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Walter Abendroth

1896 - 1913, Schriftsteller, Komponist

Wir machten uns in diesem Kreise nun auch mit manchen neueren Autoren bekannt ... Auf einer Puppenbühne inszenierten wir sogar das naiv-ambitiöse Karl-May-Spiel "Babel und Bibel", wozu ich die Musik zu liefern hatte ...

Ich warne Neugierige, Autobiographie, München 1966, S. 25.

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Konrad Adenauer

1876 - 1967, Politiker

... schätzte Karl May, den er in seiner Jugend gelesen hatte und auch in seinen reiferen Jahren noch gern las.

Nach: Albrecht P. Kann, Karl May. So war sein Leben. Hamburg 1979, S. 154.

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Theodor W. Adorno

1903 - 1969, Philosoph, Kritiker

... erwähnt Karl May (Old Shatterhand, Winnetou).

In: Blochs Spuren, Noten zur Literatur II, Frankfurt/M 1961, S. 134.

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Hans Albers

1891 - 1960, Schauspieler

Ein Film über den alten May? Prozeß in Berlin ... Wiener Friedensrede ... Old Schmetterhand, das mache ich.

Aus einem Gespräch mit Karl Serden (München, 9.2.1957).

... eine Karl-May-Biografie mit Hans Albers in der Hauptrolle zu drehen, scheitert doch wohl daran, daß man das Leben von Karl May von der frühesten Jugend an zeigen müßte, und daß Hans Albers doch nur für die reiferen Jahre des Dichters figürlich sich eignete.

KURT ULRICH - FILM GMBH, Berlin. Brief vom 29.10.1957.

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Alfred Andersch

1914 - 1980, Schriftsteller

Er hatte den Tom Sawyer und die Schatzinsel und den Moby Dick und Kapitän Scotts letzte Fahrt und Oliver Twist und ein paar Karl-May-Bände und er dachte: die Bücher sind prima, aber sie stimmen alle nicht mehr ...

Sansibar oder der letzte Grund, Fischer-Bücherei 354, 1970, S. 88/89.

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Martin Anger

geb. 1914, Schriftsteller

... veröffentlichte 1965 ein Buch unter dem Titel: Auf den Spuren Winnetous.

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Manfred von Ardenne

geb. 1907, Physiker, Naturwissenschaftler

Herr Professor von Ardenne selbst hat in sehr jungen Jahren auch Bücher von Karl May gelesen und ist durchaus der Ansicht, daß auch heute noch jugendlichen Lesern seine Werke zur Anregung der Phantasie empfohlen werden können.

Schreiben vom 7.11.1985 im Auftrage von Prof. Dr. Ardenne an Uwe Kahl, Zittau.

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Otto C. Artbauer

1878 - 1916, Schriftsteller und Orientreisender

Aber man verstehe, wie eigenartig die Nachricht vom Tod eines Vielgeprüften, Vielgeliebten und Vielangefeindeten den berühren muß, dem der Orient selbst zur zweiten Heimat geworden, der aber seine erste Fühlung mit dieser farbenfrohen Welt eben durch Schriften des Dahingeschiedenen erhalten hat. Durch Schriften, die er selbst während eines Jahrzehnts ständiger Wanderschaft auf Form, Inhalt und Wert zu überprüfen überreiche Gelegenheit hatte. Und der als reifer Mann, dessen Haare zu ergrauen beginnen, immer wieder zum Schluß kam: Ja, genau so ist die Welt Mohammeds. Genauso, wie Karl May sie schildert.

Neues Wiener Tagblatt 1.7.1912 (nach Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur, Meitingen ab 1988).

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Ferdinand Avenarius

1856 - 1923, Kunstkritiker

"Karl May als Erzieher". Im Lande der Dichter und Denker darf's ein munterer Verleger wagen, eine Reklameschrift für seine Ware mit dieser Überschrift zu versehen, die einen Schundromanfabrikanten als eine geistige Macht hinstellt. Er darf's ohne Besorgnis, daß die Lächerlichkeit ihn töte ...

In: Der Kunstwart, München, 15. Jg., 1902, H. 12.

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Karl May - Zwischen den Stühlen


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Wolf-Dieter Bach

geb. 1933, Schriftsteller

Bei May ist noch viel zu fördern, was auch uns fördern kann, was Dinge ans Licht bringt, die weiterbringen. Allerdings liegt es tief und ist ohne Arbeit nicht heraufzuholen. Längst hat sich herumgesprochen, daß man in Mays Texten an der Oberfläche über die Prärie reitet, während ein Stockwerk tiefer sich die labyrinthischen Gänge des Unbewußten öffnen, die Schächte der großen Psycho-Zeche.

Karl May über Tage, in: Die Horen, Heft 4, Winter 1975, Nr. 100.

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Wolfgang Bächler

geb. 1925, Lyriker, Schriftsteller

Angefangen ernsthaft Gedichte zu schreiben, habe ich so mit sechzehn. So mit zwölf habe ich mal einen Wildwestroman à la Karl May geschrieben.

Aus einem Interview in., WARUM! Januar 1979, S. 46.

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Ingeborg Bachmann

1926 - 1973, Lyrikerin

Ich habe auch, ohne Schaden zu nehmen, einige Bände von ihm überstanden.

Nach: Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, S. 15.

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Egon Bahr

geb. 1922, Mitglied des Deutschen Bundestages

Ich fand den ollen Karl May einfach schön und habe sogar das eine oder andere, nah-östliche, gelernt, ohne mir dessen damals bewußt gewesen zu sein.

Und ich gestehe: Ich kann mich noch heute über manches amüsieren, wenn ich ein paar Minuten unbeschwerter Schmöker-Lektüre haben will.

In einem Brief (vom 5.6.1987) an Erich Heinenann.

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Hermann Bahr

1863 - 1934, Dramatiker, Erzähler

Wer so viel Haß, Neid, Verleumdung, Wut, Liebe, Bewunderung und Streit erntete wie Karl May, verdiente es schon um dieser Kraft willen, gehört zu werden ...

Neue Freie Presse, Wien. 10.3.1912.

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Helmut Baierl

geb. 1926, Dramatiker

... unter der Schulbank lauerten "Tom Shark, der König der Detektive", "Frank Allan, der Rächer der Enterbten" und natürlich, ja, ja, der alte Karl May.

