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JÜRGEN HAHN


›Verschroben und privat‹ -
Panoptikum und Schamanenspiel
Karl Mays Roman ›Ardistan und Dschinnistan‹ als groteskes Modell kaleidoskopischer Permutation des Zeitgeistes1 oder eines ›Dinosauriers in schwieriger Zeit‹



Es war ein mut'ger Sturm empor ins Licht!
Conrad Ferdinand Meyer: Huttens letzte Tage. LX


V o r b e m e r k u n g


Der von den Ästhetikern verbreitete Glaube, das Kunstwerk wäre, als Gegenstand unmittelbarer Anschauung, rein aus sich heraus zu verstehen, ist nicht stichhaltig. Er hat seine Grenzen keineswegs bloß an den kulturellen Voraussetzungen eines Gebildes, seiner ›Sprache‹, der nur der Eingeweihte folgen kann. Sondern selbst wo keine Schwierigkeiten solcher Art im Wege sind, verlangt das Kunstwerk mehr, als daß man ihm sich überläßt. Wer die Fledermaus schön finden will, der muß wissen, daß es die Fledermaus ist: ihm muß die Mutter erklärt haben, daß es nicht um das geflügelte Tier, sondern um ein Maskenkostüm sich handelt; er muß daran sich erinnern, daß ihm gesagt ward: morgen darfst du in die Fledermaus. In der Tradition stehen hieß: das Kunstwerk als ein bestätigtes, geltendes erfahren; in ihm teilhaben an den Reaktionen all derer, die zuvor es sahen. Fällt das einmal fort, so liegt das Werk in seiner Blöße und Fehlbarkeit zutage. Die Handlung wird aus einem Ritual zur Idiotie, die Musik aus einem Kanon sinnvoller Wendungen schal und abgestanden. Es ist wirklich nicht mehr schön.2


Statt ›Fledermaus‹ könnte man ›Zauberflöte‹ setzen oder auch ›Ardistan und Dschinnistan‹; mit dem Unterschied, daß diesem Werk in der Meinung der ›gebildeten‹ Welt und teilweise auch der ihr zugehörigen May-Gemeinde nicht ›fortfallen‹ kann, was ihm nie ›zugefallen‹ ist. Nie stand es in einer Tradition, die die literarisch interessierte Öffentlichkeit diesen Roman »als ein bestätigtes, geltendes (Kunstwerk) erfahren« ließ. Statt dessen: »verschroben und privat«3 - ein Verdikt, das sich freilich im Falle von Mays Spätwerk als ebenso hartnäckig »legendenfähig erweist«,4 wie die von Wolfgang Hildesheimer Goethe zugeschriebene


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Dekretierung, es gehöre »mehr Bildung dazu, den Wert dieses Opernbuches zu erkennen als ihn abzuleugnen«,5 dazu beiträgt, jede Imbezillität in Schikaneders Libretto als eine Art »Heimkehr der deutschen Seele zu sich selbst«6 in den Stand kristalliner Metaphysik zu erheben. »(V)erschroben und privat« also annotiert 1929 Ernst Bloch Mays späte Romane, und es tröstet über diese Etikettierung kaum hinweg, daß man sie im Rückblick auf die gut achtzig Jahre, seit der ›'Mir von Dschinnistan‹ im ›Deutschen Hausschatz‹ publiziert wurde,7 manch renommiertem Werk der Weltliteratur anheften kann, ja daß sie in gewissem Sinne sich als ›Schule bildend‹ erwiesen hat. ›Verschroben und privat‹. War er das, dieser zweifellos der Phantasmagorie zuneigende Roman Mays, der soviel Ähnlichkeit aufweist mit Alfred Kubins - ebenfalls 1909 erschienener - utopischer Erzählung ›Die andere Seite‹, ihr gleich in der Sehnsucht nach dem »großen Geistigen«,8 in dem »Drang nach einem Mittelpunkt«,9 wo »die überraschendsten Gegensätze alle in einer Harmonie aufgehend« sich manifestieren,10 deren teilhaftig zu werden die Kunst jener in allen Bereichen geistig verunsicherten Epoche sich bemühte? Als Utopie hat er zunächst mediis in rebus politicis sein Heimatrecht; denn alle Utopien beziehen sich auf die Gestaltung gesellschaftlichen Lebens und sind also grundsätzlich politisch; als Kopfgeburten sagen sie einiges aus über die epochenspezifischen Probleme, über die der jeweilige Zeus, dessen Haupt sie entsprangen, sich den Kopf zerbrach. Und gerade deswegen: »verschroben und privat« - das reflektiert sich in den kaleidoskopartigen Permutationen von ›Ardistan und Dschinnistan‹, in seinen als Panoptikum (II 404) angelegten Erzählräumen in der Tat als »nach außen gebrachter Traum«. »Der Traum stieg aus der Krankheit, deren Welt mit der der Jugend nicht mehr gemeinsam war«;11 um so mehr aber mit der der Neurosen des Zeitalters seiner Entstehung; »verschroben und privat« ist er getaucht in ein Flutlicht, das sich aus den Energiefeldern von Surrealismus und Kitsch speist. ›Verschroben und privat‹ - mag sein. Doch: es gilt sehr treffend, was Uvo Hölscher über die Siegeslieder Pindars bemerkt: »Von hoher Künstlichkeit, ist diese Dichtung voll von Bildern und Tropen, Sentenzen und Allerweltsweisheiten, die offenbar dutzendfach vorgekommen sind. Mit erfrischender Offenheit nannte Jakob Burckhardt die chorische Lyrik ›eine wahre Herberge der Trivialität‹. Aber wo das Triviale mit dem Prunk sich paart, wird es freilich unerträglich. Oder mißverstehen wir beides?« Zur Vermeidung des Mißverständnisses fordert Hölscher »die historische Betrachtungsweise« und darüber hinaus eine kritische Selbstbefragung, ob nicht »unser Verhältnis zu dieser Dichtung, mehr noch unsere Welterfahrung etwas Eingeschränktes, Defektives, Verkümmertes hat«,12 als deren Derivate Surrealismus und Kitsch die utopischen Konstruktionen des ›Ardistan‹-Romanes ausleuchten.


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1.  P e r m u t a t i o n :  Poesie des »absoluten Widerstands«


›Surrealismus‹ und ›Kitsch‹ sind die vagabundierenden Energiefelder, die in der seelischen Topographie des ›Ardistan‹-Romanes ausgemacht werden können. ›Surrealismus‹ und ›Kitsch‹ verbinden sich eng über das Formenarsenal des Traumes. Der ›Surrealismus‹ entdeckt den Traum, »um ins Herz der abgeschafften Dinge vorzustoßen. Um die Konturen des Banalen als Vexierbild zu entziffern«, die als »Schematismen der Traumarbeit längst die Psychoanalyse aufgedeckt (hat)«.13 Und so nimmt es denn auch nicht Wunder, daß Hans Prinzhorns Sammelwerk ›Die Bildnerei der Geisteskranken‹, basierend auf einem fünftausend Kunstwerke umfassenden Konvolut, das der Mediziner und Kunsthistoriker von 1919 bis 1921 aus deutschen und schweizerischen Kliniken von psychisch Kranken zusammengetragen hatte, zur Bibel der Surrealisten avancierte, die daraus jene Vexierbilder als Masken des Banalen entlehnten, in denen Benjamin den Kitsch sich verdinglichen sieht: »Der Kitsch (...) ist die letzte Maske des Banalen, mit dem wir uns im Traum und im Gespräch bekleiden, um die Kraft der ausgestorbenen Dingwelt in uns zu nehmen.« Träume verrätseln also Banalität, spielen uns Banalität in der Maske des Vexierbildes zu, die den Kitsch produziert und »hinter der sich (bekanntlich) ein ungemein starker Wille zur Abschaffung des Gewissens verbirgt«;14 freilich: »in atavistischen Kleidungsformen ohne Kraft, Symbolen, deren seelische Mächte gestorben (sind)«15 und die uns aus diesem späten Romanwerk Mays oft mit einer beängstigenden Starre anblicken: als »fixierte Ekstase«. In ihr erkannte Carl Einstein 1915 das Wesen der Maske, in der sich »nichts anderes als letzte Intensität des Ausdrucks, befreit von jedem psychologischen Entstehen«16 bekunde; ja in der Grimasse des Reduktionismus, dem »Aufhören alles eigenen Seins« (I 449), »sogar ein Hass auf Bild und Gleichniss«.17 Man kann nicht gerade behaupten, daß ›Ardistan und Dschinnistan‹ arm an solchen atavistischen Reduktionismen sei, höchst seltsame(n) Uebertreibung(en) einer an sich ganz gesunden Idee (I 450), deren Erhabenheit so beeindruckt, wie ein gewisses, ihnen eigenes Parfum verstört und in ihrem Umgang nicht eben zum Verweilen einlädt. Im Schatten dieser Cedrelen (I 437) hält es den Reisenden nicht lange, der den Weg nach Dschinnistan auf mit goldfarbenen Papilionaten bestandenen Pfaden betreten (I 88) und gleichsam sehr unterschiedlichen Duftspuren zu folgen hat:


Und nun schossen wir über ein Meer von Wohlgerüchen dahin, welches niedrigen Papilionaten entströmte, die einen schmalen, sich lang hinschlängelnden, baumlosen Strich ausfüllten. (I 88) ... Wir befanden uns mitten in einem uralten Cedrelawalde ... Leider aber waren diese Cedrelen von der Gattung Toana, deren Rinde, Blätter und Früchte einen starken, knoblauchartigen Geruch aushauchen. Es war ratsam, eine Rast unter solchen Bäumen zu vermeiden ... (I 437)


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Ussulistan, olefaktorisch erkennbar als das Land einer nicht unproblematischen Unschuld, empfängt den Touristen mit Wolken von Wohlgerüchen, entläßt ihn hingegen nach einem Vorgeschmack auf das Inferno - Ein fürchterlicher Brodem von Ruß und Pech und Teer drang uns entgegen. (I 433) - in der eher pharmazeutischen Duftglocke des Knoblauchs, der ja bekanntlich gegen Vampire wirksam sein soll. Und in der Tat, deren Auftritt steht kurz bevor: gegen die Weidegebiete der Tschoban (I 442) hin, gar gegen Ardistan roch (ich) Feuer - nicht gerade der himmlischen Art. Und der Geruch, der bekanntlich der schärfste aller Sinne ist, sagte mir, was Gesicht und Gehör mir jetzt noch nicht sagen konnten (I 439), daß es sich hier wahrscheinlich nicht um einen reinschmeckende(n) (ebd.), vielmehr um einen rechten Satansbraten handeln müsse, vor dem auf der Hut zu sein sich Knoblauchgeruch als probates Mittel empfehle. Schon diese kurze Probe veranschaulicht die ›Versponnenheit‹ der Textur, in die die Erzählung ihre Kryptogramme von einer voraussetzungsreichen, ja geradezu idiosynkratischen Begrifflichkeit webt. Und in erwähntem Sinne - als eine Kritik am Surrealismus hier speziell Mayscher Provenienz - gilt es, die Vexierbilder, an denen in den Erzählfluchten des ›Ardistan‹-Romanes ja nicht Mangel herrscht, als Embleme, emblematische ›Denkbilder‹ zu entziffern, ›Wirklichkeit‹ - d. h. im aristotelischen Sinne - aus ihnen zu gewinnen, weil »jede Wirklichkeit je stärker, desto träumerischer (ist)«,18 und in der gänzlich antischematischen Prosodie, die das späte vor dem bisherigen Œuvre Mays auszeichnet, jenes ganze verborgene revolutionäre Potential aufzudecken, das der Autor als unerbittlicher Gralsritter des Friedens verwaltet, indem er sich in den Arsenalen des Symbolismus die geeigneten Waffen dafür sucht, seinen Auftritt als ›neuer Lohengrin‹ zu beglaubigen. Der emblematische Zoo liefert ihm dafür statt des Schwanes ebenso noble Pferde und Hunde als Begleiter im Feldzug für die bedrohten Träume vom »Bessere(n) in mir«. »Was half mir nachher alles Wirkliche, als ich schon etwas Besseres in mir geschaffen hatte«:19 aus diesem Paradoxon, einer biographischen Aporie, erwächst das beunruhigende Spätwerk Mays, und es hat durchaus auch revolutionären Charakter. Die Methode, der es folgt, findet sich bei den Surrealisten selbst indiziert, die den Begriff vom ›peu de réalité‹, den Hinweis auf die Geringfügikeit des Realen, als eigentlich romantischen Einspruch gegen die Politik und ihre Tarnungen durch Taten setzen. Dabei wird der Gang in das Innere des Gegenstandes20 zur Expedition der Wahrheitsfindung. In diesem Sinne möchte May mitentdecken, mitentlarven.21 »Denn Worte und Bilder gelten dem Geist des Hörers nur als Sprungbrett«, zitiert Benjamin das surrealistische Manifest Bretons; nicht unkritisch. Es handele sich dabei um ein »Mißverständnis«, fährt er fort. Freilich: »›Mißverständnis‹ heißt die Rhythmik, mit welcher die allein wahre Wirklichkeit sich ins Gespräch drängt. Je wirklicher ein


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Mensch zu reden weiß, desto geglückter mißversteht man ihn.«22 Ein Tatbestand, der, indem er ›Allgemeinverständlichkeit als Qualität des Unwahren‹23 unter Verdacht stellt, die schwierige Rezeption von ›Ardistan und Dschinnistan‹ zu verantworten hat: und damit für die Maysche Poetik, die in diesem Werk eine Poesie des »absoluten Widerstands« (Breton)24 gegen die intellektuelle Korruption der Epoche verwirklicht, axiomatische Bedeutung besitzt. Denn diese Poetik - so darf man wohl den Autor verstehen - orientiert sich an unfechtbaren [!] Beobachtungen und Erfahrungen, die ich der strengsten Wirklichkeit entnehme und dann für meine tiefer liegenden Zwecke idealisiere. Der geistig Kurzsichtige hält dieses Idealisieren fälschlicher Weise für Phantasie.25 Als einen geistig Kurzsichtige(n) mochte May zum Beispiel Paul Schumann im Visier haben, der in Mays Schöpfungen eine Prostitution der Phantasie, bar jener segensreichen »Ketten, die zum Kunstgenuß, niemals in das Narrenhaus führen werden«,26 am Werke sah. Daß sich die Wirklichkeit häufig des letzteren als Inszenierungsort des ersteren bedient - die Gnade derartig kritischer Reflexion mochten - so sie sich überhaupt dazu verstanden hätten - die ästhetischen Fundamentalisten aus dem ›Kunstwart‹-Kreis den Schöpfungen Mays nicht gewähren, wie ihnen offenbar die wirklich packende Frage, welche Wirklichkeiten zu welcher Zeit überhaupt in die Fächer der Literatur aufgenommen werden, unerheblich erschien. In Mays Falle war es ja nicht unbedingt die Wirklichkeit seiner Zeit. Folgenreich für die literarkritische Bewertung blieb es beim Mißverständnis und Paradoxon: »Aber, Sir, was sind das für Phantastereien?« »Meine Phantasie ist hierbei gar nicht thätig; ich spreche von Dingen, welche wirklich sind.«27



2.  P e r m u t a t i o n :  Dionysischer Schwips - Bild von Bildern


Den von Benjamin indizierten Kurzschluß Kitsch-Surrealismus vermeidet der Schöpfer der Erzählwelten von ›Ardistan und Dschinnistan‹ freilich auf höchst verfremdende Weise. In jedem Aspekt ihres Erscheinungsbildes, in der ganzen romanhaften Lichtregie, beziehen sich diese erzählerischen Räume ja kaum auf das Reale, sondern stets auf die Geschichte des Genres, ja des Mayschen Œuvres selbst. Die narrative Kunst, in der das geschieht, gibt stets lustvoll den Verweis, daß sie eigentlich Bild von Bildern erzeugt, eine gleichsam tautologische Allegorisierung verfolgt, indem sie ihre Optik nach Bildern justiert: Bildern, die den Zeitgenossen rebushaft aus den Geschichten vieler erzählten Geschichten ja bekannt sind und deren Verständnis - wie von Matt formuliert28 - eine gewisse ›Leiblichkeit‹ voraussetzt: die kulturstiftende Fähigkeit, assimilatorisch mit dem »Phantoplasma« umzugehen, dem »Bild gewordene(n) System der zureichenden Erklärungen«.29 Auf die-


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ser Ebene der Tableaux findet die Kommunikation über den ›Choc‹ statt. »Wir beeinflussen einander durch Paniken. Wie grauenvoll abgesperrt und einsam wären wir für einander, wenn nur der Bewußtseinsakt allein uns vereinigen könnte.«30 Die Panik ist, ikonisch codiert, die Subversion, die in den kulturellen Fassaden der erschöpften wilhelminischen Epoche so rieselt wie in den erzählten Panoramen ›Ardistans‹. ... es ergriff mich eine Art von Grauen - weiß Kara Ben Nemsi zu vermelden - um den vor mir sitzenden, immer wieder von Neuem geborenen Gott (I 452), dessen Ikonostase er gerade eben auf einem - wie die gesamte »Sehpyramide« des Romanes - in siderischer Perspektive gelegenen exotischen Andachtsbild zelebriert hat: ein Bild aus dem ›Herzen der Finsternis‹, wie es gleichzeitig Joseph Conrad als Schwundstufe der Zivilisation malte und in das May alle Ängste entsorgt, es könnte dieses Bannbild den Aufstieg nach Dschinnistan sabotieren.


Es waren nur wenige Augenblicke, aber sie ergriffen mich doch sehr tief. Vor mir hatte ich das langsam sich bewegende Wasser des Flusses, der mit phosphoreszierendem Schein aus dem Dunkel des Urwaldes trat und dann quer durch den farbigen Glanz des brennenden Feuers flutete: die phantastisch beleuchteten Gestalten der Pferde und Kamele; die fünf am Boden knienden Beter; den einzigen Sechsten, der nicht betete, sondern hoch und stolz erhobenen Angesichtes hinauf zu den Sternen sah, als ob er die emporsteigenden Gebete da oben in Empfang zu nehmen habe. Die zwölf Schläge des Gong hatten jenseits des Flusses an der dichten Wand des Urforstes ein zwölffaches Echo erweckt,31 welches abwärts bis an die Krümmung des Wassers schallte und von dort wieder zurückgeworfen wurde. Das gab in die bisherige Stille hinein ein plötzliches, schmetterndes Rasseln, Donnern und Dröhnen, als ob alle die Kämpfe, die man in das friedliche Land des Ussul schleppen wollte, schon ausgebrochen seien. Ich sah unwillkürlich hinter mich. Es überkam mich eine Art von Angst. (I 451f.)


Erklärbar wird diese Angst angesichts einer Musik - man denke an Aschenbachs Alptraum, der die Kakophonien des Dschungel, wie er hier geschildert wird, beschwört -, welche um die Jahrhundertwende dieBetäubung durch das Irrationale mit dem ›Champagnerkelch‹32 in der Parusie des Dionysos feiert: etwa im christlichen Chiton am Dschebel Allah. »Das ist seine Zeit!« (II 577) Es ist die Zeit der Söhne: Siegfried oder Dionysos oder auch Jesus. Und es ist die Zeit eines rauschhaften élan vital, vom banalen ›Schwips‹ nur graduell unterschieden. Endlich ist es die Zeit der um die Jahrhundertwende überall anzutreffenden Sehnsucht nach dem ›großen Geistigen‹, sich die Welt in einem Ganzheitsdenken wiederzugewinnen, sie dem »mythomanen Wesen« (Kolakowski) des Menschen gemäß religiös zu erneuern: in der Erwartung, daß aus der décandence entschieden der Neue Mensch erwachse, »wie (überhaupt) die Jahrhundertwende ein neues geistiges Licht der Menschheit bringen müsse (...) ein Umschlagen des Werdeganges der Menschheitsentwicklung«.33 Ardistan bietet in dieser geistigen Topo-


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graphie das Bild einer großen spirituellen Versteppung Europas. Im Wasser, auf dem Grund des ›Sohnes‹, jenes Berges, »der die Wasser von Dschinnistan unter seinem Throne sammelt« (II 577), geborgen, liegt das Angebot, durch Sühne diese Steppe wieder zu einem blühenden Garten zu machen, die geistigen Kräfte zu erneuern - in einer Wiedergeburt des Religiösen wieder Anschluß und Anbindung zu gewinnen an die traditionelle Weisheit, die allen Weltreligionen innewohnende ›sophia perennis‹ - die Schöpfräder in den Brunnenengeln wieder in Betrieb zu setzen und somit eine Renaissance der seelischen Kräfte einzuleiten. Denn Renaissance ist notwendig im Lebendigwerden vergangenen Denkens ein Schritt ins Zukünftige.

  So, gerade in diesem Punkte einer rückschauenden Perspektive, verbindet Mays schöne allegorische Erfindung des Kelchglases, das der Glasbläserei des Vulkanes ›Sohn‹ entsteigt, am Ende jener vitalistischen Epoche vor dem ersten Weltkrieg aufs originellste ihre wichtigsten Inauguratoren: Richard Wagner, Friedrich Nietzsche und Johann Strauß, die Dionysos als göttliche Instanz berufen, den Auftritt des in jedem Menschen gleich von Geburt an (steckenden) Tier(es) (I 232), über das sich der Sahahr so entrüstet, zu lizenzieren, die Panther und Tiger, sonst im Joch vor dem Wagen des ›fremden Gottes‹, in den psychischen Dschungeln der Menschen freizusetzen. Der Kick, welcher zeitweilig den »Figuranten der Ratio«34 und den von ihrer Kuratel geknüpften zivilisatorischen Fesseln zu entkommen legitimierte, letzten Endes aber eine Endzeitgesellschaft in den Abgrund des ersten Weltkriegs zu tanzen animierte, führt nicht verharmlosend die ›Fledermaus‹ im Emblem, sondern als Schwips in bedrohlicher Skurrilität eben die dionysische Fauna - im Jargon Halefs (waren) ihre Schwippse aber Panther, Tiger und Löwen, gegen die man ohne geladene Flinte gar nicht aufkommen kann. (I 365) (Noch nicht 1909, aber es ließ sich schon zu dieser Zeit absehen - und Mays Friedensroman ›Ardistan und Dschinnistan‹ erkennt durchaus die bedrohlichen Zeichen -, daß sie 1914 dann freilich weidlich genutzt wurden.) Ein Schwips mag das Rumoren dieses Bestiariums zwar sein (Verweis darauf, daß Gott - so heißt es in Brasilien - auch auf krummen Linien deutlich schreibt), verglichen mit der Panik, die dem oben zitierten Dschungel-Bild induziert wird, wenn der himmlische Konvergenzpunkt seiner Fluchtlinien sich - virtuell - als Spiegelung des auf der Sichtachse von Sitara nach Dschinnistan situierten weißen Marmorprismas entschleiert. Dessen Inschrift »Nur ein Einziger weigerte sich, / Seele zu werden!« (I 372) kommentiert das Göttliche als ›sacro egoismo‹, als Egoismus ohnegleichen (I 449), und liefert dem Bild in seiner emblematischen Funktion, Gott als Spiegeleffekt der ›gewaltigen Selbstsucht eines jeden Lebenwesens‹ zu vergegenwärtigen, die subscriptio.

  Eine solche Erzählkunst lebt also nahezu ausschließlich vom ikoni-


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schen Zitat: freilich sehr selektiv. Auf verschiedene Weise durchbricht May den Text, indem er immer wieder Bilder einmontiert, die freilich alles andere als Illustrationen des Textes sind, eher photographische Interjektionen von Schauplätzen der Faszination, die den erzählenden Text unterlaufen und signalhaft durchbrechen: formelhaft organisieren sie die Romanstruktur: Er hielt mitten in der Rede inne. Er sah etwas, was ihn verstummen ließ. Das war eine helle Stelle im alten, dunkeln Moorboden des Flußlaufes. (I 461) Ein sich repetierendes, schubhaftes ›Incipit‹ bildet allenthalben Metastasen, so daß es nach 602 Seiten heißen kann: Ich ahnte, daß wir jetzt während dieses schnellen Rittes ganz ungewöhnlichen Dingen entgegenflogen, und daß mich diese Ahnung nicht täuschte, wird schon die nächste Folge der vorliegenden Erzählung beweisen, die eigentlich jetzt erst zu leben beginnt. (I 602) Etwas Jähes, Inchoatives zeichnet das wechselseitige Verhältnis zwischen Bild und Prosa aus. Diese Mischung von Schrift und Bild führt zu einer magischen Erfahrung und daraus resultiert wiederum eine Aufräumarbeit in der Ikonographie - für ›Ardistan und Dschinnistan‹ speziell - des Exotisch-Utopischen, die den Wiedererkennungseffekt sehr geschickt kalkuliert: die Reflexe von gestern Gesehenem, wobei May bei diesen Inszenierungen auf die Suggestionskraft seiner Bilder vertrauen kann, die die phantastische Welt nicht umdeuten, nicht ironisieren, vielleicht nicht einmal so sehr plakativ darstellen, vielmehr um eine Funktion im synästhetischen Zusammenhang bereichern: um den ›Tristan‹-Effekt. »Wie, hör' ich das Licht?«35 Der ›Choc‹ der Sonoluminiszenz erfährt seinen Nachklang im Dom von Ard: Die Menge des Lichtes, die den weiten Raum erfüllte, schien hörbar geworden zu sein. (II 212) Es sind Wiederholungen der Geschichten synästhetischer Träume, deren optische Komponente in den Xylographien ihre Industrialisierung erfuhr. ›Ardistan und Dschinnistan‹ praktiziert eine ›Derealisierung‹ der Mayschen Geschichten besonderer Art in ständig neu arrangierten Emblem- und Symbolwelten und nutzt eine Technik, deren als postmoderner Kunstform sich heute der Videoclip bedient. Dieser spielt mit einem Wirklichkeitssplitting, wie es schon die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts beförderten und dem auch Mays Schilderungskunst in weiten Teilen verpflichtet ist. Es ist die Ästhetik der altehrwürdigen, Generationen hindurch so beliebten Bildtapeten und Guckkastenbilder:36 reihten sich diese in perspektivischen Fluchten zum einheitlichen Abbild einer Welt, in der kleine Staffagefiguren wohlgeordnet leben, so begegnen sie heute zeitgemäß flimmernd in den öffentlichen Räumen, wo sie über die audiovisuellen Medien zu Reisen durch ›Hyperrealitäten‹ im Sinne Jean Baudrillards einladen, Freiräumen der Assoziation, der spielerischen Verknüpfung von scheinbar unvereinbaren Wirklichkeitspartikeln. Apodiktisch formuliert Marah Durimeh das Programm des Romans: »Es soll sich hier nicht um Bilder, sondern um Wirklichkeiten han-


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deln.« (I 22) Bilder erscheinen hier nicht länger als Abbild der Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit wirkt wie ein Effekt der künstlich produzierten Bilder und simulierten Ereignisse. Wirklichkeit konstituiert sich also in der Überblendung, und ›Ardistan und Dschinnistan‹ ist in seinem Ineinanderblenden von Manier und Manie auch ein manieristisches Werk, das eine Spur von Historismus, von Leerlauf und Sinnlosigkeit, ein Aroma von Böcklin und vor allem Makart durchziehen: mit all seinen ›verrückten‹ und ›verbohrten‹ Figurationen böcklinscher Imagination (I 40), in denen »sinnenfrohe Phantasien (...) die Antike auf eine humorvolle und realistische Weise«37 wiederzugebären scheinen, sich in Wahrheit aber abgelegtes Leben verbirgt; mit seiner Fähigkeit, »in ein fremdes Phantoplasma zu reisen«,38 d. h. in einem ›Archäologieerlebnis‹ die motivischen Arsenale und Inventare geistesverwandter Epochen gleichsam wie Environments fern-naher Ahnen »in (sich) einzuschalten und abzuspielen«; in seinem expressionistischen Verlangen nach Lust, die sich den manieristischen Gestus instrumentiert, gerade weil er in seinen synkretistischen Grenzüberschreitungen den Flirt mit dem Kitsch als Quelle schöpferischen Elans erschließt, den »feineren und verwickelteren Apparat« zu speisen, den sich eben diese Lust »im Animalischen« geschaffen hat: »die Phantasie. Diese ist, obschon sie auf dem Prinzipe der Spiegelung beruht, der Träger aller Gestaltungs- und Schöpferkraft. Sie beobachtet und reflektiert und holt scheinbar aus dem Felsen des Bestehenden die Goldader der Erkenntnis; in Wirklichkeit härtet sie diesen Felsen, das Phantoplasma, erst mittels Erfahrung.« Mit anderen Worten: Sie modelliert ihn und gewinnt ihm, indem sie mit der poetischen Lizenz zur romantischen Verwirrung ihr Recht auf Ausflucht ins Zitat in Anspruch nimmt, jene Bilder ab, die in verschiedener Konstellation seit je Welt erfanden und erklärten und als solche den Abfall vom Geiste, ja den Sündenfall selbst bedeuteten. -

  Vielleicht kann man sogar sagen, daß die Perversion des alttestamentarischen Bilderverbots so der Erschleichung des Paradieses Vorschub leistet. Die reale Welt verweigert sich dem Paradiesesverlangen, die virtuelle, die die reale längst verdrängt hat, gibt ihm statt. Wo »das Paradies verriegelt (ist) und der Cherub hinter uns«, (müssen wir wohl) »die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist«.39 Und leicht ist es da möglich, daß wir im Rückspiegel dieser Reise einer Fata Morgana zum Opfer fallen, daß uns »die Tore des Paradieses aufspringen (werden), damit ihnen jenes Licht entströme, bei dessen Wahrheit und Klarheit die Engel sehen können, ob endlich, endlich Friede auf Erden sei, oder leider immer noch nicht!« (I 334) Da wir in dieser Spiegelwelt der Bildschirme aber nicht »von dem Aeußeren auf das Innere und von dem Niedrigen auf das Hohe schließen« (ebd.) können, die ›Verführbarkeit‹ des Schriftstellers, »die wahre, die innere Realität neben der existierenden Realität zu sehen


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und zu finden«,40 suspendiert ist, muß es bei jenem ›optischen Betrug eines Raritätenkastens‹ bleiben, den die Definition Benjamins als eine in ihrer mortifizierenden Energie dem Kitsch überantwortete ›Maske des Banalen‹ entlarvt. So mag das wohl in den virtuellen Welten, dem ›surrealistischen‹ Ressort heutiger Medien, sich abspielen, worauf schon die ›Risikoästhetik‹ des Mayschen Romanes, sein gebrochener, ins Subjektive verfremdeter Umgang mit den Formen epischer Konvention verweist. Denn dieses Spätwerk bringt neue Bilder und Erzählformen, die subjektiven Impulsen, Phantasien und Assoziationen folgen, freilich keineswegs frei von ideologischen Fermenten, was angesichts der geistigen Situation einer Zeit, die die Fragmente des zuletzt unter Einfluß der Psychoanalyse zerbrochenen ›Ichs‹ zu immer waghalsigeren ›Menschenbildern‹ zu legieren suchte, auch nicht verwunderlich sein kann.

