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7.10

Der letzte Ritt (1884-86): Die Täuschung der Lesergemeinde und die Autosuggestion des Erzählers


In der Münchmeyerzeit stieß Karl May ganze Berge von Manuskriptseiten aus - "wie eine Krake ihre Tintenwolken".1 Er hatte in diesen Jahren 12.390 Druckseiten für den 'Schundverleger' geliefert, was über 20.000 Seiten der späteren Fehsenfeld-Bände entsprach und nahezu den halben Umfang seines gesamten Werkes betrug.

   In den neunziger Jahren verrät uns der Autor:


Ich habe keine Zeit, zu entwerfen, ein Konzept anzufertigen, zu feilen, zu streichen, zu verbessern und dann eine Reinschrift anzufertigen. Ich setze mich des Abends an den Tisch und schreibe, schreibe in einem fort, lege Blatt zu Blatt und stecke am andern Tage die Blätter, ohne sie wieder anzusehen, in ein Kouvert, welches mit der nächsten Post fortgeht.2


   Es grenzt ans Unglaubliche: Trotz seiner Vielschreiberei für Münchmeyer belieferte May - nebenher - noch den Pustet-Verlag. Der große Orientroman war noch unvollendet; vor dem Eintritt Karl Mays in die Kolportage war der Text bis Stambul gediehen.3 Pustet hatte [das, I-R] Manuskript bis März 1883;4 in der Folgezeit aber drängte die Redaktion ihren Autor. Hin- und hergerissen zwischen Pustet (der von der Münchmeyertätigkeit Karl Mays ja nichts wissen sollte!) und dem Kolportageverleger setzte May im 'Deutschen Hausschatz' die 'Reiseerinnerungen' aus dem Reiche des Großherrn fort: mit der Ich-Erzählung Der letzte Ritt.5

   Noch mitten drin in der Münchmeyer-Fron hat der Schriftsteller, so Walther Ilmer, "zur Reiseerzählung, seinem eigentlichen, wahren Genre, zurückgefunden".6 Angesichts des Zeitdrucks ist freilich leicht zu verstehen: Die parallel zu den Münchmeyerromanen entstandenen Fortsetzungen von "Giölgeda padishanün" erreichten das künstlerische Format der früheren Teile nicht ganz. Daß May, wie behauptet wurde, "den Faden völlig verloren"7 habe, trifft aber nicht zu. Dem Verfasser sind "kaum irgendwelche erkennbaren Fehler oder Widersprüche in der Komposition seiner Beiträge"8 unterlaufen. Die Weiterführung des Orientzyklus läßt ein klares schriftstellerisches Konzept erkennen; sie ist eine "mehr als nur ungewöhnliche Leistung".9

   Für den Regensburger Verlag schrieb Karl May vergleichsweise sorgfältig. Allerdings ist Der letzte Ritt völkerkundlich und zeitgeschichtlich weniger gut fundiert als die vorausgehenden Texte. Über den nationalen und sozialen Befreiungskampf der Balkanvölker zum Beispiel erfahren wir nichts. Dem Autor werden die entsprechenden Informationen - und die Zeit für gründliche Studien - gefehlt haben.10

   Der letzte Ritt ist gewiß nicht mißlungen. Aber diese Erzählung ist der "relativ schwächste"11 Abschnitt des Orientromans. Erzählerisch besonders geglückte Partien sind etwa die Begegnung Kara Ben Nemsis mit dem Rosenzüchter Jafiz12 oder die groteske Szene im Taubenschlag zu Menlik.13 "Gleichwohl ist im ganzen ein Abfall im Verhältnis zu den vorhergehenden Leistungen nicht zu verkennen: Hier ist der Orient-Roman durch die Arbeit für Münchmeyer zwar keineswegs verdorben, aber doch ein wenig beeinträchtigt worden."14

   Der letzte Ritt wurde von Karl May, nach jeweils langen Pausen, in Raten geliefert. Der erste Teil der Erzählung erschien im Spätherbst 1884, der Mittelteil von September 1885 bis Februar 1886 und der Schlußteil im September 1886 im Hausschatz. Durch das


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Land der Skipetaren, der Abschluß des gesamten Orientzyklus, konnte erst im Jahre 1888 gebracht werden.15

   Am 9. Juni 1886 beklagte sich der Redakteur Venanz Müller beim Autor: Seit Monaten habe May kein Lebenszeichen gegeben; "die Leser verlangen ungestüm den Schluß des 'letzten Rittes'; [...] sie beschuldigen uns des Schwindels".16 Verständlich! Denn der Hausschatz hatte die baldige Fortsetzung versprochen.

   Da May, bedingt durch die Münchmeyerromane, so lange nichts lieferte, wiederholte der Pustet-Verlag die alte, seit 1880 verbreitete Mär: der Schriftsteller sei auf Reisen.17

   Im Dezember 1883 werden die Hausschatz-Abonnenten vertröstet: "Dr. K. May18 ist wieder auf der Rückkehr nach Deutschland begriffen. Die Fortsetzung der Reiseabenteuer wird nun nicht mehr lange auf sich warten lassen."19 Drei Monate später heißt es dann: "Herr Dr. Karl May ist [...] 'nach langer Irrfahrt', wie er uns schreibt, wieder in der Heimat angekommen und will nun seine Reise-Erzählungen alsbald fortsetzen."20 Und im Dezember 1884 wird erklärt: "Leider ist ein von Dr. Karl May an uns rechtzeitig abgesandtes Manuscript-Packet bis jetzt noch nicht hier eingetroffen und wahrscheinlich auf der Post verloren gegangen."21

   Im April 1885 beteuert die Redaktion: Daß "die Fortsetzung des 'letzen Rittes' [...]so lange auf sich warten läßt, ist nicht unsere Schuld. Wir sind zur Zeit ganz ohne Nachricht von dem Verfasser."22 Nach einem halben Jahr folgt die Aufklärung: "Unser beliebter 'Weltläufer' befand sich [...] im Sommer 1884 in Aegypten."23

   Der Verlag und der Schriftsteller gerieten in Zugzwang. Die Unterbrechungen des Letzten Rittes mußten begründet werden. Der tatsächliche, der Redaktion nicht bekannte Grund war Mays 'Irrfahrt' zur Kolportage. Diese Erklärung wollte May aber nicht geben. Was lag, angesichts der bisherigen Auskünfte des Pustet-Verlags, näher als die Bestätigung der Fiktion: Karl May, Kara Ben Nemsi, ist wieder auf Reisen!



Anmerkungen


1Heinz Stolte: Hiob May: In: JbKMG 1985, S. 63-84 (S. 64).
2Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. In: Deutscher Hausschatz. 23. Jg. 1897 (Herbst 1896); hier zit. nach 'Der Rabe'. Magazin für jede Art von Literatur Nr. 27. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1989, S. 175-211 (S. 202) - Dieses Zitat besagt freilich nicht, daß May völlig planlos (in einer Art Trance-Zustand) geschrieben habe; vgl. Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 115ff.
3Vgl. oben, S. 177 Anm. 5.
4Vgl. oben, S. 184.
5Später wurden aus dieser Erzählung das letzte Kapitel in Von Bagdad nach Stambul und der Hauptteil (Kap. 1-6) von In den Schluchten des Balkan (Freiburg 1892).
6Walther Ilmer: Das Märchen als Wahrheit - die Wahrheit als Märchen. Aus Karl Mays 'Reise-Erinnerungen' an den erzgebirgischen Balkan. In: JbKMG 1984, S. 92-138 (S. 129).
7Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 67.
8Roland Schmid: Nachwort (nicht paginiert). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. V. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982.
9Ilmer, wie Anm. 6, S. 130.
10Vgl. Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 152ff.
11Claus Roxin: Einführung. In: Karl May: Die Todes-Karavane - In Damaskus und Baalbeck - Stambul - Der letzte Ritt. 'Deutscher Hausschatz' 8./9. Jg. (1881-83) bzw. 11./12. Jg. (1884-86). Reprint der KMG. Hamburg, Regensburg 1978, S. 2-6 (S. 4).


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12Karl May: In den Schluchten des Balkan. Gesammelte Reiseromane, Bd. IV. Freiburg 1892, S. 31-38 - Zur Deutung vgl. Hartmut Vollmer: Ins Rosenrote. Zur Rosensymbolik bei Karl May. In: JbKMG 1987, S. 20-46 (S. 32-35).
13May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 12, S. 331ff.
14Roxin, wie Anm. 11, S. 5.
15Vgl. unten, S. 218.
16Zit. nach Wilhelm Vinzenz: Karl Mays Reichspost-Briefe. Zur Beziehung Karl Mays zum 'Deutschen Hausschatz'. In: JbKMG 1982, S. 211-233 (S. 219). 17 Vgl. oben, S. 175f.
18Zu Mays 'Doktor'-Titel vgl. unten, S. 229.
19Zit. nach Gerhard Klußmeier: Karl May und Deutscher Hausschatz II. In: MKMG 17 (1973), S. 17-20 (S. 17).
20Ebd., S. 18.
21Ebd.
22Ebd.
23Ebd., S. 19.



7.11

Das Privatleben in den achtziger Jahren: Persönliche Isolation und wachsende Partnerprobleme


Das erzählende 'Ich', Kara Ben Nemsi, schien mit dem Schriftsteller Karl May identisch zu sein. Die Schreibweise des Autors und die Auskünfte der Hausschatz-Redaktion hatten zur Folge: Nicht nur der Held des Romans, auch Karl May, der vermeintliche 'Weltläufer', wurden bewundert. In die Fiktion des Romans, in die Rolle des Siegers, des Befreiers aller Bedrängten, steigerte sich der Autor zunehmend hinein.

