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JOACHIM BIERMANN


›Et in terra pax‹
Ein Jahr im Zeichen von Karl Mays Friedensroman





Es giebt keinen Freund und auch keinen Feind meiner Bücher, der mich bisher verstanden hat. Darum wird mich Alles, was man über sie gesagt hat und noch sagt, bis dahin gleichgültig lassen, wo man beginnt, die Seele, welche in den Reiseerzählungen lebt und wirkt, in den nun erscheinenden Bänden deutlicher zu sehen und endlich, endlich besser zu begreifen.1


So schrieb Karl May am 2. Januar 1901 an einen unbekannten Empfänger. Der erste dieser nun neu erscheinenden Bände war ›Et in terra pax‹, mit dem May in einer Zeit imperialistisch aufgeheizten Kriegsgeschreis in Deutschland und Europa ein Zeichen des Friedens setzen wollte. Doch genauso wenig, wie seine Stimme sich dabei durchsetzen konnte, stand sein persönlicher Lebensweg in diesem Jahr im Zeichen des Friedens. Literarisch dominierte zwar ›Et in terra pax‹ sicherlich das Maysche Schaffen dieses Jahres, doch bahnte sich zur gleichen Zeit die große Auseinandersetzung um die Münchmeyer-Romane, die Adalbert Fischer gerade unter Bruch des Pseudonyms herauszugeben begonnen hatte, an und in ihrer Folge die unselige Kette von Prozessen, die Mays Altersjahrzehnt überschatteten.

   Die Erstveröffentlichung von ›Et in terra pax‹ vor genau hundert Jahren veranlaßte die Karl-May-Gesellschaft (KMG) und viele May-Freunde, sich im Jahr 2001 diesem Friedensroman besonders zu widmen. Dort, wo May den Schlußteil dieses Romans verfaßte, in der Schweiz und besonders auf der Rigi, fand der turnusmäßige Kongreß der KMG statt. Ein aufwendiger Reprint von ›Et in terra pax‹ stellte den bisherigen Höhepunkt der Publikationstätigkeit der KMG dar, und auch der dem Friedensroman gewidmete Studienband in der bewährten Herausgeberschaft von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer rückte ihn verdientermaßen in den Mittelpunkt.2

   Mays Friedensanliegen war damit gebührend hervorgehoben, und die genannten Unternehmungen haben einen durchweg erfolgreichen Verlauf genommen. Und doch bewahrheitete sich auch dieses im Jubiläumsjahr 2001: Daß alles Streben und alle Sehnsucht nach Frieden, wie sie May zum Ausdruck bringt, doch immer auch einer Realität gegenüberstehen, an der sie zu scheitern drohen. So war auch in der Karl-May-Szene nicht nur eitel Sonnenschein, sondern mancher, wie der Verfasser meint, kleinliche, Streit warf den einen oder anderen Schatten. Vor allem aber machten die furchtbaren Ereignisse des 11. September, nur wenig mehr als eine Woche vor dem Luzerner Kongreß, jedem klar, wie zerbrechlich das friedliche Zusam-


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menleben der Menschen ist und wie sehr das böse Tun von wenigen den Frieden bedrohen kann. Mays ›Et in terra pax‹ und seine Friedensbotschaft wurden auf ungeahnte Weise erneut aktuell, und man muß sich die Frage stellen, ob Mays Anliegen nicht vielleicht doch eher dem Reiche der Utopie zuzurechnen ist.


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Schauen wir zurück auf das, was sich im Jahr 2001 in der Karl-May-Gesellschaft getan hat.

