Georg Korte

Karl Mays "Scepter und Hammer" und "Die Juweleninsel" im Vergleich zu seinen späteren Reiseerzählungen(1)

Scepter und Hammer, erschienen 1879 / 80 für die Stuttgarter Verlagsbuchhandlung Göltz & Rühling im vierten Jahrgang der Zeitschriften "All-Deutschland" / "Für alle Welt", und die Fortsetzung Die Juweleninsel, erschienen ebendort im fünften Jahrgang 1880-82, gehören sicherlich nicht zu Karl Mays ästhetisch hochwertigsten Werken. Bedeutung erlangen die "Originalromane" aber dennoch insofern, als sie Mays dritten und gelungeneren Versuch - nach den weiteren "Frühromanen"(2) "Der beiden Quitzows letzte Fahrten" und "Auf der See gefangen" - sich im Genre des Romans zurechtzufinden, kennzeichnen.(3)

Man kann besonderen Reiz in diesen Romanen finden, da einige May-typische Ansätze schon sehr wohl zu entdecken sind, diese aber noch nicht voll entwickelt und ausgereift wirken und vielfach von Aspekten überlagert sind, die im Vergleich zu seinem späteren Schaffen sehr fremd anmuten. Es werden also sowohl Elemente der kolportageähnlichen Literatur als auch Bestandteile der "Reiseerzählungen" zu identifizieren sein, so daß sich ein Vergleich lohnt.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit wird folglich auf einer Untersuchung und Deutung der Texte, einem Vergleich mit den Reiseerzählungen sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur liegen. Mein Anliegen ist es ferner, wenn auch überwältigende neue Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, zumindest in Detailfragen Korrekturen oder Alternativen anzubieten. Da die vorliegenden Romane schon häufiger mit anderen Kolportageromanen Mays verglichen worden sind, meine ich, daß dieser Aspekt im Rahmen dieser Arbeit vernachlässigt werden kann. Auf die autobiographischen Bezüge ist in der Sekundärliteratur schon des öfteren verwiesen worden; ich selbst fühle mich weniger einer psychoanalytischen Literaturbetrachtung, als einem eher werkimmanenten Ansatz verpflichtet. Zu meiner Vorgehensweise ist noch anzumerken, daß ich bekanntere historische Details in der Regel nicht eigens belegen werde.

1. Handlungsrahmen

Die Romane Scepter und Hammer und Die Juweleninsel bieten einen Handlungsrahmen, der größtenteils im Adelsmilieu angesiedelt ist, wobei die familiären Verstrickungen und Schicksale verschiedener Adels- und Herrscherhäuser im Wechselspiel mit bürgerlichen Familien und deren jeweiligen Protagonisten vorgestellt werden. Mit der Adelsthematik wurde ein reizvolles und heute noch beliebtes Thema der Unterhaltungsliteratur aufgenommen. Da May jedoch die Geheimnisse höfischen Lebens weitgehend verschlossen geblieben waren(4), resultierte aus dieser völligen Unkenntnis die Notwendigkeit, das Leben des Adels zumindest zum Teil bürgerlich verbrämt darzustellen.

Vor allem mit den Mitteln der Kindsvertauschungen und -verwechslungen wird ein wahres Kaleidoskop der Trivialität entfesselt. Der König von Norland wird schon zum Sympathieträger, weil er - alle Klassenschranken überwindend(5) - nicht nur seinen Herrscherberuf ausübt, sondern in seiner spärlich bemessenen Freizeit in der Werkstatt seines Freundes, des Hofschmiedes Brandauer, auch noch hobbymäßig einem anständigen Handwerksberuf nachgeht.(6) "Der König als Schmied" stellt außerdem möglicherweise eine Variation einer Anekdote, nach der der russische Zar Peter der Große bei seinem Aufenthalt in den Niederlanden das Handwerk des Zimmermanns erlernt und später auch ausgeübt haben soll, dar. Das Aufgreifen dieses populären und trivialen Handlungsrahmens ist charakteristisch für Mays Kolportagezeit; in den Reiseerzählungen und Jugendromanen konnte darauf glücklicherweise verzichtet werden.

Als exotisches Moment werden schon in der Exposition Zigeuner in die europäisch-bürgerliche Umgebung eingeführt. Bemerkenswert ist dabei, daß diese im Volksmund oft mit negativen Eigenschaften ausgestattete(7) ethnische Minderheit äußerst positiv bewertet wird; nicht nur gehören Zigeuner zu den wichtigsten Helden des Romans, darüberhinaus sind sie auch als Gruppe zu effektiver Selbstorganisation in der Lage. Es ist nicht weiter verwunderlich, daß wir auch hinsichtlich der hierarchischen Strukturen bei den Zigeunern mit einer Art Absolutismus konfrontiert werden.(8) Streng hierarchisch gegliedert stellen sie eine schlagkräftige Organisation dar(9) und tragen letztendlich entscheidend zur Rettung von Norland(10) und zur Dingfestmachung(11) der adeligen Schurken bei.(12)

In ähnlicher Weise erfuhren ja auch die in der Literatur meist verschmähten (Mescalero-) Apachen(13) bei May eine völlige Neubewertung im positiven Sinn. Die Zigeuner in Mays Scepter und Hammer erfüllen in Europa eine ähnliche Funktion wie Indianer, Beduinen und andere Naturvölker im außereuropäischen Raum als "edle Wilde" in seinen Reiserzählungen - ansatzweise auch schon in Scepter und Hammer / Die Juweleninsel(14) - später immer wieder eingenommen haben.(15) Obwohl selbst meist Minderheit, leben sie nicht nach den Gesetzen der jeweils vorherrschenden Zivilisation.

In dem oben angedeuteten Sinne leben sie als outlaws nach ihren eigenen Spielregeln und schaffen so eine wunderbar beispielgebende Kulisse, um angesichts einer korrupten oder zumindest unfähigen Justiz eine Rechtfertigungsgrundlage für die Selbstjustiz seiner Protagonisten, die sich nicht einem immer nur relativen menschlichen Gesetz, sondern nur dem absoluten göttlichen Recht verpflichtet fühlen, zu liefern: Zigeuner schaffen wie Indianer Fluchträume von der Zivilisation.

Über diesen Zusammenhang der Selbstjustiz hinaus tritt als ein Motiv immer wieder das Handeln als Privatmann mit Sondervollmachten auf, z.B. Zarbas Befreiung aus dem Irrenhaus durch Max Brandauer.(16) Dieses Motiv findet man später gleichsam als "roten Faden" in Mays Kolportageroman "Der Verlorene Sohn", vor allem aber auch bei dem "im Schatten des Großherrn" reisenden Kara Ben Nemsi; wobei dieser letztendlich sogar als Hochstapler(17) bezeichnet werden müßte. Die eigentlichen Amtsträger wirken in solchen Situationen, vor allem in Gerichtsszenen und bei polizeilichen Untersuchungen, allenfalls ridikül und werden von den besser legitimierten Helden nur noch vorgeführt.(18)

Wie oben ausgeführt ist diese positive Haltung zur Selbstjustiz insofern problematisch, als darüberhinaus nicht nur unterschwellig ein Ideal der Selbstjustiz(19) propagiert wird: Da die Verhältnisse ungerecht sind, ist die Eigeninitiative der Helden erforderlich.(20) Angesichts ewig versagender Instanzen und Institutionen wird das eigenverantwortliche Handeln von Privatleuten zum Desiderat.(21) Mit dem quasi-autonomen Old Shatterhand / Kara Ben Nemsi ist diese Entwicklung dann zur Vollendung geführt worden. Diese völlige Autonomie gilt dann jedoch eher für den außereuropäischen Bereich der Reiseerzählungen.

2. Handlungsverlauf

Man begegnet im Aufbau der Romane Scepter und Hammer / Die Juweleninsel einer mustergültigen Kolportagehandlung, die mit den typischen Mitteln der Kolportage fortgeführt wird. Verwicklungen, familiäre Verstrickungen, Verwechselungen und Kindsvertauschungen, Verschwörungen, Geheimbünde und das Motiv der "Verfolgung rund um die Erde", das dann später in verschiedenen Zusammenhängen wieder aufgegriffen werden sollte, dienen dazu, einen bunten und abwechslungsreichen Spannungsbogen aufzubauen und zu illustrieren.

Das scheint jedoch auch die einzige Möglichkeit gewesen zu sein, ein Modell der schicksalhaften Fügung dem reinen Zufall als Erklärungsmuster vorziehen zu können. In der Kolportagewelt wirkt die Anwendung ihrer Mittel sogar logisch. Zur Fortführung einer teilweise unlogischen und etwas zusammenhanglosen Handlung sind solche Mittel tatsächlich unerläßlich.

May gerät dabei manchmal sogar in die Nähe der Selbstironie oder Satire, wenn er seine eigene phantasievolle Romanhandlung wohltuend von einer populären Romanvorlage abgrenzen läßt.(22) Es wird geschickt mit einer Technik der Vorausdeutung gearbeitet; beispielsweise werden im expositionsartigen ersten Kapitel von Scepter und Hammer durch eine Prophezeiung - daneben werden auch wichtige Helden und Schurken vorgestellt - paradigmatische Bezüge hergestellt, die den Ausgang des Romans fast vorwegnehmen.(23) Ebenso ist schon in der Exposition das May-typische Moment des Verkennens, der Unterschätzung, der camouflage präsent, eine Bedingung für die spätere Metamorphose vom "häßlichen Entlein" zum "Schwan"(24) und dem gleichzeitigen Triumph über alle, die ihn verkannten.

Der Handlungsablauf ist ungenau, einige Erklärungen fehlen ganz oder sind widersprüchlich. Die Zeitgestaltung ist nicht immer schlüssig(25) und besonders in der Juweleninsel fällt auf, daß Handlungsstränge ganz vernachlässigt bzw. unzureichend, widersprüchlich und unbefriedigend aufgelöst werden.(26) Das achte Kapitel fehlt gänzlich, sodaß der Übergang vom siebten zum neunten Kapitel nahtlos geschieht. Wollschläger und Wiedenroth ziehen als Erklärungsansatz dafür in Betracht, daß das achte Kapitel möglicherweise auf dem Postweg verloren gegangen sei.(27)

Ganz im Gegensatz dazu vertritt Lorenz in einem neueren Jahrbuchartikel(28) die Auffassung, die Juweleninsel folge einem "klar erkennbaren, einleuchtenden Grundschema der Handlungsanlage."(29) Lorenz unternimmt den Versuch, die Komposition der Juweleninsel auf eine klassische fünfaktige Dramenform zurückzuführen, sogar konsequenter konstruiert als die ersten Episoden der "Giölgeda Padishanün"-Erzählung. Leider kommt er jedoch auch nicht ohne die Hypothese einer urprünglich geplanten, aber nicht realisierten dritten exotischen Episode zum Abschluß aus. Wenn auch möglicherweise in der Anlage "klassisch", muß auch er zugeben, daß die Juweleninsel aufgrund ihrer dilettantischen Ausführung besonders zum Ende hin nur "ein Stück Trivialliteratur" bleibt.(30) Ich muß überdies zugestehen, daß mir der heuristische Wert seiner Motivzählerei weitgehend verschlossen geblieben ist.(31)

So wirkt sogar der Titel dieses Romans wie eine große Täuschung. Die Irreführung des Lesers wird so weit getrieben, daß kein Handlungsteil konkret auf der Juweleninsel spielt.(32) Schmiedt zeigt anhand von Beispielen aus anderen Kolportageromanen Mays, daß hier ein allgemeines Konstruktionsprinzip seiner Kolportageromane sichtbar geworden sein könnte:

"(...) dann verlieren sich auch die Gedanken an die Trivialität dieser Trivialromane (...): auf einer sehr abstrakten Ebene ist die Verweigerung von Sinnzusammenhängen das dominante Agens der Kolportageromane, entfaltet sich als ihr Ziel die konzentrierte Formulierung eines sich in Widersprüchen fortbewegenden Absurditätsprinzips."(33)

Wie der "rote Faden" der Handlung nicht immer greifbar ist, spukt sie phantomähnlich nur in Erzählungen und Erinnerungen. Typisches Mittel der Kolportage ist auch ein häufiger Szenen- und Protagonistenwechsel, was eine der Ursachen für die reichlich unlogische Handlungsfortführung zu sein scheint. Kurze Abschnitte, die immer auf einen Spannungshöhepunkt hinlaufen, sind allerdings auch Bedingung für den erfolgreichen Vertrieb eines Serienromans.(34) Mit der Einführung verschiedener Handlungsorte und Personen wird für Variation gesorgt. Auf diese Weise kann Logik teilweise ersetzt werden. In den Reiseerzählungen konnten zumindest auf diese Gestaltungsmittel - schon aufgrund der Ich-Perspektive - weitgehend verzichtet werden.