  Insofern darf auch ›Stilreinheit‹ nicht erwartet werden. Im Gegenteil, ›Stilmischung‹ ist das Prinzip - kraß im Wechsel von Sprachramsch zur Gewalt originaler Rede, von Beletage- zu Souterrain-Szenarium, von Halef-dominierten zu Kara-Ben-Nemsi- oder Dschirbani-dominierten Episoden, von Buffa zu Seria vorgeführt. Und diese - häufig genug aleatorisch anmutende - stilistische Inkohärenz reflektiert nicht - jedenfalls nicht nur - ein Buhlen um die Gunst gewisser Leserkreise, resultiert nicht aus der Tatsache, daß der Dichter sich mit dem Massengeschmack encanailliert und Verkaufsgespräche mit dem Publikum führt - wenngleich er sich des Ungewohnten seiner Darstellung bewußt zeigt: »Man wird dir vorwerfen, mystisch zu sein ... Aber laß dich das ja nicht anfechten!« (I 563) -, ist vielmehr als durch das Erzählziel erzwungene Preisgabe von Norm, Konvention und Integration ›monofokalen Sehens‹ zugunsten von erzählerischer ›Wahlfreiheit‹, ›Desintegration‹ und ›Polyfokalität‹ zu verstehen, als ein Spiel - wofür die Merhameh-Episode (I 517ff.) ein ›emblematisch‹-strukturalistisch eindrückliches Beispiel gibt - in Kulissen, deren Wand ... nämlich nur auf ihrer vorderen Seite kompakt, hinten aber zerrissen und zerklüftet (war), wobei diese Risse und Klüfte in einander ein(griffen) ... und ... in ihrer Gesamtheit einen gar nicht schwer zu gehenden Zickzackweg nach oben, der aber von der Außenseite nicht zu sehen war(, bildeten) (I 52141). Dieses ganze Szenario ist gleichsam Emblem für ein Erzählen, das sich das Ornat traditioneller Homogenität nur noch leiht, in Wirklichkeit den Zickzackweg praktiziert und in einem sonderbar widersprüchlichen Umbruch der Perspektiven das eindeutige Werk, das ›monofokale Fensterbild‹ aus der ästhetischen Erbschaft von Horaz und Alberti, schon längst liquidiert hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß ideologische désinvolture dessen Sehpyramiden-Optik im ganzen Roman omnipräsent sein läßt.42 Die Kühnheit und Ungewöhnlichkeit seiner ästhetischen Konditionierung ist dadurch kaum geschmälert. Denn die klassischen


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Forderungen nach dem eindeutigen Blickpunkt, das Gebot, die drei Einheiten von Raum, Zeit und Handlung in der Darstellung zu wahren, das Verbot der Stil- und Realitätsmischung: diese Gesetzestafeln beginnt May - darin ganz Modernist - zu zerbrechen, indem er durch Montage verschiedener Realitätsebenen, Verspiegelung von Zeiten und Bedeutungen und Umsetzung von Nacheinander in Gleichzeitigkeit den illusionistischen Erfahrungsraum und das einheitliche Raumkontinuum der ›Bild‹erzählung auflöst, bis sie sich in den Wunschwelten eines schon in diesem späten Roman intendierten Cyberspace (Cyberspace avant la lettre!) relativieren und verflüchtigen.

  So wird es möglich, jemandem »folgen zu können, ohne daß du ihn siehst« (I 581), oder mit dem befruchtenden Wasser der Vergangenheit die Gegenwart und Zukunft zu durchtränken (I 503), wenn nämlich Präteritum und Präsens kollabieren und das Vergangene, z. B. die Fährte, in Wirklichkeit die feste, unzerreißbare Schnur zur Realität bildet (I 582). Geht es darum, schon heut (...) unsere neue Bekanntschaft eingehender zu beschreiben, als ich sie jetzt hier liegen sah ..., denn was ich jetzt nicht sehen konnte, das sah ich dann am folgenden Morgen um so deutlicher (I 573), dreht es sich somit darum, daß das gut (war), wie sich bald zeigen wird (II 19), so handelt es sich dabei keineswegs um logische Imbezillitäten, stilistische Entgleisungen oder Liederlichkeit im Gebrauch der Zeitenfolge, sondern um surrealistische Signale für eine dem Sujet inkubierte Diskontinuität. Allein als ästhetische Defizienz, nämlich im Dienste metaphysischen Kitsches, läßt sich die Magie, die den erzählerischen Mitteln dieses allegorischen Romans innewohnt, nicht abqualifizieren, sozusagen als poetische Mimikry, die ihre epische und weltanschauliche Unbedarftheit zu kaschieren sich beim zeitgenössischen Symbolismus die Tarnfarben einkauft. Eher schon scheint es so zu sein, daß dergestalt simulierte poetische Tugenden von einer Suggestionskraft zehren, die der sie simulierende Mensch von sich aus gar nicht hervorbringen kann, die ihm hingegen als immer schon gedeutet-deutendem Wesen auf der Basis unbewußter Phantasien der innere Zwang, sein die Grenzen des Herkömmlichen überschreitendes Thema zu gestalten, eben oktroyiert.

  Folglich ist denn auch der ›magische Surrealismus‹, den May in ›Ardistan und Dschinnistan‹ entwickelt, dem von Benjamin unter Kitschverdacht gestellten Muster wenig verpflichtet. Es geht in Mays Roman allenfalls ja nur vordergründig um ›Vexierbilder‹ als Verrätselung und illegitime Nobilitierung des Banalen, um die maskierte Aneignung von Kräften ›der ausgestorbenen Dingwelt‹, die der Kitsch mit seinem Hang zur Nekrophilie in einem höchst unhygienischen Akt geistigen Stoffwechsels bewirkt; nicht eigentlich diese Form von ›Surrealismus‹ ist hier am Werk, sondern - hier nun ist der Verweis auf die kunstreligiösen Mystifizierungen des Kasimir Malewitsch nicht unangebracht -


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eine Art ›Suprematismus‹, d. h. Überwindung der Lebenskrisen mittels der Stiftung neuer Symbole und Ikonen, die - darin liegt nun auch das gefährlich Selbstreferentielle dieses Unternehmens - nur die alten sein und als eine Feier des Lichts ihre Wirkung in einer ›Climax of Disclosure‹ allenfalls durch Umwertung und Neucodierung entfalten können: und das ist allerdings ein höchst künstlerischer Akt, Lebensüberwindung durch Kunst. Auch davon finden sich kräftige Spuren im ›Ardistan‹-Roman, der himmlischen Ästhetizismus auf den Foren sozialethischen Marktgeschehens verhandelt, und eben darin ist er als seine Epoche illustrierendes Artefakt voll auf der Höhe seiner Zeit; ästhetisch in der malerischen Führung des Lichtes, den starkfarbigen Kontrasten, den Inszenierungen von Energien, Konflikten, jähen Schnitten und Rhythmen, deren Theatralik sich oft einer nahezu narrativen Abstraktion nähert; ethisch im Dualismus des Sahahr und des Dschinnistani, seines Schwiegersohnes, des ›Panthers‹, des Mir von Ardistan und des Dschirbani, in der Dialektik antiaufklärerischen Affekts, daß es »die Bewahrung der Religion vor wahnsinnig falschen Gedanken (gilt)« (I 234) und die Sicherung ethischen Fortschritts durch »Menschheitsliebe« (I 237), einer Dialektik ganz offenbar zwischen patriarchalischem Ordnungsprinzip und dissoluter Macht des Weiblichen; Visionen einer ›konservativen Revolution‹, hier wie dort, die ohne Bezug auf Gott zu wahngezeugten Katastrophen führen können (vgl. I 223), wie sie als ›Wirklichkeit‹ in den aggressiven Träumen von Re-Barbarisierung und regressiven Utopien vom Paradiese lauern. Die ›Wirklichkeit‹ dieser Träume ist die dem Zeitgeist aufgebürdete Aporie von ›Norm und Paradox‹: »Wahrheit war Fortbildungsfähigkeit, Stillstand allein war Lüge.«43 Und Regression, die sich in der paradoxalen Verfassung des Syntagmas ›konservative Revolution‹ verbirgt, aktiviert die mortifizierende Energie des Kitsches. Der Roman, in seiner unterschwellig verhandelten politisch-ideologischen Rebellion gegen die Lebensbedingungen des modernen Industriekapitalismus und der demokratischen ›Massengesellschaft‹ ringt mit dem Widerspruch, einerseits die ›Entwertung‹ überkommener ›Werte‹ anzuprangern, andererseits aber von unversehrten Traditionsbeständen nicht mehr, allenfalls nur noch von den Gespenstern ideologischer Retardismen zehren zu können.



3.  P e r m u t a t i o n :  Mythologische Bestiarien


Diesen Widerspruch zu lösen gelingt im Rückzug auf die Infantilität des Heroen, des Kindes Herakles, das in der Wiege die bedrohlichen Schlangen mit den Fäusten erwürgt, wie Kara Ben Nemsi die Bärenhunde, scheinbare Ausgeburten der Hölle, in der Umarmung bändigt; und das heißt in der Auflösung der Allegorie, es müsse, was erhaltens-


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wert ist, erst durch die revolutionäre Tat sich schaffen. In Parallelaktion dazu treten als Sendboten des Paradieses die Hunde Aacht und Uucht auf. Sie wie überhaupt der Tierpark von ›Ardistan und Dschinnistan‹ gehören in die emblematisch-legendarische, mithin kindlich orientierte Sphäre der Erzählung, wo es genügt, Bilderzeichen abzulesen, und in die immer wieder naturgesetzliche Empirie interferiert, die Schilderung als herkömmliche ›Reiseerzählung‹ zu beglaubigen. Beide in eine einigermaßen bekömmliche Balance zu bringen, muß der empirische Geist des Autors sich auf Umwege begeben. Ganz unproblematisch ist das nicht da, wo ihm der Geist der Zeit - sozusagen ›sublim‹ - immer wieder die Sicherheiten problematisiert. Seine Imagination nimmt Zuflucht zu Analogien und Projektionen aus dem Bilderschatz der Tradition. So spielt gerade in der Emblematik des Barock der Hund eine prominente Rolle,44 und den auf die Auffindung von Manna (Geschenk) abgerichteten Hunden Aacht und Ucht kommt katexochen eine hermeneutische Bedeutung in doppeltem Sinne zu, indem sie die ins Offene zielenden Strukturen dieses mayspezifischen Erzählterrains ausmarchen.

  Dergestalt eröffnet der Schluß von Mays Roman den Ausblick auf seine philosophische Qualität, illustriert eindrücklich seinen Metapherncharakter, wie sich ›Methode‹ in diesem Werk eine Metapher schafft: Der Weg nach Dschinnistan ist ›meta hodou‹ - , das ist durch, mit, auf dem Weg etwas in Bewegung setzen, nicht auf Abwege gelangen, das ist Wege entdecken, wozu die hieroglyphisch verfaßten Karten und die Hunde dienen, die die Spuren entschlüsseln helfen, die, ›meta hodon‹ - , auf dem Weg ›hinter den Weg‹ führen, hinter dem physikalischen Weg den seelischen, innerweltlichen be-gehbar und »für uns aber, die wir von dem Aeußeren auf das Innere und von dem Niedrigen auf das Hohe schließen, ... die Tore des Paradieses« erreichbar (I 334) machen.

  Folglich heißt es: So lange diese Hunde bei uns sind, werden wir nicht zu hungern brauchen. (I 567) - Abd el Fadls Feststellung steckt schon voller interpretatorischer Ambivalenz. Ähnlich kommentiert der Konditionalis »Si deus voluerit« (die Hunde sind ja Abgesandte Gottes) als Inscriptio das ehrwürdige Emblem des Gottvertrauens, auf dem von himmlischer Hand einem Hunde Brot gereicht wird:45 was wohl heißt, daß Gott auf der Lebensreise, die dem Wiederfinden der himmlischen Heimat gilt, also den transmontanen loca caelestia Dschinnistans, wo im »Land der Fülle (...) du Israel für immer mit der Speise der Wahrheit (pabulo veritatis) nährst«,45a die Pilger nicht verhungern läßt. »Das ist die Mannakammer, die wir entdeckt haben, und von der wir seitdem zehren. Ich war außerordentlich gespannt darauf, ob sie (die Hunde) den Ort finden und uns zeigen würden. Daß sie es getan haben, beruhigt mich für alle fernere Zeit. (I 567) Die Mannakammern bieten sich als geistige Überlebenshilfen in einer spirituell dürftigen Zeit an. Im Ritt durch die Wü-


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ste existentieller Dürre liefern sie dem Reisenden - symbolisch gesehen - Deponien metaphysischer Sicherheit und Sinngebung. Diese aufzurüsten diente noch immer im 19. Jahrhundert Inventar aus den Kompartimenten der Künste. Freilich wird in dem Emblem heute wie auch schon für die Zeit der Abfassung von Mays Roman deutlich, daß die Künste keinen geschlossenen ›novellistischen‹, d. h. das Göttliche zentrierenden Charakter mehr haben können. Man muß an Picassos berühmten Ausspruch ›Ich suche nicht, ich finde‹ denken, der, auf die Fähigkeiten von Aacht und Uucht umgesetzt, natürlich auch das Wiederfinden meint. Dieses allerdings nun eben nicht in der geschlossenen, sondern in der zerstückelten Form, verstreuten Manna-Deponien, die von Mal zu Mal ein höchst ungewisses Überleben gewährleisten - vagabundierend - als Träger der Ambivalenzen.

  Sowohl die Hi-und-Hu- als auch die Aacht-und-Uucht-Szene, geradezu als Ikonen angelegt, liefern für das Ausbalancieren einer oszillierenden Emblematik Anschauungsmaterial. Erstere verhilft in der Unterwerfung des Tieres, letztere in seiner Befreiung dem Guten zur Wirksamkeit. Emblematisch vollzieht sich das als Zerberus-Bewältigung und in Analogie zum Schicksal des Dschirbani als Inszenierung des Martyriums - mit der Riemenpeitsche (I 395) - der gütigen Unschuld. In beiden Fällen tritt Kara Ben Nemsi in der Pose des Heiligen auf, der zu den Tieren spricht. Dabei demonstriert er im Umgang mit den Hunden Hu und Hi die wahrhaft zivilisatorische Tat, diesen »Scheusale(n) (...) aus der Hölle« (I 262) zuzuerkennen, »daß sie nur infolge ihrer Erziehung, nicht aber von Natur aus so wüten« (I 263). Das Ganze hat natürlich auch einen mythologischen Aspekt. So war die Bändigung der Hunde denn kein so großes Wagnis, wie es schien. Schon Hunderte und Aberhunderte hatten es gewagt und zwar oft mit Erfolg. (I 270) In Schwabs ›Schönsten Sagen des Klassischen Altertums‹ oder Hebels ›Erzählungen des rheinländischen Hausfreundes‹ mochte May von diesen atemberaubenden erzieherischen Umarmungen gelesen haben, daß Herakles »dem Untier (nemeischer Löwe oder Zerberus) von hinten (nahte), die Arme um seinen Nacken (schlang)«,46 »es der herzhafte und starke Machin mit beiden Armen (umfaßt), es fest an sich (drückt), mit ihm (ringt)«,47 so daß es, mit dem Rücken nach mir gewendet, mit der Kehle in meinen Armen (hing) (I 272). Hier erschafft sich das konservative Denken die zivilisatorischen Werte neu in einem kindlichen Rückgriff auf längst diskreditierte, weil als anthropomorphe Projektionen entlarvte, ethische Werte der Natur.

  Unbefangen und traditionsstolz pflegt noch Goethe in seiner ›Novelle‹, welche Gottfried Benn mit leichter Geste als eine allegorische Fazilität abtut, die Auseinandersetzung mit ihnen. Dem Klassiker ist der Umgang mit dem Tier immer wieder Paradigma für den Umgang des Menschen mit seinen psychischen Potenzen. Daß sich der Löwe dem


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Kinde fügt, verweist auf die Auffassung der Kindheit als Garten des Paradieses. In dieser Sehnsucht nach dem Verlorenen treffen sich Goethes ›Novelle‹ sowie Rilkes ›Karussell‹, das den Kindern die Löwen in den Arm legt, mit den Chorliedern der Euripideischen ›Alkestis‹, die besingen, wie »die gefleckten Luchse, von den Tönen verzückt, mit den Schafherden weiden«.48 Gottfried Benn in seinem Briefwechsel mit Oelze verweist dererlei Mythen freilich in den Bereich der Scharlatanerie: »gigantisch das Ganze, aber  f-a-u-l-!«49 Wenn er den Puma - eine Großkatze auch er, »regungslos auf einen Ast gestreckt«50 im Gegensatz zur Ruhelosigkeit des Panthers - beschreibt, so wird deutlich, daß es kein Zurück vor den ›Ausdruck‹ gibt, vor »die Epoche dieses Aufstemmens von der Muskulatur hinüber in den Gedanken«,51 daß vor dem Tore des Gartens jenes reflexionslosen Glücks, das das Einvernehmen der Lebewesen untereinander bedeutet, der Engel der Geistigkeit steht, der kein ›Noch einmal‹ erlaubt. »Kann denn aus diesen Deutschen etwas werden, wenn ihre Heroen das Leben so harmonisch gutartig u. ›im Grunde‹ so nett und lieblich u. symbolisch ihnen darstellen?«52 fragt Benn skeptisch angesichts der Utopie, die Goethe in seiner ›Novelle‹ entwirft. In die Tradition dieser ihm so verdächtigen ›Heroen‹ ist zu Recht auch May einzureihen: in Vertretung einer spezifisch das Weibliche decouvrierenden Linie dieser Literatur. Denn was ist ›Ussula‹ eigentlich anderes als Schauplatz einer Gynaikokratie, was sind die Ussul anderes als - vollständig und sehr dicht behaart (I 69) - Etappe der Weiblichkeit in der Evolution, der sich das Patriarchat ›Ardistans‹, dessen Substrat die Ussul darstellen, gleichwohl nur als eine kurzfristige Projektion vorblendet? Das Land der ›Ussul‹ ist das Land der ›Mütter‹, das chtonische Figuren - der Phantasie eines Böcklin (I 65) entsprungen - zentaurenhaft bewohnen. Im Pferdeleib, etwa Smihks, sind dem Zentauren aber schon immer das Weibliche und mit ihm diese Urgefühle (I 111) inkorporiert, denen der Zweifel an seiner Zähmbarkeit gilt (meine Ohnmacht; I 112). Dem entspricht auffällig auch eine trotz aller erzählerischen Desintegration und Polyfokalität stringent durchgehaltene narrative Zentralperspektive der Handlung, die die epische Welt der Ussul, diesen Verschnitt - Kriegslager im wahrsten und romantischesten Sinne des Wortes (II 7) - aus Böcklin und Homer (ebd.), in der Optik von Flaxman, Preller und Genelli als Basis einer Sehpyramide auslegt, sie durch den Engpaß von Chatar in die dramatische Welt Ardistans, bifokal in die Spannung zwischen Welt- und Totenstadt gesetzt, überführt und ihre Strahlen gemäß der optischen Geometrie Albertis lyrisch-hymnisch über den Bergen Dschinnistans in Gottes Auge und dem Auge der Menschheit (I 564) konvergieren läßt. Die Perspektive fungiert hier als symbolische Form.53 Die Anatomie dieses Symbolismus ortet in den rauschhaften Roben seiner mythologischen Feste eine Modernität, deren Wirklichkeitskoeffizient - nach einem Wort der Sandrock - nur »eine Frage der Abnäher (ist)«.


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4.  P e r m u t a t i o n :  Legierte Wirklichkeiten - Der Griff zur Feile (I 343)


Vorab: Wenn - wie Jacob Burckhardt meinte - »vollends aber die Kunst eine Verräterin (ist)«,54 die den Glauben an die Schönheit, die Sachen an die Worte und Bilder, die Realität an die Idealität verrate, wie real, wie wirklich redet dann May? Der Grad der Wirklichkeitserfassung in seinem Werk steht offenbar proportional zu dem von Benjamin umschriebenen »Mißverständnis« der Rezipienten, und besonders der ›Ardistan‹-Roman stellt in seiner bizarren ikonographischen Gestaltung einen Angriff auf die herkömmliche Form des ›Sehens‹ von Realität dar. Dabei ist wichtig, daß dieser Angriff auf die ›Form des Herkömmlichen‹ - man denke etwa an Fälle, da man das nicht vermuten möchte, so ›esoterisch‹ geben sie sich: der späte Beethoven und Schubert z. B. - als Surrogat für die Attackierung gesellschaftlicher Konventionen zu sehen ist, wo »›Schriftsteller‹ (...) eine andere Wahrheit haben als gewöhnliche Sterbliche«.55 Von dieser ›anderen Wahrheit‹ berichtet der ›Ardistan‹-Roman in Hieroglyphen, Chiffren, Suiten von ›Gemälpoesien‹, die ›politisch dynamisiert‹ - wie etwa ›Ussula‹ oder die ›Stadt der Toten‹, Schauplätze der Feier verkappter revolutionärer Liturgien - als Sinnbilder seelischer Befindlichkeit der Zeit zu lesen sind. Auch in diesem Roman, wahrhaft einem »Dinosaurier in schwieriger Zeit«, bewährt sich - nach einem Worte Mario Vargas Llosas - Literatur als eine Form »permanenter Rebellion«, und gerade in seinen so hermetisch-allegorischen Verklausulierungen ereignet sich beeindruckend jene Form des »bis an den Hals (...) in die werdende Geschichte (E)intauchen«.56

  Denn das Experiment mit der ›Bildersprache‹ - zu vergegenwärtigen wäre zum Exempel der Kubismus, aber auch der Dadaismus - entsteht immer auch aus einer politischen Ohnmacht, nichts mehr verändern und nur noch in der ›Sprache‹ subversiv sein zu können. Subversiv ist diese ins Surrealistische tendierende Kunst allemal, getreu dem Motto Walter Benjamins aus seinem Surrealismus-Essay, daß die »Kräfte des Rausches für die Revolution zu gewinnen«57 seien. Mag May seinen Roman auch nicht in diesem Sinne programmatisch entworfen haben, das literarische Potential, das er in ihm öffnet, verleiht der erzählerischen Imagination immer wieder den Hang zum Deroutierenden. »Da lief einer im Psychodrom mit, der immer wieder ins Gegenläufige abirrte«,58 die Probleme in die Sternenwelt auslagerte.

  Und so enttarnt sich unschwer die Poesie in ›Ardistan und Dschinnistan‹ als ›Partisan des absoluten Widerstands‹ gegen die Diktatur der Eindeutigkeit. Sie läßt mit Kara Ben Nemsi einen ihrer würdigen Gralsritter in die Reihen der Literaturgeschichte einrücken, der seine Waffen den altehrwürdigen Zeughäusern des Okkulten und Mysteriösen ebenso entlehnt hat wie den spolienverhängten Kramläden der Kolportage und des Surrealismus, um in der Schmiede ›im Walde von Kulub‹ sich


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aus den Trümmern des Schwertes abenteuerlich-romantischer Trivialität jenes ›Nothung‹ allegorischer Hermetik zu schaffen. Wie Jung-Siegfried gelingt das auch ihm nur durch den Griff zur Feile (I 343), das Zersieben der Bruchstücke, durch das »den Stahl (Z)erstampfen«59 und den Neuguß, dessen wirkungsvolle Beherrschung das Bewußthalten einer Hermeneutik voraussetzt, die - nach Gadamers berühmten Grundgedanken des Vorverständnisses - den Adepten nichts verstehen läßt, was er nicht schon verstanden hat,60 und ihn damit stets zur Betonung des »Allgemeinen vor dem Partikularen«61 anhält. Denn was man immer schon gekannt hat, ist dann doch ganz anders und tendiert oft zum ›Surrealen‹.62 »Das, was ich unter der Oberfläche der Dinge und Menschen zeigen will, wird als unwirklich abgetan. Man bezeichnet das dann als Hang zum Mysterium«, verwahrt sich Fellini63 gegen eine surrealistische Inanspruchnahme seines Werkes, die es gemäß den Analysen Benjamins in die Nähe des ›Traumkitsches‹ zu rücken droht und dank der eine fatale Ästhetisierung das in den Stand des Banalen erhebt, was eigentlich die eingeübte Normalität zu verstören geeignet ist. Denn da »die Rhythmik, mit welcher die allein wahre Wirklichkeit sich ins Gespräch drängt«, ›Mißverständnis‹ heißt,64 so droht die surrealistische Qualifikation das Werk um seine gesellschaftskritische Wirkung zu bringen. Diese aber, so bekennt May , beruht darin, »daß das, was man für überirdisch erklärte, genau ebenso irdisch und so alltäglich war wie alle andern irdischen und alltäglichen Dinge« (II 312), und weiß sich darin mit Dostojevskij einig, für den »das eigentliche Wesen des Wirklichen« das ist, »was die meisten Leute phantastisch und absonderlich nennen«:65 also nichts Uebliches, sondern ganz Absonderliches (II 21). Und was er mit Blick auf den ›Idioten‹ seines gleichnamigen Romanes feststellt, ließe sich mutatis mutandis auch vom Dschirbani des ›Ardistan‹-Romanes sagen, der als Christus-Figur mit dem Fürsten Myschkin einiges gemeinsam hat (wie überhaupt Mays Roman bis in die Typologie der Personen diese ›Realität der Grenzüberschreitung‹ mit dem Werk des russischen Autors teilt): »Ist mein Idiot tatsächlich phantastisch, ist er nicht Wirklichkeit, und zwar die allergewöhnlichste! Gerade jetzt bedarf es solcher Charaktere in unseren entwurzelten Gesellschaftsschichten, - Schichten, die tatsächlich phantastisch werden (...)«.66 In diesem Zusammenhang ist, mit Blick auf den die herkömmlichen Sehgewohnheiten revolutionierenden Impressionismus, Hermann Bahrs These, daß in dessen Darstellungsart die Brutalität der Epoche gespiegelt wurde, daß das l'art pour l'art die Grausamkeit des ›business is business‹ unverbrämt sichtbar machte und deshalb die Betrachter an empfindlichster Stelle traf, nach wie vor ein Schlüssel zum Verständnis der Rezeptionsschwierigkeiten nicht nur dieser Kunst, sondern auch der symbolistischen Erzählstrukturen der späten Romane Mays.67 Wobei andererseits nicht zu übersehen ist, daß dem Jugendstil, als dessen Ver-


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spätung die ›Ardistan‹-Erzählung auftritt, seiner ungestüm um 1897 einsetzenden Reformbewegung die ästhetische Rettung der maroden wilhelminischen Gesellschaft am Herzen lag. Kultivierung des im Historismus verschlissenen Geschmacks, Restituierung handwerklicher Meisterschaft war zunächst sein Programm. Um so verwunderlicher, daß die heutigen Apologeten des Jugendstils kaum noch einen Gedanken auf den besessenen Handwerker und Sozialromantiker William Morris verwenden, dessen Spuren im ›Ardistan‹-Roman nicht zu übersehen sind, zum Beispiel auf den Wanderungen durch die ›Stadt der Toten‹, durch die Wohnräume der Beamten, wo wir auf die Beweise glücklichsten Familienlebens stießen, durch zahlreiche Arbeitssäle, in welchen alle Handwerke, die es damals gab, vertreten waren, durch Kunsträume, in denen man gezeichnet, gemalt, gemeißelt und musiziert hatte (II 369).