   Zunächst trafen sich, wie in jedem Frühjahr, der Vorstand und sein engerer Mitarbeiterkreis zu einer Arbeitstagung. Die thüringische Stadt Eisenach, im Schatten der geschichtsträchtigen Wartburg gelegen, war als Tagungsort ausgesucht worden, wo man sich vom 30. März bis 1. April versammelte. Das Zentrum der Beratungen bildeten die Vorbereitungen für den Kongreß in Luzern. Des weiteren berichteten die Beauftragten für die verschiedenen Arbeitsbereiche innerhalb der Karl-May-Gesellschaft über ihre Arbeit und trugen Probleme und Anliegen vor. Auch über das Jahrbuch 2001 wurde diskutiert, über die Reprintvorhaben und das Verhältnis zum Karl-May-Verlag. Schatzmeister Uwe Richter erstattete Bericht über die mit der Euro-Umstellung zusammenhängenden Aufgaben. Unsere Experten für die neuen Medien, Ralf Schönbach und Frank Starrost, regten an, die Reprints der KMG nunmehr auch im Internet und auf CD-Rom zu veröffentlichen. So können sie auch dann, wenn die Printversion schon längst vergriffen ist, weiterhin der Forschung zur Verfügung stehen. Nach eingehender Diskussion der mit dieser Veröffentlichungsform verbundenen Vor- und Nachteile beschloß der Vorstand schließlich, das Projekt in Angriff zu nehmen. Ergänzt werden soll es, wenn und soweit möglich, durch die digitale Präsentation ganzer Zeitschriftenjährgänge derjenigen Periodika, in denen May-Texte erstveröffentlicht wurden, um so auch deren literarisch-publizistisches Umfeld zu dokumentieren.

   Im Zentrum der Publikationstätigkeit der KMG stand der Reprint von ›Et in terra pax‹. Betreut von Dieter Sudhoff und dem Reprintbeauftragten der KMG, Ruprecht Gammler, kam in der nunmehr seit 25 Jahren bewährten Zusammenarbeit mit der Druckerei Fr. Ant. Niedermayr in Regensburg ein Band heraus, der sicherlich den Höhepunkt des bisherigen Reprintprogramms der KMG darstellt. Der Faksimileband befriedigt jeden bibliophilen Anspruch; er enthält nicht nur den gesamten May-Text, sondern auch eine Auswahl aus den beiden darstellenden Teilen des Sammelwerks ›China‹, dessen dritten Teil ja Mays Erzählung bildet, sowie sämtliche Kunstbeilagen des Bandes und schließlich auch die Seiten aus späteren Auflagen, auf denen die ursprünglichen Abbildungen zur May-Erzählung durch andere ersetzt wurden. Abgerundet wird der Reprint durch den einleitenden Essay von Dieter Sudhoff ›Hunnen und Gentlemen‹, der den Chi-


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na-Band in umfassender Weise in seinen zeitgeschichtlichen Zusammenhang stellt. Nicht unerhebliche finanzielle Vorleistungen der KMG waren nötig, um diesen Band zu publizieren, der die Liste unserer Publikationen des Jahres 2001 anführen soll:



Reprint:


Karl May: ›Et in terra pax‹.

Hrsg. und eingeleitet von Dieter Sudhoff.

Hamburg 2001, 544 S.


Weitere Reihen (Fortführung der Liste aus dem Jahrbuch der KMG 2001, S. 372) wurden fortgesetzt:



Sonderheft:


Nr. 123:Silvia Zahner: Karl Mays ›Ich‹ in den Reiseerzählungen und im Spätwerk. Eine erzähltheoretische Analyse.
Husum 2001, 112 S. (phil. Diss. Zürich 2001)



Materialien zum Werk Karl Mays:


Bd. 3:Jürgen Seul: Karl May im Urteil der ›Frankfurter Zeitung‹. Husum 2001, 240 S.



Hinzu kommen selbstverständlich, wie in jedem Jahr, unsere regelmäßigen Publikationen: das Jahrbuch, vier Hefte der ›Mitteilungen der KMG‹ (64 bis 80 Seiten) und ebenso vier Hefte der ›KMG-Nachrichten‹ (48 bis 80 Seiten).


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Das ›Jahrbuch der KMG 2001‹ verdient an dieser Stelle einige zusätzliche Bemerkungen, war es doch das ganze Jahr 2001 hindurch Gegenstand einer durchaus kontrovers geführten Diskussion. Neben den beiden regelmäßigen Rubriken Literaturbericht und Tätigkeitsbericht enthielt es nämlich nur einen umfangreichen Beitrag, die Untersuchung ›Ermittlungen in Sachen Frau Pollmer‹ von Gabriele Wolff. Hans Wollschläger, der geschäftsführende Herausgeber, hatte, abweichend von der Regel, diesen monographischen Charakter des Bandes für angebracht gehalten, weil ihm die Arbeit Gabriele Wolffs zu Mays erster Ehefrau Emma Pollmer gewichtig genug dafür erschien. Daran hatte sich nun eine Debatte geknüpft, in der gegen diese einseitige Schwerpunktsetzung und Regelabweichung nicht


