. 158, ist ein Brief Turnersticks wiedergegeben mit einem Gemisch aus merkwürdigem Deutsch und Englisch.

13 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. Xll: Am Rio de la Plata. Freiburg 1894, S. 395

14 Vgl. hierzu Salcia Landmann: Jiddisch. Das Abenteuer einer Sprache. Freiburg 1962 - und Jürgen Pinnow: Karl May und das Jiddische. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 60/1984, S. 34f.

15 Karl May: Die Liebe des Ulanen. Dresden 1883-85; zit. nach dem Reprint der Buchausgabe, Dresden 1901/02; Hildesheim-New York (künftig: Ulan)

16 Kochem aus Jiddisch chóchem, Hebräisch chachám ›kluger, weiser Mensch‹; Loschen aus Jiddisch lóschen, Hebräisch laschon ›Sprache‹, vgl. Landmann, wie Anm. 14, S. 157, 191, 459; ferner das Kapitel ›Rotwelsch, die Geheimsprache der deutschen Bettler, Gauner und Vaganten‹, ebd., S. 414-466.

17 Vgl. Franz Josef Weiszt: Karl May - Der Roman seines Lebens. Böhmisch-Leipa 1940, S. 30-34; dort »dibbert« (spricht) ein Gauner namens Kögler Kochem. May versteht ihn nicht.

18 Er verwendete z. B. sogar einen unkorrekten fremdsprachlichen Romantitel, nämlich in: Karl May: Giölgeda padi[´s]hanün. In: Deutscher Hausschatz. Vll. Jg. (1880/ 81), S. 282 Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1977. Der Ausdruck wird übersetzt mit ›Im Schatten des Padisha‹, spater auch ›Im Schatten des Großherrn‹. In der Buchausgabe, Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. 1: Durch Wüste und Harem. Freiburg 1892, S. 32, lautet der Passus Giölgeda padi[´s]ahün; hier sind wenigstens a und h nicht vertauscht. Auf alle Fälle ist der Ausdruck frei nach dem Muster der deutschen, nicht der türkischen Sprache zusammengestellt worden; er verstößt hart gegen die Regeln der türkischen Vokalharmonie, Morphologie und Syntax. Korrekt müßte er - in moderner Orthographie - lauten: Padi[,s]ah[i]n gölgesinde, wörtlich ›Großherrn des Schatten seinem in‹, zu Padi[,s]ah ›Großherr‹; =in Genitivsuffix; gölge ›Schatten‹, =si ›sein(e/es)‹; =n= Bindelaut; =de ›in‹ (Lokativsuffix); i, d. i. i ohne Punkt, spricht man ungefähr wie e in Gabe, genauer wie polnisches y.

19 Der Ausdruck Pecaniny (Kind) in: Karl May: Ein Self-man. In: Frohe Stunden.2. Jg. (1877/78), S. 431, Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1971, stammt nicht aus dem Rotwelsch, sondern aus dem Beach-La-Mar, einer Kreolen-Sprache in Neu-Guinea und Melanesien, ähnlich dem Pidgin-English. Von allen Kreolen-Sprachen wirkt das Beach-La-Mar besonders erheiternd durch Ausdrücke wie ›dem box yu nok tit him krai‹ (= the box, you knock teeth, him cry) = ›Klavier‹. Das Vaterunser beginnt so: ›Fader bilong mifelo, yu stop long heven, ol i santuim nem belong yu. Kingdom belong yu i kam...‹ (bilong = belong ›gehören‹; mifelo = me fellow, steht für ›ich, mich‹; stop = ›sich befinden‹, ›aufhalten‹; long = along).

20 Weil die dort zitierten Namen und Gegenden heute kaum noch bekannt sein dürften, seien einige Angaben gemacht. Gumbinnen, jetzt Gusev, liegt etwa 110 km östlich von Königsberg, ca. 35 km westlich der litauischen Grenze. Rastenburg, jetzt Ketrzyn, liegt etwa 80 km sudwestlich von Gumbinnen und 90 km südöstlich von Königsberg. Auf der Strecke von Rastenburg nach Gumbinnen befinden sich Drengfurth, jetzt Srokowo, ca. 20 km nach Rastenburg; Nordenburg, jetzt Krylovo, schon nördlich der jetzigen polnischen Grenze, und Darkehmen oder Angerapp, jetzt Ozersk. (Ulan 914, 918, 931, 933).