  Produkt dieser ›Laboratorien der Endzeit‹ ist ein Werk der Krise und des Überganges, voll der mortifizierenden Absicht in den weitausladenden Schilderungen - ein Echo der Zeit auch sie -, ein zwiespältiges Werk, vielleicht doch kein ganz großes, ein herbstliches zweifelsohne, aber es mag gerade sein auf langen Strecken steriler Duktus, der Asservate als ›Kulturerbe‹ mit unschuldiger Zuversicht aneinanderreiht, den Blick schärfen für das in der einen oder anderen allegorischen Vitrine und Lunette angeschwemmte, hochpathetisch sortierte und exponierte Strandgut einer Epoche. Nochmals ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, wie sehr dieses späte Erzählwerk sich jener Gattungsform des Romanes, die die Welt nach einem ›realistischen‹, psychologisch plausiblen Muster entwirft, verweigert. Zum Beispiel die Protagonisten: unterschiedslos reden diese Figuren über Seiten in einem jambischen Aureolenjargon, der dann ganz bei sich selbst ist, wenn er sich seitenlang im Breitwalzen religiöser Platitüden verliert. Und dennoch überliest man derartige ästhetische Gebrechen. Es geht eben nicht um Psychologie, um Nuance und Nuancierung dieser oder jener Seele. Wichtiger als deren humane Verwicklungen sind für den ›Apokalyptiker‹ May die Konstellationen des Weltenübels, die Augenblicke, in welchen das Verhängnis aufscheint und die er in einer an Dürrenmatt erinnernden moralischen Kompromißlosigkeit ausleuchtet, »mit den Tatzen der Wahrheit (...) und den Zähnen der Gerechtigkeit«68 zuzupacken, »ut excitaret homines non socordes ad veri investigandi cupiditatem.«69 Denn die Epoche war erfüllt von dem tiefen Begehren nach der - vor allem ethisch zu verstehenden - Ganzheit der Kultur, wie sie 1907 Gustav Landauer mit der neunundzwanzigsten seiner ›Dreißig sozialistischen Thesen‹ - veröffentlicht in der Zeitschrift ›Die Zukunft‹ - formulierte, daß nicht ›irgendwelche Formen der Technik oder der Bedürfnisbefriedigung‹, sondern die »Gerechtigkeit gegen Alle (...) Jeden nach Wunsch und Geist an den Tisch der Kultur«70 lädt - »iustitia« ist nach Cicero die »una excellentissima virtus«, die die »societas gene-


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ris humani«71 zentriert und das der moralischen Enteignung anheimgibt, »quod iustitia vacat«.72 Von diesem augustinischen ›Geiste der Gerechtigkeit‹, daß »Reiche, wenn ihnen die Gerechtigkeit fehlt (...) große Räuberbanden (sind)« (De civitate Dei IV, 4), ist Mays später Roman inspiriert, vom Streben nach der Beseitigung des Notstandes, daß die Gesetze derErde nicht ausreichen, Gerechtigkeit zu schaffen (II 575) - alles wird verzeihbar, wenn einer ein gerecht denkender Mann (II 534) ist -, und er bleibt u. a. offenbar auch deshalb aktuell, weil er um ein immerwährendes menschliches Problem kreist: das Streben nach individueller Freiheit bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Kollektivität: »Teilchen und (...) eine ganze Welt«73 zu sein. Die Lösung dieses Problems freilich sieht May in einem Wahrheitsanspruch, den das moderne Bewußtsein für intolerant und freiheitsgefährdend, für Fundamentalismus hält. Der Autor von ›Ardistan und Dschinnistan‹ propagiert einen ethischen Fundamentalismus, der davon ausgeht, daß Freiheit nicht durch das Desinteresse an der Wahrheit, sondern durch den Widerstand gegen die Lüge entsteht. Praktisch also: durch das entschiedene Einfordern von Gerechtigkeit.

  Das alles bietet sich nun in der Theatralik der Weltbühne voll barocker Emphase. Immer wieder fällt der Gestus des Erzählens zurück in die Kompression des Theaters - wo die Zeit wie eingefroren wirkt: sie raubt dem Leben die Kontingenz: das So oder Anders. Wenn überhaupt etwas an Stimmung, an Unwägbarem sich hier zwischen den Zeilen ereignet, so wird es den Bildern anvertraut, die sind, »was mein Leib versteht«.74 Da gewinnt May einen Raum, wo wir »von Gleichnissen umgeben« sind (I 328), nicht jenen von Benjamin unter Kitschverdacht gestellten des Surrealismus, dem sich das Banale im Vexierbild verrätselt und so zur Hure der Ideologie werden kann. Eher schon jenen des frühen Griechentums, das »sich, wie mit den Mythen, so mit diesen Sprüchen als mit einem Horizont von Leitbildern umstellt (hatte)«.75 In diesen aus den Bildern in jener Rhythmik geöffneten Räumen, »mit welcher die allein wahre Wirklichkeit sich ins Gespräch drängt«, ›ent‹deckt sich der Autor im »Mißverständnis«,76 da ›schreibt‹ er: und da geschieht denn auch das Wunder, daß, was als Serienfigur angelegt war, entworfen zu agieren, nicht zu reflektieren: Reflektor wird - die Tatsache widerspiegelt, daß hinieden das Glück nicht herrschen kann; der Friede, den es bedeutet, mit den Waffen in der Hand zu zwingen, ganz plötzlich und unvorbereitet zurückzukehren - mit der vorgehaltenen Pistole sozusagen -, eine noch gräßlichere Katastrophe, wie sein Verschwinden eine war (II 223), bringen muß. Mays Gesamtwerk konvergiert in den späten Romanen als Deutungsmustern dafür, was Wirklichkeit wirklich war, die über so viel exotischen Oberflächenglanz, Fin-de-siècle-Stimmung und Reichtum verfügte.

  Von Bloßstellung, Enthüllung, Entlarvung der ›Lebenslüge‹ ist


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schon in den ›Silberlöwen‹-Bänden die Rede; der Wandel machte neue Vokabeln verfügbar, veränderte auch die Form des Zeigens. Das reine Lesevergnügen bricht sich an dem Gestus der Problemstellungen, der Warnungen und dann - da alle Diagnosen auf die Zukunft gerichtet sind - an den Appellen, die auf weiten Strecken des Romans ›Manifest‹-Charakter gewinnen: »Ist Friede auf Erden, dann kommt!« (I 216) Dabei erschöpft sich die Schilderung nicht in allegorischen Fazilitäten. Sie gedeiht zu Schaustellungen, den Lesenden Lebensdeuter zu sein und Fragen zu stellen in Hinblick auf ein Leben, das doch auf Sinngebung nicht verzichten will: »Ist Friede auf Erden?« (I 332) Und das ist auch eine Frage nach dem Wesen der Welt, die sich um den Menschen und mit ihm ständig verändert: wie sehr auch darauf eine skeptische Anthropologie, deren Spuren später Helmuth Plessner und Odo Marquard nachgehen werden, die Antwort gibt, daß dem menschlichen Entwurf das Vorläufige zugehört, so glüht doch darin ein Funke brechtschen Pathos, die Welt müsse als eine vom Menschen selbst veränderbare dargestellt werden; ein Pathos, das der ›Ardistan‹-Roman mit der gleichzeitigen expressionistischen Literatur ebenso teilt wie mit dem Missionseifer der Romane Dostojevskijs, der schon 1868 den Fürsten Myschkin sein Dschinnistan in einem neuen Rußland finden ließ. Motivation und Tendenz lassen sich mit denen Mays durchaus vergleichen. »Sehen Sie, so weit führt uns unsere geistige Sehnsucht (...) Oh, lassen Sie nur unsere begeisterten Kolumbusse das Ufer der neuen Welt erreichen, lassen Sie sie diese Welt, die russische Welt, entdecken, welche sich vorläufig noch vor ihren Augen verbirgt. Zeigen Sie ihnen in der Zukunft die Verjüngung und Wiedergeburt der Menschheit durch den russischen Gedanken, den russischen Gott und Christus«!77 Aus deutschem Munde möchte man sich heute solcherlei Pathos verbitten. Und dennoch findet vierzig Jahre später Myschkin seinen von geistiger Sehnsucht getriebenen neuen Kolumbus in Kara Ben Nemsi, und dessen Reise nach Dschinnistan ist ein Auffinden von Wegen, die erfahrbar machen, daß Schicksal nicht unabwendbar, die Welt kontingent ist, daß, eingerichtet, wie der Mensch sie hat, sie also auch anders werden könnte, wenn er nur wollte, daß der Mensch sich sein Schicksal selbst bedeutet: zurück in das ›verlorene Paradies‹ auf Pfaden über den ›Schott El Kebir‹,78 auf dem die Fallen der Regression lauern. Dem matriarchalen retour offensif: »Mutter, gib mir die Sonne!«79 öffnet sich der Schoß der immer wieder beschworenen Sternkunde der ›Himmelsgedanken‹. Ein solches ›Zurückwälzen‹, eine solche ›Revolution‹ - die sozialromantische Utopie und Phantasmagorie Landauers80 in ihrer korrumpierten Form als faschistische und kommunistische Paradiesesanmaßung, beide in der ›Sage vom verschwundenen Fluß‹ verschlüsselt, hat es seitdem gelehrt - zeugt den Totalitarismus, der mit jeder Rücknahme von Demokratisierung verbunden ist, so sie sich cha-


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rismatischen Führerfiguren und paradiesischen Sinnstiftern verschreibt.

  Niemand hat das in der Nachfolge Mays deutlicher und gewalttätiger begriffen als Hitler und seine Kulturkonsorten, die, kaum an der Macht, die so interpretierbar gewordene kontingente Welt uminterpretierten als eine, die gemäß neu verkündeter tragischer Weltanschauung wieder den heroischen Menschen brauche, der für eine neue, indoktrinierte Gemeinschaft kämpfe. Damit nahm in der Tat der unzeitgemäße Versuch Gestalt an, alte Positionen der Verblendung wiederaufzubauen, indem der Friede, »mit den Waffen in der Hand« (I 223), erzwungen werden sollte. Denn die alten Mythen, in deren Gärten die Bäume paradiesischer Utopie gedeihen, etwa jener des ›Völkerfriedens‹, den May zitiert und dessen Emblematik so auffällig an die ›Weltenesche‹, den Lebensbaum der nordischen Schöpfungssage, erinnert, lassen sich nicht so leicht wiederherstellen, allenfalls um den Preis eines finster entschlossenen Fundamentalismus, der - um im Bild des Mythos zu bleiben - als Dämon an ihren Wurzeln nagend, jede pazifistische Vegetation verdorren läßt. Die ›Entwässerungsarbeit‹ der Aufklärung hat in einer unerwarteten Dialektik den Fluß des Friedens ›Ssul‹ zum Versiegen und damit auch die Menschheit um das Produkt seiner Deltabildung, letzten Endes um deren Frucht, den Frieden, gebracht, setzt er doch »neue Länder an, sichtbare und unsichtbare, im Handel und Gewerbe, in der Kunst und in der Wissenschaft« (I 222) und bereitet einer Urphantasie menschlichen Selbstverständnisses das Terrain, »auf freiem Grund mit freiem Volke (zu) stehn«.81

  Allerdings war das ja auch schon für Faust eine letzte große Aporie seines im Erblinden verdämmernden Alters. Und die Gesundung der ›Weltenesche‹, des ›Friedensbaumes‹, wird um weniger als eine Restitution des Glaubens auf Kosten der Vernunft nicht zu haben sein. Zu Zauberlehrlingen der Aufklärung geworden, steht es den modernen Menschen nicht mehr frei, unbeschädigt in den Schoß des Glaubens zurückzukehren, sich einer mythischen Dendrologie zu befleißigen, die - genau besehen - May dann doch nur zur Maskierung seiner Friedensutopien benutzt. »Umfaßt (der Baum) mit seinen Wurzeln die ganze Erde, ein Saug- und Faserwurzelchen in jedes Menschenherz, so wächst er hoch über Irdisches empor und trägt als Früchte die ewigen Sterne (sidera) in seiner Krone.« (I 223) Sitara: die Friedensfrucht, ein Nachtschattengewächs von romantischer, etwas ambiguoser und widersprüchlicher lunarer Qualität wie so vieles im ›Ardistan‹-Roman, wo denn auch das Friedensbaum-Emblem seine zweideutige Überblendung durch die metaphorischen Vexierbilder der Vulkane von Dschinnistan erfährt. »Es sieht aus wie ein Baum von so riesiger Höhe, daß er bis zum Himmel ragt. Man sieht den Stamm, und man sieht auch die Krone, die er trägt. Es scheint, als ob Bewegung in ihr sei!« »Das ist die Rauch-


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säule der Vulkane von Dschinnistan,« antwortete ich. »Welche des Nachts zur Feuersäule wird ... (I 508) und damit emblematisch zugleich auf die ›luciferische‹ - zutiefst zwiespältige -, lichttragende Funktion jenes Baumes in den Pflanzschulen poetischer Gärtner (I 563) verweist, aus dessen »(schriftstellerischer) Bewurzelung« (ebd.) - mit deutlicher Anspielung auf die Wurzel Jesse (Matth. I, 6) - »sich in kurzer Zeit die Kraft des Stammes entwickeln (wird)« (I 564), die in Gestalt des Dschirbani in dunkle Zeiten ›Gott‹ als der Erlösung Licht leuchten läßt, gespeist, wie im Koran (Sure 24, 35) zu lesen, »von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, (...) dessen Öl fast leuchtete, auch wenn es kein Feuer berührte - Licht über Licht!«82 Denn es kann kein Zweifel daran sein, daß dieses »Feuer« der Lichtspiele über den Bergen von Dschinnistan auch die Bedeutung eines bedrohlichen Fanals der Vernichtung in sich trägt. Friedensfrucht und Feuer-Menetekel erscheinen so am nächtlichen Himmel des Ardistan-Romanes, der, befangen in der »Sternkunde« seiner »Himmelsgedanken«, auffällig die nächtlichen Szenerien bevorzugt. Sonnenaufgänge ereignen sich allenfalls an sonnenvergoldeten Kapitelschlüssen.83 Ihr Gold gerinnt dem nocturnen Binnengeschehen zur pompösen Rahmung. Zwar bleibt die Sonne als Emblem der Illuminaten in der ›Stadt der Toten‹ allgegenwärtig und eröffnet den Zugang zu den Dunkelkammern der Nekropole, freilich ohne sie zu erhellen.

  Ihr Totalitätsanspruch hat vor den Nachtseiten der menschlich-kosmischen Existenz zu kapitulieren. Diese erhellt, wenn man so will, ein Licht von innen. Durch die kleinen Fenster konnte nicht genug Licht herein, um die nötige Helle zu geben; aber es waren Kandelaber aufgestellt, deren Arme viele, starke Lichter trugen. Wir brannten sie an, und nun wurde es mehr als hell genug, so daß wir Alles nicht nur deutlich sehen, sondern auch genau betrachten konnten. (II 401) Es sind die in einem mystischen Halbdunkel (II 400) gelagerten Lichtpotentiale der »feurig Liebenden«, denen »Gott erlaubt (...), sein innerstes Selbst plötzlich auf geistige Weise zu sehen«,84 sich im schwebenden ›Auge‹ seiner Sehpyramide zu fokussieren. Die himmlische Szenerie nutzt immer wieder imposant die Formen solcher ›Schachtperspektive‹ als Allegorie auf die Unendlichkeit, diesen »scharfen Ausschnitt des Sternenhimmels« (II 340) - von jenem tiefen, beruhigenden, ein wenig violetten Blau, welches der Himmel zeigt, wenn man aus einer tiefen, schmalen Schlucht zu ihm aufschaut und nur einen Streifen von ihm sieht (II 495): »You can see infinity« heißt sinnigerweise die inscriptio über einem Spalier von Gucklöchern im Beton der Berliner Mauer und bestätigt die Zeitlosigkeit dieses Emblems irdischer Klaustrophobie der Menschen.


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5.  P e r m u t a t i o n :  Phaethon nocturnus


Zitiert wird die Sonne allenfalls im Abendrote als Aura einer Beschwörung der verschwundenen Seelen (II 287) auf der Scheide zwischen Tag und Nacht, als Gestirn des Abschieds, dessen strahlende(s) Gold sich in glühendes Rot und abschiednehmendes Violett zu verwandeln begann (II 632), - nicht als Gestirn der Verwandlung. Diese ist der Nacht vorbehalten. Das Emblem der ›schmalen Schlucht‹ vergegenwärtigt, worum es - sole absente - in der ›Stadt der Toten‹ vor allem geht: um einen psychoanalytischen Prozeß. Als solcher ist die Wandlung des Mir von Ardistan zu deuten. In der Dschemma der Toten und der Lebenden vollzieht sich ein anamnetisches Verfahren, das in der Erkenntnis und im Akzeptieren von verdrängter Schuld den Mir psychisch gesunden und somit jenes in Dschinnistan zu lokalisierenden »Kreis(es) von höher stehenden, weiter denkenden und tiefer fühlenden Menschen« (I 549) teilhaftig werden läßt, dem Freud offenkundig seine therapeutischen Visionen zudachte, nämlich »daß man gerade den wertvollsten und sonst höchstentwickelten Personen auf solche Weise am ehesten Hilfe bringen kann«.85 Das mag sich mit den Stiftungsurkunden von Dschinnistan und der Psychoanalytischen Vereinigung vertragen, mit jenen der Demokratie verträgt es sich nicht. Ihr Gestirn findet sich nicht am nächtlichen Firmament, sondern ist die Sonne. Für die Beleuchtung elitärer Zirkel ist diese denn eine gar zu plebejische kosmische Ampel. Und so »vergißt« der Himmel über Ardistan und Dschinnistan »die Gärten der Sonne«,86 entzieht sich dem in ihrem Bild beschriebenen Despotismus der Vernunft und bemüht nur gerade metaphorisch das große, ewiggewaltige Unisono des Sonnenlichts - es erinnert so auffallend an die Ovidianische »lux immensi publica mundi«87 -, in unzählbare, zeitlich kurze Minuten und Sekunden ... differenzier(t) (I 479) und gebrochen, läßt es jedoch nicht wirken, sucht vielmehr und findet so die Lichtfülle nicht etwa im Tagesgestirn ›Aton‹, sondern in den ›schwarzen Sternen‹, der »Nachtsonne«88 des Totenherrschers ›Osiris‹, der als »Mittler zwischen Oben und Unten (...) die Träume der Sonne kennt«,89 die sinkende als Herr des Nun (Urozeans) empfängt und ihr im »morgendliche(n) Wiederauftauchen« im »wahrsten Sinne (zu) eine(r) Neugeburt verhilft, in der die Welt für einen Augenblick wieder die Vollkommenheit erlangt, die sie bei ihrer Schöpfung besessen hat«,90 so daß, als die Sonne ganz plötzlich, wie mit einem schnellen freudigen Sprunge hinter den jenseitigen Bergen empor(stieg ...) man sich mit dem einen Gedanken, der aber Alle, Alle erfüllte, (begnügte): Er war wieder da - wieder da! -- (II 517f.) Dergestalt zeichnet der dunkle Gott Osiris auch für die Hydrostatik, die von Halef so geschmähten Gesetze der »Fenni mizani mejah« (I 460), verantwortlich, nach denen sich das ausgetrocknete Flußbett des ›Ssul‹ jeweils nach Ablauf eines Saecu-


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lums mit »Sehnsuchtstränen« (I 466) feuchtet. Das Wesen der Wasserkraftnutzung ist ja ein Sonnenphänomen: die Natur hebt nämlich immer wieder riesige Massen von Wasser an und erlaubt somit, deren Schwerkraft zu nutzen. Die entsprechende Aufzugskraft liefert die Sonne, die den Wasserkreislauf der Erde mit seiner Folge von Verdunstung, Niederschlag und Abfluß unermüdlich antreibt. Nicht so in der ›Meta-Physik‹ von ›Ardistan und Dschinnistan‹: hier wirkt diese Mechanik als ein Nachtphänomen, gehorcht die Hydrostatik nicht solaren, sondern terrestrischen und speziell nocturnen Gesetzen. Der Widerschein wundersamer Vulkanexplosionen evoziert am nächtlichen Himmel eine paradiesische Illumination, der sich die Regulative des irdischen Wasserhaushalts verdanken.


»Gut, lieber Halef! Ich wollte dir nur andeuten, daß es gar nicht schwer ist, eine Gegend daraufhin zu betrachten, welcher Teil von ihr verborgenes Wasser enthält. Wir werden welches finden; ich bin fest überzeugt davon. Und das wird dann wie die Erfüllung einer Verheißung sein, wie die Offenbarung eines großen, seligmachenden Zusammenhanges. Da oben in Dschinnistan öffnen sich in feuersprühender Nacht die Pforten des Paradieses, und die Flammen leuchten die Engelsfrage in alle Welt hinaus, ob endlich Friede sei auf Erden. In der Glut dieser Flamme schmelzen die Gletscher und Firnen und kommen dem Menschen mit ihrer Hilfe sogar bis in die Wüste entgegen, damit es ihm möglich sei, den Frieden, der ihm von aller Welt verweigert wird, mit dem Säbel zu erzwingen!« (I 467f.)


Ein erzwungener Friede? War nicht davon die Rede, daß er die Katastrophe bedeuten würde? »Ein Welt- und Völkerfriede aber, der nicht im Herzen der Menschheit wurzelt, sondern mit Gewalt und plötzlich herbeigezwungen werden soll, der würde zerstören und vernichten, nicht aber erzeugen und beleben« (I 223), heißt es im Zusammenhang mit den Bewässerungsproblemen, die das Verschwinden des Flusses ›Ssul‹ aufwirft. Es handelt sich also um eine mythische Hydrostatik, deren Widersprüchlichkeit, von Halef zu Recht gewittert, nicht von ungefähr in die Tradition der literarischen Notturni und Nachtstücke einzureihen ist, wo es in siderischen und lunaren Szenarien der Nacht das Weltgeheimnis abzulauschen gilt.91 Und das entzieht sich bekanntlich den Gesetzmäßigkeiten des Tages. »Seid ihr bereit, mir den Schlaf dieser Nacht zu opfern?« (II 146) heißt es an entscheidender Stelle mit Anspielung auf das Gethsemane-Geschehen, wie es in der symbolistischen Dichtung der Jahrhundertwende, in der Gestik des lyrischen Expressionismus häufig beschworen wird. May begegnet da 1909 als der abseits pilgernde Leidensgenosse der Else Lasker-Schüler, die am ›siebenten Tag‹ mit folgenden Versen schon 1905 aufgebrochen war.


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Ich lehne am geschlossenen Lid der Nacht
Und horche in die Ruhe.
Alle Sterne träumen von mir,
Und ihre Strahlen werden goldener,
Und meine Ferne undurchdringlicher.92


Auch die träumende Seele Kara Ben Nemsis bemächtigt sich der Sterne, »fühl(t) luft von anderem planeten«.93 Und er tut das in den Bahnen einerseits der Emblematik des frühen 17. Jahrhunderts, die die »Nacht als Zeit der vertieften Erkenntnis und des gelehrten Studiums«,94 der Epiphanie auszeichnet, andererseits jenes für die Geisteshaltung seiner Zeit so charakteristischen Eskapismus, der den angstbesetzten Raum der Nacht mit ›Lichtgebeten‹ als Schauplatz seelischer Abenteuer ausleuchtet. Dieser bezieht seine dramatische Wirkung aus dem Gegensatz zum Tag, dessen Terrains der liturgischen Parzellierung nicht bedürfen, denn »morgens ist es ja doch hell; und da braucht man sich doch vor nichts weiter zu fürchten«, wie es bei Ibsen an bezeichnender Stelle heißt.95

  Mit Blick auf den Flaneur, literarisch auf Maupassant, Robert Louis Stevenson, auf Kafka und Grandville, ist Walter Benjamin den Wurzeln dieser ›Nachtschwärmerei‹ nachgegangen. Er findet sie in den illuminierten Städten des neunzehnten Jahrhunderts als einem irdischen Abbilde des ›bestirnten Himmels über mir‹; hier laboriert der Flanierende daran, seine Ängste in einer Art ›Gethsemane-Erlebnis‹ zu kompensieren, indem er sie also in einer im Grunde religiösen Pathosformel strukturiert: »Die Strassen waren noch spät in der Nacht belebt. Im Wachen steckt eine eigentümliche Dialektik. Es entspricht ebenso wohl der Furcht vor dem Unbekannten, wie dem Drang nach Abenteuern. Das Unbekannte, vor dem der Wachende auf der Hut ist, kommt mit der Nacht herauf: in Gestalt der Dunkelheit und der Träume. Er schließt einen Bund mit dem Licht, es sei die Kerzenflamme oder die Gaslaterne. Im Wachen lebt aber ebenso die Erwartung, die vor dem Nichts nicht kapitulieren und das Fazit des Tages nicht eher ziehen will, bis ein letzter größerer Gewinn eingebracht ist.«96 Und diesen Gewinn sucht Kara Ben Nemsi, im »Bund mit dem Licht« der Sterne, in den Bilanzen des Traums. Von ihm zu ihnen (schien sich) ein lichtglänzender Weg zu ziehen ... Vor dem körperlichen Auge lagen die beiden Sterne. Die Seele bemächtigte sich ihrer und schaut nun durch die Okulare meine(r) Phantasie (I 224f.). Und ebenso horcht der einsame Nietzsche, abseits auch er und den ›Sternenblumen‹, den platonischen, in zweideutiger Erotik oszillierenden , verfallen, auf die Stimme der ›Mitternacht‹. Dort, von woher die beiden leuchtenden Welten strahlten (I 225), kommt es zur Teichoskopie platonischer Ideen. »Die Seelen der Unsterblichen aber, sie treten aus dem Himmel heraus, so-


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bald sie seine Höhen erklommen haben, und stehen am Himmelsrücken, und mit den Göttern kreisen jetzt die Gewölbe, und die Götter schauen, was über dem Himmel lebt.«97 Dort, von woher die beiden leuchtenden Welten strahlten, ... (sah) ich dann auch Gott selber kommen, (I 225) heißt es bei May, der mit derartig theatralischer Sternenevokation: Diese Klarheit des Firmaments! Diese Reinheit seiner Lichter! (I 329) in der Tradition des deutschen Bildungsbürgertums Beethoven-Schillersches Sternenpathos aufruft, in dem: »Brüder! überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen (...) Ahnest du den Schöpfer, Welt? Such ihn überm Sternenzelt! Über Sternen muß er wohnen«, das Chorfinale der ›Neunten‹ die deutsche Menschheitsbotschaft schlechthin formuliert, der ihr Schöpfer in den Sternen zugleich auch die oberste moralische Instanz zuordnet: »Das moralische Gesetz in uns und der gestirnte Himmel über mir! Kant!!!«98 So extraterrestrisch hier die Emphase, so terrestrisch - zwangsläufig, möchte man sagen - ihre Perversion, die den Segen der ›Sterntaler‹ in diesem Jahrhundert auf deutschem Boden gegen den Fluch der Kennmarken für die Ausgegrenzten austauschte und sie zum Kainsmal für jene werden ließ, die ihre himmlisch-humanen Qualitäten, unempfindlich für das ihnen innewohnende Gift der Ideologie, so unselig jener besonderen Infantilität überantwortet haben, in deren Terrain der Vernunft nicht einmal randständige Positionen zu behaupten gegeben ist. Denn: Der lichtglänzende Weg nach Sitara als in ein Land längst magazinierter Ideale droht zu einem Weg der Infantilisierung, schließlich des Okkultismus und der Ergriffenheit zu werden angesichts der Hermeneutik eines Feuerwerks, dessen, diese Ideenwelt darstellbar zu machen, May sich bedient; zum Gang in die Regression: da flüchtete (Halef) sich in seiner jetzigen, außerordentlichen Ergriffenheit zum Gebete seiner Kindheit zurück, weil diese Kindheit ihm den Glauben gab, der überhaupt beten lehrt (I 424). Man könnte sich, der Infantilisierung zu entkommen, auf die Gnade berufen. Allein auch sie zeigt, wissenschaftlich gesehen, nur eine Störung der Vernunft auf Seiten der Gläubigen an, die schnell einmal den Traum vom Paradies zum Alptraum mutieren lassen kann, wenn versucht wird, das Kindliche mental zu klonen: »Nur in den Kindlein noch ist Treu und Unschuld / zu finden, aber Treu und Unschuld fliehen, / noch eh der Flaum die Wangen ihnen deckt.«99

  Was also tun? Was eine doktrinär betriebene Aufklärung an geistiger Landschaft hat veröden lassen, kann nur mühsam ›renaturiert‹ werden: das »geschieht ... nur langsam, furchtsam, zögernd; es läßt sich nicht zwingen ... Der Völkerfriede, den wir anstreben, kann sich nur nach und nach entwickeln. ... Ein Welt- und Völkerfriede aber, der nicht im Herzen der Menschheit wurzelt, sondern mit Gewalt und plötzlich herbeigezwungen werden soll, der würde zerstören und vernichten, nicht aber erzeugen und beleben.« (I 223) Das ist eine deutliche Warnung vor allen


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Experimenten ideologiegezeugten Utopismus. Es steckt ein gut Stück Ideologiekritik in der Mayschen Legende vom verschwundenen ›Friedensfluß‹. Sie befördert eine Erkenntnis, die von May selbst formuliert, auf den gesamten ›Ardistan‹-Roman bezogen, seinen fragmentarischen Charakter beglaubigt und besiegelt. Narrativ gesehen, darf auf Fortsetzung verzichtet werden, wenn dem Urzustand Genüge getan ist, der in Kara Ben Nemsis Paradiesesvision auf der Plattform des Tempels zu Ussula - soll man sagen? - geoffenbart wird: daß Erde und Völker in Variation eines Wortes von Leopold von Ranke ›unmittelbar zu Gott‹ sind, »Gedanken Gottes« gar; und das in einem geschichtstheologischen Kontext, der - im Gegensatz zu Herder, der auch so hätte sprechen können - nicht auf gedachte Wahrheit, eher auf ermittelte Wirklichkeit angelegt ist. Das heißt: es geht dabei weniger um Dogmatismus als um eine Aitiologie des pädagogischen Eros, der sein Maß am evolutionär begründeten Harmoniebedürfnis des Menschen nimmt und in dem dadurch gleichsam so etwas wie ein Gottesbeweis angelegt ist. So abgetakelt er auch daherkommen mag, so unwiderlegt in Wirkung und Anspruch erweist er sich.


