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Erfolgsschriftsteller in Unterhaltungsblättern: Traumkraft und Selbsttherapie, Realitätsersatz und literarischer Aufstieg


Die Entlassung aus dem Zuchthaus - mit dem Vermerk "Etwas entkräftet, sonst arbeitsfähig"1 - hat für den zweiunddreißigjährigen Karl May die erste große Lebenswende gebracht. Wie Jona, der sonderbare Prophet, wurde May der Freiheit, dem Licht und dem Leben zurückgeschenkt. Auf der Flucht blieb er, ebenfalls wie jener Prophet (vgl. Jona 1), aber dennoch: auf der Flucht vor seiner Vergangenheit, vor verhängnisvollen Zügen seines Charakters. Seine Selbstfindung, sein Aufstieg zu den Höhen der Literatur wurde ein langer und mühsamer Weg.

   Immerhin - es glückte sehr bald, was May nach seiner Entlassung aus dem Arbeitshause 'Schloß Osterstein' versagt geblieben war: eine Existenz zu gründen, sich Achtung und zunehmende Wertschätzung zu erringen.

   Die äußeren Voraussetzungen, die allgemeinen Rahmenbedingungen waren für den Schriftsteller May jetzt wesentlich günstiger als am Ende der sechziger Jahre. Die literarische Produktion erlebte einen gewaltigen Aufschwung.2 Das gesamtdeutsche Pressegesetz ("Reichspreßgesetz") vom 7.5.1874 - fünf Tage nach Mays Entlassung! - und die rasche Verbreitung von Druckmaschinen förderten das Druck- und Verlagsgewerbe in allen deutschen Ländern. Eine große Zahl von Unterhaltungs- und Familienzeitschriften à la 'Gartenlaube' wurde gegründet.


Begehrt sind jetzt vor allem kleinere Erzählungen oder über viele Nummern laufende Fortsetzungsromane [...] Der Leser sucht nach Identifikationen, die das graue Existenzeinerlei nicht bietet; er will Holdentaten miterleben und sich in ein Geschehen hineinversetzen, in dem der einzelne frei und ungebunden von allen Zwängen agiert, wo er Ordnung schaffen und die Welt nach eigener Fasson zurechtrücken kann. Solche Lektüre ist gefragt: Karl May wird sich als erstrangiger Könner auf diesem Gebiet erweisen.3


   Unterhaltungsschriftsteller waren beliebt, und die Trivialliteratur blühte auf. Schwer hatten es nur die 'linken', die 'sozialdemokratischen' Autoren. "Besonders strapaziert wurde der Majestätsbeleidigungs-Paragraph 95 des Strafgesetzbuches [...] zu den strafgesetzlich geschützten Majestäten gehörten neben dem Kaiser auch die Landesherren der Bundesstaaten."4 Diese Risiken hat May erkannt und geschickt unterlaufen. Seine in Deutschland spielenden Geschichten sind (zumindest vordergründig) kaiser- und königstreu; seinen persönlichen Freiheitsdrang, seine Distanz zum Imperialismus, seine Kritik an den Mächtigen, den Unterdrückern und Sklavenhaltern, verlegt er vorwiegend ins exotische Milieu!

   Mays großer Wunsch fand seine Erfüllung. Der kleine Mann, der Gescheiterte und Verfemte wurde - ein erfolgreicher Schriftsteller. Bekannt und berühmt war er, in den ersten Jahren, noch nicht. Aber seine Werke wurden gedruckt und gelesen. Und später - verschlungen! Er war, wie sich bald schon herausstellte, ein "schöpferischer Genialer von unerhörter literarischer Fruchtbarkeit und fast unglaublicher Arbeitsenergie".5

   Was hat er geschrieben? Spannende Geschichten? Der Erfolg, der eigentliche, der große Erfolg ist anders zu erklären: Karl May schrieb sich ein in die Seelen der Leser. Und - er kaschierte seine Lebensgeschichte. Er erschrieb sich - ein neues Sein, eine neue Biogra-


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phie. Es gelang. Es SCHIEN zu gelingen. Denn May fand das richtige Echo, die Bestätigung seiner Fiktion durch das Publikum. Was den Autor bewegt und getrieben hat, was er umgesetzt hat in Literatur, wird von den Lesern "als echt, als wahr [...] und mitreißend"6 empfunden. Warum? Gert Ueding hat treffend bemerkt:


Die Genialität Karl Mays liegt auch darin begründet, daß er, vermittelt durch den eigenen Wunsch nach einer neuen, unbefleckten, reinen Lebensgeschichte, diesen Wunsch seiner Leser wahrnahm, auch aus ihrer Vorgeschichte heraus und in die wahre Geschichte einzutreten.7


   Halb bewußt und halb unbewußt suchte May eine neue Identität, eine lichtvolle ('wahre') Lebensgeschichte: wie schon Wadenbach, der 'Plantagenbesitzer' in Orby. Ironisch-bewundernd meinte Hermann Hesse dazu:


In dicken Büchern erfüllt er sich alle Wünsche, die das Leben ihm unerfüllt ließ; da ist er mächtig, reich, geehrt, fast ein König, gebietet über treue, mächtige Verbündete, zeigt sich jedem Feind überlegen, tut Wunder an Kraft, der Klugheit und des Edelmuts.8


   Eine Großkarriere, einen Mythos schöpfte May aus dem 'Nichts', aus dem Morast der Vergangenheit: das 'Ich' seiner Geschichten, hinter dem seine bürgerliche Existenz, der Schreiber in Dresden und Hohenstein, nur verblassen konnte. Sein wiedergeborenes Ich, sein "repariertes Ego",9 ist mehr als ein Lehrer, mehr als ein Schriftsteller und auch mehr als ein König! Der Gefangene, der Bestrafte dichtet sich um: zum Ideal schlechthin. Aus dem Gejagten wird der Jäger, aus dem Dieb wird Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi, der ehrlichste und wahrhaftigste aller Menschen. Das Edel-Ich wird - allmählich, in einem langen Prozeß - seine Camouflage, die Maske der Eitelkeit und der Scham.10 Die Maske des Helden soll das Brandmal verhüllen; die Wunden, die eigenen und die der Leser, soll sie verdecken; und die Niederlagen, die Katastrophen soll sie verkehren ins Heile und Sieghafte.11

   Und die Realität, wie sie wirklich gewesen ist? Die verlorene Kindheit, die Ernstthaler 'Sümpfe', die trostlose Jugend, die kriminellen Vergehen, die Schreckensjahre im Kerker? Der Schriftsteller konnte sie beschwören und bannen. Aber sie waren da. Und neue Bedrängnis und neues Leid werden hinzukommen. Das alles bedrückt und bedroht Karl May. Es schlägt sich, oft zwanghaft, nieder in seinen Werken. Es bricht durch in traumatischen Schuldgefühlen, in bitterer Reue und unendlichem Liebesverlangen.

   Jahrzehntelang suchte Karl May seine Vergangenheit zu 'bewältigen'. In unzähligen Variationen, in endlosem Wiederholungszwang korrigiert er die Fakten seiner Lebensgeschichte. Situationen und Schauplätze, Ereignisse und Begegnungen aus der realen Biographie Karl Mays werden verfremdet und (mehr oder weniger) verzerrt im literarischen Werk. Die Straftaten, die Erlebnisse und Erleidnisse, der Zorn und die Reue des Autors werden verkleidet in spannende Fabeln, deren Grundthemen - in subtil differenzierten Wandlungen - immer dieselben sind: Schuld und Sühne, Gefangenschaft und Erlösung, Erniedrigung und Erhöhung, Rachsucht und Liebe, Täuschung und Wahrheit, Verstrickung und Gnade.12

   Mays literarisches 'Ich' befreit sich ständig (oder wird befreit) aus unverdienten Gefangenschaften.13 Als Spiegelung des 'Kerzendiebstahls' oder des 'Uhrendelikts' (1859 bzw. 1861) mag das noch hingehen. Für die Verschleierung der 'Old-Shatterhand-Streiche' - von 1864/65 und 1869 - aber gilt: Das 'Ich' des Schuldlosen entstellt und verkehrt die Biographie Karl Mays! Den sündigen Teil seines wahren Charakters spaltet der Schriftsteller vom Ich-Ideal ab und projiziert ihn auf die Widersacher des Helden: eine - imaginäre - Weise der 'Schuldbewältigung', die (an sich) problematisch und trügerisch ist.14 Im Falle Mays aber sollte bedacht werden: Die tagträumerische Fiktion, die literarische


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Ich-Spaltung hatte selbsttherapeutische Wirkung. Karl May hat sich wirklich gebessert; er hat sich entwickelt zu einem sicher nicht fehlerfreien, insgesamt aber doch guten und liebenswürdigen Menschen.

   In Waldröschen, Mays erstem Kolportageroman, entschließt sich ein sterbender Bettler zur Beichte bei einem Priester. Er räsoniert: "Vielleicht wird Gott mir vergeben, wenn ich gut zu machen suche, was ich im Leichtsinne verbrochen habe."15 Und im Schreiben vom 16. März 1875 an die Königliche Polizeidirektion hatte Karl May erklärt: "Wohl weiß ich, daß ich schwer gefehlt und gesündigt habe, und die Thätigkeit meines ganzen Lebens muß darauf gerichtet sein, Verzeihung des Geschehenen zu erlangen."16

   Leere Worte waren das nicht. May hat seine Taten wiedergutgemacht, indem er - als er zu Geld gekommen war - Bedürftigen half und mittellose Menschen auf seine Kosten studieren ließ.17 Und nicht zu vergessen: Die Stimme des Gewissens, der Versöhnungs- und Läuterungsgedanke ist "eine der Grundtendenzen seines Werkes",18 das Millionen beglückt hat und so manchen - noch heute - zum Guten erzieht.

   May hat, sozialpsychologisch gesehen, zum Werte-Bewußtsein der Gesellschaft zurückgefunden. Er hat "das verhältnismäßig seltene Beispiel einer geglückten Selbstresozialisierung"19 gegeben. Aber ein 'Stachel im Fleische' ist ihm geblieben. Seine inneren Konflikte, die narzißtische Neigung, die pseudologischen Symptome waren noch nicht überwunden. Sie wurden das Energiepotential eines - in seiner Art großen - Erzählwerks, das sich im Alter des Schriftstellers entpuppte: als religiöse Symboldichtung, als hohe Literatur.

   Ist der entlassene Sträfling ein anderer geworden als 'Dr. med. Heilig' und 'Hermes Kupferstecher', als 'Leutnant von Wolframsdorf und der 'natürliche Sohn des Prinzen von Waldenburg'? Nicht unbedingt und nicht in jeder Beziehung. Scherzhaft meint der Peitschenmüller im letzten Kolportageroman Karl Mays: "Die Dichter sind lauter Lügenschelme. Sie heißen ja nur darum Dichter, weil sie die Lügen alle Tage dicker und dichter machen."20

   Seine Rollenspiele setzt May ja nun fort, auf höherer Ebene. Ein Pseudologe - freilich nicht 'durch und durch' und nicht im verwerflichen Sinne - ist er auch fürderhin. Heinz Stolte schrieb: "Es ist derselbe Mensch, der als Trickbetrüger und Hochstapler durch die Lande zog, derselbe Mensch, der seinen Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, sein anderes Ich, abenteuernd und die Taten des Guten vollbringend durch ferne Weltteile schickte."21 Und an andrer Stelle heißt es bei Stolte:


Beflügelt von seiner Phantasie wie eh und je, im Freiraum poetischer Lizenz, trieb er es eigentlich bunter und toller als zuvor [...] Er treibt das, was in der ersten Phase seines Lebens KRIMINELL gewesen ist, in der zweiten Phase, der der Reiseerzählungen, LITERARISCH.22


   Zwar siegt, schon in den frühesten Schriften, immer das Gute, und Mays Tendenz ist (zunehmend) "christlich-moralisch",23 wie Rudolf Beissel betonte. Seine wahre Identität, seine eigentliche Bestimmung zum Visionär und prophetischen Dichter fand Karl May aber erst spät. Ein Talent, ein begnadetes Naturtalent war er, nach Stolte, freilich von Anfang an: Seine innere Anschauungskraft, die Plastizität seiner Vorstellungen, ist -schon zu Beginn seiner literarischen Laufbahn - "nahezu eidetisch"24 zu nennen.

   Die Frage lautet noch immer: Wie ist, nach der Entlassung aus Waldheim, die Lebenswende des Menschen und des Schriftstellers Karl May zu bewerten? "Selten ist menschliches Unglück so produktiv und die therapeutische Funktion des Schreibens so wirkungsmächtig geworden wie hier."25 So sieht es Roxin. Günter Scholdt aber warnte vor Illusionen. Er verwies auf die Fluchttendenz, die Verdrängungsmechanismen, die nur schein-


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bare Selbsttherapie, in der sich Karl May "eine Ersatzrealität für sein verpfuschtes Leben vorgaukelte."26

   Die Person und das Werk Karl Mays wurden - je nach Standpunkt des Interpreten - sehr unterschiedlich beurteilt. Von der Bewunderung bis zur Skepsis und Ablehnung reicht die Skala der Bewertungen.27 Im Schriftsteller selbst, in der Vielschichtigkeit seines Wesens und seiner literarischen Arbeit, hat die widersprüchliche Resonanz ihren tieferen Grund.

   "Das Karl-May-Problem ist das Menschheitsproblem."28 Der Religionsphilosoph Bernhard Welte spricht - ganz grundsätzlich - von der Mehrdeutigkeit, die allem Menschlichen zukomme.29 Daß diese Mehrdeutigkeit dann doch überführt werde: in die Eindeutigkeit der inneren Wahrheit und des letzten Gelingens, dies hofft der Glaube an Gottes Führung im Leben des Menschen. Ein vager, ein unbegründeter Optimismus? Daß die Hoffnung, die Option für die Zukunft begründet ist, kann - exemplarisch - am Phänomen Karl May demonstriert werden.