Aufgrund der relativ verworrenen und zahlreichen Handlungsfäden, fällt es schwer, Ablauf und Inhalt von Scepter und Hammer kurz zu referieren. Man kann als ersten Handlungsstrang die Ereignisse um Max Brandauer identifizieren. Auf die Rolle der Exposition ist oben schon hingewiesen worden.(35) Das Personal auf dieser Handlungsebene ist vorgestellt worden, es stehen sich der erste Minister, der Herzog von Raumburg und sein Sohn, und der König von Norland mit seinem Patensohn, dem eigentlich handelnden Dr. Max Brandauer gegenüber. Im weiteren Verlauf hat Brandauer reichlich Gelegenheit, die Aktionen und Rechtsbrüche des Herzogs zu durchkreuzen. Die Schurken erhalten Unterstützung durch eine jesuitische Verschwörung um den unter verschiedenen Pseudonymen agierenden Aloys Penentrier, wohingegen auf der Seite von Max Brandauer die geheimnisvolle, aus dem Hintergrund lenkende Zigeunervajdzina Zarba steht.(36)

Mit dem Verlassen des norländischen Schauplatzes wendet sich der Fokus der Betrachtung nach Süderland. Die Handlung wird um Arthur von Sternburg, einem Freund und alter ego von Max Brandauer, dem erzähltechnich genau dieselbe Heldenrolle zufällt, zentriert. Dieser agiert als Gegenspieler des "tollen Prinzen" Hugo, jüngster Sohn des Königs von Süderland.(37) Eingebettet in diesen Handlungsteil ist die autobiographisch gefärbte Karl Goldschmidt / Emma Vollmer Episode.(38)

Auf einer anderen Zeitebene, nämlich eine Generation vor der Haupthandlung, wird die Erzählung um Katombo, den ehemaligen Geliebten Zarbas, eingeschoben. Schon im achten Kapitel als "Nurwan Pascha" vorgestellt, wird seine Flucht vor dem intriganten und mächtigen jungen Herzog von Raumburg geschildert, an die sich eine beispiellos-phantastische Bilderbuchkarriere mit großen Erfolgen und katastrophalen Tiefschlägen im Osmanischen Reich anschließt, die ihn über einen Umweg als Seeräuber (der "Schwarze Kapitän") zum Nurwan Pascha werden ließ.(39)

Indem alle drei Handlungsfäden aufgenommen und verknüpft werden, kommt es zum Finale und showdown, einer tatsächlichen Revolution in Süderland und schließlich zum happy end in Norland. Der Herzog von Raumburg, von "Bhowannies" Rache eingeholt, muß auf dem Sterbelager alle seine Untaten bekennen: Katombo(40) ist sein älterer Bruder(41) und auch Zarbas Halbbruder, was eine erotische Beziehung doch etwas pikant gestaltet hätte. Natürlich wird Katombo die Herzogswürde zugesprochen.(42) Arthur von Sternburg heiratet Almah, die Tochter Katombos(43), was die Tatsache etwas kompensiert, daß er vom Adeligen zum Bürgerlichen herabgestuft wird.(44) Sein wirklicher Vater ist der Hofschmied Brandauer. Und Max Brandauer stellt sich als der legitime Sohn des Königs heraus. Zudem kann er sein Glück komplettieren, weil er Asta von Süderland heimführen darf.(45)

Wenn ich auch die Ansicht von Lorenz, daß Scepter und Hammer eine "große Geschlossenheit" aufweise, nicht teile, so kann ich dennoch die Formulierung, daß "die Fortsetzung "Die Juweleninsel" unbeholfen und in jeder Hinsicht unfertig" wirke, nur unterstreichen; allerdings: nicht nur "auf den ersten Blick."(46)

Die Romanhandlung ist eine Generation später als im Vorgängerroman angesiedelt. Der junge Kurt Schubert verhilft Hugo von Süderland, dem tollen Prinzen, im norländischen Seebad Fallum zu einem unfreiwilligen Bad im Meer, was ihm eine grausame Bestrafung durch seinen Stiefvater Heinrich Hartig einträgt(47), ihm und seinen Anverwandten aber letztlich zum Heil gereicht, weil seine Mißhandlung ans Licht kommt und er beim General Helbig, dessen Tochter er gerettet hat, wie an Sohnes statt aufgenommen wird.(48)

Das zweite Kapitel führt uns direkt zu einem weiteren wichtigen Schauplatz, zur Burg Himmelstein, wo eine der Eskapaden - der fehlgeschlagene Versuch, die Tochter des Höllenmüllers zu amouröser Vergnüglichkeit zu bewegen - des tollen Prinzen geschildert wird, die ihm wohl seinen Spitznamen eingetragen haben. Gleichzeitig erfährt der Leser von Toska (von Mylungen), die der Prinz in niederträchtiger Absicht auf seiner Burg gefangen hält, um sie sich gefügig zu machen und schließlich in einem benachbarten Kloster in einem Verlies verschwinden läßt.(49)

Die detaillierte Schilderung der Zuchthauseinlieferung von Kurt Schuberts Stiefvater, der wegen Mißhandlung verurteilt worden ist, läßt auf Mays eigenen Erfahrungshorizont rückschließen.(50) Kurt Schubert kann sich erneut als Held profilieren, als er drei entflohene Sträflinge, Bekannte übrigens aus Scepter und Hammer, festsetzen kann.(51)

Für die nächsten beiden Kapitel(52) wird der europäische Handlungsraum in Richtung Indien verlassen. Mit Alphons Maletti, dem Rajah von Augh und seiner schönen Schwester, der Begum Rabbadah, wird ein komplett neues Personal vorgestellt, dem im eigentlichen Handlungszusammenhang der Juweleninsel recht eigentlich keine Funktion zugewiesen werden konnte.(53) Diese indische Episode wirkt insofern wie der größte Fremdkörper. Erzählt wird der Untergang des fiktiven Staates Augh, der einer Verschwörung von Engländern und benachbarten Fürsten zum Opfer fällt. Interessant ist die eigentlich positive Darstellung der Mördersekte der "Thugs", der geheimnisvolle, scheinbar omnipotente Anführer wirkt nachgerade wie ein männliches Pendant zur Zigeunerin Zarba. Bedeutsam ist, das es in dieser Geschichte kein happy end gibt, weder im politischen Sinne für Augh, noch im Privatleben der Protagonisten: Auf der Flucht stranden Maletti und seine Geliebte Rabbadah - wieder infolge eines Verrats - mit einem unermeßlichen Schatz allein auf einer unbewohnten Insel.(54)

Das nächste Kapitel(55) greift die tolle Prinz / Kurt Schubert Handlung wieder auf, dem die Gelegenheit zuteil wird, die schöne Müllerstochter aus den Händen eines schon bekannten hochwohlgeborenen prinzlichen Entführers zu befreien.

Der folgende Abschnitt(56), in den Gesamtkontext besser als die Indien-Episode eingefügt, ist im "Wilden Westen" plaziert. Hier tritt eine der skurrilsten Figuren Mays auf: der "Bowie-Pater", eine als Mann verkleidete indianerbekehrende und -mordende ehemalige Zirkusreiterin, Geliebte des tollen Prinzen und spätere Klosterinsassin, die es in die neue Welt verschlagen hat. Wir erleben hier eine typische Indianergeschichte mit dem Apachenhäuptling Rimatta, ohne Zweifel ein Proto-Winnetou(57), Komanchen, einem Ur-Old Shatterhand namens Feuertod / Friedrich von Walmy und einem Bösewicht und Komplizen des tollen Prinzen, ehemaliger Kammerdiener der Walmys, der verkleidet unter den Komanchen lebt und auf die Namen Georg Sander(58) bzw. Rikarroh hört.

Die letzten beiden Kapitel(59) zeigen den tollen Prinzen noch einmal in seinem Element: er veranlaßt eine Brandstiftung, betätigt sich wieder als Entführer, ermordet Zarba und will Kurt Schubert schließlich sogar einen anderen Mord in die Schuhe schieben. May vereint schließlich die Helden des europäischen Schauplatzes mit ihren amerikanischen Kollegen.(60) Mit vereinten Kräften gelingt es, die Untaten des Prinzen aufzuklären und ihn zur Strecke zu bringen. Der Schatz der Juweleninsel(61) findet karitative Verwendung(62), und auch dieser Roman vereint schließlich einige Ehepaare:

"Eine von May waghalsig und schwülstig heraufbeschworene Bürgerlichkeit trägt letztendlich den Sieg davon. Wie bei allen anderen Kolportage-Epen auch."(63)

3. Handlungsraum

May greift bei der Gestaltung des Handlungsraumes teilweise auf utopische Staaten(64) zurück, ein Mittel, das in seinen folgenden Werken weitgehend ausgespart blieb, wenn man einmal vom "Ardistan und Dschinnistan" seines Spätwerkes absieht. Seine "Utopie" bleibt jedoch ambig, man kann unschwer historische Vorbilder ermitteln. Man findet einen Spiegel der zeitgenössischen mitteleuropäischen Verhältnisse - insofern wäre der Begriff "konkrete oder quasireale Utopie" vielleicht angebracht - in romanhaft-romantischer Verklärung vor.

Um die Handlung im Kolportagestil fortführen zu können, werden Burgen, Schlösser, Verliese Geheimgänge und -Gesellschaften etc. zu wichtigen Gestaltungsmitteln, obgleich sie mit der zeitgenössischen mitteleuropäischen Realität sicherlich herzlich wenig zu tun hatten. Wenn ein Max Brandauer, natürlich ausgestattet mit Sondervollmachten, den König nachts in seinem Schlafzimmer aufsuchen kann, so wird Mays Unkenntnis des Alltags bei Hofe deutlich.(65) Diese Darstellung unterscheidet sich übrigens nicht wesentlich von späteren Darstellungen, zumindest in den Kolportageromanen, bei denen auf das Mittel der Utopie verzichtet worden ist.(66) Und tatsächlich bleibt May auf dem europäischen Schauplatz ja meistens in einem quasirealen Bereich, der den Rahmen der fiktionalen Literatur nicht so sehr strapaziert, daß für seine Phantasiegebilde eine utopische Neuschöpfung obligatorisch werden könnte. Folglich konnte May z.B. im "Waldröschen" auf reine Phantasieschöpfungen weitgehend verzichten.

Mit der Wahl seiner exotischen Handlungsorte sucht May die wichtigsten Schauplätze seiner späteren Reiseerzählungen auf, vor allem den "Wilden Westen Nordamerikas", das Osmanische Reich und - im Handlungszusammenhang weniger bedeutend - den fiktiven indischen Staat Augh, dem wahrscheinlich das historische Audh zum Vorbild gereicht. Mit der Wahl des Schauplatzes von Augh begibt sich May literarisch in die Nähe seines überaus erfolgreichen Zeitgenossen Goedsche, der unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe publizierte.(67)

Einzelne Episoden traten dann in Variationen in seinen späteren Schriften wieder auf oder waren selbst etwas veränderte Versionen von schon Publiziertem(68), so z.B. das Haremsabenteuer(69) oder einige Motive der Wildwesthandlung.(70) Auch das populäre und später wieder verwendete Motiv der "Verfolgungsjagd rund um die Welt"(71) ist in diesem Zusammenhang greifbar. Schon hier wird also der für May so charakteristische Spannungsbogen zwischen "Wüste und Wildwest" gezogen.(72)

Durch die alternierende Kombination der Handlungsorte entsteht ein Spannungsbogen aus den reinen Phantasieschöpfungen des europäischen Schauplatzes und pseudorealen exotischen Orten, genauer gesagt ein rhytmisches Wechselspiel zwischen Europa und Exotik einerseits und zwischen Utopie und Pseudorealität andererseits. Darauf vertrauend, daß seine Leser mit den Gegebenheiten außereuropäischer Landschaften weniger vertraut waren, konnte er hier auf das Mittel der Utopie gänzlich verzichten.

Man trifft jedoch durchweg auf eine schematisierte und typisierte Welt, die genauso hundertprozentig wie eine Utopie nur im Bereich literarischer Fiktion real sein kann. Die Flucht in die Exotik kann also als Chance, seine kreative Phantasie im größeren Maße literarisch umzusetzen, aufgefaßt werden. Die Exotik wird bei May nachgerade zum Utopieersatz. Darüberhinaus erfüllt sie in noch stärkerem Maße die Funktion, die den Zigeunern im europäischen Raum zukommt. Sie stellt einen Fluchtraum, eine Alternative zur bürgerlichen Gesellschaft dar; in der Darstellung von Unrechtsverhältnissen und -Zuständen wirkt die Exotik dann als Allegorie Europas. Die Gründe, warum Mays Helden die Ferne suchen, sind durchweg in der mitteleuropäischen Heimat(73) angesiedelt: sie ist der Ausgangspunkt der Abenteuer und nur dort können die Probleme der Helden zufriedenstellend gelöst werden.

4. Widerspiegeln des historischen Hintergrunds

Bei der Lektüre der unbearbeiteten Ausgabe von Scepter und Hammer und Die Juweleninsel springt sofort Mays negative Darstellung der katholischen Kirche ins Auge. Beginnend bei der konspirativen Tätigkeit des Jesuitenpater Valerius(74) über die natürlich negative Konnotationen assoziierende Konfession der Süderländischen Dynastie(75), der Darstellung der katholischen Wallfahrtspraxis(76): bei einem Spiel- und Saufgelage wird von einem Katholiken kaltblütig und heimtückisch ein Mord verübt, um ihn einem Protestanten in die Schuhe zu schieben(77), bis hin zur seltsamen Missionstätigkeit des Bowie-Pater, in der man eine Parodie der blutigen Mission in (Süd-) Amerika sehen könnte(78), erfährt der Katholizismus eine äußerst negative Darstellung.

Endlich gerät dieser Zug vollends zur Polemik, wenn zwei katholische Klöster(79), verbunden durch Geheimgänge(80), in den Handlungszusammenhang eingeführt werden. Diese bleiben nicht nur im Bereich der Anspielungen beschrieben, man erfährt im Gegenteil detaillierte Intimitäten und eine derb erotische Komponente von Obszönitäten. Die Klöster sind ausgestattet mit einem eigenen Kinderfriedhof zur Versorgung der Bastarde aus der unheiligen Allianz von Mönchen und Nonnen; sie werden natürlich getötet!(81) Vorgestellt wird ein Arsenal sadomasochistischer Praktiken und Hilfsmitteln, wie z.B. einem Verlies, um widerspenstige Opfer des tollen Prinzen willfährig und gefügig(82) zu machen und verschwinden zu lassen.(83) Das Ritual der "heiligen Pönitenz" wirkt wie eine Parodie auf die Absolution der Katholiken(84): sie wird gestattet, bedarf der reuigen Bitte, kann aber bei Renitenz auch in einer Strafzelle verordnet werden.