Mit nichts im Kopf als einer großen Hoffnung. In: Das schönste Buch der Welt. Wie ich lesen lernte. Berlin-Weimar 1973, S. 152.

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Richard Bamberger

geb. 1911, Pädagoge, Schriftsteller

Noch immer kann man annehmen, daß schon der Name Karl May das Interesse vieler Leser weckt. Das habe ich bei meinen Bemühungen um Jugendliteratur und Volksbildung wiederholt erfahren. Ein Vortrag "Gute Bücher als Nahrung des Geistes und der Seele unserer Jugend lockte gerade einige Dutzend Zuhörer an. Anders Karl May!

Büchergilde Gutenberg, Juli/August-Heft 1953.

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Peter Bamm

(eigentl, Curt Emmrich) 1897-1975, Schriftsteller

Wenn in einer Gesellschaft der Name Karl May fällt, so gibt es glücklicherweise keine ehrfürchtig Ergriffenen. Dafür kann man etwas anderes beobachten. Die eben noch ehrfürchtig Ergriffenen machen eine wegwerfende Handbewegung. Sie haben das fast immer als voreilig zu bereuen. Denn der große Sanskritforscher wird plötzlich ganz munter und bricht, wie man so sagt, eine Lanze für den bescheidenen Mann. . . . Und so ziehen auf einmal sieben Männer, alte und junge, wie die sieben wackeren Schwaben mit dem Karl-May-Spieß durch den


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Salon, bereit, den Drachen zu durchbohren, der das sächsische Lorbeerreis fressen will.

Mosaik der Woche. in: Deutsche Zukunft, 22.3.1936. (Rezension des Buches "Der Volksschriftsteller Karl May" von Heinz Stolte, Radebeul 1936.)

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Johannes R. Becher

1891 - 1958, Schriftsteller, ehem. DDR-Kultusminister

Der Zentralausschuß für den gewerblichen Leihbuchhandel beim Börsenverein in Leipzig beschloß am 5.3.1957, das "Karl-May-Verbot" aufzuheben. Grund: "Selbst Johannes R. Becher hat sich nunmehr positiv für Karl May ausgesprochen ..."

Reinhard Seidler in: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 84, S. 35 ff.

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Jonny Behm

geb. 1898 (eigentl. Elisabeth Joost), Schriftstellerin

Ich ... bin ihm nachgereist, nachgeritten, nachgewandert, hab mich redlich gerauft, wie auch er. Im Land der Skipetaren, in den Schluchten des Balkans, in den Urwäldern der Rhopoden. Kunststück, daß man tolle Sachen erlebt, wenn man Karl May nachreist. Ich wollte mal sehen, ob das alles stimmt, was er erzählt. Und ich muß schon sagen, es kann einem dabei manchmal den Atem verschlagen ...

Balkan, Bakschisch und Basare. Eine Reise auf Karl Mays Spuren (Waschzettel). Stuttgart 1955.

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Frantisek Bêhounek

1898 - 1973, tschechischer Radiologe

Es ist wirklich sehr schwer, für eine gewisse Entwicklungsstufe des Knaben einen besseren Lesestoff zu finden als Karl May. Ich jedenfalls betrachte die Schriften Mays stets noch als die besten für die Jugend, dabei sind sie auch gleichzeitig ein fesselnder Lesestoff für Erwachsene jeden Alters.

Karl-May-Jahrbuch, Radebeul 1932, S. 369f.

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Rudolf Beissel

(Pseudonym: F.B. Cortan), 1894 - 1986, Schriftsteller, Filmautor

... und es erscheint wie eine bittere Ironie des Schicksals, daß der Autor nie das Bild seiner Wunschträume erreicht hat. Er war in seiner Jugend nie der kämpferische Abenteurer, und an seinem Lebensabend blieb ihm selbst der Frieden auf Erden versagt. Aber vielleicht war gerade diese Schwäche seine Stärke und befähigte ihn aus unerfüllter Sehnsucht so zu schreiben, wie er schrieb.

Von Atala bis Winnetou. Bamberg/Braunschweig 1978, S. 270.

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Kamuran A. Bendir Khan

Prof. für kurd. Sprachen a.d. Ecole Nationale des Languagues Orientales Vivantes, Paris

Kein anderer als Karl May ist es gewesen, der einst die von den Kurden bewohnten Gebiete als "wildes Kurdistan" bezeichnet hat.

Vertraue der Pranke. Bilddokumntation Kurdistan 1963-1966. Hamburg o.J. (1966), S. 9.

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Moscheh Yakow Ben Gavrièl

(Eugen Hoeflich), 1891 - 1965, Schriftsteller

Dieser Karl May, ein Genie der Verlogenheit von erschütternder Größe, der viele Generationen von Jungen vor dem Verblöden, vor seelischem Verkrüppeltwerden, vor Kastration der Phantasie gerettet hatte, dieser Karl May kam auch für den Knaben Marc Faktor zur rechten Zeit: er gab seinem aufbrechenden Suchen Ziel und Richtung.

Die Flucht nach Tarschisch. Hamburg 1963, S. 131f.

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Alice Berend

1878 - 1938, Schriftstellerin

Die Indianerträume Karl Mays, der in Dresden wohnte und dessen "Häuptlinge" also aus der Elbe entstiegen waren, machten sich drolligerweise mißbeliebt bei der älteren Schicht seiner zeitgenössischen Spießbürger .... weil der phantasiegeschwellte Verfasser, im berechtigten Glauben, daß in seiner aufs Praktische gerichteten Zeit "volle Wirklichkeit" mehr im Kurs steigen würde als "leere Erfindung", verbreiten ließ, daß er selbst in diesen fernen Ländern gewesen und


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also Selbsterlebtes geschildert. Diese Behauptung war leicht zu widerlegen. Man verbreitete, daß Karl May moralisch nicht einwandfrei wäre. Das hinderte allerdings nicht, daß Old Shatterhand jedem Heranwachsenden damaliger zeit vertrauter war als alle Angehörigen der eigenen Familie.

Die gute alte Zeit. Bürger und Spießbürger im 19. Jahrhundert. Marion v. Schröder Verlag, Hamburg 1962, S. 216.