Anmerkungen


1So das abschließende Gutachten Dr. Knechts in Waldheim; zit. nach Hainer Plaul: Resozialisierung durch "progressiven Strafvollzug". Über Karl Mays Aufenthalt im Zuchthaus zu Waldheim von Mai 1870 bis Mai 1874. In: JbKMG 1976, S. 105-170 (S. 150).
2Vgl. Reinhard Tschapke: Der literarische Markt im 19. Jahrhundert: Verlag, Vertriebs- und Verbreitungsformen. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 39-56.
3Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, s. 108.
4Ebd., S. 109.
5Heinz Stolte: "Frau Pollmer - eine psychologische Studie". Dokument aus dem Leben eines Gemarterten. In: JbKMG 1984, S. 11-27 (S. 22).
6Walther Ilmer: Durch die sächsische Wüste zum erzgebirgischen Balkan. Karl Mays erster großer Streifzug durch seine Verfehlungen. In: JbKMG 1982, S. 97-130 (S. 100).
7Gert Ueding: Der Traum des Gefangenen. Geschichte und Geschichten im Werk Karl Mays. In: JbKMG 1978, S. 60-86 (S. 63).
8Hermann Hesse: Phantastische Bücher. In: Vossische Volkszeitung Nr. 458 vom 9.9.1919; zit. nach Viktor Böhm: Karl May und das Geheimnis seines Erfolges. Gütersloh 21979, S. 40 (Anm. 3).
9Helmut Schmiedt: Karl May. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines Erfolgsschriftstellers. Frankfurt/M. 21987, S. 49.
10Vgl. Karl-Hans Strobl: Scham und Maske (1921). In: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34: "Ich". Bamberg 361976, S. 547-565 (S. 565).
11Vgl. Heinz Stolte: Die Reise ins Innere. Dichtung und Wahrheit in den Reiseerzählungen Karl Mays. In: JbKMG 1975, S. 11-33 - Ders.: Mein Name sei Wadenbach. Zum Identitätsproblem bei Karl May. In: JbKMG 1978, S. 37-59 (S. 39) - Günter Scholdt: Vom armen alten May. Bemerkungen zu 'Winnetou IV' und der psychischen Verfassung seines Autors. In: JbKMG 1985, S. 102-151 (S. 125ff.).
12Vgl. Engelbert Botschen: Die Banda Oriental - ein Umweg zur Erlösung. In: JbKMG 1979, S. 186-212 (S. 199f.) - Claus Roxin: Ein 'geborener Verbrecher'. Karl May vor dem Königlichen Landgericht in Moabit. In: JbKMG 1989, S. 9-36 (S. 13-20).
13Vgl. Schmiedt, wie Anm. 9, S. 39.
14Später, im Silbernen Löwen III/IV (1902/03), hat May das erkannt; vgl. unten, S. 451 ff.
15Karl May: Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde, Bd. I. Leipzig 1988 (Reprint des Dresdner Erstsatzes von 1882-84), S. 38.
16Zit. nach Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 48f.
17Vgl. Claus Roxin: Vorläufige Bemerkungen über die Straftaten Karl Mays. In: JbKMG 1971, S. 74-109 (S. 93).
18Claus Roxin: Karl May, das Strafrecht und die Literatur. In: JbKMG 1978, S. 9-36 (S. 16).


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19Ebd.
20Karl May: Der Weg zum Glück. Roman aus dem Leben Ludwig des Zweiten. Hildesheim, New York 1971 (Reprint der Dresdner Erstausgabe von 1886-88), S. 275.
21Heinz Stolte: Das Phänomen Karl May. Bamberg 1969, S. 14.
22Stolte: Mein Name sei Wadenbach, wie Anm. 11, S. 49 u. 56.
23Rudolf Beissel: Ein Schlußstrich. Abschließende Betrachtung zum Streit um Karl Mays Münchmeyer-Romane. In: KMJB 1919. Breslau 1918, S. 165-194 (S. 179).
24Heinz Stolte: Der Fiedler auf dem Dach. Gehalt und Gestalt des Romans "Weihnacht!". In: JbKMG 1986, S. 9-32 (S. 13).
25Roxin: Karl May, wie Anm. 18, S. 29.
26Scholdt, wie Anm. 11, S. 125.
27Amüsant ist die Zusammenstellung widersprüchlicher Äußerungen über Karl May bei Heinz Stolte: Karl May literarisch. In: Karl May: Der große Traum. Erzählungen. Hrsg. von Heinz Stolte und Erich Heinemann. München 1974, S. 7ff.
28Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 12.
29Vgl. Bernhard Welte: Das Licht des Nichts. Von der Möglichkeit neuer religiöser Erfahrung. Düsseldorf 1980, S. 44ff.



7.1

Die Verbindung mit Münchmeyer: Im Dunstkreis des 'Schundverlags'


Der Mensch ist ein Rätsel. Er liebt das Vergängliche und sucht nach der Liebe, die niemals vergeht. Er stammt von der Erde, und seine Heimat ist dennoch im Himmel (Phil 3, 20). Sein Geist ist begrenzt und überwindet doch Grenzen. Er flieht vor der Wahrheit und strebt nach Erkenntnis. Er verstrickt sich in Schuld und verfängt sich im Irrtum. Er braucht die Vergebung - und die Einsicht, die ihn befreit. Er wird, so oft, besiegt von der Wirklichkeit. Und nimmt - in der Hoffnung - die Realität, die mit dem Kommen Gottes kommt, schon vorweg.

   Das "Menschheitsrätsel", die "Menschheitsfragen" brachte der Schriftsteller mit dem "Karl-May-Problem" in Verbindung.1 Was ist der Mensch? Das "Wesen über sich selbst hinaus", wie Blaise Pascal formulierte! Das Verlangen nach einer, in jeder Hinsicht, besseren Lebensqualität, die Sehnsucht nach einer höheren Stufe des Menschseins ist auch die Triebquelle Karl Mays. Zu Recht hebt Stolte die Einheit des Mayschen Gesamtwerks -bei aller Verschiedenheit der Stilmittel und der literarischen Formen - hervor:2 Das Streben nach 'oben' wird, von den frühesten Erzählungen bis zum letzten Vortrag im Jahre 1912 (Empor ins Reich des Edelmenschen!), zum Grundmotiv Karl Mays.

   Nach seiner Entlassung aus Waldheim arbeitete May als Schriftsteller, als armer Poet, in der Heimatstadt Ernstthal. Er wohnte bei seinen Eltern; alle kannten ihn und wußten Bescheid. Zwei Jahre lang hat ihn die Polizei überwacht. Den (ernsthaften?) Plan, nach Amerika auszuwandern,3 gab er rasch auf. Die lästigen Folgen der Polizeiaufsicht mußte er also tragen.

   Zunächst konnte May nur wenig (oder nichts) publizieren; so wird er "hauptsächlich für die Schublade geschrieben und im übrigen auf Kosten seiner Familie gelebt haben."4 Seine erste bisher nachgewiesene Novelle, Die Rose von Ernstthal, dürfte 1874 (oder auch früher) entstanden sein. Sie erschien im April/Mai 1875 bei Hermann Oeser, Neusalza.5 Diese Erzählung ist nicht in der Ich-Form geschrieben; aber sie deutet schon an, wie der Autor - träumerisch und fiktiv - seine Verletzungen zu heilen, seine Schwächen


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zu kompensieren und seine Biographie zu transformieren beginnt: ins Gute und Glückliche.

   Anfang März 1875 fand May eine Anstellung als Redakteur mit einem Jahreseinkommen von 600 Talern. Er verpflichtete sich dem - 1862 gegründeten - Dresdner Kolportageverlag,6 zu dem es wahrscheinlich schon in den sechziger Jahren eine Verbindung gegeben hatte.7 Der Verlagsbesitzer war Heinrich Gotthold Münchmeyer (1836-1892), dessen Charakter uns May sehr negativ schildert. Friedrich Louis Münchmeyer, der ältere Bruder des ehemaligen Schreinergesellen und jetzigen 'Schund'-Fabrikanten,8 war der Geschäftsführer.

   Karl May zog am 8. März nach Dresden und wohnte "privatim am Jagdweg bei einer Frau verw. Vogel".9 Schon nach wenigen Tagen, durch eine Verfügung vom 15. März, wurde er - ohne stichhaltige Gründe, aus purem Mißtrauen - ausgewiesen: eine Folge der Polizeiaufsicht. Nachdem sein (von Münchmeyer unterstütztes) Bittgesuch vom 16. März keinen Erfolg hatte, kehrte May am 27.3.1875 nach Ernstthal zurück. Er ließ sich diesmal nicht aus der Bahn werfen, sondern führte von Ernstthal aus seine Geschäfte als Redakteur des Dresdner Verlages. Auch seine literarische Arbeit setzte er fort.

   Im Zentral-Organ der sächsischen Militärvereine 'Der Kamerad' erschien, am 24. April 1875, ein patriotisches Gedicht mit dem Titel Rückblicke eines Veteranen am Geburtstage Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen.10 Diese mit 'Karl May' gezeichnete Reimerei, die "allen Verehrern des Schriftstellers als Peinlichkeit erscheinen"11 muß, setzt sich aus neunzehn Vierzeilern zusammen. Die Ergebenheitsadresse an den 'Löwen von Sachsen' sollte dem Verfasser, so Christian Heermann, "ein gutes Leumundszeugnis ausstellen, um Widrigkeiten [...] vorzubeugen. "12

   May warb, in seiner Lage verständlich, um die Gunst des Obrigkeitsstaates. Im August 1875 erreichte er die Revision des Ausweisungsbeschlusses. Er konnte nach Dresden zurückkehren und wohnte erneut bei Frau Vogel. Gegen Ende des Jahres nahm er in Münchmeyers Verlagsgebäude, Jagdweg 14, Logis.

   Heinrich Münchmeyer hofierte den Redakteur, dessen Begabung er rasch erkannt hatte. Nach Mays eigener (im Detail nicht immer verläßlicher) Darstellung wurde er in einem Restaurant von Münchmeyer den Gästen als 'Herr Doktor Karl May' vorgestellt.13 Er ließ es sich, wohl gar nicht so widerstrebend, gefallen.

   Der Verleger hatte die Manuskripte bzw. Skizzen des Straftäters gelesen und kannte auch dessen Vergehen. Münchmeyers Frau stammte aus der Nähe von Ernstthal. "Das fesselte ihn an die Gegend. Er wurde da bekannt und erfuhr auch von mir. Was er da Tolles hörte, schien ihm außerordentlich passend für seine Kolportage."14 Einiges, was er von May gelesen hatte, "war ihm zu hoch. Anderes aber gefiel ihm so, daß es ihn, wie er sagte, entzückte [...] Er versicherte, ich sei der Mann, den er gebrauchen könne."15 So schrieb Karl May nach Jahrzehnten in der Selbstbiographie.

   Eine bessere Welt wollte der Schriftsteller seinen Lesern vermitteln. Zur Wissenschaft, zur Kunst, zur Religion wollte der frühere Schullehrer sie hinführen! Nicht zu bestreiten: eine erzieherische Passion liegt seinen Schriften tatsächlich zugrunde. Doch Anspruchsvolles war bei Münchmeyer ja gar nicht gefragt. Belehrendes wollte der Verleger höchstens beiläufig bringen; sein Hauptgeschäft war die triviale Unterhaltungsliteratur.

   Inzwischen als 'Jugendverderber' gebrandmarkt, beteuerte Karl May in Mein Leben und Streben: "Ich fand den Verlag ganz ungemein häßlich."16 Es gab jedoch keine andere Wahl. Zwänge und Engpässe, auch jetzt wieder! Der Vorbestrafte mußte unterkommen, seine Existenz mußte gesichert werden. Münchmeyer war die einzige Hoffnung, und so


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bleibt es dessen Verdienst, dem werdenden Dichter "eine gewisse soziale Perspektive eröffnet zu haben".17

   May selbst empfand, fürs erste, die Verbindung mit Münchmeyer "wie ein Himmelsgeschenk!"18 Aber das Himmelsgeschenk erwies sich als fragwürdig. Münchmeyers Betrieb war ein zwielichtiges Unternehmen. Was vor dem Eintritt Mays in die Redaktion bei diesem Verleger gedruckt und vertrieben wurde, war von - zum Teil - schon bedenklicher Art. Im Verlauf des Jahres 187419 z.B. waren zwei anonym verfaßte Lieferungswerke erschienen mit den umständlichen Titeln Die Geheimnisse der Venustempel aller Zeiten und Völker oder die Sinnenlust und ihre Priesterinnen. Geschichte der Prostitution und ihrer Entstehung, sowie die Darlegung ihrer Folgen auf die Entwickelung der Menschheit (400 Seiten mit ca. 20 Farbtafeln)20 und Die Geschlechtskrankheiten des Menschen und ihre Heilung. Mit besonderer Berücksichtigung der Syphilis, ihrer Entstehung und Folgen. Mit über 100 allopathischen, sowie homöopathischen Recepten versehen, zur Heilung aller Krankheiten, welche die Geschlechtsorgane betreffen (896 Seiten mit Abbildungen im Text).21

   Nach der Darstellung Karl Mays22 soll Otto Freitag, Mays Vorgänger als Redakteur, den Venustempel verfaßt haben. In Wirklichkeit handelt es sich um "ein Plagiat von ganz seltener Dreistigkeit".23 Der eigentliche Verfasser, der Autor der (1870 in Berlin erschienenen) Vorlage des Venustempels, ist unbekannt.