   Die Leser waren begeistert. Doch seiner Erfolge wurde der Schriftsteller nicht froh. In der Selbstbiographie heißt es retrospektiv:


Ich hatte einsehen müssen, daß es für mich kein anderes Glück im Leben gab, als nur das, welches aus der Arbeit fließt. Darum arbeitete ich, so viel, und so gern, so gern! Dieser ruhelose Fleiß ermöglichte es mir, zu vergessen, daß ich mich in meinem Lebensglück geirrt hatte und noch viel, viel einsamer lebte, als es vorher jemals der Fall gewesen war.1


   Zu den Triebkräften seines Schaffens gehörten - der Schmerz, die Enttäuschung, die innere Einsamkeit. In der Pollmer-Studie (1907) erklärt Karl May:


Ich habe in jener Zeit des elendesten Innenlebens unendlich fleißig gearbeitet und meinen Lesern nur Glauben und Gottvertrauen, Liebe, Glück und Sonnenschein gegeben. Es giebt einzelne Jahre, in denen ich 6-8 neue Bände schrieb [...] Es gab Wochen, in denen ich drei und auch vier Nächte durcharbeitete.2


   Die Ehefrau Emma wird für die literarische Arbeit ihres Mannes zu wenig Verständnis und Interesse gezeigt haben.3 Für den Schriftsteller aber wurde das Schreiben zum Lebensersatz. Seine "glückliche, selige Arbeitswelt"4 war seine 'Droge', sein 'Narkotikum', das ihn die "häßliche, traurige Welt der Pollmerschen Dämonen"5 - die Realität seiner Ehe, die Wirklichkeit seines Lebens - vergessen ließ.

   Über Mays Privatleben in den achtziger Jahren wissen wir freilich nicht viel. Authentisches biographisches Material ist aus dieser Zeit nur spärlich erhalten. Die späteren Selbstaussagen Mays sind mit Vorsicht zu betrachten. Denn die schlechten Erfahrungen mit der Firma Münchmeyer (nach dem Tode des Inhabers im Jahre 1892) verstärkten -subjektiv - die negativen Aspekte auch der früheren Erlebnisse Mays im Umfeld der 'Münchmeyerei'.


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   Der Schriftsteller lebte zurückgezogen. Der Schreibzwang "schloß andere Betätigungen und Kontakte so gut wie völlig aus."6 Wie der Maler Paul Normann - in Deutsche Herzen, Deutsche Helden - war May in diesen Jahren "kein Gesellschaftsmensch. Ich suche nicht nach Freunden und Bekannten; ich [...] lebe nur meiner Kunst und meiner Häuslichkeit".7 Er lebte für seine Romane, seine Träume und Phantasien. Gesellschaft war ihm zuwider, "und will ihn wer besuchen, so ist er nach Möglichkeit jeweils 'auf Reisen'".8

   Die "Häuslichkeit" war leider nicht ungestört: Münchmeyer wurde "Hausfreund bei uns!"9 Ein vertrauliches Verhältnis entstand, von May "nur zögernd geduldet, von seiner Frau um so lebhafter gewünscht. Ernste Differenzen zwischen den Eheleuten May waren die Folgen".10 Den Besuchen des Geschäftsmannes wollte der Schriftsteller entgehen: Man zog wieder um - schon im Frühjahr 1884 nach Dresden-Altstadt, Prinzenstraße 4.

   Doch abschütteln ließ sich der Kolportageverleger nicht. Er kam mit seiner Gattin Pauline noch häufig genug. Pauline und Emma waren schon damals sehr eng miteinander befreundet.11 Auch Heinrich Münchmeyer stand Emma, laut May, besonders nahe. Er strich die Geige und May "hatte die Ehre, ihn auf dem Piano begleiten zu dürfen".12 Aus späterer (verzerrter?) Sicht klagt der Dichter: "Es ist wahrlich kein Spaß, [...] nur immer aufpassen zu müssen, daß der liebestolle Hausfreund Einem nicht über die Frau geräth! Das ging über meine Kräfte."13

   Der Verleger brachte noch weitere Gäste ins Haus, zum Skat- und Billardspiel. May spielte nicht ungern; aber dieser "immerwährende, rücksichtslose Verkehr" stahl ihm die Arbeitszeit und die "Seelenruhe".14

   Emma fühlte sich, man kann das verstehen, von ihrem Gatten vernachlässigt. Sie suchte nach Unterhaltung und war da anscheinend nicht wählerisch. Freundinnen, auch deren 'Onkels' und 'Verlobte', füllten das Heim. "Es gab eine Szene. Ich warf sie alle hinaus."15 Das half aber nichts. Emmas Klatschrunde war groß; es "ekelte ihr", so May


vor geistiger Arbeit. Ihr Ideal war ein immerwährend offenes Haus [...] Schauspieler, Sänger, lustige Künstler, allerlei fahrendes Volk sollte bei mir verkehren. Da wollte sie herrschen; da wollte sie als Königin gelten; da wollte sie geliebt sein und wieder lieben, gleichviel ob männlich oder weiblich, denn sie fand sich in beiden Sätteln zurecht.16


   Eine polemische Überzeichnung wahrscheinlich! May fühlte sich, das wird der wahre Kern sein, beim Schreiben gestört. Andrerseits hatte er Gelegenheit zu 'Charakterstudien': Im Erzählwerk dürften die Hausbesucher, als Karikaturen, ihren Platz gefunden haben! In den Romanen erscheinen sie wieder, "die Damen und Herren, und in keiner Biographie Mays dürften diese bioi paralleloi fehlen".17

   Und die Partnerprobleme mit Emma? Wie hat May sie, in der Münchmeyerzeit, erlebt? Die Werksspiegelungen lassen - mit einiger Vorsicht - wohl Rückschlüsse zu. In seiner Reiseerzählung Der letzte Ritt18 nutzt der Schriftsteller die Beschreibung Tschilekas und ihrer Tochter Ikbala dazu aus, ein scheinbar lustiges Zerrbild der Kochkünste Emmas zu liefern. Er verbannt damit - so Ilmer -


in Gedanken Emma, die so wenig Bildungsbeflissene, in das ihr einzig zustehende Reich der Köchin [...] Karl May hat hier bereits dasselbe Bild entworfen, das er viele Jahre später, während des Scheidungsprozesses, von Emma in der Gestalt der so liebenswert erscheinenden und dann als so bösartig hingestellten Köchin Pekala beim Ustad zeichnete.19


   An autobiographischem Material noch reichhaltiger als Der letzte Ritt sind - wie erwähnt - die Kolportageromane. Lord Eaglenests Selbstgespräch - in Deutsche Herzen, Deutsche Helden - zum Beispiel gibt (wahrscheinlich) die reale Enttäuschung und die tatsächlichen Bedürfnisse des Autors wieder: "Ich brauche eine Frau, welche mich derb in


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die Schule nimmt, die mir die Motten und Marotten gehörig ausklopft, aber das Alles in Liebe und mit Verstand, nicht etwa mit dem Besenstiel und dem Nudelholz."20

   Für privates Unglück des Autors gibt es in den Romanen zahlreiche Indizien. Auch an die eigene Ehe wird der Schriftsteller gedacht haben, wenn er seine Romanheldin Zykyma so reden läßt:


"Es ist uns Frauen eine Gabe verliehen, wie es kostbarer keine zweite giebt, die Gabe, das Herz des Mannes gefangen zu nehmen für alle Zeit, für das ganze Leben. Wir können dem Manne die größten Seligkeiten bieten, ihm aber auch die Hölle bereiten."21


   Vielsagend und verräterisch ist eine Szenenfolge in Der Weg zum Glück. Der Lehrer und Dichter Max Walther schleudert der hochmütigen Silbermartha die gröbsten Worte ins hübsche Gesicht: "Sie fluchen wie ein Landsknecht [...] kurz, ich bin überzeugt, daß Sie ein gefühlloses, rohes, raffinirtes, eingebildetes, stolzes und - liebeslüsternes Frauenzimmer sind. Ich bin geheilt. Holen Sie sich einen anderen Dichter!"22 Die alte Feuerbalzerin klärt das verstörte, über die Hartherzigkeit des Geliebten entsetzte Mädchen auf: Der Schulmeister - Max Walther im Roman, Karl May in der Realität -


"hat glaubt, Dich damit treffen und bessern zu können [...] Er hats gut gemeint mit seiner Grobheiten. Er hat Dich sehr lieb gehabt, und vielleicht hat er Dich auch heut noch lieb. Nimm Dir seine Worten zu Herzen! [...] Es ist nicht gut, wann ein Kind keine Muttern hat; drum kann ich Dir viel verzeihen. "23


   Die Deutung geht sicher nicht fehl: Die protzige Silbermartha, die keine Mutter hat und der man alles verzeihen muß, ist (in dieser Szene) die eitle Emma, die ebenfalls keine Mutter hatte und der Karl May - immer wieder - alles verzieh. Er kämpfte um sie; er wollte sie "bessern" und zur Schlichtheit, zur wirklichen Liebe 'erziehen'.

   Mays Kampf war, auf die Dauer, vergeblich. Doch Karls Zuneigung und Emmas Macht über den Ehemann blieben noch lange Zeit ungebrochen. Er "verzieh der Frau, in der Hoffnung, alles Böse zum Guten führen zu können, ich hatte ja auch meine Fehler [...]"24



Anmerkungen


1Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 205.
2Karl May: Frau Pollmer - eine psychologische Studie (1907). Prozeßschriften, Bd. 1. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1982, S. 849.
3Daß Emma Mays Bücher überhaupt nie las (wie May später behauptete), dürfte freilich nicht zutreffen. - Vgl. Walther Ilmer: Karl May - Mensch und Schriftsteller. Tragik und Triumph. Husum 1992, S. 53.
4May: Frau Pollmer, wie Anm. 2, S. 849.
5Ebd.
6Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 62-123 (S. 96).
7Karl May: Deutsche Herzen - Deutsche Helden. Bamberg 1976 (Reprint der Dresdner Erstausgabe von 1885-87), S. 2356.
8Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 73.
9May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 205.
10Klaus Hoffmann: Nachwort zum Faksimile-Druck des Waldröschen. Hildesheim, New York 1971, S. 2619-2686 (S. 2626).
11Vgl. z.B. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 203.
12May: Frau Pollmer, wie Anm. 2, S. 837.
13Ebd., S. 838.
14Ebd.