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unerhebliche Argumente ins Feld geführt wurden. In Briefen und Diskussionen, sowohl auf der Mitarbeitertagung in Eisenach als auch auf dem Kongreß in Luzern, wurden Bedenken geäußert, das Jahrbuch könne in dieser Form bei einem Teil unserer Mitglieder Mißfallen erregen. Als der Band dann mit einiger Verzögerung im Dezember endlich in den Händen der Mitglieder war, kam dieser Streit recht schnell zum Erliegen. Es setzte eine inhaltliche Diskussion ein, die sich bisher als durchaus fruchtbar erwiesen hat. Besonders war dies auf der Mailing-Liste der KMG zu spüren. War sie bis dahin in erheblichem Maße von nicht immer sachlichen Disputen über eher sekundäre Themen bestimmt, so änderte sich dies nahezu schlagartig. Ein durchaus niveauvoller Diskurs über den Wolffschen Aufsatz setzte ein, an dem sich auch die Autorin konstruktiv beteiligte. Ein Vorschlag, der dort gemacht wurde, wurde bereits vom Vorstand aufgegriffen: Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis für den umfangreichen Aufsatz von Gabriele Wolff soll den Mitgliedern nachgeliefert werden, um den Umgang mit dem Aufsatz zu erleichtern.

   Eine Veränderung bei der Mailing-Liste der KMG ist zudem zu vermelden. Giesbert Damaschke hat die Betreuung der Liste von Professor Reinhold Wolff übernommen und zugleich einen Aktualitätendienst eingerichtet. Die Mitglieder der Liste werden seitdem in hervorragender Weise über Karl May betreffende Neuigkeiten in Presse, Rundfunk und Fernsehen und auch darüber hinaus auf dem Laufenden gehalten.


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Eine wunderschöne kleine, geschichtsträchtige Stadt, idyllisch am Vierwaldstädter See gelegen - so präsentierte sich Luzern den Mitgliedern der Karl-May-Gesellschaft, die von nah und fern zusammenströmten, um vom 21. bis zum 23. September ihren Kongreß abzuhalten. Mehr als zweihundert Teilnehmer verzeichnete schließlich die Anwesenheitsliste; das waren wesentlich mehr, als manche Pessimisten befürchtet hatten, da Luzern nicht nur in der als für den deutschen Touristen recht teuer bekannten Schweiz - eine Erwartung, die sich leider bewahrheitete -, sondern auch am äußeren südwestlichen Rand des deutschen Sprachraums liegt. Wer gekommen war, bereute es jedoch sicherlich nicht, konnte er doch den landschaftlichen Reiz der Gegend ebenso genießen wie das historische Flair: Denn exakt 100 Jahre zuvor (am 22. September 1901) hatte Karl May auf der Rigi seinen Roman ›Et in terra pax‹ abgeschlossen.

   Ein freundliches Empfangskomitee begrüßte die Gäste im Hotel Tulip Inn, gestellt von Mitgliedern der Schweizer Karl-May-Freunde, in deren Händen die Organisation des Kongresses - in Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Hans Grunert - lag und die alles bestens vorbereitet hatten. Ihnen und ihrem Leiter Elmar Elbs gilt der herzliche Dank der KMG dafür ebenso wie für die Bemühungen um ein vielfältiges Rahmenprogramm, das


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wie auf jeder Tagung der KMG einen Gutteil zur positiven Atmosphäre beitrug. Dazu gehörten nicht nur eine Reihe von Stadtführungen unter kundiger Leitung und ein attraktives Alternativprogramm für die Begleitpersonen der Tagungsteilnehmer, sondern auch eine ›Nocturne‹ in der Luzerner Hofkirche St. Leodegar am Freitagabend, die Rezitationen aus Mays Werken mit der Aufführung von Mayschen Kompositionen sowie Orgelimprovisationen von Wolfgang Sieber eindrucksvoll miteinander verband. Ein »Geschenk der Schweizer Karl-May-Freunde an die KMG«,3 das von den Teilnehmern dankbar angenommen wurde.