   Der Venustempel (mit diesem Titel hat May wahrscheinlich eine gemischte Heftausgabe der BEIDEN Münchmeyer-Produkte gemeint)24 war - so May - "ein ganz unbeschreibliches Werk über die allerniedrigste, venerische Kloakenliebe25 [...] Der 'Venustempel', später auch noch 'Buch der Liebe' genannt,26 war ein Buch, welches auf die allergemeinste Sinnenlust spekulierte."27

   Diese Charakterisierung ist übertrieben: Spätestens um die Jahrhundertwende hatte May seine Gründe, sich von der 'Münchmeyerei' aufs schärfste zu distanzieren! Von polemischen Überzeichnungen abgesehen ist Mays Beschreibung des Venustempels insgesamt jedoch "zutreffend".28 Als Pornographie wird man Die Geschlechtskrankheiten zwar nicht bezeichnen dürfen; die Intention war im wesentlichen die sexuelle Aufklärung, deren Notwendigkeit kein vernünftiger Mensch heute bestreiten wird. Und was das Eheverständnis betrifft, blieb das Werk Die Geschlechtskrankheiten nur "innerhalb der Grenzen der bürgerlichen Moral der damaligen Zeit".29 Der Venustempel indessen verrät eine andere, aus der Sicht Karl Mays (des damaligen wie des späteren May) sicher 'niedere' Gesinnung. "So findet durch die doppelte Anlage des Gesamtwerks die doppelte Moral jener Zeit durchaus sinnfällig ihren Ausdruck. Karl Mays Kritik war nicht ganz unbegründet."30

   Der Venustempel wurde in Preußen und Österreich schon 1874 verboten. Wohl Ende 1874 oder im Verlauf des Jahres 1875 (die genaue Datierung ist leider nicht möglich) kam es zu einer Hausdurchsuchung des Münchmeyerverlags durch die Dresdner Polizei.31 Um die sächsische Zensurbehörde zu beschwichtigen, änderte Münchmeyer - in seiner Branche eine gängige Methode - zunächst nur den Umschlagtitel seiner gemischten Lieferungsausgabe. Doch diese simple Kosmetik erschien ihm dann unzureichend. Er entschloß sich zu einer, auch inhaltlichen, Umgestaltung des Werkes. Mit dieser Arbeit betraute er - Karl May, seinen neuen Redakteur.

   Mit dem Vorläuferwerk, dem Venustempel, hatte May natürlich nichts zu tun. Doch die lange verschollene, erst 1982 wiederaufgefundene, dreiteilige Neufassung mit dem Titel Das Buch der Liebe. Wissenschaftliche Darstellung der Liebe nach ihrem Wesen, ihrer Bestimmung, ihrer Geschichte und ihren geschlechtlichen Folgen (insgesamt 1248 Seiten)


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wurde - in wichtigen Passagen - von Karl May verfaßt bzw. bearbeitet. In der Selbstbiographie und im Verlaufe der gerichtlichen Auseinandersetzungen (seit 1901) hat May dies freilich bestritten: aus taktischen Gründen.32

   Was den ursprünglichen Sachverhalt betrifft, verdient Karl May überhaupt keinen Vorwurf. Im Gegenteil! Denn Das Buch der Liebe unterscheidet sich vom Vorgänger-Werk fundamental. Der Text des Venustempels, der separat wahrscheinlich, trotz des Verbots, auch weiterhin gedruckt und ausgeliefert wurde,33 entfiel im Buch der Liebe nahezu vollständig.34 Nur das - moralisch ja völlig unbedenkliche - Werk Die Geschlechtskrankheiten wurde, in Text und Bild leicht verändert, ins Buch der Liebe (als zweite Abteilung 'Die Liebe nach ihren geschlechtlichen Folgen') integriert. Ganz neu verfaßt wurden - im wesentlichen von Karl May - die erste und dritte Abteilung des Buches der Liebe. Schlüpfrige Sachen? Mitnichten! Wer Bettgeschichten erwartet, wird durch die Lektüre sehr gründlich enttäuscht. Mays Texte sind: religionsphilosophische Betrachtungen über die göttliche Liebe, die - als Ursprung und Ziel auch der menschlichen Liebe - alles bewegt und die Entwicklung der Menschheit vorantreibt.35 Für Münchmeyer sicher "zu hoch"!

   Mit Bravour hat der Redakteur seinen Auftrag erfüllt. Seine Vorstudien für diese imposante und eigenständige Leistung dürfte er im Sommer 1875, also zu Hause in Ernstthal, abgeschlossen haben. Die ersten Lieferungsdrucke werden auf den Spätsommer 1875 zu datieren sein.

   Im zensurfreudigen Österreich wurde Das Buch der Liebe am 9. Mai 1877 verboten, obwohl es, zumindest nach heutigen Maßstäben, nichts 'Unsittliches' enthielt. In Sachsen (und wohl auch in Preußen) war lediglich eine bestimmte Vertriebsweise dieses Werkes untersagt: das "Feilbieten im Umherziehen".36

   Das Kolportagewesen bewertete May, jedenfalls später, insgesamt als 'niedrig' und 'scheußlich'.37 Aber was er selbst für Münchmeyer verfaßt hatte, berechtigt in moralischer Hinsicht zu keinerlei Tadel. Karl May hat in diesen Jahren "nichts geschrieben, was auch nur nach damaligen Maßstäben sittlich anfechtbar war".38



Anmerkungen


1Vgl. z.B. Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 12 u. 142.
2Heinz Stolte: Das vierzehnte Jahrbuch. In: JbKMG 1984, S. 7-10 (S. 10).
3Vgl. Hainer Plaul: Resozialisierung durch "progressiven Strafvollzug". Über Karl Mays Aufenthalt im Zuchthaus zu Waldheim von Mai 1870 bis Mai 1874. In: JbKMG 1976, S. 105-170 (S. 150f ) - Ders.: Redakteur auf Zeit. Über Karl Mays Aufenthalt und Tätigkeit von Mai 1874 bis Dezember 1877. In: JbKMG 1977, S. 114-217 (S. 114ff.).
4Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 62-123 (S. 89).
5Unter Mays Namen erschien die Novelle im 1. Band der 'Deutschen Novellen-Flora' (Neusalza 1875). Unter dem Pseudonym 'Karl Hohenthal' wurde die Erzählung im illustrierten Hausblatt 'All-Deutschland!' (Stuttgart 1880) nachgedruckt.
6Zum Begriff 'Kolportage' vgl. Reinhard Tschapke: Der literarische Markt im 19. Jahrhundert: Verlag, Vertriebs- und Verbreitungsformen. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 39-56 (S. 44ff.).
7Vgl. oben, S. 99.
8Vgl. Plaul (Hrsg.): Karl May, wie Anm. 1, S. 388 (Anm. 153).
9Aussage Mays vor Gericht (1908); zit. nach Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 3, S. 164.
10Vgl. Helmut Schmiedt: Der Löwe Sachsens: ein panegyrisches Gedicht Karl Mays. In: JbKMG 1981, S. 41-63.


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11Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 111.
12Ebd., S. 112.
13Vgl. Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer (1905 bzw. 1909). Prozeßschriften, Bd. 2. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 283.
14May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 175.
15Ebd., S. 175f.
16Ebd., S. 183.
17Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 3, S. 141.
18May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 182.
19Zu den Erscheinungsjahren vgl. Hainer Plaul: "Das schwarze Buch" oder über die Schwierigkeiten, Lieferungswerke zuverlässig zu datieren. In: MKMG 31 (1977), S. 31-35. - 1874 als Erscheinungsjahr des Venustempels und der Geschlechtskrankheiten dürfte aber gesichert sein.
20Zur Beschreibung dieses Werkes vgl. Heinz Neumann: "Die Geheimnisse der Venustempel" des Verlages H. G. Münchmeyer. In: MKMG 23 (1975), S. 25-28 - Gernot Kunze: Einführung. In: Karl May: Das Buch der Liebe. Dresden 1875/76. Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Bd. II (Kommentarband). Hrsg. von Gernot Kunze. Regensburg 1988/89, S. 7-50 (S. 9-16).
21Inhaltsübersicht und Textauswahl bei Kunze (Hrsg.), wie Anm. 20, S. 65-114.
22Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 184 u. 186.
23Kunze, wie Anm. 20, S. 12.
24Vgl. ebd., S. 14.
25May: Schundverlag, wie Anm. 13, S. 260.
26Mit dieser Formulierung erweckt May fälschlicherweise den Eindruck, der Venustempel und Das Buch der Liebe seien identisch.
27May: Schundverlag, wie Anm. 13, S. 295.
28Kunze, wie Anm. 20, S. 11.
29Ebd., S. 16.
30Ebd.
31Vgl. Kunze, wie Anm. 20, S. 27ff. - May: Schundverlag, wie Anm. 13, S. 260f., 293f. u. 296 - Ders.: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 184f. - Da es im Hause Münchmeyer wohl mehrere Durchsuchungen gab, ist nicht ganz klar, welche Aktion May hier meint (vermutlich eine spätere, erst am 23.2.1876 erfolgte Polizeiaktion); May will "erst später, viel später" (Mein Leben und Streben, S. 185), d.h. wohl im Herbst 1876, von dieser Aktion etwas erfahren haben; vgl. dagegen Kunze, wie Anm. 20, S. 30.
32Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 220; dazu unten, S. 397f.
33Vgl. May: Schundverlag, wie Anm. 13, S. 260 u. 296 - Ders.: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 184f. - Kunze, wie Anm. 20, S. 18f.
34Vgl. Kunze: Ebd., S. 21. - Die wenigen im Buch der Liebe verbliebenen Venustempel-Passagen wurden (wahrscheinlich von May) entschärft; vgl. Kunze: Ebd., S. 45f. (Anm. 86).
35Vgl. unten, S. 142.
36Zit. nach Kunze, wie Anm. 20, S. 28.
37Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 183.
38Claus Roxin: Geleitwort. In: May: Das Buch der Liebe, wie Anm. 20, Bd. I (Textband). Regensburg 1988, S. 5f. (S. 6).



7.2

Autor und Redakteur (1875-77): Religiöse Betrachtung und exotische Abenteuer, Humoresken und historische Erzählungen


Für H.G. Münchmeyer betreute Karl May bis Anfang 1877 diverse Zeitschriften: volkstümliche Blätter, deren Inhalt er selbst zu bestimmen hatte. Sein Anliegen war es, "die seelischen Bedürfnisse der Leser zu befriedigen und Sonnenschein in ihre Häuser und Herzen zu bringen."1 Das hat er in wachsendem Maße auch wirklich getan.


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   Mays spätere Reiseerzählungen (Durch die Wüste, Winnetou usw.) begründen seine Beliebtheit. Und die Altersromane werden von Kennern geschätzt: als literarisch bedeutend. Es gibt bei May einen Trend, eine Entwicklung nach oben. Aber das Gültige und Abstruse, das Wichtige und das Nebensächliche im Werk und im Leben des Dichters läßt sich nicht immer verrechnen auf die literarischen Schaffensabschnitte. Ambivalent ist das 'Phänomen Karl May' insgesamt. Und mehrschichtig sind seine Bücher wohl alle. Nicht nur die Reiseerzählungen und nicht nur das Spätwerk verdienen Beachtung. Was May in den siebziger Jahren erlebt und geschrieben hat, ist ebenfalls interessant. Sein Anspruch auf einen tieferen Gehalt auch der frühesten Werke ist berechtigt und sollte "nicht als die nachträgliche Substitution von Bedeutung in ein im übrigen triviales Werk verstanden werden."2

   Mays Oeuvre ist breit. Gerade in der ersten Phase seiner schriftstellerischen Arbeit hat er sehr Verschiedenartiges, im künstlerischen Rang, in der literarischen Form und in der religiösen Bedeutung sehr Unterschiedliches verfaßt.


7.2.1

Im 'Beobachter an der Elbe': Wanda und Der Gitano


In Münchmeyers Wochenblatt 'Der Beobachter an der Elbe' (mit zahlreichen Parallelausgaben, z. B. 'Der Beobachter an der Spree'), dem ursprünglich von Otto Freitag und jetzt von Karl May redigierten Unterhaltungsjournal, kamen von unserm Autor zwei fesselnde Novellen heraus: Wanda und Der Gitano (Sommer bzw. Herbst 1875). Wanda, eine sprachlich und kompositorisch noch relativ schwache Kriminalerzählung im Kolportagestil, enthält sehr viel autobiographisches Material. Das erste Kapitel ('Die Auction') dürfte schon in den sechziger Jahren entstanden sein: vielleicht als eigenständige Novelle.3 Für die Veröffentlichung bei Münchmeyer "wurde diese vermutliche 'Ur-Wanda' dann auf den erforderlichen Umfang gebracht."4

   Der Gitano. Ein Abenteuer unter den Carlisten spielt in Mays Traumland, in Spanien. Das 'Ich' des Erzählers ist, im Gegensatz zum späteren Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi, nur Nebenfigur. In seiner Bescheidenheit erinnert es "mehr an Scott's Waverley als an den Helden der späteren Reiseromane. "5

   Zeitgenössische Presseberichte, Notizen über den 'Karlistenkrieg' um die Thronfolge (1872-76), regten May an: typisch auch für die künftige Arbeitsweise des Schriftstellers. Bezeichnend für Mays - im Prinzip religiöse, zugleich aber kritische - Grundeinstellung ist die erkennbare "Abneigung gegen die klerikal-absolutistischen und streng traditionalistischen Carlisten".6


7.2.2

In 'Schacht und Hütte': Populärwissenschaftliche Aufsätze und Geographische Predigten


Noch im Herbst 1875 ließ Karl May den 'Beobachter' auslaufen und gründete, mit bemerkenswerter Tatkraft, zwei neue Zeitschriften: 'Schacht und Hütte. Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für Berg-, Hütten- und Maschinenarbeiter' und 'Deutsches Familienblatt. Wochenschrift für Geist und Gemüth zur Unterhaltung für Jedermann'. Ende August und Anfang September 1875 bereiste May weite Gebiete, um unter anderem die Großfirmen Hartmann in Chemnitz, Krupp in Essen und Borsig in Berlin zu besuchen:7 Für 'Schacht und Hütte' sollten durch die Werbebesuche Abonnenten gesichert werden.