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Werner Bergengruen

1892 - 1964, Schriftsteller

Karl May ist naiv zu genießen oder von einem höheren Punkte aus. Seine Gegner sind Leute, welche die Naivität verloren, jenen höheren Punkt aber nicht einzunehmen gewußt haben. Bei seinem Freunde, der ihn vom höheren Punkte aus liest, stellt sich plötzlich, ohne diesen höheren Punkt zu gefährden, eine neue Naivität ein, und die Vereinigung dieser beiden Momente macht die Beglückung des Lesers aus. Mit meinem dreizehnten Jahr hörte ich auf, Karl May zu lesen. Das war in der Ordnung. Ende der Vierzig begann ich von neuem, und wenn nun meine Kinder einen neuen Band ins Haus brachten, riß ich ihn ihnen aus der Hand. Das war ebenfalls in Ordnung.

Schweizer Bücher-Zeitung und Anzeiger für den schweizerischen Buchhandel, 59. Jg. 1947, S. 84-85. Zwei Kapitel aus "Baedeker des Herzens" sind abgedruckt im S-KMG Nr. 85: Karl Mays Spuren in der Literatur. Vierte Sammlung.

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Richard Arnold Bermann

1883 - 1939, Schriftsteller

Dieser verkommene Volksschullehrer, dieser Zuchthäusler ist als ein Mann von hohem Wissen gestorben. Er beherrschte viele Sprachen (die deutsche leider nie vollkommen); ein gelehrter Orientalist bescheinigt dem Herausgeber der Memoiren, daß Karl May die unwahrscheinlichsten arabischen Dialekte verstand. Er hatte der Jugend wirklich viel zu lehren. Er kam aus dem Dunkel und sah die Welt nun rosenrot. Welch ein empörendes Schauspiel, daß ihm nun die Pharisäer verbieten wollten, sie rosenrot zu sehen und vom Höheren zu schwärmen! Es ist ihnen gelungen, ihn am Ende seines Lebens wieder sehr unglücklich zu machen; ein prächtiger Erfolg der aufgeregten Tugend! Jetzt ist er tot; und irgendwo lesen Knaben mit glühenden Wangen die Geschichten von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi; und überspringen die geläuterten Moralpauken; und in ihren jungen Herzen ist der rein und


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groß, der ihnen die weite schöne Welt so weit und schön zeigen konnte. Entrüstete Sittenwächter schelten weiter den Zuchthäusler. Der Tote liegt im Grab; sein ist ein großer Sieg, und er sieht längst alles rosenrot.

ZEIT, Wien, 16.9.1917 (Nr.5380).

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Horst Bethmann

geb. 1922, Schriftsteller

Wir lasen trotz aller Begeisterung nicht Hitlers "Mein Kampf", sondern Karl May, bei dem ja die Rothäute bessere Menschen sind als die räuberischen Weißen.

Ausflug in gegenwärtige Vergangenheit, Witzenhausen 1986, S. 7.

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Bruno Bettelheim

1903 - 1990, Psychologe

Wie die meisten Menschen las ich vieles, was für mich irgendwie nützlich war, ohne daß diese Lektüre mein Leben sonderlich beeinflußt hätte. Selbst in meiner Kindheit war ich ein Vielleser, doch handelte es sich dabei hauptsächlich um Wirklichkeitsflucht. Historische Romane ermöglichten mir eine Flucht in vergangene Zeiten, während andere Bücher, etwa die Romane von Karl May, das Entrinnen in den fernen Wilden Westen gestatteten; utopische Literatur, die Science-fiction jener Tage, ließ mich in eine ferne Zukunft reisen. Alle diese Bücher ermöglichten mir die Flucht vor der qualvollen Realität der Jahre 1914 bis 1918, der Zeit des Ersten Weltkriegs.

Themen meines Lebens. Essays über Psychoanalyse, Kindererziehung und das jüdische Schicksal. DVA Stuttgart 1990, S. 116.

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Alfred Biese

1855 - 1930, Literaturhistoriker

Jedenfalls stehen die Werke fast aller Reiseschriftsteller dieser Zeit in Form und Inhalt weit höher als die phantasieverwildernden, unechten "Reiseerzählungen" von Karl May, die unsere heutige Jugend verschlingt.

In: Deutsche Literaturgeschichte, III. München, 1.-3. Aufl. 1910/11.

Er hat nicht nur eine hervorragende Erzählergabe, sondern auch Religiosität und Sinn für menschliche Größe, für menschliches Heldentum ...

Ein Geständnis für Karl May. In: Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1930, S. 32.


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Willy Birgel

1891 - 1973, Schauspieler

Und Du fährst nach Kairo!?! - Teufel! Willst Du wegen Pferden sprechen? Na ja, etwas Arabisch kannst Du ja von Karl May - sonst mußt Du Dir einen Dragoman nehmen!

In einem Brief (31.10.1971) an Carl-Heinz Dömken, Dörverden. Birgel, der gern Karl May las und sich als Freund Karl Mays bezeichnete, reiste noch mit 81 Jahren "rund um El Kahira DURCH DIE WÜSTE".

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Ernst Bloch

1895 - 1977, Philosoph

Ein sehnsüchtiger Spießbürger, der selbst ein Junge war, durchstieß den Muff seiner Zeit. Er kolportierte nicht die Ideale des Bürgertums (feine Leute, Salonglanz), auch nicht die Rittergeschichten aus dem Biedermeier. Sondern er kolportierte nochmals den Indianerroman aus der Zeit Coopers, der revolutionären Ideale (als die Wilden noch bessere Menschen waren). Der Flitter des Jahrmarkts kam hinzu, der echte Budenorient, wie er zur Kolportage gehört, damit sich die Freizügigkeit nicht in kruder Natur erschöpfte, sondern färbt und in Traumschichten spiegelt. Fast alles ist nach außen gebrachter Traum der unterdrückten Kreatur, die großes Leben haben will ...

Erbschaft dieser Zeit, Stuttgart 1962.

Karl May ist einer der besten deutschen Erzähler, und er wäre vielleicht der beste schlechthin, wäre er eben kein armer, verwirrter Proletarier gewesen ...