Bezeichnend sind bei diesen antikatholischen Auslassungen vor allem auch Mays Stil und Sprache. Diese polemisch-religiösen Passagen sind von einer Wortwahl geprägt, die eine zum Zynismus gesteigerte Ironie transportiert. Indem salbungsvolle(85), höhnische(86), heuchlerische(87) und scheinheilige(88) Phrasen mit ihrer eigenen Negation in der Tat konfrontiert werden, wird ein quasi dialektischer Effekt erzielt. Eine derart negative Darstellung von Religion erfolgt später höchstens bezüglich des Islams.(89)

Herbert Meier kennzeichnet Karl Mays kirchenpolitische Tendenz als durchaus im Rahmen einer "ökumenischen Parität." Um diese These zu unterstützen, wird lediglich ein relativ mageres Beispiel angeführt: die Beteiligung des protestantischen norländischen Hofpredigers an der hochverräterischen Verschwörung gegen seinen König. Obwohl vorher Parallelen zum deutschen Jesuitengesetz von 1872(90) festgestellt worden sind, versucht Meier die massive antikatholische Darstellungsweise in dieser Frühschrift Mays auf diese Weise zu relativieren und muß sich so selbst dem Vorwurf der Apologetik aussetzen.(91) Es ist mir unbegreiflich, wie man sich weigern kann, die antikatholischen Auslassungen Mays, die in seinem Gesamtwerk in dieser Form einzigartig und unwiederholt sind, in den historischen Kontext des (ausgehenden) Kulturkampfes einzuordnen und sich stattdessen lieber auf eine "literarische Tradition des Schauerromans"(92) beruft, die zugegebenermaßen durchaus vorhanden sein mag.(93) Ich frage mich, warum immer wieder versucht wird, May aus einer Einbettung in den historischen Kontext herauszuhalten? Klotz liefert einen durchaus nachvollziehbaren Interpretationansatz, wenn er postuliert: "May hat also keineswegs bloß ins kulturkämpferische Horn der offiziellen Jesuitenhatz geblasen. Er hat an die fragwürdigen Verbindungen von Thron und Altar gerührt."(94) Diese Auffassung möchte Lorenz(95) natürlich wieder lieber dahingehend korrigieren, daß die entsprechenden Passagen als innerhalb einer angelsächsischen Literaturtadition stehend gedeutet werden.(96)

Besonders Scepter und Hammer spiegelt in deutlicher Weise den historischen Hintergrund Mitteleuropas, sozusagen die deutsche Frage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wider.(97) Durch eine Simplifizierung zeitgenössischer historischer Gegebenheiten wird eine Sphäre der Vertrautheit geschaffen, in der die Trivialhandlung angesiedelt werden kann. Dabei scheint May einerseits besonders die Revolution von 1848 romanhaft verarbeitet zu haben, andererseits vor allem den deutschen Krieg von 1866 und generell den preußisch-österreichischen Dualismus im Deutschland jener Zeit.

May setzt den Gegensatz zwischen Preußen und Österreich in dem Dualismus der fiktiven Staaten Norland und Süderland um, indem er mehrere Analogien einflechtet. Hier wäre vor allem die nicht näher präzisierte geographische Lage der Staaten zu nennen(98); die Nomenklatur läßt jedoch auf eine Nord- Südlage schließen. Es handelt sich um zwei etwa gleichbedeutende mitteleuropäische(99) (Groß-) Mächte - die Staaten Nor- und Süderland sind sowohl in den Vereinigten Staaten(100) als auch im Osmanischen Reich(101) bekannt - mit Zugang zur See.(102) Mit der immer wieder hervorgehobenen Bedeutung der auf allen Weltmeeren agierenden Flotten(103) scheint eine Thematik des aufstrebenden zweiten Kaiserreiches aufgenommen worden zu sein. Analog zum Namen der südlichen deutschen Großmacht, Österreich, ist bei May eine Himmelsrichtung wesentliches Bildungsprinzip der Namen. Wie in der historischen Realität ist die süderländische Herrscherdynastie katholischer Konfession, die norländische jedoch protestantisch.

Wie Preußen 1866 siegt bei May in der bewaffneten Auseinandersetzung der norländische Staat gegen die Erwartung vieler Beobachter. In Mays Fiktion hat der Agressor Süderland, der seinen eigenen revolutionären Bestrebungen im Nachbarland zum Opfer fällt(104), größere Schwierigkeiten bei der Verfassungskreation, die letztendlich nur infolge des norländischen Sieges gelingt; die Durchsetzung rechtsstaatlicher Verhältnisse ist auch eine Generation später in der Juweleninsel noch nicht garantiert.(105) Auch dies könnte als eine Analogie zur jüngsten österreichischen Geschichte gedeutet werden: erst nach dem gewaltsamen Ausscheiden aus Deutschland 1866 gelang es, die seit der 48er Revolution andauernde Periode der Verfassungsexperimente zu beenden und - gezwungenermaßen - einen Ausgleich mit dem ungarischen Reichsteil zu finden und eine wenn auch fragile Ordnung zu begründen, die bis zum 1. Weltkrieg andauerte. Zu allem Überfluß heißt der absolutistische König von Süderland(106) noch Max Joseph, Namen die nicht nur bei den bayerischen Wittelsbachern(107), sondern auch besonders bei den Habsburgen(108) beliebt waren. Überhaupt weist König Wilhelm von Norland, der seine Herrschaft vor der Revolution als Hausherrschaft in einem aufgekärten Absolutismus aufzufassen scheint(109), einige Parallelen zu preußischen Königen auf. Wie Friedrich Wilhelm IV. wird er als schwach charakterisiert, das Regieren überläßt er unpopulären Verwandten. Der korrupte Herzog von Raumburg regiert in dem Bewußtsein, daß er einst das Reich seines kinderlosen Königs erben wird(110), zettelt aber eine Revolution an, da ihm der natürliche Weg zu lang erscheint. Für ihn bieten sich zwei historische Vorbilder an, nämlich Graf Brandenburg, der Ministerpräsident der Gegenrevolution und Halbbruder des Königs oder - was weitaus wahrscheinlicher scheint - der "Kartätschenprinz", der spätere Kaiser Wilhelm I.. Er spielte, möglicherweise in dem Bewußtsein, daß ihm einst die Regentschaft zufallen würde, im Vorfeld der Revolution eine mehr als bedenkliche Rolle. In dem überraschend schlagkräftigen Duo Max Brandenburger und König könnte die Erfolgsehe von Bismarck(111) und König Wilhelm I. chiffriert worden sein, Wilhelm, nach erfolgreicher deutscher Einigung nun natürlich eine unantastbare Ikone mit positiver Konnotation. Während der Lohn Bismarcks sich - in Hinsicht auf sein Sozialprestige - auf die Erhebung in den erblichen Reichsfürstenstand beschränkte(112), werden seinem jungen Pendant bei May andere Meriten zuteil; ganz kolportagemäßig erweist er sich als legitimer Sohn des Königs: gleichzeitig wird folglich also das Thronfolgedilemma gelöst. Ich bin mir darüber bewußt, daß die hier zuletzt vorgestellten und vorgeschlagenen Analogien weniger wissenschaftlicher als vielmehr assoziativer Natur sind.

Es stellt sich die Frage, wie Karl May zu einem weiteren Leitmotiv des Romans Scepter und Hammer eingestellt war, nämlich der Revolution. May idealisiert den Weg der Verfassungsfindung per Erlaß oder Dekret(113), der umstrittenerweise nach der 48er Revolution in Preußen beschritten worden war. Wörner betont die Tatsache, daß bei May die Mitwirkung des Volkes vorgesehen ist:

"Man kann wohl sagen, daß der letzte Satz für die Lage im 19. Jahrhundert immerhin recht bedeutungsvoll und mutig ist. So selbstverständlich war die Mitbestimmung des Volkes (über frei gewählte Abgeordnete) bei der Verfassung damals nicht; mit solchen Plänen war die Paulskirche bereits 30 Jahre vor der Niederschrift dieses Romans gescheitert."(114)

Mit dieser hier deutlich gewordenen Ansicht stimme ich nicht völlig überein. Es sind seit der Revolution nun einmal schon 30 Jahre vergangen, May lebt in einem Verfassungsstaat mit vergleichsweise demokratischem Wahlrecht und die Mitwirkung des Volkes zu fordern ist weder bedeutungsvoll noch mutig, denn dieses Prinzip wird durch den Konstitutionalismus, der in Deutschland, auch in Preußen, trotz aller Widerstände spätestens seit der Revolution Einzug gehalten hat, anerkannt. Verfemt bis zum ersten Weltkrieg blieb nur der Parlamentarismus, die alleinige Einflußnahme des Parlaments auf die Regierung.(115)

Es ist für May geradezu bemerkenswert, daß eine Revolution dergestalt ins Zentrum des Geschehens gerückt wird, "(...) die Romanhandlung baut sich in ihren wesentlichen Zügen auf eine Revolution und ihre Durchführung auf."(116) Wenn auch Revolutionsschilderungen vor allem im Alterswerk(117) wieder eine Rolle spielen können, so nimmt doch ihre Behandlung in diesem frühen Roman in seinem uvre eine Ausnahmestellung ein. Die Behandlung der Verfassungsproblematik von 1848 wirkt dabei eher anachronistisch, wohingegen die späteren Ereignisse zum Zeitpunkt der Niederschrift Anfang der 80er Jahre noch einen gewissen Anspruch auf Aktualität für sich reklamieren konnten. Man könnte davon sprechen, daß bei May insofern anachronistische und synchronistische Elemente miteinander verbunden werden.

Die psychologisch geprägte May-Literatur nimmt natürlich immer wieder gerne die autobiographisch aufschlußreiche Karl Goldschmidt / Emma Vollmer Episode zur Kenntnis. Dies soll deshalb hier nicht weiter diskutiert werden. In der Sekundärliteratur tritt interessanterweise häufig ein Detailfehler auf: Karl Goldschmidt führt - neben Zarba - die Revolutionierung Süderlands und nicht Norlands.(118) Wäre dies umgekehrt konzeptioniert worden, entbehrte es in der Tat der inneren Logik. Norland ist zwar schlecht regiert, braucht aber keine Revolution(119) sondern kann sich aus eigener Kraft regenerieren. Insofern könnte ein Revolutionär bei May nie in die Rolle eines Helden schlüpfen.(120) Dagegen ist das absolutistische Süderland(121) wirklich noch eine Despotie, in der der Revolution eine gewisse Legitimität zukommt, vor allem wenn man bedenkt, daß Süderland weiterhin Probleme damit haben wird, die ideelle Rechtsstaatlichkeit zur Rechtswirklichkeit zu machen. Erwähnenswert bleibt in diesem Kontext dann nur das positive politische Bekenntnis des jungen May zur Demokratie, das zwar einigen anti-sozialdemokratischen Passagen(122) - diese werden jedoch nicht einem alter ego, sondern einem mit den Jesuiten im Bunde stehenden Offizier in den Mund gelegt(123) - im selben Roman gegenübersteht, in seiner Deutlichkeit jedoch im Gesamtwerk Mays einzigartig bleibt, selbst wenn man die Erzählhaltung von der eigentlichen Intention des Autors trennen sollte. Passend dazu wird ein bürgerliches Gleichheitsideal propagiert, einer argumentatio e contrario folgend wird in einem Atemzug Kritik an überkommenen und veralteten Adelsprivilegien(124) geäußert.

In seiner Tendenz ist Scepter und Hammer / Die Juweleninsel dennoch grundsätzlich als konstitutionell-monarchistisch einzuordnen. Klotz' Auflistung beweist, daß dem Prinzip des Absolutismus letztlich bei May kein Alternativkonzept entgegengestellt wird.(125) In jeder Situation, bei Helden wie bei Schurken, in Europa und in der Exotik, immer müssen Hierarchien klar abgegrenzt bleiben und es kann letztlich jeweils nur der Held oder Schurke entscheiden. Die hier propagierten Vorstellungen vom Königtum erinnern mich in einigen Passagen an Ferdinand Lassalles Vorstellungen eines "sozialen Volkskönigtums"(126): Die Mitglieder der illegitimen norländischen Verschwörung kommen durchweg aus gehobenen Klassen(127), Unterstützung findet der König jedoch in einer

"Anti-Koalition zur bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft: Präriejäger, Seeleute, Offiziere, Adlige und vorindustrielle Handwerker."(128)

Das bei May häufig vorkommende Motiv des Schmuggelns wird in diesen beiden Romanen in einem eindeutig positiven Kontext verwendet. Nicht nur, daß die Schmuggler von Zarba geführt werden und die gute Sache des norländischen Königs verfechten, sondern auch theoretisch wird die "Pascherei" mit dem Hinweis, daß eine Schutzzollpolitik wenig ökonomisch sei, rechtfertigt.(129) Es sei auch darauf hingewiesen, daß die Frage der Zollpolitik von aktueller politischer Relevanz war. Auch hier drängt sich der Verdacht auf, May sei möglicherweise durch eigene sächsisch-böhmische Grenzerfahrungen im weitesten Sinne zu dieser positiven Einschätzung dieses "Handwerks" gelangt. Die Distanz zur Haftzeit war zur Zeit der Niederschrift wohl noch nicht allzu ausgereift. Später darf Schmuggelei höchstens aus bitterer Armut heraus motiviert sein, grundsätzlich wird sie jedoch - wie im "Verlorenen Sohn"(130) - von den Bösewichten kontrolliert.