21 Karl May: Auf der See gefangen. In: Frohe Stunden. 2. Jg. (1877/78); Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1971, S. 612, 771 (künftig: See) - über die sprachlichen Besonderheiten des Sächsischen siehe die Ausführungen S. 245ff.

22 Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 11 Bd. 2: Die Juweleninsel. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987

23 Siehe auch Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 11 Bd. 1: Scepter


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und Hammer. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 479, 611 (künftig: Scepter).

24 May: Die Juweleninsel, wie Anm. 22, S. 326

25 Üblicher ist: ›da weiß ich kein Wort von‹; ähnlich: ›da kann ich nichts für‹ - entsprechend Niederdeutsch ›Dar weet ik nix af‹ (wtl. ›da weiß ich nichts von‹), ›dor harr ik keen Ahnung to, dor paß ik ni voer‹ usw. - Diese Konstruktionsweise kommt auch im Friesischen, Skandinavischen und Englischen vor. z. B. Söl'ring (Sylter Friesisch) ›[-a]pstuun en dit haali, diar wiar Aarber bi‹ - ›aufstehen und das holen, da war Arbeit bei‹, Dänisch ›den bog jeg læser i‹ - ›das Buch, in dem ich lese‹, wörtlich ›das Buch ich lese in‹, »Petersen kan man ikke stole på‹ - ›Petersen kann man nicht trauen‹, wtl. ›... bauen auf‹; Englisch ›where do you come from?‹.

26 Karl May: Das Vermächtnis des Inka. Stuttgart (1895); interessanterweise mischt sich mitunter Sächsisches ein. Hier eine Probe: »lck bin in Stralau bei Berlin jeboren, also een näherer Landsmann von Sie ...« (S. 13), d. i. von Dr. Morgenstern aus Jüterbog. »Ick soll es jewesen sind, der jeschossen hat!« ... »Ick bin janz allein, nach Schiller die einzige fühlende Larve hier in dem Jarden.« (S. 30f.). Das ›d‹ in ›Jarden‹ ist sächsisch.

27 May: Durch Wüste und Harem, wie Anm. 18, S.120f. - Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. Ill: Von Bagdad nach Stambul. Freiburg 1892, S. 459ff.

28 May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten, wie Anm. 9, S. 226, 406 u. a.

29 In: Karl May: Der Krumir: In: Belletristische Correspondenz 1882, S. 222ff.; Reprint in: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985 - Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXI: Satan und Ischariot II. Freiburg 1896/97, S. 276f., 303f. (künftig: Satan II) - Karl May: Deutsche Herzen - Deutsche Helden. Dresden 1883-85, S. 234, 236f., 239f.; Reprint Bamberg (künftig: DH-DH)

30 Karl May: Die Gum. In: May: Orangen und Datteln, wie Anm. 12, S. 30f.

31 Hier einige Beispiele für Entsprechungen Standardhochdeutsch - Bairisch:

St.-Hochd.
Bairisch
Standardhochdeutsch
Bairisch
PPfoppen, Perron (französisches Lehnwort)foppn, Perron
pbPlatz, PolizeiBlooz, Bolezei
bbBahn, Bier Bia
ttTorte, nichtToadnn, net
tdTür, trinkenDia, dringga
ddda, dasdo, dees
kkkomm(e), Kartenkim, Karddn
kgKnie, ich kriegeGnia, i griag
ggGemse, gehtGams, gähd

Entsprechungen St. Hochdeutsch b = Bairisch p gibt es nicht oder kaum, z. B. ›hingehauen‹ ist Bairisch ›h[~i]kaud‹; hier entspricht g(e)h Bairisch k; anders Altbairisch: ›perg‹ - ›Berg‹, ›kot‹ - ›Gott‹.