Frankfurter Zeitung 31.3.1929.

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Günter Böddeker

geb. 1933, Redakteur, Schriftsteller

"Karl May", sagte Hans-Erich, "toll, einfach toll! Wie lange habe ich jetzt schon kein Buch mehr in der Hand gehabt, ich meine eines, das Spaß macht, es zu lesen."

"Sprich bitte in der Schule nicht darüber", sagte Hermann Hoppe. "Da sind zu viele Kindsköpfe." Hans-Erich verstand: Der Freund fürchtete, sie könnten selbst als Kindsköpfe verspottet werden, weil sie Gefallen an Karl May fanden.

Zeit des Löwenzahns. Bergisch-Gladbach 1984, S. 278.

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Konrad Adenauer Hans Albers
Ingeborg Bachmann Werner Bergengruen


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Heinrich Böll

1917 - 1985, Schriftsteller

Ich hatte Hölderlin gelesen: "Mitleidend bleibt das ewige Herz doch fest", und Ferdi nur Karl May, der den gleichen Edelmut zu predigen schien.

Billard um halbzehn, dtv 991, S. 46.

Herr Böll, fühlen Sie sich bestimmten Autoren der Vergangenheit und der Gegenwart besonders verpflichtet? Böll: Ja, sehr vielen. Ich glaube, daß jeder, der anfängt zu schreiben, von jedem Buch beeinflußt wird, das er vorher mit Leidenschaft gelesen hat und, während er seine ersten oder letzten Versuche macht, noch liest. Das würde bedeuten, beeinflußt von Karl May bis Marcel Proust, von sehr unterschiedlichen und sehr gegensätzlichen Autoren ...

Horst Bienek, Werkstattgespräche mit Schriftstellern, dtv Nr. 29, S. 177/78.

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Franz Josef Börger

1864 - 1953, Begründer der deutschen Pfadfinderbewegung

In jener Zeit hatte Karl May den Jungen seinen "Winnetou" geschenkt, während ich mitten in der von England zu uns gekommenen Pfadfinderbewegung stand, und ihm viel von dieser neuen Jugendbewegung, von ihrem sieghaften Aufwärtsstreben, ihrem frohen Waldläufertum, von Baden-Powell, dem Begründer dieses Weltpfadfinderbundes, mit dem ich Seite an Seite unter dem Lilienbanner stand, erzählte.

In: Wir unter uns. Eine Zeitschrift für die Jugend. Verlag Jugendpresse Bad Ein, Heft 6/7, 1949/50, S. 12.

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Godfried Bomans

geb. 1913, niederländischer Schriftsteller

Das Heroische entsteht immer als Nebenprodukt von etwas anderem und muß beiläufig geschehen. Natürlich, es ist das Hauptgericht, aber es muß als Beilage serviert werden. Genau das ist es, was Karl May für Jungen so unwiderstehlich macht.

Badische Neueste Nachrichten, 12.7.1969, Beilage: Zum Sonntag. Zitiert nach M-KMG, INFORM Nr. 2/72.


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Denn was ist man in jenen Jahren? Ein Mystiker ohne Gott, überspannt und exaltiert, man weiß nicht wohin mit dem Vorrat überschwenglicher Zuneigung, denn das Götterbild des Vaters ist gerade umgefallen und das der Frau noch nicht aufgerichtet. In diesem Vakuum treten plötzlich Winnetou und Old Shatterhand nach vorn. Vor allem Winnetou!

Es riecht nach Gas bei Karl May. Auf Winnetous Fährte im deutschen Gemüt. Old Shatterhand oder der Knieschuß. Rheinischer Merkur Nr. 15, 9.4.1965.

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Waldemar Bonsels

1881 - 1952, Erzähler, Lyriker

Einer literarischen Arbeit von Ewers etwa, oder von Karl May, hieße sie nun "Alraune" oder "Der Schatz im Silbersee", wird mit Recht so ziemlich alles abgesprochen, was ästhetische oder moralische Werte, künstlerische Form oder ethisches Niveau betrifft ...

Die neue Dichtung, Heft 1, 1922/23. Zitiert nach: Karl-May-Jahrbuch 1924, s. 246, Anm. 37.

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Tomàs Borge

Innenminister von Nikaragua

Auf die Frage, ob er sich als Marxist bekenne, nickt Borge zuerst und meint dann lachend: "Aber lieber als Karl Marx ist mir als Revolutionär Karl May." Sein Buch, an dem er arbeite, beginne mit Winnetou und Old Shatterhand.

In: Kurt Wimmer, Kleine Zeitung (Österreich), 22.2.1989 (nach: Nachrichten d. KMG Nr. 83/März 1990, S. 3).

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Marita Börsch

Promovierte Psychotherapeutin

... die gefühllosen Väter, die wir hatten, sind etwas gewesen, was uns sehr erschrocken und beunruhigt hat. Winnetou war da der Anti-Held. Vielleicht könnte man wirklich so weit gehen, daß wir so eine innere Repräsentanz von diesem Winnetou in uns hatten, als wir unsere Sehnsucht nach den sogenannten neuen Männern am Ende der Studentenbewegung artikuliert haben ...

... daß Winnetou etwas repräsentiert, wonach sich alle sehnen und keiner es richtig realisiert, nämlich beide Seiten der menschlichen Existenz leben zu können, also sowohl die


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männliche, mutige, und die weibliche, Gefühle zeigen zu können, berühren zu können - das ist ein androgynes Ideal, das beide Geschlechter im Laufe des Älterwerdens verloren haben, und Winnetou repräsentiert das, sowohl für Frauen wie auch für Männer.

Zitat aus der Sendung des Hessischen Rundfunks (1.4.1991) von Helmut Fritz: "Hundert Jahre Winnetou".

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Horst Bosetzky

(Pseudonym: -ky), geb. 1938, Kriminalschriftsteller,

Soziologie-Professor

Nach seinen literarischen Vobildern gefragt, bekannte Bosetzky, "von Karl May beeinflußt" zu sein.

Saarbrücker Zeitung v. 26.4.1986 (zit. nach Geschäftsführerbrief d. Karl-May-Gesellschaft Nr. 69/August 1986, S. 6).