5. Die Personalausstattung

Während die berühmten Reiseerzählungen Mays wahre Heldenepen mit unbesiegbaren Superhelden sind, ist das Heldentum in den hier vorliegenden Romanen zwar schon im Keim auf ein Superheldentum angelegt, aber weitgehend noch auf verschiedene Protagonisten aufgeteilt. Die Kolportagestruktur verlangt schon nach einem abwechslungsreichen Heldenpersonal; ansonsten ließen sich häufige Szenen- und Ortswechsel nicht bewerkstelligen.

Man kann in diesen frühen Kolportageromanen vielfach einen Vorgriff auf Konstellationen der späteren Reiseerzählungen konstatieren.(131) Aber schon in Scepter und Hammer / Die Juweleninsel könnten Mays Helden den bekannten Audi-Werbeslogan "Vorsprung durch Technik" für sich reklamieren: Sie sind ausgestattet mit einer schnelleren Dampfjacht, verbessern die Takelage von Schiffen(132), entschlüsseln Geheimschriften im Nu(133), wenden den bekannten Faustschlag an die Schläfe(134) an oder besitzen einen Henrystutzen.(135) Rudimentär lassen sich schon einige Grungestalten der späteren Heldenepen wiedererkennen, ebenso wie May später sogar einzelne Episoden in überarbeiteter Form in seine Reiseerzählungen aufgenommen hat.(136)

Die Hauptschurken sind nur böse, Nebenschurken bleiben wenigstens ansatzweise noch zu menschlichen Regungen befähigt.(137) Einige Stereotypen von Randfiguren, die dann auch in den Reiseerzählungen vorkommen sollten, werden schon vorweggenommen und vorgestellt: der reiche englische Lord(138), aber auch: der Engländer als Imperialist(139), der arabische Diener(140), Subordinierte die durch besondere Defekte oder Marotten für unfreiwillige Komik sorgen, wie z.B. der alte nasenlose und beinamputierte Müllerknappe Brendel, der seine in dreifacher Variation jeweils leicht anders nuancierte "Geschichte vom Schimmel in der Oper" präsentiert(141), oder Thomas Schub(p)ert, ein Schmiedegeselle des Hofschmieds Brandauer, der zeit seines Lebens Ausspracheprobleme mit den Labialen hat.(142)

Nicht vergessen werden sollten bei der Auflistung der "Nebenrollen" die Frauengestalten. May präsentiert hier verschiedene Typen, die im Vergleich zu dem Figurenbestand der Reiseerzählungen zum Teil singulär sind: Es gibt da kolportagemäßig relativ unbedarfte, scheinbar austauschbare schöne, junge Frauen(143), deren Funktion nur darin bestimmt werden kann, daß sie von einem Helden zur Gemahlin erkoren werden. Desweiteren wird ein "dämonisches" Frauenbild(144), was in Figuren wie Zarba(145), Miss Ella(146), oder Emma Vollmer(147) zum Vorschein kommt, propagiert. Hier zieht sich insbesonders ein Motiv der Untreue durch beide Romane. Selbst das Problem der Emanzipation wird ansatzweise, allerdings in Hinsicht auf einen Ost-West-Gegensatz, diskutiert.(148) Ein letzter Typus rundet das Arsenal der braven und z.T. komischen Gestalten ab.(149) Abschließend läßt sich sagen, daß Frauen in den Kolportageromanen genrebedingt eine wichtigere Rolle spielen können, als in den "Männergesellschaften" der Reiseerzählungen.(150)

Bemerkenswert ist Mays Umgang mit den Zigeunern, die durchweg auf der Seite der "Guten" stehen. Obwohl bei der Darstellung von einigen zeitgenössischen "rassischen Stereotypen" Gebrauch gemacht wird, gehören Zarba, Karavey und der Halbzigeuner Katombo zum wichtigen, guten Heldenpersonal. In letzter Konsequenz wenden sich sogar die den Zigeunern oft unterstellten Taten wie Kindesentführung und Kindsvertauschung, mit denen May ja auch gespielt hat, zum Guten, da sie sich in der Romanhandlung durchgehend zum Schutz der Kinder ausgewirkt haben. Wenn Zarba also manchmal als Komplizin von Schuften fungiert, gereicht es dennoch der "guten Sache" zum Vorteil.(151)

Mit Katombos Karriere im Osmanischen Reich(152) könnte wieder ein zeitgenössisches Thema, z.B. Moltkes Tätigkeit(153) im Osmanischen Reich, romanhaft verarbeitet worden sein. Katombo, der Autodidakt, weist schon aufgrund seines erheblichen strategischen Geschickes gewisse Parallelen auf.(154)

Eine Besonderheit von Mays Frühwerk scheint das Vorkommen ambiger Figuren zu sein. Zarba(155), der geheimnisvolle Mentor und Anführer der Thugs(156) oder auch der Bowie-Pater(157), alle haben ein problematisches Verhältnis zur Gewalt, Moral, Erotik oder Religion. Das Vorkommen solcher zwiespältigen Persönlichkeiten garantiert allerdings kein höheres Maß an Authentizität oder Realismus. Eher im Gegenteil hat man den Eindruck, daß May, einmal ausgebrochen aus seinem strikten Gut / Böse-Schema, noch mehr zum phantastischen Fabulieren neigt. In den Reiseerählungen sind solche ambigen Gestalten fast nicht vorhanden.(158) Der Bowie-Pater alias Miß Ella(159) kommt zu seinem Namen, weil er es sich zum Hobby gemacht hat, Indianer, die er nicht zum Christentum bekehren kann, sofort mit Hilfe seines Bowie-knife zu füsilieren. Lorenz versucht, die Motivation des Paters folgendermaßen plausibel zu machen:

"Faßt man Ellas Handlungweise im Wilden Westen als Konsequenz ihres Aufenthalts im Kloster auf, (...) nimmt man also an, daß die ungezügelte Leidenschaft der Miß Ella nach ihren bitteren Erfahrungen in Europa in einen ebenso ungezügelten Missionseifer umschlägt (...), so läßt sich das "Gelübde" des Bowie-Paters einigermaßen erklären."(160)

Mit dieser Deutung kann ich nicht konform gehen, da es mir unlogisch erscheint, daß eine gepeinigte Kreatur sich die Sache seiner Peiniger in diesem Ausmaß zu eigen macht. Man wird sich wohl damit begnügen müssen, daß May hier einmal mehr Sinnzusammenhänge völlig verweigert.(161) Das Moment der Travestie(162) ist in den Reiseerzählungen zwar häufig präsent(163), aber doch in Figuren wie "Tante Droll" humoristisch entschärft. Wenn Tippel und Wörner konstatieren, daß "Verkleidungen (...) eine ganz besondere Spezialität der Familie Karl May gewesen zu sein" scheinen, weiterhin für seine "sexuelle Vorstellungswelt" Anormalität bescheinigen, weichen sie nach meiner Einschätzung erheblich von ihrem eigenen Postulat ab, die "Möglichkeiten der Psychoanalyse" behutsam angewandt zu haben. Überspitzt formuliert bezichtigen sie May inplizit nämlich des Hangs zur Travestie. Ungeachtet der Tatsache, daß mir diese private-eye-Perspektive obszön erscheint, sind die Tatsachen, daß May "außerhalb der Faschingssaison" Kostümfeste organisierte und seine Gefährtinnen kostümiert ablichten ließ, doch keine hinreichende Beweisgrundlage.(164)

Zarba hat mit Marah Durimeh gemein, daß beide Königinnen ohne Reich sind(165), Menschen jedoch geschickt zu deren eigenem Wohl zu manipulieren verstehen(166). Beide sind alte Frauen, die schwer an einem Sündenfall aus ihrer Vergangenheit tragen.(167) Marah Durimeh ist allerdings ohne Fehl, sie ist jeglicher Ambiguität entkleidet und persönlich über jede Schuld erhaben; in ihrem Fall sühnt sie die Sünden ihrer Nachkommen. Zarba sühnt ihre Untreue an Katombo, die von Koch folgendermaßen eingeordnet wird:

"So entspricht Zarbas Verhalten, die Katombo um des Herzogs willen verläßt, eher dem Bild der 'pittoresken Literatur' und damit dem Bild von Zigeunern, das zu Mays Zeit kursierte; aber es wird im nachhinein gerechtfertigt: höhere Mächte hätten hier eingegriffen, da Katombo und Zarba Halbgeschwister sind. So kehrt durch die Hintertür bei May doch noch die 'Norm', das Tabu bezüglich des Geschlechtslebens wieder ein, und er hebt sich damit von der 'pittoresken Literatur' am Ende doch ab."(168)

Um den Umfang dieser Arbeit zu begrenzen, konnten einige Aspekte leider nur knapp umrissen werden. Es ist aber hinreichend nachgewiesen worden, daß Scepter und Hammer / Die Juweleninsel eine interessante Zwitterstellung zwischen Reiseerzählungen und Kolportageromanen einnehmen. Die Wahl der exotischen Schauplätze, Teile des Personenarsenals bis hin zu Detailfragen der Ausstattung kommen sehr wohl auch in den Reiseerzählungen vor. Spezifisch an diesem Roman ist die Kreation einer - wenn auch ambigen - Utopie für Mitteleuropa und das Vorkommen der sehr konkreten, nicht nur im Allegorischen verbleibenden Querverweise auf politische Hintergründe. Singulär in Mays Werk sind die Negativdarstellungen der katholischen Kirche und ihrer Organisationen. Ebenso ist der Versuch unternommen worden, nachzuweisen, daß ambige Figuren in dieser Häufung nur in den untersuchten Romanen vorkommen. Der Handlungsverlauf ist weitgehend durch die Kolportageform vorbestimmt und bietet insofern andere Abläufe als die Reiseerzählungen. Treten einmal vergleichbare Probleme in den Reiseerzählungen auf, werden sie in der Regel glücklicherweise häufiger auf weniger blutige Art und Weise gelöst.

Anmerkungen

  1. Der vorliegende Aufsatz ist eine überarbeitete und korrigierte Fassung einer Hausarbeit vom April 1994 mit dem gleichen Titel, die im Rahmen eines Blockseminars über Karl May, das im Juni 1993 am Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Universität zu Köln unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Neuhaus stattgefunden hat, erstellt wurde. Ich danke den Herren Klaus Eggers und Bernhard Kosciuszko für viele hilfreiche Hinweise und ihre Hilfe bei der Literaturbeschaffung. In den Anmerkungen werden die Abkürzungen SH und J für "Scepter und Hammer", KMW II.1 (Haffmans Tb. 155), Zürich 1992, und Die "Juweleninsel", KMW II.2 (Haffmans Tb. 156), Zürich 1992, verwendet. Zitate sind mit Anführungszeichen kenntlich gemacht, May-Zitate sind darüberhinaus kursiv gesetzt. Wer sich die Mühe machen möchte, kann mir Anregungen und Kritik gerne direkt schriftlich mitteilen: Goethestr. 4, 52399 Merzenich 2.

  2. Diese Bezeichnung wird von Augustin, S., Werkartikel "Der beiden Quitzows letzte Fahrten", in: Ueding, G.,(Ed.), Karl-May-Handbuch, Stuttgart 1987, 365-369, 369 als übergeordnete Bezeichnung vorgeschlagen.

  3. Detaillierte Angaben zur Entstehungszeit und Textgeschichte machen Meier, H., Einführung zum Reprint der KMG, Gelsenkirchen 1978, 3ff. & Lorenz, C. F., Werkartikel "Scepter und Hammer" / "Die Juweleninsel", in: Ueding, G.,(Ed.), Karl-May-Handbuch, Stuttgart 1987, 371-380, 371-380.

  4. Vgl. Ilmer, W., Karl May vor der Schwelle, in: Karl Mays erster Großroman "Scepter und Hammer" / "Die Juweleninsel." So-KMG 23, 1980, 44-49, 46 (vgl. SH, 126f.; 526f.).

  5. Schmatz, S., Karl Mays politisches Weltbild - Ein Proletarier zwischen Liberalismus und Konservativismus, So-KMG 86, 1990, 43: "Vollends irreal wird Mays politisches Weltbild, wenn er den König in Person mit anderen Menschen über mehrere Klassenschranken hinweg agieren läßt. Er ist dann nicht mehr Repräsentant einer gesellschaftlichen Schicht, sondern erinnert vielmehr an eine Figur des Kasperle-Theaters."

  6. Vgl. SH, 60.

  7. Diese Tatsache wird bei Koch, E., "Der Gitano ist ein gehetzter Hund" - Karl May und die Zigeuner, in Jb-KMG 19, 1989, 178-229, 223, drastisch illustriert.

  8. SH, 233: "Der Gitano darf keinen Willen haben als den seines Vajda und seiner Vajdzina; aber wenn diese Beiden die eigene Tochter (...) einem lüsternen Christen opfern, so werde ich mich gegen ihren Befehl auflehnen und, wenn dies Nichts hilft, den Stamm verlassen." Es bleiben also Rudimente eines individuellen Widerstandsrechts erhalten. Üblicherweise scheinen aber die Anführer von Rousseaus volont‚ g‚n‚rale erfüllt zu sein, was in einem quasi-hobbesianischen Absolutismus mündet.