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15Karl May: Eingabe an das Kgl. Landgericht Dresden (1908); zit. nach Wollschläger, wie Anm. 8, S. 65.
16May: Frau Pollmer, wie Anm. 2, S. 852.
17Wollschläger, wie Anm. 8, S. 65.
18Vgl. Karl May: In den Schluchten des Balkan. Gesammelte Reiseromane, Bd. IV. Freiburg 1892, S. 135ff. u. 259-264. - Vgl. oben, S. 198ff.
19Walther Ilmer: Das Märchen als Wahrheit - die Wahrheit als Märchen. Aus Karl Mays 'Reise-Erinnerungen' an den erzgebirgischen Balkan. In: JbKMG 1984, S. 92-138 (S. 117) - Vgl. unten, S. 445.
20May: Deutsche Herzen, wie Anm. 7, S. 328. 21 Ebd., S. 80.
22Karl May: Der Weg zum Glück. Roman aus dem Leben Ludwig des Zweiten. Hildesheim, New York 1971 (Reprint der Dresdner Erstausgabe von 1886-88), S. 606.
23Ebd., S. 612.
24May: Frau Pollmer, wie Anm. 2, S. 828.



7.12

Der Tod der Eltern: Bleibende Schuldgefühle und verstärkte Hinwendung zum mütterlichen Prinzip


In die Münchmeyerzeit fällt ein besonderes Erlebnis, ein wichtiges Doppelereignis, das in der Selbstbiographie keine Erwähnung findet, das den innerlich vereinsamten, in seiner Ehe nicht glücklichen Schriftsteller aber aufs schwerste getroffen und seine künftige Entwicklung - mit hoher Wahrscheinlichkeit - entscheidend beeinflußt hat: Am 15. April 1885 starb seine Mutter in Ernstthal; und wenig später erlitt Vater May einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Der Tod auch des Vaters stand nicht mehr fern.

   Mays zweite Frau Klara berichtet, was der Dichter ihr anvertraut habe: "Als seine Mutter in seinen Armen starb, hielt er sie vom Abend bis zum Morgen als Leiche in seinen Armen [...] Das Grab der Mutter wurde doppelt tief gemacht. Er wollte bei ihr begraben werden."1

   Im Orientroman, in einer autobiographisch zweifelsfrei signifikanten - vermutlich im Spätsommer 1885 verfaßten2 - Passage der Teil-Erzählung Der letzte Ritt, spiegeln sich die Gefühle des Autors. Mit den Worten des Uhrmachers und Buchhändlers Ali teilt der Schriftsteller uns mit:


"Die Mutter [...] starb, und kurze Zeit später traf den Vater der Schlag [...] Vater und Mutter hat man nur einmal. Sind sie gestorben, so hat der Kirchhof den besten Teil des Kindes empfangen, und keine Seele auf Erden meint es mit ihm wieder so gut und treu, wie die Hingeschiedenen."3


   Kara Ben Nemsi stellt dem Uhrmacher, scheinbar beiläufig, die Frage: "So lieben Sie also Ihren Vater?" Ali antwortet: "Herr, warum fragen Sie? Kann es einen Sohn geben, welcher seinen Vater nicht liebt? Kann ein Kind seiner Eltern vergessen, denen es alles, alles zu verdanken hat?"4

   In Mays Spätwerk finden sich, mit Bezug auf die Mutter, ganz ähnliche Worte. Die Mutter war lange schon tot, als der Dichter - im Roman Und Friede auf Erden! - die Tochter Wallers (Mary) bekennen ließ:


"Wie wäre es mir möglich, der verstorbenen Mutter zu vergessen, deren Liebe mir eine ganze Welt gegeben hat! Ich kann sie mir nicht tot denken. Ich weiß, sie ist noch heut bei mir, wie sie stets bei mir gewesen ist [...] Seit ihrem Scheiden wohnt und wirkt in mir Etwas, was vorher nicht vorhanden war. Die, welche der Sprachgebrauch so fälschlich Tote nennt, haben vielleicht größere Macht über uns, als wir uns denken können.5


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   Ma(r)ys eigene Mutter ist hier gemeint.6 Der Sohn weigerte sich, die Mutter für tot anzusehen. Sie konnte für ihn, wie Hans Wollschläger interpretierte, "nicht gestorben sein, weil der Konflikt, der an ihr Bild gebunden war, nicht sterben konnte".7 Diese Deutung setzt die Theorie einer Liebesversagung der Mutter in den ersten Jahren des Kleinkindes Karl voraus.8 Mag Wollschlägers Hypothese nun zutreffen oder nicht, ein nicht zu unterschlagender Grund für des Dichters Einstellung zum Tode der Mutter (und zum Tod überhaupt) war sein Glaube an Gott, der - in der Sicht des letzten Vertrauens - "kein Gott der Toten, sondern ein Gott der Lebenden ist" (Mk 12, 27)! May war, bei aller Unvollkommenheit, ein liebender Mensch und ein gläubiger Christ; die Ewigkeit Gottes, das Leben der 'Toten', die (mit spiritistischen Spielen nicht zu verwechselnde9) Verbindung mit den Verstorbenen waren für ihn eine Realität.

   May liebte, über ihren Tod hinaus, seine Mutter. Und er liebte auch seinen Vater. Heinrich May starb am 6. September 1888 im Alter von 78 Jahren. Karls Jugend hatte er, in verblendeter Liebe, verdorben. Aber den 'verlorenen Sohn', den Strafentlassenen, hat er mit offenen Armen empfangen. Karl May war ihm dankbar sein Leben lang; er hat ihn finanziell unterstützt, ihn geehrt und geachtet. Der Vater des Uhrmachers Ali "betet [...] ohne Unterlaß, daß Allah ihn erlösen möge, damit er mir nicht länger zur Last falle. Ich aber bete heimlich zu der großen, göttlichen Liebe, ihn mir noch lange, lange zu erhalten."10

   Mays Vaterbeziehung war ambivalent. Der Vater war dem Sohn gegenüber schuldig geworden; aber auch dieser sah sich verstrickt in Schuld und Versagen. Als der Vater gestorben war, richtete der Sohn seine "Hoffnung, alles, alles an ihm gut machen zu können, nach jenem Lande [...], in welchem ein jeder nachzusühnen hat, was hier auf Erden zu sühnen vergessen worden ist!"11

   May wußte sich schuldig, vor dem irdischen und vor dem himmlischen Vater. Und er wußte sich schuldig - auch vor der Mutter: "Ich hatte etwas gethan, was die Mutter erzürnte." So zu lesen im Letzten Ritt.12 Und wesentlich später, in den Himmelsgedanken (1900):13


Ich hab gefehlt, und du hast es getragen,
So manches Mal und, ach, so lang, so schwer.
Wie das mich nun bedrückt, kann ich nicht sagen;
O komm noch einmal, einmal zu mir her!

Du starbst ja nicht; du bist hinaufgestiegen
Zu reinen Geistern, meiner Mutter Geist.
Ich weiß, du siehst jetzt betend mich hier liegen;
O komm, o komm, und sag, daß du verzeihst!


   An die Mutter ist dieses - in größter Bedrängnis (im Zusammenhang mit ersten Presseangriffen auf May)14 entstandene - Gedicht überschrieben. Was soll die Mutter verzeihen? Die Straftaten in den sechziger Jahren! Und - die narzißtische Neigung, das Geltungsbedürfnis des späteren, des berühmt gewordenen Abenteuerschriftstellers: des 'Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand '.15

   Viele Romangestalten des Autors, auch Winnetou, können als Vexierbilder der Mutter verstanden werden.16 Die Mutterbeziehung hat Mays Leben und Werk in zunehmendem Maße geprägt - bis zum (Fast-) Zusammenbruch des Old-Shatterhand-Kults, bis zur Dominanz des mütterlichen Prinzips im Spätwerk des Dichters.17

   Gewiß, die 'männliche' Macht des Helden wird in den Altersromanen nicht einfach gebrochen;18 sie wird, im Gegenteil, zur 'Allmacht' der (vom weiblichen Prinzip getrage-


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nen) Liebe erhöht. Aber gerade dies ist bedeutsam: Die wahre Liebe, die nicht nur sich selbst sucht, wird für May immer drängender. "Hast du die Liebe?", diese Frage des blinden Münedschi - in Am Jenseits19 - wird zur alles beherrschenden Frage des mystischen Spätwerks.



Anmerkungen


1Aus einem Manuskript Klara Mays (1932); zit. nach Hans Wollschläger: "Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt". Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In: JbKMG 1972/73, S. 11-92 (S. 50).
2Nach Roland Schmid: Anhang. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXIII. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, A 1-42 (36).
3Karl May: In den Schluchten des Balkan. Gesammelte Reiseromane, Bd. IV. Freiburg 1892, S. 107 - Dazu Walther Ilmer: Das Märchen als Wahrheit - die Wahrheit als Märchen. Aus Karl Mays 'Reise-Erinnerungen' an den erzgebirgischen Balkan. In: JbKMG 1984, S. 92-138 (S. 114ff.).
4May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 3, S. 109.
5Karl May: Und Friede auf Erden! Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXX. Freiburg 1904, S.37.
6Vgl. Wollschläger, wie Anm. 1, S. 49ff.
7Ebd., S. 51.
8Vgl. oben, S. 43.
9Vgl. unten, S. 343ff.
10May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 3, S. 107.
11Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXVIII. Freiburg 1902, S. 625.
12May: In den Schluchten des Balkan, wie Anm. 3, S. 107.
13Karl May: An die Mutter. In: Ders.: Himmelsgedanken. Freiburg 1900, S. 105 - Zur Interpretation vgl. Wolf-Dieter Bach: Muttergedichte Karl Mays und Hermann Hesses. In: JbKMG 1970, S. 114-117.
14Vgl. unten, S. 377ff.
15Vgl. unten, S. 321ff.
16Vgl. z.B. Johanna Bossinade: Das zweite Geschlecht des Roten. Zur Inszenierung von Androgynität in der 'Winnetou'-Trilogie Karl Mays. In: JbKMG 1986, S. 241-267 (S. 255). - Vgl. oben, S. 181.
17Vgl. bes. unten, S. 413f.
18Vgl. Günter Scholdt: Vom armen alten May. Bemerkungen zu 'Winnetou IV' und der psychischen Verfassung seines Autors. In: JbKMG 1985, S. 102-151 (S. 133).
19Karl May: Am Jenseits. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXV. Freiburg 1899, S. 96.