//139//

   'Schacht und Hütte' enthält u.a. eine Reihe von anonymen Beiträgen, die mit höchster Wahrscheinlichkeit8 von Karl May, dem Redakteur, selbst verfaßt wurden. Es handelt sich um Gedichte (z.B. Wenn um die Berge von Befour) und kleinere Aufsätze: ethische Appelle (z.B. Schätze und Schatzgräber, Bete und arbeite!, Blumen deutscher Kirchenlieder, Vertheidigung eines Vielverkannten) und populärwissenschaftliche Erörterungen (z.B. Die Helden des Dampfes, Ein Lichtspender, Der Kanal von Suez).9


Literarisch nur von geringem Wert, vermitteln die Aufsätze interessante Einsichten in Mays volksdidaktische Intentionen, in sein frühes Weltbild zwischen Aufklärung und religiösen Laienvorstellungen und - bei den Texten der zweiten Gruppe - in seine anfängliche, sehr zeittypische Faszination durch die wissenschaftlich-technische Revolution.10


   Karl May war Poet, nicht Philosoph und nicht Theologe im akademischen Sinne. Aber nachgedacht hat er schon, über Gott und die Welt. Seine vielleicht wichtigsten Schriften in diesen Jahren sind weniger die erzählenden, sondern eher die betrachtenden Texte: Das Buch der Liebe, soweit es von May verfaßt wurde, und die Geographischen Predigten.11 Die letzteren sind, unter Mays Namen, Mitte Dezember 1875 bis Ende Juli 1876 in 'Schacht und Hütte' erschienen. Als Entstehungszeit sind das Frühjahr und der Sommer 1875 anzunehmen,12 als Entstehungsort also Mays Heimatstadt Ernstthal. Nach Mays Tode sind diese - halb pietistischen, halb aufklärerischen - Meditationen verschollen. Im Jahre 1916 wurden sie wiedergefunden.

   Von Arno Schmidt, Hans Wollschläger, Martin Lowsky u.a. wurden die Geographischen Predigten als naiv und schulmeisterlich abgetan.13 Aber sie erhellen die Denkweise und die Bildungsgrundlagen Karl Mays. Und sie bestätigen (überzeugender als Ange et Diable14), daß May tatsächlich studiert hat, daß er den 'Feuerbach' des Fragens und gründlichen Nachsinnens wenn nicht durchschritten, so doch gekannt und geprüft hat. Die Predigten geben Auskunft über die geistige und religiöse Entwicklung des jungen Autors. So manches mag an die Traktate der Schülerzeit Karl Mays, ihre Vielwisserei und ihre, vom Vater erzwungene, Lesewut noch erinnern.15 Aber May ist gewachsen: als ein Mensch, der gezweifelt, der gefragt und gesucht hat.

   Mays Naturbetrachtungen sind fromm und erbaulich; das wird nicht jedem gefallen. Doch zumindest Respekt verdienen die Texte sehr wohl: nicht nur wegen des gewaltigen, fast alle Gebiete umfassenden Lexikonwissens, sondern - vor allem - wegen der (teilweise) progressiven Ideen, die mit dem Geist Friedrich Schillers, dem Toleranzgedanken Gotthold E. Lessings,16 der Geschichtsphilosophie Johann Gottfried Herders17 und den Naturbetrachtungen Johann Peter Hebels18 verwandt sind und von namhaften Theologen auch des 20. Jahrhunderts vertreten werden.19

   Die Geographischen Predigten erhellen, was Karl May eigentlich sein wollte und was er, träumend und fabulierend, tatsächlich gewesen ist: ein Prediger, ein Katechet der versöhnenden Liebe. Sein Denkansatz, das Programm seines künftigen Schaffens, wird sehr eindrucksvoll und bewegend zur Sprache gebracht.20

   Betrachtet werden 'Himmel und Erde', 'Land und Wasser', 'Berg und Thal', 'Wald und Feld', 'Mensch und Tier', 'Strom und Straße', 'Stadt und Land', 'Haus und Hof'. Das klingt idyllisch und harmlos. Mays Meditieren dringt jedoch ein in die Tiefe. Alltägliche Dinge und irdische Wirklichkeiten werden, wie in den Gleichnissen Jesu, als Zeichen für Transzendentes erkannt.

   Als 'natürliche Theologie' sind diese Predigten zu verstehen: nicht im Sinne eines dogmatischen Systems (von dem Karl May ja nichts wissen wollte21), wohl aber im Sinne einer Reflexion über den Gottesgedanken. In allem entdeckt der Schriftsteller:


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ein sinnvolles teleologisches Prinzip: alles hat seinen Zweck, steht im weltorganischen Zusammenhang und bezeugt so die Existenz eines weisen und gütigen Gottes. Angelehnt an die Evolutionstheorie behauptet May zugleich eine sinnvoll-utopische Weltentwicklung in Richtung zunehmender Vergeistigung. Vorauszusetzen sei jedoch, daß der Mensch den Gleichnischarakter der Natur erkennt [...] und sich die Menschheit in Humanität und Toleranz zusammenschließt.22


   Die Fortschrittsbegeisterung der Aufklärung verbindet May - in den Predigten und im Erzählwerk - mit der eigenen Vision, mit der eigenen Traumwelt. Ein wahrhaft sehender, die Oberfläche der Dinge durchdringender Blick gibt seinem Werk, und speziell den Geographischen Predigten, einen bleibenden Wert.

   Mays Altersbehauptung, auch seine früheren Schriften. hätten - hinter der Abenteuerromantik - einen 'symbolischen' Sinn,23 wird durch die Predigten verifiziert. In den Märchen und Parabeln des Spätwerks, vorzugsweise in Ardistan und Dschinnistan,24 spielen Wüsten und Flüsse, Berge und Sümpfe eine zentrale, ins Transzendente verweisende Rolle. Daß 'hinter' der Handlung auch der früheren Erzählungen das Ewige, die göttliche Welt mit-gemeint ist, legen die Geographischen Predigten durchaus nahe.

   Die 'Wüste' zum Beispiel wird, wie bei den Propheten der Bibel und den Mystikern des Mittelalters, als Metapher für die scheinbare Trostlosigkeit, aber auch für das Heilswirken Gottes bedacht (S. 141ff. u. 157f.).25 Das 'Thal' wird als Niederung, als Tiefland der Seele, der 'Berg' - wie in der Mythologie, in der Bibel und in den Weltreligionen - als Sinnbild des Hohen und Lichten, als Ort der göttlichen Nähe begriffen (S. 149ff.). Dasselbe gilt für das 'Wasser':


Darum waren schon in den ältesten Zeiten die Wellen der Schauplatz heiliger Handlungen, ja sogar Gegenstand der Anbetung, darum sprach Christus am Brunnen zu Sichar vom "Wasser des Lebens", und darum knüpfte er an das Wasser sein Sacrament von der Aufnahme in den Bund der christlichen Kirche. (S. 141)


   Wie wichtig für May diese frühen Betrachtungen waren, zeigt eine Äußerung aus dem Jahre 1899:


wer die 'Geographischen Predigten' nicht gelesen hat, ist vollständig unfähig, meine Voraussetzungen und Ziele zu kennen, meine Art und Weise zu begreifen, mein Denken und Wollen zu verstehen und ein gerechtes Urteil über meine Werke zu fällen.26


   Die Predigten sind ein Schlüssel für das Verständnis des Mayschen Gesamtwerks:


Schon der Titel besagt, was ich damals wollte und auch heute noch will: Geographie und Predigten! Kenntnis der Erde und ihrer Bewohner und Aufschau nach einer lichteren Welt! Dieser Anfang meiner literarischen Laufbahn bildet die Grundlage für meinen späteren Werdegang; die 'Geographischen Predigten' enthalten die Leitgedanken zu meinen sämtlichen Werken, die ich in der Folge treulich beibehalten habe.27


   Eine Selbsttäuschung des alten Mannes? Keineswegs! Ein "Leitgedanke" des Spätwerks ist z.B. die Friedensthematik, die in den Predigten, in 'Wald und Feld', schon zum Ausdruck kommt: "Erinnert doch" das Wort 'Feld' an "den größesten und häßlichsten Gegensatz der Liebe, welcher seine Opfer unter dröhnendem Rossestampfen und brüllendem Kanonendonner auf dem 'Schlachtfelde' in 'des Todes blutige Rosen' bettet." (S. 190)

   Diesen "Leitgedanken" - die Option für den Frieden, das Nein zur Gewalt - hat May in der Folge (nicht immer konsequent, aber mit wachsender Dringlichkeit) tatsächlich "beibehalten".

   Zu Mays, kontinuierlich durchgehaltenen, "Leitgedanken" gehört auch die Evolution. Die Naturphilosophie des berühmten Geologen und Theologen P. Teilhard de Chardin (1881-1955) wird in den Predigten Mays zum Teil schon vorweggenommen: Die "wun-


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derbare Logik" der - noch keineswegs abgeschlossenen, in ihr göttliches Ziel hineinreifenden, noch immer im Werden begriffenen - Schöpfung zeigt sich, so May,


als eine lückenlose und Stufe für Stufe fortschreitende Entwickelung des nächst Höheren und Vollkommeneren aus dem vorangehend Niederen, aber seinem Zwecke vollkommen Entsprechenden, und wo das schwache Auge des Sterblichen eine Lücke in der Kette der Schöpfung zu gewahren vermeint, da thut sich dem späteren und schärferen Blicke das Geheimniß kund, daß die Woche des Schaffens noch nicht bis zu dem siebenten Tage, dem großen Sabbathe der Ruhe vorangeschritten sei. (S. 205)


   Ganz im Sinne Teilhards28 führt May weiter aus: "Jede höhere Stufe kennzeichnet sich durch eine größere Selbstständigkeit [sic] des Lebens, eine vermehrte Freiheit der Bewegung und eine immer deutlicher ausgesprochene Individualität" (ebd.).

   Karl Mays - zweifellos durchgängiger - "Leitgedanke" ist der Glaube an Gottes Liebe, die alles bewegt und 'empor' führt. Das große Verlangen, das Verlangen nach Gott, verleiht den Predigten ihre Gültigkeit:


Die Heimath, die da droben unsrer wartet, zieht unser bestes und schärfstes Denken himmelwärts und nimmt unser Fühlen und Wollen gefangen in einer Sehnsucht, welche, den Meisten unbewußt, sich wie ein Faden durch unser ganzes Leben zieht. (S. 125)


   Wie kommt der Schriftsteller zu solchen Ideen? Seine "Leitgedanken" sind nicht aus der Luft gegriffen; sie sind, wie die Predigten belegen, in der Metaphysik und im christlichen Glauben, in der Tradition Platons und Augustinus' verwurzelt:


Die Gesetze, Kräfte und Erscheinungen der Natur sind nichts Anderes, als in die Zeitlichkeit getretene Gedanken des Ewigen, durch eine unfehlbare und allweise Logik zu einer Predigt verbunden, welche ebensowohl den strengen Ernst einer allwaltenden Gerechtigkeit, wie das Evangelium einer unendlichen Liebe verkündet. (S. 205)


   Die religiöse Botschaft ist die Seele des Mayschen Gesamtwerks. Wesentliche, im Erzählwerk des Dichters entfaltete Grundüberzeugungen des Christentums (und zum Teil auch anderer Religionen)29 werden in den Geographischen Predigten - leitmotivisch - schon angesprochen: der Lobpreis des Schöpfers (S. 222); die Ablehnung des 'Zufalls' zugunsten der göttlichen Führung (S. 149); das Vertrauen auf Gottes Sorge - im Geiste Paul Gerhardts und seiner Kirchenlieder (S. 126); das Bekenntnis zu Christus, dem "Gottessohn" bzw. "gottähnlichsten der Menschen" (ebd.);30 der Glaube an die Überwindung des Todes (S. 367); die Hoffnung auf die Wiedervereinigung aller Liebenden in der Ewigkeit Gottes (S. 117), die alle Sehnsucht des menschlichen Herzens erfüllt (S. 125f.).

   Mays Predigten werden wohl selten gelesen. Sie werden, auch von Experten, meist ignoriert oder heruntergesetzt. Sie leiden, so wird zum Beispiel bemängelt, unter "der Überbürdung mit diffusern Wissen" und "totem Zahlenmaterial".31 Streckenweise mag das so zutreffen. Aber insgesamt ist zu sagen: May sieht die Seele, die Innenseite der Dinge. Er hat einen Sinn für die großen Zusammenhänge. Glaube und Wissen, Religion und Erfahrung sind für ihn keine Gegensätze. Phantastische Mythologie und rationalistisches Denken, gefühlvolle Romantik und idealistische Philosophie, klassischer Humanismus und biblische Frömmigkeit, Glaube an Gottes Führung und an die Kräfte des Menschen - das sind für May keine unüberwindlichen Widersprüche.

   War er ein Wirrkopf? O nein. Er war eben - ein Dichter! Er dachte (soweit es die Religion betrifft) mehr intuitiv, mehr bildhaft als begrifflich und analytisch. Manche Formulierungen des 'Predigers' sind problematisch, vielleicht sogar falsch. Ein Profi-Theologe ist Karl May nie gewesen. In den Real-Utopien der Altersromane, in ihren Hoffnungssymbolen, ihren Märchen und Prophetien wird Mays Denken jedoch verfeinert und wei-


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tergeführt. Erst im Spätwerk, so meint - etwas überpointiert - Dieter Sudhoff, findet Karl May "zu einem in sich schlüssigen Denksystem und zu künstlerischer Form".32


7.2.3

Im Buch der Liebe: Grundgedanken des Alterswerks


In ihrer Aussage mit den Geographischen Predigten verwandt sind die von Karl May verfaßten Teile des schon erwähnten, von H.G. Münchmeyer - parallel zu den Predigten (1875/76) - anonym publizierten Buches der Liebe.33

   Von Karl May stammt mit Sicherheit der größte Teil, vielleicht aber auch der gesamte Text der ersten Abteilung (144 Seiten)34 sowie der Großteil der dritten Abteilung (256 Seiten?)35 des Sammelwerks. Mays eventuelle Mitwirkung bei der zweiten, dem Vorläuferwerk Die Geschlechtskrankheiten36 entsprechenden Abteilung dürfte sich auf eine leichte Bearbeitung, d.h. Entschärfung des Textes beschränkt haben.