»Denn noch viel besser, als wir dieses wissen, ist es uns auch bekannt, daß alle sichtbaren Dinge dem Schöpfer dazu dienen müssen, uns die Geheimnisse jenes unsichtbaren Daseins zu enthüllen, dessen Gesetzen wir in unserm Innern, in unserm seelischen Leben Rechnung zu tragen haben. Für den Gottesfeind hat sich da draußen die Erde geöffnet, um mit Flammenfäusten ihren Schmutz und ihre Schlacken auszuwerfen; für uns aber, die wir von dem Aeußeren auf das Innere und von dem Niedrigen auf das Hohe schließen, werden die Tore des Paradieses aufspringen, damit ihnen jenes Licht entströme, bei dessen Wahrheit und Klarheit die Engel sehen können, ob endlich, endlich Friede auf Erden sei, oder leider noch immer nicht!« (I 334)


»Alle sichtbaren Dinge (müssen) dem Schöpfer dazu dienen, uns die Geheimnisse (des) unsichtbaren Daseins zu enthüllen.« Das liest sich wie eine Paraphrase von Harnacks Dictum von 1900: »Was aber (...) dem Verstand dunkel und geheimnisvoll bleibt, das sollte im Sinne Jesu und nach der Natur des Problems so bleiben und kann nur in Bildern vor uns zur Aussage gebracht werden. Es gibt Erscheinungen, die in den Vorstellungskomplex des Verstandes gar nicht ohne Symbol eingereiht werden können.«100 Diese Wirklichkeit, von der Mays Prophetin hier handelt, kann keine irdische sein. Vor ihrer diesseitigen Realisierung warnt in »dieser von der schauenden Volksseele gedichteten Erzählung kein Geringerer als Gott« (I 223). Für die immerwährende Defizienz des Irdischen ist das Fragment der angemessene künstlerische Ausdruck: die Ruinenschrift des Traums vom Guten, zwischen deren Zeilen als Hieroglyphen die Bilder in Erscheinung treten, in denen der Autor, »Hieroglyph, / der unter der Schöpfung steht«,101 das Ende des Romanes kodiert hat. Insofern ist es müßig, den fragmentarischen Zustand


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von ›Ardistan und Dschinnistan‹ zu beklagen und zu befragen. Das Werk kann nicht mehr sein, als es abbildet: ein metaphysisches Märchen in der Zerrissenheit zwischen skeptischer Rationalität und naivem Glaubensbedürfnis, »alle sichtbaren Dinge« als Repräsentanten »jenes unsichtbaren Daseins« zu erfahren, »dessen Gesetzen wir in unserm Innern, in unserm seelischen Leben Rechnung zu tragen haben« (I 334). So zaubert die Erzählung aus dem ›Gewand der Begriffe‹ (Unamuno) ganze Landschaften und muß doch an der allzu eindeutigen Übersetzung der Verstandeswelt in die der Sinneseindrücke scheitern als dem ewig Unzulänglichen, das für Jean Paul im Topos des englischen Gartens zum Ausdruck gelangt. »Wie der Engländer in den Gärten die Ruinen nachahmt: so hat die Natur große Menschen in diese Welt gesetzt, die Ruinen einer besseren sind.«102 Eine solche auf das »Bessere« verweisende Ruine ist etwa der Dschirbani: Semaphor auch er und Dolmetscher wohl auch - im Grunde eine Christusfigur - in der Vermittlung jenes ursprünglichen Evangeliums, das Harnack durch einen harmonischen Dreiklang bestimmt sieht: der gnädige Vater (oder der Mir von Dschinnistan) erschließt durch Jesu (des Dschirbani) Verkündigung dem Menschen den unendlichen Wert jeder Seele und befreit so zu universeller Geschwisterlichkeit, daß Tausende und Abertausende sich die Hände (reichten), ohne einander zu fragen, welcher politischen Farbe sie noch vorgestern und gestern angehört hatten (II 517f.). Dieses ruinöse Szenario mit überzeugender Geste zu zeichnen, darin liegt wohl die Größe von Mays utopischer Phantasmagorie und ihren Figuren, freilich auch die von ihr nicht intendierte Kontingenz. Ihrer, die in den Gärten der Erzählung sich aller Begrifflichkeit inhärent zeigt, Herr zu werden, bedarf es hier freilich der von May virtuos annektierten narrativen »Pedanterie der Einfachheit« (Robert Schumann), des delikaten hortologischen Verständnisses. Denn auch hier - wie so oft im Werk Mays - ist der Garten Topos dichterischer Existenz: »Du mußt hacken, düngen, pflanzen und bewurzeln, ganz gleich, ob dies denen, die keine Gärtner sind, gefällt oder nicht!« (I 563)

  »Die Welt ist nicht dazu da, um historisch verstanden, sondern um in Liebe begriffen zu werden«, schreibt 1925 Ernst Robert Curtius an Max Rychner.103 Und nichts trifft wohl exakter die Weltanschauung, die May im ›Ardistan‹-Roman verfolgt: mit zweifellos ambivalentem Ergebnis; denn ›Liebe‹ gegen ›Historie‹ auszuspielen beschwört die Gefahr ideologischen Obskurantismus herauf. Es tut allerdings in diesem Zusammenhang dem großen Ireniker May, dem Meister der ›Satyagrahas‹, gewaltloser Demonstrationen, keinen Abbruch, wenn man das von ihm genutzte Bild- und Traummaterial auf seine ideologisch fatal korrumpierbare Kompatibilität hin befragt. Und da zeigt es sich denn, daß es den Lackmustest historischer Zusammenhänge, nämlich integriert zu sein in die geistige Tessitura seiner Zeit und aus ihr heraus verstanden


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zu werden, nicht ganz unbeschadet übersteht. So gut wie noch nichts sagt dabei allerdings eine Trivialität wie jene, es berge die neuplatonische Lichtmetaphysik, jene »tenebrae per tantum lumen obortae«,104 den Blitzkatarakt von Hiroshima in sich und dieser sei wiederum ohne die in dieser Lichttheologie im Keim veranlagte faschistische Perversion nicht möglich gewesen. - Daß auch May sich extensiv jener Lichtmetaphorik bedient : auf symbolglossierten Lichtitineraren, wo in den luminösen Laboratorien des Dionysios Areopagites, hochpoetisch illuminiert, der Mensch sich zu Gott hin ›lichtverflüssigt‹, muß ihn, wenn schon, als Teil einer mystischen Tradition unter Verdacht stellen, die bis auf das bekannte, von Oppenheimer zitierte Hindu-Wort zurückgeht: »Wenn die Strahlung von tausend Sonnen in den Himmel explodierte, das wäre wie der Glanz des Einzigen, Allmächtigen.«105 - Die Komplexität der Tradition weiß sich hier allerdings gefeit gegen die Banalisierung durch die Ideologie, und nur in der Vergewaltigung durch die Selbstübergötterung106 gebiert sie den Terror des Kitsches, der den Nährboden für die faschistische Verfremdung abgibt. Zunächst also: In seinem Werk liefert May zur soziokulturellen Interpretation einer in die Krise der Aufklärung steuernden Welt Material von einigem Rang, eine Collage, besser ein ›Informel‹ von Orientierung im inszenierten Wertezerfall der Epoche ermöglichenden anthropologischen, psychologischen, ja auch mentalitätsgeschichtlichen Beschreibungsmustern, deren epochenröntgenologischer Wert, verpackt in die rückwärts gewandte Kulturkritik des ›Ardistan‹-Romanes, seinem hier zwischen Konstruktion und Abenteuer - freilich nicht immer gelungen - den Spagat probierenden Schöpfer als Zeitdiagnostiker so ziemlich genau in der Mitte zwischen Johan Huizinga (1872-1945) und Jacob Burckhardt (1818-97) einen unerwarteten Auftritt verschafft. Der erste diagnostiziert in der Maske des Erasmus »ein allerfrevelhaftestes Jahrhundert, das unglücklichste und verdorbenste, das man sich denken kann«,107 spricht von »geschändeter Welt«, beklagte die »Kulturkrise«, die »allgemeine Schwächung der Urteilskraft« und den »Verfall der moralischen Normen« und sieht, »wie durch die Leidenschaft und die Verblendung, mit der die Parteien einander bekämpften, die Wahrheit, die er suchte, und die Liebe, deren Sieg in der Welt er zu sehen sich sehnte, verdunkelt wurden«.108 Des letzteren Geschichtsschreibung war von kritischer Gegenwartsdiagnose im Basel des heraufziehenden Industriezeitalters getragen. Ihnen stellt sich als Mitläufer in seiner allegorischen Kapitalismuskritik May zu Seite als ein ›konservativer Revolutionär‹, dessen Gegenwartskritik in ihren Tiefendimensionen deutlich macht, daß Kulturkritik mehr ist als das oft ohnehin nur habituelle Gejammer Ewiggestriger und Zukurzgekommener, mehr als engstirnige Verteidigung sozialer Interessen und Bildungsprivilegien einer in die Defensive geratenen Klasse, mehr auch als Technikfeindschaft und So-


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zialromantik und der von den ›Künstlerinnungen‹ am Vorabend des ersten Weltkrieges demonstrativ zur Schau getragene Apolitizismus. Und so findet die Epochendiagnose des ›Ardistan‹-Romanes Jahre nach dem Tode ihres Autors in den Versen seines Bewunderers Erich Mühsam, adressiert ›an die Dichter‹, ihre im Pathos der Wortwahl nahezu identischen Sekundanten:


(...)
Doch spürt ihr je die alte Glut
von neuem - laßt das zage Stöhnen!
Kein Jammern macht Versäumtes gut.
Ruft auf die Welt zum besten Mut,
zur Liebe ruft sie, zum Versöhnen!
Schwört aller Menschheit euren Eid,
der Menschheit, die ihr stets gemieden,
mit ihr zu sein in Not und Leid!
Nicht Sternenwandler - Menschen seid!
Und eure Lieder singt dem Frieden!109


›Tu, poeta,‹ - in Abwandlung eines Verses Vergils (Aeneis IV, 607) - ›harum interpres curarum‹. Diese lyrische Kommentierung des Mayschen Spätwerkes ›entbirgt‹ seine expressionistische Gebärde eines ›reinen Toren‹ oder tapferen Don Quichotte, und ihre Kulturkritik ist weit davon entfernt, ihre Träger von ihrer eigenen Verantwortung schwärmerisch zu lösen und Schuld affekthaft nach außen zu verlagern, sie zögert nicht - ganz im Sinne Burckhardts - in der Materialisierung der Bildung als Mittel sozialen Aufstiegs das zu erkennen, was sie ist: ›Barbarei der Maske des Banalen‹; eine Digitalisierung von Welt und Werten in Meßwerte, von denen »wir recht wohl (wissen), daß (deren) Behauptung richtig ist, aber von einer Richtigkeit, deren nackte Kälte uns innerlich frieren läßt« (I 334), wie sie als solche die ›Bilder‹ der Manipulation des Bösen überantwortet. Denn daß Kälte das Produkt der Kraftwerke der Hölle und mithin des Teufels ist, wissen wir spätestens seit dem Vereisungsprozeß, den Kais Herz im imperialen Iglu der Schneekönigin erfährt, seit Gregor Samsas Verwandlung oder der Paralyse des Adrian Leverkühn; und May hatte im erkalteten Herz des Peter Munk wohl genügend Anschauungsmaterial dafür. Und so illustriert er geradezu emphatisch in den Bildern des ›Ardistan‹-Romanes das Dictum Huizingas: »Kultur muß metaphysisch gerichtet sein, oder sie wird nicht sein.«110 Sie muß mit anderen Worten, denen Mays, Angelegenheit derjenigen Menschen sein, deren »Herz ... stark genug ist, an den Zusammenhang der Dinge mit dem Plane ihres Schöpfers zu glauben«. (I 334) Und nicht weniger als in den Versen des Adepten Mühsam trommelt im ›Ardistan‹-Roman das berührend anachronistische Pathos der Wahrheitsfindung. ... gegen solche Narretei zu kämpfen und zu


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siegen ... komme denn die Kunst, um abzuläuten. »D i e  L a r v e n  w e g ...«: »unmask him«!111 - zitieren die ›Briefe über Kunst‹ den apokalyptischen Mummenschanz Poes (›The Masque of the Red Death‹) - ... w i r  w o l l e n  W a h r h e i t  h a b e n ! und wenn sie ernsthaft will, wird es gelingen. Es kann ihr nicht genug gesagt werden, daß sie die heilige Pflicht hat, dies zu tun;112 die Maske der Indolenz zu tilgen. In der provokanten Naivität expressionistischer Diktion: Durch Verstand und Liebe gut zu machen, was Verstand und Haß verschuldet haben (I 283). Bleibt es bei der Maske, so gilt Walter Felsensteins Dictum: »Form ohne Wahrheit ist Dreck.«113 Deutlich wird, daß das Spätwerk Mays - träumend aus sich heraus - mehr ist als nur die Karikatur einer kulturkritischen, kunstreligiösen Glosse.



6.  P e r m u t a t i o n :  »Reich Gottes«


Gerade was letztere Qualität betrifft, wird man in diesem Zusammenhang auch die religiösen Intentionen des ›Ardistan‹-Romanes mit einiger Skepsis betrachten müssen. Kann der Roman religiös genannt werden? Das ist angesichts der religiösen Spolien, mit denen er seine Endzeit-Szenerien bestückt - wie man meinen könnte - und angesichts der natur- und geisteswissenschaftlichen Physiognomie des 19. Jahrhunderts, die von viel ›versteckter Theologie‹ (Ernst Jünger) gezeichnet ist, nicht nur eine rhetorische Frage. Sigmund Freud, dessen Psychoanalyse in der Entstehungszeit des Mayschen Spätwerkes immer größeren Einfluß gewann, hatte nur mit Widerwillen und betont distanzierter Geste in den religiösen Vorstellungen der Menschen »das vielleicht bedeutsamste Stück des psychischen Inventars einer Kultur«114 erkannt. Was Religion »zur Bändigung der asozialen Triebe« beizutragen vermocht habe, sei indessen »nicht genug«:115 Sie habe durch viele Jahrtausende »die menschliche Gesellschaft beherrscht; hatte Zeit zu zeigen, was sie leisten kann. Wenn es ihr gelungen wäre, die Mehrzahl der Menschen zu beglücken, zu trösten, mit dem Leben auszusöhnen, sie zu Kulturträgern« (mit den Worten Mays zu ›Edelmenschen‹, d. h. aus den Bewohnern Ardistans solche Dschinnistans) »zu machen, so würde es niemand einfallen, nach einer Änderung der bestehenden Verhältnisse zu streben«. May wie vielen seiner Zeitgenossen war eben dies bereits eingefallen, als Freuds Studie ›Die Zukunft einer Illusion‹ im Jahre 1927 publiziert wurde, und in der Artikulierung der malheurs de l'humanité, die - eine Figur wie der Sahahr zeigt das - auch religiöser und von den Hierarchien sehr bewußt kalkulierter Kausalität sind, entfaltet der ›Ardistan‹-Roman, alles in allem genommen, eine Art Religionskritik, indem er die Frage nach dem Fundament »unsere(r) Kulturforderungen« stellt und zumindest dahin beantwortet, daß sie durch eine Restitution her-


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kömmlicher »uneingeschränkte(r) Herrschaft der religiösen Lehren« nicht zu sichern sind. »(Die Menschen) haben es immer verstanden, die religiösen Vorschriften zu veräußerlichen und damit deren Absichten zu vereiteln.« Darin fanden sie in den Priestern ihre Komplizen. »Gottes Güte mußte seiner Gerechtigkeit in den Arm fallen. Man sündigte, und dann brachte man Opfer oder tat Buße, und dann war man frei, um von neuem zu sündigen«, woraus zu folgern ist, daß »die Unsittlichkeit zu allen Zeiten an der Religion keine mindere Stütze gefunden (hat) als die Sittlichkeit. Wenn die Leistungen der Religion in bezug auf die Beglückung der Menschen, ihre Kultureignung und ihre sittliche Beschränkung keine besseren sind, dann erhebt sich doch die Frage, ob wir weise daran tun, unsere Kulturforderungen auf sie zu gründen.« Zur Beantwortung dieser Frage, die ebenfalls eine nach dem Zusammenhang von Erkenntnis, Wissen und Glauben darstellt, über die »Richtigkeit, deren nackte Kälte uns innerlich frieren läßt« (I 334), diesen szientistischen Schrecken, der das Heimweh nach Religion generiert und gleichzeitig sabotiert, kann man in ›Ardistan und Dschinnistan‹ einiges Erhellende nachlesen, was nicht gerade dazu beigetragen hat, das Vertrauen amtskirchlicher Kreise in das religiöse Pfadfindertum des Mayschen Spätwerkes zu stärken, aber in auffälliger Kongruenz mit den Vorstellungen des Zürcher Theologieprofessors Leonhard Ragaz (1868-1945) steht, der auch ein engagierter Sozialreformer war und im Todesjahre Mays angesichts des Konfliktes zwischen Bürgertum und Sozialdemokratie und seiner Kulmination im Generalstreik vom 12. Juli eine stark gewerkschaftlich orientierte Position bezogen hatte. Ragaz stellte verschiedentlich fest, Jesus lehre nicht beten: »Nimm uns in dein Reich«, sondern »Dein Reich komme zu uns!« Das Reich Gottes - sagen wir ruhig Mays ›Dschinnistan‹ - sei nicht von der Welt, aber für die Welt, es komme von Gott und wolle die Welt verwandeln durch Revolution und Evolution von Stufe zu Stufe zur neuen Welt. - Auch das ein eminent Mayscher Gedanke, daß es sich in der Begegnung mit Gott nicht im herkömmlichen Sinne um ›Religion‹ handele, die in der Verbindung von ›Gott‹ und ›Volk‹ nationalistisch korrumpierbar und deren höchster Gottesdienst Krieg sei. Zu Beginn des ersten Weltkriegs analysiert Ragaz die destruktiven ›religiösen‹ Kräfte des Nationalismus: »Er wird, wenn er hoch aufflammt, religiös; er sammelt sich um den Schlachtengott, der der Gott gerade  d i e s e s  Volkes ist, und erhält damit noch gewaltigere Kraft«116 - mit den Worten des Mir von Ardistan -, »sein Reich durch Schwert und Feuer zu verbreiten« (I 219): das Reich ›Allahs‹, der hier - tribalistisch verstanden - zum Stifter des Nationalismus wird. Von dieser verhängnisvollen Stiftung berichtet die Legende vom verschwundenen Flusse ›Ssul‹. »(Nationalismus) ist Religion.«117 Die Religionskritik des Zürcher Theologen findet sich in den narrativen Situationen der ›Ardistan‹-Erzählung des sächsischen


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›Großmystikers‹ emblematisch verschlüsselt. »Allah ist Gott!« (I 219) bedeutet die Verengung des Göttlichen auf einen nationalen Horizont, wo, nach einem Diktum Voltaires, ›Gott immer mit den stärksten Bataillonen marschiert‹. Doch, der ihm noch vor Mohammed begegnet ist: »Moses will keine Religion, und der Kampf der großen Propheten ist ein Kampf gegen die Religion. Was wollen sie denn? Nicht eine Religion, sondern  e i n  R e i c h,  das Reich Gottes und des Menschen, eine Welt der Gerechtigkeit und Güte. Sie stehen im Namen Gottes gegen Tempel und Priester für die Herrschaft Gottes selbst.«118 Und als ein solcher Moses zieht Kara Ben Nemsi gen Dschinnstan, das ihm Erfüllung dieses Reichsgedanken ist. - Im Interesse dieses Reiches sei es daher Aufgabe der Christen und ihrer Kirchen, auf die Zeichen der Zeit zu achten, sich in den Reichsgottesbewegungen einzusetzen, damit sich nicht durch die Schuld der Menschen manch verheißungsvoller Aufbruch ins Gegenteil verkehrt und zu Katastrophen wie den Weltkriegen und der russischen Revolution führt. Die Christen hätten sich nicht um Kirche, Kultus und Religion, sondern um das Gottesreich zu bemühen, es gelte also gleichsam die Losung: empor nach Dschinnistan. Gott wolle nicht eigentlich das Seelenheil des einzelnen, er wolle die Menschen zusammen als Brüder und Schwestern erlösen, ihre verfehlten Beziehungen untereinander ›heil‹ machen durch Liebe und Gerechtigkeit und so seinen Frieden schaffen. »Es bleibe Friede! Hoch über dem, den ihr zum Gott gemacht, steht der Erbarmer gegen den Verderber« (I 219), steht die Gottestat gegen die Rabulistik der Dogmenhüter: »Allah ist Gott! Und der hat uns befohlen, sein Reich durch Schwert und Feuer zu verbreiten.« (Ebd.) Und das tönt auch wie das theologische Raisonnement des dostojevskijschen ›Idioten‹: »Aber nicht mit dem Wort Christi stillen sie (den Seelendurst der verschmachtenden Menschheit), sondern mit Blut und Gewalt.«119 Und so mußte es folgerichtig zur Exekution Gottes auf der Brücke von Ard kommen wie zur Inhaftierung Christi durch die Inquisition, von der Iwan Karamasow zu berichten weiß. Hier bei Dostojevskij wie bei Ragaz und May findet sich das Leiden am »veruntreuten Himmel«, der - so resümiert Franz Werfel die Quintessenz seines gleichnamigen Romans - »der größte Fehlbetrag unserer Zeit (ist)«,120 »denn der Mensch ist der Mensch, und der Mensch kommt ohne die Reich-Gottes-Idee selbst in der flachköpfigsten Epoche nicht aus«;121 findet sich - wie im späten Werke dieses Autors - das Anliegen, die zeitlose Problematik des Gottesglaubens aus der rein theologischen »in das Gebiet allgemein menschlicher Betrachtung«122 zu transponieren, findet sich endlich die Kritik verbaler Ritualisierung der Glaubensinhalte. Und schon der Glaube der Ussul, evolutionär auf niedriger Stufe, formuliert zur Ambivalenz »religiöser Vorschriften« den Gegenentwurf. Er äußert sich in der Idiosynkrasie gegen die Herrschaft der Rhetorik als Machtmittel, gegen die Dinge, welche die »Heliotropie des


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menschlichen Opportunismus in ihr Recht (treten)«123 lassen. Also manipulierbar sind. »Wir Ussul besitzen nur Gott allein. Weiter brauchen wir nichts.« (I 188) Diese ›Unmittelbarkeit zu Gott‹ schließt jegliche ›Mediatisierung‹ aus und somit die Gefahr, daß das Medium selbst sich die Göttlichkeit usurpiert und Gott - in Analogie zu Dostojevskijs ›Großinquisitor‹-Parabel - nicht in den Gefängnissen der spanischen Inquisition, sondern auf der Brücke von Ard exekutiert.

  Deutlich wird der Antibarbarus-Effekt dieses Kulturpathos auch in der ›antiklassizistischen‹ Bildchoreographie der ›Ardistan‹-Texte, die aus der Dekomposition des bisherigen Mayschen Œuvres erwächst, aus seiner Auflösung in Einzelteile in einem Akt von ›Transkomposition‹ sich ›neue Wesen‹ klont: Taldscha, die Priesterin, den Sahahr, den Dschirbani. Dabei gewinnt sie in ihrem Wechselspiel von Figuration und Defiguration, das in seinem Verschnitt des Abgelebten immer wieder surrealistische Animation exerziert, aus den Bildmanufakturen der Literatur das Baumaterial für rekombinante Wesen wie die Ussul, die Tschoban oder den Mir von Ardistan und verleiht ihren erzählte Körperlichkeit fingierenden Attrappen, Prothesen und Vor-Täuschungen die Würde einer ›vera icon‹, des Körpers selbst. Hier liegt dicht beieinander die therapeutische und pathologische Wirkung dichterischen Tuns, das über den Zustand depressiver Phase in der Internalisierung von Destruktion zu ihrer Tilgung durch Traumarbeit zu sich kommt. Analytische Not kann so zur deskriptiven Tugend werden, die als Ausdrucksträger das Symbol kalkuliert, indem sie im »Traumelement selbst ein Symbol des unbewußten Traumgedankens«124 »nach außen gebracht«125 hat. Wo jedoch in der beständigen Interaktion zwischen unbewußter Phantasie und Wahrnehmung aus der Depression heraus die Rekonstruktion des zerstörten Geliebten im Symbol erstrebt wird, ist die Gefahr nicht gebannt, daß psychotische Regie die Arbeit mit Symbolen totalitär zur symbolischen Gleichsetzung im Wachen und Träumen pervertieren läßt, die die unauffällig zum Unglaublichen gesponnenen erzählerischen Fäden kappt und die Tatsachen von Pappkameraden spielerischer Invention zu Golems einer ins Ideologische zielenden Imagination umrüstet. Wo diese wirken, liegt dann eben nichts mehr ›hors texte‹ (Derrida), beweist der Umgang mit Symbolen zombiehafte Qualität: so im Gegenstück zu Sitara, Pateras Stadt ›Perle‹, eine ›Reich Gottes‹-Phantasie auch sie (1910 entstanden): »Du siehst, ich bin der Herr! - Auch ich war verzweifelt, da baute ich mir aus den Trümmern meines Gutes ein Reich. - Ich bin der Meister.«126 Und wie in Mays Ardistan der Mir, ist hier in Perle allesbeherrschendes Code-Wort: der Herr. »Ich dachte nur: ›Das ist der Herr, das ist der Herr!‹ -«127 - »Herr«: das ist die andere Seite - die Kontingenz der Ideologie. May und Kubin sind in ihren phantastischen Romanen von 1910 komplementär zueinander zu lesen.


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  Angesichts solcher Instabilitäten im dichterischen Schaffensprozeß muß freilich die Vorstellung eines autonomen, von den Gesetzen des Marktes unabhängigen Textes relativiert werden. Existenz ist Okkasionalismus, Gelegenheit, sich einzurichten - nicht in dem, was ist, sondern in dem, was denkbar ist: Sitara, zum Beispiel. Das macht schon der Gang über die Klippen der literarischen Genera, der Exotik und des Symbolismus, der behauptete Realismus Mays in seinem Spätwerk deutlich. Und so ist bei dessen Beschreibung, wie der von Literatur überhaupt, auf die ›Zirkulation sozialer Energien‹ ebenso zurückzugreifen wie auf das anthropologische ›Dispositiv der Selbstrepräsentanz des Menschen‹, wie es über die schlichte Subsumation von Literatur unter den historischen Kontext hinaus in ihr zu finden ist.