7.13

Jugenderzählungen im Spemann-Verlag: Mays Bedeutung als epischer Dichter und Literaturpädagoge


Noch vor der Beendigung seiner Tätigkeit für H.G. Münchmeyer (im Sommer 1887) baute Karl May seine, bisher unbedeutende, Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Verleger Wilhelm Spemann aus. Für den renommierten Unternehmer lieferte May pädagogisch Wertvolles und literarisch Seriöses. Ein weiteres Mal gelang ihm, um den Preis eines beträchtlich verminderten Einkommens, der 'Sprung über die Vergangenheit'. Münchmeyer verschwindet, so sieht es Hans Wollschläger, "bühnenabwärts - und mit ihm Kitsch und allzu gern erfüllte Konvention: die Kolportagezeit ist überwunden."1

   Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, und auch die Dresdner Wohnung wird wieder gewechselt: Im Frühjahr 1887 zieht das Ehepaar May in die Schnorrstraße 31 um.


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7.13.1

Kontakte zu Joseph Kürschner


Die Vorgeschichte und die Begleitumstände des Mayschen Engagements für Spemann sind interessant und erwähnenswert. Sie sollen, in gebotener Kürze, hier dargestellt werden.

   Der bekannte Theaterkritiker, Redakteur und Herausgeber des 'Deutschen Literaturkalenders' Joseph Kürschner schätzte Mays Talent besonders hoch ein. Kürschner betreute, seit der Gründung im Jahre 1881, das illustrierte Spemann-Blatt 'Vom Fels zum Meer'. 1882/83 hatte Karl May in dieser Zeitschrift zwei Kurzgeschichten veröffentlicht.2 Seit 1883 versuchte nun Kürschner, in wiederholten Anläufen, unseren Autor für einen Romanzyklus - unter dem Sammeltitel 'Ein Weltläufer' - und für die weitere Mitarbeit im 'Fels' (der im Jahre 1885 eine monatliche Auflage von 65.000 Exemplaren erreichte) zu gewinnen.3 Vergeblich! Denn May war, aufgrund seiner Kolportagetätigkeit, von der Kürschner vermutlich nichts wußte, stark überlastet.4 Seit Beginn seiner Arbeit am Waldröschen konnte er, außer den Münchmeyerromanen und der Fortsetzung des Orientzyklus im 'Deutschen Hausschatz', wohl nur die kurze (am 29.11.1886 erschienene) Jugenderzählung Unter der Windhose. Ein Erlebnis aus dem fernen Westen5 verfassen: für 'Das Buch der Jugend' des Stuttgarter Verlages K. Thienemann.

   Am 3. Oktober 1886 machte Kürschner freilich ein Angebot, das ihm "die dauernde Wertschätzung Mays"6 eintragen sollte: Er fragte den Schriftsteller, ob er nicht geneigt wäre, "einmal einen recht packenden, fesselnden und situationsreichen Roman zu schreiben. Ich würde IHNEN in dem Fall ein Honorar bis zu 1000 Mark pro Felsbogen zusichern können"!7

   Diese Offerte war mehr als verlockend: Während May von Pustet - und künftig von Spemann - nur eine Mark pro Manuskriptseite bezog, stellte ihm Kürschner maximal 11,50 Mark für die Manuskriptseite8 in Aussicht! Karl May sagte grundsätzlich zu. Doch zur Verwirklichung dieses (für den 'Fels' zu schreibenden) Romans ist es nie gekommen. Jürgen Wehnert, der Verfasser einer Spezialuntersuchung zu Joseph Kürschner und Karl May, vermutet folgenden Grund: Kürschners Bedingung, May habe den Text der Erzählung komplett (also nicht, wie gewohnt, in Raten) zu liefern, war für den Schriftsteller ein "fast unüberwindliches Hindernis [...], zumal hierdurch regelmäßige Teilzahlungen des Honorars, auf die May angewiesen war, entfielen".9

   Zu bedenken ist freilich die Tatsache, daß auch der Pustet-Verlag, gleichfalls im Jahre 1886, versichert hatte, "niemals mehr" einen May-Text im 'Deutschen Hausschatz' zu beginnen, "ohne daß uns das Manuscript vollständig vorliegt".10 Im Hausschatz setzte May, trotz dieser Bedingung (die er, zumindest annähernd, erfüllte), seit Herbst 1887 seine Mitarbeit fort. Der Grund für das Nichtzustandekommen eines May-Romans in der - renommierten, für gebildete Erwachsene konzipierten! - Zeitschrift 'Vom Fels zum Meer' bleibt also dunkel.11 Wahrscheinlich wollte May das Angebot Kürschners realisieren, konnte aber nicht sofort beginnen, weil er die Kolportageromane zu Ende führen mußte. In Mays Jugenderzählungen für den 'Guten Kameraden' ist das Kürschner-Projekt später 'aufgegangen'. Immerhin "hat Kürschners Offerte wohl mittelbar die Lösung von der Kolportage eingeleitet".12

   Schon am 10. November 1886 wandte sich Kürschner mit einem weiteren Vorschlag an Karl May: Für das neu zu gründende Spemann-Journal 'Der Gute Kamerad' solle May "ein größeres Manuscript, eine möglichst spannende anziehende Jugendschrift"13 verfas-


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sen. Dieser Einladung konnte May jetzt nicht mehr widerstehen. Sie wurde, in der Folge, von schicksalhafter Bedeutung für ihn.

   Noch vor dem Erscheinen des ersten Jahrgangs trat Kürschner von der Redaktion des Guten Kameraden' zurück, erbat sich aber weiterhin - in den Jahren 1887 bis 1889 - kleine May-Beiträge (Erzähltexte zu vorgegebenen Bildern) für den 'Fels', den er nach wie vor redigierte. Doch Kürschners Bemühungen blieben fast ohne Erfolg: Während May für den 'Guten Kameraden' mit größtem Eifer zur Feder griff, ließ er sich lediglich zu einem einzigen Artikel im 'Fels' überreden: zu Maghreb-el-aksa (November 1887), einer marokkanischen Reiseskizze zu Stichen des englischen Zeichners Caton Woodville.

   Hervorzuheben ist der Schluß dieser Skizze: Karl May wünscht Marokko den Frieden "und unterstreicht seinen antikolonialistischen Standpunkt: 'Jetzt rüstet man dort zum mörderischen Kampfe. Dieses herrliche Land hat schon so viel Blut getrunken. Es steht unter dem Zeichen des Halbmondes. Geben wir es - fi aman allah - in Gottes Schutz!'"14

   Am 1. Juli 1889 trennte sich Joseph Kürschner von Spemann und damit vom 'Fels', um literarischer Direktor der unmittelbaren Konkurrenz, der 'Deutschen Verlags-Anstalt' (Stuttgart-Leipzig-Berlin-Wien), zu werden. Für die von Kürschner betreuten Zeitschriften dieses Mammut-Unternehmens - 'Illustrirte Welt' u.a. - lieferte May in den folgenden Jahren kurze Erzählungen (ebenfalls zu vorgegebenen Bildern), die mit Rücksicht auf Spemann anonym oder pseudonym erschienen: Im Oktober 1889 kam Im Mistake-Cannon15 heraus, im Januar 1890 Am "Kai-p'a", im November 1890 Die Rache des Mormonen16 und im Mai 1893 (aber schon 1889/90 entstanden) Der erste Elk - ein Text zu Bildern des Indianermalers Frederic Remington, die dieser für eine Erzählung des nachmaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt gemalt hatte. Für die Beurteilung des literarischen Werdegangs Karl Mays ist Der erste Elk ein wichtiges Dokument, auf das wir später zurückkommen werden.

   Daß die Unterhaltungsblätter der 'Deutschen Verlags-Anstalt' in den Jahren 1891-93 noch weitere (anonyme) Beiträge von Karl May brachten, ist - nach Wehnert - durchaus wahrscheinlich.17 Doch biographisch und literarisch sind diese Mini-Texte wohl ohne große Bedeutung.


7.13.2

'Der Gute Kamerad' - Mays neuer Weg zum literarischen Glück


Kürschners Hauptverdienst, was Karl May betrifft, war die Vermittlung der Mayschen Tätigkeit für Spemanns Knaben-Journal 'Der Gute Kamerad'. Dieses Blatt, das am 8. Januar 1887 erstmals erschien, betrachtete unser Schriftsteller als "eine Art Mission".18 Seine erzieherischen Ambitionen, seine humanitären Ideale konnte er dort, in hervorragender Weise, literarisch verwirklichen.

   Schon 1883 hatte May dem Verleger Spemann zugesichert, eine Reihe von Abenteuergeschichten für ihn zu verfassen.19 Erst jetzt, Ende 1886, konnte May diese Zusage wirklich erfüllen. Noch vor Abschluß der Münchmeyerromane Deutsche Herzen und Der Weg zum Glück20 begann er mit der Niederschrift seiner ersten (in Nordamerika spielenden) Erzählung für den 'Guten Kameraden'. Sie erschien von Januar bis September 1887 und hatte den Titel Der Sohn des Bärenjägers.

   Dieses Werk gehört zu den besten Wildwestgeschichten Karl Mays. Es machte das Spemann-Blatt "mit einem Schlage bekannt"!21 Der Apachenhäuptling Winnetou "ist hier zum ersten Mal ausschließlich Edelindianer",22 und die Buffo-Figur des pfiffigen Hobble-Frank, des berühmten Westmanns und ehemaligen 'Forschtgehilfen' aus Moritzburg, des


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sächsischen Dialekt-Künstlers, des kleinen Helden und drolligen Wortverdrehers, begeisterte - ähnlich wie Hadschi Halef in den Orientromanen - die jungen Leser.