Zur Aussprache: a wie englisches u in but, phonetisch [ ^ ]; o sehr offenes o, ähnlich englischem a in call; ~ zeigt die Vokalnasalierung an. - Vgl. u. a. Ludwig Merkle: Polyglott-Sprachführer Bairisch. München 1976.

32 Eine Romangestalt Mays, der Triester Martin Albani, gibt ebenfalls Proben bairischen Dialektes (in Gesängen); vgl. May: Durch Wüste und Harem, wie Anm. 18, S. 233f., 251, 254.

33 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg o. J. (1910), S.28; Reprint Hildesheim-New York 1975. Hrsg. von Hainer Plaul

34 Preßnitz; May schreibt Presnitz, »nahe von Jöhstadt und Annaberg«; auf böhmischer Seite, jetzt P[`´r]íse[`´c]nice (May: Von Bagdad nach Stambul, wie Anm. 27, S. 379).

35 Ebd., S. 376f.

36 Karl May: Der Schatz im Silbersee. Stuttgart (1894), S. 395f.; weitere Dialektproben


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37 Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. In: Deutscher Hausschatz. XXIII. Jg. (1896), S. 2; Reprint in: Karl May: Kleinere Hausschatz-Erzählungen. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Regensburg 1982

38 May: Satan und Ischariot II, wie Anm. 29, S. 233ff.

39 Wiedergegeben in Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Radebeul (1942), 20. Auflg., 96.-100. Tsd., bei S. 145; vgl. Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIX: Old Surehand III. Freiburg 1896, S. 560.

40 Karl May: Mutterliebe. In: Einsiedler Marienkalender 1899; Reprint in: Christus oder Muhammed. Marienkalendergeschichten von Karl May. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1979, S. 237

41 Der große Karl May Bildband. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hrsg. von Gerhard Klußmeier und Hainer Plaul. Hildesheim-New York 1978, S. 46

42 Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34, wie Anm. 39, S.488; vgl. Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Bamberg 1975, 29. Auflg., 216. Tsd., S. 298.

42a Karl May's Gesammelte Werke Bd. 24: »Weihnacht!«. Radebeul 99.-100.Tsd., S. 40 (°May Zitat aus bearbeiteten Werken)

43 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIV: »Weihnacht!«. Freiburg 1897, S. 227

44 Karl May: Die beiden Nachtwächter. In: Alldeutschland/Für alle Welt. 3. Jg. (1879), S. 580; Reprint in: Karl May: Der Waldkönig. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg 1980

45 Karl May: Old Firehand: In: Deutsches Familienblatt. 1. Jg. (1876/76), S. 141; Reprint der Karl-May-Gesellschaft 1975

46 Karl May: Tui Fanua. In: Alldeutschland/Für alle Welt.5. Jg. (1881), S.203; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1977

47 Karl May: Der Kiang-lu. In: Deutscher Hausschatz. Vll. Jg. (1880/81), S.13; Reprint in: Karl May: Kleinere Hausschatz-Erzählungen. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Regensburg 1982. Gewöhnlich Dschungel geschrieben, besser Dschangel, zu Hindi, Urdu ja[°n]gal ›Wald, Wildnis, Buschlandschaft‹. j wie in englisch just.

48 Yaqui: ein uto aztekischer Volksstamm im nordwestlichen Mexiko, vgl. Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XX: Satan und Ischariot I. Freiburg 1896/97, S. 83, 241.

49 Tscholamandala, Sanskrit (altindisch) colamandala ›das Reich (eigentl. der Kreis) der Colas‹

50 May: Mein Leben und Streben wie Anm. 33, S. 68

51 Karl May: Die Juweleninsel. In: Alldeutschland/Für Alle Welt. 5. Jg. (1881), S. 100; in der historisch-kritischen Ausgabe, wie Anm. 22, wurde die Stelle stillschweigend korrigiert (S. 96).

