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3

Die Schülerzeit: Verkehrte Erziehung und schmutzige Umwelt, religiöser Kitsch und echte Glaubenserfahrung


Das Phänomen Karl May ist nicht nur von der frühesten Kindheit und ihren Versagungen her zu verstehen. An kränkenden und krankmachenden, an traumatischen und neuroseerzeugenden Situationen, aber auch an tief darunter verborgenen Verheißungsmomenten sind die Jugendjahre mindestens ebenso reich. Die Defekte und Sehnsüchte, die Katastrophe und das Gelingen, die innere Gefangenschaft und die göttlichen Wunder, die dieses Leben so beispielhaft machen, zeichnen sich in der Jugend- und Schülerzeit ab.


"Weißt du, wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, so kommt es mir grad so vor, als ob ich in einen regnerisch trüben Tag hineinsähe; es giebt nichts darin, was mich erfreut, nichts, gar nichts, als nur eine einzige Gestalt, an die ich gern denke [...], weil sich an sie kein Leid, kein Vorwurf für mich knüpft. Diese Gestalt ist mein guter Sappho [...] Rette mich, Sappho, rette mich!"1


   Mays Roman "Weihnacht!", der Rede des armen Carpio, ist diese mehrdimensionale und äußerst vieldeutige Stelle entnommen.

   Carpio ist ein verschlüsseltes Teil-Ich des Autors Karl May.2 Wer aber ist Sappho, die einzige Lichtgestalt in der Jugendzeit? In der Historie ist Sappho eine begnadete Dichterin, die um 600 vor Christus auf Lesbos gelebt und lyrische Götterhymnen, Hochzeits- und Liebeslieder geschrieben hat. Auf der Handlungsebene des Mayschen Romans ist Sappho das erzählende Ich: der Westmann Old Shatterhand, der Jugendgefährte des armen, in sich selbst zerrissenen Carpio. In der Binnenstruktur der Erzählung ist Sappho das Ich-Ideal, das höhere Du, der göttliche Funke im Herzen des gespaltenen Car(l)io May.

   Sappho ist ein Symbol der rettenden Poesie und der helfenden Gnade, ein Erlösungssymbol des gebrochenen Lebens und seines Verlangens nach Heil. Mit Sappho ist zugleich auch die Mutter, die Großmutter, das 'ewig Weibliche' gemeint. Für Mays "Recherche nach der verlorenen Liebe",3 für seine Suche nach der Mutter, nach der 'Barmherzigen Frau' und nach Gott ist Sappho eine Metapher, ein Leuchtzeichen der Hoffnung.

   Und die Realität? Die Welt des kleinen May blieb verdunkelt. Das blinde Kind war geheilt; aber die Not war noch groß, und die Rettung schien fern. Vater May verschwendete das wenige Geld. Um hinzuzuverdienen fertigte die Mutter in ihrer Freizeit, nach Beendigung des Hebammendienstes, weiße Leichenhandschuhe. Die Kinder mußten ihr helfen. Karl, der einzige überlebende Knabe, hatte mit den Schwestern die Mittelfinger zu nähen (S. 40).4

   Nach der Augenbehandlung besserte sich das körperliche Gesamtbefinden des kleinen Karl. Der Junge wurde gesünder und kräftiger. Der Vater gewann an Bedeutung, an übermächtiger Größe, für das seelisch gefährdete Kind. Heinrich May, die maskuline Gewalt, dominierte jetzt - im Erleben des Knaben - über ' Sappho', das 'weibliche' Antlitz der Gnade. Seinen vom Siechtum genesenen Sohn begann der Vater nun zu 'erziehen', d.h. zu dressieren nach seinen Wünschen und Vorstellungen: in verkehrter Liebe, die nicht heilt und erlöst, sondern kränkt und 'Gehorsam' erzwingt.

   Das Bild des Vaters prägt, wie C.G. Jung es gezeigt hat,5 die Psyche des Kindes. Nicht nur das Mutterbild, auch das Vaterbild wird zur 'Matrix', durch die das Kind seine Welt erfährt.


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   Die Wertbegriffe und Normen, nach Freud auch das Gottesbild, werden vom Vater maßgeblich beeinflußt. So stellt sich die Frage: wie hat Karl May seinen Vater erlebt? Mein Leben und Streben erhellt: Mays Kindheit und Jugend sind, wie sein späteres Leben und seine Bücher, von Polaritäten bestimmt. Der Vater verkörperte für den Jungen das 'Höhere' in einer doppelten Weise: als Ideal des geistigen Strebens und als strafende Macht.6



3.1

Peitsche und Stock


Mein Vater war ein Mensch mit zwei Seelen. Die eine Seele unendlich weich, die andere tyrannisch, voll Uebermaß im Zorn, unfähig, sich zu beherrschen. (S. 9)


   Die Kinder waren "in steter Angst", auch dann, wenn Vater ruhig war und lächelte. Die Peitsche war immer zu sehen:


Am Webstuhl hing ein dreifach geflochtener Strick, der blaue Striemen hinterließ, und hinter dem Ofen steckte der wohlbekannte "birkene Hans", vor dem wir Kinder uns besonders scheuten, weil Vater es liebte, ihn vor der Züchtigung im großen "Ofentopfe" einzuweichen, um ihn elastischer und eindringlicher zu machen. (S. 10)


   Vaters "andere Seele" war gütig und mild, war heiter und "herzgewinnend"; geriet er aber in Zorn, was sehr schnell geschehen konnte, dann - so schildert es May -


bekam man den Strick oder den "Hans" so lange, bis Vater nicht mehr konnte. Unsere älteste Schwester [...] wurde sogar noch als Braut mit Ohrfeigen gezüchtigt, weil sie von ihrem Spaziergange mit ihrem Bräutigam etwas später nach Hause kam, als ihr erlaubt worden war. (S. 10f.)


   Die Peitschenhiebe, die Kara Ben Nemsi (das 'Ich' in den Orientgeschichten) verabscheut und Hadschi Halef Omar (das andere Teil-Ich) so liebt, spiegeln die Vaterhausszenen wider. Natürlich auch - ins Humoristische gewandt - des 'Alten Dessauers' Prügelstock und - ins Entsetzliche gesteigert - die Schläge der Sklavenhändler oder die Knute des Rittmeisters (im sibirischen Teil des Kolportageromans Deutsche Herzen, deutsche Helden). Selbst im - zunehmend vom Mutterbild inspirierten - Alterswerk Karl Mays, in Am Jenseits, im Silbernen Löwen IV oder im Erlösungsdrama Babel und Bibel, schwingt die Peitsche - als Erbe des Vaters und seines Grimmes - noch mit.

   Heinrich May hatte den Sohn auf seine Weise geliebt, aber seine Zwangsmittel waren verblendet. Auf dem Höhepunkt der Karl-May-Hetze, zur Entstehungszeit der Selbstbiographie (1910), geriet auch Vater May ins häßliche Zwielicht. Da der Sohn ihn trotz bitterster Kindheitserlebnisse geehrt und geliebt hat, ihn also vor der Öffentlichkeit zu schützen versuchte, werden seine Aussagen - sofern sie Negatives betreffen - wohl kaum übertrieben sein.