  9. Pinnow, J., Fremdsprachliche Angaben Karl Mays aus Osteuropa, Nord-, Zentral- und Südasien (Indien, Ceylon), So-KMG 89, 1992, 48: "May maß den Zigeunern insofern eine hohe Bedeutung zu, als sie (...) eine mächtige, straff organisierte Untergrundbewegung mit weltweiten Verbindungen besaßen. Die Anführerin dieser Verbindung wird als fast allwissend und allgegenwärtig dargestellt; sie hält alle Fäden in der Hand, bestraft die Bösen und beschützt die Zukurzgekommenen, wobei auch vor Verbrechen nicht zurückgeschreckt wird." Diese Ausführungen sind generalisierend zu verstehen; sie schließen Zarba und die Zigeunerdarstellungen des "Waldröschens" mit ein.

  10. "Der Feind kommt. Die Pässe sind von meinen Leuten besetzt; er kann nicht durch. Hätten wir bis morgen einige Geschütze, so könnten wir ihn vier Tage lang beschäftigen. (...) Zarba." (SH, 575); vgl. auch SH, 603ff.; 609; 640ff..

  11. Vgl. SH, 669.

  12. Vgl. Lorenz, C. F., Karl Mays kleines Welttheater. Zum Reprint "Scepter und Hammer" / "Die Juweleninsel", in: M-KMG 42, 1979, 31-33, 32: "(...) und schließlich die Zigeuner selbst, ein weit verzweigter Geheimbund mit schier unbegrenzter Macht (...)."

  13. Eine negative Darstellung der Apachen ist z.B. in der "Waldläufer"-Vorlage von Gabriel Ferry de Bellamare gegeben (65-80), die von May 1879 dann auch selbst bearbeitetet worden ist. "Comanchen" hingegen finden eine positivere Beschreibung (149f.). Meine Seitenangaben sind mit Vorbehalt aufzunehmen, da meine Textgrundlage eine wohl unzureichende Neubearbeitung für die Jugend ist: Der Waldläufer, bearb. von H. Müller, (Liebel=Die Eulenbücher 20) Nürnberg 1948.

  14. Allerdings können die immer negativ apostrophierten Armenier bei May auch in SH, 330, nicht von solcher Toleranz profitieren.

  15. Diesen Vergleich zieht auch Koch, Gitano, 222.

  16. Vgl. SH, 70.

  17. Aus der Gerichtsszene vor dem Wekil von Kbilli geht deutlich hervor, daß Kara Ben Nemsi noch kein "Bu-Djeruldu" des Großherrn besitzt, also auch noch kein "Giölgeda padischahnün" ist (Durch die Wüste, KMW IV.1 (Haffmans Tb. 78), Zürich 1990, 64f.). Auch nach der Befreiung von Senitza befindet sich nicht er, sondern Isla Ben Maflei unter dem Schutz des "Bjuruldu" (146). Dann, im nächsten Kapitel (158f.), steht Kara dann urplötzlich im "Giölgeda padischahnün": Er hat mit dem "Buyuruldi" sein "Sesam öffne dich"-für den Orient-Zyklus, das später dann nur noch durch den "Ferman" (z.B. Durch das Land der Skipetaren, KMW, IV.5, (Haffmans Tb. 89) Zürich 1990, 19) ergänzt wird. Wie er wohl daran gekommen ist? In der bearbeiteten Ausgabe des KMV (Durch die Wüste, GW 1 (Ausgabe Karl May Klassische Meisterwerke, KMV & Ueberreuter), Bamberg 1951, 92) wird Vetternwirtschaft als Erklärung geboten. Genial widerspricht der Bearbeiter des KMV so Mays eigener, später nachgeschobener Version: "(...) daß ich meine türkischen Legitimationen immer durch einen Unterbeamten bezogen habe (...) Das war mein Freund Mustapha Moharrem Aga, welcher fünfzig Jahre lang Kapudschi der hohen Pforte gewesen ist. Türsteher!" (Im Reiche des silbernen Löwen II, GW 27, KMV, Radebeul 1897 (108-122 Tausend), 98) Jedenfalls ist er nicht regulär in den "Schatten des Großherrn" gekommen.

  18. Wie z.B. der Staatsanwalt mit seinen "Gensd'armen", J, 621-637. Die Zahl der vergleichbaren Textstellen in den Reiseerzählungen ist Legion, besonders häufig in den Orient-Bänden (vgl. In den Schluchten des Balkan, KMW, IV.4 (Haffmans Tb. 88) Zürich 1990, 432-446; 485-501 & Durch das Land der Skipetaren, 9-23).

  19. In SH, 395ff., wird einer sicherlich ungerechten Behandlung durch den korrupten Kaschef vorgebeugt, indem er vorsichtshalber "kunstgerecht" gemeuchelt wird. Der Kadi-Baschi von "Egypten" stellt sich ausnahmsweise in den Dienst der gerechten Sache und hält Katombo den Rücken frei, ermöglicht aber so nur dessen Privatrache am Janitscharen-Aga und schließlich am Khediven selbst (SH, 449-474). Man hat den Eindruck, daß solche grimmigen und blutigen Lösungen in den Reiseerzählungen humoristisch entschärft sind; Blut fließt dann nur, wenn Hadschi Halef Omar zur Nilpferdpeitsche greifen muß (vgl. In den Schluchten des Balkan, 440ff.).

  20. J, 638: "(...) Auf das Gesetz können wir uns nicht verlassen, Ihr habt ja gehört, daß Rücksichten genommen werden sollten." (General v. Helbig): "Dieser Bube fragte nicht nach dem Gesetze, als er Helbigsdorf niederbrannte und meine Tochter raubte, warum soll ich jetzt das Gesetz fragen, ob ich Recht bekommen soll, da unterdessen mein Kind zu Grunde gehen wird. (...) Ich werde ohne Gesetz und Richter Gerechtigkeit üben."

  21. Vgl. Klotz, V., "Die Juweleninsel" - und was man draus entnehmen könnte. Lese-Notiz zu den Erstlingsromanen nebst einigen Fragen zur Karl-May Forschung, in: Jb-KMG 1979, 262-275, 271.

  22. SH, 66: "Ich glaube sehr, daß an Deinem 'Irren von St James' (von Philipp Galen, G.K.) nicht ein Tüpfelchen Wahrheit ist." & J, 628: "Aber, mein Herr, das klingt ja wirklich ganz so, als sei Ihre Erzählung aus der Feder von Alexander Dumas oder Eugen Sue geflossen!"

  23. SH, 17f. (Zarba spricht zu Max Brandauer und Prinzessin Asta von Süderland): "(...) Deine Hand ist stark, den Hammer zu schwingen; sie bedarf dieser Stärke, um später das Scepter zu halten. (...) Deine Faust wird wie ein Hammer auf die Häupter deiner Feinde fallen und ihnen die Kronen entreißen, die sie Dir zu rauben trachteten. (...) Ich sehe Dich hoch über ihnen, und an Deiner Seite den Engel Deines Lebens, den Du gefunden hast, als Du den Hammer hieltest, und der Dir treu bleibt, auch wenn Du das Scepter trägst."

  24. In unserem Fall natürlich zum Königssohn. SH, 13: "Ah, die gewöhnliche Bettelei durch Gevatternbrief, der man leider so oft ausgesetzt ist."

  25. Nach Ilmer, Karl May vor der Schwelle, 45, läßt May z.B. Karl Goldschmidt zuwenig Zeit um von seiner schweren Verwundung zu genesen.

  26. Klotz, Juweleninsel, 274f., & Ilmer, Karl May vor der Schwelle, 46f., listen einige Unzulänglichkeiten des Handlungszusammenhangs, innere Widersprüchlichkeiten, sowie Unwahrscheinlichkeiten auf. Einen besonders markanten Schnitzer erlaubt sich May, wenn er denn Bowie-Pater schon in Amerika als "Transvestiten" enttarnen läßt (J, 493: "Er hat diese Seele des bösen Geistes, den Muth eines Mannes und den Leib eines Weibes. (...) Er (sc. Rimatta) hat den Pater belauscht (sic!, mit den Augen?), als er im Fluße badete."), seinen späteren Ehegatten Bill Holmers beim (zweiten) coming out dann jedoch unvorbereitete Überraschung heucheln läßt (J, 642; 664).

  27. Wollschläger, H. & Wiedenroth, H., Editorischer Bericht in der jeweiligen parallelen Bibliotheksausgabe der historisch-kritischen Ausgabe, Abt. II, Bd. 1 & 2, Nördlingen 1987, SH: 677-679, J: 667-672, J, 671: "In der Juweleninsel zeigt sich dieser Defekt sogar besonders auffälig, indem ein ganzer Hauptkomplex, jener überdies, der dem Roman den Titel gab, ohne geschilderten Abschluß ausgeht, - so auffällig, daß man als Ursache doch fast eine höhere Gewalt annehmen möchte als nur die niedere des Genres, nämlich direkt einen Manuskriptverlust."

  28. Lorenz, C. F., Verwehte Spuren - Zur Handlungsführung und Motivverarbeitung in Karl Mays Roman "Die Juweleninsel", in Jb-KMG 20, 1990, 265-285, 266. Er gibt der Theorie eines Flüchtigkeitsfehlers des Autors bei der Numerierung der Kapitel, der auch von der Redaktion nicht bemerkt worden sei, Präferenz vor einem hypothetischen Manuskripverlust (ebenda, 282f.): "Sie übersehen dabei aber, daß die Schicksale Malettis und Rabbadahs gar nicht mehr zu Ende erzählt werden brauchten, weil dies bereits gegen Ende der amerikanischen Episode in Form eines kurzen Berichts Balduin Schuberts geschehen ist!"

  29. Ich gehe eher mit der vom selben Autor in einem früheren Artikel (Welttheater, 33) geäußerten Ansicht, die zweite Hälfte der "Juweleninsel" sei "(...) durch deutliche Unlusterscheinungen des Autors völlig verdorben (...)", konform.

  30. Lorenz, Verwehte Spuren, 272f.

  31. Vgl. ebenda 279 ff..

  32. Abgesehen von J, 313f..

  33. Schmiedt, H., Die Thränen Richard Wagners oder Der Sinn des Unsinns. Thesen zu einem Konstruktionsprinzip in Karl Mays Kolportageromanen, in. Jb-KMG 1980, 63-77, 72-76: "Erwähnenswert an der Juweleninsel ist in unserem Zusammenhang auch der Titel: während die Münchmeyer-Romane z.T. darin auf ein Übermaß an einander tendenziell ausschließenden Sinngehalten hinzuweisen suchen, steht "Die Juweleninsel" über diesem Opus allein und unangefochten: was ihr widerspricht ist dann freilich nicht weniger als die gesamte Handlung des Romans, denn jedesmal wenn das titelspendende Eiland ins Blickfeld rückt - und das geschieht ohnehin selten genug - blendet der Erzähler rasch ab (...)."

  34. Vgl. Tschapke, R., Kolportage, in:Ueding, G., (Ed.), Karl-May-Handbuch, Stuttgart 1987, 44-49.

  35. Siehe S. 4.

  36. Vgl. SH, die ersten sieben Kapitel, 9-139.

  37. Vgl. SH, 193. Wörner, H., Von Nordland (in "Scepter und Hammer") nach Ardistan, in: M-KMG 43, 1980, 17-24, 19, irrt sich, wenn er ihn als Thronfolger bezeichnet. Der Kronprinz befindet sich mit seiner Schwester zu Besuch in Norland (vgl. SH 80; 158), bei Prinz Hugo handelt es sich um das schwarze Schaf der Familie. In der "Juweleninsel" (328) gibt es dann einen ausdrücklichen Beleg: "'Der Kronprinz?' - 'Nein, Prinz Hugo.' - Der tolle Prinz?' - 'Ja.(...).'" Fast dieselbe Formulierung: J, 431.

  38. Vgl. SH, Kap. 8 / 9, 140-210.

  39. Vgl. SH, Kap. 10, 211-264; Kap. 12-14, 312-500.

  40. "Selbst das feudale Prinzip der legitimen, blutsgebundenen Thronfolgeschaft (...) bleibt erhalten vom Prinzen Max (...) bis zum Dschirbani. Wie krampfhaft ernst es genommen wird, geht aus dem Schluß von "Scepter und Hammer" hervor. Mit komischer Beflissenheit wird da noch nachgetragen, daß in beiden Generationen die Verbindung der üblen Herzöge mit den Zigeunerinnen gültig geschlossene, wenngleich verheimlichte Ehen waren." Diese Aussage wird bei Klotz, Juweleninsel, 273, leider ohne konkrete Seitenangabe vorgetragen. Trotz intensiven Suchens konnte ich keinen Beleg, selbst für eine Ehe zur linken Hand, entdecken; die entsprechenden Textpassagen besagen nur, daß der ältere Herzog von Raumburg Zarbas Mutter verführte. Von Zarba selbst erhalten wir folgende Auskunft: "Ich zog zu ihm und lebte bei ihm, ich erfuhr alle seine Geheimnisse. Aber er brach mir seine Schwüre (...)." (SH, 669f.; siehe auch 29f.).

  41. Nicht sein Sohn, wie es bei Kosciuszko, B., (Ed.), Großes Karl May Figurenlexikon, Reihe Literatur und Medienwissenschaften 9, Paderborn 1991, 762, zu lesen ist.

  42. Auch Koch, Der Gitano ist ein gehetzter Hund, 211, findet die Tatsache, daß ein Halbzigeuner bei May zum Herzog werden kann, bemerkenswert.

  43. Diese Auflösung scheint mir von May etwas unglücklich und widersprüchlich gefügt: Katombo trägt die Tätowierung eines Herzogs von Raumburg (vgl. SH 240; 243; 253; 296), an die er sicherlich nicht gekommen wäre, wenn er tatsächlich das Kind aus einer nicht standesgemäßen Verbindung mit der (alten) Vajdzina wäre (vgl. SH, 669).