52 Karl May: Der Scout. In: Deutscher Hausschatz XV. Jg. (1888/89), S. 698; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1977: lüderlich - in Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. VIII: Winnetou der Rote Gentleman II. Freiburg 1893, S. 363: liederlich

52a Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXII: Satan und Ischariot III. Freiburg 1896, S. 32

53 Karl May: Der Waldkönig. In: Alldeutschland/Für alle Welt. 3. Jg. (1879), S. 398, 430, Reprint in: Karl May: Der Waldkönig, wie Anm. 44

54 Für lateinisch silentium ›Schweigen‹, ›Stillschweigen‹, ›Stille‹. Silizium ist ein chemischer Grundstoff (zu lateinisch silex ›Kiesel‹).

55 Der Passus lautet: »... Er hat das studirt, was bei den Gelehrten ›Viele so ein Vieh‹ genannt wird. Verstehst?« - »So war er Vieharzt?« - »Wo denkst hin! Wird ein Vieharzt die Schleswig-Holsteiner Grammadicka kennen! Diese berühmte Wissenschaft heißt ›Viele so ein Vieh,‹ weil gar viele Professors dazu gehören, um aus einem Studenten so ein gelehrtes Vieh herauszubringen ...« (WzG 273).

56 Das -en in Politiken soll bairisch sein, ähnlich: »Ja, bei denen feinen Leutln heißt eben Alles anderst. Da heißt ein Wagen eine Chaise, ein Schreiber ein Actuar, und ein Spitzbub ist ein Politikus.« (WzG 2515).

57 May: Old Firehand, wie Anm. 45, S. 140 - Karl May: Die Both Shatters. In: All-


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deutschland/Für alle Welt. 5. Jg. (1881), S. 851, Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1977 - Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXIII: Winnetou IV. Freiburg 1910, S. 54 u. a.

58 Albert S. Gatschet: Zwölf Sprachen aus dem Südwesten Nordamerikas. Weimar 1876, S. 30

59 Numisch kommt von der Selbstbezeichnung dieser Stämme: n[-i]m[-i] = Volk (vgl. Anm. 60).

60 [-i] wird gesprochen etwa wie -e in Gabe.

61 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XIV: Old Surehand I. Freiburg 1894 S. 219 u. a.

62 Vgl. Jürgen Pinnow: Indianersprachen bei Karl May - Zwei Abhandlungen. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft 69/1987, S. 35 § 5.1. - Die Schreibung mit p bei Gatschet resultiert daraus, daß im Süd-Athapaskischen (Navaho, Apache) b d und g fast genauso wie im Sächsischen gesprochen werden, nämlich als sogenannte stimmlose Mediae, also ›weich‹ (lenis). Man kann diese Phoneme auch mit p t k schreiben. Aber anders als im Sächsischen gibt es im Süd-Athapaskischen auch stimmlose ›harte‹ (fortis) Verschlußlaute, die stark aspiriert sind, nämlich t und k (merkwürdigerweise nicht p), die man dann th und kh schreiben muß. Man hat also die Wahl zwischen den Schreibungen

1)bdgoder2)ptk
tkthkh.
Daher kommt in diesem Fall der Wechsel p/b zustande. $63$ [´s] ist ein palataler Zischlaut, er liegt zwischen sch und ch in ich. Das polnische [´s] ist praktisch derselbe Laut. Die Schreibung mit S ist eigentlich falsch; doch entwickelte sich im Mittelindischen [´s] oft zu s; siehe Anmerkung 65.

64 An alten Übersetzungen des Dramas [´S]akuntal[-a] oder [´S][-a]kuntalam sind zu nennen Georg Forster 1791, 2. Ausgabe Johann Gottfried von Herder 1803; B. Hirzel 1833 Ernst Meier 1852; Edmund Lobedanz 1854, 71884, Friedrich Rückert 1876, Ludwig Fritze 1877. Forster schrieb Sakontala, danach auch Goethe in seinen bekannten Distichen 1791: »Willst du die Blüthe des frühen, die Früchte des späteren Jahres / Willst du, was reizt und entzückt, willst du was sättigt und nährt, / Willst du den Himmel, die Erde mit einem Namen begreifen, / Nenn ich Sakontala dir, und so ist alles gesagt.« - Alle anderen Übersetzer schreiben Sakuntala. Theoretisch hätte May alle diese Arbeiten kennen können; am ehesten dürfte man auf Fritze schließen, weil seine Übersetzung in Chemnitz erschien.