3.2

Tröstung und Flucht


   Die Realität war bitter und grausam. Das Kind suchte Liebe und inneren Frieden; es fand seinen Trost im Fiktiven. Ähnlich wie der kleine Bastian in Michael Endes Die unendliche Geschichte7 flüchtete auch Karl May in die 'andere Welt'. Wolf-Dieter Bach hat erklärt: "Der Zwang zur Sublimierung frühkindlicher Libido und die Fluchtbereitschaft aus der Erbärmlichkeit Ardistan-Ernstthals mußten sich in Wechselwirkung verstärken."8 Einfacher und ohne psychoanalytische Theorie formuliert: Seine Phantasie trug den Jun-


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gen, sehr früh schon, aus dem Tal der Tränen hinauf zu den 'Bergen', ins - himmlisch-irdische - Land seiner Träume.

   NUR Phantasie? Mays Träume sind so wahr wie die Archetypen der Seele, wie die Mythen Homers, wie Chagalls Malerei, wie Verdis Musik, wie Dantes Symbolik, wie die Hoffnungsbilder der Religionen, wie die Verheißungsbilder der Apokalypse, wie die - nach jüdischer und christlicher Überzeugung auf die Selbstoffenbarung Gottes zurückgehenden - Gesichte der biblischen Träumer. Im künstlerischen Rang, in der Leuchtkraft des Wortes nähert sich May erst spät solchen Höhen; aber die Triebkräfte seiner künftigen Dichtung sind der Seele des Kindes schon eingestiftet.

   Karls Taufpate, der weitgereiste Schmied Christian Weißpflog (1819-1894), dürfte seine 'Fluchtlandschaften' - in ihrer exotischen Ausdehnung - bereits in jungen Jahren, im frühen Volksschulalter wahrscheinlich, angeregt haben. Dieser in der Selbstbiographie schon 'vergessene', jedenfalls nicht mehr erwähnte Pate9 ergänzte die Märchen der Großmutter (deren Inhalt uns nicht überliefert ist)10 um reale Erlebnisberichte:


Ich hatte einen Paten, welcher als Wanderbursche weit in der Welt herumgekommen war. Der nahm mich [...] gern zwischen seine Kniee, um mir und den rundum sitzenden Knaben von seinen Fährten und Erlebnissen zu berichten. Es war ein kleines schwächliches Männlein, mit weißen Locken, aber in unseren Augen ein gar gewaltiger Erzähler voll übersprudelnder, mit in das Alter hinüber geretteter Jugendlust und Menschenliebe 1 ... 1 Wir lauschten atemlos, und was kein strenger Lehrer, kein strafender Vater bei uns erreichte, das erreichte er so spielend leicht durch die Erzählungen von seiner Wanderschaft. Er hat seine letzte Wanderung schon längst vollendet; ich aber erzähle an seiner Stelle weiter.11


   Die für Mays Geschichten so bezeichnende Mischung von märchenhafter Phantasie und scheinbarer Wirklichkeit, von träumerischer Fiktion und tieferer Wahrheit, von Abenteuerromantik und religiöser Verkündigung, wird auch von diesen beiden beeinflußt sein: von der Großmutter May geb. Kretzschmar und dem Taufpaten Weißpflog.



3.3

Hauptmann und General


In Mays Schriften geht es vordergründig fast immer um Kämpfe und Waffen. Militärische Traumkarrieren füllen die Frühwerk- und Kolportageromane des Dichters, der niemals Soldat war und bei der Musterung für 'untauglich'12 befunden wurde.

   Beduinenscheichs und Apachenhäuptlinge, schneidige Rittmeister und junge Fregattenkapitäne, funkelnde Generalleutnants und draufgängerische Feldmarschälle werden in diesen Schriften bewundert. Mays Protagonisten sind - auch als Christen, als Missionare der Liebe - meist kriegsstarke Helden und mannhafte Recken. Antimilitaristische Untertöne, in Mays Roman Die Juweleninsel (in der Erzählung Brendels, des kriegsbeschädigten Knappen)13 zum Beispiel, sind eine Ausnahme. Zwar wird schon im Frühwerk, im Buch der Liebe, der "Friede" beschworen;14 aber erst im pazifistischen Alterswerk überwiegt das Weibliche, Sanfte, und verliert das Heroische seine Bedeutung.

   Eine tatsächliche, nach der Schilderung der Selbstbiographie freilich groteske Berührung mit der Welt des Militärischen fällt in die früheste Schülerzeit Karl Mays. Der historische Kontext war allerdings ein ganz anderer, als Mein Leben und Streben es darstellt: Es sollte nicht Friedrich August, der König von Sachsen, "vor dem Untergange" (S. 40) gerettet, sondern - im Gegenteil - Demokratisches gegen König und Adel verteidigt werden.15


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   Die feudale Wirtschaftsordnung hatte zu revolutionären Bewegungen geführt, die im Schönburgischen, auch in Ernstthal, besonders heftig waren. Als Gefreiter eines Bürgerkorps - und nicht, wie es bei May heißt, als "Hauptmann der siebenten Kompagnie" (S. 43) - stand auch Karls Vater auf seiten der Revolution. Ob er im April 1848 beim Sturm auf das Waldenburger Schloß des Fürsten Otto Viktor von Schönburg-Waldenburg mitgewirkt hatte, ist allerdings ungewiß.16

   Im Mai 1849 wurde der Dresdner Aufstand niedergeschlagen. Da bis dato ständig vom Siege die Rede war, verstand es sich, "daß auch wir Jungens uns nicht nur in kriegerische Stimmungen, sondern auch in kriegerische Gewänder und in kriegerische Heldentaten hineinarbeiteten." (S. 41) Ein beziehungsreicher Satz! In Mays Straftäterzeit und dann wieder im Old-Shatterhand-Gehabe der neunziger Jahre erreichte der Mummenschanz seinen Höhepunkt, der den teilweisen Zusammenbruch, aber auch die Wiedergeburt des verwandelten Dichters zur Folge hatte.

   Karle - so wurde er zuhause genannt - fand Spaß an den kindlichen Kriegsspielen. Er ließ sich vom Vater, dem 'Hauptmann', exerzieren und drillen. Dieser war mit keiner Charge zufrieden, er trachtete nach dem Höchsten. Die Großmannssucht, das Wunschdenken des Vaters, schien sich auf den Kleinen zu übertragen - "Vater war bald Leutnant, bald Hauptmann, bald Oberst, bald General; ich aber war die sächsische Armee. Ich wurde erst als 'Zug', dann als ganze Kompagnie einexerziert. Hierauf wurde ich Bataillon, Regiment, Brigade und Division." (S. 43)



3.4

Schulischer Druck und sinnloses Lernen


Die Anlagen des Kindes und der Druck des Vaters, Karles eher weiche, fast weiblich geprägte Persönlichkeitsstruktur (Sappho!)17 und der Zwang zu männlicher Härte paßten überhaupt nicht zusammen. Ein 'Sklave der Arbeit'18 ist Karl geworden, eine Geisel in der Hand seines Vaters, der es gut mit ihm meinte, aber verständnislos an ihm handelte. Zum Trauma der frühesten Kindheit, ihrem seelischen und leiblichen Elend, kamen noch weitere Schäden hinzu. Die spätere Entwicklung, die Spaltung des 'Ich', die Tendenz, Reales zu ignorieren und träumend zu überfliegen, scheinen vorprogrammiert. Erstaunlich ist da nur dies: daß Karl May der Durchbruch zur menschlichen Reife, zur wirklichen Bildung, zur inneren Größe, zur herzlichen Güte - trotz aller Rückschläge - dennoch gelang!