   Das Gesamtwerk enthält, wie oben schon angesprochen, "keine ernstlich beanstandbaren Ausführungen".37 Auch der eindeutig von May geschriebene Text bewegt sich, was Ehe und Familie angeht, "in den konventionellen Bahnen seiner Zeit".38 Mays religionsphilosophische Erörterungen indessen verraten ein - wie Roxin kommentierte -


durchaus selbständig-kritisches, aufklärerisch beeinflußtes Denken, in dem viele Positionen und Motive seines nachfolgenden Schaffens (gerade auch des Spätwerks) vorformuliert sind. Die herausgehobenen Schlußworte der ersten Abteilung 'LIEBE und FRIEDE!' fassen als 'Devise' künftiger Zeitalter das ethische Programm des Spätwerks in erstaunlicher Weise vorausschauend zusammen.39


   Karl Mays z.B. im Friede-Roman (1901/04)40 engagiert vorgetragene Kritik an der aggressiv-missionarischen Staatsreligion begegnet uns schon im Buch der Liebe:


Das Beispiel Christi, welcher Petro befahl, das Schwert in die Scheide zu stecken [...], war vergessen und die Religion der Liebe ward auf den Spitzen der Schwerter von Land zu Land, von Volk zu Volk getragen. Unter dem Deckmantel der Religion verbargen sich alle möglichen Gelüste (I 26).41


   Auch die 'erzieherische Weiblichkeit', die in den späten Reiseerzählungen und im Alterswerk Karl Mays mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, wird schon im Buch der Liebe verkündet, und zwar schon jetzt in ihrer theologischen Dimension: In der Frau sieht May das Bild und das Gleichnis der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit (I 30f.). Eine sozusagen 'feministische Theologie' wird im Ansatz hier antizipiert.42

   Die gesamte Entwicklung des Menschengeschlechts, der Naturgeschichte und der Weltgeschichte interpretiert Karl May (wie später Teilhard de Chardin) von der göttlichen Liebe her. Wie die Geographischen Predigten beweisen auch die - Erde und Himmel verbindenden - Lebensbetrachtungen des Buches der Liebe: Religiöse Probleme haben den Schriftsteller, von Anfang an, zutiefst bewegt! Mit Leidenschaft und innerer Betroffenheit werden Themen behandelt wie: Tod, Hölle und Teufel (I 17ff.), Schuld und Vergebung (I 23f.), Versöhnung der Konfessionen und Religionen (I 25ff.) oder die Gotteserkenntnis aus der Beobachtung der Natur (III 109f.).

   Nach dieser allgemeinen Würdigung muß freilich auch kritisch vermerkt werden: Die mit Absolutheit, im Brustton der Unfehlbarkeit vorgetragenen Behauptungen des verhinderten Schulmeisters wirken, in nicht wenigen Partien des Buches der Liebe, zu forsch und zu rechthaberisch. Daß es z.B. keine Hölle und keinen Teufel gibt, das hofft und das erwägt Karl May nicht bloß, das weiß er ganz einfach! Die offenen und eher 'schwebenden' Formulierungen des Spätwerks verdienen den Vorzug. "Es wäre ja auch betrüblich,


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wenn Karl May am Ende seines Lebens nicht mehr Einsichten gehabt hätte als in der Jugend."43


7.2.4

Im 'Deutschen Familienblatt': Lustige Stücke und Wildwest-Geschichten Aus der Mappe eines Vielgereisten


Im 'Deutschen Familienblatt', der gleichzeitig mit 'Schacht und Hütte' von May gegründeten Wochenzeitschrift 'für Jedermann', erschienen keine theoretischen, zur Belehrung des arbeitenden Volkes geschriebene Abhandlungen, sondern - unter anderem - die ersten bisher bekannten Humoresken Karl Mays: im Herbst 1875 Ein Stücklein vom alten Dessauer und Die Fastnachtsnarren; im Spätsommer 1876 Auf den Nussbäumen; und im Herbst 1876 Unter den Werbern, eine weitere Dessauer-Novelle.

   Die Dessauergeschichten, denen in anderen Blättern noch mehrere folgten, zeigen Mays Vorliebe für die - anekdotisch verzerrte - Gestalt des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747), seine Vorliebe auch für Maskerade und Mummenschanz. Der Hochgestellte tritt auf im Inkognito, als Bäcker, als Leiermann, als Scherenschleifer usw. Wie der Straftäter May (aber mit verkehrten Vorzeichen) gerät er in ebenso gefährliche wie groteske Situationen hinein.44

   Den Fürsten und Feldherrn beschreibt Karl May als gewaltigen Rohling, als Säufer und Spieler, als skrupellosen Rekrutenfänger. Er dröhnt und flucht und schlägt auch zu mit dem Stock: nach Arno Schmidt eine "gekrönte Bestie", die Menschenhandel treibt und "mit allen SS-Größen wetteifern kann".45 Trotzdem soll der 'Alte', nach Mays Intention, sympathisch erscheinen: Sein Unrecht nimmt er zurück und den Schaden macht er noch gut. Zornig und hart, weich und gemütlich, herrisch und leutselig, wüst und doch hilfsbereit, das alles ist er zugleich.

   Mays ambivalentes Vaterbild ist im Fürst-Marschall Leopold zu erkennen. Der Dessauer-Stoff könnte als "Kultursatire",46 aber auch als Vorspiel, als (halb) spaßhafte Variante des späteren Hauptmotivs Karl Mays interpretiert werden: 'Gewaltmensch' und 'Edelmensch', hier vereinigt in einer Person. Literarisch gehören die Dessauer-Stücke zu den schwächeren Werken des Schriftstellers; Forst-Battaglia nannte sie "abgeschmackte Histörchen".47 Immerhin - Kritik am Absolutismus, an der Menschenverachtung des Militärapparates klingt an, wenn auch verhalten und zwischen den Zeilen.

   Die Fastnachtsnarren und Auf den Nussbäumen sind, wie auch die folgenden (in anderen Zeitschriften erschienenen) May-Humoresken, sehr flüssig und amüsant, sehr lustig und spannend geschrieben. Formal und inhaltlich sind diese Stücklein, zumindest teilweise, besser geglückt als die Dessauer-Novellen. Auf den Nussbäumen - zum Beispiel -


ist eine Geschichte mit köstlich ausgemalten Details. May arbeitet darin unter anderem mit einer gestelzten, von Fremdwörtern gespickten Sprache, so daß derb-banale Ereignisse bereits durch die Wortwahl überzeichnet und damit um so wirkungsvoller der Lächerlichkeit preisgegeben werden.48


   Den "antibürgerlichen Affekt"49 dieser Geschichten hat Lowsky herausgestellt. Noch wichtiger scheint mir ein anderer Gesichtspunkt: Zu lockeren Späßen, harmlosen Blödeleien und turbulenten Verwicklungen bieten Mays Schwänke auch wirkliche Komik! Derselbe Poet, der sein Leben lang zu leiden hatte, bringt echten Humor!

   Trotz allen Unglücks, das er erlitten hat, ist Karl May "unter den deutschen Erzählern einer der humorvollsten".50 Menschliche Schwächen, auch die des Autors selbst,51 werden in seinen Possen durchschaut. Sie werden aufgespießt und entlarvt, nicht bitter, nicht


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böse, sondern heiter und schelmisch. Mays Gelächter ist, mit Harvey Cox gesprochen, "der Hoffnung letzte Waffe":52 Verknöcherte Staatsdiener und passionierte Soldaten, selbstgefällige Spießer und frömmelnde Heuchler werden aufs Korn genommen, mit versöhnlicher Güte. Mays an sich ernste Themen - die Willkür der Mächtigen, der Kampf gegen Laster und Trunksucht, die Beschreibung von Armut, das Sichfinden der Liebenden - werden schmunzelnd, mit Augenzwinkern behandelt: Eitle Patrone, aufgeblasene 'Genies', verstockte Tyrannen, polternde Väter, herrschende Weibsen und regierende Hausdrachen werden kuriert.

   In Mays Humoresken wird das Heldische, die betonte Männlichkeit, nicht verherrlicht, sondern belächelt. Nicht um Körperkraft und schneidige Siege geht es in diesen Erzählungen, sondern ums Verstehen und Helfen, um pfiffige Streiche, die Unterdrücker entwaffnen und Unterdrückten ihr Recht werden lassen.

   Mays heitere Kurzgeschichten, die ausschließlich in Deutschland spielen, unterscheiden sich von seinen (fast gleichzeitig mit den Fastnachtsnarren erschienenen) ersten Wildwestgeschichten erheblich - in mehrfacher Hinsicht.

   Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling,53 eine künstlerisch anspruchslose Novelle, und Old Firehand, Mays früheste Winnetou-Erzählung, wurden unter dem Sammeltitel Aus der Mappe eines Vielgereisten im September bzw. Spätherbst 1875 publiziert: ebenfalls, wie die ersten Humoresken, im 'Deutschen Familienblatt'. Die Entstehungszeit ist wahrscheinlich auf das Jahr 1874, "wenn nicht sogar auf die Zeit der Zwickauer Haft bzw. kurz danach"54 anzusetzen.

   Old Firehand wurde von Karl May wiederholt überarbeitet und zuletzt in den zweiten Band der Winnetou-Trilogie (1893) integriert. Vom Edelmenschen, der auf die Rache verzichtet und seinen Feinden verzeiht, ist der 'Ur-Winnetou',55 der Apachenhäuptling in Old Firehand, noch weit entfernt. Die Recken brillieren, wie im Western-Genre üblich, als wackere Krieger, als sichere Schützen und tüchtige Reiter. Es fließt sehr viel Blut. Der Trapper Sam Hawkens, aber auch der Skalpjäger Winnetou handeln grausam.56 Old Firehand, Dick Stone und Will Parker kommen, im Gegensatz zur späteren Version, ums Leben.

   Interessant ist die Differenz des erzählenden 'Ich' - Old Shatterhand heißt der berühmte Westmann erst später - zum allmächtigen Über-Ich der künftigen Bücher:57 Das Ich des Vielgereisten wird in Old Firehand zwar - anders als in Gitano58 - als großer Held vorgestellt; auch besitzt es den (hier erstmals erwähnten) Henrystutzen, das legendäre Zaubergewehr mit den fünfundzwanzig Kugeln. Die gekränkte Vergangenheit des Erzählers, bei Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi so konsequent überdeckt, scheint aber sehr deutlich erkennbar noch durch. Sie verrät sich, zu Beginn der Erzählung, in besinnlicher Trauer, in der Sehnsucht nach Anerkennung, nach Frauenliebe und weiblichem Trost.

   Das Programm der Geographischen Predigten und des Buches der Liebe wird, trotz der blutigen Szenen, am Ende auch in Old Firehand realisiert. Mays Suche nach dem Edlen und Guten spiegelt sich in der Wandlung Ellens, der Tochter Old Firehands und Ribannas. Das schöne Mädchen hat einen Fehler: Es ist hart und kennt keine Vergebung. Ellens Leben ist der Rache verschrieben. Sie wirkte "fast erkältend auf mich, und die Glorie, mit welcher meine Erinnerung ihr Bild umgeben hatte, ward von der rauhen, rücksichtslosen Wirklichkeit verdunkelt."59 Das erzählende Ich wirft ihr vor: Der Mensch, vor allem die Frau, sei zur Güte bestimmt; wir hätten "nach höheren Dingen zu streben"60 als nach der Vergeltung. Ellen nimmt sich diese Worte, nach inneren Kämpfen und neuen Erfahrungen, doch noch zu Herzen:


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Es schwieg die Rache, [...] und Alles war vergessen, was einst bestimmend auf ihr Denken und Wollen gewirkt hatte. Sie hielt es für ein Glück zu sühnen, was sie an ihrer Weiblichkeit verbrochen hatte, und diese Sühne mußte mir den Himmel geben.61


7.2.5

In den 'Feierstunden am häuslichen Heerde': Ein orientalisches Abenteuer und Der beiden Quitzows letzte Fahrten


Der 'Himmel' war Karl May in der Realität noch verschlossen. Fürs erste gab es nur Arbeit, nur Mühe und, wie wir sehen werden, auch Ärger und Streit: im Zusammenhang mit dem 'Schundverlag' H.G. Münchmeyers.

   Wegen des begrenzten Adressatenkreises war 'Schacht und Hütte' nicht sehr erfolgreich.62 Schon nach einem Jahrgang, ab September 1876, ersetzte Karl May diese Zeitschrift durch eine dritte Neugründung: die 'Feierstunden am häuslichen Heerde. Belletristisches Unterhaltungsblatt für alle Stände'. Das 'Deutsche Familienblatt' erlebte, von Herbst 1876 bis Herbst 1877, noch einen zweiten Jahrgang.

   In den 'Feierstunden' erschienen von May im Herbst 1876 die Humoreske Im Wollteufel und das Orient-Abenteuer Leilet. Im Wollteufel ist eine hübsche, eher tragikomisch angelegte Geschichte mit versteckten Reminiszenzen aus der Kindheit und Jugendzeit Karl Mays.63 Mit Leilet, seiner ersten im Orient spielenden Erzählung, hat May einen anderen Weg beschritten. Leilet ist eine ziemlich "kolportagehafte Liebesgeschichte",64 die der Schriftsteller unter dem Pseudonym 'M. Gisela' herausbrachte. In seiner Handlungsstruktur und manchen erzählerischen Einzelheiten erinnert der Text an Wilhelm Hauffs Märchen 'Die Errettung Fatmes'.65 Für Peter Roseggers 'Heimgarten' wurde Leilet, unter dem Titel Die Rose von Kahira, nachgedruckt66 und schließlich - neu gestaltet - für Mays Reiseerzählung "Giölgeda padishanün" (später Durch die Wüste) wiederverwendet.