   Der Sohn des Bärenjägers fand "allseitig Anklang"23 und erschien schon 1888 - im Prager Verlag Josef R. Vilimek - in tschechischer Übersetzung.24 Die "eigenartige Frische und Lustigkeit" des Mayschen Erzählstils sagte der Spemann-Redaktion "ganz außerordentlich"25 zu. Folglich wurde der Autor mit Nachdruck gebeten, noch weitere, dem Bärenjäger ähnliche Geschichten zu erfinden.

   Am 3. Dezember 1888 band sich der Schriftsteller vertraglich an Wilhelm Spemann (1844-1910). Sein Geschäftspartner war ein liberal denkender Protestant; politisch verehrte er Bismarck. Gleichwohl hatte er keine Bedenken, den als katholisch geltenden May, "der zudem die Bismarck-Gegner, wenn auch nur indirekt, publizistisch unterstützte, als Hauptmitarbeiter an sein neues Blatt zu binden".26

   Bis 1891, dem Wende-Jahr der Begegnung mit Fehsenfeld,27 lieferte May die bekannten Erzählungen, die - neben den 'Hausschatz'-Romanen - seinen Aufstieg in die Literatur mitbegründeten: Dem Bärenjäger folgten Der Geist der Llano estakata28 (1888), Kong-Kheou, das Ehrenwort (1888/89) bzw. - als Buchtitel - Der blau-rote Methusalem (1892), Die Sklavenkarawane (1889/90), Der Schatz im Silbersee (1890/91) und Das Vermächtnis des Inka (1891/92). Als Nachzügler folgten - in der Formkraft wohl etwas schwächer -Der Oelprinz (1893 /94) und Der schwarze Mustang (1896/97).29

   Hinzu kam eine Serie von anonymen bzw. pseudonymen Kurzgeschichten: Ibn el 'amm. Von P. van der Löwen (Januar 1887), Ein Prairiebrand (März 1887), Das Hamail, Ein Phi-Phob (beide im Mai 1887), "Löffel begraben" (September 1889), Sklavenrache (Oktober 1889), Zum erstenmal an Bord (Januar 1890), Der Schlangenmensch. Verrenkungsstudie von Hobbelfrank (Oktober 1890), Eine Seehundsjagd (Februar 1891) und anderes mehr.30

   Für den fünfundvierzigjährigen Autor setzte sich, vom Erfolg, von der Anerkennung her gesehen, der - mit "Giölgeda padishanün" begonnene - Höhentrend weiter fort. Sein Aufstieg zur Berühmtheit schien unaufhaltsam. Seine Erniedrigung im Gefängnis, die dunkle Vergangenheit, alles schien nun vorbei und vergessen zu sein.

   Die Popularität des Schriftstellers nahm zu. Auch andere Autoren wollten sich 'anhängen'. Der Reutlinger Verlag Robert Bardtenschlager nützte, in der Trivialbranche nicht unüblich, die Situation aus: Er ließ Erzählungen anderer - unbekannter - Verfasser unter Karl Mays Namen erscheinen! Der richtige May protestierte (später) erfolgreich.31

   Sein Weg ging nach oben. Freilich - sich selbst, seine Identität als Symbol-Dichter hatte der Schriftsteller noch längst nicht gefunden. Der 'echte' May und sein 'eigentliches' Werk blieben noch Zukunft.

   Am 1. Januar 1890 fusionierte der Spemann-Verlag mit den Stuttgarter Firmen Schönlein und Gebr. Kröner zur 'Union Deutsche Verlagsgesellschaft'. Neben der 'Deutschen Verlags-Anstalt' war die 'Union' nun der größte deutsche Presseverlag des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Für beide Mammut-Firmen hat Karl May geliefert.32

   Die Zeitschrift 'Der Gute Kamerad' wurde weitergeführt. Mays Beiträge in diesem Journal kamen, seit 1890, auch als illustrierte Bücher des 'Union'-Verlages heraus.33 Spätestens im Herbst 1891 - nach der Begegnung mit Fehsenfeld, dem Freiburger Verleger - wird die Aussicht, als Verfasser von Büchern (und nicht nur als Autor in Wochenblättern) berühmt zu werden, Karl May sehr verlocken.

   Die erste Buchausgabe der Mayschen Jugenderzählungen hatte den Titel Die Helden des Westens. Sie erschien im Herbst 1890 und enthielt die beiden Erzählungen Der Sohn des


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Bärenjägers und Der Geist des Llano estakado. Für die Buchfassung hat May den Text des Bärenjägers erheblich gekürzt.34 Gestrichen wurden zwei Bärengeschichten und ein längerer Dialog zwischen Winnetou und Tokvi-tey, dem Häuptling der Schoschonen. Winnetous Schilderung seines ersten Zusammentreffens mit Old Shatterhand entfiel damit ebenfalls. Der Schriftsteller mußte, um Widersprüche zu eliminieren, diese Passage streichen. Denn in der 'Hausschatz'-Erzählung Der Scout (1888/89)35 hat er inzwischen eine andere Version dieser ersten Begegnung geliefert. 1893, in der Fehsenfeld-Reihe (Band VII. Winnetou I), freilich bringt May - ohne Rücksicht auf Widersprüche zu früheren Schilderungen in anderen Publikationsmitteln - noch eine dritte und endgültige Darstellung des Beginns der Freundschaft Old Shatterhands mit dem großen Apachen.

   Was die weiteren Jugenderzählungen betrifft, weichen die Buch-Varianten von den Journal-Texten im 'Guten Kameraden' nur unwesentlich ab. Während die Herausgeber der 'historisch-kritischen Ausgabe'36 diese Veränderungen auf Textrevisionen durch die Redakteure des Union-Verlages zurückführen, schließt Wilhelm Vinzenz, ein hervorragender May-Kenner, geringfügige Korrekturen durch den Autor nicht aus.37


7.13.3

Die Eigenart der Mayschen Jugenderzählungen


Karl May verstand seine neuen, für den 'Guten Kameraden' verfaßten Geschichten - im Gegensatz zu seinen übrigen Werken - speziell als 'Jugendschriften'.38 Adressaten waren vor allem die Gymnasiasten, die Knaben des gehobenen Bürgertums.

   Wie unterscheiden sich die Jugendromane von anderen Werken Karl Mays, von seinen Kolportageromanen und seinen bei Pustet erschienenen Reiseerzählungen? Die Jugendromane und die Münchmeyerwerke sind unterschiedlichen literarischen Gattungen zuzuordnen. Im ersten Fall handelt es sich um Abenteuergeschichten (mit autobiographischen Elementen) und im zweiten Fall um sehr eigenartige Mischungen von Gesellschafts-, Hintertreppen-, Kriminal-, Abenteuer-, Erbauungs- und autobiographischem Schlüsselroman. Der Adressatenkreis ist jeweils ein anderer. Ein Vergleich, sofern er auf die Bewertung des Inhalts und der pädagogischen Qualität der Romane hinausläuft, müßte dies berücksichtigen.

   Was den literarischen Wert der beiden Werksgruppen betrifft, ist zu bedenken: Die Kolportageromane sind, in größeren Abschnitten und einzelnen Szenen, sehr verschieden, "je nachdem ob May gerade inspiriert war oder nicht. Da er in jeder Stimmungslage schreiben mußte, gibt es neben gelungenen Partien viel Leerlauf."39 Eine generelle Abwertung, im Vergleich zu den Jugenderzählungen, wäre ungerecht. Dennoch kann man sagen: Aufs Ganze gesehen sind die Jugendromane, in formal-ästhetischer Hinsicht, den Müchmeyerromanen deutlich überlegen.

   Heinz Stolte u.a. nennen die folgenden Unterscheidungsmerkmale: Im Aufbau sind die Jugenderzählungen klarer und kunstvoller,40 in der Handlung geschlossener und in der Sprache gepflegter als die Kolportageromane. Die wildwuchernde Phantasie ist gebändigt.41 Und die epische Technik hat sich verfeinert: Zeigte sich der Autor in den Münchmeyerwerken als rohes 'Naturtalent', so erweist er sich in den Jugenderzählungen als disziplinierter Künstler, "der seine Mittel bewußt und gekonnt"42 zum Einsatz bringt. Mays Jugendromane sind in ihrer Art Meisterwerke; ihnen kommt, nach Wollschlägers Urteil, "das Maß klassischer Leistung zu; noch heute gehören sie unverändert zu den Guten Büchern, die Kindern in die Hand zu geben wären."43


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   Mays Jugenderzählungen liegt in der Form eine geplante Architektur und im Inhalt ein erkennbares Konzept, eine didaktische Idee zugrunde. Der Autor bewährt sich, mehr denn je, als passionierter Lehrer. Er will seine jungen, noch wenig geprägten Leser erziehen: zur Ehrfurcht vor dem Leben, zur Liebe zu allen Menschen, gleich welchen Standes, welcher Hautfarbe und Religion. Daß er gerade auch 'Behinderte' (heimliche Selbstporträts!): Menschen mit körperlichen Gebrechen und seelischen Verletzungen - den hinkenden, beruflich gestrandeten Hobble-Frank, den tragikomischen Hadschi Ali, den 'gelehrten' Uszkar, den als Gaucho verkleideten Zoologen Dr. Morgenstern, den verhinderten 'Chirurgen' Don Parmesan, den Kantor em. Aurelius Hampel und viele andere -, so liebenswürdig gezeichnet hat,44 verdient besonderes Lob.