  44. Obwohl Katombo die Ähnlichkeit von Arthur zu seinem leiblichen Vater, dem Hofschmied Brandauer spontan auffällt, nimmt er später auch eine gewisse Ähnlichkeit zu dessen Ziehvater, dem alten Sternburg wahr (SH, 159; 659).

  45. Vgl. SH, Kap. 11 & 15 / 16, bes. 669ff..

  46. Lorenz, Verwehte Spuren, 265.

  47. In ihrer Untersuchung auf autobiographische Bezüge kommen Tippel, W. & Wörner, H., Biographische Notitzen, in: So-KMG 23, 1980, 7-17, 15, zu dem Ergebnis, daß "das Tragische an der Geschichte ist, daß Kurt Schuberts Vater ins Gefängnis wandert, weil er sich der Kindesmißhandlung schuldig gemacht hat. Nach den bisher Aufgezeigten Parallelen ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß Karl May auch oftmals insgeheim seinen Vater liebendgern dort gewußt hätte."

  48. Vgl. J, erstes Kap., 9-37.

  49. Vgl. J, Kap. 2, 39-85.

  50. Tippel / Wörner, Biogr. Notizen, 12f.: "Man merkt es irgendwie: hier schreibt keiner, der das Milieu nur vom Hörensagen kennt."

  51. Vgl. J, Kap. 3, 86-141.

  52. Vgl. J, Kap. 4 / 5, 142-315.

  53. Eine assoziative Verbindung erwächst vielleicht aus der Tatsache, daß Indien für May das Ursprungsland der Zigeuner (vgl. Pinnow, Fremdsprachl. Angaben, 43 & Koch, Gitano, 205ff., dort auch Belege.) darstellte. Sie kommen allerdings in den Indien-Kapiteln nicht vor.

  54. Hier liegt auch das einzige Bindeglied der Binnen- zur Rahmenerzählung vor: Dieser Schatz, dem der Roman seinen Namen verdankt, kommt später dem Bruder Zarbas, Karavey zugute, der ihn auf der Juweleninsel entdeckt hat.

  55. Vgl. J, Kap. 6, 315-392.

  56. Vgl. J, Kap. 7, 393-493.

  57. In der ohnedies stark verfremdeten Ausgabe des KMV ist diese Indianergestalt zu Intschu tschuna (185) geworden, wohl um eine zeitliche Chronologie aller Wildwestgeschichten zu gewährleisten (Die Juweleninsel, GW 46 (KMV=Ueberreuter T 46, Wien), Bamberg 1953.)

  58. Ilmer (Karl May vor der Schwelle, 47) verweist zu Recht auf die Namensähnlichkeit Sander - Santer.

  59. Vgl. J, Kap. 9 / 10, 495-665.

  60. Westmänner, die den mitteleuropäischen Handlungsbereich aufsuchen, kommen später sowohl in Kolportageerzählungen (Trapper Geierschnabel im Waldröschen) als auch in Reiseerzählungen vor (z.B. Satan und Ischariot II, 214ff.: "Wöchentlich einmal aber besuchte ich einen Gesangverein, dessen Ehrenmitglied ich war und heute noch bin. Das war meine Erholung. (...) Und da stand er unter Thür! Winnetou, der berühmte Häuptling der Apatschen in Dresden! (...) Als die Sänger von dem Wunsche des Apatschen hörten, waren sie natürlich gerne bereit, denselben zu erfüllen. Wir (...) bestellten Bier, welches Winnetou sehr gern, aber auch sehr mäßig trank. (...) Er sagte kein Wort über das, was er gehört hatte, aber da ich seine Eigenart kannte, wußte ich gar wohl, welch einen tiefen und unauslöschbaren Eindruck der deutsche Gesang in seiner Seele zurückgelassen hatte." 226f.: "Ich hatte so etwas geahnt. Winnetou war nicht herübergekommen, um mich nach Afrika zu schicken und allein wieder heimzukehren. (...) Ein Apatschenhäüptling in Kairo! Welch ein Gedanke!"). Der amerikanische Trapper (wenn möglich deutscher Abstammung) scheint ohnehin ein unverwüstliches Allzweckmodell gewesen zu sein: "Freilich fragt es sich, ob ein amerikanischer Trapper sich fürchten würde, in grimmigster Kälte ebenso gut im sibirischen Urwalde herum zu spazieren wie in den Wäldern des Missisippi und Missouri. Der Trapper ist ja aus einem ganz anderen Zeuge gemacht, als der russische Verbante oder gar der Ostjacke, Tunguse und Buräte." (Deutsche Herzen Deutsche Helden, Reprint KMV, Bamberg 1976, III, 1580).

  61. Zarbas Kenntnis von der Juweleninsel und ihrem Schatz (J, 570) reißt die Maletti-Episode noch mehr aus dem Handlungszusammenhang und folgt wieder keiner erzähltechnischen Logik (J, 489).

  62. Das vom tollen Prinzen niedergebrannte Schloß Helmers wird wiederaufgebaut (J, 661ff).

  63. Tippel, W. & Wörner, H., Frauen in Karl Mays Werk, So-KMG 29, 19.

  64. Dies ist überhaupt ein heute noch beliebtes Gestaltungsmittel kolportageähnlicher Literatur: In der Fernsehserie Dynasty wurde z.B. die Figur des Prinzen Michael von Moldavia, Fürst einer fiktiven Monarchie Moldavia, eingeflochten; wahrscheinlich in Unkenntnis der Tatsache, daß bereits eine gleichnamige Sowjetrepublik existierte.

  65. Diese Episode erinnert mich daran, wie "der Trapper Geierschnabel im 'Waldröschen' in gröbster Weise den Dienstweg (mißachtet)." Zitiert nach Schmatz, Karl Mays pol. Weltbild, 48. Schmatz gibt die berühmte Textstelle nicht konkret an und auch ich begnüge mich hier auf einen Verweis auf die weitverbreitete, aber nicht zitable Bamberger Ausgabe (Trapper Geierschnabel, GW 54, (KMV=Ueberreuter, Wien), Bamberg 1952, 305-309).

  66. Vgl. u.a. den 1883-85 verföffentlichten Kolportageroman "Die Liebe des Ulanen", wo z.B. S. 120ff. die reale historische Persönlichkeit des populären Feldmarschalls Blücher vorgestellt wird und fortan eine Hauptrolle spielt (Reprint KMV, Bamberg 1993).

  67. Vgl. Neuhaus, V., Der zeitgeschichtliche Sensationsroman in Deutschland 1855-1878. "Sir John Retcliffe" und seine Schule, Habil. Köln 1975, Berlin 1980, 37ff.; 145ff.; 200. Besonders wichtig scheint der Roman Nena Sahib, in dem sowohl die Thugs, als auch Audh eine Rolle spielen. Vgl. Lorenz, C. F., Die wiedergefundene Juweleninsel, in: M-KMG 44, 1980, 23-25 & M-KMG 46, 1980, 14-19, II, 17: "Während er allerdings den politischen Hintergrund des Retcliffe-Romans schlichtweg unterschlug (...), machte er seine Indien-Episode zu einem 'keimfreien' Stück Abenteuerroman (...)." Immerhin wird allerdings die britische Expansion in Indien in einem negativen Licht geschildert (vgl. J, 203-212). Typisch für Mays Abenteuer-Romane ist das Motiv des Kampfes mit einem Bären.

  68. Vgl. Ilmer, Karl May an der Schwelle, 47. Dort gibt es auch einen Hinweis auf das Gedicht "Wenn sich zwei Herzen scheiden" (J, 378) , das in der Bearbeitung der gestrichenen Passagen aus der "Satan und Ischariot"-Trilogie (Satan und Ischariot I-III, KMW IV.15-17 (Parkland=Haffmans) Zürich 1992) für die Sammlung "Professor Vitzliputzli", (GW 47, KMV, Radebeul 1927, 63; 129) von Franz Kandolf als Titel für die Erzählung genutzt wurde.

  69. Vgl. SH, 352-397. Man findet das Motiv eines Haremsabenteuers, der Entführung aus dem Serail mit anschließender Verfolgung auf dem Nil, variiert z.B. in "Durch die Wüste", 89-149. Die spätere Darstellung kommt mit einem geringeren Blutverlust aus und ist mir persönlich sympathischer. Auch der Überfall auf das Duar der Mameluken, der letztendlich den Selbstmord Sobe‹des nach sich zieht (vgl. SH, 430-444; 466), scheint mir später abgeändert Eingang in die "Giölgeda Padishanün"-Erzählung gefunden zu haben, nämlich in Form des Untergangs von Hassan Ardschir Mirza mit seiner Schwester Benda und seiner Gemahlin. Kara Ben Nemsi bleibt es aber erspart, den Tod seiner Freunde mitzuerleben, da ihn erste Anzeichen der Pest niederwerfen. Er findet nur noch die Leichen vor; die Häscher haben ganze Arbeit geleistet. (vgl. Von Bagdad nach Stambul, KMW IV.3 (Haffmans Tb. 87), Zürich 1990, Kap. 5, Die Todeskarawane, 275-283) Katombo hingegen wird nicht von einer Krankheit, sondern im Kampf niedergestreckt und schwer verwundet. Vgl. auch Schweikert, R., Aus den "Erzählungen der tausendundein Nächte". Karl Mays Anverwandlung einer Motivkombination in "Scepter und Hammer", in: M-KMG 63, 1985, 3-7.

  70. Vgl. Eggers, K., Ein Abenteuer aus Californien, in: M-KMG 54, 1983, 3-10, 7. Hier ist auch die Textgenese, von der Erstpublikation in der Erzählung "Deadly Dust" (=Winnetou III, KMW IV.14 (Parkland=Haffmans), Zürich 1992, 231ff.) über die abgewandelte Aufnahme in die "Juweleninsel" (466-473) bis hin zur sehr verfremdeten Übernahme in den "Sendador" (=Am Rio de la Plata, KMW IV.7 (Haffmans Tb. 113), Zürich 1991, 119-210). Die autobiographischen Bezüge, die Eggers herzustellen vermag, sind in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz. Auch die Beschreibung San Franciscos (vgl. J, 471) begegnet uns in fast wörtlicher Übereinstimmung ("In ihren Straßen erblickt man die blasse schmächtige Amerikanerin, die stolze schwarzäugige Spanierin, die blonde Deutsche, die elegante Americanerin (sic!) die farbige krausharige Dame. Der Kavalier mit Frack, Cylinder und Handschuhen trägt in der einen Hand einen Schinkenn und in der anderen einen Gemüsekorb, der Ranchero schwingt ein Netz mit Fischen über die Schulter, um damit einen Festtag zu feiern, ein Militäroffizier hält einen gemäßteten Karpaun gefangen, ein Quäker hat einige mächtige Hummer in die gleich einer Schürze aufgerafften Schöße seines langen Rockes verpackt - und das Alles bewegt sich neben, vor, hinter und durch einander, ohne sich zu stören.") in seinen Reiseerzählungen wieder (Deadly Dust=Winnetou III, 258).

  71. "Die Verfolgung rund um die Erde" ist der Untertitel des "Waldröschens". Auch ein weiterer umfangreicher Kolportageroman lebt von dieser Thematik: "Deutsche Herzen Deutsche Helden." Besonders präsent ist jenes Motiv der Verfolgung um die Erde in der Romantrilogie "Satan und Ischariot." In J (457) findet man das Motiv z.B. in der Situation, als der ehedem untreue Diener der Walmys von einer sich zufällig im Wilden Westen zusammengefundenen Interessengemeinschaft der Geschädigten in den Tipis der Komanchen aufspürt werden kann.

  72. Vgl. Pütz, P., Wüste und Prairie - Zwei Spannungsfelder für Mays Helden, in: Jb-KMG 23, 1993, 63-77.

  73. Klotz, Juweleninsel, 270: "So lange ihre politischen Mängel nicht behoben sind, gleichen ihre Unrechtsverhältnisse denen im exotischen Gelände."

  74. Vgl. SH, 35-50; 104; 516ff. Treffpunkt der Verschwörer ist natürlich eine Klosterruine.

  75. Vgl. J, 71. Die Konfession des süderländischen Dynasten wird in einem Kontext erwähnt, der ihm die Beschuldigung einträgt, bei einem Vertragsabschluß mit seinem norländischen Kollegen von vornherein den Bruch des Vertrages intendiert zu haben und dafür auch noch von seinem Beichtvater im vorauseilenden Gehorsam die Absolution erhalten zu haben.

  76. J, 51: "Einige hundert Schritte noch über dem letzteren lag ein kleines Kapellchen. Es enthielt ein Marienbild, welches wegen seiner Wunderthätigkeit weithin berühmt war und jährlich zweimal den Zielpunkt außerordentlicher Wallfahrten bildete. Dann herrschte ein sehr reges Leben auf dem Berge, welcher sich in einen ungeheuren Meß- und Belustigungsplatz verwandelte. Die Herren Patres gaben der heiligen Mutter Gottes ihre Erlaubnis, irgend ein in die Augen fallendes Wunder zu verrichten, verkauften Rosenkränze und Heiligenbilder und vertauschten ihren Segen gegen klingendes Metall, welches reichlich einzufließen pflegte." Das katholische Süderland zeichnet sich desweiteren nicht durch religiöse Toleranz aus, J, 362: "(...) man ist kein Katholik und muß sich deshalb in allen Stücken sehr in Acht nehmen. Das werden Sie sehr deutlich bei der Wallfahrt zu sehen bekommen."

  77. Vgl. J, 600ff..

  78. J, 419f.: "Sagt einmal, Ihr Hunde, ob ihr an Euern Manitou glaubt! (...) Euer Gott ist ein falscher Gott; ich bringe Euch den richtigen, den wahren Gott. Wollt Ihr ihn anbeten? (...) Ich bringe Euch ferner den Glauben an die heilige Jungfrau (...). Wollt Ihr diesen Rosenkranz in die Hand nehmen und zur heiligen Jungfrau beten? Ich zähle bis drei. Ist dann noch kein Ja erfolgt, so sterbt Ihr augenblicklich durch dieses Messer."