   Ende 1876 bis Anfang 1877 folgte in den 'Feierstunden' Mays erster Roman Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Historischer Roman aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern.67

   Der Quitzow-Text hat eigentlich drei Autoren. Unter dem Titel Fürst und Junker wurde der Roman, im ersten Jahrgang des 'Deutschen Familienblattes', von Friedrich Axmann68 begonnen. Unter Zeitdruck setzte Karl May dieses Werk fort. Nach Mays Ausscheiden aus dem Münchmeyer-Verlag hat Dr. Heinrich Goldmann,69 wahrscheinlich mit Hilfe des Mayschen Konzepts, den Roman zu Ende geführt.

   Die Protagonisten dieses - in den Jahren 1411 bis 1414 spielenden - Ritterromans sind fast durchwegs historische Personen: z.B. Dietrich von Quitzow, Werner von Holtzendorff, Caspar Liebenow, Jobst Schwalbe und Otto von Suteminn. Als Quelle benützte May Die Mark Brandenburg unter Kaiser Karl IV., ein historisches Werk von K.F. Klöden (Berlin 1837); einige Handlungsteile und Dialoge übernahm er fast wörtlich.70 Von einem Plagiat kann freilich nicht die Rede sein; denn selbständig, in seiner ihm eigenen Art, hat Karl May die vorgegebenen Stoffe gestaltet und neu belebt.

   Von der May-Forschung wurde der Quitzow-Roman lange vernachlässigt. Zu Unrecht: denn seine Bedeutung liegt "in der Schlüsselfunktion, die er für die weitere schriftstellerische Entwicklung des noch jungen und unerfahrenen Autors zum erfolgreichen Romanschriftsteller hatte."71

   Sachlich und erzählerisch weisen die Quitzow-Geschichten nicht unbedeutende Mängel auf.72 Doch die religions- und sozialkritischen Ansätze lassen uns aufhorchen: Die Kritik


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an den Mächtigen, an ihrer Gewalt und ihrem schein-religiösen Zynismus, kommt einer -narrativen, erzählenden - 'Theologie der Befreiung' schon nahe.

   Mit der Figur des Eusebius, des schuftigen Burgkaplans, sorgt May für 'Kulturkampf'-Stimmung. Und ein wichtiges Anliegen des Autors wird demonstriert: das Leid an ungerechten Verhältnissen. Die Willkür, die kalte Herrenmacht des Dietrich von Quitzow hat das Privatleben des Ritters Suteminn zerstört. Dietz und Kuno von Quitzow, die edler fühlenden Söhne des 'Gewaltmenschen' Dietrich, sind bereit, für das Unrecht des Vaters Sühne zu leisten - ein bezeichnendes Motiv, das sich im Spätwerk Karl Mays, in Ardistan und Dschinnistan und Winnetou IV, wiederfindet. Die beiden Söhne vertreten die neue, die bessere Generation. Sie durchschauen ihre Umgebung, deren Handeln und Denken, als bösartig und heuchlerisch. Denn das Pochen der Ritter auf den 'göttlichen Willen' geht auf Kosten der Armen, der Gedemütigten und Entrechteten.

   Die Geographischen Predigten erweisen sich, auch diesmal, als "Leitgedanken" des Mayschen Erzählwerks: Das religiöse Sendungsgefühl, das Fortschrittspathos, der ethische Entwicklungsoptimismus der Predigten werden umgesetzt in farbige Szenen und spannende Handlung.



Anmerkungen


1Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 184.
2Gert Ueding: Der Traum des Gefangenen. Geschichte und Geschichten im Werk Karl Mays. In: JbKMG 1978, S. 60-86 (S. 71).
3Vgl. Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer (1905 bzw. 1909). Prozeßschriften, Bd. 2. Hrsg von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 279 - Hartmut Kühne: Ein Nachwort zu "Wanda". In: MKMG 21 (1974), S. 9-13 - Hainer Plaul: Redakteur auf Zeit. Über Karl Mays Aufenthalt und Tätigkeit von Mai 1874 bis Dezember 1877. In JbKMG 1977, S. 114-217 (S. 160).
4Joachim Biermann: (Werkartikel zu) Wanda. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 486-489 (S. 486).
5Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 3, S. 163.
6Eckehard Koch: (Werkartikel zu) Der Gitano. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 420f. (S.420).
7Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 184 - Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 117.
8Vgl. Hainer Plaul: Illustrierte Karl-May-Bibliographie. München 1989, S. 21ff.
9Vgl. Karl May: Schacht und Hütte. Mit einer Einführung von Klaus Hoffmann. Reprint Hildesheim, New York 1979, passim. - Die Aufsätze finden sich (leicht überarbeitet) auch in: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 72: Schacht und Hütte. Bamberg, 35. Tsd., S. 233-297.
10Dieter Sudhoff. (Werkartikel zu) Bete und Arbeite! und andere Aufsätze. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 575ff. (S. 576).
11Abgedruckt bei May: Schacht und Hütte, wie Anm. 9, passim; leicht bearbeitet auch in Ges. Werke, Bd. 72, wie Anm. 9, S. 315-493.
12Nach Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 3, S. 155f.
13Vgl. Arno Schmidt: Abu Kital. Vom neuen Großmystiker. In: Dya Na Sore. Gespräche in einer Bibliothek. Karlsruhe 1958; hier zit. nach Helmut Schmiedt (Hrsg.): Karl May. Frankfurt/M. 1983, S. 45-74 (S. 55) - Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 49f. - Martin Lowsky. Karl May. Stuttgart 1987, S. 40. - Sehr positiv wertet hingegen Walther Ilmer: Karl May - Mensch und Schriftsteller. Tragik und Triumph. Husum 1992, S. 49: Die Geographischen Predigten sind "inhaltlich anspruchsvoll und sprachlich von hoher Qualität - eine erstaunliche Leistung."
14Vgl. oben, S. 118ff.
15Vgl. oben, S. 52.


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16Vgl. Heinz Stolte: Auf den Spuren Nathans des Weisen. Zur Rezeption der Toleranzidee Lessings bei Karl May. In: JbKMG 1977, S. 17-57.
17Vgl. Eckehard Koch: "Jedes irdische Geschöpf hat eine Berechtigung zu sein und zu Leben". Zum Verhältnis von Karl May und Johann Gottfried Herder. In: JbKMG 1981, S. 166-206. - Eine 'Verwandtschaft' mit Herder wäre, über Sekundärquellen, natürlich auch möglich, wenn May Herders Schriften nicht unmittelbar gekannt haben sollte; vgl. Koch: Ebd., S. 178ff.
18Vgl. Hartmut Wörner: Karl Mays astronomisches Weltbild. In: MKMG 53 (1982), S. 5-14 (S. 10-14).
19Diese These kann hier nicht im einzelnen belegt werden. Eine Spezialarbeit über Mays Geographische Predigten und vergleichbare Gedanken in der christlichen Theologie des 20. Jahrhunderts steht noch aus und wäre sehr reizvoll.
20Vgl. Fritz Prüfer: Karl Mays "Geographische Predigten": - ein Programm. In: KMJB 1921. Radebeul 1920, S. 94-114 - Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde (Reprint der Erstausgabe von 1936). Bamberg 1979, S. 51 ff. - Britta Berg: Religiöses Gedankengut bei Karl May. SKMG Nr. 47 (1984), S. 5-10.
21Vgl. May: Schacht und Hütte, wie Anm. 9, S. 118.
22Dieter Sudhoff: (Werkartikel zu) Geographische Predigten. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 574f.
23Vgl. z.B. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 141.
24Vgl. unten, S. 687ff.
25Seitenangaben in () beziehen sich auf die Reprint-Ausgabe des Originaltextes, wie Anm. 9.
26Aus der Erwiderung Karl Mays (pseud. Richard Plöhn) an F. Mamroth in der Dortmunder 'Tremonia'; zit. nach Karl May: May gegen Mamroth. Antwort an die "Frankfurter Zeitung". In: JbKMG 1974, S. 131-152 (S. 135).
27Aus einem von May verfaßten Flugblatt (1901?), wiedergegeben in: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34: "Ich". Bamberg 361976, S. 201.
28Vgl. Pierre Teilhard de Chardin: Der Mensch im Kosmos (Le Phénomène Humain). München 1959 (Sonderausgabe 1965), S. 47ff. u. 267ff. (Kapitel 'Das Universum - persönlichkeitsbildend'). - Vgl. unten, S. 669f. u. 703.
29Vgl. (allgemein und ohne Bezug auf die Geographischen Predigten) Ernst Seybold: Plädoyer für Karl Mays Christlichkeit. In: MKMG 68 (1986), S. 11-17 (Fortsetzung in: MKMG 69 (1986), S. 31-38).
30Diese Formulierung läßt aufhorchen, wenngleich sie im Sinne der kirchlichen Christologie wohl nicht adäquat ist; vgl. Ernst Seybold: Aspekte christlichen Glaubens bei Karl May. SKMG Nr. 55 (1985), S. 27. - Zur Problematik vgl. grundsätzlich (auch für suchende Leser hilfreich) Karl Rahner: Christologie heute. In: Ders.: Schriften zur Theologie XV. Zürich, Einsiedeln, Köln 1983, S. 217-224.
31Sudhoff: Geographische Predigten, wie Anm. 22, S. 575.
32Ebd.
33Ein Abschnitt der Geographischen Predigten ('Himmel und Erde') findet sich im Buch der Liebe nahezu textgleich wieder.
34Nach Roland Schmid sind die Seiten 8-10 u. 58-70 Fremdeinschübe; vgl. Gernot Kunze: Einführung. In: Karl May: Das Buch der Liebe. Dresden 1875/76. Reprint der KMG, Bd. II (Kommentarband). Hrsg. von Gernot Kunze. Regensburg 1988/89, S. 7-50 (S. 45, Anm. 84).
35Der ursprüngliche Umfang der 3. Abteilung steht nicht mit Sicherheit fest; die Seiten 145ff. (bis S. 256?) sind noch immer verschollen, falls dieser Text überhaupt je verbreitet wurde und nicht der Zensur zum Opfer fiel; vgl. Kunze, wie Anm. 34, S. 22 u. 45 (Anm. 77). - Nach Kunze: Ebd., S. 23-28, könnten Teile der vorliegenden 3. Abteilung von einem anderen, unbekannten Autor stammen; einige Partien sind mit Sicherheit nicht von Karl May verfaßt.
36Vgl. oben, S. 135f.
37Claus Roxin: Geleitwort. In: May: Das Buch der Liebe, wie Anm. 34, Bd. I (Textband), S. 5f. (S. 6); vgl. oben, S. 135.
38Ebd., S. 5.
39Ebd. - Vgl. Seybolds Ausführungen in: Hermann Wohlgschaft/Ernst Seybold/Hansotto Hatzig: Stimmen zum "Buch der Liebe". In: MKMG 80 (1989), S. 48-51 (S. 49ff.).
40Vgl. unten, S. 627.
41Seitenangaben in () beziehen sich auf die 1. bzw. 3. Abteilung des Buches der Liebe im Reprint der KMG (Bd. I: Textband, wie Anm. 37).


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42Vgl. unten, S. 660ff.
43Claus Roxin in einem Brief vom 19.1.1989 an den Verfasser; vgl. auch meine Ausführungen in: Wohlgschaft/Seybold/Hatzig, wie Anm. 39, S. 48f.
44Vgl. Werner Raddatz: Das abenteuerliche Leben Karl Mays. Gütersloh 1965, S. 65ff.; Hinweis bei Claus Roxin: Vorläufige Bemerkungen über die Straftaten Karl Mays. In: JbKMG 1971, S. 74-109 (S. 90).
45Schmidt, wie Anm. 13, S. 53.
46Lowsky, wie Anm. 13, S. 41.
47Otto Forst-Battaglia: Karl May. Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Beiträge zur Karl-May-Forschung I. Bamberg 1966, S. 172.
48Eckehard Koch: (Werkartikel zu) Auf den Nussbäumen. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 421f. (S. 422). - "Durch die Kürzungen und Eindeutschungen vieler Fremdworte" in den Gesammelten Werken, Bd. 47 (Professor Vitzliputzli) "hat die Erzählung viel von ihrem Reiz verloren." (Koch, ebd.)
49Lowsky, wie Anm. 13, S. 41.
50Heinz Stolte: Narren, Clowns und Harlekine. Komik und Humor bei Karl May. In: JbKMG 1982, S. 40-59 (S. 56).
51Vgl. ebd., S. 47ff. (hier mit Bezug auf Hadschi Halef, Sam Hawkens, Hobble-Frank u.v.a.).
52Vgl. Harvey Cox: Das Fest der Narren. Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe. Stuttgart 41972.
53Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 185: Im 'Deutschen Familienblatt' "begann ich sofort mit 'Winnetou', nannte ihn aber einem andern Indianerdialekt gemäß einstweilen noch In-nu-woh." - Zu Mays Bearbeitungen dieser Kurzgeschichte (sie wurde zuletzt in das 1. Kapitel von Der Schatz im Silbersee eingearbeitet) vgl. Ekkehard Bartsch: "Ich begann sofort mit 'Winnetou'". Zur Neuentdeckung eines unbekannten frühen Karl-May-Textes. In: JbKMG 1980, S. 189-192 - Joachim Biermann: (Werkartikel zu) Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 489ff.
54Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 3, S. 172.
55Vgl. Franz Kandolf: Der werdende Winnetou. In: KMJB 1921. Radebeul 1920, S. 336-360 (auch in: Karl Mays 'Winnetou'. Studien zu einem Mythos. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Frankfurt/M. 1989, S. 179-195). - Über die Herkunft und die Bedeutung des Namens 'Winnetou' wurde viel gerätselt; dazu Werner Poppe: "Winnetou". Ein Name und seine Quellen. In: JbKMG 1972/73, S. 248-253 - Wolf-Dieter Bach: Sich einen Namen machen. In: JbKMG 1975, S. 34-72 (S. 63f., Anm. 26) - Eckart Klein: "Brennendes Wasser". In: MKMG 80 (1989), S. 53f.
56In den späteren Reiseerzählungen wurden die Helden, besonders der Häuptling Winnetou, neu konzipiert und zunehmend verchristlicht.
57Zur Entstehung und Entwicklung des Mayschen 'Ich'-Helden vgl. Viktor Böhm: Karl May und das Geheimnis seines Erfolges. Gütersloh 21979, S. 40ff.
58In Inn-nu-woh ist das 'Ich' sogar nur der Zuschauer, der in die Handlung überhaupt nicht eingreift.
59Karl May: Old Firehand. Reprint 'Deutsches Familienblatt'. Hamburg 1975, S. 206b; zit. nach Werner Tippel/Hartmut Wörner: Frauen in Karl Mays Werk. SKMG Nr. 29 (1981), S. 10.
60May: Old Firehand, wie Anm. 59, S. 236b.
61Ebd., S. 271a; zit. nach Tippel/Wörner, wie Anm. 59, S. 11 - Zur Deutung Ellens vgl. Peter Krauskopf. Old Firehand. I. Versuch einer psychoanalytischen Untersuchung. In: MKMG 39 (1979), S. 16-19 - II. Versuch einer ideologiekritischen Interpretation. In: MKMG 40 (1979), S. 36ff.
62Vgl. Heermann, wie Anm. 7, S. 118.
63Vgl. Eckehard Koch: (Werkartikel zu) Im Wollteufel. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 424f.
64Claus Roxin: Einführung. In: Karl May: "Giölgeda padishanün" - Reise-Abenteuer in Kurdistan. 'Deutscher Hausschatz'. Reprint der KMG. Hamburg, Regensburg 1977, S. 2-6 (S. 3).
65Vgl. Bernhard Kosciuszko: Leilet - 'Eine Rose des Morgenlandes'. In: MKMG 63 (1985), S. 26.
66Vgl. unten, S. 151.