   Am Vorabend des Kongresses war in der Zentral- und Hochschulbibliothek von Luzern eine Ausstellung ›Durch die Wüste auf die Rigi‹ eröffnet worden, deren Besuch auf jeden Fall ein lohnenswertes Unternehmen war. Am Morgen des 21. September dann gab die Stadt Luzern einen Empfang für den Vorstand und den Mitarbeiterkreis der KMG, bevor schließlich am frühen Nachmittag der Vorsitzende der Gesellschaft, Professor Reinhold Wolff, den Kongreß offiziell eröffnete.

   Fünf Vorträge standen im Zentrum des Programms. Und allseits wurde es als sehr positiv empfunden, daß mit ihnen nicht nur vor allem die jüngere Forschergeneration ins Blickfeld trat, sondern auch daß die Vortragenden es durchweg verstanden, ihre Zuhörer durch einen lebhaften, gar nicht als akademisch-steif empfundenen Stil in ihren Bann zu ziehen. Dabei gingen einige der Redner durchaus nicht unkritisch mit Karl May um. Da die Vorträge anderweitig dokumentiert sind, seien sie hier nur noch einmal kurz in ihrer zeitlichen Reihenfolge aufgeführt:



Freitag, 21. September:

Prof. Dr. Wolfgang Braungart (Bielefeld):

Erbauliche Provokationen - Provokationen des Erbaulichen.
Anmerkungen zur Lyrik Karl Mays

Dr. Silvia Zahner (Obfelden/Schweiz):

Und Friede auf Erden - eine erzähltheoretische Analyse


Samstag, 22. September (auf der Rigi):

Walther Ilmer (Bonn):

Karl May im Zwielicht: Hehres Anliegen ›Pax‹ mit Schönheitsfehlern


Sonntag, 23. September:

Prof. Dr. Ulf Abraham (Würzburg):

Der Held als Musterschüler und Oberlehrer. Der Motivkomplex ›Schule - Lernen - Belehren‹ in ausgewählten ›Reiseerzählungen‹ Karl Mays

Dr. Rolf-Bernhard Essig (Bamberg):

»Deine Klugheit ist so kurz wie eine Blutwurst«. Sprichworte und Redensarten bei Karl May


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Am Freitagabend erfreute Maarten van Diggelen aus den Niederlanden die Teilnehmer mit einem Diavortrag ›Ich und meine Gesellschaft‹. Die danach vorgesehene Buchauktion unter den Leitung von Thomas Grafenberg mußte ausfallen. Hier warfen die tragischen Ereignisse des 11. September ihre Schatten auch bis auf den Kongreß der Karl-May-Gesellschaft: Am 30. August war die von Grafenberg organisierte ›Shatterhan-t-our 2001‹ in die USA gestartet. Für den 14. September war die Rückkehr vorgesehen gewesen, doch die Unterbrechung des Flugverkehrs in den USA hielt die Teilnehmer in Amerika länger als geplant fest. Viele von ihnen waren zwar einige Tage später wieder in Deutschland eingetroffen, doch Grafenberg saß auch bei Beginn der Tagung noch immer in den USA fest. Erst Monate später konnte die Versteigerung in Form einer Fernauktion doch noch erfolgreich - und ertragreich für die KMG - durchgeführt werden.

   Am Samstagvormittag stand die Mitgliederversammlung der KMG an. Einhellige Zustimmung fanden der Bericht des Schatzmeisters, der einen neuen Spendenrekord in der Geschichte der KMG vermelden konnte, und die Vorschläge des Vorstands, die Aufnahmegebühr in der Satzung nicht mehr betraglich zu fixieren und Aufnahmegebühr und Beitrag auf runde Euro-Beträge festzusetzen (4 € bzw. 26 €). Kontroverser ging es dann in der Aussprache zu. Die Diskussion galt zum einen dem Jahrbuch 2001; darauf sind wir bereits weiter oben eingegangen. Zum anderen stand der nächste Tagungsort im Zentrum einer Auseinandersetzung: Der Vorstand schlug Plauen, den Ort, an dem Karl May seine Lehrerausbildung beendete, vor - die Stadt ist zugleich auch Mitglied der KMG -, während andere Mitglieder, unter Berufung auf ein positives Votum des ehemaligen Vorstands der KMG, sich für die Stadt Naumburg einsetzten. Man möge es dem Berichterstatter ersparen, die Kontroverse hier noch einmal aufzurollen - ihm sei es an dieser Stelle nur gestattet, sein Unverständnis über die Heftigkeit mancher Meinungsäußerungen zum Ausdruck zu bringen. Schließlich ging es allein um den Ort, an dem die KMG ihre nächste Mitgliederversammlung durchführt, und eine solche Entscheidung ist seiner bescheidenen Meinung nach von keinerlei herausragender Bedeutung und schon gar nicht für ideologische Überhöhungen irgendwelcher Art geeignet. Halten wir fest, daß die (relative) Mehrheit der anwesenden Mitglieder sich für Plauen entschied und daß der Vorstand diesem Votum genauso selbstverständlich folgen wird, wie er es im Falle einer Mehrheit für Naumburg getan hätte.