   Zu Ostern 184819 trat Karl in die Ernstthaler Volksschule ein. Die Klassen waren überfüllt; ein Lehrer hatte etwa 90 Schüler zu unterrichten.20 Das Bildungssystem war - nach 1848 - autoritär und restaurativ. Der Unterricht diente nicht dem einzelnen Kind und nicht dessen individuellen Bedürfnissen, sondern "dem Zwecke herrschaftskonformer Glaubenserziehung".21

   Thron und Altar waren verbündet und stützten sich gegenseitig: "Die alte Zucht und Ordnung sollte wieder hergestellt werden; und da die Regierenden die kritische Haltung einer Jugend fürchteten, antworteten sie mit drastischer Bildungsbeschränkung [...] Nach 1848 wurde die einzelne Volksschule wieder unter die Aufsicht der Geistlichkeit gestellt [...] Im Zentrum der Volksschulbildung stand der Religionsunterricht", der sich "im wesentlichen auf Bibellesen und den christlichen Katechismus" beschränkte, "dessen Wortlaut 'eingebleut' werden sollte. "22


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   Zwar ist zu bedenken: Den 1853 verstorbenen Pfarrer von Ernstthal - wir kommen auf ihn noch zurück - beschreibt May als persönlich sehr liebenswürdigen und theologisch sehr großzügig denkenden Menschen (S. 70). Die amtlich verordnete Pression wird der Pfarrer gewiß nicht verstärkt, sondern gemildert haben. Aber der schulische Religionsunterricht, den Karl erlebt hat, dürfte dem sächsischen Bildungssystem wohl entsprochen haben.

   Sensibel, wie Karl gewesen ist, wird er unter diesen Verhältnissen sehr gelitten haben. Seine spätere Abneigung gegen dogmatische Enge und sein literarisches Eintreten für den Dialog des Christentums mit der Welt - man könnte auch sagen: sein Protest "wider die Entmündigung und für eine offene Katholizität"23 - werden in der Seminarerziehung zu Waldenburg (von der im nächsten Kapitel zu sprechen ist), aber auch in den Erlebnissen der Ernstthaler Volksschülerzeit einen biographischen Hintergrund haben.

   Der Schüler May lernte gut; er war sehr begabt. Der Vater, der "nie eine Schule besucht" und Lesen und Schreiben autodidaktisch erlernt hatte (S. 9f.), nahm Karls Begabung zum Anlaß, ihn vollzustopfen mit Kenntnissen. Das Kind "sollte mehr lernen als das, was der damalige Elementarunterricht bot." (S. 48) Heinrich May hatte mit dem Sohn große Pläne: "Ich sollte ein gebildeter, womöglich ein hochgebildeter Mann werden. " (S. 51)

   Von Pädagogik hatte Vater May keine Ahnung. Er zwang den Sohn - wenn es sein mußte, mit Schlägen - zu sinnlosem und unmethodischem Lernen, das seinem Alter und seinen geistigen Grundlagen in keiner Weise entsprach. Den "Weg zu echter Kultur"24 hat, so Forst-Battaglia, der Erziehungseifer des Vaters dem künftigen Schriftsteller noch für lange Zeit versperrt.

   Anfang der fünfziger Jahre holte Heinrich May allen möglichen Lehrstoff zusammen,


ohne zu einer Auswahl befähigt zu sein oder eine geordnete Reihenfolge bestimmen zu können. Er brachte Alles, was er fand, herbei. Ich mußte es lesen oder gar abschreiben, weil er meinte, daß ich es dadurch besser behalten könne. Was hatte ich da alles durchzumachen! Alte Gebetbücher, Rechenbücher, Naturgeschichten, gelehrte Abhandlungen, von denen ich kein Wort verstand. Eine Geographie Deutschlands aus dem Jahre 1802, über 500 Seiten stark, mußte ich ganz abschreiben [...] Ich saß ganze Tage und halbe Nächte lang, um mir dieses wüste, unnötige Zeug in den Kopf zu packen. (S. 53)


   Ein Wissenschaftler, ein begrifflich denkender Theoretiker, konnte May - aufgrund seiner Anlagen - nie werden. Fühlte sich der Poet, zurückblickend auf seine Kindheit, in eine falsche, ihm wesensfremde Richtung gedrängt? In seinem Wildwestroman "Weihnacht!" legte er Winnetou, dem freiheitsliebenden Edelindianer, die bittere Klage in den Mund: "Eure Väter haben das Recht, das Gehirn ihrer Kinder durch den Zwang, etwas werden zu sollen, was sie nicht werden können, zu morden. "25

   Geistig mißhandelt wurde der Kleine schon sehr. Der Vater hörte, daß Latein eine nützliche Sache sei; also mußte, zu allem anderen, eine lateinische Grammatik her: aus der Bibliothek des Ernstthaler Kantors (S. 68f.). Im Juni 1854 wanderten - aus wirtschaftlichen und politischen Gründen - Hohensteiner und Ernstthaler Familien nach Amerika aus. Ein Jahr vorher sollten die Kinder beim Rektor Englisch lernen; Karle hatte da mitzutun. Auch Französisch wurde gepaukt (S. 69). Ein elfjähriges Kind und mehrere Fremdsprachen (die May auch später nie wirklich beherrschte)!26 "In meinem Wissen fehlte das feste Gerippe. Ich war eine Qualle, die weder innerlich noch äußerlich einen Halt besaß" (S. 98).


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3.5

Ein Schrei aus der Tiefe


Nach Wollschläger gehört "schon ein schieres Rindsgemüt dazu",27 in Mays Kindheit auch lichtvolle Momente, eine Art 'Glück im Ghetto' (Thomas Mann), zu sehen.

   Und doch hat es Lichtblicke gegeben. Von guten Mächten und bösen Gewalten, von Engeln und Dämonen sind Mays Erzählungen und auch sein Leben bestimmt. Seine Bücher entspringen - psychologisch gesehen - den Tiefen des Unbewußten, den Archetypen der Menschheit,28 den Wunsch- und Schreckensbildern der Volksseele. In diesem - ambivalenten - Zusammenhang ist ein Kindheitserlebnis sehr aufschlußreich: die Auftritte einer Theatergruppe in Ernstthal.