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Randolph Braumann

geb. 1934, Redakteur, Herausgeber

Aber kommen wir doch noch einmal auf den Vorwurf zurück, Karl May habe "das ja alles nicht selbst erlebt". Ich bin der Meinung, daß gerade diese Tatsache als eine in ihrer Art genialische Leistung schöpferischer Phantasie zu deuten ist. Der Autor Karl May hat mit seinen Reiseromanen ein ganz eigenes, vorher kaum aufgetretenes Genre der Literatur erfunden, eine höchst originale Leistung, wie man anerkennen muß. Ein Genre, von dem man sagen könnte, es sei gedichtete, d.h. in epische Kunstform transponierte Geographie.

Auf den Spuren von Karl May. Herausgeber- Randolph Braumann, Düsseldorf 1976, S. 10.

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Bertolt Brecht

(Eugen Bertolt), 1898 - 1956, Schriftsteller

Eugen war ein begeisterter Karl-May-Leser. 1909 hielt in Augsburg Karl May einen Lesevortrag. Ich weiß noch, daß sich Brecht für diese Veranstaltung sehr interessierte. Brecht beschäftigte sich viel früher mit Literatur als wir. Als er längst alle Karl-May-Bände durchgelesen hatte, begannen auch wir damit.


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Brecht in Augsburg - Erinnerungen, Texte, Fotos. Eine Dokumentation von W. Frisch und K.W. Oberbeier. Suhrkamp Taschenbuch 297, S. 51.

Bruno Brehm

1892 - 1974, Schriftsteller

Vergessen wir nicht, daß etwas von jener Zellenblindheit, die nur die inneren Bilder sieht, auch auf ein anderes in der Haft geschriebenes Buch Übergegangen ist, auf Hitlers "Mein Kampf". Etwas von Old Shatterhands alles Überwindendem ... Geist waltet über diesem Buch, dessen Weltunkenntnis keinen Widerspruch duldet ...

Literatur aus Kerkerzellen. In: Welt und Wort, Literarische Monatsschrift, 1951, Tübingen, S. 16.

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Rolf Breuer

geb. 1940, Professor für Anglistik

Der Autor (Karl May) hatte das Glück, daß seine individuelle Neurose mit der kollektiven Neurose seines Volkes übereinstimmte: armselige Herkunft und frühe Kränkungen, die sich bei ihm in Großmannssucht, Hochstapelei und Kleptomanie

äußerten. Da ihm überdurchschnittliche kreative, ja fast visionäre Fähigkeiten mitgegeben waren, gelang es Karl May, zum stellvertretenden Tagträumer der Nation zu werden und einen deutschen Trivial-Mythos von gigantischem Ausmaß zu formen.

Karl May ist in mehr als einem Sinn unser Nationalschriftsteller. Mit Kara Ben Nemsi und natürlich auch Old Shatterhand setzt sich der deutsche Leser als Jugendlicher und als Erwachsener gegen Freund und Feind durch. Allenthalben umgeben von Neid, Unfähigkeit, Dreistigkeit, Angeberei und Feigheit wehrt der Leser durch Identifizierung mit dem Erzähler-Helden eigene Kränkungen durch Projektion ab: dreist und feige sind immer die anderen.

Psychologie heute. Mai 1982, S. 39-45.

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Pierre Brice

geb. 1929, Schauspieler, seit 1962 "Winnetou"-Rolle

Die Ideale, für die Winnetou zur Symbolfigur wurde - Humanität, Menschenrechte, der Kampf um das Überleben von Minderheiten und die Liebe zur Natur - sie packen die Menschen heute wieder. Der Geist von Karl May ist aktuell, aber man


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muß bei der künstlerischen Realisierung neue Wege finden, darf nicht stehenbleiben bei dem, was vor 20 Jahren ankam.

Interview mit Karin Jacobs in Versailles für Welt am Sonntag, 20.5.1990. Nachrichten d. KMG Nr. 85/Sept. 1990, S. 25.

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Hermann Broch

1886 - 1951, Philosoph

Im Bett zu liegen, krank zu sein, nicht in die Schule zu gehen und Karl May lesen zu dürfen, hat ja stets seine trostreichen Reize in diesem Leben gehabt. Ich bin selten seit Winnetous Tagen und Old Shatterhands und Old Surehands Tagen so gefesselt und beglückt gewesen.

Manfred Durzak, Hermann Broch in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlts Monographien Nr. 118, 1966, S. 26/27 (Zitat aus einem unveröffentlichten Broch-Brief vom 2.9.1943, voller Wortlaut in: Gesamtausg. d. Briefe Brochs, Bd. 2, Suhrkamp-Taschenbuch).

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Max Brod

1884 - 1968, Schriftsteller

Mir ist May offenbar zu spät in die Hand gekommen. Er traf nicht mehr auf meine Bereitschaft knabenhaften Verzaubertseins. ich fand sein "Land der Skipetaren", die "Schluchten des Balkan", auch "Winnetou, den roten Gentleman" nach den Aufregungen, die Jules Verne zu kosmischen Maßen aufgestachelt hatte, ganz bedeutungslos fad ...

Streitbares Leben. München (o.J.), S. 117f. Zitiert nach: Leseerlebnisse 2, herausgegeben von Heinrich Pleticha, suhrkamp tb 458, S. 138f.

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Arnolt Bronnen

1895 - 1959, Schriftsteller, Dramatiker

Seine Reiseromane zeigen einen Mann primitiven Humors, mit biederverständiger Gesinnung, mit Phantasie, mit Fähigkeit, Menschen zu sehen und zu charakterisieren, zweifellos ein belesener Mann, dem sein Wissen, wie immer fragmentarisch es auch sein mochte, zu einer ungewöhnlichen Erlebniskraft verhalf. Die Hellenen hatten ihre ersten Dichter Weg-Erfreuer und Menschen-Erfreuer genannt: etwas Ähnliches sprach mich auch aus den Reise-Romanen von Karl May an.

Im demokratischen Schrifttum gebührt dem vielgeschmähten und vielgehetzten Webersohn aus dem Erzgebirge ein entsprechender Platz.


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Aus: Berliner Zeitung, 12. Jahrgang (1956), Nr. 209, 7.9.56 (zitiert in: Harald Eggebrecht (HG.), Karl May der sächsische Phantast, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/M 1987, S. 273).