7.  P e r m u t a t i o n :  Ideologien


So hat man in der Beurteilung von Mays Gesamtschaffen, auch der relativen Erfolgslosigkeit des pazifistischen Spätwerkes, stets die historische Konstellation mit der Tiefendimension älterer und neuerer Traditionsbestände vorzustellen: in ihrer ganzen Kontingenz, der ihre Investition in historische Prozesse unterworfen ist, in der sie die Rolle des Unvorhersehbaren und des Zufalls, die Vielfalt möglicher Ausgänge, auch das oft ganz unverbundene Nebeneinander historischer Erscheinungen, das die Farbigkeit, aber eben auch weitgehende Unberechenbarkeit der Geschichte ausmacht, kapitalisieren und in der sie zum Beispiel auch die Hitler-Regierung von 1933, dann aber vor allem die totalitäre Diktatur bis 1945 realisierbar gemacht haben - als »allzu schnellen Aufschwung in künstliche Paradiese des Gedankens«,128 dessen Motive die »Epoche des großen Geistigen«129 selbst noch in ihren entlegensten Randbezirken, ›ultima Ardistan‹, im Rhythmus der Blankverse skandiert. Nicht daß dessen Bedürfnis nach ›Heimischsein im Himmel‹, wie es sich zum Beispiel in der Schlußpassage von ›Satan und Ischariot‹ artikuliert, nun die Berechtigung abzusprechen wäre. Wo anders findet die mystische Aufhebung der Trennung von Ich und Welt, Innen und Außen, Zeitlichkeit und Ewigkeit ihren legitimen Raum als im Literarischen? Das heilige Geschäft eschatologischer Welterlösung ist freilich gebunden an das Verbot, die ästhetische Verwandlung als politisches Geschäft zu betreiben. Die Gefahr, daß wahlverwandte Elemente Ästhetisches in solches verwickeln, ist allerdings groß: daß aus solcher Bastardisierung eine peinlich spießige Künstler-Idolatrie erwächst, der »sich die erhaltenden und aufbauenden Mächte starker und echter Mannesnatur (nie ...) göttlicher offenbart (haben)«130 als im Künstler, der so zum Stellvertreter der unausgelebten Wunschträume seiner Verehrer avanciert.131 So spielen in der Alchemie dieser politi-


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schen Prozesse, gleichsam unterhalb der politischen Programmatik, in der ›Tiefenstruktur‹ der Mentalität, Essenzen Mayschen Denkens wie solche Wagners und Nietzsches, z. B. das Parsifal-Syndrom des erlöst-erlösenden Edelmenschen, spielt der ›Dschirbani‹-Effekt, mischungsbedingt, in Umkehrung ihrer homöopathischen Wirkung eine ihren ursprünglichen Intentionen gegenüber höchst kontraproduktive Rolle; gravitiert um das charismatisch-missionarisch aufgeladene Weltbild, das Kara Ben Nemsis Reiseroute nach Dschinnistan kartographiert, um seine Klassenschranken überwindende Integrativität, nach der jeder Mensch einmalig ist, aber alle gleich sind, sowie um die Ausrichtung auf »ordnungsstiftende Leistungen«:132 eine »Kombination von Apokalyptik, Gewaltbereitschaft und Männerbündlertum«133 unterwirft - paradoxerweise - die idealistisch-elitär denkende Intelligenz der Jahrhundertwende einer Art Kronzeugenregelung - als unschuldig/schuldige Mitwirkende daran, daß das zwanzigste Jahrhundert »die Universalgeschichte der Niedertracht«134 um Episoden exorbitanter terreur bereichert hat. Erklärbar wird sie durch die ›Modernität‹ des Nationalsozialismus, die auch darin begründet liegt, daß er in besonderem Maße Vorurteile, Ängste und diffuse kollektive Gefühlslagen aufzugreifen und zu lenken verstand. Die Nationalsozialisten gingen gar nicht davon aus, daß die Menschen mit ›vernünftigen‹ Programmen anzusprechen seien. Solche finden sich im ›Ardistan‹-Roman zwar formuliert: aber in sonderbarer Konvertierbarkeit von Vernunft zur Phantasmagorie: In der Phantasmagorie werden die subversiven Energien von Atavismen freigesetzt, die - politisch genutzt - einen das Fürchten lehren können. Vor dem Hintergrund von industrieller Zivilisation, der Anonymität des Marktes entwickelt der Roman Modelle alternativen Lebens phantasmagorischen Charakters, imprägniert von einer Art Unschuld als antiquarischem Interesse: Fluchtwege wie die Vorstellungen, es gebe Formen von Welt, in denen alles seinen Platz hat, und es gelte lediglich, diese Formen wieder zu etablieren, am besten so wie es früher war, d. h. »ein verlorenes Paradies, in dem's manchmal erträglich mörderisch zuging, aber sonst (sich) leben ließ«, wie Rudolf Schlichter die Zeit »so zwischen 1880-1910« empfunden hat.135 Diese Haltung, die statt der Dynamik der Moderne die Statik einer vergangenen Welt nachzubauen sucht, ist in der Realität so trivial wie sie - ironischerweise - in der Imagination ihren Verfechter fortschrittlich erscheint. Ihre mortifizierende Energie produziert im schlimmsten Falle Kitsch - aber giftig, dort aber, wo sie den Transfer ins Idealistische erfährt - wie bei May -, im harmlosesten die Donquichoterie und mit ihr die Transposition des Bühnenweihfestspieles zur Operette, die sich »nur trotz ihrer selbst verteidigen« läßt und deren »Inhalt bei aller Inhaltslosigkeit« - so Adorno - die Verzweiflung ist, und mithin die »Wahrheit«. Adorno umschreibt, mit Blick auf die ›Meistersinger‹ im ›Versuch über Wagner‹ die Konstellati-


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on, die für den geistigen Habitus von ›Ardistan und Dschinnistan‹ maßgeschneidert erscheint. »Das bürgerlich Neue und das regressiv Vorzeitliche finden in der Phantasmagorie zur Indifferenz.« (Auch jener des Velodroms.) Ein durchaus magischer Vorgang, den ein »Kobold« (›Meistersinger‹ 3. Akt) beförderte. »Phantasmagorie konstituiert sich, indem die Moderne unterm Zwang der eigenen Fessel in ihren neuesten Produkten dem längst gewesenen sich anähnelt.«136 Über die Phantasmagorie läßt sich dergestalt die nazistische Ideologie als Retrophantasie in der Ideenwelt und den sie zur Anschauung bringenden Kunstmitteln auch dieser späten Romane Mays ausmachen, die an sich nicht mit dem Passepartout-Begriff ›Faschismus‹ zu erfassen sind, aber in solchem Sinne funktionalisiert werden können: Bühnenweihfestspiel auf der einen Seite, auf der Kehrseite die bös karikierende satirische Macht der Revue. Die Metamorphose der Grals-Glocken zum ›Tralala‹ wäre schon Beleg genug für die ganze Kracauersche These über die Entfesselung kollektiver Dispositionen, die in Zeiten politischer Auflösungsprozesse traditionelle innere Haltungen freilegen. »Und alles wagend, beweist man schlagend, die Macht des Tralala«, hatte Fritzi Massary in den zwanziger Jahren (1924) als Pompadour gesungen und damit deutsche Unterwerfungsgelüste so bespöttelt wie die mit ihnen kompatiblen Erlösungs-und Großmannsphantasien, von denen sich auch nicht wenige die ins Utopische zielenden Requisiten der allegorischen Asservatenkammern ›Ardistans und Dschinnistans‹ instrumentalisierten; und die - so wäre hinzuzufügen - in den frühen dreißiger Jahren von einer Öffentlichkeit konsumiert wurden, in der die Prädisposition - nicht nur Leo Spitzer sollte sie als ›deutsch‹ diagnostizieren - der »Verführung zum Toxin der billigen Synthese, (...) diese Haschisch-Wirkungen einer unverpflichteten (...) Spekulation«,137 in zunehmendem Maße Nationalismus, antidemokratische, autoritäre Sehnsüchte und ständestaatliche Ideen beförderten, so daß sich denn jener fatale Kairos einstellen konnte, in dem der ›Edelmensch‹, jene Variante des Neuen Menschen, dessen Ideal im neunzehnten Jahrhundert aufgekommen war, im Sowjetkommunismus und im Nationalsozialismus Gestalt annahm, d. h. zum ideologischen Wechselbalg mutierte, dessen ›Reinerhaltung‹ - in fatal manichäischer Diktion chiliastischen Lebensgefühls - den Krieg ›heiligte‹, »den heiligen Krieg, den Gott gesegnet hat und immer segnen wird! Das ist der Krieg, in dem die Menschheitsseele in eigener Person zum Schwerte greift, um den Entwicklungsgang der Sterblichen zu schützen (I 419), was den Reichsführer SS Himmler letzten Endes zu der unsäglichen Feststellung ermächtigen konnte, bei allen Maßnahmen zum Schutze der Rasse von ›Edel- und Herrenmenschen‹ als ›in eigener Person zum Schwerte greifende Menschheitsseele‹, sozusagen als »streiter (...) in dem guten Krieg«138 - und da konnte er sich dann auf den Stefan George des Jahres 1894 berufen - »immer anständig geblieben zu


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sein«.139 Als einer derer, »die geglaubt hatten«. Primo Levi freilich sah sie im Lichte dieses Glaubens als »taub, blind und stumm (...): eine Masse von Invaliden, in ihrer Mitte ein Kern von Grausamen. Fast alle, aber nicht alle, waren feige gewesen.«140 Die Grausamkeit aber - so der Historiker Christopher Browning141 - ist eine Tochter der Sanktionierung durch die Regierenden, ein Kind des Zwanges, der auch im Dienste des Pazifismus ein Mittel der terreur bleibt. »... die Völker der Erde zwingen, ihre Schwerter verrosten zu lassen!« (I 22) ist eine bellizistische Formel, die auf dem Terrain, das bis dahin die Predigten Gandhis behaupteten, die revolutionäre Rhetorik Brechts etabliert, daß »nur Gewalt (hilft), wo Gewalt herrscht«.142

  Pervertierbar ist die bellizistische Heiligkeit immer, hinter deren militant-militärischem Bewußtsein sich ein Geflecht von Disziplin, Aggression und Entgrenzung verbirgt - im Kern gesinnungsneutral, wen auch immer zu bedienen -: ob bei Tyrtaios, Hölderlin, May oder den manichäischen Affektationen in der Chronik des sich ankündigenden ›Deutschen Herbstes‹, wo es für einen Holger Meins zwischen ›Entweder Mensch oder Schwein‹ nichts mehr zu orten gibt; Aggression und Entgrenzung korrelieren; und diese Pervertierbarkeit teilt sie wohl mit jeder großen Idee, die um so anfälliger für die Indienstnahme durch die Ignoranz erscheint, je größer das Bedürfnis nach Illusion ist. In diesen Horizont gehört auch, daß ›Edelmenschentum‹, Weiheklänge und Erlösungsideen Wagners so unterschiedliche Geister wie Thomas Mann und Adolf Hitler berührt haben, der Dichter im Diktator den Künstler witterte,143 gerade weil er sich des Traumes eines Diktators, der in jedem Künstler verborgen ist, bewußt war. In diesem Traum liegen die Synapsen, die Mays ›Dschinnistan‹-Utopie totalitärem Denken anschließen können. Denn die Ideenwelt dieses späten Romanes hat Teil an der Hoffnung Wagners und der Überzeugung Hitlers, daß aus Kunst Politik werde. (Daß eben dies nicht geschehen dürfe, war die Einsicht, die der Wagner-Verehrer Thomas Mann aus Hitlers rücksichtsloser Anwendung künstlerischer Verführungs- und Verblüffungsstrategien auf die zivilisierte Staatenwelt gewann.) Dazu paßt: Besonders was autoritäres und korporativistisches Gedankengut angeht, hatte Hitler eigentlich keinen Anlaß, Mays späten Großroman zu verbieten, eher schon Goebbels, dessen Spürsinn nicht entgehen konnte, daß es sich bei ›Ardistan und Dschinnistan‹ nicht um Kitsch-Versionen von Konzentrationslagern für Unter- und Edelmenschen handelt, im Falle der Geisterschmiede schon gar nicht um eine Scheidestätte ›für wertes und unwertes Leben‹, daß das Hauptmotiv des Romanes - im Hofmannsthalschen Sinne - ›Verwandlung‹ und nicht ›Vergasung‹ bedeutet.144 Im Gegensatz zur nationalsozialistischen Ideologie, die in der Tat »die Maske des Banalen« sich applizierte, »mit dem wir uns im Traum und im Gespräch bekleiden, um die Kraft der ausgestorbenen Dingwelt in uns zu neh-


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men«,145 deren viel zitierte Nekrophilie mithin einen Kitsch produzierte, dessen ›mortifizierender‹ Surrealismus ex post erst seine - von Benjamin feinsinnig genug diagnostizierte, aber schon damals durch Dali eindeutig genug aufgeschminkte - Fratze zeigt, erweisen sich die Träume des Kara Ben Nemsi in Ardistan wie jene Pateras in Perle - wunderliche Koinzidenz: der in seinen Utopien ganz ähnlich angelegte Roman Alfred Kubins (›Die andere Seite‹) erscheint ebenfalls 1909 - frei von tödlicher Affirmation und von einer Mißverständlichkeit, die sie - wirklichkeitsoffen - gegen jede ideologische Einvernahme seitens einer liberalen, autoritären oder faschistischen Rechten feit, so sehr eine gewisse konfektionelle Ornamentik auch dazu einzuladen scheint.

  Diese gewinnt ihr Muster aus zwei um die Jahrhundertwende zu großem Einfluß wachsenden psychosozialen Topoi, der Kindlichkeit und einer komplementär zu ihr offenbar familiäre Defizite kompensierenden Neigung zur führerbestimmten Gruppenbildung, die auf dem Boden eines ›extremen, sozial inklusiven‹ Nationalismus gedeiht, der »die Individuen in ein Kollektiv ein(schmilzt), das zu einem Großsubjekt mit charismatischen Attributen hypostasiert wird. Er ist, wenn man so will, eine politische Religion unter den Bedingungen der Säkularisierung, aber eine, die, um im Bild zu bleiben, einen starken Drang zur Kirchenbildung, zur Veralltäglichung oder Versachlichung des Charismas in einer Institution aufweist.«146 Versatzstücke solch parareligiöser Fassadenarbeit lassen sich in den allegorischen Konstruktionen des ›Ardistan‹-Romanes immer wieder belegen.

  Die fatale Kompatibilität des ›Edelmenschentums‹ eignet Mays ›Ardistan und Dschinnistan‹ freilich schon durch die kaum verschleierte gnostisch-neuplatonisch-manichäische Konzeption, gegen deren Ideologieanfälligkeit auch die jedem wirklichen Kunstwerk immanente ›Selbstwidersprüchlichkeit‹ den Roman nicht immunisiert. Was hat es damit auf sich? Nicht zu leugnen in Mays ›Ardistan und Dschinnistan‹ ist ja ein auf Erlösung zielender eschatologischer Ganzheitsanspruch der Kunst. Von der Konzeption her nimmt sich dieser chiliastische Entwurf überzeugend aus, von der Umsetzung ins Werk oft bedrohlich monumental, gar banal. Hier fühlt man sich an Walter Benjamins Einsicht erinnert, das Werk sei die Totenmaske der Konzeption. Als Maske wird Kunst künstlich und ist manipulierbar. Und Ganzheitsphantasien, die mit Gesamtlösungen operieren, eignet oft etwas Gewaltsames, bedrohlich Vernichtendes. Aus ihnen blickt nicht Musa, sondern Medusa. Der totalitäre Ganzheitsanspruch der Kunst, der Ästhetisches mit Moralischem verbindet, hat stets etwas von Hybris an sich und ist daher ideologisch korrumpierbar. Kunst - und Mays Spätwerk erhebt berechtigt den Kunstanspruch - lebt vom Selbstwiderspruch; entfremdet sie sich der ihr eigenen Dialektik, so läuft Kunst als »Kunde vom Menschen«147 Gefahr, Verräterin am rein Künstlerischen - gerät mithin in das Odium


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des Kitsches - und in ihrem moralischen Totalitätsanspruch Komplizin sei's auch welcher sich humanitär gebärdenden Ideologie zu werden. Ideologien aber sind stets in Hinblick auf irgendeine Ganzheit mit Erlösung befaßt. Erlösung und Endlösung werden im Medium des Paradieses - das »nicht im Herzen der Menschheit wurzelt, sondern mit Gewalt ... herbeigezwungen werden soll« (I 223) - plötzlich kompatibel: sie »würde(n) zerstören und vernichten, nicht aber erzeugen und beleben« (ebd.). Man darf nicht übersehen, daß die Ausrufung des Paradieses - war nicht die berüchtigte ›Volksgemeinschaft‹ ein Vorschein davon? - stets etwas Endgültiges behauptet. Am auffälligsten manifestiert sich diese Kompatibilität in der ›zwieträchtigen Einheit‹ der Feuerspiele über Dschinnistan. Sie erinnern in ihrer Kombinatorik an Kathedralwölbungen, in deren Strebungen das Himmlische und das Höllische antizyklisch verfließt und nur durch einen Hebelgriff das Paradies zum Konzentrationslager werden kann wie analog jene »Herrscher, bei denen es nur an einem kurzen, entscheidenden Augenblicke liegt, ob sie die Engel oder Teufel ihrer Völker werden.« (I 168). Ähnlich kompatibel, gleichsam siamesische Zwillinge, verhalten sich der Dschirbani und der Mir von Ardistan zueinander. Sie gingen immer nebeneinander, und sie standen immer beieinander (II 365): zwei Führer - so gut wie zwei Kinderfiguren, deren destruktive Kräfte in den ›Panther‹ ausgelagert erscheinen und diesen so zum wichtigen Korrelat in der Kathedralenkonstruktion Dschinnistans machen.



8.  P e r m u t a t i o n :  ›Bündisches‹


Die Objekte seelischer Begierde allegorisiert der späte May konform mit dem Code ideologischer Retardismen des Zeitgeistes, dessen Realitätsverständnis in eigenartiger Interferenz aus der Optik des Kindes ebenso gesteuert ist - man vergleiche etwa Stefan Zweigs 1911 entstandene Novelle ›Brennendes Geheimnis‹ oder die Novalis-Anverwandlung im ›Ardistan‹-Roman - wie aus dem ›ästhetischen Fundamentalismus‹ (Breuer) mystisch inspirierter Kreise und Gemeinschaften. Gerade Kindheit, die - nach Jean Piaget - »die schöpferische Phase par excellence (ist)«, so daß schöpferisch zu sein für den Menschen »bis ans Ende Kind zu bleiben«148 bedeutet, und Kindlichkeit stiften das Kapital, mit dem auch die späten Romane Mays wuchern und mit dem sie ihre psychischen Laboratorien unterhalten, in denen Kinder und kindlich Gebliebene ihre phantasierende, Realität und Träume gegenseitig abmischende Experimentierlust befriedigen, eine Lust der ›Bilder‹, von denen das Kindliche lebt und in denen es ›leiblich‹ aufgeht. Denn »Bild ist, was mein Leib versteht«. Und »weil das Verstehen der mythischen Bilder über das Gefühlsganze des Leibes läuft, ist das Bild auch gefeit


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gegen den historischen Prozeß. Die Menschen ändern sich, nicht aber ändert sich in den paar überblickbaren Jahrtausenden der Kulturgeschichte ihr Leib«.149 Der ›Ardistan‹-Roman rekrutiert die ikonologische Ausstattung, der er so stark verpflichtet ist, aus diesen Bildersälen der Jahrtausende. Wer das Angebot dieser Laboratorien und Museen in seiner Kindheit nicht nutzen konnte, findet sich der Kraft zur Veränderung der Realität beraubt, eines utopischen Potentials, das gerade in den späten Romanen Mays in seiner Wirksamkeit beobachtet werden kann, und mißmutig und enttäuscht auf das verwiesen, was ist. Denn für Kinder ist fast nichts einfach das, was ist. Es ist immer auch das, was werden könnte. Sie sind noch in der Lage, Realität und Träume zu verbinden. Gerade aber vom Geheimnis jener im Kindlichen verwurzelten Verwandlungsfähigkeit handelt Mays letzter ›Großroman‹ als Ausdruck einer Zeit, die je mehr sie wissenschaftlich-wirtschaftlich dem Fortschritt huldigte, desto eigensinniger intellektuell dem Kindlichen opferte. Diese Formen kindlichen Denkens füllen aber auch in einem auffallend antizyklischen Rhythmus die Musterbücher, nach denen sich um 1900 Gruppen, Zirkel und Kreise von Intellektuellen konstituieren, in deren Mittelpunkt charismatische Führer stehen, Wunschtraumerfüllungen ihrer Jünger, zu denen diese ein sie nicht selten entmündigendes Vater-Sohn-Verhältnis entwickeln.150 Ein von Intellektuellengruppierungen bevorzugter Zeitraum waren die Jahre von 1900 bis 1930. Und es ist insofern gar nicht überraschend, daß um 1909 Mays Spätromane diesen Zeitgeist illustrierende Bilder ausstellen. Mays Bücher reflektieren eine Welt der Kreise, Bünde und Gesellschaften. Diese Gruppierungen sind im Motiv der Geheimbünde, gemessen an denen sich die Welt in den Stand manichäischer Dichotomie erhebt, in seinem Gesamtwerk ja omnipräsent. Und vor diesem Hintergrund zeitgenössischer intellektueller Zirkelformierung muß Mays Spätwerk mit den ›Hukara‹ um den Dschirbani (I 388) und den ›Winnetous‹ des vierten Winnetou-Bandes wohl auch gesehen werden, mit ›Dschinnistan‹ als einer Provinz höchster Geistigkeit: einem »Kreis von höher stehenden, weiter denkenden und tiefer fühlenden Menschen, bei dem ein Jeder verpflichtet ist, der gute Engel eines seiner Nächsten zu sein, ohne daß dieser eine Ahnung davon hat (I 549). Leonhard Ragaz sieht sie 1912 beim ›Friedenskongreß der Internationale‹ in Basel als »Weltleute (...); inmitten einer Welt, die bereit ist, sich im Nationalhaß zu zerfleischen, sind sie ein Reich von solchen, die sich als eine brüderliche Gemeinschaft wissen, ein  n e u e s  Reich«151 - in der sozialphilosophische(n) (I 221) Terminologie Mays - von »Helden der Wissenschaft und der Kunst, des wahren Glaubens und der edlen Menschlichkeit, der ehrlichen Arbeit und des begeisterten Bürgersinnes« (II 633), Loge einer spirituellen Elite, die den 1910 entwickelten Vorstellungen des niederländischen Lebensreformers Frederik van Eeden, in einem ›Welt-


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reichstag‹ die geistig höchststehenden Persönlichkeiten des Zeitalters aneinanderzubinden, recht nahe kommt und deren Verschwiegenheit(s)-Gebot, das Kara Ben Nemsi in bezug auf den Dschirbani mit Abd el Fadl aushandelt (I 549), doch sehr an Initiations-Riten der ›Zauberflöten‹-Gesellschaft erinnert. Diese sind auch auf der Plattform mit Geländer (I 328) des Tempelturmes zu Ussula gegenwärtig in Form von Mysterien, die einen Anspruch auf den eigenen Himmel erheben, wie er so possessiv Sekten eigen ist. »Kommt laßt uns unsern Himmel sehen!« (Ebd.)


Da ist mancher von denen, die das sahen, erschüttert worden bis ins Innerste, da ist manches Auge feucht geworden, da sind wir alle still geworden vor einem gewaltigen  E r l e b n i s. Denn was wir da sahen, war mehr, viel mehr als sich äußerlich darstellte; da mußte das ›geistige Auge‹ viel mehr Arbeit tun als das körperliche.

  Das äußere Geschehen verwandelte sich in ein ›Gleichnis‹: Vergangenheit und Zukunft flossen darin zusammen, die Wirklichkeit wurde zum Sinnbild.152


Auch diese Darstellung bemüht - wie das für die Poetik des ›Ardistan‹-Romans typisch ist - die Repräsentanz, das Vokabular der Emblematik. Man könnte meinen, Leonhard Ragaz, der hier seinen Eindruck von der im Basler Münster tagenden ›internationalen Sozialdemokratie‹ - ein exklusiver Zirkel freilich auch sie in ihrer Zeit - in Worte faßt, hätte zuvor ›Ardistan und Dschinnistan‹ gelesen. Doch gerade diese Schilderung ist Beleg dafür, wie der hermetische Charakter von Mays Spätwerk sich in seiner ganzen Zeitgebundenheit eben vor diesem Hintergrund einer pathetischen Anstrengung erschließt, der geistigen Desorientierung der Zeit mit dem Streben nach Bindung »aus dem Geiste der Ganzheit und Einheit« zu begegnen, in dem »der Trieb zum Ganzen, zum Bunde, zur Gemeinde, zur Gerechtigkeit ruht«;153 Kräften, denen dann 1927 Hugo von Hofmannsthals Rede über das »Schrifttum als geistiger Raum der Nation« in der Diagnose eines konservativ-revolutionären ›Prozesses‹154 ideenpolitische Prägnanz verleiht, der als epochale Gegenbewegung freilich auf Kosten der Ideale von 1789155 in verschiedenen Formierungen Gestalt gewinnt. Ihnen eignet in der Regel - wie ausgesprochen konstitutiv dem Roman Mays - eine ›zentralperspektivische‹ Konzeption mit der in ihrem Fluchtpunkt zumeist situierten ›Führer‹-Figur, einem »Helden ... der edlen Menschlichkeit«(II 633), einem ›Menschen erhabener Einsicht und praktischer Fähigkeit‹ - wie ihn der Forte-Kreis postuliert, ihn May sich im Dschirbani, der von außerordentlich hoher, imponierender Gestalt (war) (I 264), als Heilandsfigur imaginiert: »Denn nur dieser ist es, an dem, mit dem und durch den wir Andern alle wachsen werden« (I 564); und wie er - ganz eine Dostojevskijsche Erlösergestalt - in der Vision des Fürsten Myschkin präfiguriert ist als: »Ein Riese stark und mächtig, dabei weise und mild.«


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Und friedfertig; denn: »Unsere Feinde erwarten von uns nur das Schwert und die Gewalt, weil sie uns nach sich selbst beurteilen und daher ohne Barbarei nicht vorstellen können.«156 May freilich kann das, und diese Vorstellung eben trägt das gesamte Handlungsgerüst seines Romanes, wie sie in dessen Protagonisten, dem Dschirbani, eine Gestalt gewinnt, die in entscheidenden Zügen dem Fürsten Myschkin ähnelt. Schon die Namensgebung schafft Bezüge: ›Räudiger‹ und ›Idiot‹, Randständige der Gesellschaft, die diese aus ihrer heillosen Situation zu erlösen berufen sind. Was für Menschen beide! Wie hehr, wie stolz, wie schön! (I 275). Berufen, geliebt zu werden. Und in der Erscheinung des Fürsten schimmert - »gold auf samt«157 die Verklärung kolorierend - das Bild Taldschas158 auf : »Auffallend blondes Haar (...), Augen (...) groß, eindringlich und von blauer Farbe«,159 jener also, die Mystik verheißt und im Hinweis auf die heilige - ekstatische - Krankheit der Epilepsie pontifikalen Charakter gewinnt. Dazu: beide - Räudiger und Idiot - sind Entrückte; denn beide gebieten der Zeit: »»Ich bin durchaus Herr meiner Zeit«, sagte der Fürst«160 ... doch hatten wir ja Zeit (I 369), weiß der im Auftrag des Dschirbani reisende Kara Ben Nemsi. Beide also durchaus vom Format korporativer Identifikations- und Integrationsfiguren, um die sich vorzüglich ›Bünde‹ bilden, ein sich immer neu erzeugendes Verlangen nach führenden Persönlichkeiten, nach Uebermenschen, nach Propheten, nach - sagen wir es deutlicher - nach Heilanden, nach Erlösern161 zu befriedigen; ein Verlangen, dessen die ratio anästhesierende Wirkung prompt den politischen Hasardeur »wie ein(en) Heiland« erscheinen ließ.162

  Für die Jahrhundertwende stößt man unter diesen ›Bünden‹ etwa auf den Forte-Kreis, die Nietzsche-Gesellschaften,163 den Zirkel um Rudolf Steiner, die Gruppe um den Eugen-Diederichs-Verlag164 und den Club DADA. Für diese sozialen Organisationsformen sind gemeinsame Wunschvorstellungen und Utopien so grundlegend wie in der intakten Zweierbeziehung die Liebe: ohne sie scheint nichts zu gehen. Anders freilich als in den Zweierbeziehungen gewinnt die Liebe hier ihr Hauptgewicht in einer generalisierenden, ins Kosmische zielenden Form, die, »wie die Welten durch Brücken des Lichtes verbunden sind, zwischen den Menschen des Geistes, der die Liebe ist,« diese »Formen des Mitlebens schafft«,165 und anders als Zweierbeziehungen treten diese Gruppen, Zirkel und Kreise nur zu gewissen Zeiten stark vermehrt auf, um dann wieder für eine Weile in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Offenbar kommt es zu vermehrten Gruppenbildungen von Intellektuellen immer dann, wenn diese in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs ihren angestammten Platz in der Öffentlichkeit verlieren und gleichsam in ein ›familiäres‹ Vakuum stürzen. Sie neigen dann dazu, ihre Misere in Dramen und Erlösungsbilder umzumünzen. Je attraktiver solche Phantasien ausfallen, um so größer ist die Chance, einen haltbaren Gruppen-


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prozeß in Gang zu bringen und auch nicht zurückgesetzte Personen zu gewinnen. In der Regel freilich bleibt auch hier die Dichotomie zwischen Ideal und Wirklichkeit. Es dürfte wohl zutreffen, was Karl Mannheim zu Beginn der zwanziger Jahre in Heidelberg beobachtet: »Man muß hier sein und sie sehen, die ›Fackelträger‹ und ›Reformer‹, was für Kleinbürger sie in ihrem Alltag sind und wie sehr es nur Ideen sind, die sie verkünden, und in welch engem Rahmen sich ihr Leben bewegt. (...) kaum gab es irgendwann und irgendwo einen so tiefen Abgrund zwischen Mensch und Werk wie hier und jetzt.«166

  Ende des Jahres 1910 entwarf der niederländische Lebensreformer Frederik van Eeden mit einigen Freunden den Plan, durch die Gründung eines ›Weltreichstags‹ die geistig höchststehenden Persönlichkeiten des Zeitalters aneinanderzubinden. Der Forte-Kreis entstand, dem neben van Eeden schließlich auch Martin Buber, Florens Christian Rang, Gustav Landauer und der expressionistische Dichter Theodor Däubler angehörten.167 Obwohl man sich vereinigt hatte, um, wie es hieß, die Welt aus den Angeln zu heben, glaubten die Beteiligten, daß für diese Aufgabe ein praktisches Programm unnötig sei. Die Herstellung eines Weltfriedens schien ihnen schon durch den schöpferischen Austausch von Gedanken möglich. Bei diesem schwierigen Unternehmen vertraute der Forte-Kreis nicht auf innovative Ideen. Seine eigentliche Kraft sah er im Erlebnis von Gemeinschaft. Der Bund als mystische Form von Vereinigung sollte die Mitglieder über die schlichte Menschheit erheben. Ein gesteigertes, auratisches Wir-Gefühl würde schließlich zur Lösung der Weltprobleme führen. Solche Thomas-Phänomene, wie die Soziologie Bewußtseinsinhalte nennt, die nur als eingebildete Tatsachen vorhanden sind, speisen sich nun aus einer ins Traumhafte zielenden Kindlichkeit, wie sie das Geschehen in Mays ›Ardistan und Dschinnistan‹ auf weite Strecken hin emotionalisiert. Während der Forte-Kreis auf charismatische Persönlichkeiten verzichtete, findet man in Stefan George, vor allem aber in Rudolf Steiner den Urtypus des charismatischen Gruppengründers. Die Grundlinien von Georges Kreis als einem autoritär geführten Bund, der sich um einen charismatischen Führer schart und dessen Mitglieder nach einem Meister-Jünger-Prinzip in wechselnder Abhängigkeit voneinander leben, waren jedoch nur im Einzelfall wiederzuerkennen, wohingegen Steiner nach Scheitern seiner akademischen Karriere der Aufstieg zum wichtigsten Vortragsredner der Theosophischen Gesellschaft gelang, der die kollektive Inszenierung spiritueller Erfahrungen gemäß den Zeugnissen seiner ›Jünger‹ auf umwerfende Weise zu gestalten wußte. Dazu entwickelte er als Leiter der esoterischen Abteilung der Theosophischen Gesellschaft Riten, in denen er selbst das hohepriesterliche Amt ausübte. In dieser Attitüde vielleicht nur noch vom russischen Maler Kasimir Malewitsch übertroffen, der sich als Seher, Führer und Erlöser fühlte,


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der die Welt des Suprematismus, also die Lebensüberwindung mittels der Kunst und der Stiftung neuer Symbole und Ikonen, neuer abstrakter Raum- und Zeitbegriffe erschloß. Malewitsch glaubte fest, daß in den reinen Kunstformen das »Reich Gottes auf Erden« ruhe, und entwickelte aus solchen Überzeugungen ein herrisches, priesterliches Gebaren. Seine Anhänger verehrten ihn fast wie einen Gott und trugen das berühmte ›schwarze Quadrat‹ als Zeichen der Verbundenheit.168 Malewitsch steigerte sich in christologische Rollen und stellte sich 1933 im letzten Selbstbildnis im Renaissance-Habit als Reformator, als Wegweiser und Gesetzgeber dar. Stets eher Mystiker als Kommunist begrüßte er die Oktoberrevolution als eine Parallelerscheinung seiner spirituellen Revolution und deutete das Zeitgeschehen immer wieder in Analogie zu seinen metaphysischen Expeditionen. Schon in den Jahren 1910-12 »begriff (er) den Bauern durch die Ikone«,169 und prägte er bereits das Bild des Bauern als utopischer Ikone, als Heils- und Zukunftsfigur, offenbar stark beeinflußt von Tolstoi, in dem der Forte-Kreis ausdrücklich einen »wahre(n) Herrscher des Menschengeschlechts« sah, auf dessen Stimme man gehört habe. Freilich mußten die Forteaner sogleich hinzufügen, daß Tolstois Einfluß noch unvergleichlich größer gewesen wäre, »wenn er sich mit Menschen erhabener Einsicht und praktischer Fähigkeit hätte verbinden können«.170 Als einen solchen Menschen sah sich wohl Malewitsch auserkoren.