65 Im mittelindischen Dialekt [´S]aurasen[-i], der im Drama vorkommt, ist der Name [´S]akuntal[-a] zu Sa'untal[-a] verändert worden, hat also auch nt.

66 Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34: »Ich«. Bamberg 1975, 29. Auflg., 216. Tsd. Bildtafeln 7 u. 8

67 Der Stamm des Wortes ist yogin, yog[-i] ist der Nominativ.

68 Vgl. Sanskrit brahman, Nominativ bráhma ›Andacht, Frömmigkeit‹, ›das unpersönliche Höchste‹, ›Absolute‹; brahmán, Nominativ brahm[-a] ›der Gott Brahm[-a], der Schöpfer der Welt‹; br[-a]hma[.n]á ›heiliger Mann, Priester, Brahmane‹. ([-a] ist langes a wie in Saal.)

69 Orang Utan (Pongo pygmaeus), zu Malaiisch orang, ›Mensch‹, hutan ›Wald‹, orang hutan ›Waldmensch, Wilder‹, aber: utang ›Schulden‹, orang utangan ›Schuldner‹

70 Solche bedeutungsunterscheidenden Laute nennt man Phoneme und setzt sie manchmal zur besonderen Kennzeichnung zwischen zwei Striche //, also /p/ usw.

71 Landschaften des Deutschen Humors. Der Witz der Sachsen Gesammelt und aufgezeichnet von Markus Lewe. München-Wien-Basel 1969

72 Ebd., S. 30

73 Ebd., S. 57

74 Die binnenhochdeutsche Konsonantenschwächung umfaßt ein Gebiet etwa von der Neiße bis zur Mosel, von Köln bis Basel. Mehrere Untergruppen sind vorhanden, dazu kommen die sogenannten bairischen Quantitätsverhältnisse (in Bayern und Österreich); vgl. dazu Werner König: dtv-Atlas zur deutschen Sprache, München 1978 S.148f. (dtv 3025).


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75 Altes sk wird im Hochdeutschen zu sch; sk aber auch in der dänischen Aussprache ski, im Norwegischen und Deutschen gesprochen wie Schi.

76 Diese Tatsache ist den Sprechern meist gar nicht bekannt und bewußt.

77 Diese Anmerkung ist speziell für an Sprachwissenschaft Interessierte gedacht.

Das sächsische Verschlußlautsystem besteht also nur aus /b d g/, phonetisch [b d g], die man alternativ auch /p t k/ schreiben kann. Dies ist ziemlich selten innerhalb der Sprachen Europas. Die indogermanische Grundsprache besaß bei den Verschlußlauten eine sogenannte Dreieropposition:

/ptkykkw/zu
/bdgyggw/zu
/bhdhgyhghgwh/.