   Anfang der fünfziger Jahre29 gastierte der sächsische Puppenspieler Heinrich Listner mit seinem "Marionetten-, Weit- und Metamorphosentheater" in Ernstthal. Karle war fasziniert! Er sah unter anderem das Schauspiel Preziosa von Pius A. Wolff30 und das Volksstück Doktor Faust. Der Bühnenzauber, die schönen Zigeunerinnen, die spanische Landschaft31 nahmen den Kleinen gefangen. Es war ein Tag,


an dem sich mir eine Welt offenbarte, die mich seitdem nicht wieder losgelassen hat. Es gab Theater [...] Meine Augen brannten; ich glühte innerlich. Puppen, Puppen, Puppen! Aber sie lebten für mich. Sie sprachen; sie liebten und haßten; sie duldeten; sie faßten große, kühne Entschlüsse; sie opferten sich auf für König und Vaterland. (S. 55f.)


   Auch einen eigenen, für die spätere Schauspielermanier des Schriftstellers sehr bezeichnenden Auftritt überliefert uns Karl May: Der Knabe durfte erscheinen - als Trommler!32 Als Zigeunertambour! Mit blanken Knöpfen! Mit einer weißen Feder am Hut! "Ich gefiel sämtlichen Künstlerinnen und Künstlern. Die Frau Direktorin streichelte mir die Wangen [...] Und nun waren sie da, die großen, erhabenen Augenblicke meines ersten Bühnendebüts!" (S. 59f.) Claus Roxin kommentiert: Der Leser spürt "förmlich das Wonnegefühl, das den Jungen durchschauert haben muß, als er trommelnd über die Bühne zog und das Publikum zu Beifallsstürmen hinriß. Ob diese Szenen nun mehr oder weniger authentisch sind,33 ist gleichgültig: Charakteristisch sind sie in jedem Falle. "34

   Nebst Preziosa berührte das Marionettenspiel Doktor Faust oder Gott, Mensch und Teufel den Knaben zutiefst. Es sprach die ernste, die düstere, aber auch die licht-religiöse Seite seines Wesens an. Daß die Puppen am Kreuz hingen und von oben bewegt wurden (wie ihm die Märchengroßmutter erklärte), entsprach - nach der Selbstbiographie - schon dem Weltbild des Kindes.

   Ob Gott, Mensch und Teufel tatsächlich schon die Gedankenwelt des Neunjährigen beherrschten, ist natürlich nicht mehr zu klären.35 Zumindest seit Ange et Diable, dem während seiner Haftjahre entstandenen Textfragment,36 war und blieb dieses Thema aber ein Hauptmotiv Karl Mays.

   Mein Leben und Streben begreift die Ernstthaler Kindheit als den Wurzelgrund aller Leiden und aller Sehnsüchte des künftigen Dichters: Doktor Faust "war ein direkt aus der tiefsten Tiefe der Volksseele heraus zum Himmel klingender Schrei um Erlösung aus der Qual und Angst des Erdenlebens. Ich hörte, ich fühlte diesen Schrei, und ich schrie ihn mit." (S. 56)


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3.6

"Batzendorf" und die Folgen


Karls Umwelt war ungesund, war auch geistig verarmt und verseucht. Die 'Tiefe', aus der er schrie nach Erlösung, aus der er fliehen wollte ins Lichte und Reine, war trüb und morastig. Er wollte heraus und sank tiefer hinein. Denn die Ernstthaler 'Sümpfe' waren verlockend und tückisch, für Karle besonders. Schein und Sein, Theater und Wirklichkeit zu verwischen, lag in seiner Natur. Die Umgebung forderte das in jeder Beziehung.

   Später - seit 1870 - gab es in Ernstthal die "Lügenschmiede", ein dubioses Lokal, in welchem die Gäste blamiert und 'verschaukelt' wurden (S. 87ff.).37 Überhaupt war die Lüge, so May, in seiner Heimat zu Hause. Hecheleien und Ironie, falsches Kartenspiel und andere Spitzbübereien waren üblich am Ort. Fiktive Handlungen und fingierte Respektspersonen waren beliebt als Ulk und Klamauk. Was zuerst bloß albern und läppisch erschien - Neuwahl einer Gemeindegans, Taufen erwachsener Säuglinge, Verheiratung zweier Witwen u.ä. -, schlug bald um in wirklichen Unfug, in gröbere Täuschung. "Batzendorf", ein fingierter Ort innerhalb Ernstthals (S. 85ff.), schien auszuarten in handfesten Trug und kriminelles Verhalten.

   Die harmlose Seite dieser Geschichten hat May in seinen Humoresken beschrieben.38 Als Reminiszenzen aus der Ernstthaler Kindheits- und Jugendzeit sind - teilweise - auch die 'Viechereien' in Mays großen Romanen zu verstehen. In seinem letzten Kolportagewerk z.B., in Der Weg zum Glück (1886/87), lügt der pfiffige Wurzelsepp 'das Blaue vom Himmel herunter'. Den abergläubischen Thalmüllern legt er auf die derbste Weise herein. Den Müller und den Fingerlfranz macht er buchstäblich 'zur Sau': Grunzend wie das Borstenvieh und thronend auf seinem Schiebebock wird der 'Schatzgräber' (der vermeintliche 'Geister' zitieren will) zum Opfer der eigenen Habgier und Dummheit.39

   Mays Verhältnis zur 'Lachkultur',40 zur 'verkehrten Welt' der Schwänke und Schelmereien war zwiespältig. Später, in der Selbstbiographie, verurteilte er solche Scherze. Er sah jetzt einen Zusammenhang zwischen "Batzendorf" und seinen eigenen - künftigen - Streichen in den sechziger Jahren.

   Eine Selbsttäuschung, eine nachträgliche Konstruktion zum Zwecke der Selbstentlastung? Ein bißchen wohl schon. Dennoch sollte das Ernstthaler Milieu nicht unterschätzt werden in seinen Folgen für May. Denn die "Jugend [...] mußte den Eindruck gewinnen, daß diese Betrügereien [...] bewundernswerte Taten seien" (S. 85). Ja wirklich: Karls Phantasie dürfte in seiner Kindheit verformt, Bizarres, Krankhaftes, Pseudologisches könnte hier schon genährt worden sein.



3.7

Nebel und Gifte


Um den privaten Sprachunterricht, der ihm jetzt erteilt wurde, selbst finanzieren zu können, mußte der nun zwölfjährige Junge als Kegelbub schuften: in der Schankwirtschaft Engelhardt im benachbarten Hohenstein. Es war eine böse, eine schreckliche Zeit.

   Dieses Tiefland (das den Namen 'Hohenstein' gar nicht verdiente)41 war vergifteter Boden: der Schlund, aus dem die Nebel und 'Miasmen' stiegen, die Karls Leben verdarben. Er hat es drastisch geschildert: "Von jetzt an hatte ich keine freie Viertelstunde mehr, besonders auch keinen Sonntagnachmittag." Es kam vor, daß er sich "bis nach Mitternacht zu schinden hatte, ohne auch nur fünf Minuten ausruhen zu können." (S. 71)


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   Es gab Bier und viel Schnaps. "Niemals in meinem Leben habe ich so viel geistige Anspruchslosigkeit beisammen gesehen wie damals [...] Schnaps war überall dabei; man mochte ihn nicht entbehren. Man betrachtete ihn als den einzigen Sorgenbrecher und nahm seine schlimmen Wirkungen hin." (S. 82f.)