   Während die Kolportageromane, auf weiten Strecken, auch schönen Mädchen und zärtlichen Szenen ihren Reiz verdanken, fehlt dieses Element in den Jugenderzählungen gänzlich. Spannung zu erzeugen, verstand Karl May auch ohne Erotik. Amouröse Beziehungen werden in den Jugendbüchern durch Männerfreundschaften ersetzt,45 und Frauen spielen keine (zumindest keine handlungstragende) Rolle. Der Grund für diese Besonderheit dürfte - ausschließlich oder vorwiegend - in der Rücksicht auf den Adressatenkreis, auf das vorpubertäre Knabenalter der meisten 'Kamerad'- bzw. 'Union'-Leser zu suchen sein.46

   Karl May ist Literaturpädagoge:47 Er will in den Jugendromanen seinen Lesern


auch geographische und naturwissenschaftliche Kenntnisse vermitteln und sie vom Nutzen des Lernens und Studierens überzeugen. Dabei sorgt er dafür, daß es in seinem Klassenzimmer nicht nach 'Schulmuff' riecht. Er stößt die Fenster auf und läßt den 'Duft der großen weiten Welt' hereinströmen. Der 'Unterrichtsstoff' wird unauffällig in die Handlung integriert, die Vermittlung von Information und Wissen wird zum Erlebnis. Das war, in dieser Art, etwas durchaus Neues - man halte einmal die Unterrichtsmethoden, die zu Karl Mays Zeit üblich waren, dagegen, die Traktate, die Belehrungen, aus denen unübersehbar und drohend der erhobene Zeigefinger hervorblickte.48


   Wie unterscheiden sich nun die Jugendromane von den - teils früher, teils gleichzeitig, teils später entstandenen - Reiseerzählungen bei Pustet? Die Gemeinsamkeiten liegen auf der Hand: Die Schauplätze sind im wesentlichen dieselben; die Personen- und Landschaftsbeschreibungen, die Handlungsmotive, die spannende Erzählweise und die pädagogische Zielsetzung sind in beiden Werksgruppen sehr ähnlich; auch die ethischen Prinzipien, die christlich-humanitären Grundsätze, stimmen überein. Die (dennoch vorhandenen) Unterschiede zu bestimmen, scheint relativ schwierig.

   Die Leser des 'Deutschen Hausschatzes', in welchem die Mayschen Reiseerzählungen zum Großteil erschienen, waren überwiegend Erwachsene, Männer und Frauen mit unterschiedlichem Bildungsgrad; aber auch die Reiseerzählungen sind, im Gegensatz zu den hochkomplizierten Spätwerken des Dichters, im Grunde doch Jugendlektüre (was ja keineswegs ausschließt, daß sie auch Erwachsene ansprechen und interessieren können49). Obwohl sie den Horizont des jugendlichen Lesers in mancher Hinsicht übersteigen,50 können die Hausschatz-Romane dennoch als Jugendliteratur bezeichnet werden - und zwar


in einem echteren Sinne als das, was man gemeinhin so nennt. Hier stellt sich nicht ein Erwachsener mit Fleiß naiv [...] Sondern Mays Seelenlage war selbst von jugendlicher Art: Wenn Zwölfjährige den Verstand eines hochbegabten Erwachsenen besäßen und dichten könnten, so würden sie schreiben, wie Karl May es lange Jahre tat.51


   Zu verwechseln sind Mays Erzählungen im 'Guten Kameraden' und im 'Deutschen Hausschatz', trotz vieler Gemeinsamkeiten, allerdings nicht. Das Erkennungsmerkmal der - ausdrücklich und mit Absicht - für die Jugend verfaßten Erzählungen ist die Rolle des jugendlichen Helden (z.B. Wokadeh und Martin Baumann in Bärenjäger oder Haukaro-


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pora in Vermächtnis des Inka), besonders aber der Verzicht aufs erzählende 'Ich'. Kara Ben Nemsi kommt in den Jugendbüchern nicht vor, und von Old Shatterhand (der in den fünf Wildwest-Erzählungen Bärenjäger, Llano estakado, Schatz im Silbersee, Oelprinz und Schwarzer Mustang auftritt) ist in der dritten Person die Rede.

   Der Eindruck, Karl May berichte von eigenen Reiseerlebnissen, wird tunlichst vermieden. In den Jugendromanen gab der Schriftsteller sein, mit dem Ich-Helden verbundenes, pseudologisches Rollenspiel auf - weil er sich als Erzieher verantwortlich fühlte: Die Leser sollten sich nicht im Alleskönner Old Shatterhand, sondern in den altersgleichen - freilich ebenfalls idealisierten - Protagonisten wiedererkennen.52

   Die spätere 'Shatterhand-Legende',53 die Identifizierung von Autor und Held, hätte allein aufgrund der Jugendromane gewiß nicht entstehen können. Zudem wird, nach Ulrich Schmids Analyse, "die Fiktionalität des Geschehens [...] dem jugendlichen Leser durch zahlreiche ironische Brechungen und Sprachspiele nahegelegt."54


7.13.4

Das katechetische Anliegen


Mays Literaturpädagogik ist in der Regel auch Katechese: Hinführung des Lesers zum Glauben an Gott. Gilt das auch für die Jugendromane?

   Nach Wollschläger hat May, in religiöser Beziehung, für den liberalen Wilhelm Spemann ganz anders geschrieben als für den katholischen 'Hausschatz'; in den Jugendbüchern sei er "gut und gern ohne räuchernde Weihe"55 ausgekommen. Doch der Schriftsteller selbst war anderer Meinung: Es gäbe, so heißt es in einem Brief an Karl Pustet, "keine einzige"56 Erzählung von ihm, in der die Religion vernachlässigt werde.

   Von den Wünschen seines Verlegers Spemann war der Autor nicht völlig unabhängig. Karl May wurde gedrängt und beeinflußt in eine bestimmte Richtung: Er solle auf "weitgesponnene Gespräche" verzichten und den "flotten Fortgang der Handlung"57 in seinen Romanen forcieren; denn die Leser wollten, so meinte die Redaktion, nur spannende Abenteuer.58

   Religiöse Erörterungen waren bei den 'Kamerad'- und 'Union'-Lesern wohl nicht besonders gefragt. Fromme Betrachtungen wurden von May nicht erwartet. Der Autor hat diese Situation, bis zu einem gewissen Grade, berücksichtigt. Im - 1890/91 entstandenen59 - Südamerika-Roman Das Vermächtnis des Inka zum Beispiel tritt das religiöse Sprachspiel (der ausdrückliche Hinweis auf die Kraft des Gebetes, die göttliche Führung, das Walten der Gnade) zwar nicht völlig, aber doch weitgehend zurück: Von Gott ist, expressis verbis, nur wenig die Rede.

   Eine indirekte Katechese, eine 'Predigt' im weitesten Sinne des Wortes ist freilich auch Das Vermächtnis des Inka: Das Gute siegt, das Böse (in der Gestalt des Gambusino und des Stierkämpfers Perillo) wird überwunden, und der Verzicht des Haukaropora, des letzten Inka, auf den Schatz seiner Väter60 läßt den Leser erahnen, daß es noch andere und wesentlich höhere Güter gibt als Reichtum und Macht.

   In anderen Jugenderzählungen Mays wird die religiöse Dimension, die dem Literaturpädagogen zweifellos wichtig ist,61 explizit zur Sprache gebracht. An zwei Beispielen, den Erzählungen Der Sohn des Bärenjägers und Die Sklavenkarawane, soll dies belegt werden.

   In beiden Werken geht es, wie so oft bei May, um verlorene und wiedergefundene Söhne bzw. verlorene und wiedergefundene Väter. Die autobiographische, aber auch die theologische Relevanz ist offensichtlich.


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   Martin Baumann, der Sohn des Bärenjägers, sucht den gefangenen Vater und gerät in die schlimmste Bedrängnis. Schreckliches wird geschildert - bis an die Grenze des Erträglichen. Der Sohn soll, vor den Augen des Vaters, im Feuerpfuhl sterben:


Old Shatterhand sah ganz deutlich, daß Martin totenbleich wurde. Zu gleicher Zeit ertönte ein schriller Schrei [...] Einer der Gefangenen hatte ihn ausgestoßen, der alte Baumann [...] Das, was der Häuptling gesagt hatte, mußte etwas geradezu Fürchterliches sein. Und das war es auch [...]62


   In letzter Sekunde wird das Unheil gewendet, durch das Eingreifen Winnetous und Old Shatterhands. Die ganze Erzählung, besonders der Schlußteil, hat "psychische Brisanz".63 Des Schriftstellers Vatererfahrung (vor kurzer Zeit hatte Heinrich May einen Schlaganfall erlitten!) spiegelt sich im Text. Scheinbar Vergangenes taucht wieder auf. Das Yellowstone-Gebiet mit seinen infernalischen Geisern, dem 'Feuerlochfluß', dem 'Teufelswasser', dem 'Maul der Hölle', den rauchenden Schlammvulkanen, wird zum Darstellungsmittel seelischer Vorgänge, vor allem der - ambivalenten - Vaterbeziehung des Autors:64 "Man möchte alle Sekunden ein 'Herrlich! Unvergleichlich! Himmlisch!' rufen, wenn das alles nicht gar so angsterregend, so höllisch wäre."65

   Bernhard Kosciuszko stellt, zum formalen Gesichtspunkt, fest: Wohl noch nie hat Karl May eine Landschaftsschilderung "organischer [...] in seine Handlung einbezogen" und die "psychische Dimension dieser Landschaft"66 so geschickt mit der Story verknüpft wie in den Schlußszenen des Bärenjägers. Die Zwiespältigkeit der Gefühle des Verfassers, die Nähe von Leben und Tod, von Freude und Angst, Gefahr und Erlösung, sind "nicht deutlicher auszudrücken"!67

   Mays zwischen Furcht und Liebe schwankende Vatererfahrung schlägt um in die, auch wieder doppelgesichtige, Gotteserfahrung: Der zornige, 'dunkle' Gott erweist sich zuletzt als unbegreifliche Liebe. Als eigentliches - katechetisches - Lehrziel der Bärenjäger-Geschichte ist der Text des Kirchenliedes zu verstehen, das wir vom Kolportageroman Der verlorene Sohn her schon kennen,68 auf das die gesamte Erzählung sich hinbewegt und das dem Rettungserlebnis des Autors, des (vom väterlichen Zorne) Geschlagenen, des psychotischen Kriminellen, des verzweifelnden Häftlings im Zuchthaus entspricht:


Ich rief den Herrn in meiner Not:
'Ach Gott, vernimm mein Schreien!'
Da half mein Helfer mir vom Tod
Und ließ mir Trost gedeihen.
Drum dank', ach Gott, drum dank' ich dir!
Ach, danket, danket Gott mit mir;
Gebt unserm Gott die Ehre!