   Auch für den Kongreß im Jahre 2005 liegen bereits zwei Vorschläge vor: Leipzig und Essen. Möge die Plauener Mitgliederversammlung ihr Votum unter sachlichen Gesichtspunkten und in Erinnerung an Mays Friedensbotschaft vornehmen, die einigen Luzerner Kongreßteilnehmern vorübergehend entfallen gewesen zu sein schien.

   Harmonischer gestaltete sich der Nachmittag des 22. September, an dem ein Großteil der Teilnehmer zu einem Ausflug auf die Rigi aufbrach. Per Schiff und Rigibahn ging es hinauf, und es wäre eine rundum erfreuliche


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Angelegenheit geworden, hätte nicht das trübe Wetter jeglichen Ausblick über den Vierwaldstädter See und die ihn umgebende Bergwelt verhindert. Es muß ein beeindruckendes Erlebnis sein, wie den enttäuschten Bergreisenden von kundigen Rigi-Fahrern versichert wurde; doch das war leider nur ein schwacher Trost.

   Hätte die Karl-May-Freunde zur Entschädigung doch wenigstens die imposante Kulisse des Rigi-Kulm-Hotels hoch oben auf dem Berg begrüßt, wie sie Karl May in jenem September 1901 erleben durfte. Doch auch dieser Eindruck war ihnen verwehrt, war das alte Hotel doch schon vor Jahren abgerissen worden und durch einen unscheinbaren, ja wirklich schäbigen Neubau ersetzt worden. So blieb denjenigen, die den unangenehm niedrigen Temperaturen zu trotzen bereit waren, nur ein kleiner Rundgang im Nebel, bevor auch sie den übrigen Teilnehmern ins wohlgeheizte Innere des Hotel folgten, um dort zumindest das gemütliche Beisammensein zu genießen.

   Für all diejenigen, die noch ein wenig Zeit und genügend May-Nostalgie mitgebracht hatten, schloß sich dem Kongreß noch eine dreitägige Reise ›Auf Karl Mays Spuren durch die Schweiz‹ an, die wiederum von Schweizer Karl-May-Freunden vorbereitet worden war und den Zuspruch von rund 50 Personen fand.


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In diesem Zusammenhang erscheint es angemessen, all die regionalen Karl-May-Vereinigungen einmal zu würdigen, die sich in den letzten Jahrzehnten im Rahmen der Karl-May-Gesellschaft gebildet haben und die ein zum Teil beachtlich reges Vereinsleben vorzuweisen haben. Zwar sieht die Satzung der KMG keinerlei Untergliederungen vor, doch verspüren viele Mitglieder offenbar das Bedürfnis, sich regelmäßig mit Gleichgesinnten auszutauschen. Es ist schon ein erstaunliches Phänomen, wie viele solcher Vereinigungen sich im Laufe der Zeit gebildet haben: ein Zeugnis mehr der ungewöhnlichen Anziehungskraft und Wirkungsmächtigkeit des Autors Karl May, der sie alle vereint.

   Die Schweizer Karl-May-Freunde brachten sich im Zusammenhang mit dem Luzerner Kongreß nachhaltig in Erinnerung. Die Form eingetragener Vereine haben außerdem vor allem auch die Karl-May-Freundeskreise in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung gewählt. Sie wurden lange vor der ›Wende‹ gegründet und haben auch heute noch Bestand, und ihre Aktivitäten sind bewundernswert vielfältig. Solche Vereinigungen bestehen in Leipzig, in Cottbus und am Karl-May-Museum Radebeul.