   Vielleicht noch schlimmer: das primitive Geschwätz. "Man kann sich denken, was ich da alles zu hören bekam!" (S. 72) Es waren grobschlächtige Leute, die "aus der brusttötenden Atmosphäre ihres Webstuhles" in Engelhardts Kneipe sich flüchteten. Die einzige Abwechslung, die für die Weber in Frage kam, war der Branntwein, die Spielkarte und - man darf es vermuten (May deutet nur an) - der Geschlechtstrieb mit den entsprechenden Redensarten. Die 'Sklaven der Arbeit' wollten ihren Frondienst vergessen. Sie täuschten sich Vergnügungen vor, die pausenlos zu beobachten für Karle "eine Qual" war: "körperlich" wie auch "seelisch" (S. 72).



3.8

Bibel- und Räuberhauptmannlektüre


Die Frau des Gastwirts besaß eine Leihbibliothek mit der zeitgenössischen Trivialliteratur, die Karl May und sein späteres Schaffen lange beeinflußte. Was er bisher gelesen bzw. - in den Jahren der Blindheit - gehört hatte, waren: die Märchen42 und die Bilderbibel der Großmutter; das Kräuterbuch, das Karls Natursinn sehr wertvolle Anregungen gab (S. 28); die geographischen Werke, die er nicht verstanden hatte und die dennoch - möglicherweise - sein späteres Interesse an der Betrachtung von Landschaften begründeten; die vollständige Bibel, aus der er sein Leben lang schöpfte und die er schon als Kind - über den Religionsunterricht in der Schule hinaus - auf Geheiß des Vaters "wiederholt" gelesen hatte: "vom ersten bis zum letzten Worte" (S. 67).

   An sich ja alles nicht schlecht, nur: "Die ganze Vielleserei, zu der ich bisher gezwungen gewesen war, hatte meiner Seele nichts, gar nichts gebracht; nur das winzige Geisterlein hatte die Wirkung davon gehabt, aber was für eine Wirkung! Es war zu einem kleinen, monströs dicken, wasserköpfigen Ungeheuer aufgestopft und aufgenudelt worden." (S.74)

   Um so willkommener waren nun Karl die Hohensteiner Romane, die seiner Phantasie die gesuchte Nahrung und dem Lern- und Kegelstreß die ersehnte Ablenkung boten! Er las jetzt Räubergeschichten mit sozialkritischem Einschlag und antiklerikaler Tendenz. Zu den Titeln, die May selbst in der Autobiographie erwähnt (S. 73), zählt einer der berühmtesten Romane der deutschen Trivialliteratur: Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann, vom Goethe-Schwager Christian August Vulpius verfaßt; ferner - von Georg Schöpffer - Himlo Himlini, der Räuberhäuptling in Spanien mit seiner gefürchteten Bande sowie Sallo Sallini, der furchtbarste Räuberhauptmann in Italien und Böhmen. Eine Räuber- und Geistergeschichte, ebenfalls von Schöpffer verfaßt.43

   Auch Der Graf von Monte Christo und Die Geheimnisse von Paris von Alexandre Dumas bzw. Eugène Sue sind in der - noch heute vorhandenen - Leihbibliotheksliste vermerkt.44 Daß Karle auch diese Werke gelesen hat (obwohl sie in Mein Leben und Streben nicht genannt werden), ist wahrscheinlich: hat May doch in seinen Romanen diverse Motive aus diesen Büchern entnommen.

   Anders als in den trockenen Lehrbüchern gab es in der neuen Lektüre Bewegung und spannende Handlung. Und was dem Knaben - auch den Eltern und Geschwistern, die diese Bücher ebenfalls lasen - besonders gefiel: Unterdrücker wurden vernichtet, und Arme


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wurden belohnt! Wie später in Mays eigenen Werken! Es war "ein Hochgenuß, von 'edeln' Menschen zu lesen, die immerfort Reichtümer verschenkten." (S. 76)

Daß sie diese Güter andern geraubt hatten, focht Karle nicht an:


Alle die Räuberhauptleute, Banditen und Raubritter, von denen ich da las, waren edle Menschen. Was sie jetzt waren, das waren sie durch schlechte Menschen, besonders durch ungerechte Richter und durch die grausame Obrigkeit geworden. Sie besaßen wahre Frömmigkeit, glühende Vaterlandsliebe, eine grenzenlose Wohltätigkeit und warfen sich zum Ritter und Retter aller Armen, aller Bedrückten und Bedrängten auf. Sie zwangen die Leser zur Hochachtung und Bewunderung; alle Gegner dieser herrlichen Männer aber waren zu verachten, also besonders die Obrigkeit, der Schnippchen auf Schnippchen geschlagen wurde. (S. 75)


   Karle verschlang diese Sachen. Die Rechtsbegriffe seines - ohnehin diffusen - Weltbildes wurden verdreht: "Mag Goethe noch so viel über die Herrlichkeit und Unumstößlichkeit der göttlichen und der menschlichen Gesetze dichten und schreiben, so hat er doch unrecht! Recht hat nur sein Schwager Vulpius, denn der hat den Rinaldo Rinaldini geschrieben!" (S. 76)

   Nachträglich sah May diese Lektüre nur negativ: als Schmutz und gefährlichen Schund, als Vorgeschichte seiner eigenen Straftaten. Daß er "dem Teufel, der in diesen Bänden steckte, gänzlich verfiel" (S. 73), beklagte er bitter. Aber war der Einfluß dieser Romane wirklich so groß und so böse? Im Blick auf die kriminellen Verirrungen Karl Mays (ab 1864) dürfte dies, wenn überhaupt, nur mit Einschränkung zutreffen. Mays Verfehlungen wurden primär durch andere Faktoren bedingt. Im Blick auf das schriftstellerische Wirken muß ebenfalls differenziert werden: Weniger in der sittlichen Tendenz - die ist (meist) durchaus moralisch im Sinne der christlichen Wertordnung -, um so mehr aber im literarischen Stil und in zahlreichen Einzel-Sujets feierten die Rinaldo-Geschichten in Mays frühen Romanen, am auffälligsten in Scepter und Hammer und Die Juweleninsel,45 fröhliche Urständ.

   Ob die Hohensteiner Schundbibliothek den künftigen Poeten nicht doch auch gefordert hat? Der halbwüchsige Karl hat die Räubergeschichten weitererzählt, geschickt und erfolgreich: Die Schulkameraden hörten ihm gerne zu.46 Er konnte sich üben, seine Phantasie, seine Darstellungsgabe erproben.



3.9

Fremd und allein


Bei anderen Kindern war Karle nicht unbeliebt. Für engere Kontakte, für tiefere Beziehungen ließen jedoch die besonderen Lebensverhältnisse keinen Raum. Von den Gleichaltrigen hatte der Vater den Sohn isoliert - ein pädagogischer Fehlgriff mit schwerwiegenden Folgen.47 Karl "wurde von Jahr zu Jahr klassenfremder [...] Ein echter, wirklicher Schulkamerad und Jugendfreund ist mir nie beschieden gewesen." (S. 52f.)