   Der Sohn des Bärenjägers kann, wie so viele May-Geschichten, geradezu als - in die abenteuerliche Fabel verkleidete - katechetische Lehrerzählung verstanden werden. Die Absicht des 'Predigers' ist leicht zu erschließen: Der Leser soll (womöglich im Gedenken an eigene Rettungserlebnisse) einsehen, daß Gott auch die äußerste Not noch verwandeln kann in Freude und Glück. Ferner soll der Leser erkennen, daß die Liebe alles vermag, daß Schonung und Milde selbst hartnäckige Gegner (die Schoschonen und die Upsaroka-Indianer) verändern kann: zu Freunden und Verbündeten! Zugleich soll der Leser erfahren, daß das absolut Böse auf die Dauer keine Chance hat: Es stürzt - diesmal in der Gestalt des Sioux-Häuptlings - in das brennende Schlammloch, in den gähnenden Abgrund hinunter - wie der Satan in den Feuer- und Schwefelsee (vgl. Offb 20, 10).

   Auch in Die Sklavenkarawane69 zeigt sich May als 'Prediger' und 'Katechet'. Auch in diesem Roman soll ein Vater den Sohn wiederfinden. Bala Ibn ('Ohne Sohn'), der 'Elefantenjäger', war grausam zu seinen Sklaven. Er war - wie der inzwischen verstorbene


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Heinrich May70 - ein jähzorniger Mann. Doch das Herz dieses Vaters wurde erschüttert. Sein vierzehnjähriger Sohn - in diesem Alter trat Karl May ins Waldenburger Seminar ein - wurde ihm entrissen, in die Sklaverei verkauft und (wie dem Vater fälschlicherweise gesagt wurde) seiner Zunge beraubt. Der Vater verläßt seine Heimat; sein Leben ist von jetzt an nur diesem Ziele geweiht: den Sohn wiederzufinden.

   Über den deutschen Arzt Dr. Emil Schwarz erfährt Bala Ibn, nach jahrelanger Suche, von Abd es Sirr, dem 'Sohn des Geheimnisses'. Daß es sein eigener Sohn ist, weiß er noch nicht. Doch hat er inzwischen eingesehen: seine Schmerzen waren nicht unverdient.


"Mancher Schwarze ist unter meiner Peitsche gestorben; einigen habe ich die Hände abhauen, einem auch die Zunge nehmen lassen, weil er mich mit derselben beleidigte. Nach dem Verschwinden meines Sohnes kam die Reue über mich, und ich gab sie alle frei."71


   Emil Schwarz, der gläubige Christ, gibt dem Moslem ein Zeichen der Hoffnung:


"Allah hielt Gericht über dich; nun er aber deine Reue gesehen, und deine Leiden gezählt hat, wird er Gnade walten lassen. Ich bin überzeugt, daß du deinen Sohn wiedersehen wirst, vielleicht schon bald." - "Nie, nie!" - "Sprich nicht so! Warum willst du an Gottes Gnade verzweifeln? Bietet dein Glaube dir keine Versöhnung zwischen der göttlichen Liebe und dem reuigen Sünder? Du glaubst nicht an den großen Erlöser aller Menschen, welcher am Kreuze auch für dich gestorben ist, so sei wenigstens überzeugt, daß Allah alle deine Klagen, auch die jetzigen, vernommen hat, und daß seine Hilfe sich vielleicht schon unterwegs zu dir befindet." - "Das ist undenkbar", antwortete Bala Ibn. "Wollte er mir helfen, so hätte er es schon längst gethan." - "Er allein weiß es, warum er es noch nicht that. Vielleicht hast du deine frühere Härte noch niemals so erkannt wie heute."72


   Ein typisches (theologisch wichtiges und autobiographisch bedeutsames) May-Motiv liegt hier vor: Gottes Hilfe, wie immer sie auch aussehen mag, ist nahe - für den Sünder, der Buße tut. Um eine rationale Erklärung des menschlichen Leids, etwas als 'Strafe', geht es hier allenfalls sekundär. Das katechetische Lehrziel ist, wie immer bei May, das Vertrauen auf den rettenden Gott. Und die Leser sollen zudem verstehen, daß auch die 'Letzten': die Verachteten und Geschundenen, die Neger und Sklaven, Gottes Kinder sind. Im Zeitalter des Imperialismus, des europäischen Hochmuts, gewiß keine selbstverständliche Idee!

   Nicht jedes Leid ist persönlich verschuldet. Die Sklavenkarawane beschreibt, mit unerhörtem Realismus in den Details,73 solche Qualen und solche Entsetzlichkeiten, daß sich die Frage nach Gott, seiner Allmacht und Güte, dem Leser geradezu aufdrängt. Zwar werden die Sklaven, am Ende der Erzählung, befreit. Aber die Opfer, die bestialisch Ermordeten? Die zu Tode Gepeitschten? Und die erschlagenen Kinder? Die den Armen ihrer schreienden Mütter entrissenen Säuglinge? Vor wem, so muß man sich fragen, haben sich die Henker und ihre Handlanger zu verantworten? Und - wer gibt den Toten das Leben zurück? Wer tröstet die Mütter?

   Lobo und Tolo, zwei Negersklaven,74 träumen von Recht und Gerechtigkeit, von Befreiung und Glück. Tolo weiß vom "großen Schech" zu berichten, "der über den Sternen wohnt"75 und dessen Sohn für die Menschen gestorben ist. Tolo versichert: "Und wer da stirbt, indem er Gutes thut, und die Gesetze des großen Schechs erfüllt, der ist nicht tot, sondern er steigt auf zum Himmel, zum Sohne des Schechs, um bei demselben zu leben und niemals zu sterben." Tolo "hatte das mit wahrer Inbrunst gesprochen, im Tone vollster Ueberzeugung. Der andre schüttelte den Kopf [...]"76

   Lobo kann die Worte des Tolo noch nicht verstehen. In Todesnot fragt er den Freund:


"Bist du wirklich überzeugt, daß es da oben bei den Sternen einen guten Schech gibt, der uns lieb hat und bei sich aufnehmen wird?" - "Ja, das ist wahr", antwortete Tolo. "Man muß es glauben." -"Und wenn man gestorben ist, lebt man bei ihm?" - "Bei ihm und seinem Sohne, um niemals wieder zu sterben."77


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   In Lobos Seele ist der Same des göttlichen Wortes auf fruchtbaren Boden gefallen: "Wenn der Sohn des großen Schechs gestorben ist, um die Menschen zu retten, sollen wir es wohl auch thun?"78 Lobo nimmt das Evangelium wörtlich. Er folgt dem Gottessohn nach: Er ist bereit, für Tolo, an dessen Stelle, zu sterben. Lobo hat es erkannt, und der Leser soll es bedenken in seinem Herzen: Das Kreuz Jesu Christi, die Liebe, die das Opfer nicht scheut, ist das einzige 'Argument' - angesichts des Leidens der Kreatur.

   Vertröstung aufs Jenseits? Sklavenmoral? Opium für das Volk? Wo die 'vorletzten' Hoffnungen - der Friede, die Versöhnung, die Gerechtigkeit schon jetzt auf der Erde - so ernstgenommen werden wie in den Erzählungen Karl Mays, da darf und muß auch von der letzten Hoffnung, der Erlösung im Himmel, gesprochen werden.



Anmerkungen


1Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 69.
2Vgl. oben, S. 179.
3Vgl. Jürgen Wehnert: Joseph Kürschner und Karl May. Fragmente einer Korrespondenz aus den Jahren 1880 bis 1892. In: JbKMG 1988, S. 341-389 (S. 342ff.) - Andreas Graf: "Von einer monatelangen Reise zurückkehrend". Neue Fragmente aus dem Briefwechsel Karl Mays mit Joseph Kürschner und Wilhelm Spemann (1882-1897). In: JbKMG 1992, S. 109-161 (112 ff.)
4May versprach Kürschner für den 'Fels' Romane mit den Titeln Die erste Liebe des Mahdi (Brief vom 8.3.1885 an Kürschner) und Die Schejtana (Brief vom 11.9.1886) zu verfassen. Daß er diese (und andere) Pläne nicht realisieren konnte, begründete May mit ausgedehnten 'Reisen'. - Vgl. Graf, wie Anm. 3, S. 121 ff. u. 132ff.
5Später hat May diese Erzählung für Old Surehand II (S. 215-247 der Freiburger Erstausgabe von 1895) verwendet.
6Wehnert, wie Anm. 3, S. 350 - Vgl. aber unten, S. 402ff.
7Aus Kürschners Brief vom 3.10.1886 an May; zit. nach Wehnert, wie Anm. 3, S. 350 - Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 197, zitiert diesen Brief ebenfalls.
8Nach Wehnert, wie Anm. 3, S. 350.
9Ebd., S. 351.
10Faksimile-Wiedergabe bei Gerhard Klußmeier: Karl May und Deutscher Hausschatz II. In: MKMG 17 (1973), S, 17-20 (S. 19).
11May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 197, nennt die Treue gegenüber Pustet als Grund. - Auch diese Erklärung "ist unzureichend, weil May zu jener Zeit fast nur für Münchmeyer schrieb" (Claus Roxin in einem Brief vom 6.2.1991 an den Verfasser).
12Roxin: Ebd.
13Aus Kürschners Brief vom 10.11.1886 an May; zit. nach Wehnert, wie Anm. 3, S. 352.
14Klaus Eggers: (Werkartikel zu): Maghreb-el-aksa. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 577f. (S. 578).
15Diese Erzählung hat May später für Old Surehand I (S. 34-39 der Freiburger Erstausgabe von 1894) verwendet.
16Diese Erzählung erschien unter dem Pseudonym 'D. Jam' in 'lllustrirte Romane aller Nationen'.
17Vgl. Wehnert, wie Anm. 3, S. 373-384.
18Ebd., S. 353.
19Vgl. Graf, wie Anm. 3, S. 114ff. u. 133.
20Ob May diese beiden Romane selbst beendet hat, ist allerdings fraglich; vgl. Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 14, S. 62-123 (S. 97f.) - Walther Ilmer: (Werkartikel zu) Deutsche Herzen, Deutsche Helden. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 14, S. 404-410 (S. 404). - Roxin: Brief, wie Anm. 11, erklärt: "Roland Schmid hatte mir erzählt, May habe den Verlagsabrechnungen zufolge für die letzten Hefte kein Honorar mehr erhalten. Solange jedoch die Dokumente nicht auf dem Tisch liegen, ist Vorsicht geboten."
21Roxin: Mays Leben, wie Anm. 20, S. 97.