   Meist lockerer organisiert sind die Karl-May-Freundeskreise, -Stammtische oder -Gesprächskreise im Norden, Westen und Süden Deutschlands, deren Zahl in den letzten Jahren immer mehr anzuwachsen scheint. Die älteste Gruppe sind wohl die Karl-May-Freunde im Rhein-Neckar-Gebiet,


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die sich unter anderem um die große Persönlichkeit des langjährigen stellvertretenden KMG-Vorsitzenden Hansotto Hatzig scharten, dessen Tod wir im Berichtsjahr beklagen mußten.

   Schauen wir in die Liste der regelmäßig in den ›KMG-Nachrichten‹ angekündigten Treffen, so können wir auch von Karl-May-Kreisen im Ruhrgebiet, im Großraum Stuttgart, in Berlin-Brandenburg, im Saarland und schließlich auch in München berichten. Die Karl-May-Gesellschaft präsentiert sich gerade auch auf der Ebene dieser Freundeskreise als ein sehr lebendiger Verein.


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Werfen wir schließlich einen kurzen Blick über die Grenzen der Karl-May-Gesellschaft hinaus, so waren es wohl vor allem zwei Themen, mit denen Karl May in der Öffentlichkeit präsent war.

   Da ist zum einen Klaus Hoffmanns Buch ›Karl Mays Werke‹.4 Es machte beträchtliche Schlagzeilen, was möglicherweise weniger seinem Inhalt geschuldet war als der Tatsache, daß seine Auslieferung schon nach kurzer Zeit auf Antrag des Karl-May-Verlages gerichtlich verboten wurde.

   Was war geschehen? Hoffmann hat es sich in diesem Buch zur Aufgabe gemacht, die diversen Bearbeitungen, die Karl Mays Werke im Laufe der Zeit zu erdulden hatten, kritisch zu würdigen, und dabei breiten Raum den Bearbeitungen im Karl-May-Verlag eingeräumt. Dabei verschonte er auch dessen ersten Verleger nicht mit seiner Kritik und schoß dabei offenbar zu weit über sein Ziel hinaus. Sei dem, wie es sei, das Buch ist auch inhaltlich auf breite Kritik gestoßen - »philologisch völlig unzureichend« ist etwa das Urteil Giesbert Damaschkes5 -, hat es aber immerhin geschafft, daß sich die Presse wieder einmal mit Karl May intensiver beschäftigte und die interessierte Öffentlichkeit auf diesem Wege zum Teil sicherlich erstmals überhaupt etwas von der verbreiteten Bearbeitungspraxis der Werke Mays erfuhr.

   Weit mehr Furore machte jedoch ein Film, der eigentlich nur indirekt mit Karl May zu tun hat: ›Der Schuh des Manitu‹ wurde zum erfolgreichsten deutschen Film des Jahres 2001. Diese Parodie der alten Karl-May-Filme durch den Komiker Michael ›Bully‹ Herbig traf offenbar genau den Geschmack des Publikums. Ohne Kenntnis dieser alten Filme mit Lex Barker und Pierre Brice war sie kaum zu verstehen, doch das bereitete dem Publikum augenscheinlich keinerlei Mühe. Für die KMG bleibt zu konstatieren, daß der Name Karl May weiterhin einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, jedoch mittlerweile offenbar weit eher mit den May-Filmen der 60er Jahre (und auch den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg) in Verbindung gebracht wird als mit den Werken des Autors selbst. Ein großes Feld für die Rezeptionsforschung, aber auch eine teils ernüchternde Feststellung für die May-Forschung! Mays Werke verschwinden zunehmend aus dem Bewußtsein


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der Öffentlichkeit, und seine Gestalten leben vor allem in ihrer durch Film und Bühne popularisierten Form fort. Doch immerhin: Das hat Karl May in unserer von den visuellen Medien dominierten Zeit mit vielen Autoren der Weltliteratur gemeinsam.