   Erschreckend oft klagt der Schriftsteller in seiner Selbstbiographie über die Einsamkeit.48 Als Kind, in der Schule, sein Leben lang hatte sich Karl May nach Verständnis und menschlicher Nähe, nach einem ihm wesensähnlichen 'Du' gesehnt. Selbst Klara, die zweite Ehefrau (seit 1903), konnte Mays Verlangen im letzten wohl doch nicht erfüllen.49

   Den Wunschtraum des vierzigjährigen - mit Emma Pollmer nicht eben glücklich verheirateten50 - Dichters spiegelt die Selbstreflexion des Ich-Erzählers Kara Ben Nemsi in Mays Reiseerzählung Die Todes-Karavane (1882): Das "Herz wurde mir groß und weit unter der Gewißheit, die Liebe eines Menschenkindes zu besitzen, eines Menschenkindes, dem auch meine Zuneigung gehörte. "51


//57//

   Hadschi Halef Omar, der treue Begleiter des 'Ich', ist auf der Handlungsebene der Erzählung gemeint. Sein 'Du' mußte der Schriftsteller literarisch erst schaffen: Kara Ben Nemsi hatte in Halef sein Gegenüber, und Old Shatterhand hatte in Winnetou den Blutsbruder, den ebenbürtigen Freund, gefunden. Der Autor Karl May aber fühlte sich, laut Mein Leben und Streben, "fremder noch als fremd" (S. 53). Er sah sich "innerlich allein, allein, allein, wie stets und allezeit" (S. 244).

   Wie soll man diese Klage nun interpretieren? Als pathologische Wehleidigkeit, bedingt durchs autistische Lebensgefühl, verwurzelt in narzißtischer Ich-Bezogenheit?52 Die Selbstverliebtheit war wahrscheinlich ein Wesenszug Karl Mays. Die egozentrische Anlage war da, und die Erlebnisse in den Kindheits- und Jugendjahren werden die negative Entwicklung gefördert haben. Aber auch die Gegenkraft, die göttliche Gnade, war immer am Werk. Dieser Gnade hat sich May nicht widersetzt: Er ist zwar 'gefallen'; doch dem Heilswirken Gottes, das die Selbstverliebtheit besiegt und zur echten Liebe befreit, hat er sich - letztlich - nicht in den Weg gestellt.

   May wollte geliebt werden, gewiß; aber er war auch bereit, selbst Liebe zu GEBEN. Schon in der Frühzeit seines literarischen Schaffens, im Buch der Liebe (1876) zum Beispiel, hat er den Narzißmus bekämpft und die Hingabe, die wirkliche Liebe, zum letzten Ziel allen Strebens erklärt: "Deßhalb wohnt der wahren Liebe eine Sehnsucht nach Vereinigung, ein Drang, sich hinzugeben inne, und diese Hingebung ist um so größer, je mehr die Liebe sich von ihrem Gegentheile, der Selbstsucht losgerungen hat."53

   Mays Leben ist außergewöhnlich und exemplarisch in einem. Das Übermaß seines Sehnens macht deutlich, wie es um den Menschen bestellt ist: um den Menschen in seiner Fremdheit in dieser Welt, in seiner Verwiesenheit auf Befreiung, auf Heilung durch Liebe.

   Wir finden uns selbst in der Begegnung, in der Öffnung zum Du, zum Du andrer Menschen, zum unendlichen Du unseres Schöpfers. In der Seinsweise der Sehnsucht hat Karl May diese Wahrheit bezeugt. Er suchte "Gnade bei Gott und den Menschen";54 er suchte Trost in der Arbeit des Schreibens und wollte selbst trösten in seinen Geschichten. Extreme Belastungen und Flucht in die Träume, Einsamkeit und Liebesverlangen sind die Triebkräfte seines Daseins und die Energiequellen seines Schaffens geworden. "So sind in hunderten und aberhunderten von kalten, liebeleeren, qualvollen Nächten alle die Bücher entstanden, in denen ich von nichts als nur von Liebe rede und nichts als nur Liebe lehre."55



3.10

Musik und Verheißung


Ein gleichaltriger Freund war Karle versagt; aber erwachsene Bezugspersonen gab es durchaus: die Märchengroßmutter, die Eltern, den Paten, den Pfarrer, den Kantor.

   Karl war musikalisch, er hatte eine gute Sopranstimme. Samuel Friedrich Strauch (1788-1860), ein emeritierter Lehrer, Organist und Komponist, wirkte in Ernstthal als Kantor; er entdeckte Karls Begabung und nahm ihn in die "Kurrende" (S. 48), in den Knabenchor auf. Der Junge sang gut und durfte in der Kirche die Soli übernehmen. Der Kantor, dessen Güte und Bescheidenheit Karl May in der Autobiographie so liebevoll schildert (S. 48ff.), gab ihm später auch Orgel-, Klavier- und Violinunterricht. Gratis! Sein Unterricht und sein menschlicher Einfluß werden Karls Seele "bereichert",56 beruhigt und geweitet haben.


//58//

   In Ernstthal war es der Brauch, daß alljährlich - zu Weihnachten - ein Knabe die Kanzel bestieg, um die Weissagung des Jesaia (Kap. 9, 2-7) zu singen. "Auch ich habe diese Weissagung gesungen, und genau so, wie die Gemeinde sie von mir hörte, so wirkt sie noch heute in mir fort und klingt von mir hinaus bis in die fernsten Kreise meiner Leser, wenn auch in andern Worten, zwischen den Zeilen meiner Bücher. " (S. 66)

   Sind diese Worte nicht wahr? Kommen sie nicht aus den Tiefen eines lauteren Herzens und eines reinen Gemüts? Spricht aus ihnen nicht eine echte Glaubenserfahrung, die Karl May - in allen Finsternissen - dennoch geschenkt wurde und die er seinen Lesern zu vermitteln versuchte? Und ist ihm diese Vermittlung nicht wirklich geglückt? Hat er nicht viele Menschen - über bloße Spannung und leichte Unterhaltung hinaus - zum Glauben an Gott und zum Vertrauen ins Dasein geführt?



3.11

Religiöse Verwirrung?


Karl war religiös, ja tiefreligiös. Er betete "täglich" und "in jeder Lage" seines Lebens (S. 65). 'Christi Blut und Gerechtigkeit' war eines seiner ersten Gebete.57 In einem schlichten, aber toleranten Glauben wurde er erzogen: Seine Eltern und seine Märchengroßmutter waren gläubig, "aber von jener angeborenen, nicht angelehrten Religiosität, die sich in keinen Streit einläßt und einem jeden vor allen Dingen die Aufgabe stellt, ein guter Mensch zu sein. Ist er das, so kann er sich dann umso leichter auch als guter Christ erweisen. " (S. 64)

   Im Jahre 1853 starb Carl Traugott Schmidt, den May als seinen "alten, guten Pfarrer" (S. 70) verehrt und geliebt hat. Dieser Seelsorger, von 1825 bis zu seinem Tode Pfarrer in Ernstthal, hatte in Leipzig studiert und stand theologisch der Aufklärung nahe.58 Er war, nach May, ein menschenfreundlicher Herr. Karles religiöse Grundeinstellung dürfte er gefestigt haben. Mein Leben und Streben beschreibt ihn als aufrechten Christen und zugleich als irenischen Typ, dem jede Rechthaberei widerstrebte.