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67Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl Mays Werke I.4. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1992; stark bearbeitet (so daß die ursprüngliche Konzeption nicht mehr erkennbar ist) auch in: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 69: Ritter und Rebellen.
68Vgl. Karl Serden: Zum Thema May-Axmann. In: MKMG 83 (1990), S. 37-40.
69Vgl. Joachim Biermann: Wer war Dr. Goldmann? Zur Entstehung des Romans "Der beiden Quitzows letzte Fahrten". In: MKMG 74 (1987), S. 39-46. - Wiedenroth/Wollschläger: Editorischer Bericht. In: May: Quitzows, wie Anm. 67, S. 677-683.
70Vgl. Siegfried Augustin: (Werkartikel zu) Der beiden Quitzows letzte Fahrten. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 4, S. 365-369 (S. 365f.) - Ders.: Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl Mays literarisches Gesellenstück. In: JbKMG 1991, S. 250-286.
71Augustin: Werkartikel, wie Anm. 70, S. 369.
72Zu den Schnitzern, die May in diesem Werk unterlaufen sind, vgl. schon Forst-Battaglia, wie Anm. 47, S. 92.



7.3

Trennung von Münchmeyer und Suche nach neuen Verlegern: Erzgebirgische Dorfgeschichten und weitere Erzählungen


Das Arbeitsverhältnis mit Münchmeyer währte nur knappe zwei Jahre. Schon im Oktober oder November 1876 kündigte May.1

Für die Trennung von Münchmeyer gab es wohl mehrere Gründe. Am 23. Februar   1876 wurde das Verlagsgebäude ein weiteres Mal von der Polizei durchsucht.2 Bei dieser Gelegenheit wurden auch zahlreiche Exemplare des Buches der Liebe beschlagnahmt. In das folgende Gerichtsverfahren war Karl May, als verantwortlicher Redakteur, verwickelt.3 Die Vorladung erfolgte wahrscheinlich im Oktober 1876. Gegenstand der Verhandlung war unter anderem das Buch der Liebe. Diese Ereignisse dürften interne Streitigkeiten ausgelöst haben, "in deren Folge Mays Kündigung eingereicht wurde"4

   Karl May war angeklagt! Eine traumatische Situation, die ihn schockiert haben wird! Ob Heinrich Münchmeyer und Otto Freitag (Mays Vorgänger als Redakteur) verurteilt wurden, ist fraglich.5 Friedrich Münchmeyer - der Geschäftsführer - wurde in der zweiten Instanz, Karl May schon in der ersten Instanz freigesprochen.6 Doch der Schriftsteller hatte von der 'Münchmeyerei' nun genug. Er zog die "Konsequenzen. Meines Bleibens war hier nicht. Ich wollte aus dem Abgrund heraus, nicht aber wieder hinunter!"7

   Münchmeyer "gehörte zu jenen Leuten, die gern vom Hohen schwärmen, aber doch vom Niedrigen leben."8 Über den Buchdrucker Friedrich Gleißner gewann Karl May "so manchen Einblick in die Geschäftspraktiken und in die persönlichen Verhältnisse der Familie Münchmeyer".9 Dies könnte der weitere Grund für Mays Rückzug gewesen sein: Seine Arbeit verlor an Freiheit! Denn Ida Pauline Münchmeyer (1840-1928), die einflußreiche Frau des Verlegers, hätte den Schriftsteller - um ihn stärker an die Firma zu binden? - gerne zum Schwager gehabt. "Man setzte alle Hebel in Bewegung, dies zu erreichen."10 Minna Ey (1843-1918), die Schwester der Prinzipalin, kümmerte sich um Mays Wohnung, seine Bewirtung, seine Wäsche usw.11 Eine Heirat mit der dreiunddreißigjährigen Minna kam für May aber nicht in Frage, zumal er Emma Pollmer, die künftige Ehefrau, vermutlich schon kannte.12

   Nach Ablauf der Kündigungsfrist, Anfang 1977 (noch während der Arbeit am Quitzow-Roman), schied Karl May aus und zog um in die Pillnitzer Straße 72: "zu einer alten, reichen Dame, der Wittfrau Groh".13


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   Die gesicherte Stellung bei Münchmeyer aufzugeben, war für Karl May ein Wagnis, das Mut und Entschlußkraft verlangte. Die Lösung vom Dresdner Kolportageverlag hatte May aber schon vorbereitet. Er hatte Kontakte zu anderen Verlagen geknüpft:14 zu Hermann Schönlein in Stuttgart,15 zu Theodor Herrmann in Wiesbaden, zu Eduard Trewendt in Breslau. Bei jeder dieser Firmen bot er sich an und bei jeder brachte er einiges unter - zum Teil auch Nachdrucke von früheren, schon bei Münchmeyer erschienenen Erzählungen.

   Im August 1877 konnte May seine Humoreske Die verhängnißvolle Neujahrsnacht publizieren: eine an sich triviale, aber technisch geglückte, nach dem Symmetrie-Prinzip aufgebaute16 Erzählung. Sie erschien in 'Trewendt's Volks-Kalender für 1878'. Mays Schaffen fand damit "erstmals Anerkennung von seiten einer Verlagsfirma, die zu den eingeführten und angesehenen Instituten ihrer Art gehörte".17

   Ebenfalls im August 1877 kam bei Schönlein Der Dukatenhof. Eine Erzählung aus dem Erzgebirge. Von Karl May heraus: eine hochdramatische, besonders gut geschriebene Dorfgeschichte. Wie die folgenden Dorfgeschichten Der "Samiel" (November 1877), Der Kaiserbauer (Dezember 1877) u.a. erinnert Der Dukatenhof an zeitgenössische Autoren wie Berthold Auerbach, Ludwig Anzengruber, Peter Rosegger und - cum grano salis - auch Ludwig Ganghofer.18

   Mays erzgebirgische Dorfgeschichten19 unterscheiden sich von seinen, im selben Milieu spielenden, 'Humoresken' vor allem durch folgende Merkmale: Die Humoresken verzichten aufs Moralisieren, auf den übertriebenen Gegensatz von 'schlechten' und 'guten' Charakteren. Es sind im Grunde nur durchschnittliche Allerweltstypen, die hier geschildert werden: zwar mit Fehlern und Schwächen, ver-rückt ins Skurrile, aber nie wirklich böse; und von Tragik kaum eine Spur! Anders die 'Dorfgeschichten': Die Buffo-Figuren, die lustigen Späße fehlen hier gänzlich. Die Protagonisten sind ernst, dabei überzeichnet und grobgeschnitzt. Ihr Verhalten scheint, gemessen an der Alltagsrealität, ziemlich unwahrscheinlich. Die Handlung wirkt "dick aufgetragen, bar jedes Ansatzes einer Psychologie der Gestalten",20 wie Forst-Battaglia beanstandet hat.

   Einem Vergleich mit den Dorfgeschichten Gottfried Kellers und Theodor Storms halten Mays Frühwerke, ästhetisch gesehen, sicher nicht stand.21 Die Kritik sollte die Intention der Mayschen Dorfgeschichten aber nicht übersehen: Sie wollen den Leser (und den Autor) ermahnen und warnen, erschrecken und aufrütteln. Die 'Schwarz-Weiß-Malerei' wird verständlich, wenn die volkspädagogische und selbsttherapeutische Absicht bedacht wird. Die religiöse Tendenz, das katechetische Anliegen ist klar zu ersehen: Gott erbarmt sich der Schwachen; er gibt den Verschmähten ihre Würde zurück; er verzeiht den Sündern, die Buße tun.

   In der Ich-Form sind weder die Humoresken noch die Dorfgeschichten verfaßt. Aber den autobiographischen Hintergrund erkennt der kundige Leser sehr leicht. Mays Motive sind Chiffren: Bilder und Gleichnisse für die Ängste und Wünsche des Dichters, für seine Idee vom erneuerten und gereinigten Menschsein.

   Abgesehen vom fremdländischen Kolorit sind viele Themen der späteren Reiseerzählungen in Mays Dorfgeschichten schon vorgebildet. Düstere Wälder und tückische Schluchten, kriminelle Vergehen und der Sieg der Gerechtigkeit, verfemte Außenseiter und geheimnisvolle - wie 'Herrgottsengel' erscheinende - Rettergestalten,22 diese und andere Motive aus der Biographie des Autors "zeigen bereits hier einen Teil dessen, was in stets abgewandelter Weise bis zum Ende seines Schaffens [...] für die Werke Karl Mays charakteristisch ist."23


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   Mays Dorfgeschichten sind nicht zu verachten. Sie sind "erzählerisch und formal gelungen".24 Schon hier, in den erzgebirgischen Dorfgeschichten, erweist sich May als einer der "großen Schilderer von Verstrickung und Erlösung".25 Doch seinen Ruhm verdankt der Schriftsteller seinen späteren Werken. Die Stunde Old Shatterhands und Kara Ben Nemsis war noch nicht gekommen. Und auch der Name 'Karl May' war noch unbekannt.

   Die ersten Erfolge waren freilich schon eingetreten. Die Verbindung mit Peter Rosegger (1843-1918), die auf den Sommer des Jahres 1877 zurückgeht,26 kam noch hinzu. In seiner Monatsschrift 'Heimgarten' (Graz) brachte Rosegger von Karl May, im Herbst 1877, Die Rose von Kahira (den Nachdruck von Leilet) und im Februar/März 1878 Die falschen Excellenzen, eine gelungene Persiflage auf den Moltke- und Bismarckkult. Daß Karl May dieses Stücklein in Österreich anbot und daß es in Deutschland, zu Lebzeiten des Autors, nicht veröffentlicht wurde, ist "bezeichnend genug".27

   Zwei weitere von May, wohl im Herbst 1877, eingesandte Schriften, eine Dorfgeschichte - welche, ist leider unbekannt - und die Erzählung Im fernen Westen (eine Neufassung des Old Firehand), schickte Rosegger zurück.28 An seinen Freund Robert Hamerling aber hatte er am 12. Juli 1877 geschrieben:


Vor kurzem erhielt ich von einem Herrn Karl May [...] eine Erzählung Die Rose von Kahira, ein Abenteuer in Egypten. Diese Geschichte ist so geistvoll und spannend geschrieben, daß ich mir einerseits gratuliere, anderseits Zweifel habe, ob das Manuskript wohl auch Original ist. Hätten Sie, Herr Professor, vielleicht zufällig den Namen Karl May schon gehört [...]? Seiner ganzen Schreibweise nach halte ich ihn für einen vielerfahrenen Mann, der lange Zeit im Orient gelebt haben muß.29


   Mays Talent war groß und sein Fleiß war gewaltig. Außer Rosegger, außer Schönlein, Herrmann und Trewendt belieferte er - gleichzeitig - den Verlag Adolph Wolf in Dresden: mit der Humoreske Das Ducatennest (erschienen im Januar 1878), der Dorfgeschichte Der Teufelsbauer (März 1878) und der Dessauer-Novelle Die drei Feldmarschalls (April 1878).

   Trotz seines Fleißes wurde die Finanzlage Mays ziemlich schwierig. Ein gesichertes Einkommen fehlte. Der Schriftsteller verdiente nur wenig mehr als die Hälfte seines Redakteursgehaltes bei Münchmeyer.30 Das änderte sich, als er Ende 1877 in Dresden bei Bruno Radelli, dem Konkurrenten des Münchmeyer-Verlags, eine Anstellung fand. Die kritischen Monate waren, zunächst, überstanden.

   May redigierte den zweiten Jahrgang (1878) des Radelli-Blatts 'Frohe Stunden', einer 'Sammlung der neuesten und besten Romane und Novellen unserer beliebtesten Schriftsteller der Gegenwart'.

   Für die 'Frohen Stunden' arbeitete May als Redakteur und als Autor. In diesem Unterhaltungsjournal erschienen von Karl May zwölf Erzählungen: Der Oelprinz, Die Gum, Ein Abenteuer auf Ceylon, Die Kriegskasse, Aqua benedetta, Auf der See gefangen, Ein Self-man, Husarenstreiche, Der Africander, Vom Tode erstanden, Die Rache des Ehri und Nach Sibirien. Sieben dieser Beiträge verfaßte May unter dem Pseudonym 'Emma Pollmer' - eine Reverenz an seine Verlobte.