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Es bleibt noch, einem unserer Mitglieder besonders zu gratulieren: Prof. Dr. Meredith McClain von der Texas Tech University in Lubbock wurde 2001 gleich zweifach geehrt: Mit der Lucius-D.-Clay-Medaille und mit dem Bundesverdienstkreuz. Nicht zuletzt ihr Engagement um Karl May brachte ihr diese Auszeichnungen ein, da sie sich Verdienste erworben hat um die »Förderung von Kontakt- und Verständigungsprogrammen über das Amerikabild der Deutschen und die Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen« (aus der Begründung der Verleihung der Lucius-D.-Clay-Medaille).6 So trägt, auch auf ungewöhnlichen Wegen, Karl May weiterhin dazu bei, den Gedanken der Versöhnung unter den Völkern voranzubringen - gemäß dem Titelmotto seiner nunmehr hundertjährigen Erzählung ›Et in terra pax‹.



1 Zit. nach Volker Griese: Karl May. Chronik seines Lebens. Husum 2001, S. 105

2 Karl Mays ›Und Friede auf Erden!‹. Karl-May-Studien Bd. 6. Hrsg. von Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer. Oldenburg 2001

3 So heißt es im Programmheft des Kongresses.

4 Klaus Hoffmann: Karl Mays Werke. Textgeschichte. Textbearbeitung. Textkritik. Berlin 2001

5 Giesbert Damaschke: Liebesdienst, über's Ziel hinaus. Zu Klaus Hoffmanns Karl-May-Buch. In: KMG-Nachrichten 128/Juni 2001, S. 36-39 (37)

6 Zit. nach ebd., S. 15


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100 DM und mehr spendeten 1999:


Arnold Aerdken (Ravensburg), Bernd Arlinghaus (Dortmund), Renate Aßheuer (Lüdenscheid), Max Auer (Altdorf), Kurt Bade (Stolberg), Hartmut Bauer (Chemnitz), Torsten Bauer (Ober-Flörsheim), Erich Berchem † (St. Ingbert), Joachim Biermann (Lingen), Wolfgang Böcker (Recklinghausen), Ulrich Böhm (Cottbus), Peter Bolz (Berlin), Engelbert Botschen (Detmold), Josef Brachmann (Tholey), Helmut Broichhagen (Würzburg), Hans-Joachim Chodinsky (Göttingen), Linny Claudius (Hamburg), Gustav de Cock (Westmalle/B), Rolf Cromm (Kürten), Walter von Denffer (Waldlaubersheim), Winfried Didzoleit (Bruxelles/B), CarlHeinz Dömken (Rosche), Jürgen Drescher (Oberhausen), Klaus Eggert (Stuttgart), Robert Elkner (Wien/A), Jürgen Enser (Dinkelsbühl), Alfred E. Eßlinger (Nagold), Rosemarie Feldmeier