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Christine Brückner

geb. 1921, Schriftstellerin

Wir sind uns zu spät begegnet, Karl May und ich! Über Karl May kann ich nicht mitreden. Ich höre weiterhin staunend, auch verwundert, zu, wenn andere schwärmen ...

in einem Brief vom 25.5.1987 an Erich Heinemann.

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Gustav Brugier

Literaturhistoriker

Ob May uns in die Wüste Sahara, "unter Würger" führt, oder wie in "Deadly dust" (Tödlicher Staub) in den Prairien und Felsengebirge Nordamerikas, in die Wälder Ceylons oder unter die Boers im Transvaallande, in die blaue Südsee oder in das "himmlische Reich" der Chinesen: immer malt er mit unübertrefflicher Treue Land und Leute ab, so daß eine jede Schilderung ein Visum in seinem Reisepaß ist mit dem Atteste: er ist dort gewesen, er hat es erlebt!

Geschichte der deutschen National-Litteratur 8. Aufl., Freiburg 1888, S. 613.

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Günter de Bruyn

geb. 1926, Schriftsteller

Von 1933, dem Jahr, in dem Hitler an die Macht und ich zur Schule kam, bis in das erste Kriegsjahr hinein, lebte ich in einer anderen Welt als die anderen, in einer Welt ohne Schulzwang, ohne Uniformenzwang, ohne Aufmärsche, Fahnen, Lautsprecher - in der Welt Karl Mays. Oder war es nicht doch mehr eine eigene, die mir Karl May nur erschaffen half? So kam es mir vor, wenn ich ihn heute wieder lese.

An Karl May habe ich lesen gelernt, im schulmäßigen und im literarischen Sinn. Die ersten Seiten im "Winnetou" waren die ersten Buchseiten überhaupt, die ich allein las. Mit vielen Fremdwörtern, fremden Namen und Begriffen war das der richtige Stoff für Lernanfänger nicht, aber literarisch war


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May eine gute Schule, weil er es einem schwer machte: der Mann hat schließlich nie an Kinderleser gedacht beim Schreiben. Bei ihm lernte man, daß lesen nicht so einfach ist wie Kuchenessen (oder Fernsehen) , und daß Vergnügen sich dabei oft erst einstellt nach intensiver Bemühung. Die wichtigste Erkenntnis aber war, daß auch Göttern, die wir uns aufrichten, um sie anbeten zu können, die Zeit bemessen ist, daß sie wie alles vergehen, und deshalb Skepsis nötig ist und kritische Wachsamkeit.

Wie ich zur Literatur kam. In: Im Querschnitt, Mittel-deutscher Verlag Halle-Leipzig, S. 154, 312.

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Horst Buchholz

geb. 1933, Schauspieler

Karl May ist nicht mal mehr an Entwicklungsländer zu verschenken - die wissen schon Bescheid.

(Auf die Frage nach der Bedeutung der Karl-May-Romane) tz München vom 25.3.1972.

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Karl Budde

(Pseudonym: Charles Berendsen), verstarb kurz nach dem 2. Weltkrieg im Alter von 62 Jahren; Europa-Flüchtling und Reporter

Unmerklich wanderten meine Gedanken zu meinem Vorbild, zu Karl May, der mit ungewöhnlicher Willenskraft seinem sich selbst gesetzten Lebensziel zustrebte, trotz tiefer Abgründe, trotz kahler Wände, die ihn umschlossen hielten, trotz kalter, freudloser Luft, die ihn fast immer umgab und trotz des fürchterlichsten Sturmes, der ihn erbarmungslos so lange umtobte. Er erreichte die größte Trennung, die gewaltigste Wasserscheide und erklomm ihren höchsten Gipfel, von wo aus über alles Irdische weit hinwegzuschauen ist. Mit "Sieg, großer Sieg, ich sehe alles rosenrot!" tat er die letzten emporführenden Schritte, in jenen Augenblicken aber ohne Anstrengung, ohne jeglichen Schmerz, wie jene Auserwählten, von denen das Buch der Bücher sagt: "Sie sollen den Tod nicht kosten."

Wanderungen im amerikanischen Felsengebirge, in Karl-May-Jahrbuch, Radebeul 1923, 1924, 1925, 1926, 1927, 1928, 1929 (hier 1929, S. 84).

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Charlotte Bühler

geb. 1893, Kinderpsychologin

Karl May war Volksschriftsteller, Volksschriftsteller nicht in dem Sinn eines Rosegger, der in dem volkstümlich genannten Stil für Gebildete erzählt, sondern der gerade ohne Stil zum Volke selbst spricht.

Zur Psychologie der Volksliteratur. Karl-May-Jahrbuch, Radebeul 1919, S. 314f.

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Vicco von Bülow

(Loriot), geb. 1923, Schauspieler, Karikaturist

Ich interessierte mich für Karl May, Puccini und Operntenöre.

Katalog zur Loriot-Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum Hannover, 1988. (Zit. nach KMG-Nachrichten Nr. 85/Sept. 1990, S. 10.)

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Veit Bürkle

(eigentl. Karl Heinrich Bischoff), 1900-1978, Schriftsteller

... und in einer Reinheit der Gefühle, wie wir sie nur in der Jugend erlangen können, steckte ich als ein frühes, echtes Opfer der Liebe Band um Band meines geliebten Karl May in das Feuer, blätterte in jedem noch und schob ihn dann langsam in das prasselnde, hin und wieder brummend lodernde Brennen.

Aus: Frühe Liebesgeschichte um Karl May. Münchner Lesebogen (o.J.) Nr. 107, S. 22/23. Vollständig abgedruckt im S-KMG Nr. 70: Karl Mays Spuren in der Literatur. Erste Sammlung.

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Ulli Busch

(eigentl. Richard Walter Hahnewald), geb. 1913, Schriftsteller, Regisseur

Nach einer Lesung des (jungen) Autors "meldete sich eine alte Dame zu Wort. Sie sprach - und aller Augen richteten sich auf sie, also mußte sie der Gesellschaft etwas bedeuten - ruhig, wohlwollend, einfühlsam ... Aber wer war diese Frau? "Was denn, Sie kennen Klara May nicht? Die Frau von Karl May?" Ich schämte mich ein bißchen, war aber dann doppelt stolz ... Und - als Erinnerung an diese unerwartete Begegnung hängt noch heute das Bild eines Indianerkopfes in meinem Zimmer, das aus dem Besitz von Klara und Karl May stammt!