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22Bernhard Kosciuszko: (Werkartikel zu) Der Sohn des Bärenjägers. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 14, S. 326-328 (S. 328).
23Aus Spemanns Brief vom 18.1.1887 an May; zit. nach Karl May: Der Sohn des Bärenjägers - Der Geist der Llano estakata. KMG-Reprint des Erstdrucks im 'Guten Kameraden' (Berlin, Stuttgart 1. Jg. 1887 bzw. 2. Jg. 1887/88). Hamburg 1983. Anhang, S. 263-269 (S. 264).
24Vgl. Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 188. - Zu fremdsprachlichen May-Ausgaben vgl. ebd., S. 366f. (Anm. 11-13) - Ulrich von Thüna: Übersetzungen. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 14, S. 646-650.
25Aus dem Brief des Spemann-Verlags vom 1.9.1887 an May; zit. nach May: Bärenjäger. Anhang, wie Anm. 23, S. 265.
26Gerhard Klußmeier - Hainer Plaul (Hrsg.): Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim, New York 1978, S. 113. - Vgl. Gerhard Klußmeier: Das "katholische Mäntelchen". In: MKMG 25 (1975), S. 15-18 (S. 17); dazu unten, S. 224f.
27Vgl. unten, S. 236ff.
28Zu dieser Schreibweise Mays vgl. Wolf-Dieter Bach: Fluchtlandschaften. In: JbKMG 1971, S. 39-73 (S. 67); dazu Claus Roxin: "Llano estakata" - Keine Kommentare? In: MKMG 21 (1974), S. 3. - Für die Buchausgabe Die Helden des Westens (1890) wurde der Titel korrigiert in Der Geist des Llano estakado; vgl. Bernhard Kosciuszko: (Werkartikel zu) Der Geist des Llano Estakado. In: Karl-May-Handbuch, wie Anm. 14, S. 329-331 (S. 329).
29Der schwarze Mustang wurde 1894 oder 1895 begonnen und erst im Sommer 1896 beendet. - Zu den jeweiligen Entstehungszeiten der Jugenderzählungen vgl. die einschlägigen Werkartikel im Karl-May-Handbuch (wie Anm. 14) und die editorischen Berichte in der 'historisch-kritischen Ausgabe' (hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger). Nördlingen bzw. Zürich 1987ff. (Karl May's Werke Abt. III).
30Die Originaltexte dieser (und weiterer) Kurzerzählungen finden sich heute in: Karl May: Der schwarze Mustang und andere Erzählungen. Karl Mays Werke III.7. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1992.
31Vgl. Klußmeier - Plaul (Hrsg.), wie Anm. 26, S. 117 u. 120.
32Vgl. oben, S. 207.
33Reprint-Ausgaben erschienen seit 1973 als Gemeinschaftsausgaben des Karl-May-Verlags und des Verlages A. Graff. - Die 'Gesammelten Werke', Bd. 35-41 des Karl-May-Verlags wurden von den Herausgebern (mehr oder weniger stark) bearbeitet.
34Vgl. Wilhelm Vinzenz: Die erste Bärengeschichte. In: MKMG 27 (1976), S. 18 - ders.: Die zweite Bärengeschichte. In: MKMG 28 (1976), S. 23f.
35Vgl. unten, S. 218f.
36Vgl. die editorischen Berichte in der 'historisch-kritischen Ausgabe', wie Anm. 29.
37Wilhelm Vinzenz: Anmerkungen zur historisch-kritischen Ausgabe (KMW). In: MKMG 77 (1988), S. 31-34 (S. 32).
38Vgl. May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 7, S. 208.
39Roxin: Brief, wie Anm. 11.
40Vgl. Helmut Schmiedt: Helmers Home und zurück. Das Spiel mit Räumen in Karl Mays Erzählung 'Der Geist des Llano estakado'. In: JbKMG 1982, S. 60-76 - Ulrich Schmid: Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 12. Ubstadt 1989, S. 38ff.
41Vgl. Heinz Stolte: Ein Literaturpädagoge. Untersuchungen zur didaktischen Struktur in Karl Mays Jugendbuch 'Die Sklavenkarawane', 3. Teil. In: JbKMG 1975, S. 99-126 (S. 105).
42Heinz Stolte: Der Fiedler auf dem Dach. Gehalt und Gestalt des Romans "Weihnacht!". In: JbKMG 1986, S. 9-32 (S. 14).
43Wollschläger, wie Anm. 1, S. 71 - Ähnlich Otto Forst-Battaglia: Karl May. Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Beiträge zur Karl-May-Forschung 1. Bamberg 1966, S. 178f.
44Vgl. Wiltrud Ohlig: Bucklige, Lahme und andere Behinderte bei Karl May. In: MKMG 35 (1978), S. 23-32 - Heinz Stolte: Narren, Clowns und Harlekine. Komik und Humor bei Karl May. In: JbKMG 1982, S. 40-59 (S. 48). - Daß May sich in 'komischen' Figuren selbst karikiert, wurde schon früh erkannt; zur Selbstspiegelung des Autors im Hobble-Frank vgl. schon Ludwig Patsch: Spiegelungen. Beiträge zur Karl-May-Forschung. Ungedr. Manuskript. Wien 1938,S. 18.
45Aus diesem Umstand eine homosexuelle Veranlagung des Autors zu folgern (wie es Arno Schmidt getan hat), ist - angesichts der heute bekannten Details aus dem Leben Karl Mays - völlig unhaltbar.


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46Allerdings spielen auch in Mays Reiseerzählungen bis 1896 Frauen nur relativ selten eine handlungstragende Rolle. - Vgl. unten, S. 284ff.
47Vgl. Stolte: Ein Literaturpädagoge, wie Anm. 41, 1. Teil. In: JbKMG 1972/73, S. 171-194; Fortsetzung in: JbKMG 1974, S. 172-194; JbKMG 1975, S. 99-126; JbKMG 1976, S. 69-91.
48Erich Heinemann: Einführung. In: Karl May: Bärenjäger, wie Anm. 23, S. 3-11 (S. 6).
49Vgl. unten, S. 265ff.
50Vgl. unten, S. 268ff.
51Claus Roxin: Vorläufige Bemerkungen über die Straftaten Karl Mays. In: JbKMG 1971, S. 74-109 (S. 89).
52Nach Stolte: Ein Literaturpädagoge, wie Anm. 41, JbKMG 1974, S. 183.
53Vgl. unten, S. 321ff.
54Schmid, wie Anm. 40, S. 44.
55Wollschläger, wie Anm. 1, S. 76.
56Karl May: Briefe an Karl Pustet und Otto Denk. Mit einer Einführung von Hans Wollschläger. In: JbKMG 1985, S. 15-62 (S. 43; aus Mays Brief vom 11.1.1909 an Karl Pustet).
57Aus einem nicht datierten Schreiben Spemanns an May; nach Heinemann: Einführung, wie Anm. 48, S. 11 (Anm. 95), wurde der Brief Ende 1887 oder Anfang 1888 geschrieben.
58Dies geht aus Spemanns Brief, wie Anm. 57, hervor.
59Nach Hermann Wiedenroth - Hans Wollschläger: Editorischer Bericht. In: Karl May: Das Vermächtnis des Inka. Karl Mays Werke III. 5. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1990, S. 555-567 (S. 557).
60Vgl. May: Das Vermächtnis des Inka, wie Anm. 59, S. 537f.
61Im Herausgeber-Vorwort zu Die Helden des Westens, dem ersten Karl-May-Buch in der 'Union'-Reihe (Stuttgart, Berlin, Leipzig 1890, S. VI), heißt es zu Recht, May lasse "seine Helden unter einem schönen menschlichen, ja religiösen Impulse handeln".
62Karl May: Der Sohn des Bärenjägers. Karl Mays Werke III.1. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1992, S. 329.
63Bernhard Kosciuszko: "Eine gefährliche Gegend". Der Yellowstone Park bei Karl May. In: JbKMG 1982, S. 196-210 (S. 199).
64Vgl. Wilhelm Vinzenz: Feuer und Wasser. Zum Erlösungsmotiv bei Karl May. SKMG Nr. 26 (1980), S. 8-11.
65May: Bärenjäger, wie Anm. 62, S. 323.
66Kosciuszko: "Eine gefährliche Gegend", wie Anm. 63, S. 199.
67Ebd., S. 206.
68Vgl. oben, S. 128 (Anm. 40). - Der folgende Liedtext bei May: Bärenjäger, wie Anm. 62, S. 375 (May zitiert hier ein evangelisches Kirchenlied).
69Zum folgenden vgl. Erich Heinemann: Ein Plädoyer für die versklavte Menschheit. Einführung in Karl Mays Erzählung "Die Sklavenkarawane". In: Karl May: Die Sklavenkarawane. KMG-Reprint des Erstdrucks im 'Guten Kameraden' (Berlin, Stuttgart 4. Jg. 1889/90). Hamburg 1984, S. 3-10.
70Vgl. oben, S. 203f.
71Karl May: Die Sklavenkarawane. Karl Mays Werke III. 3. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 261.
72Ebd.
73Ebd., S. 301-304.
74Zu Mays grundsätzlicher Hochachtung der Neger vgl. Ekkehard Koch: "Jedes irdische Geschöpf hat eine Berechtigung zu sein und zu leben". Zum Verhältnis von Karl May und Johann Gottfried Herder. In: JbKMG 198 1, S. 166-206 (S. 186ff.).
75May: Die Sklavenkarawane, wie Anm. 71, S. 141.
76Ebd., S. 141f.
77Ebd., S. 183.
78Ebd., S. 184.




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