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(Kaufbeuren), Matthias Feuser (Ratingen), Rolf Fielenbach (Bonn), Uwe Peter Formella (Sankt Augustin), Paul Friedrich (Darmstadt), Werner Fröhlich (Hamburg), Ruprecht Gammler (Bonn), Werner Geilsdörfer (Stuttgart), Gabriele Gordon (Neuruppin), Dieter Gräfe (Tuchenbach), Andreas Graf (Köln), Hans-Walter Grebe (Vlotho), Peter Grübner (Hamburg), Wolfgang Grunsky (Bielefeld), Thomas Gurt (Osterbruch), Klaus Hänel (Hamburg), Fritz Härtel (Molfsee), Günter Happe (Münster), Ingmar Harden (Oldenburg), Stefan Hellmann (Erding), Pitt Herrmann (Bochum), Heinz-Dieter Heuer (Neuenhaus), Hans Höber (Solingen), Siegfried Horstmann (Lüdenscheid), Volker Huber (Offenbach), Gert Hübner (Lehrberg), Hans Ingenhoven (Düsseldorf), Karl Janetzke (Berlin), Martin Jansen (Köln), Klaus-Peter Johne (Berlin), Helmut Keiber (Rülzheim), Günter Kern (Delmenhorst), Josef Kilisch (Innsbruck/A), Hans-Christian Kirsch (Limburg), Joachim A. Klarner (Nürnberg), Konrad Klaws (Marloffstein), Clemens Kleijn (Villingen-Schwenningen), Hans Hugo Klein (Pfinztal), Hanns H. Kluck (Winsen), Bettina Knopf (Bad Soden), Reinhard Köberle (Kempten), Jürgen Köhlert (Hamburg), Manfred König (Munster), Henning Köster (Bochum), Martin Krammig (Berlin), Justus Krümpelmann (Mainz), Horst Kurhofer (Taichung/R.C.), Karl-Heinz Laaser (Bad Schwartau), Gerhard Langhans (Dresden), Heinz Lieber (Bergisch Gladbach), Peter Linden (Solingen), Dieter Lindner (Annaberg-Buchholz), Dirk Linster (Saarlouis), Udo Lippert (Kleinwallstadt), Christoph F. Lorenz (Köln), Günter Marquardt (Bonn), Evelyn Massing (Köln), Lorenzo Mateo de la Encarnación (Valencia/E), Horst Matthey (Langenfeld), Rolf Mehring (Köln), Herbert Meier (Hemmingen), Hans Norbert Meister (Arnsberg), Karl Merle (Dreieich), Harald Mischnick (Kronberg), Axel Mittelstaedt (Düsseldorf), Horst Müggenburg (Mönchengladbach), Günter Mühlbrant (Plauen), Edgar Müller (Leipzig), Erwin Müller (Föhren), Erwin Müller (Föhren), Harald Müller (Lorsch), Bettina Müller-Bollmann (Hamburg), Ulrike Müller-Haarmann (Bonn), Peter Münster (Sigmaringen), Holger Muhsfeldt (Hamburg), Friedhelm Munzel (Dortmund), Peter Nest (Saarbrücken), Jürgen Nordmann (Neustadt), Bernhard Nuß (Bremerhaven), Willi Olbrich (Wil/CH), Helmut Paulsen (Rödermark), Annelotte Pielenz (Nassau), Heinrich Placke (Bielefeld), Ulrich Plath † (Neustadt), Michael Platzer (Buchholz), Heike Pütz (Unkel), Reiner Pütz (Unkel), Winfried Rabenstein (Frankfurt a. M.), Alexander Rauchfuß (Saarbrücken), Uwe Richter (Freudenberg), Cornelius Riewerts (Vechta), Claus Roxin (Stockdorf), Uwe Roxin (Hamburg), Oliver Rudel (Magedburg), Claus Rüger (Radebeul), Bernhard Ruhnau (Reichelsheim), Stefan Rutkowsky (Frankfurt a. M.), Wolfgang Sämmer (Würzburg), Hans-Jürgen Schiemann (Kleve), Claus Schliebener (Straßlach-Dingharting), Wieland Schmied (München), Helmut Schmiedt (Köln), Siegfried H. Schneeweiß (Stockenboi/A), Margot Schneider (Hamburg), Reiner Schneider (Berlin), Dietrich Schober (München), Ralf Schönbach (Hennef), Winfried Schreblowski (Wohltorf), Sigrid Seltmann (Berlin), Jürgen Seul (Bad-Neuenahr-Ahrweiler), Wolfgang Sokalla (Mülheim), Edgar Stange (Gütersloh), Gabriele Stehr (Norderstedt), Willi Stroband (Ahlen), Helmut Styra (Köln), Wolfgang Szymik (Essen), Clemens Themann (Visbek), Cornelia Thust (Erfurt), Alfons Tönnissen (Kleve), Wilhelm Vinzenz (Maisach), Wolfgang Voelkner (Dresden), Christa Vogt-Herrmann (Schneveringen), Erich Weigel (Eisenach), Gregor Weil (Langenfeld), Herbert Wieser (München), Monika Wolf (Frankfurt a. M.),


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Winfried Wolf (Celle), Reinhold Wolff (Bissendorf), Stefan Wunderlich (Eichenau), Michael Zaremba (Berlin), Johannes Zeilinger (Berlin).




Die Karl-May-Gesellschaft dankt allen Genannten.




Auskünfte über die Karl-May-Gesellschaft
erteilt der Geschäftsführer
Hans Grunert
Karl-May-Straße 5, 01445 Radebeul
Postfach 10 01 34, 01435 Radebeul
Tel.: 0351/8 37 30 90
Fax: 0351/8 37 30 99
E-mail: geschaeftsfuehrer
E-mail: geschaeftsfuehrer@karl-may-gesellschaft.de
www.karl-may-gesellschaft.de


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