   Aus anderem Holze geschnitzt war wohl der Nachfolger, der fast namensgleiche Pädagoge und Theologe Carl Hermann Schmidt. Im April 1853 kam er nach Ernstthal, zunächst als Rektor und erster Knabenlehrer, seit Mitte April 1854 dann als Pfarrer. Als Harleß-Schüler war dieser zweite Pfarrer Schmidt, von dem im folgenden Kapitel noch zu sprechen sein wird, ein 'rechtgläubiger', der nachaufklärerischen Erweckung verbundener Christ: ein orthodoxer Lutheraner von der strengen Richtung.59

   In den Augen des alten Karl May war Carl Hermann Schmidt "nur und nur und nur Theolog, weiter nichts" (S. 70). Als Karls Beichtvater60 fütterte er, laut Selbstbiographie, den Halbwüchsigen mit erbaulichen Schriften und frommen Traktaten.61 An Mays Roman "Weihnacht!", an den ersten Auftritt des Prayer-man, des salbungsvollen 'Hirten' Frank Shappard [Sheppard, I-R] (der bigottische Blättchen verkauft), muß man schon beinahe denken.62

   Die Gegenposition hielt Rektor Julius Fickelscherer, Karls Lehrer in den letzten Klassen der Rectoratsschule. Er wirkte seit 1854 in Ernstthal und war ebenfalls Theologe, aber von der "freieren Richtung" (S. 70). Mit dem Absolutheitsanspruch des Christentums nahm er es, Mays Äußerung nach zu schließen, nicht so streng wie der Pfarrer.

   War der erwachsene Karl May ein orthodoxer, ein offenbarungsgläubiger Christ? Oder war er ein 'Freigeist', ein liberaler Protestant? Er ist wohl beides gewesen, ein freier Geist und - bei aller kritischen Distanz zum verknöcherten Dogmatismus - ein kirchlicher Christ. Auf die Frage: "Sind Sie Freigeist oder gläubig?" antwortet Charley, das erzäh-


//59//

lende Ich in Mays Reiseerzählung Am Rio de la Plata: "Das letztere, eigentlich auch das erstere, denn ich hege die Ueberzeugung, daß der Geist des Menschen nur durch den Glauben frei zu werden vermag."63

   Mays Gedankenwelt und sein Glaube sind gleichwohl nicht immer ganz widerspruchsfrei. Er selbst führt die (wirklichen oder scheinbaren) Widersprüche im eigenen Denken weit zurück in die Volksschülerzeit. Von zwei verschiedenen Herren, dem Rektor Fickelscherer und dem Pfarrer C.H. Schmidt, sei er, wenn auch vage und wirr, infiltriert worden:


In der Bibliothek des einen lernte ich Humboldt, Bonpland und alle jene "Großen" kennen, welche der Wissenschaft mehr als der Religion vertrauen, und in der Bibliothek des zweiten alle jene andern "Großen", denen die religiöse Offenbarung himmelhoch über jedem wissenschaftlichen Ergebnisse steht. Und dabei war ich nicht etwa ein Erwachsener, sondern ein dummer, ein ganz dummer Junge; aber noch viel törichter als ich waren die, welche mich in diese Konflikte fallen und sinken ließen, ohne zu wissen, was sie taten. Alles, was in diesen so verschiedenen Büchern stand, konnte gut, ja konnte vortrefflich sein; mir aber mußte es zum Gifte werden. (S. 70)



Anmerkungen


1Karl May: "Weihnacht!". Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXIV. Freiburg 1897, S. 390.
2Vgl. Walther Ilmer: Karl Mays Weihnachten in Karl Mays 'Weihnacht!' II. Eine Spurenlese auf der Suche nach Fährten. In: JbKMG 1988, S. 209-247 (S. 214ff.). - Zur Deutung des Romans "Weihnacht!" vgl. unten, S. 295ff.
3Hans Wollschläger: "Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt". Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In-. JbKMG 1972/73, S. 11-92 (S. 84).
4Seitenangaben in () beziehen sich auf Karl May: Mein Leben und Streben (1910). Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982.
5Vgl. Carl Gustav Jung: Die Bedeutung des Vaters für das Schicksal des Einzelnen. Zürich 1949.
6Vgl. Heinz Stolte: Der Volksschriftsteller Karl May. Beitrag zur literarischen Volkskunde. Bamberg 1979 (Reprint der Erstausgabe von 1936), S. 34.
7Michael Ende: Die unendliche Geschichte. Stuttgart 1979, weist überhaupt einiges May-Ähnliche auf; dazu Wiltrud Ohlig: Das Vermächtnis des Hakawati. In: MKMG 46 (1980), S. 31-37.
8Wolf-Dieter Bach: Fluchtlandschaften. In: JbKMG 1971, S. 39-73 (S. 39); zur 'Flucht' als zwanghaft wiederkehrendem Topos bei May vgl. ebd., S. 41ff. - Zur Berechtigung und zu den Grenzen der psychoanalytischen Methode in der May-Forschung vgl. Volker Klotz: Über den Umgang mit Karl May. Unter anderm: psychoanalytisch: unter anderm. In: JbKMG 1980, S. 12-27.
9Vgl. Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 16f.
10Das von May in Mein Leben und Streben (S. 22) erwähnte orientalische Märchenbuch 'Der Hakawati' (aus dem die Großmutter angeblich vorlas) ist höchstwahrscheinlich eine Fiktion, die Mays eigenes Schaffen charakterisieren soll.
11Aus der Erwiderung Mays (pseud. Richard Plöhn) auf die Kritik der 'Frankfurter Zeitung'. In: Dortmunder 'Tremonia' (Ende September 1899). Neu abgedruckt: Karl May: May gegen Mamroth. In: JbKMG 1974, S. 131-152 (S. 132f.).
12Vgl. unten, S. 83f.
13Karl May: Die Juweleninsel (1880-82). Karl Mays Werke II. 2. Hrsg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Nördlingen 1987, S. 47f. u. S. 357ff.
14Karl May: Das Buch der Liebe (1876). Band 1 (Textband). Reprint der KMG 1988, S. 152 (der fortlaufenden Reprint-Paginierung). - Zum Buch der Liebe vgl. unten, S. 142f.
15Vgl. Hainer Plaul (Hrsg.). Karl May, wie Anm. 4, S. 346ff. (Anm. 43-54); auch Christian Heermann: Der Mann, der Old Shatterhand war. Eine Karl-May-Biographie. Berlin 1988, S. 43-50.
16Vgl. Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 62-123 (S. 69).