  So bestellt ist also das geistige Umfeld, in dem 1906 Mays ›Babel und Bibel‹, 1907-09 der ›Ardistan‹-Roman entstehen. Unschwer lassen sich darin Mays vagabundierende psychische Energiefelder erkennen. Der späte Großroman ist alles andere als ein skurriles, abseitiges Produkt - als das er sich allerdings hartnäckig »legendenfähig erweist«171 und vielleicht nur so die Gnade, literarisch weitervermittelt zu werden, erfährt -, im Gegenteil, er ist auf der Höhe seiner Zeit: und seine Interpretation hat diese Synchronie in Rechnung zu stellen. Zu viele sind auch der Züge, an denen diese geistige Teilhabe am Erwähltheitspathos der Zeit sichtbar wird; zum Beispiel an der charismatischen Führerfigur, als die in der Mandorla eines Engels der Dschirbani auftritt, in dem die weltverändernde Phantasie eines Kindes waltet. Er schaute geradeswegs in das soeben wieder hoch emporlodernde Feuer der Berge hinein. Seine riesige Gestalt stand wie in Flammenglut (I 431), »den leib überflossen vom blendenden scheine der oberen erden -«.172 Es ist wohl nicht so sehr May als der ›Geist der Erzählung‹, der hier rückblickend Georges Hymnik zitiert. Und auch sonst folgt diese Figur ganz den Patterns des ›Meisters‹.


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9.  P e r m u t a t i o n :  ›musarum sacerdos‹


In den meisten dieser Bündnisse und Kreise ist - wie wir gesehen haben - eine zentrale Stellung dem Künstler eingeräumt, der als »musarum sacerdos« (Horaz) hier seines pontifikalen Amtes waltet, d. h. oft genug gemäß einem kunstreligiösen Programm eine ›Mission‹ auszuführen beansprucht. Auch Kara Ben Nemsi befindet sich durch Ussulistan und Ardistan auf einer Missions-Reise, die in ihrer pazifistischen Unbedingtheit an die Auftritte des schweizerischen Friedensapostels Max Daetwyler (1886 bis 1976)173 erinnert, wobei gerade dieser Vergleich sowohl das ganze Unternehmen als Donquichoterie denunziert wie auch seine weltanschaulich schillernde Kolorierung hervorhebt. Man kann es sozial, politisch, theologisch deuten. Das geistige Klima seiner Entstehungszeit, die den »Code (generiert), mit dem sich eine Gesellschaft über Präferenzen verständigt«,174 legt auch eine künstlerische Auslegung nahe.

  Es lohnt sich in diesem Zusammenhang einen Blick auf die ›Briefe über Kunst‹ zu werfen - 1906/07 also gleichsam ante portas des ›Ardistan‹-Romanes entstanden - , diese eigentlich von der theoretischen Dignität her recht unbedarften Concetti kunstphilosophischer Verzweiflung, die in ihrer Kleinkariertheit die allegorische Konzeption von ›Ardistan und Dschinnistan‹ eher zu diskreditieren als sie in ihrer Bildergröße transparent zu machen geeignet sind. Es handelt sich um ein grob eklektizistisches Pamphlet voller Klischees abgeblaßter Blumigkeit des klassizistischen Idealismus, einen ästhetischen Synkretismus, der u. a. sich Platon, Goethe und Rudolf Steiner verdankt, letzterem in der metaphorischen Technik, Welt zu erfassen, erstaunlich verwandt: daß alles Materielle nämlich sich gemäß den Gesetzen der Emergenz nach ›oben‹ zu entwickeln habe, bis es schließlich in der Emulsion reinen Geistes sich dem ›All‹ verbinde. »Das Subjekt stellt durch das Denken diesen Zusammenhang (der Dinge) wieder her. Damit hat es sich dem Weltganzen wieder eingefügt.«175 Durch das Denken, könnte man fortfahren, wird es der ›Weltenseele‹ wieder ansichtig, die es diese liebe, alte Erde176 hat vergessen lassen. Ein anamnetischer Prozeß also, wie im zehnten Buch der ›Politeia‹ Platons Sokrates ihn diskutiert oder er sich in der koranischen Lehre vom ›tauhid‹, von der Einheit Gottes, manifestiert, die sich in den geschaffenen Dingen der Welt offenbart177 - ein Echo hier der , der Wiederbringungslehre des Origenes.

  So naiv diese Ästhetik anmuten mag, so überrascht doch keineswegs ihre Nähe zum Jugendstil, zu Hofmannsthal, dem George-Kreis und Borchardt, deren programmatische Gespreiztheiten häufig genug den erhabenen Gestikulationen einer ästhetischen Ideologie entspringen, die ihrerseits nicht viel mehr als ein Transvestitentum neurotisch aufge-


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reizter Banalität darstellt. So wird in den aufdringlichen Tautologien von Borchardts ›Eranos‹-Brief, daß es, die geistigen Krisensymptome der Zeit zu beseitigen, »um restaurierende Revolution (gehe) - um revoltierende Reformation, um den erstürmenden Rückzug bergan [!] in die unausgelebte Geschichte des Menschengeschlechtes«,178 auch nicht viel mehr deutlich als jenes sich Zurückwälzen des Stromes, der einst Ardistan bewässerte, in die Quellgebiete von Dschinnistan. Angesichts der Materialschlachten, die um die Jahrhundertwende der technische Intellekt organisiert, investiert Kunst in den Geist: ein Vorgang, der den Begriff ›Revolution‹ buchstäblich nimmt. Denn gerade sie zehrt vom Pathos der Verwandlung. ... das Alte bleibt, nur wird es neu.179 Kunst ist Allegorie, ihre Aufgabe kontinuierliches Entlarven, aber auch Dolmetschen zwischen Innen und Außen, Oben und Unten, Stillung des Harmoniebedürfnisses, sie führt ein »Falter«dasein; der Falter ist ja Symbol der Vermittlung zwischen Diesseits und Jenseits; der Künstler versteht sich als »Falter«.180 »... von dem Aeußeren auf das Innere ... (zu) schließen« (I 334), im Zirkelschluß im fernen und doch so nahen Lande des Menschen-Inneren (I 111) das Bürgerrecht zu erwerben, ist das künstlerische Credo Mays. Fast wörtlich findet es sich bei Wolfgang Koeppen wieder, der davon gesprochen hat, daß »der Schriftsteller aber oft verführt (ist), die wahre, die innere Realität neben der existierenden Realität zu sehen und zu finden«.181

  Und so ist natürlich auch der Dschirbani Teil einer großangelegten Allegorie auf die Kunst, die den ›Ardistan‹-Roman ausmacht, wenn nicht gar ausgepichtes Urbild des Künstlers - wie es die ›Briefe über Kunst‹ zeichnen -, der Erinnerungen weckt, vermittelt, durch seine Existenz allein schon ›entlarvt‹, ›demaskiert‹. Er ist ein Künstler, ein Brückenbauer entsprechend dem pontifikalen Auftrag der Kunst, einen Bogen zu schlagen (May sagt ›hinüberzuschwingen‹)182 zwischen der urbildliche(n) Heimat dort und - sehr goethisch - dem, was auf Erden nur ein (ihr) Gleichnis ist.183 Und so wie er den pontifikalen Auftrag erfüllt, tritt der Künstler als poeta vates, sein (Aeußeres) von der Seele vollständig durchdrungen, als Entrückter, Asket (II 421), als Priester, ja als »wiedererstandener Christus«184 und Heiland auf. Ein jeder Mensch, besonders aber ein jeder Künstler, hat Heilandsarbeit zu verrichten.185 Was Wunder, daß er auch Arzt und Sohn eines wirkungsmächtigen Arztes ist. Arzt und Künstler vereinen sich in der Funktion des Beschreibens, der Schau und der Vermittlung, der Diagnose und der Integration. Insofern begegnet im Dschirbani eine doppelgesichtige Figur, in der Heilkunde und Kunst sich im Verhältnis des Sohnes zum Vater verbinden: Asklepios zu Apollon. »Mein Vater hat einige Bücher für mich geschrieben, die meine Wegweiser sind.« (I 380) Und mustert man die Künstlerlegenden aus der Entstehungszeit des Mayschen Spätwerkes, so muß die Wahlverwandschaft dieser Mixtur aus Hippokrates und


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Orpheus zu Stefan George und der Hymnik seines Jüngerkreises auffallen. »Er ist ein Genie und besitzt zugleich die magischen Kräfte eines guten Arztes. Das Wort ›heil‹, das ich so oft bei Plato gelesen habe, ohne seinen Inhalt zu erleben, ist der treffendste Ausdruck für den Zustand, in dem ich mich befand. Ich war heil in seiner Nähe, und werde es immer wieder sein, wenn ich in seine Nähe komme«, schildert Ernst Glöckner seine Begegnung mit George als einen Akt ›heilender‹ Entrückung.186 Gleichsam eine Paraphrase der Maxime: An Künstlers Wesen soll die Welt genesen, wie sie Mays Kunst-Aperçus abhandeln (ein jeder Künstler ... hat Heilandsarbeit zu verrichten) und die auch Kara Ben Nemsis erste Begegnung mit dem Dschirbani choreographiert: Er schreitet einher - Figur aus dem Gralskult187 -, eine Mischung aus Hippie (in einem weiten, bequemen Haïk, in starke(m), fast übervolle(m) Haar, das ihm weit über den Rücken herab(hing) (I 264) - an anderer Stelle wird ihm die Qualität des ›Perlenschimmers‹ bestätigt: der eigenartige Glanz von reinen, echten Tscholamandelaperlen (DH 100) evoziert die Erscheinung eines georgeschen Algabal -) und Hell's Angel: (er trug) lederne Kleidung ... Auch die stiefelartige Fußbekleidung war von Leder, nicht von Bast (I 275). - Unübersehbar übrigens das dezent homoerotische Element.


Die Hunde sahen zu ihm auf, ohne ein Zeichen des Hasses oder des Zornes. Auch ich schaute zu ihm auf, ja wirklich, zu ihm auf. Denn er überragte mich nach allen Dimensionen, in der Stärke, in der Höhe, in der Breite. Was war das für ein Mensch! Wie hehr, wie stolz, wie schön! Mir war, als ob in diesem Augenblicke seine Seele hinter ihm stehe, ihm unbewußt, und mir zurufe: »Schau her, und liebe ihn, er ist von königlichem Geschlecht!« (I 275)


Was auch bedeuten mag, er ist ein Dichterkönig, auf den der Vers des Archilochos - um so mehr, als dieser ein Aristokratenverächter ist - zutrifft: »Fest und ohne Wanken auf den Beinen stehend, voller Herz.« - .188

  Gleichwohl: als Mittler und Heilender ist er auch der Einsame, der Unberührbare: eine choreographische Monade von beschränktem Gestenalphabet, von der Typologie her schon in der Gefahrenzone einer Paarung von Trivialität mit Prunk angesiedelt. Schon die erste Erwähnung charakterisiert den Dschirbani dergestalt als Künstler. Denn was anderes ist einem Künstler beschieden als ›anders‹ zu sein - »Alles anders (zu machen) als wir« (I 231), wie der Sahahr verbittert feststellt -, um dadurch die übrigen über das ihnen Eigene aufzuklären: als Spiegel ihrer selbst, den sie sich freilich am liebsten verhüllen möchten. Dichtung tritt hier also nicht auf »als Herrschaftsinstrument, das der gegebenen Autorität die Insignien vergolden und den Purpur nachfärben hilft«, sondern »als ein Beitrag zu ihrer Desillusion«.189 Und dieses Anderssein - quasi als ›häßliches, junges Entlein‹ (Andersen), als ›Falter


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unter Würmern‹190 - wird durch das ›Anachoretendasein‹, das der Dschirbani auf der ›Insel der Heiden‹191 führt, metaphorisch ins Bild gesetzt, ein ›Denkbild‹, das - indem es sich die Horazische Maxime des ›odi profanum volgus et arceo‹192 emblematisch instrumentalisiert - intensiv wiederum Canettis Thematik von ›Masse und Macht‹ erinnert. Der elitäre Ton, in dem diese Auffassung vom Dichter vorgetragen wird, erfährt sein Crescendo in der Partitur, die unisono das Motiv antiker Poetenpanegyrik verarbeitet. Die Magie künstlerischer Verwandlung vermag aus dem Land des ›Moders, der Verwesung, des Schimmels und des Gestanks‹ Leben, Schönheit, Kraft, Unsterblichkeit und Duft (I 381f.) erstehen zu lassen. Freilich: das ästhetische Formprinzip hat sich stets dem ethischen zu verbinden.


virtus recludens inmeritis mori
caelum negata temptat iter via
  coetusque volgaris et udam
    spernit humum fugiente penna.
    (Horaz, Ode III 2, V. 21ff.)
Es leitet Edle, wert der Unsterblichkeit,
auf rauher Bahn die Tugend zu Himmelshöhn,
  dem rohen Hauf, der dunstig=schweren
    Erde enteilt sie auf flücht'ger Schwinge.
    (zeitgenössische Übersetzung von 1913)



So führt ... jede wahre ... Kunst ... empor zum Welterlöser ...193 Dieser kunstreligiöse Anspruch Mays kann die Affinität zur ›Loge‹ nicht leugnen, wie sie um die Jahrhundertwende unter den geistigen Eliten grassierte. Eigen ist allen diesen Zirkeln die Kompatibilität von revolutionärer, in die Abgeschiedenheit des Künstlers weisender Hermetik und reaktionärer Proklamation der ›Mitte‹, jener ›Tonica‹, die schon längst seit Wagners ›Tristan‹ - und erst recht durch Mays Zeitgenossen Schönberg - außer Kraft gesetzt war. In der Restaurationszeit des Augustus wie jener der wilhelminischen Epoche reichte es bei den kunstreligiösen Anstrengungen des Horaz wie Karl Mays, ein ›Ethos der Mitte‹ zu restituieren, nur zu Gesten der Vergeblichkeit.

  Denn der klassizistische Gestus nun, den May in seinen ›Briefen über Kunst‹ mit Rückgriff auf Schillers Kunstdefinition in den Briefen ›über die ästhetische Erziehung des Menschen‹ praktiziert, eignet durchaus jenem Theaterstück, das unter dem Titel ›die konservative Revolution‹ oder die ›schöpferische Restauration‹, kostümiert als »de(r) erstürmte Rückzug bergan in die unausgelebte Geschichte des Menschengeschlechtes«, als »Verwerfung der Zeit und Heimkehr in die Ewigkeit«,194 ›Kultur‹ zum Medium der Offenbarung beförderte und in den intellektuellen Zirkeln der Jahrhundertwende etlichen Erfolg für sich verbuchen konnte und in dem der Anspruch auf Repräsentanz mit dem Glauben an die besondere Rolle des Künstlers in der Gesellschaft unter erstaunlichem Verzicht auf Selbstverschleierung selbst im Symbolischen einen ins Hieratische zielenden Künstlerbegriff zeugte. Ihm sind von George bis zu Thomas Mann die Poeten des Fin de siècle verpflichtet, und eine auch nur oberflächliche Lektüre von ›Ardistan und


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Dschinnistan‹ zeigt, daß auch May da keine Ausnahme macht. Der Künstler ... schaut aus seiner Höhe auf das unter ihm Existierende. Unter seinem Blicke vereinigt sich das Einzelne zum Ganzen; das Zerstreute gewinnt Zusammenhang und es offenbart sich die Leitung und Führung alles dessen, was geschieht,195 so dolmetscht May in den ›Briefen über Kunst‹ den Aufgabenkatalog des Künstlers zwar in einen abgetakelten idealistischen Jargon, der aber gerade dadurch um so bestürzender verdeutlicht, wie reaktionär sich die Diktion poetologischer Manifeste seiner prominenten Zeitgenossen ausnimmt. Auch sie berufen sich auf ›Offenbarung‹, ›Leitung‹ und ›Führung‹, George ausgesprochen auf (ominöses) ›Führertum‹ - apolitisch zwar erfahren dessen elitäre Impulse in Wolfgang Frommels 1932 erschienener Schrift ›Der dritte Humanismus‹ eine nicht folgenlose Übertragung ins Politische -, und machen zur Aufgabe der Kunst, die Welt von der - Wissenschaft und Technik geschuldeten - Krankheit zum Dissoluten, von den Infekten der Dissoziation durch die Antibiotika ›innerweltlicher Synopsen‹ zu heilen. Denn das Alte bleibt, nur wird es neu.196 Mit anderen Worten: politische Revolution im Gewande ästhetischer Reaktion. May weiß sich hier in den Ansprüchen, die er an die Kunst als ›revolutionäres‹ Medium stellt, durchaus auf der Höhe seiner Zeit, den ›Verlust der Mitte‹ rückgängig zu machen durch die Rehabilitation der Tonica197. Andersdenkende mögen das anders bezeichnen, aber bei aller Verschiedenheit der Ausdrucksweise wird der Sinn immer derselbe sein, daß die Befreiung des innern Menschen nach der sozialen Erlösung des ganzen Geschlechtes strebt.198 Und hier tritt dann der Künstler in sein Recht, als Uebermensch, Prophet, Heiland, Erlöser;199 so, ein ›homo religiosus‹, zählt er unter den Künstlern zu den »Spitzen der Berge, in denen die Masse des irdischen Geistes empor zum Himmel ragt«,200 und Religion, als antiaufklärerisch längst diskreditiert, entfaltet über das Medium der Kunst sozialrevolutionäre Gewalt, indem sie in »tiefe(r), argwöhnische(r) Furcht vor einem unheilbaren Pessimismus (...) sich mit den Zähnen in eine religiöse Interpretation des Daseins (...) verbeiss(t)«, ein Dilirium, das sie aus der »Trunkenboldigkeit des Gefühls«201 zu nähren weiß.

  In den Gefäßen der ›Kunstreligion‹, dem wichtigsten Exponat in den Inventaren der geistigen Kramläden jener Epoche, wird für das kommende Säculum ein höchst ambivalentes Gemisch gebraut. Denn ob »Übermensch« oder »Idee des Gottmenschen«,202 die sich in Religion und Kultur zu verwirklichen habe, die Konstrukte, denen sich die Sehnsüchte des am Materialismus leidenden Zeitgeistes inkubierten, sollten sich für die Tentakeln eines aufsteigenden Faschismus anfällig genug erweisen: trotz oder gerade wegen Wandervogelbewegung, Naturkost und Pflastermüdigkeit, die ab 1903 im Kommen waren. Es ehrt May, daß er in seinen ›Briefen über Kunst‹ diese Entwicklung nicht un-


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kritisch, freilich eher unterschwellig glossiert. Und ebendieselben Mechanismen subkutaner Zeitkritik lassen sich am ›Ardistan‹-Roman durch eine Analyse und Dekonstruktion der ihn ausmachenden ›Denkbilder‹, der Suiten von ›récits encadrés‹ offenlegen, in denen die Kompatibilität der Begriffe von Politik und Ästhetik zutage tritt, daß die Frage nach den Verstrickungen im Totalitarismus nicht nur der Politikgeschichte, sondern auch den Kunstinhalten gilt, und wo es nicht um Strukturen und Systeme geht, sondern um ein Gewebe subjektiver Dispositionen, um geistige Konstrukte, um Symbole und oft um Mythen. Diese Technik der ›récits encadrés‹ fordert eine Erzählung als Rebus zu lesen heraus - »Das soll man lesen können?«203 -, als Traum. Der Vergleich des Rebus mit dem Traum wird gelegentlich auch von Freud bemüht, um die radikale Bildlichkeit des Traumes, die Übersetzung von allem und jedem in Traumbilder, in »Gesehenes« zu betonen. Im »Laster« des »hemmungslose(n) und leidenschaftliche(n) Gebrauch(s) der Droge Bild«204 sieht Aragon die Hauptqualität des Surrealismus, und sie ist als emblematisches Konstruktionsprinzip von »verschiedenen Bilder(n), welche die Landschaft gleichsam im Rahmen (zeigen)«205 - wie es Goethe mit Blick auf die synthetisierte Welt des Englischen Gartens formuliert -, selbst in scheinbar beiläufigen Gelegenheitsarbeiten Mays virulent. Meisterlich handhabt der Autor sie in dem narrativen Parergon ›Unter der Windhose‹ aus dem Jahre 1886, wo sie selbst zum Thema und Programm wird und als erzählerischer Konvergenzpunkt die ganze Handlung strukturiert. Ich hatte die Augen natürlich sofort auf den Figuren ...206 Das hat May allüberall, wo auch immer man sein episches Werk aufschlägt: zum Beispiel zwei Jahre später 1888 im Reiseroman ›Der Scout‹. Hier findet das Bilderrätsel des Totems seine Doublette im Worträtsel des lyrischen Gedichtes,207 und beider piktogrammatische Dechiffrierung konstituiert erzählte Welt im weitesten Sinne, zeigt auch - was besonders im späten Roman ›Ardistan und Dschinnistan‹ seine nicht immer ganz bewältigte Ausprägung erfährt -, wie Mays Werk vor allem aus dem - oft ironischen - Reiz der Übergänge von symbolisch-emblematischer zur illusionistischen Darstellung lebt: der Zerstörung gründlich kalkulierter Stimmungen durch das Hereinbrechen inkompatibler Elemente; erzählerisch vollzieht sich hier zu Ende des 19. Jahrhunderts etwas, das in der malerischen Entwicklung an der Wende vom Quattro- zum Cinquecento durchaus seinen Vergleich findet. Nichts ist dabei Bestandteil des Politischen, wie es in Mays und seiner Zeitgenossen symbolischen Werken zur ästhetischen Anschauung gelangt, was nicht subjektiver Entwurf wäre und was nicht aus dem dichten Geflecht solcher Einstellungen entstünde.

  Das gilt selbstverständlich auch für Mays religiöse Einstellung, die - höchst eigentümlich - dem Variantengesetz verpflichtet ist, nach dem sich das religiöse Empfinden des Menschen entwickelt. Denn: die Reli-


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gion ist so variantenreich wie der Mensch, der sie hervorbringt. Alle ihre Gegensätze sind die seinen. Ihre Drohungen halten seine Autoritätsbedürfnisse fest. In ihren Begründungen nimmt er hin, was ihm andernfalls unverständlich bleibt. In ihren Versprechen lösen sich seine individuellen Spannungszustände. Insofern wirkt auch sie im totalitären Sinne antiindividualistisch, insofern trägt auch Mays Privatreligion avantgardistische Züge, konzediert man die klassische Definition der Avantgarde als antiindividuellen Zukunftsentwurf, der sich in der ›Ardistan‹-Utopie abzeichnet. Zeichnet! Bei all dem geht es also immer wieder um die Welt der Zeichen und Bilder, mit der sich die Gesellschaft der Jahrhundertwende selbst einordnete und definierte. Wie sehr wir noch an ihnen partizipieren, das mißt sich an unseren Affinitäten zu diesem Werk. Die Interpretation des hieroglyphisch verfaßten Textes von ›Ardistan und Dschinnistan‹ erhellt, wie unumgänglich es ist, ›Stil‹ wieder als Ausdruck von Inhalten politischer, im weiteren Sinne historischer Art zu verstehen. Zu assoziieren ist etwa die programmatische Poesie der vierten Ekloge Vergils: »magnus ab integro saeclorum nascitur ordo.« (Vers 5) Und so wabert, zum Exempel, in den saecularen Auftritten der Engel, daß »alle Pforten und Tore des Paradieses auf(springen)«, so oft »ein Jahrhundert vorüber ist« (I 216), illuminiert von »mächtigen Vulkanen, die einst täglich flammten« und nun »in Zwischenräumen von ungefähr hundert Jahren, die nach und nach immer länger werden«, erwachen, (I 333) die ›zyklische Zeit‹, die ›ewige Wiederkehr‹, die der christlichen Geschichtstheologie und ihrer angeblich ›linearen‹ Zeitkonzeption widerspricht, als gemeinsames Weltbild von Strömungen, die Armin Mohler 1949 unter dem Begriff »konservative Revolution« subsumierte.208 Eine solche gestaltet zu Beginn des Jahrhunderts Mays ›Ardistan‹-Roman als astrales Theater der Vergeblichkeit.



10.  P e r m u t a t i o n :  Finales Sternentheater


WILLY (looking straight up): Gotta break your neck to see a star in this yard.209


Der ›Ardistan‹-Roman richtet die Kulissen eines Sternen-Theaters, dessen Traditionslinien von der Jahrhundertwende zurück in die Barockzeit verlaufen, freilich auch voraus in die Moderne weisen, die sich die barocke Literatur wiederzuentdecken wußte.

  1949 variiert Arthur Millers Stück ›Death of a Salesman‹ das Motiv irdischen Daseins als eines Transits durch Hinterhöfe mit dem Ziel seiner Erfüllung in einem Reiche des Lichts. Ähnlich diesem Stück schildert Mays ›Ardistan‹-Roman 1909 Aufbruch und Lebensreise - auch hier ist ein Handlungsreisender unterwegs, ein Agent in Sachen Frieden - aus den Psychodromen des Materialismus in ein menschliche Defizite


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aufhebendes Metareich der Sterne; vollzieht sich eine ›Bildungsreise‹ über die ›sidera‹ hinaus nach ›Sitara‹: »iacet extra sidera tellus«.210 ... da konnte ich zwischen den Stämmen hindurch zwei Sterne erkennen ... Indem mein Auge an ihnen hängen blieb, schien sich von mir zu ihnen ein lichtglänzender Weg zu ziehen, der so breit war, wie sie scheinbar auseinander standen. Auf diesem Wege schienen die Gedanken, die mich beschäftigten, zu kommen und zu gehen. (I 224) Und diesen Weg nach Sitara nimmt gemäß jenem uralten Itinerar, das schon Vergil und Dante gewiesen haben, auch Kara Ben Nemsi auf sich, dieser Heros, »pariter pietate vel armis egregius«,211 und nutzt es im Ersteigen des Tempelturmes zu Ussula in einer optimistischen Vorbehaltlosigkeit, die sich so wohl nur der raffinierten Dialektik von ökonomischer Sicherung und Unbedingtheit des Traumes verdankt. Ein Leben lang hatte sich May »den Hals (ausgerenkt), um in diesem Hinterhof einen Stern zu sehen.«212 Anders als Willy Loman gelang ihm die materielle Sicherung, die den Traum der Sternenreise erfolgreich zu träumen gestattete, ohne daß er den Genickbruch riskierte. Wie überhaupt der Ritt durch Ardistan ein Sternenritt ist. Das Ende beider Werke öffnet Wege ins Freie. Dem Crescendo des finalen »We're free«213 entspricht die zuversichtliche Proklamation eines ›weitern Aufstiegs‹: Wir aber wendeten unsern weitern Aufstieg nun den Bergen, über deren Pässe der Weg nach Dschinnistan führte, und unsrem hohen, weiteren Ziele zu. (II 651). Dieses erfüllt sich - als eine Art Apokatastasis - in der Wiederherstellung göttlicher Weltordnung, wo im Ende der Anfang zurückgewonnen wird. Gnostisches Gedankengut maskiert sich in den Allegorien dieses Welt- und Lebenspilgertums. Auf der anderen Seite gestattet es die allegorische Verfahrensweise, die May im ›Ardistan‹-Roman verfolgt, »das Erlebnis einer zu Bruch gehenden« - weil heimatlosen - »Welt, in der das Verstreichen der Zeit nicht Fortschritt, sondern Zerfall bedeutet, spürbar und sichtbar zu machen«.214 Sichtbar in der schwindenden Leuchte des Tempels zu Ussula: »So verläßt die Offenbarung ihre Heimat, um nach der Erde zu trachten. Und je mehr sie sich ihr nähert, desto kleiner und ärmer und schwächer scheint sie zu werden, bis sie fast ganz in Finsternis verschwindet.« (I 328) In jenem ›Herz der Finsternis‹, das - May zeitgleich - Joseph Conrad als allegorische Kritik an der europäischen Zivilisation entwirft.215 Und so wundert es denn nicht, daß die Erfahrung zweier Weltkriege 1949 freilich nur noch zu einem ›Requiem‹ reicht, in dem das Dementi der Transzendenz instrumentiert wird, die bei May eigentlich auch nicht mehr als die Glaubwürdigkeit einer ›archäologischen Rekonstruktion‹ für sich in Anspruch nehmen kann: mit allen Schrunden und Rissen, Spuren eschatologischer Feuersbrünste, die in das recycelte Material eines »in der historischen Phase des Spätkapitalismus-Imperialismus nur noch als Utopie«216 faßbaren menschheitserlösenden Gesellschaftsmodells eingegangen sind. Was in der


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Sternenmetaphorik von Mays ›Ardistan‹-Roman nochmals als ›mathesis universalis‹ eines ›Reich-Gottes-Entwurfs‹ aufleuchtet, in dem, gemäß den Vorstellungen der liberalen Theologie des neunzehnten Jahrhunderts, eine sittliche Vollendung der Menschheit angestrebt wird, zu der Jesus mit seiner Predigt den Grund gelegt hat und die durch geschichtlichen Fortschritt zu vollbringen ist: in einem Effort der Wahrhaftigkeit - das verdämmert in Millers Stück im Dunkel einer Perpetuierung der Lebenslüge. In den Hinterhöfen dieser Welt die Sterne erblicken zu wollen, geschweige denn im Traum sie zum Gegenstand heilsgeschichtlicher Forschungsexpeditionen zu machen - wie das in Mays Roman geschieht -, ist nur um den Preis des Genickbruchs möglich und die Verwirklichung des Ideals einer Freiheit des Menschen aus sich selbst heraus nur als Defraudation des anderen. - Und niemand wird hier mehr von einer pia fraus reden wollen. Die astrale Metaphysik hatte sich zum Alptraum gewandelt, der 1918 Ludwig Meidner nicht nur die Faust im Nacken, sondern ›im Nacken das Sternemeer‹ spüren ließ. (So der Titel der ersten Buchpublikation des Apokalyptikers unter den expressionistischen Malern.) Der Vergleich mit Miller ist - abgesehen von motivischer Isomorphie - für Mays Spätwerk insofern lehrreich, als er seine Position in einer Linie zeigt, die von Platon über Herder bis zu Albert Schweitzer reicht, es - trotz aller Affinitäten zum Zeitgeist - allerdings als Werk einer ›inneren Emigration‹ ausweist.