  79. "Hirten Christi" und "Bräute des Himmels", J, 39.

  80. Vgl. J, 66.

  81. Vgl. J, 379ff. Die Bestattung erfolgt nicht ohne Ritual: "Kurt vernahm das einförmige Herplappern des Vaterunsers."

  82. J, 381f.: "'Pater Bernadus hat sich alle Mühe gegeben, sie zu bekehren, und es ist ihm nicht gelungen, trotzdem er der schönste und gewandteste Mann des ganzen Klosters ist.' (...) 'Warum hat man die Zwangszelle noch nicht gebraucht?' (...) 'Man hat ihr Bücher gegeben, deren Inhalt und Abbildungen sie fügsam machen sollten, man hat sie in die "Aussicht" gesteckt, wo sie unseren Zusammenkünften zusehen muß, selbst wenn sie nicht will (...).'" (vgl. auch J, 65f.; 73f.).

  83. Herbert Meier, Einf. zum Reprint, 7, vermag "(...) keine im engeren Sinne moralisch anstößigen Szenen (zu) finden; dieser Befund stützt die Annahme, daß diese "Stellen" auch in den Münchmeyer-Romanen von dritter Hand hinzugefügt worden sind." Volker Klotz, Juweleninsel, 263f., kommt zu einem genau entgegengesetzten Ergebnis, dem ich mich nur anschließen kann: "Den gleichen zarten Seelen dräut noch eine weitere Erschütterung. Auf S. 238 (= J, 57f., G.K.) findet sich ein Frauenportrait der Dame Toska, das in allen Merkmalen den berüchtigten Schlüpfrigkeitsstellen im "Waldröschen" entspricht. Wenn nicht bei "Für alle Welt" haargenau der gleiche Redakteur saß wie bei Münchmeyer, um dem armen Karl May die ungewollt komischen Schlüpfrigkeiten in den Text zu schmuggeln, dann sind sie doch wohl von ihm selbst. Na und?"

  84. Vgl. J, 75-80: Ohrenbeichte und "heilige Pönitenz" werden auch in Kombination vorgestellt. Masochismus wird konkret benannt (J, 79): "Ich kann nicht verschweigen, Hoheit, daß es zuweilen eine Seele gibt, welche sich nach der Kasteiung nur mit dem Leibe sehnt; dann muß das renitente Fleisch durch eine strenge Verweigerung gezüchtigt werden."

  85. J, 68: "Der Prior trat heran. (...) Sein Gesicht glänzte von Fett, Salbung und Unterthänigkeit, und seine Rede duftete von himmlichen Weihrauch und göttlicher Ambrosia." Unfreiwillig komisch!

  86. J, 362: "'Die Väter da drüben und die Mütter hier hüben sollen sehr fromm sein.' 'Das ist ja ihr Beruf.' 'Und sich gegenseitig auf dem schweren Weg zum Himmel hinauf unterstützen.' 'Ah! Sie verkehren mit einander?'"; J, 382: "Denn in fern und in wie so denn, warum sollen denn Brüder und Schwestern sich nicht ein klein wenig lieb haben." Mit der Auswahl dieser Wörter ist May sogar die Kreation einer inzestartigen Atmosphäre gelungen.

  87. J, 66: "Das Beispiel ist in der Liebe ebenso mächtig wie irgend wo anders, in der Angst, in der Furcht oder im Hasse."

  88. J, 75: "(...) vielleicht schlürften auch die frommen Klosterfrauen zuweilen aus seiner goldenen Tiefe das Getränk der Wahrheit, der Liebe und der Begeisterung. Sie sahen nicht aus, als ob sich das Gegenteil von selbst verstehe." In der Verwendung derart gegensätzlicher Begrifflichkeiten, besonders auch der seltsamen Klimax von Wahrheit zur Begeisterung wird eine dezidiert zynische Betrachtungsweise offeriert.

  89. Vgl. zu dieser Problematik jetzt neu Eckehard Koch, Im Lande des Mahdi. Karl Mays Roman zwischen Zeitgeschichte und Moderne, in: Jb-KMG 25, 1995, 262-329, bes. 311ff..

  90. Hier gibt es sogar zwei passende Textstelle: "'Also keine Jesuiten, Brandauer?' frug der König. 'Nein, Majestät. Sie sind für das Land das, was die Mäuse für das Feld und die Raupen für den Baum.' 'Hast recht, Brandauer, (...) Der Herzogpräsident will sie haben, aber ich, ich will sie nicht.'" (SH, 60) "Sie sind Jesuit. Wissen Sie nicht, daß es Männern von Ihrer Kongregation bei Strafe des Stäupens verboten ist, Norland zu betreten." (SH, 524).

  91. Meier, Einf. zum Reprint, 7.

  92. Als Beispiel für diesen nach meiner Einschätzung schwer vertretbaren Standpunkt möchte ich hier C. F. Lorenz, Werkartikel SH, Karl-May-Handbuch, 375, zitieren: "(...) das ist kein Spezifikum aus der Zeit des Kulturkampfes (...), sondern von Sues "Le Juif errant" bis zu Retcliffes Romanen ein immer wiederkehrendes Relikt aus der antiklerikalen und aufklärerischen Phase des Trivialromans (...)." (Siehe auch Werkartikel J, 380). In einem früheren Artikel (Die wiedergefundene Juweleninsel, 23) hat derselbe Autor keine Probleme dabei, einen Bezug zum Kulturkampf festzustellen.

  93. Um es klar auszudrücken: Ich bestreite einen literaturhistorischen Zusammenhang zur Schauerliteratur keineswegs. Gleichzeitig möchte ich aber auch den Zusammenhang mit dem aktuellen historischen Kontext in Form des Kulturkampfes nicht relativiert wissen.

  94. Klotz, Juweleninsel, 264.

  95. Vgl. Lorenz, C. F., Karl Mays Frühroman und seine literarischen Ahnen, in: So-KMG 23, 1980, 3-6, 4.

  96. Lorenz, Welttheater, 32: "Vielleicht verbirgt sich unter der bunten Oberfläche des Kolportageromans aber noch etwas ganz anderes: eine Art verschlüsselte Darstellung der wilhelminischen Aera und der politischen Ereignisse in Deutschland zur Zeit des Kulturkampfes. (...)" Diese frühere Deutung ist doch wesentlich plausibler.

  97. Für eine Verarbeitung des Deutsch-Französischen Krieges habe ich keine Anhaltspunkte entdeckt, auch würde ich nicht generalisierend von den "Süddeutschen Staaten", sondern lieber von Österreich sprechen (vgl Lorenz, Welttheater, 33).

  98. Vgl. SH, 78.

  99. Max Brandauer kehrt z.B. von einer Reise durch "Italien, Frankreich, England, Holland und so weiter" zurück (SH, 42). J, 472 wird May noch präziser: Friedrich von Walmy, ein Süderländer, bezeichnet sich selbst als Deutscher.

  100. J, 476: "'Haben Sie nichts von den Ereignissen gehört, welche während des letzten Krieges ein so großes Aufsehen sowohl in Norland als auch in Süderland machten?' 'Einiges. Ich war damals bereits in dem Westen Amerikas.'"

  101. SH, 399: "Die Pforte stand im Krieg mit Norland, welches ein ansehnliches Geschwader in die türkischen Gewässer geschickt hatte."

  102. "Tremona", SH, 140 und "Bartholome", SH, 652.

  103. Vgl. J, 129f.; 326f..

  104. Nach dem Grundsatz "wer anderen eine Grube gräbt (...)" wird wie später noch oft für ausgleichende Gerechtigkeit gesorgt, z.B. die "Schlacht im Tal der Stufen" (Durch die Wüste, 366-388) oder die Auseinandersetzungen der Dschesidi mit den Osmanen (Durchs wilde Kurdistan, KMW, IV.2 (Haffmans Tb. 86), Zürich 1990, 20-100).

  105. Der süderländische tolle Prinz über norländische Rechtstaatlichkeit (e contrario, J, 55): "(...) ich wurde zu einer mehrmonatlichen Gefängnisstrafe verurteilt, von welcher ich mich nur auf dem Gnadenwege zu befreien vermochte, (...) so daß ich noch die Untersuchungskosten zu tragen hatte. Das sind norländische Zustände, hahaha! Seit dort ein Schmiedesohn Kronprinz und ein Zigeunerbankert Herzog von Raumburg geworden ist, gilt königliches Geblüt noch weniger als Vagabundensaft." Siehe auch J, 329f.; 373f.; 431; 581f.; 620-637.

  106. Vgl. Lorenz, Welttheater, 31. Der König von Süderland wird als "wohlmeinend, aber schlecht beraten" charakterisiert, was der Romanaussage wohl nicht ganz gerecht wird (SH, 79: "Max Joseph, König von Süderland, ist ein Regent, welcher (...) alle Zweige der Administration um seine Person gruppirt, keinem Menschen Einsicht in seine Intentionen gestattet und das "l'‚tat c'est moi" jedem seiner (...) Befehle aufzudrücken gewohnt ist. Seine Minister sind weniger seine Berather als vielmehr seine Diener." vgl. auch 518f.) Wörner (Von Nordland nach Ardistan, 19) meint in diesem Zusammenhang zutreffend, den Leser wandele ein "unangenehmer Eindruck" an.

  107. Lorenz, Werkartikel SH, Handbuch, 375. Er stellt die Vermutung auf, als Vorbild für Max Joseph habe der bayerische König Ludwig II gedient, "dessen Vorliebe für den französischen Absolutismus schon zu Lebzeiten bekannt war." Mit dieser These kann ich nicht konform gehen, weil sich eine aggressive Außenpolitik wohl kaum mit dem Bild Ludwigs II verknüpfen läßt. Überdies war Bayern im Vergleich zu Preußen eher ein Beispiel für einen liberalen Staat.

  108. Man denke nur an Joseph II. (1765-1790) oder an Maximilian I. (1493-1519). Der charakteristische Wahlspruch des Hauses Habsburg tu felix Austria nube wird ja durch die Heirat von Max Brandauer und Asta von Süderland nachgerade erfüllt (vgl. SH, 542f.; 673).

  109. Schmatz (pol. Weltbild, 19) geht fehl, indem er das tradierte norländische System dergestalt interpretiert, daß es von May als summum bonum postuliert worden sei. Immerhin bedarf es auch in Norland der politischen Reform.

  110. Belege: SH 79f..

  111. Bei Schmatz (pol. Weltbild, 48) wird auch die Frage diskutiert, inwiefern May als "Bismarckianer" bezeichnet werden kann; viele Bezüge (z.B. Im Lande des Mahdi I-III, KMW, IV.9-11, (Parkland=Haffmans), Zürich 1992, I, 128) in den Reiseerzählungen sprechen dafür.

  112. Vgl. SH, 665.

  113. Vgl. SH, 647: "Am anderen Morgen ertönte Glockengeläute durch ganz Norland. Wie durch einen Zauberschlag hatte sich selbst bis in das kleinste Dorf die Nachricht verbreitet, daß der König die bisherige Regierungsform aufgegeben, die verhaßten Räthe und Minister entfernt habe und seinem Volk eine Konstitution geben werde. Dieses Volk solle seine selbstgewählten Vertreter an den Hof schicken, um die Konstitution zu beraten." Aus dieser Formulierung geht hervor, daß das Volk zwar beteiligt wird, die letztendliche Entscheidung aber beim König liegt. Diese Beteiligung des Volkes ist in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wahrhaft nichts sensationelles mehr. Selbst Preußen ist seit 1848 Verfassungsstaat mit einer Volksvertretung, die Konstitution ist zwar durch Oktroi zustande gekommen, aber auch nachträglich von einer Volksversammlung ratifiziert worden: "Es war eine Woche später. (...) Die Vertreter der Wahlbezirke saßen in der Residenz bei der Berathung der Konstitutionsvorlage (...)" (SH, 661f.).

  114. Wörner, Von Nordland nach Ardistan, 19.

  115. Hier gehe ich mit der Analyse von Schmatz, pol. Weltbild, 53, Anm. 64, konform: "Die durch die Verfassung von 1871 garantierten demokratischen Rechte und parlamentarischen Institutionen machen für May eine späteren erneute Aufgreifung des demokratischen Gedankens hinfällig; die 'Konstitutionsfrage' ist als abgeschlossen zu betrachten. Der in diesem Sinne historische Roman repräsentiert somit in einzigartiger Weise den frühen, noch relativ linken May." Angemerkt werden muß allerdings, daß 1879 schon die hier skizzierte Verfassungssituation vorherrschte, ein Aufgreifen jener Problematik also auch zu diesem Zeitpunkt schon anachronistisch war.

  116. Tippel, W., Karl May und die Revolution, in: M-KMG 43, 1980, 24f., 24.

  117. Tippel, ebenda 24, führt als Beispiel "Und Friede auf Erden" an. Weitere Beispiele bei Wörner, Von Nordland nach Ardistan, 22f..

  118. Belege: SH 174; 193; 597ff., 612; 650; 603f. (Rede Karl Goldschmidts): "Kein Uneingeweihter ahnt, daß im Innern Süderlands selbst das Feuer glimmt, welches da drüben ( sc. in Norland, G.K.) mit Gewalt angefacht werden soll. Wenn der König von Norland (...) seinen Unterthanen eine Konstitution verheißt, so wird ihm alles entgegenjubeln (...). Diesen Affront müssen wir benutzen und vorher Alles aufbieten, ihn hervorbringen zu helfen."