Sächsisches Tageblatt, 24./25.8.1985, S. 8.

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Hermann Cardauns

1847-1925, Redakteur

Mays Werke stehen turmhoch über den gewöhnlichen Skalp-, Büffel- und sonstigen Jägererzählungen. Lebhafte Phantasie und gefällige Darstellung vereinigen sich hier mit einer vielseitigen Bildung, und den Hintergrund bildet eine ernste Lebensauffassung und gründliche Kenntnisse der geographischen und ethnographischen Details. Alles für die Jugend Anstößige ist sorgfältig vermieden ...

Kölnische Volkszeitung, 1892. Zitiert nach: "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May" oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser, Freiburg i.B. 1902, S. 30.

Man braucht es Hrn. May nicht übel zu nehmen, wenn er das Blaue vom Himmel herunter erzählt. Auch wer dabei den Kopf schüttelt, kann seine mannigfachen Kenntnisse, seine Formgewandtheit und seine Erfindungsgabe anerkennen, wenn auch mit starken Reserven bezüglich der Wiederholungen und des mangelhaften Stils. Hier soll auch nicht eingehender von der Wirkung die Rede sein, welche seine ausschweifende Romantik auf jugendliche Leser ausübt ... - aber ernstlich übel nehmen muß man es ihm, wenn er e r n s t g e n o m m e n werden will. Und das tut Hr. M.

"Herr Karl May von der anderen Seite." In: Historisch-politische Blätter, 129, 7. München 1902.

Karl May war durch eine Reihe von Reiseromanen ... bekannt geworden. Sie standen bei aller wilden Phantastik hoch über den tollen Indianer-, Räuber- und Mordgeschichten, mit denen sonst die Jugend gefüttert wurde ...

Von Groll gegen ihn weiß ich mich frei, und ich verkenne nicht den tragischen Zug dieses durch und durch romanhaften Lebens.

In: Aus dem Leben eines deutschen Redakteurs. Köln 1912.

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C. W. Ceram

(eigentl. Kurt W. Marek), 1915-1972, Schriftsteller

Am Rio Pecos soll Karl Mays Winnetou, dieser edelste aller Indianer, in seinem Mescalero-Apachen-Pueblo geboren worden sein; wie oft zog er dort mit "Old Shatterhand" durch den Llano Estacado, der gleichfalls zum Südwesten gehört und der tödlich war für den, der den Pfad verließ, den ihm allein die eingerammten Pfähle wiesen.

Der erste Amerikaner, Hamburg 1972, S. 72.

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Clara Cerio geb. Wiedermann

(pseudonym: Claretta Cerio), geb. 1927, Schriftstellerin

Das Ende des dreibändigen "Winnetou" las ich eines Nachts im Bett mit der Taschenlampe. Auf den Schlußseiten stirbt Winnetou, dieser unvergleichliche Held, und nicht genug, mit seinen letzten Atemzügen bekennt er sich auch noch als Christ. Die Rührung war so überwältigend, daß ich laut zu schluchzen anfing und Mama im Nachthemd verschreckt in unser Kinderzimmer stürzte und unbedingt wissen wollte, was mir fehlte.

Nachts lesen, und noch dazu mit der Taschenlampe, war strengstens verboten, aber vor allem wußte ich, daß ihr Winnetou ferner war als der Mond, deshalb stöhnte ich nur: "Mir ist so schlecht ..." und bekam am nächsten Morgen eine Portion Rizinusöl.

Mit Bedenken versetzt. Franz Schneekluth Verlag, München 1981.

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Piero Chiara

geb. 1913, italienischer Schriftsteller

erzählt in seiner Kurzgeschichte "Nelle Montagne Rocciose" (Im Felsengebirge), wie er als Schüler am Collegio Salesiano am Lago Maggiore entdeckt, daß der weitgereiste Missionar und hochgeehrte Monsignore Ugo Mioni von Karl May "abgeschrieben" hat.

Erschienen im Sammelband "Di casa in casa, la vita"; abgedruckt im S-KMG Nr. 85, Karl Mays Spuren in der Literatur. Vierte Sammlung.

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Friederike Chudoba

österreichische Schriftstellerin

schrieb einen dreibändigen Roman mit dem Titel "Winnetou und Tapferes Herz", in dem nicht etwa Karl May "weitergeschrieben" wird. Die Autorin erzählt von einer Europäerin, die Winnetou bis zu dessen Tod verbunden war und betritt damit einige weiße Flächen, die May in seinem Phantasie-Panorama noch gelassen hatte, das "weite Land, das von einer Frauenseele umschlossen wird"

Erschienen im Verlag Pollischansky, Wien (1989).

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Gordon A. Craig

geb. 1913, Historiker

Karl May, der große Meister des Eskapismus ...

Als Phantasielieferant für ein von der Monotonie des Alltagslebens gelangweiltes Publikum wie auch für so sehr verschiedene Außenseiter wie Albert Einstein und Adolf Hitler, die beide später eingestanden, seine Bücher verschlungen zu haben, war May so erfolgreich zum Teil wegen seiner Detailgenauigkeit in der Beschreibung von Ländern, die er nie gesehen hatte (deutsche Reisende, die durch die amerikanischen Prärien kamen, behaupteten bisweilen, sie hätten die Landschaft nach ihren Winnetou-Erinnerungen wiedererkannt), aber gewiß vor allem wegen der Traumelemente in seinen Erzählungen, die alles und jedes möglich machten.

In seinen letzten Jahren wandte sich sein Denken immer mehr dem Mystischen zu, und gleich einem zweiten Heinrich von Ofterdingen auf der Suche nach der blauen Blume reiste er im Geist in das exotische Land Djinnistan, wo ihm gewiß die letzten Geheimnisse des Universums offenbart wurden und er erfuhr, wie die Welt von Industrialismus und Materialismus befreit werden konnte.