//60//

17Schon Ludwig Aub und Ludwig Klages (in: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34 "Ich". Bamberg 361976, S. 534 bzw. 537) wiesen auf den weiblichen Einschlag in Mays Charakter hin.
18So lautet der Titel eines Hauptteiles in Mays Kolportageroman Der verlorene Sohn oder Der Fürst des Elends (1884-86).
19Zum Termin des Schuleintritts vgl. H. Plaul (Hrsg.): Karl May, wie Anm. 4, S. 343f. (Anm. 37).
20Ingmar Winter: "Der Unterricht war kalt, streng, hart". Das Abbild zeitgenössischer Pädagogik bei Karl May. In: JbKMG 1988, S. 292-321 (S. 295).
21Ingmar Winter, wie Anm. 20, S. 305.
22Ebd., S. 300f.
23So lautet der Titel der von 163 katholischen Theologen unterschriebenen "Kölner Erklärung" vom 6.1.1989.
24Otto Forst-Battaglia: Karl May. Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Beiträge zur Karl-May-Forschung 1. Bamberg 1966, S. 39.
25Karl May: "Weihnacht!", wie Anm. 1, S. 382.
26Vgl. unten, S. 324.
27Hans Wollschläger: Karl May, wie Anm. 9, S. 15.
28Zur an C. G. Jung orientierten Analyse der archetypischen Bilder bei May vgl. Ingrid Bröning: Die Reiseerzählungen Karl Mays als literaturpädagogisches Problem. Düsseldorf 1973, S. 126ff. - Vgl. auch Viktor Böhm: Karl May und das Geheimnis seines Erfolges. Gütersloh 21979, S. 142ff.
29Zur Frage der genaueren Datierung vgl. H. Plaul (Hrsg.): Karl May, wie Anm. 4, S. 353f. (Anm. 64).
30Näheres ebd., S. 354 (Anm. 65).
31Zur tieferen Bedeutung der spanischen Landschaft in Mays Psyche und Werk vgl. Wolf-Dieter Bach, wie Anm. 8, S. 45ff.
32Ingmar Winter, wie Anm. 20, S. 319 (Anm. 35), verweist auf den Trommler Oskar Matzerath in Günther Grass' Die Blechtrommel.
33Nach H. Plaul: Karl May, wie Anm. 4, S. 354f. (Anm. 65), war die Mitwirkung von Schulkindern bei Theatervorstellungen in Sachsen damals nicht selten.
34Claus Roxin: Vorläufige Bemerkungen über die Straftaten Karl Mays. In: JbKMG 1971, S. 74-109 (S. 91).
35Vgl. Ekkehard Bartsch: "Die liebenswürdigste aller Musen". Karl May und das Theater. In: JbKMG 1985, S. 367-375 (S. 367).
36Vgl. unten, S. 118ff.
37Näheres bei H. Plaul: Karl May, wie Anm. 4, S. 360ff. (Anm. 81-85).
38Vgl. unten, S. 143ff.
39Karl May: Der Weg zum Glück. Roman aus dem Leben Ludwig des Zweiten. Hildesheim, New York 1971 (Reprint der Dresdner Erstausgabe von 1886-88), S. 373ff.
40Vgl. Wojciech Kunicki: Karl Mays Humoreske 'Die verhängnisvolle Neujahrsnacht'. Versuch einer Interpretation. In: JbKMG 1988, S. 248-267.
41Wolf-Dieter Bach, wie Antn. 8, S. 39, sieht im Ortsnamen 'Hohenstein' ein Vorbild für Mays späteren Dschinnistan-Traum: 'Hoher Berg', 'göttliche Welt'!
42Das 'Märchen von Sitara', das May seiner Großmutter zuschrieb (Mein Leben und Streben, S. 22) gehört natürlich nicht hierher; es ist Mays eigene Schöpfung und gehört zu seinem Alterswerk.
43Näheres bei H. Plaul: Karl May, wie Anm. 4, S. 357 (Anm. 72 u. 73). - Zum Einfluß dieser Lektüre auf May vgl. Rainer Jeglin: "Die Welt der Ritterbacher war meine Lieblingswelt". Anmerkungen zu 'Rinaldo Rinaldini' und seinem Einfluß auf Karl May. In: JbKMG 1982, S. 170-184.
44Nach Christian Heermann, wie Anm. 15, S. 52f.
45Vgl. unten, S. 166ff.
46Nach H. Plaul: Karl May, wie Anm. 4, S. 343 (Anm. 36), mit Bezug auf die Aussage eines Schulkameraden Mays. - Mein Leben und Streben (S. 34f.) zufolge erzählte schon der fünfjährige, eben erst von der Blindheit geheilte Karl den viel älteren Zuhörern die Märchen der Großmutter.


//61//

47Vgl. Günter Scholdt: Vom armen alten May. Bemerkungen zu 'Winnetou IV' und der psychischen Verfassung seines Autors. In: JbKMG 1985, S. 102-151 (S. 129).
48Vgl. Mein Leben und Streben, S. 37, 52f., 96f., 150, 160f., 244 u.a.
49Vgl. unten, S, 429.
50Vgl. unten, S. 155ff.
51Karl May: Von Bagdad nach Stambul. Gesammelte Reiseromane, Bd. III. Freiburg 1892, S. 154 (aus der 1882 im 'Deutschen Hausschatz' bei Pustet erschienenen Reiseerzählung Die Todes-Karavane wurden später die Kap. 1-5 des Bandes III der Fehsenfeld-Reihe; vgl. unten, S. 176f.).
52Vgl. H. Wollschläger: Spaltung, wie Anm. 3, S. 40.
53Karl May: Das Buch der Liebe, wie Anm. 14, S. 15.
54K. May: Winnetou I. Gesammelte Reiseromane, Bd. VII. Freiburg 1893, S. 424 (aus Old Shatterhands Dialog mit Winnetou).
55K. May: An die 4. Strafkammer des Königl. Landgerichtes III in Berlin (2. Fassung). Privatdruck Stuttgart 1911 (= K. May: Prozeß-Schriften 3. Hrsg. von Roland Schmid. Reprint Bamberg 1982), S. 72.
56Otto Forst-Battaglia, wie Anm. 24, S. 39.
57Nach Anton Haider: Karl Friedrich May. Grundriß einer Biographie nach den literarischen "Spiegelungen". In: Karl-May-Jahrbuch 1978. Bamberg, Braunschweig 1978, S. 21-43 (S. 24).
58Vgl. H. Plaul: Karl May, wie Anm. 4, S. 348 (Anm. 46).
59Vgl. ebd., S. 355f. (Anm. 70).
60Vgl. den im folgenden Kapitel zitierten Brief des Pfarrers an das sächsische Kultusministerium.
61Vgl. auch K. May: Meine Beichte. In: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34, wie Anm. 17, S. 15-20 (S. 16).
62Vgl. K. May: "Weihnacht!", wie Anm, 1, S. 141f.
63K. May: Am Rio de la Plata. Gesammelte Reiseromane, Bd. XII, Freiburg 1894, S. 274.




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