   Aqua benedetta - um ein besonderes Beispiel herauszugreifen - ist die knapper gefaßte Vorläufer-Version einer im März 1880 von May, unter dem Pseudonym 'Ernst von Linden', in Pustets 'Deutschem Hausschatz' veröffentlichten Erzählung mit dem Titel Ein Fürst des Schwindels. Nach authentischen Quellen.

   Die historische Gestalt des Grafen von Saint-Germain (gest. 1784 oder 1795), eines Alchimisten und Scharlatans, wird in Mays Erzählung als Betrüger entlarvt. Am Ende wird Saint-Germain das Opfer seines eigenen Tricks. Er vernichtet sich selbst! Ein 'symboli-


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sches', für Karl May mit Angst (und düsterer Vorahnung?) besetztes Thema, das den Autor nie wieder loslassen wird.


Der Reiz dieses Werks rührt von der Seelenverwandtschaft Mays, des zeitweiligen komödiantenhaften Hochstaplers, mit dem 'Fürsten des Schwindels'. Mays ambivalente Gefühle prägen eindringlich die Darstellung, wenn er diese Gestalt trotz ihrer Bösewicht-Rolle als Mann von Geist und sehr elegantem Benehmen auftreten läßt.31


   Seiner exemplarischen Bedeutung wegen soll ein weiterer Text der Radelli-Serie kurz vorgestellt werden: Auf der See gefangen ist, nach den Quitzow-Geschichten, Mays zweiter Roman, ein "Mordsroman gewissermaßen, der gleich fünf Romangattungen in einem bot: Kriminalroman, Indianerroman, Seeräuberroman, Gesellschaftsroman, Liebesroman."32

   Der Roman, die epische Dichtung wird später zum eigentlichen Genre Karl Mays. Aber Auf der See gefangen bzw. Schloß Wildauen (so der Titel des Nachdrucks von 1888)33 ist noch ein Lehrlingsstück "ohne rechten Pfiff".34 Das Können, das handwerkliche Geschick des Autors steht, was Romane betrifft, "erst ganz am Beginn seiner Entwicklung".35 Doch interessant ist der Text vor allem deshalb, weil May - wieder einmal - seine 'Biographie' korrigiert. Max von Schönberg-Wildauen, zu Unrecht verurteilt, dann entflohen und zuletzt auf wunderbare Weise rehabilitiert, "ist eindeutig eine Identifikationsfigur Mays":36 Ma(y)x arbeitet sich hoch. Er gelangt zu Ehre und Ruhm - der Wunschtraum des Gefangenen in Schloß Osterstein und in Waldheim!

   Noch mehr als die erzgebirgischen Dorfgeschichten können Mays Erzählungen in den 'Frohen Stunden' als "Programm der zukünftigen Reiseerzählungen"37 bezeichnet werden. Später hat der Schriftsteller fast alle diese Werke erweitert und, in veränderter Form, bei Pustet oder Fehsenfeld publiziert.38 Mays Technik, die früheren Stücke neu zu gestalten und (zum Teil) auch wesentlich zu verbessern, ist für die May-Forschung ein ergiebiges Terrain: Der Vergleich der Textvarianten gibt Aufschluß über die künstlerische Entwicklung des Verfassers.39

   Unter den zwölf Erzählungen Mays in den 'Frohen Stunden' finden sich acht exotische Abenteuergeschichten. Fiktiv insgesamt, aber scharf in vielen Details, sind diese Werke phantastisch und doch wieder 'real' in der Handlung. Und schon bald wird es der Schriftsteller noch viel besser verstehen, so 'echt' und so packend zu schreiben, als habe er seine Schauplätze wirklich besucht und seine Abenteuer tatsächlich erlebt.

   War auch der Autor Karl May ein 'Fürst des Schwindels'? Hat er seine Vorlagen kopiert? Hat er geschickt und elegant plagiiert?

   "Habe viele Romane gelesen, Reisebeschreibungen. Cooper, Marryat, Möllhausen, Gerstäcker."40 Graf Walesrode teilt es uns mit, in Mays Enthüllungsroman Waldröschen (1882-84)!

   Aber die Benutzung von Fremdwörterbüchern, die Lektüre von Reiseberichten, die Vertrautheit mit bekannten Vertretern der Aventiure-Literatur41 - mit Schriftstellern wie Gerstäcker, Ferry, Cooper, Sealsfield, Möllhausen, Marryat, Retcliffe, Browne, Catlin, Dumas, Sue oder Daudet -, auch mit Märchenerzählern wie Hauff, mit der Sammlung Tausend und eine Nacht usw., erklären Mays Schreibweise nur zum geringeren Teil.42 Seine Phantasie, sein wachsendes Einfühlungsvermögen in fremde Völker und Sitten bleiben - trotz solcher Vorlagen - ein erstaunliches Phänomen.

   Karl May hatte Vorbilder, doch seine besondere Art des Fühlens und Träumens ist original. Er löste sich von den Mustern. Abgesehen von Einzelfällen in der Zeit seiner literarischen Anfänge43 ist zu vermerken: Dieser Autor ging eigene Wege. Er kopierte nicht


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und war nicht zu kopieren. Zum Teil schon im Frühwerk, vorzugsweise aber in den künftigen Schöpfungen Karl Mays, "wie sie nie einer vor ihm und nie einer nach ihm zuwege gebracht hat, weht die Faszination des Unverwechselbaren."44



Anmerkungen


1Vgl. Hainer Plaul: Redakteur auf Zeit. Über Karl Mays Aufenthalt und Tätigkeit von Mai 1874 bis Dezember 1877. In: JbKMG 1977, S. 114-217 (S. 187).
2Nach Presseberichten in den 'Dresdner Nachrichten'; vgl. Gernot Kunze: Einführung. In: Karl May: Das Buch der Liebe. Dresden 1875/76. Reprint der KMG, Bd. 11 (Kommentarband). Hrsg. von Gernot Kunze. Regensburg 1988/89, S. 7-50 (S. 35ff.).
3Vgl. Gerhard Klußmeier: Die Gerichtsakten zu Prozessen Karl Mays im Staatsarchiv Dresden. Mit einer juristischen Nachbemerkung von Claus Roxin. In: JbKMG 1980, S. 137-174 (S. 140); dazu Kunze, wie Anm. 2, S. 29ff.
4Kunze: Ebd., S. 30.
5Vgl. Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 186 (eine Verurteilung Münchmeyers und Freitags wird hier behauptet); dazu Kunze, wie Anm. 2, S. 49 (Anm. 129).
6Vgl. Kunze: Ebd., S. 35.
7May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 5, S. 185.
8Ebd., S. 181.
9Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 1, S. 183.
10Karl May: Ein Schundverlag. Ein Schundverlag und seine Helfershelfer (1905 bzw. 1909). Prozeßschriften, Bd. 2. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 305; vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 5, S. 186; vgl. Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 1, S. 180ff.
11Vgl. May: Ein Schundverlag, wie Anm. 10, S. 304.
12Vgl. z.B. Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 62-123 (S. 90). - Walther Ilmer: Das Märchen als Wahrheit - die Wahrheit als Märchen. Aus Karl Mays 'Reise-Erinnerungen' an den erzgebirgischen Balkan. In: JbKMG 1984, S. 92-138 (S. 136f., Anm. 64), nimmt allerdings erst den März 1877 als Beginn für die engere Bekanntschaft Mays und Emmas an.
13Karl May: Frau Pollmer - eine psychologische Studie (1907). Prozeßschriften, Bd. 1. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 808.
14Vgl. Gerhard Klußmeier - Hainer Plaul (Hrsg.): Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim, New York 1978, S. 65.
15Schon während seiner Münchmeyer-Zeit, im August 1876, hatte May bei Schönlein eine Humoreske mit dem Titel Ausgeräuchert publiziert.
16Vgl. Wojciech Kunicki: Karl Mays Humoreske 'Die verhängnisvolle Neujahrsnacht'. Versuch einer Interpretation. In: JbKMG 1988, S. 248-267 (S. 250).
17Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 1, S. 192.
18Vgl. Jürgen Hein: Die 'Erzgebirgischen Dorfgeschichten'. Zum Erzähltyp "Dorfgeschichte" im Frühwerk Karl Mays. In: JbKMG 1976, S. 47-68 - Ders. (Werkartikel zu) Der Dukatenhof. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 12, S. 459-462.
19Mays Dorfgeschichten finden sich - teilweise - in: Erzgebirgische Dorfgeschichten. Karl May's Erstlingswerke. Autorisierte Ausgabe, Bd. 1. Dresden-Niedersedlitz 1903 (Reprint Hildesheim, New York 1977) bzw. in: Karl May: Der Waldkönig. Reprint der KMG. Hamburg 1980. - Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 43/44 (Aus dunklem Tann und Der Waldschwarze) enthalten bearbeitete Textfassungen.
20Otto Forst-Battaglia: Karl May. Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Beiträge zur Karl-May-Forschung 1. Bamberg 1966, S. 93.
21Vgl. Martin Lowsky: Karl May. Stuttgart 1987, S. 40.
22Vgl. Rainer Jeglin: Herrgottsengel, Rebell und Missionar. Anmerkungen zum Rettungsstil bei Karl May. SKMG Nr. 24 (1980).
23Roland Schmid: Nachwort des Herausgebers. In: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 44: Der Waldschwarze. Bamberg 139. Tsd., S. 461-479 (S. 469).


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24Walther Ilmer: Karl May vor der Schwelle. In: Karl Mays erster Großroman "Scepter und Hammer/Die Juweleninsel". SKMG Nr. 23 (1980), S. 44-59 (S. 44). - Vgl. ders.: Karl May - Mensch und Schriftsteller. Tragik und Triumph. Husum 1992, S. 57.
25Walther Ilmer: Durch die sächsische Wüste zum erzgebirgischen Balkan. Karl Mays erster großer Streifzug durch seine Verfehlungen. In: JbKMG 1982, S. 97-130 (S. 126).
26Zur - nicht immer ungetrübten - Freundschaft zwischen May und Rosegger vgl. Alfred Schneider: "... unsere Seelen haben viel Gemeinsames!" Zum Verhältnis Peter Rosegger - Karl May. In: JbKMG 1975, S. 227-242.
27Plaul: Redakteur auf Zeit, wie Anm. 1, S. 194.
28Zur Dorfgeschichte Mays bemerkte Rosegger am 7.11.1877: "Verehrter Herr! Da wir mit Dorfgeschichten allzureichlich versehen sind, so gebe ich die Ihre, die als solche sehr gut ist, dankend zurück." (Zit. nach Schneider, wie Anm. 26, S. 228).
29Zit. nach Schneider: Ebd.
30Vgl. Roxin, wie Anm. 12, S. 91.
31Martin Lowsky: (Werkartikel zu) Ein Fürst des Schwindels. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 12, S. 441-443 (S. 442f.).
32Aus dem Vorwort W. Hansens zu Karl May: Winnetou und der Detektiv. München 1982, S. 7; zit. nach Ekkehard Bartsch: (Werkartikel zu) Auf der See gefangen. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 12, S. 369-371 (S. 370).
33Erschienen in der Berliner 'Deutschen Gartenlaube'. - Teile dieses Romans hat May später für Old Surehand II (1895) verwendet.
34Ilmer: Durch die sächsische Wüste, wie Anm. 25, S. 102. - Vgl. ders.: Mensch und Schriftsteller, wie Anm. 24, S. 57f.
35Andreas Graf: Winnetou im Criminalroman. Aspekte zeitgenössischer Aktualität in Karl Mays frühem Roman "Auf der See gefangen". In: Karl May. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. München 1987 (Sonderband Text + Kritik), S. 39-59 (S. 47).
36Bartsch: Auf der See gefangen, wie Anm. 32, S. 370.
37Karl Guntermann: Bibliographische Notizen. Neue Folge: 'Im wilden Westen'. In: MKMG 45 (1980), S. 26-32 (S. 28).
38Vgl. Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 24.
39Vgl. Ekkehard Koch: Der 'Kanada-Bill'. Variationen eines Motivs bei Karl May. In: JbKMG 1976, S. 29-46.
40Karl May: Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde, Bd. II. Leipzig 1988 (Reprint des Dresdner Erstsatzes von 1882-84), S. 736.
41Vgl. Bernd Steinbrink: Initiation und Freiheit. Karl May und die Tradition des Abenteuerromans. In: Karl May. Hrsg. von Helmut Schmiedt. Frankfurt/M. 1983, S. 252-277 - Rainer Jeglin: Die literarische Tradition. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 12, S. 11-38.
42Zu Mays Quellen (speziell für exotische Länder) gibt es eine Reihe von Untersuchungen; vgl. z.B. Siegfried Augustin/Rudolf Beissel: Quellen und Vorbilder Mays. Vorstudien zu einer Monographie. In: Siegfried Augustin/Axel Mittelstaedt (Hrsg.): Vom Lederstrumpf zum Winnetou. Autoren und Werke der Volksliteratur. München 1981, S. 59-80 - Volker Griese: Karl Mays "Wanderungen" durch Möllhausens Prärien und Wüsten. In: MKMG 79 (1989), S. 26-30; Fortsetzung in MKMG 80 (1989), S. 31-37 - Andreas Graf: "Habe gedacht, Alles Schwindel". Balduin Möllhausen und Karl May - Beispiele literarischer Adaption und Variation. In: JbKMG 1991, S. 324-363 - Volker Griese: Von May-Figuren und deren literarischen Verwandten. In: MKMG 96 (1993), S. 3-6; Fortsetzung in: MKMG 97 (1993), S. 6-8; MKMG 98 (1993), S. 13-16.
43Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 5, S. 221ff. - Karl May: Auch "über den Wassern" mit Anmerkungen von Hansotto Hatzig und Ekkehard Bartsch. In: JbKMG 1976, S. 230-272 (S. 242ff.) - Josef Höck/Thomas Ostwald: Karl May und Friedrich Gerstäcker. In: KMJB 1979. Bamberg, Braunschweig 1979, S. 143-188.
44Ilmer: Durch die sächsische Wüste, wie Anm. 25, S. 105.




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