Das Altindische machte daraus sogar eine Vierer-Opposition; es fügte stimmlos-aspirierte Konsonanten hinzu: /ph th kh/ u. a. (mehrere Besonderheiten). Die meisten indogermanischen Sprachen Europas kennen nur eine Zweier-Opposition, z. B. das Englische und Standardhochdeutsche, also /p t k/ zu /b d g/. In den germanischen Sprachen wurden die entsprechenden Veränderungen bewirkt durch die erste Lautverschiebung, die aus den Verschlußlauten /p t ky k kw/ Reibelaute (Frikative) machte, sie also zu /f þ x xw/ verschob. (þ = engl. th in ›thing‹, x = ch in ›ach‹, ky fiel schon früh mit k zusammen). /bh dh gyh gh gwh/ entwickelten sich zu /b d g gw/ bzw. zu /[-b] [-d] [-g] [-g]w/, d. h. stimmhafte Frikative, und /b d gy g gw/ verloren den Stimmton, wurden zu /p t k kw/. In der zweiten, der althochdeutschen Lautverschiebung geschah ähnliches. Der Wechsel bewegt sich gewöhnlich im Rahmen der Veränderung des Stimmtons (stimmlos/stimmhaft), des Wechsels Fortis/Lenis (›hart‹ zu ›weich‹ bzw. aspiriert zu unaspiriert), und des Wechsels Verschluß- zu Anreibe- oder Reibelaut (etwa p zu pf zu f). Nicht selten schließt sich durch mehrere Verschiebungen ein Kreis. So haben wir indogermanisch *máater ›Mutter‹, altindisch m[-a]tar, lateinisch m[-a]ter, Urgermanisch *m[-o]þer, dann etwa altnordisch m[-o][-d]er, altsächsisch m[-o]dar, aber althochdeutsch wieder ein t in muoter.

Ein Verschlußlautsystem von nur /p t k/ (also ohne b d g) hatte z. B. das alte Finnisch-Ugrische und hat z.T. noch heute das Finnische; doch gibt es hier den Unterschied von einfachen, ›normalen‹ Konsonanten /p t k/ zu langen oder Doppelkonsonanten /pp tt kk/. Das Finnische kennt auch (sekundär) ein d; b und g fehlen (g nur im velaren Nasal ng wie in deutsch ›lange‹). Im Eskimo, so im Grönländischen (Kalaa[-l][-l]isut), sind als Verschlußlaute nur /p t k q/ vorhanden (q ist uvulares, ganz hinten am Zäpfchen gesprochenes k, wie das arabische q). Dazu kommen Reibelaute, die stimmhaft sind: /v g r/. g wird etwa wie g in Wagen oder r in Waren in Berliner Aussprache artikuliert (stimmhaftes ch), vgl. dänisches g in kage › Kuchen‹.

Andere Sprachen ohne Opposition ›stimmlos/stimmhaft‹ bei Verschlußlauten sind die Algonkin- und irokosischen Sprachen in Nordamerika sowie das Tamil in Südindien und Nord-Ceylon. Es sind natürlich überall verschiedene Besonderheiten zu merken, die hier nicht gebracht werden können.

Vgl. zu den Verhältnissen in den germanischen Sprachen Hans Krahe/Wolfgang Meid: Germanische Sprachwissenschaft I. Einleitung und Lautlehre. Berlin 1969 (Sammlung Göschen Bd. 238).

78 Karl May: Wanda. In: Der Beobachter an der Elbe. 2. Jg. (1875/75), S. 655; Reprint der Karl-May-Gesellschaft 1974: erst Balast, dann Palast

79 Zusammenfall von ›Pilger‹ und ›billiger‹, siehe S. 247, 251.

80 Lewe, wie Anm. 71, S. 31

81 Ebd., S. 17

82 May: Die Juweleninsel, wie Anm. 51, S. 643; in der historisch-kritischen Ausgabe, wie Anm. 22, wurde die Stelle stillschweigend korrigiert (S. 554).

83 Karl May: Der Sohn des Bärenjägers. In: Der Gute Kamerad. 1. Jg. (1886/87), S.50; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1983

84 Konsonantenverschiebungen erstrecken sich bei den einzelnen Konsonanten zum Teil tatsächlich geographisch und zeitlich verschieden weit. Bei der zweiten Lautverschiebung haben wir z. B. die Entwicklung


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t zu tz, z:schon 5. - 6. Jahrhundert, z. B. germanisch +taiknam, althochdeutsch zeihhan ›Zeichen‹, verbreitet über das ganze althochdeutsche Sprachgebiet
p zu pf:etwa 6. - 7. Jh., z. B. germanisch +plegan, althochdeutsch pflegan ›pflegen‹; nur Bairisch, Alemannisch, Ostfränkisch
k zu kch, ch:erst 7.-8. Jh., z.B. germanisch +korna, fränkisch korn, altbairisch kchorn ›Korn‹; nur Bairisch-Alemannisch.