  Das nimmt nicht weiter wunder, bedenkt man seinen intimen Charakter. Der astrale Pfad der Sinnfindung bedeutet 1909 für den Autor auch den Ausweg aus der Krise eines persönlichen Schicksals, sein Werk die Anweisung zu ihrer Bewältigung. ›Ardistan und Dschinnistan‹ ist als das ›Schicksals‹-Buch Karl Mays die Wahrnehmung einer Möglichkeit, sich metaphysisch einzurichten. Schicksal ist, wie Georg Simmel 1913 dargelegt hat, eine höchst subjektive Kategorie. Sie dient dem einzelnen dazu, das Unerklärliche, das bedrohlich Zufällige, das ihm zustößt, wieder in einen höheren Sinnzusammenhang einzubetten. Insofern ist ›Schicksal‹ ein Ausdruck der menschlichen Assimilationsfähigkeit. ›Ardistan und Dschinnistan‹ ist zweifellos ein beeindruckendes Dokument dieser Assimilationsfähigkeit. Denn dieser Roman beschreibt in einer Folge hochpathetischer Bilder die äußerste Aktivität und Planung als Maskierung dessen, was wie der Inbegriff des Unverfügbaren, dem Menschen Entzogenen aussieht. Es »bestimmt zwar das Schicksal das Leben des Individuums«, schrieb Simmel, »aber nur weil dieses letztere durch eine gewisse Affinität diejenigen Ereignisse ausgewählt hat, denen es den Sinn, durch den sie sein ›Schicksal‹ werden, kann zuteil werden lassen«.217 In seinem Gesamtwerk manifestiert May eben diese lebensbewältigende Strategie, die den Zufall verabschiedet - Meine Leser wissen, daß es für mich keinen Zufall gibt (I 444), ist der Basso ostinato dieses Erzählens -, das chaotische Element eskamotiert


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und dagegen das Schicksal einfordert, ihm unter einer Blickrichtung Bildersäle errichtet, die, von einer Gesamtvorstellung, einem nach Ganzheitlichkeit verlangenden Leitgedanken determiniert, den Autor sehen ließ, was er sehen wollte.

  Heute freilich hat sich diese Blickrichtung in eine naturwissenschaftliche Perspektive und in dieser Sitara zu einem in unendlichen kosmischen Weiten trudelnden Himmelskörper gewandelt, auf dem sich der Mensch zunehmend allein und isoliert einem Chaos ausgesetzt findet, das voller Gefahren steckt und das Leben auf der Erde bedroht. Wird ein Meteoriteneinschlag irgendwann die menschliche Kultur beenden? Kann das Sonnensystem durch kleinste Einflüsse aus dem Gleichgewicht geraten, wie man es in der Chaosforschung für möglich hält? Je ›kosmischer‹ die Perspektive, in der ›Sitara‹ als heilbringender Fixstern justiert war, entgleitet, um so unsicherer muß sich der Mensch fühlen, um so neurotischer muß er darauf reagieren, wenn er sich an dieses ›postmoderne‹ Schwanken seiner Existenz nicht gewöhnen kann. Nicht daß May diese Navigationsprobleme im Malstrom des Nihilismus fremd wären. Doch verrät seine Bildersprache ein barockes Vanitas-Denken, das in seinem Bezug auf Gott jegliche Gefühle der Sinnlosigkeit auszugrenzen vermag.


Und mitten in dieser Ausgeschlossenheit und Verlassenheit der schmale, steinerne Engpaß von Chatar, der an jedem Augenblick verschwinden kann, verschlungen von den beiden Meeren, die, unaufhörlich nagend, an ihm zehren. Und auf dem schmalen Tore dieses Passes wir paar armselig schwachen Geschöpfe, die wir uns trotz dieser Armseligkeit mit großen Plänen trugen! Wenn wir von oben hinunterblickten, erschien es uns infolge der optischen Täuschung, als ob die Landenge auf dem Wasser schwimme und immerwährend hin und hergeworfen werde, um plötzlich umzukippen und mit uns in den Fluten zu verschwinden. (I 535)


Und je größer die Angst, um so stärker sind auch wieder die ›Engel‹ gefragt, die die Schauspiele beglaubigen, deren apokalyptischen Vorschein Karl May in der Frühe des Jahrhunderts in den Bildern seines Spätwerkes beschwor:


Da tat es einen zweiten, lauten Knall. Ein Schwaden brennender Gase fuhr hoch empor, um sofort zu zerstäuben. Ihm folgte eine dunkelglühende, schwere, dicke Masse, die zu kochen schien. Sie flog nicht in die Höhe, nein, sondern sie stieg langsam, ganz langsam, wie eine nur halbflüssige, quellende Masse, der nach und nach mehr zugegossen wird. Und je mehr sie stieg, desto dunkler wurde sie, desto mehr verlor sie die Glut, desto weniger bewegte sie sich in sich selbst, und desto schärfer wurden die Konturen, die sie bekam. Dann stand sie fest, still, unbeweglich, wie ein kolossaler Serpentinquader mit Reliefornamenten an den Ecken und Kanten, der von innen erleuchtet wird. Das sah aus wie ein riesiger Altar, an welchem unsichtbare Giganten beschäftigt sind, ein nächtliches Feueropfer zu bringen. Und das Feuer blieb nicht aus. Der Altar öffnete sich. Es entstieg ihm ein so gewaltiges Flammenmeer, daß es ihn selbst verzehrte, nach allen Richtungen hin weit auseinander-


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floß und die Nacht ringsum in Tag verwandelte. Doch dieser Tag war nicht hellen, klaren Angesichts, sondern dunkelorangegelb, und in der Mittellinie der Eruption arbeitete eine immer höher aufsteigende, finstere Rauch- und Schlackenesse, welcher große Massen unreiner Asche entströmten, die, indem sie sich ausbreiteten, den Himmel des Nordens gänzlich unsichtbar machten und einen Eindruck hervorbrachten, als ob Mensch und Tier sich vor Entsetzen verkriechen müsse. Mich faßte Grauen. (I 422f.)


Das muß man dem Autor glauben, der hier prophetisch den Untergang der eigenen Heimatstadt vorwegnimmt. Es ist Ironie des Schicksals, daß dieser sich einer parareligiösen Ideologie verdankt, die dämonisch die Bilder mißbrauchte, von May selbst beschworenen, um den Aufstieg des Edelmenschentums zu illustrieren, und an der für unser Jahrhundert deutlich wurde, daß das Gesetz des Guten nicht universell ist, sondern allenfalls - wie beim Marquis de Sade nachgelesen werden kann - seine Verankerung im Bösen. Denn das metaphysische Bedürfnis des Menschen nach Stabilität spekuliert - wie auch immer - auf ein apokalyptisches Finale. Und dessen Vorhersagen sind vielfältig und verleihen endzeitliche Gewißheit, die dem ökologisch wie kosmisch zerfallenden Weltbild abgeht. »Die(se) Vorstellung«, schreibt 1946 Hermann Kasack in Hinblick auf die Götterdämmerung der Hitler-Diktatur, »hatte etwas Bestürzendes, aber zugleich auch Trostreiches, weil sie dem immer wieder als sinnlos Erscheinenden einen Plan, eine mataphysische Ordnung gab.«218

  Doch auch hier gilt dieselbe Fragwürdigkeit wie für die Einheit der planetarischen Perspektive, gar noch verschärfter, da gesicherte Kriterien für die Bestimmung des Zukünftigen heute einfach fehlen: genauso wie die Kräfte, zu einer Sinnsicherheit durch Imagination visionärer Bilder zu überreden, wie sie in ihrer Sehnsucht nach Entgrenzung und Weite, exotisch aufgeputzt, dem Jugendstil und Vitalismus eignen, in deren Zeichen Mays spätes Schaffen zu lokalisieren ist. Geblieben ist aus jener Zeit athletischer Programme eines Old Shatterhand und Dschirbani als Ironie parareligiöser Fokussierung heute nur noch das Krafttraining, das seinerzeit schon Kafka für sich und die Freundin Felice entdeckte219 und 1932 noch George Grosz eine ›knorke Sache‹ fand. Kara Ben Nemsi mochte sich in ihrem Besitze und dem der Mittel, Halefs Hilflosigkeit zu überwinden, wähnen: er hat, »wie Moses einst im glühenden Busch, in diesem Feuer Gott gesehen« (I 427). Heute nach den Erfahrungen des Zerstörungspotentials dieser Feuer, hinter denen kein Gott sichtbar wird, sieht man sich wieder auf die Position bekennender Blindheit Halefs verwiesen: »Ich sehe da oben nur Berge, die Feuer speien. Das überwältigt mich, gibt mir aber keine Antwort auf meine Frage.« (I 427) Da ist Parsifal mündig geworden und hat es gelernt, die Leidensfrage zu stellen. Für den heutigen Leser verkümmert im hallosen Raum des entgöttlichten Schweigens das astrale Schauspiel zwar unaufhalt-


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sam zu einer Inszenierung ›nachmetaphysischen Denkens‹ (Habermas), deren nicht zu übersehende Schwächen sicher auch darin bestehen, daß sie ihm immer wieder ihre kleine unförmige Ideologiekritik des schönen Scheins stolz als selbstgebastelte große Einsicht entgegenhält. Und dennoch - gerade diese beleuchtet den Charakter des ›Ardistan‹-Romans als eines Werkes: ›refraktär gegen jede bürgerliche Ordnung‹ (Habermas); seine subversive Tugenden verdanken sich jener produktiven Infirmität, deren sowohl vornehme, aber oft seltsam kantenlose und kunstvoll inszeniert wirkende Bildsprache, als auch ihr entrücktes Geschichtsverständnis den Roman als ein Werk der ›inneren Emigration‹ ausweisen, das die verklausulierte Reise Kara Ben Nemsis durch ein Mythen- und Allegorie-beladenes Totenreich dazu nutzt, zur kritischen Besichtigung der geistigen Topographie des Wilhelminismus einzuladen, und in der angestrengten Rückbesinnung auf Sprach- und Denkmuster der Vergangenheit eine Hermetik behauptet, die in der Besänftigung des Grauens, in der abstrakt-spekulativen Verundeutlichung der realen Bezüge zugunsten unscharfer Träume und überhöhter Allegorien von Eingeschlossen- und Getrennt-Sein des Reisenden zeugt. Es sind das den psychischen Horizont der Epoche im flash back erhellende Reflexe seelischer Amputation und Isolation, die wenig mit der dem Spätwerk Mays oft verpaßten Etikette des Mystizismus und Symbolismus zu tun haben. Wenn diese schon bemüht werden müssen, dann beweist das Symboldenken hier seine pathogenen Kräfte, indem nur zu oft nicht mit Symbolen, sondern psychotisch mit symbolischen Gleichsetzungen im Wachen und im Träumen hantiert wird und die ›Verdeckung des Produziertseins durch das Produkt‹ (Adorno) eben nicht stattfindet: zu stark wirkt in diesen Schilderungen Mays eine Kraft der Naivität, der absoluten, nachhilfelosen Einfachheit (II 370), die sich die Mühe des Verbergens erspart; ein Vertrauen in die Bürgschaft der ehrwürdigen Verfahrensweise eines ›evokativen‹, Topoi, Typisierungen und Zitate nicht scheuenden Erzählens, die eine Unterscheidung von Gegenstand und Mittel nicht kennt. Narrativ praktiziert der Roman in der Tat eine Regression in Form einer Emigration aus dem Terrain der Legislative zeitgenössischer ästhetischer Verfassung in Gefilde mystischen Zwielichts, das sich immer dort schnell verbreitet, wo Irritationen und Unverständnis angesichts eines solchen »traumverwirrten Katzenjammerstils«220 eine besondere Authentizität des Aufpralles verraten. Ein derartiges Verständnis von Mystik freilich demonstriert eine Palliativ-Funktion, die wenig geeignet ist, dem Werk die Gnade der Erkenntnis zuteil werden zu lassen, zumal wenn sie immer wieder das Verdikt ›sprachlicher Unzulänglichkeit‹ als Alibi aufbietet, die Auseinandersetzung mit Mays spätem Roman zu meiden. Denn gar billig zu bemerken und nicht zu verwundern ist es, daß die Sprache des Werkes, bei all dem oft genug im Grenzbereich mystischer Erfahrung, an dem Anspruch,


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diese zu vermitteln, scheitern muß. Der Mystiker May strandet immer wieder in den Untiefen der sprachlichen Reflexion seiner ›unaussprechlichen‹ Erfahrungen; bestenfalls sind das Bayous sinnlicher Aphasie. »Worte bleiben an der Küste«, lehren die Sufis.221 Gerade dieses Scheitern der Sprache erweist sich bei May aber immer wieder als blühende Poesie, welche ihren Gegenstand, wenn nicht ›deskriptiv‹, so aber doch ›evokativ‹ beinahe doch noch einzuholen vermag: auf dem edlen Rosse Syrr. »Hier endet die Sprache, oder besser, sie scheut wie ein edles Pferd.«222




S c h l u ß b e m e r k u n g:


Offenbar ist aber gerade das dort, wo das Klischee die Kommodifizierung und Konsumation von Literatur schon seit je garantiert, gar nicht gefragt. Nach allem, was erörtert wurde, mag das Verdikt der inhaltlichen mystischen ›Dunkelheit‹, der es ja stets zum Vorteil gereiche, Magie mehr zu behaupten als zu beweisen, und die in einem usurpatorischen Anspruch auf die Ränge der Hochliteratur insofern ästhetische Mimikry praktiziere, als daß sie aufgrund ihres opaken Erscheinungsbildes schon gar nicht gelesen werde, mag der Passepartout-Begriff ästhetischer Insuffizienz als literaturkritisches Verwaltungsinstrument für Mays spätes Werk noch längst nicht ausgedient haben. Der vorbehaltlose, legendenentlastete Umgang mit diesem Œuvre, den gerade die späten Romane, ihren speziellen und den ästhetischen Forderungen ihrer Zeit doch so logisch integrierbaren Kunstwert zu erkennen, gar dringend einfordern, wird weiterhin an den Ideologien der Überlieferung zu tragen haben: es bleibt ein schwacher Trost, daß Peter Rühmkorf diese Hypothek für das literarische Überleben eines Werkes als unabdingbar erachtet. »Wir müssen dann nur darauf aufmerksam machen dürfen, daß literarische Tradition und literarische Legendenbildung zueinander gehören wie zwei Seiten einer Medaille und daß die Überlieferung ohne das nötige ideologische Gleitfett gar nicht stattfindet. Literatur, die sich nicht als legendenfähig erweist, wird gar nicht weitervermittelt.«223

  Literatur also, die als »Nebenprodukte ihres inneren Stoffwechsels« nicht in der Lage ist, jene »geistigen Kräfte« freizusetzen, die in ihrer Übermittlung »die Rolle des Schmieröls bei einer Maschine (spielen)«,224 verstummt. Das Mittel gegen diese Aphasie ist die Erkenntnis, daß ›Legendenfähigkeit‹ etymologisch auf Lesefähigkeit verweist und daß diese ohne vorbehaltlose Gewissenhaftigkeit im Umgang mit den Texten, ohne Imaginationskraft und die von Hamann postulierte Hie-


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roglyphenarbeit nicht zu haben ist - nämlich daß »Reden übersetzen (ist) - aus einer Engelsprache in eine Menschensprache, das heist, (...) Bilder in Zeichen; die poetisch (...) oder symbolisch oder hieroglyphisch (...) seyn können.«225 -; daß Lesen also auch stets Legenden lösen, d. h. Bilder durchschauen heißt, daran ist immer wieder zu erinnern. Als eine solche Erinnerung versteht sich auch dieser ›Versuch‹.



1 Im Textzusammenhang von ›Ardistan und Dschinnistan‹ erscheinen: Panoptikum (II 404), Schamanenspiel (II 464), Groteske (I 66) als Reizwörter, in denen sich der Geist der Entstehungszeit des Romans verschlüsselt. Zitate aus diesem Roman (Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXI: Ardistan und Dschinnistan I. Freiburg 1909; Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXXII: Ardistan und Dschinnistan II. Freiburg 1909) werden hier wie im folgenden durch Angabe von Band (I bzw. II) und Seitenzahl ausgewiesen.

2 Theodor W. Adorno: zitiert in: Rainer Riehn: Die Zauberflöte: Machwerk = Werk-Stück/Stück-Werk = Lehr-Stück oder Mozart, der dialektische Komponist. In: Musik-Konzepte 3. Mozart. Ist die Zauberflöte ein Machwerk? Hrsg. von Heinz-Klaus Metzger/Rainer Riehn. München 1978, S. 34

3 Ernst Bloch: Erbschaft dieser Zeit. Frankfurt a. M. 1973, S. 172

4 Peter Rühmkorf zitiert in: Marginalien. In: die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik. 37 Jg. (1992) Heft 167, S. 2 (Bücher & Menschen / Vergessene Autoren. Revisionen, Entdeckungen & Erinnerungen / III. Band.)

5 Wolfgang Hildesheimer: Mozart. Frankfurt a. M. 1977, S. 327

6 Bernhard Paumgartner: Mozart. Zürich 1940, S. 541

7 Karl May: Der 'Mir von Dschinnistan (in: Deutscher Hausschatz. XXXIV./XXXV. Jg. (1908/09); Reprint der Karl-May-Gesellschaft Hamburg 21997) ist die Erstfassung von ›Ardistan und Dschinnistan‹. Sie wird im Text durch die Sigle DH unter Beigabe der Seitenzahl des Reprints ausgewiesen.

8 Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst. Bern 1963, S. 143

9 Alfred Kubin: Die andere Seite. Hamburg 1994, S. 240

10 Ebd., S. 136

11 Bloch, wie Anm. 3, S. 172

12 Uvo Hölscher: Das nächste Fremde. München 1994, S. 94f.

13 Walter Benjamin: Traumkitsch. In: Ästhetische Fragmente. In: Gesammelte Schriften. Bd. II/2. Frankfurt/M. 1980, S. 621f. Hier auch die nächstfolgenden Benjamin-Zitate.

14 Saul Bellow: Mr Sammler's Planet. Zitiert in: Amos Elon: Die Exkommunikation. Das Wesen des Bösen in der Politik oder Hannah Arendt und der heftige Streit um ihr Eichmann-Buch. In Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. 10. 1997 (Nr. 230). Das Zitat heißt im Original: »Banality is the adopted disguise of a very powerful will to abolish conscience.« Saul Bellow: Mr. Sammler's Planet. Harmondsworth 1972, S. 17.

15 Robert Müller: Tropen. Der Mythos der Reise. Paderborn 1990, S. 111

16 Carl Einstein: Negerplastik. In: Werke Bd. 1 (1908-1918). Hrsg. von Rolf-Peter Baacke unter Mitarbeit von J. Kwasny. Berlin 1980, S. 262. »(...) da die mythische Existenz unabhängig von der Gestalt bereits Übereinkunft ist.« (Ebd.) Vgl. dazu auch S. 253: »Das Kunstwerk wird nicht als willkürliche und künstliche Schöpfung angesehen werden, vielmehr als mythische Realität, die an Kraft die natürliche übertrifft.«

17 Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe Bd. 5. München 1980, S. 57

18 Müller, wie Anm. 15, S. 113

19 Jean Paul: Ideen-Gewimmel. Frankfurt a. M. 1996, S. 86

20 Karl May: Briefe über Kunst. In: Der Kunstfreund. XXII. Jg. (1906), Nr. 8, S. 153. Reprint: Karl May. Leben - Werk - Wirkung. Eine Archiv-Edition. (Hrsg. von Ekkehard Bartsch). Bad Segeberg o. J.


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21 Ebd., XXIII. Jahrgang (1907), 2. Heft, S. 35

22 Benjamin: Traumkitsch, wie Anm. 13, S. 621

23 So Max Horkheimer in einem Brief an Walter Benjamin: New York, 11. Januar 1937. In: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften Bd. 16. Frankfurt a. M. 1995, S. 24

24 »notre non-conformisme absolu«. André Breton: Manifestes du surréalisme. Paris 1972, S. 55

25 Brief Karl Mays vom 17. 2. 1907 an einen Verleger; zit. nach: Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Berlin-Charlottenburg 1910 (Reprint Lütjenburg 1991), S. 221f.

26 Paul Schumann: Karl May. In: Dresdner Anzeiger Nr. 315 u. 329 (1904); zit. nach: ebd., S. 250

27 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XIV: Old Surehand I. Freiburg 1894, S. 452

28 Peter von Matt: Verkommene Söhne - mißratene Töchter. Familiendesaster in der Literatur. München 1995, S. 51

29 Müller, wie Anm. 15, S. 109

30 Ebd., S. 122

31 Vgl. die Szene in May: Ardistan und Dschinnistan I, wie Anm. 1, S. 432, wo die Tonwellen sich alle vereinigten ...

32 Vgl. dazu: Jürgen Hahn: Die Kelchallegorie aus Karl Mays Roman ›Ardistan und Dschinnistan‹. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 116/1998, S. 3ff. und 117/1998, S. 3ff.

33 Rudolf Steiner: Mein Lebensgang. Dornach 1986, S. 273

34 So hat Siegfried Kracauer die übergescheiten Detektive genannt; in: Siegfried Kracauer: Der Detektiv-Roman. Ein philosophischer Traktat. Frankfurt a. M. 1979, S. 53.

35 Richard Wagner: Tristan und Isolde. Vollständiger Klavier-Auszug von Karl Klindworth. Mainz o. J., S. 356

36 In seinem Brief vom 20. Januar 1772 zieht Werther einen bemerkenswerten Vergleich: »Ich stehe wie vor einem Raritätenkasten und sehe die Männchen und Gäulchen vor mir herumrücken und frage mich oft, ob's nicht optischer Betrug ist.« (In: Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther. In: Goethes Werke Bd. 6. Hrsg. von Karl Alt. Berlin o. J., S. 53) Ähnlich gefiltert scheint später der Blick Gottfried Kellers auf die Heimatstadt seines ›Grünen Heinrichs‹, in die man vom gegenüberliegenden Berg »wie in einen offenen Raritätenschrein« hineinschauen könne. (Der Grüne Heinrich. Frankfurt a. M. 1961, S. 11) Die Wahrnehmung der beiden Romanhelden ist bestimmt durch einen Apparat, der in ihrer Zeit große Popularität genoß; denn seit dem frühen 18. Jahrhundert zogen wandernde Schausteller mit eigentümlichen Holzkästen durch die Städte. Die Kästen waren mit Linsen versehen, durch die bunt illuminierte Bilder bestaunt werden konnten. Gezeigt wurden biblische und historische Szenen, die vor phantastischen Architekturkulissen spielen, und vor allem Veduten mit Sehenswürdigkeiten und touristischen Attraktionen aus europäischen Städten. Zugleich befriedigte das Angebot eine geographische und völkerkundliche Neugier.

37 So charakterisiert Thomas Mann (1909) die zeitgenössische ›Muse‹, als deren legitimes Kind in seiner symbolistischen Strahlkraft sich Mays Spätwerk herausstellt. (Thomas Mann: Gladius Dei. In: Thomas Mann: Der Tod in Venedig und andere Erzählungen. Frankfurt a. M. 1960, S. 172)

38 Dieses und die nächstfolgenden Zitate Müller, wie Anm. 15, S. 121f.

39 Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater. Aufsätze und Anekdoten. Frankfurt a. M. 1985, S. 11

40 Wolfgang Koeppen: Schreiben ist Sterbenlernen. Ein Gespräch mit Wolfgang Koeppen. In: Neue Zürcher Zeitung. 217. Jahrgang, Nr. 65 (18. 3. 1996), S. 22

41 Vgl. die gesamte Merhameh-Episode in: May: Ardistan und Dschinnistan I, wie Anm. 1, S. 517-29.

42 Vgl. Jürgen Hahn: »aber ich kenne die Schrift und das geheime Zeichen des letzten Wortes«. Prolegomena zu einer Sprache der Zeichen und Bilder in Karl Mays Roman ›Ardistan und Dschinnistan‹. In: Karl Mays »Ardistan und Dschinnistan«. Hrsg. von Dieter Sudhoff / Hartmut Vollmer. Paderborn 1997, S. 205-49.


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43 Müller, wie Anm. 15, S. 116

44 Arthur Henkel/Albrecht Schöne: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1978, Sp. 558ff.

45 Ebd., Sp. 569

45a Johannes von Fécamp. Zitiert in: Bernhard McGinn: Die Mystik im Abendland. Bd. 2. Freiburg 1996, S. 215

46 Gustav Schwab: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums nach seinen Dichtern und Erzählern. Basel 1913, S. 119 und 130

47 Johann Peter Hebel's Werke. Zweiter Band: Erzählungen des rheinländischen Hausfreundes. Karlsruhe 1853, S. 122

48 Euripides: Alkestis. In: Sämtliche Tragödien. Bd. 1. Übersetzt von J. J. Donner. Stuttgart 1958, S. 25, Vers 580

49 Gottfried Benn: Briefe an F. W. Oelze. Erster Band. Hrsg. von Harald Steinhagen/Jürgen Schröder. Wiesbaden 1977, S. 103f.

50 Ebd., S. 262

51 Ebd.

52 Ebd., S. 104

53 »Perspektive als ›symbolische Form‹«, so ein bekannter Titel Erwin Panofskys aus dem Jahre 1927. Vgl. dazu: Martin Lowsky: Geometrie und Utopie. Über Abstrakta in Karl Mays Altersroman ›Ardistan und Dschinnistan‹. In: Karl Mays »Ardistan und Dschinnistan«, wie Anm. 42, S. 181-204.

54 Jacob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen. Hrsg. von Werner Kaegi. Bern 1941, S. 245

55 Otto Kreiner: Abendsonne. Roman über Karl May. Hrsg. von Dieter Sudhoff. Paderborn 1996, S. 30

56 Mario Vargas Llosa: Dinosaurier in schwieriger Zeit. Rede zur Entgegennahme des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. 10. 1996 (Nr. 233), S. 14

57 Walter Benjamin: Der Sürrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz. In: Gesammelte Schriften, Band II/1, wie Anm. 13, S. 307. Dort: »Die Kräfte des Rausches für die Revolution zu gewinnen, darum kreist der Sürrealismus in allen Büchern und Unternehmen.«

58 Hermann Glaser: Die Kultur der Wilhelminischen Zeit. Topographie einer Epoche. Frankfurt a. M. 1984, S. 16

59 Richard Wagner: Siegfried I, 3. Stuttgart 1954, S. 37

60 Nichts anderes läge hier also vor als eine nobilitierte Doublette trivialen Kulturkonsums. Wenn die Zukunft einmal allen Ländern der Erde fünfhundert Fernsehsender beschert haben wird, dann - so Barry A. Meyer, der als ›Executive Vice President and Chief Operating Officer‹ die weltweiten Fernseh-Aktivitäten des Medien-Konzerns Warner Brothers koordiniert - »wird nur noch eine Frage wichtig sein: Was werden die Leute sich ansehen? Die Antwort lautet: Sie werden sich ansehen, was sie kennen.« In Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. 7. 1996 (Nr. 171), S. 33. So recycelt die Gadamersche Hermeneutik des Vorverständnisses (vgl. Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Tübingen 1975, S. 252ff.) die Bewußtseinsstrukturen spirituellen fast foods.

61 Rüdiger Bubner: Laudatio auf Hans-Georg Gadamer. In: Sinn und Form. Heft 1/1997, S. 7

62 Nach der literaturwissenschaftlichen Theorie der ›Selbstreferenz‹ der Literatur ist damit gemeint, daß jedes dichterische Werk seine eigene Auslegung sein soll, daß der Sinn eines jeden Textes sich darin findet, was der Text über sich selber verrät. An den Text wie an den Leser ist von außen nichts heranzutragen. Damit ist er zugleich immer über sich selbst hinaus und kann sich selber nie einholen. Hermeneutik erscheint so als Magie, die in dieser Form übrigens auffällig auf Schleiermacher rekurriert und zu durchaus ›surrealistischer‹ Mimik fähig ist.

63 Federico Fellini: Zwischen physischer und metaphysischer Realität. Notizen III. In: Aufsätze und Notizen. Herausgegeben von Anna Keel/Christian Strich. Zürich 1974, S. 195. In der dortigen Übersetzung lautet die Stelle: »Was ich hinter der obersten Schicht der Dinge und der Menschen aufzeigen will, ist, wie man mir sagt, das Irreale.