  119. Revolution in Norland ist nach Ansicht des Königs (SH, 61) "leeres Gerede, von französischen Müßiggängern angestiftet." Aber auch aus dem auktorialen Erzählerkommentar (SH, 80) läßt sich eine deutliche Stellungnahme ablesen: "(...) und so kommt es, daß ein Theil der Bevölkerung den väterlichen Herrscher vergöttert, während der andere Theil im stillen, verborgenem Mißmuthe sich nach Veränderungen sehnt, die nur die Selbstsucht, der kurzsichtige persönliche Egoismus herbeiwünschen kann."

  120. Diese Passagen sind falsch eingeordnet bei Lorenz, Welttheater, 32: "Dort muß es sich der arme, aber bedeutende Literat Karl Goldschmidt, der um sich alle diejenigen schart, die mit der korrupten Verwaltung von Norland (Hevorh. G.K.) und dem Herzog von Raumburg unzufrieden sind (...)."; vgl. ders., Verwehte Spuren, 285. Hier wird der Fehler ohne Nennung von Textstellen nochmals referiert. Vollständig mißverstanden scheint die Darstellung bei Schmatz, Karl Mays politisches Weltbild, 19f. Die Zitate sind ganz unwissenschaftlich auseinandergerissen, im falschen Textzusammenhang neu arrangiert und werden als Belege im falschen Kontext mißbraucht, sodaß eine gänzlich schiefe Perspektive entsteht: Die bei Schmatz als Beleg für die negativ deklarierte norländische Revolution des Herzogs von Raumburg angeführte Textstelle (SH, 649) handelt von den legitimen revolutionären Vorgängen um den "Insurgentenführer" (SH, 666) Karl Goldschmidt in Süderland. Für "Scepter und Hammer" gilt eben nicht grundsätzlich die Deduktion von Schmatz (39): "Wir haben erkannt, daß die Revolution von May durchweg negativ beurteilt wird, weil er anarchistische Entgleisungen fürchtete."

  121. Natürlich sind beide Staaten vor den erzählten Begebenheiten absolutistisch (vgl. SH, 79); danach sind auch beide Verfassungsstaaten (vgl. SH, 666). Wichtig ist das unterschiedliche Zustandekommen.

  122. Vom Vorwurf des "Sozialdemokratismus" hat sich May tatsächlich zu distanzieren genötigt gesehen. Belege bei Schmatz, Weltbild, 42.

  123. SH, 37: "(...) der Arbeiter hungert mit seiner Familie; die Sozialdemokratie erhebt ihr Haupt und heult um Rache und Hülfe überall, (...) Was wollen Sie? Ich höre schon den mutigen Schritt der Arbeiterbataillone, (...)."

  124. "'Diesen Menschen tragen Sie hinaus vor das Thor, und wenn er wieder hereinkommt, sind Sie Ihres Dienstes entlassen.' 'Vor das Thor - ein königlicher Prinz ---!' 'Ein Lump ist er, nichts weiter! (...)'", SH, 294.

  125. Klotz, Juweleninsel, 271ff.: "Seltsam ist die politische Arena insofern, als hier Teufel mit Beelzebub, Absolutismus mit Absolutismus ausgetrieben werden soll."

  126. Vgl. Mayer, G., Bismarck und Lassalle - Ihr Briefwechsel und ihre Gespräche, 1928, 59ff. (Brief Lassalles an Bismarck, 1863): "(...) in der Krone den natürlichen Träger der sozialen Diktatur, im Gegensatz zu dem Egoismus der bürgerlichen Gesellschaft, zu sehen, wenn die Krone ihrerseits sich jemals zu dem - freilich sehr unwahrscheinlichen Schritt entschließen könnte, eine wahrhaft revolutionäre und nationale Richtung einzuschlagen und sich aus einem Königtum der bevorrechtigten Stände in ein soziales und revolutionäres Volkskönigtum umzuwandeln."

  127. SH, 512; 536: "(...) Liste aller Verschworenen, denen bei dem Aufstande eine bedeutendere Aufgabe zufallen soll. Es befinden sich sehr distinkte Namen von Militär und Civil darunter."

  128. Klotz, Juweleninsel, 271.

  129. Vgl. SH, 61.

  130. Ich messe diesem Punkt keine allzu große Bedeutung zu, aus diesem Grund möge es mir verziehen werden, wenn ich nur von der unzureichenden Textgrundlage der bearbeiteten KMV-Version Gebrauch mache: Das Buschgespenst, GW 64, KMV, Radebeul 1935, 445-462.

  131. Vgl Ilmer, Schwelle, 47.

  132. Vgl. SH, 166f.; 485ff.; 661.

  133. Vgl. SH, 51f..

  134. Vgl. SH, 623; Variationen: SH, 210; 560 (Stirn).

  135. Friedrich von Walmy alias Feuertod: vgl. J, 393f.

  136. Auf diesen Sachverhalt ist schon ausführlich im Abschnitt 3, Anm. 63ff., hingewiesen worden.

  137. Die Hartig-Episode (J, 92) ist hier aufschlußreich: "Die Schlösser klirrten und die Riegel rasselten, dann war es still. Die fürchterliche Umgebung verfehlte doch ihren Eindruck nicht auf den Gefangenen. Es war ihm, als hätte ihn Jemand vor den Kopf geschlagen. Er ließ sich auf den alten hölzernen Schemel nieder und legte das Gesicht in die beiden hohlen Hände. Aber sein Auge blieb trocken, und keine Thräne der Erleichterung oder der Reue drang zwischen seinen Fingern hervor."

  138. SH, 37-42. Lord Halingbroke selbst kommt allerdings nicht in den Romanen vor, sein Sohn Emery findet nach einer interessanten Vorstellung leider keine weitere Beachtung: "Der Fremde trug durchweg einen graukarrirten Anzug; seinen Kopf bedeckte ein breitrandiger Panamahut, und auf der Spitze seiner Adlernase balancierte in verwogener Stellung ein blauglasiges Pincenez, (...). Die feinen Bockstiefeletten und die fleischfarbenen Gummihandschuhe zeigten ebenso wie der wohlgepflegte Backenbart und die schwergoldene Uhrkette, daß er gewohnt sei, auf seine äußere Erscheinung die möglichste Sorgsamkeit zu verwenden. Man mußte auf den ersten Blick den Engländer (...) erkennen."

  139. Lord Haftley, J, 195-210, ist vergleichbar mit Sir Hilbert Grey in "Der Boer van het Roer" (=Auf fremden Pfaden, KMW IV.26 (Parkland=Haffmans), Zürich 1992, 90f.; 121ff.). Seine Wettsucht scheint entliehen bei Sir John Raffley in "Der Girl-Robber" (= Am Stillen Ocean, KMW IV.24 (Parkland=Haffmans), Zürich 1992, 346).

  140. Vgl. SH, 343; 352f.. Ali zeichnet sich durch eine gewisse Übertreibungssucht aus und es zeigt sich, daß May bei der Darstellung blumiger orientalischer Ausdrucksweise und arabischer Begriffe von einem gewissen stereotypen Grundrepertoire Gebrauch machte.

  141. Vgl. Hatzig, H., Karl Mays Geschichte vom Schimmel in der Oper, in: M-KMG 26, 1975, 18-23.

  142. SH, 674: "Aper, einen Wahlspruch kann ich auch an meine Stupenthüre schreipen. (...) Ampalema und Parpara, (...) und ich will den sehen, der einen schöneren pesitzt."

  143. Z.B. Asta von Süderland (SH, 10), Almah (SH, 144ff.) oder Ayescha (SH, 323ff.).

  144. Selbst die Reiseerzählungen kommen jedoch nicht ganz ohne dämonische Frauengestalten aus, wie z.B. Judith aus "Satan und Ischariot": "Als Frau und Jüdin, die in kompromittierenden Situationen nicht einmal errötete, die sich im Doppelsinn 'emanzipiert' zeigt, gerät sie mit ihrem lasterhaft frechen (Geld)-Trieb zu einer Männer mißbrauchenden Schlange, einem Satansweib, einer gefühlskalten Furie, die vom Ich-Helden schließlich nur noch gefesselt und zur Dienerarbeit (!) mit brachialer Gewalt gezwungen werden kann. Damit ist das alte, schon längst trivialisierte Motiv der schönen Jüdin ins Negativ-Dämonische gesteigert." (Jeglin, R., Karl May und der antisemitische Zeitgeist, in: Jb-KMG 20, 1990, 107-131, 125).

  145. Vgl. SH, 215-251.

  146. Vgl. J, 435f..

  147. Vgl. SH, 174-193.

  148. Einerseits wird mit Rabbadah (vgl. Tippel & Wörner, Frauen in Karl Mays Werk, 16f.) eine äußerst intelligente, mutige und selbstständig handelnde Orientalin vorgestellt, andererseits wird gerade ihr Europa als ein Hort der weiblichen Freiheit, in dem Frauen sich aber freiwillig gerne ehelich binden, vorgestellt.(J, 289f.).

  149. Z.B. die Kastellanin Mutter Horn (vgl. SH, 649f.), "Parpara" Seidenmüller (vgl. J, 315ff.) oder die drei schrulligen Schwestern des Generals von Helbig (vgl. J, 35ff.).

  150. Vgl. Tippel & Wörner, Frauen in Karl Mays Werk, 3.

  151. Vgl. SH, 669ff. & J, 71. vgl. Koch, Gitano, 201: "Kaum eine andere Gestalt in Mays Werk wechselt so sehr die Fronten zwischen Gut und Böse wie Zarba."

  152. Vgl. Koch, Gitano, 211; 213.

  153. In der Tat gibt es viele Beispiele für Karrieren von Europäern in Osmanischen Diensten. Vgl. nur für den Bereich des Sudan und Ägyptens Koch, E., Im Lande des Mahdi, 277ff.; 293ff.; 301.

  154. Vgl. Venohr, W., Helmuth von Moltke, in: Haffner, S. & Venohr, W., (Ed.), Preußische Profile, Frankfurt / M; Berlin, 21990, 117-141, 117-141, SH, 346; 394; 484ff..

  155. Eine Anführerin eines Geheimbundes der Zigeuner mit dem Namen Zarba kommt später auch in Mays wohl berühmtesten Kolportageroman, dem Waldröschen, vor; Belege bei Koch, Gitano, 198-201.

  156. Dieser "Phansegar" ist May-untypisch äußerst blutrünstig, hilft aber Alphons Maletti und Rabbadah enorm (vgl. J, 177-186; 224-270) und rächt seinen ermordeten Rajah, obwohl dessen Vater ihm Unrecht getan hatte.

  157. Interessant ist, daß anscheinend May mit dem Bowie-Messer eine gewisse sexuelle Ambiguität assoziiert hat

  158. Es mag vorkommen, daß bei den Gestalten der Reiseerzählungen Ambiguität auftritt, wenn z.B. Figuren wie Old Wabble (vgl. Old Surehand I-III, KMW IV.20-22, (Parkland=Haffmans) Zürich 1992, I, 21ff & III, 43f; 424ff.) oder der Re‹s Effendina (vgl. Im Lande des Mahdi I, 126ff. & III, 334ff.) eine bemerkenswerte Negativgenese durchlaufen. Das ist aber keine im Kern der Figur angelegte Ambiguität, sondern Ausdruck einer sich im Lauf der Erzählung entwickelnden Dekadenz.

  159. May-Biographen stellen durch die Namensanalogie (Ella-Emma) gerne einen Bezug zu Mays Ehefrau Emma (Pollmer) her (vgl. Ilmer, Karl May vor der Schwelle, 45). Dieser Deutung schließen sich Tippel und Wörner in ihrer Untersuchung über Frauen in Karl Mays Werk an und versuchen eine Analogie zur Emma Vollmer-Episode herzustellen (19).

  160. Lorenz, Verwehte Spuren, 278.

  161. So wird z.B. auch nicht geklärt, ob eine Identität mit der einmal erwähnten, äußerst frivolen Schwester Klara (J, 381) besteht. Die Vermutung liegt jedenfalls nahe (vgl. J, 436).

  162. Klotz, Juweleninsel, 273, spricht in Verbindung mit dem Bowie-Pater von einer "überaus sinnträchtige(n) Neuverarbeitung der uralten Androgynen-Mythe."

  163. Z.B. in der Figur von Kolma Puschi, Old Surehand III, 160; 446f.; oder aber Tante Droll, Der Schatz im Silbersee, KMW III.4 (Haffmans Tb. 53), Zürich 1989, 37f.. In der Gestalt des "heiligen" Kolma Puschi vermuten Tippel & Wörner, Frauen in Karl Mays Werk, 19f. ein Abbild von Mays zweiter Ehefrau Klara.

  164. Vgl. Tippel & Wörner, Frauen in Karl Mays Werk, 19ff..

  165. Auch Zarba ist die letzte Königin ihrer Art (vgl. J, 121; 573 & SH, 609). Zum Zigeunerkönigtum vgl. Koch, Gitano, 213ff..

  166. "Einst war ich Meleka, jetzt bin ich nur ein altes Weib, aber dennoch hören Türken, Kurden und Chaldani meine Stimme." Sie kann Einfluß nehmen, weil sie mit dem geheimnisumwobenen Höhlengeist "Ruh 'i kulyan" identisch ist. (Durchs wilde Kurdistan, 544; 547).

  167. "Sie ist eine alte Fürstin, deren Nachkommen vom Messias abgefallen und zu Muhammed übergetreten sind. Nun tut sie Buße für sie und wird ruhelos hin und her getrieben." (Durchs wilde Kurdistan, 487).

  168. Vgl. Koch, Gitano, 204.


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