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HANS WOLLSCHLÄGER


Das neunzehnte Jahrbuch




Der vorliegende Band, von ›ungerader‹ Zahl, doch von sehr gerader Bedeutung, markiert das 20jährige Bestehen der Karl-May-Gesellschaft, und ich meine, er braucht die Erwartung, die ihm aus diesem Jubiläum zukommt, nicht zu scheuen. In zwei Jahrzehnten ist um Karl May eine reiche dokumentierende und interpretierende Literatur entstanden, die eindrucksvoll dargetan hat, in welcher Weise das früher der wissenschaftlichen Erforschung fast gänzlich für unwert geachtete Werk durchwirkt ist von Struktur und Sinn, komme beides nun aus der immer eigenartigen Phantasie-Konzeption des Autors oder aus den treibenden psychischen Lebenskräften, die diese Konzeption bestimmt haben.

   Wie das erste Jahrbuch mit einer Erinnerung an das gewichtigste Lebensereignis Mays im Alter begann, die sein spätes Unglück wendende Verhandlung vor dem Königlichen Landgericht in Moabit, so wird auch der Jubiläumsband noch einmal mit diesem Thema eröffnet: durch die Wiedergabe einer Rede, die der Vorsitzende der Karl-May-Gesellschaft, Claus Roxin, aus Anlaß der 750-Jahr-Feier der Stadt Berlin und auf Einladung der Berliner Juristischen Gesellschaft und des Berliner Justizsenators im Plenarsaal des Bundesverwaltungsgerichts gehalten hat. Der weit und genau ausgreifende Text ist bereits in einem Sammelband mit dem programmatischen Titel ›Rechtsentwicklungen in Berlin‹ erschienen, und wir freuen uns, die große Wirkung, die er dort wie im Vortragssaal hervorrief, auch unseren Mitgliedern vermitteln zu können. Den Spuren von Mays Rechtsbrüchen und ihrer Beichte folgt auch die Arbeit von Jürgen Lehmann ›Privatheit und Selbstenthüllung‹: sie behandelt ›Mein Leben und Streben‹ als »eines der anschaulichsten Beispiele für die Funktion der Gattung ›Autobiographie‹ (. . .), für eine mit dem frühen 18. Jahrhundert beginnende Tendenz, mittels der publizierten Intimsphäre öffentlich wirksam zu werden.« Gleichfalls autobiographischen Funktionen widmet sich Walther Ilmer in der Fortsetzung seiner »Spurenlese«: er sieht die Phantasie und ihre strukturellen Notwendigkeiten in Mays Romanhandlungen gelenkt von traumatischen Grundsituationen. Einem neuen, sehr ergiebigen Gesichtspunkt wenden sich Helmut Mojem und Hermann


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Wohlgschaft zu: der ›religiösen Lesart‹ bzw. ›religiösen Sinnschicht‹; untersucht Mojem im Roman ›Satan und Ischariot‹ die eigenartige Mischform der Abenteuergeschichte mit Zügen eines religiös-allegorischen Tableaus, so würdigt Wohlgschaft Mays ›Und Friede auf Erden!‹ als »theologische Botschaft« und als »religionspsychologisches Buch von unverbrauchter Bedeutung«. Weitere materialreiche Abhandlungen vergrößern unsere Kenntnis von Mays direkten und indirekten Quellen: Bernhard Kosciuszko setzt - ›Illusion oder Information?‹ - seine Darstellung von Karl Mays China fort, während Eckehard Koch das romantische Zigeuner-Bild und seine Tradition im Frühwerk nachweist. Als »Auftakt für weitere Forschungen« versteht sich Jürgen Pinnows sprachwissenschaftliche Abhandlung über ›Sächsisches in den Werken Karl Mays‹: das Heimatidiom als artistisches Mittel und als unfreiwilliger Einfluß zugleich. Helmut Schmiedt verdanken wir auch in diesem Jahr wieder einen ausführlichen Literaturbericht sowie die Dokumentation der bekannten, nun auch ihm widerfahrenen Bearbeitungspraxis des Karl-May-Verlags, während Klaus-Peter Heuer die vor drei Jahren in Polen in hoher Auflage erschienene May-Biographie von Norbert Honsza und Wojciech Kunicki vorstellt: eine erstaunliche Publikation nicht zuletzt angesichts des Umstands, daß Mays Werke selbst in Polen nicht verfügbar sind. Erich Heinemanns bewährter Bericht über die Arbeit der Karl-May-Gesellschaft beschließt den Band.

   Allen, die mit ihrer Arbeit auch diesem Jubiläums-Jahrbuch wieder zum guten Gelingen verholfen haben, den Beiträgern wie den Redakteuren und Helfern, sei herzlich Dank gesagt.




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