Interessant ist, daß von p und b das p als dominant angesehen wurde, nicht das b. Es wurde also der Stimmtonverlust bemerkt, nicht die Lenis-Eigenschaft (›sanft, weich‹).

85 Lewe, wie Anm. 71, S. 54

86 Vgl. dazu König, wie Anm. 74, S. 210f. - althochdeutsch ziga; Zicke kommt im märkischen Gebiet vor und gilt als affektive Prägung.

87 Karl May: Die Jagd auf den Millionendieb. In: Deutscher Hausschatz. XXII. Jg. (1895/96), S. 267; Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg/Regensburg 1980 in Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXII: Satan und Ischariot III. Freiburg 1897, S. 242: Geisel

88 Roland Schmid: Nachwort (zu ›»Weihnacht!«‹). In: Karl May: Am Jenseits. Freiburger Erstausgaben Bd. XXV. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, N3

Walther Ilmer meint in: Karl Mays Weihnachten in Karl Mays ›"Weihnacht!"‹ (in Jb-KMG 1988. Husum 1988 S. 256), Carpio sei  n i c h t  der Schulkamerad Garbe sondern ein Spiegelbild des jungen May, worauf schon das C-a-r hinweise (S. 210, S. 241 Anm. 62). Durch die kaum anzweifelbare Gleichsetzung Garbe/Carpio sind indes die Ausführungen Ilmers keineswegs gegenstandslos, nur zu modifizieren. May schrieb bekanntlich oft auf mehreren Ebenen, und so flossen, vielleicht begünstigt durch den sächsischen Gleichklang

          G a r b e 

          C a r p i o 

          K a r  

umfangreiche Selbstspiegelungen in die Darstellung des unglücklichen Gefährten mit ein.

Die Verbindung des ›Ausrutschers‹ Carpius zu lateinisch pius (S. 224) und weiter die von Carpio zu dem lateinischen Verb carpere (S. 214f.) sind wohl mehr spekulativer Natur.

88a May: Winnetou IV, wie Anm. 57, S. 39f. u. a.

89 Vgl. Hans Bahlow: Deutsches Namenlexikon. Bayreuth 1967, S. 436.

90 Vgl. auch Namen wie Sand, Sandmann, Sandgruber u. a., siehe Bahlow wie Anm. 89, S. 435. - Zander ist auch eine Fischgattung (Luciopérca), die zur Ordnung Barschartige Fische (Perciformes) zählt; der Zander oder Schill (Luciopérca luciopérca) heißt im Dänischen Sandart.

91 Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Karlsruhe 1962, S. 43

92 Herbert Meier: Vorwort (zu ›Ein Fürst des Schwindels‹). In: Karl May: Kleinere Hausschatz-Erzählungen. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Regensburg 1982, S.23

93 May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 33, S. 22; ob die Angabe dort, Anmerkung 26, S. 341*, stimmt, daß Hakawati in Syrien vorwiegend die Bezeichnung für einen nichtberuflichen Märchenerzähler ist, sollte überprüft werden. Nach Kenntnis des Autors ist die korrekte Form [.h]ik[-a]yat[-i], also mit y, nicht w. Im Urdu etwa haben wir [.h]ik[-a]yat ›Erzählung, Märchen‹

94 Der im Deutschen gebräuchliche Eigenname kommt evtl. direkt aus dem Wendischen oder Sorbischen.

95 ›weise‹ gehört zur Wortfamilie ›wissen‹, gotisch witan, lateinisch vid[-e]re, Sanskrit vid; ›weiß‹ gehort zu einer Wurzel +kywey ›leuchten‹, ›hell‹: Sanskrit [´s]vetá ›weiß‹ litauisch [`´s]vi[~e]sti ›leuchten‹; es ist natürlich möglich, daß der Saxonismus schon früheren Ursprungs ist, d. h. daß der Eigenname ›Weiße‹ war, aber hyperkorrekt als ›Weise‹ geschrieben wurde.




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