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Man nennt das eine Neigung zum Geheimnisvollen.«

64 Benjamin: Traumkitsch, wie Anm. 13, S. 621

65 F. M. Dostojevski: Gesammelte Briefe (1833-1881). München 1966, S. 302 (an N. N. Strachow, Florenz, 26. Februar 1869). Hier in der Übersetzung, die Georg Mayer zitiert im Nachwort zu: F. M. Dostojevskij: Der Idiot. Hamburg 1964, S. 444

66 Dostojevski: Gesammelte Briefe, wie Anm. 65, S. 302f.

67 Hermann Bahr: Impressionismus. In: Zur Überwindung des Naturalismus. Theoretische Schriften 1887-1904. Hrsg. von Gotthart Wunberg. Stuttgart 1968, S. 192ff. »(...) die Technik des Impressionismus bringt eine Anschauung der Welt mit oder setzt sie vielleicht sogar voraus, die in den letzten hundert Jahren allmählich erst möglich geworden ist (...) daß also unsere Welt in der Tat, wenn nicht aus uns erschaffen, so doch von uns mitbestimmt wird und darum wirklich, so wie sie uns erscheint, durch uns erst entsteht und mit uns wieder vergeht«. (S. 196)

68 Friedrich Dürrenmatt: Romulus der Große. In: Komödien I. Zürich 1964, S. 61

69 Marcus Tullius Cicero: de natura deorum I, 4. Münster 1983, S. 36; Übersetzung: »(...) um in den dafür sensiblen Menschen den Drang, der Wahrheit nachzuspüren, zu befördern.«

70 Gustav Landauer: Dreißig sozialistische Thesen. In: Die Zukunft. 15. Jg. 1906/07, Bd. 58, Nr. 15, 12. 1. 1907, S. 56-67 (S. 66); vgl. Gustav Landauer: Volk und Land. Dreißig sozialistische Thesen. (1907). In: Beginnen. Aufsätze über Sozialismus. Hrsg. von Martin Buber. 21977, S. 3-20 (S. 18).

71 Cicero: de natura deorum I, wie Anm. 69, S. 36

72 Cicero: De officiis I 62. Hrsg. von Heinz Gunermann. Stuttgart 1977, S. 58. Übersetzung: Die »Gerechtigkeit« ist die »männliche Kardinaltugend«, die »das menschliche Geschlecht gesellschaftsfähig macht«. Nichts kann moralisch Bestand haben, »was der Gerechtigkeit entbehrt«.

73 Gustav Landauer: Die Revolution. Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monografien. Hrsg. von Martin Buber. Bd. 13. Frankfurt a. M. 1907. Reprint mit Einleitung von Harry Pross. Berlin 1974, S. 22

74 von Matt, wie Anm. 28, S. 51

75 Anspielung auf die sentenzenreiche Dichtung Pindars. Vgl. Hölscher, wie Anm. 12, S. 97.

76 Benjamin: Traumkitsch wie Anm. 13, S. 621

77 Dostojevskij: Der Idiot, wie Anm. 65, S. 390

78 Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. I: Durch Wüste und Harem. Freiburg 1892, S. 34

79 Henrik Ibsen: Gespenster. In: Sämtliche Werke Bd. IV. Berlin 1910, S. 178

80 Landauer: Die Revolution, wie Anm. 73

81 Johann Wolfgang Goethe: Faust. Texte. Hrsg von Albrecht Schöne. Frankfurt a. M. 1994, S. 446 (Vers 11580)

82 Der Koran. Aus dem Arabischen übertragen von Max Henning. Stuttgart 1984, S. 333

83 Vgl. den Schluß des 6., 7. und 8. Kapitels in May: Ardistan und Dschinnistan II, wie Anm. 1.

84 Johannes von Fécamp, wie Anm. 45a, Freiburg 1996, S. 224 (»raptim se videndam spiritaliter exhibet«)

85 Sigmund Freud: Über Psychotherapie (1905). In: Studienausgabe. Hrsg. von Alexander Mitscherlich / Angela Richards / James Strachey. Ergänzungsband. Frankfurt a. M. 1975, S. 116

86 Else Lasker-Schüler: Gedichte 1902-1943. München 1994, S. 95

87 P. Ovidius Naso: Phaethon. In: Metamorphosen II, 35. Hrsg. von Moritz Haupt. Berlin 1966, S. 85

88 Erik Hornung: Der Eine und die Vielen. Ägyptische Gottesvorstellungen. Darmstadt 1971, S. 87

89 Thomas Mann: Joseph und seine Brüder, Frankfurt a. M. 1964, S. 1072

90 Hornung, wie Anm. 88, S. 176

91 Vgl. auch die Passage über ›Nachtphänomene‹ in der Spitze des Innentempels der ›Stadt der Toten‹ in May: Ardistan und Dschinnistan II, wie Anm. 1, S. 371ff.


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92 Lasker-Schüler, wie Anm. 86, S. 142

93 Stefan George: Der siebente Ring, Berlin 1920, S. 122. ENTRUECKUNG

94 Justus Müller Hofstede: Vita Mortalium Vigilia. Die Nachtwache der Eremiten und Gelehrten. In: Leselust. Niederländische Malerei von Rembrandt bis Vermeer. Stuttgart 1993, S. 43

95 Henrik Ibsen: Die Wildente. In: Sämtliche Werke Bd. IV, wie Anm. 79, S. 397

96 Walter Benjamin: Neue Baudelairiana. Unveröffentlichte Fragmente zu einer Neufassung des Flaneurs. Hrsg. von Giorgio Agamben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 20. 7. 1995 (Nr. 296), S. N 5

97 Platons Phaidros. Ins Deutsche übertragen von Rudolf Kassner. Jena 1920, S. 38

98 Ludwig van Beethoven zit. in: Paul Nettel: Beethoven und seine Zeit. Frankfurt a. M. 1958, S. 70. Zum Chorfinale der ›Neunten‹ vgl. die Partitur in: Ludwig von Beethoven's Werke. Vollständige kritisch durchgesehene überall berechtigte Ausgabe. Serie 1. Symphonien für grosses Orchester. No. 9 D moll. Op. 125. Leipzig o. J., S. 236ff.

99 Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Deutsch von Karl Vossler. Zürich 1942, S. 593 (Paradies XXVII)

100 Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. Vorlesungen. Stuttgart 1950, S. 75

101 Lasker-Schüler, wie Anm. 86, S,. 134

102 Jean Paul: Ideen-Gewimmel. Frankfurt am Main 1996, S. 246

103 Ernst Robert Curtius an Max Rychner am 1. 6. 1925. In: Briefwechsel Max Rychner/Ernst Robert Curtius. Hrsg. von Claudia Mertz-Rychner. In: Marbacher Magazin. Beiheft 41, 1987, S. 9

104 P. Ovidius Naso, wie Anm. 87, S. 95, Vers 181 - Übersetzung: »Dunkelheit aus so viel Licht gezeugt«

105 Jacob Robert Oppenheimer. Zitiert in: Heinar Kipphardt: In der Sache J. R. Oppenheimer. Frankfurt a. M. 1964, S. 94; vgl. auch Robert Jungk: Heller als tausend Sonnen. Das Schicksal der Atomforscher. Bern 1956, S. 144.

106 Karl May: Gesammelte Reiseerzählungen Bd. XXIX: Im Reiche des silbernen Löwen IV. Freiburg 1903, S. 33

107 Johan Huizinga: Erasmus. Basel 1941, S. 183; die folgenden Stichworte sind Kapitelüberschriften in Huizingas kulturhistorischen Abhandlungen ›Im Schatten von Morgen‹ und ›Geschändete Welt‹ entnommen. Vgl. dazu: Johan Huizinga: Schriften zur Zeitkritik. Zürich-Bruxelles 1948, S. 331.

108 Ebd. S. 157

109 Erich Mühsam: An die Dichter. Ausgewählte Werke Band I. Gedichte, Prosa, Stücke. Hrsg. von Christlieb Hirte. Berlin 1978, S. 311

110 Johan Huizinga: Wetenschap der geschiedenis en historiografie. In: Verzamelde Werken Bd. VII. Haarlem 1950, S. 101. »Cultur heeft enkel zin als een proces van doelmatigheid, het is een teleologisch begrip«. (Kultur hat Sinn einzig als ein Gerichtetsein auf ein Ziel, es ist ein teleologischer Begriff«.)

111 Edgar Allan Poe: The Masque of the Red Death. In: The Complete Tales and Poems. London 1982, S. 272. Auch die Sillan sind eine solche »assembly of phantasms« (ebd.). Vgl. dazu: May: Im Reiche des silbernen Löwen IV, wie Anm. 106, S. 135 und besonders S. 632f.: »Schablone« ..., die nichts und nichts als Lüge war! ... die eigentliche schwarze Larve des Aemir-y-Sillan. Und dieses psychologische Präparat wurde nun durch die Macht des Verhängnisses gezwungen, nichts und nichts weiter mehr zu tun, als die bisher so sorgfältig verhüllte Wahrheit ganz offen und nur immer und immer vor sich herzuleiern!

112 Karl May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 2. Heft, S. 35

113 Zit. nach: Ulla Berkéwicz: Es hängt von uns ab, was wirklich ist. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 2. 1996 (Nr. 35), Beilage ›Bilder und Zeiten‹

114 Sigmund Freud: Die Zukunft einer Illusion. In: Studienausgabe Band IX. Frankfurt a. M. 1974, S. 148

115 Ebd., S. 170; die folgenden Zitate ebd., S. 171f.

116 Leonhard Ragaz: Eingriffe ins Zeitgeschehen. Reich Gottes und Politik. Luzern 1995, S. 255

117 Ebd., S. 255


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118 Ebd., S. 60

119 Dostojevskij: Der Idiot, wie Anm. 65, S. 388

120 Franz Werfel: Der veruntreute Himmel. Frankfurt a. M. 1992, S. 321

121 Franz Werfel: »Leben heißt sich mitteilen«. Betrachtungen, Reden, Aphorismen. Hrsg. von Knut Beck. Frankfurt a. M. 1992, S. 205

122 Ebd., S. 154

123 Werfel: Der veruntreute Himmel, wie Anm. 120, S. 67

124 Sigmund Freud: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1989, S. 160

125 Bloch, wie Anm. 3, S. 172

126 Kubin, wie Anm. 9, S. 111

127 Ebd., S. 110

128 Leo Spitzer: Das Eigene und das Fremde. In: Die Wandlung. Hrsg. von Dolf Sternberger. Heidelberg 1946. 1. Jahrgang. Heft 7, S. 593

129 Kandinsky, wie Anm. 8, S. 143

130 So Johannes Schlaf über Walt Whitman. In: Johannes Schlaf: Vom guten grauen Dichter. In: Sozialistische Monatshefte 1904. Bd. 2, S. 828-34, dort S. 828f.

131 Vgl. die höchst anschauliche Darstellung dieser Instrumentalisierung des Künstlers für politische Zwecke in: Günter Scholdt: Autoren über Hitler. Deutschsprachige Schriftsteller 1919-1945 und ihr Bild vom ›Führer‹. Bonn 1993.

132 Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution. Darmstadt 1995, S. 193

133 Ebd., S. 47

134 Mario Vargas Llosa: Bote des Fortschritts. Ein Plädoyer für den Einwanderer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. 9. 1996 (Nr. 225), S. 37

135 Mitgeteilt von Erwin Müller: Karl May und Rudolf Schlichter. In: M-KMG 115/1998, S. 43 (»(...) alkoholverfallene Abenteurer am Rande der Zivilisation u. ritterliche Gangster, Balkanfürsten, Operetten, Zigeuner, Milliardäre, soziale Anklagen proletarischer Edelinge (bevölkern dieses) Paradies«.)

136 Theodor W. Adorno: Versuch über Wagner. München 1964, S. 100

137 Spitzer, wie Anm. 128, S. 593

138 Stefan George: Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten. Darin: Sporenwache. Godesberg 1950, S. 47

139 Himmler-Rede vom 4. Oktober 1943, zitiert in: Karlheinz Weißmann: Der Weg in den Abgrund. Deutschland unter Hitler 1933-1945. Propyläen Geschichte Deutschlands. Bd. 9. Berlin 1995, S. 432

140 Übersetzung Jürgen Hahn. Das Zitat lautet im Original: »Quasi tutti, ma non tutti, erano stati sordi, ciechi e muti: una massa di »invalidi« intorno a un nocciolo di feroci. Quasi tutti, ma non tutti, erano stati vili.« Primo Levi: I sommersi e i salvati. Torino 1991, pag. 138. Deutsch unter dem Titel: Die Untergegangenen und die Geretteten. München 1993. Die Stelle findet sich dort S. 177.

141 Christopher Browning / Thomas Sandkühler: Böse Menschen, böse Taten. In Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. 2. 1997 (Nr. 31), S. 38

142 Bertolt Brecht: Die heilige Johanna der Schlachthöfe. Frankfurt a. M. 1962, S. 146

143 Thomas Mann: Bruder Hitler. In: Thomas Mann: Schriften zur Politik. Frankfurt a. M. 1978, S. 139f.

144 Vgl. Wie Hitler Ardistan und Dschinnistan verstand. In: M-KMG 102/1994, S. 12

145 Benjamin: Traumkitsch, wie Anm. 13, S. 622

146 Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, wie Anm. 132, S. 194

147 Wilhelm Pinder: Architektur als Moral. In: Gesammelte Aufsätze. Hrsg. von Leo Bruhns. Leipzig 1938, S. 204. Der Aufsatz führt am Dictum ›Kunst ist Weltanschauung‹ auch gleich vor, wie der Autor selbst zum Verräter an der der Kunst eigenen Dialektik wird.

148 Jean Piaget: Theorien und Methoden der modernen Erziehung. Wien 1972, S. 297. Dort auch »Wir glauben, (...) daß gerade die Bildung der geistigen Mechanismen beim Kind am besten ihre Natur und Funktionsweise beim Erwachsenen selbst erklärt.«

149 von Matt, wie Anm. 28, S. 51


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150 Nachzulesen, was - etwa im Falle des George-Kreises - die ungewöhnliche Drastik dieser Verhältnisse betrifft, in Stefan Breuers Studie: Ästhetischer Fundamentalismus. Darmstadt 1995, S. 64ff.

151 Ragaz, wie Anm. 116, S. 175

152 Ebd., S. 176

153 Gustav Landauer: Aufruf zum Sozialismus. Berlin 1911, S. 139

154 Hugo von Hofmannsthal: Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation. In: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden Bd. 10. Frankfurt a. M. 1980, S. 41: »Der Prozeß, von dem ich rede, ist nichts anderes als eine konservative Revolution von einem Umfange, wie die europäische Geschichte ihn nicht kennt. Ihr Ziel ist Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilnehmen könnte.«

155 »(...) denn es war viel jäher Übergang darin von der überheblichen Selbstbehauptung zur fast wollüstigen Prostration.« (Ebd., S. 37)

156 Dostojevskij: Der Idiot, wie Anm. 65, S. 390

157 So Stéphane Mallarmé über Richard Wagner in ›Hommage‹, übersetzt von Stefan George. Zitiert in: Walter Keller: Richard Wagner und Stefan George. In: Walter Keller, Parsifal-Variationen. Tutzing 1979, S. 58. Im Original freilich: »or pâmé sur les vélins«. In: Stéphane Mallarmé: Sämtliche Dichtungen. München 1992, S. 110

158 Vgl. die Beschreibung Taldschas (May: Ardistan und Dschinnistan I, wie Anm. 1, S. 126f.).

159 Dostojevskij: Der Idiot, wie Anm. 65, S. 7

160 Ebd., S. 28

161 Karl May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 1. Heft, S. 10

162 Zitiert in: Hitlers Machtergreifung. Dokumente vom Machtantritt Hitlers. Hrsg. von Josef und Ruth Becker. München 1983, S. 187

163 Von speziellem wie auch in Hinblick auf die Jahrhundertwende-Zirkel allgemeinem Interesse ist: Steven E. Aschheims Studie: Nietzsche und die Deutschen. Stuttgart 1996. Vgl. dort besonders (im Kapitel ›Nach dem Tode Gottes. Varianten nietzscheanischer Religion‹) S. 219 ff., S. 231, S. 234.

164 Vgl. dazu: Versammlungsort moderner Geister. Der Eugen Diederichs Verlag - Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme. Hrsg. von Gangolf Hübinger. München 1996. Besonders: Edith Hanke / Gangolf Hübinger: Von der »Tat«-Gemeinde zum »Tat«-Kreis, S. 299-334.

165 Landauer: Die Revolution, wie Anm. 73, S. 22

166 Zitiert in: Dirk Hoeges: Kontroverse am Abgrund: Ernst Robert Curtius und Karl Mannheim. Intellektuelle und ›freischwebende Intelligenz‹ in der Weimarer Republik. Frankfurt a. M. 1994, S. 27

167 Vgl. dazu: Christine Holste: Der Forte-Kreis (1910-1915). Rekonstruktion eines utopischen Versuchs, Stuttgart 1992 (besonders S. 32ff. und S. 163ff): Van Eedens Konzept des Forte-Kreises als eines ›Weltreichstages‹.

168 Heiner Stachelhaus: Kasimir Malewitsch. Ein tragischer Konflikt. Düsseldorf 1989, S. 219

169 Ebd. S. 82

170 Zitiert in: Holste, wie Anm. 167, S. 167f.; vgl. dazu: Edith Hanke: Der Prophet des Unmodernen: Leo N. Tolstoi als Kulturkritiker in der deutschen Diskussion der Jahrhundertwende. Tübingen 1993, S. 146-49.

171 Rühmkorf, wie Anm. 4

172 Stefan George: Zwiegespräche im Schilfe. In: Hirten- und Preisgedichte, wie Anm. 138, S. 18

173 In ihrer zur Ohnmacht verurteilten, bisweilen skurrilen publizistischen Gestikulation haben beide engagierte Pazifisten, der Schriftsteller und der Agitator, viele Gemeinsamkeiten. Ging es um die Verkündung von Friedensbotschaften, scheute Daetwyler vor nichts zurück: weder vor dem Gefängnis noch der Irrenanstalt. Er begegnete 1932 Mahatma Gandhi, versuchte 1934 und nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Adolf Hitler zu treffen, wollte auf dem Roten Platz Chruschtschow, vor dem Weißen Haus Kennedy oder in Kuba Fidel Castro begegnen, fastete für den Weltfrieden und zog mit weißem Bart und weißer wehender Friedensfahne an die


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Brennpunkte des Weltgeschehens. Seine Tätigkeit erstreckte sich vom Ersten Weltkrieg bis zum Kalten Krieg. Zwar war er kein politischer Akteur im herkömmlichen Sinne, doch wirkten seine radikal moralischen Botschaften als Provokationen dergestalt, daß die Zürcher Justizdirektion, da er im Interesse der Schweiz ›unschädlich‹ zu machen sei, 1934 gegen ihn die Entmündigung anstrengte, vor der ihn die Behörden seines Bürgerortes bewahrten. Sie weigerten sich, »gegen einen gesunden Menschen die Vormundschaft einzuleiten«.

174 Jan Philipp Reemtsma: Eine ins Lob gekleidete deutliche Mahnung. Daniel Goldhagens ›Modell Bundesrepublik‹ und das Echo. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Zweiundvierzigster Jahrgang, Heft 6. Bonn 1997, S. 694

175 Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung. Dornach 1981, S. 99. Vgl. dazu Karl May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 5. Heft, S. 90: Sie [die Erde] weiß kein Wort mehr davon, daß sie sich durch die zusammenhängende Reihe ihrer Geschöpfe aus Stoff in Kraft, aus Kraft in Seele und aus Seele in Geist zu verwandeln hat, um auf diesem nicht etwa wunderbaren, sondern ganz und gar natürlichen Wege zu dem zurückzukehren, aus dessen Mund sie stammt. Zurückzukehren! Neben der deutlichen Anlehnung an die Wiederbringungslehre des Origenes verweist Mays Schema auf den Metamorphosen-Begriff Goethes: vom ›Stoff‹ mittels Vermögen, Kraft, Gewalt Streben, Trieb zur ›Form‹ - darin erfüllt sich ›Leben‹ (›Zur Naturwissenschaft im Allgemeinen‹. In: Goethe's Sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 40. Stuttgart und Augsburg 1858, S. 429).

176 Karl May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, Kunstfreund. XXIII. Jahrgang (1907), 5. Heft, S. 90

177 Vgl. Annemarie Schimmel: Der Islam. Stuttgart 1990, S. 70.

178 Rudolf Borchardt: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Prosa I. Stuttgart 1957, S. 122

179 Karl May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 1. Heft, S.10

180 Auch Taldscha weist die Lederkleidung als ein Falter-Wesen aus: Und man denke sich: dieses Leder war blau und wie mit einem überaus feinen Blumen- oder Schmetterlingsstaub bedeckt, der metallisch silbern glänzte. (May: Ardistan und Dschinnistan I, wie Anm. 1, S. 126) Eine Farbenzusammenstellung, die dann die Beschreibung der Kelch-Fontäne nahezu wörtlich wiederholen (May: Ardistan und Dschinnistan II, wie Anm. 1, S. 583f.) und somit eine gewisse Personnage des Romans leitmotivisch immer wieder in den himmlischen Vorschein rücken wird.

181 Koeppen, wie Anm. 40, S. 22

182 May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 5. Heft, S. 91

183 Ebd.

184 So Johannes Schlaf über Walt Whitman, wie Anm. 130, S. 829

185 May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 1. Heft, S. 10

186 Zitiert in: Breuer: Ästhetischer Fundamentalismus, wie Anm. 150, S. 65

187 Und das bedeutet vergöttlicht. Als auf eine von vielen Künstleridolatrien sei nur auf Stéphane Mallarmés ›Hommage‹ (vgl. Anm. 157), übersetzt von Stefan George, hingewiesen:

»Im hellen schmettern der trompeten - gold auf samt -
stieg Richard Wagner der - ein gott - den gral beschworen
den kein sibyllenhauch der wortkunst je entflammt«.

›Wagner war ihr Gott‹, liest man bei Paul Claudel über den Kreis um Stéphane Mallarmé. Zitiert in: Dieter Borchmeyer: Das Theater Richard Wagners. Idee - Dichtung - Wirkung. Stuttgart 1982, S. 387. Zur Verkörperung des Dschirbani im folgenden als eines heroischen Ideals, wie es sich Stefan George 1892 imaginierte, vgl. Stefan George: Hymnen · Pilgerfahrten · Algabal. Godesberg 1950, S. 95. »Und perlen! klare gaben dumpfer stätte (...)«

188 Hölscher, wie Anm. 12, S. 73f.

189 Peter Rühmkorf, zitiert in ebd., S. 76

190 Vgl. May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 5. Heft, S. 90

191 Vgl. die Passage in May: Ardistan und Dschinnistan I, wie Anm. 1, S. 369ff., S. 379ff.: »Wundert euch nicht über diese geheimnisvollen Räume.«


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192 Übersetzung: »Die blöde Menge haß ich: hinweg der Hauf!« heißt der Beginn der ersten Ode des dritten Buches in der etwas exaltierten, jedoch Mays spätem Roman zeitgleichen Übersetzung von Paul Lewinsohn. In: Horaz: Oden und Epochen. München 1913, S. 105

193 May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXII. Jahrgang (1906), Nr. 8, S. 154

194 Borchardt, wie Anm. 178, S. 150

195 May: Briefe über Kunst, wie Anm. 20, XXIII. Jahrgang (1907), 5. Heft, S. 91

196 Ebd., XXIII. Jahrgang (1907), 1. Heft, S. 10

197 Ebd.

198 Ebd., S. 9

199 Ebd., S. 10

200 Nietzsche, wie Anm. 17, S. 78

201 Ebd., S. 188

202 Leopold Ziegler, zitiert in: Breuer: Ästhetischer Fundamentalismus, wie Anm. 150, S. 17

203 Karl May: Unter der Windhose. In: Das Buch der Jugend. Stuttgart 1886, S. 92; Reprint in: Karl May: Der Krumir. Seltene Originaltexte. Bd. 1. Hrsg. von Herbert Meier. Hamburg/Gelsenkirchen 1985

204 Luis Aragon: zitiert in: Werner Spies: Spiele der Surrealisten. Die Erfindung des Gemeinschaftswerkes. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. 5. 1997 (Nr. 123)

205 Johann Wolfgang Goethe: Die Wahlverwandschaften. In: Sämtliche Werke Bd. II. Leipzig-Wien o. J., S. 958 (1. Teil, 1. Kapitel)

206 May: Unter der Windhose, wie Anm. 203, S. 92

207 Karl May: Der Scout. In: Deutscher Hausschatz. XV. Jahrgang (1888/89), S. 550. Reprint in: Karl May: Der Scout - Deadly Dust - Ave Maria. Hrsg. von der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg (2. erweiterte Auflage) 1997. Die Schrift dieses Totems ist jetzt noch unsichtbar ..., aber S. 618: Wir haben das Totem des »guten Mannes«; ... also versteht es sich ganz von selbst, ... daß Gibson und Ohlert uns ausgeliefert werden. Hier verschränken sich die Motive des Totems und von Ohlerts wahngezeugtem Schicksal (kryptisch verschlüsselt im Gedicht, vgl. S. 203); freilich zeitigt das ›Totem‹-Motiv, infolge einer Schwäche von Mays erzählerischer Ökonomie, im folgenden nicht die Wirkung, die seine so dramatische Exposition (S. 538) erwarten ließ.

208 Armin Mohler: Grundriß der konservativen Revolution in Deutschland 1918-1932. Basel 1948. Zitiert in: Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, wie Anm. 132, S. 1f.

209 Arthur Miller: Death of a Salesman. New York 1976, S. 52 (1. Akt)

210 Vergil: Aeneis VI, 795; Übersetzung: »Dieses Land liegt außerhalb unserer Sterne.«

211 Vergil: Aeneis VI, 769f.; Übersetzung: »an Gottesfurcht und Waffenruhm gleich berühmt«.

212 Arthur Miller: Der Tod des Handlungsreisenden. In: Zwei Stücke. Frankfurt a. M. 1971, S. 180

213 Miller, wie Anm. 209, S. 139

214 Susan Buck-Morss: Dialektik des Sehens. Walter Benjamin und das Passagen-Werk. Frankfurt a. M. 1993, S. 32

215 Joseph Conrad: Heart of Darkness. In: Youth and two other stories. London 1925, S. 92. »Going up that river was like travelling back to the earliest beginnings of the world«, S. 95 »(...) into the heart of darkness.« S. 96 »(...) travelling in the night of first ages, of those ages that are gone, leaving hardly a sign - and no memories.« - Und wo der Ethiker Conrad den Verdacht nicht loswird, »das Ziel der Schöpfung könne kein ehtisches sein«. (Zitiert im Werkartikel: Heart of Darkness. In: Kindlers Neues Literatur Lexikon Bd. 4, München 1988, S. 147)

216 Franz Hofmann: J. H. Pestalozzis politisch-pädagogisches Bekenntnis in seinen ›Nachforschungen‹ als Zeitgemälde in einem Tryptichon hoch- und spätbürgerlicher Geschichtsphilosophie und Anthropologie. In: Pädagogische Rundschau 34 (1980), S. 155

217 Georg Simmel: Das Problem des Schicksals. In »Die Geisteswissenschaften«. 29. X. 1913. In: Das Individuum und die Freiheit. Essays. Berlin 1984, S. 16


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218 Hermann Kasack: Die Stadt hinter dem Strom. Frankfurt a. M. 1983, S. 315

219 Franz Kafka: Briefe an Felice. Hrsg. von Erich Heller und Jürgen Born. Frankfurt a. M. 1976, S. 438. An Felice: »Die Waden gut, die Schenkel nicht schlecht, der Bauch geht noch an«, notiert er nach einem Blick in den Spiegel. Er versorgt sich mit den Schriften des Turngurus Jens P. Müller: »Ich werde dir nächstens sein System für Frauen schicken, und Du wirst (...) langsam, systematisch, vorsichtig, gründlich, täglich zu müllern anfangen, mir darüber immer berichten und mir damit eine große Freude machen.«

220 Eduard Hanslick in der ›Neuen Freien Presse‹ vom 23. Dezember 1892 über die achte Symphonie Anton Bruckners. In: Fünf Jahre Musik (1891-1895). Kritiken. Berlin 1896, S. 191. Das Zitat heißt in vollem Wortlaut: »Es ist nicht unmöglich, daß diesem traumverwirrten Katzenjammerstil die Zukunft gehört.« (Vgl. auch: Anton Bruckner im Spiegel seiner Zeit. Hrsg. von Norbert Tschulik. Wien 1955, S. 54.) Die Lektüre von Hanslicks Kritiken lohnt noch heute. Konservativ, wie sie sind, zeichnen sie sich durch große Hellsichtigkeit aus. Mutatis mutandis liest sich Hanslicks ›Verriß‹ der c-moll-Symphonie wie der antizipierte Vorbehalt eines ästhetischen Konventionalisten gegen Mays ›Ardistan‹-Roman. Ähnlich mochten Paul Schumann, Ferdinand Avenarius und die ›Hausschatz‹-Leser raisoniert haben. »Charakteristisch (...) ist das unvermittelte Nebeneinander von trockener (...) Schulweisheit und maßloser Exaltation. So zwischen Trunkenheit und Öde hin und her geschleudert, gelangen wir zu keinem (...) künstlerischen Behagen. Alles fließt unübersichtlich, ordnungslos, gewaltsam in eine grausame Länge zusammen. (... Das Werk) reizt durch irgend einen interessanten Zug, ein geniales Aufleuchten - wenn nur daneben alles Übrige nicht wäre!« (Hanslick, ebd., S. 191). In der Tendenz ähnlich auch die Kritik Paul Schumanns an Mays erzählerischer Ästethik (Vgl. Schumann, wie Anm. 26) und das Verdikt Blochs vom ›verschrobenen und privaten Alterswerk‹.

221 Vgl. Denis Gril: La Voie. In: Les Voies d'Allah. Herausgegeben von Alexander Popovic und Gilles Veinstein. Paris 1996, S. 103. »Un océan sépare la Voie vers Dieu, réaltité purement intérieure (...) Combien sont-ils (...) à s'embarquer, sans mesurer (...) la patience qui leur sera nécessaire.«

222 Werfel: Leben, wie Anm. 121, S. 137

223 Peter Rühmkorf, wie Anm. 4, S. 2

224 Werfel: Leben, wie Anm. 121, S. 110

225 Johann Georg Hamann: Aesthetica in nuce. Stuttgart 1968, S. 87ff.





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