Über die Deutschen. Dtv München (3) 1987, S. 229f.

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Utta Danella

(eigentl. Utta Schneider), Schriftstellerin

Ich meine, Karl May ist ein Schriftsteller von großem Talent, mit beneidenswerter Phantasie und von erstaunlicher Intuition. Nicht alle seine Bücher sind gleich gut, viele seiner Romane sind zu sehr dem Geschmack seiner Zeit verhaftet, also für uns heute schwer zu lesen. Aber die Reiseerzählungen, sei es Amerika oder Orient, Winnetou und Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und seine Umgebung sind immer noch große Klasse. Das hat ihm bisher keiner nachgemacht.

Aus einem Privatbrief vom 14.11.1973. Für ihre Sammlung "Das Paradies der Pferde. Die schönsten Reitergeschichten" wählte Utta Danella (Herausgeberin) "Rihs Tod" von Karl May aus. In: Heyne-Buch Nr. 5286, S. 89101. Im FAZ-Fragebogen (FAZ Magazin 1983) nennt sie als ihre liebsten Romanhelden: Winnetou, Ravic.

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Theodor Däubler

1876-1934, Schriftsteller

In dieser Wildtöterbude hatte sich Theodor Däubler auf eine mit Grizzlyfell bedeckte Couch hingestreckt und lag wie der sein Füllhorn über Ägypten ausgießende "Vater Nil" - nur goß der Dichter Gespenstergeschichten aus ... Einen indianischen Federkranz, den rotweißen Federschmuck eines Siouxhäuptlings, hatte er sich auf sein Mähnenhaar gesetzt, und er war auch wirklich ein Häuptling unter diesem kleinen Volk der Schreiber - in der Linken schwang er ein Indianerbeil, in der Rechten ein dampfendes Stück "Bärenschinken", den Patty Frank mit einem Skalpmesser von einem in Brotteig eingekrusteten Lukullusschinken säbelte. Während das Feuer bei hochsommerlicher Hitze im Kamin krachte, echtes Wildnisleben vorräuchernd, unterhielt Däubler die Stube mit seinen Geistergeschichten, Geschichten am Lagerfeuer. An der Wand war eine Vitrine befestigt, ein Schaukasten für Old Shatterhands Bärentöter-Büchse und für Winnetous, des roten Gentlemans, Silberbüchse.

Friedrich Schnack: Mit Theodor Däubler im Karl-May-Museum. INFORM Nr. 7, März 1974, S. 28. Beilage zu M-KMG.

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Günther Deicke

geb. 1922, Lyriker

Natürlich verschlang ich auch meterweise Karl May.

Das schönste Buch der Welt. Wie ich lesen lernte. Berlin/Weimar 1973, S. 95.

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Willy Birgel Ernst Bloch
Heinrich Böll Bertolt Brecht


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Hans Demel

Professor, Direktor des Kunsthistorischen Museums

Wien

Ja, es gibt so manchen Forscher, dem erst die Lektüre von Karl Mays Orientbänden die Liebe zum Orient entflammte und ihn bewog, die Forscherlaufbahn einzuschlagen und ihn dankbar zurückdenken läßt an die Zeit seiner ersten Orientstudien in seinem geliebten Karl May.

In: Karl May und der Orient, Karl-May-Ausstellung des Museum für Völkerkunde in Wien, Wien 1949, S. 15.

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Günther Deschner

geb. 1941, Reporter und Publizist

"Es gibt kein Land der Erde, das so zahlreiche Rätsel birgt wie der Boden, den die Hufe meines Pferdes berührten. Es ist eine Landschaft, in der Völkerhaß, wilder Fanatismus und die Geißel der Blutrache Legionen von opfern gefordert haben." So war es vor fast genau 100 Jahren in einer Fortsetzungsgeschichte in dem katholischen Familienblatt Der "deutsche Hausschatz" zu lesen.

Der Held der Erzählung, ein deutscher Reisender, dem der Autor den Namen Kara ben Nemsi verliehen hatte, beschrieb darin seine Abenteuer während einer Reise von Mossul bis in die uralte Kurdenstadt Amadijah. Der romanhaft-fiktive Bericht, der später auch als Buchausgabe erschien und seither über Generationen hinweg ein in Millionen zu zählendes Lesepublikum gefunden hat, trug den reißerischen Titel "Durchs wilde Kurdistan", und sein Autor war der sächsische Hilfslehrer und vielleicht erfolgreichste Volksschriftsteller aller Zeiten, Karl May ...

Die Schilderungen waren so ungekünstelt, die Darstellung aller Personen so wirklichkeitsnah, die Beschreibung von Städten, Dörfern und Einrichtungen so zutreffend und die Skizzen der Landschaft so plastisch, daß sie sich von nahezu allen anderen Reiseromanen des Autors ... sehr vorteilhaft unterschieden.

Mancher Reisende späterer Jahrzehnte und selbst nüchterne Wissenschaftler konnten nicht umhin, die Realitätsbezogenheit der Erzählung zu rühmen. "Gemeinhin weiß man von diesen Kurden in Europa nicht viel mehr", so urteilte beispielsweise der deutsche Anthropologieprofessor Egon von Eickstedt noch 1961, "als daß sie Räuber seien und den türkischen und persischen Regierungen gelegentlich ernste politische Schwierigkeiten bereitet haben sollen. Mehr noch, und nicht einmal das Schlechteste, trug zum allgemeinen Bildungsstand


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und zu Ruhm und Ruf der Kurden - geben wir das offen zu - Karl May bei, obwohl er selbst nie 'durchs wilde Kurdistan' reiste und es doch besser beschrieb als manche, die dort waren."

"Saladins Söhne. Die Kurden - das betrogene Volk", München 1983, S. 45-46.

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Karlheinz Deschner

geb. 1924, Schriftsteller

Zwar hielte ich Karl May, läse ich ihn wieder, schwerlich für einen "Dichter", einen "der besten deutschen Erzähler", "Großmystiker" gar - doch mit dreizehn, vierzehn, ich bekenne es dankbar, nahm seine Phantasie mich gefangen, haben seine Figuren mich begleitet, ja, einige blieben mir unvergeßlich durch all jene Jahrzehnte, in denen soviel "seriösere" Literatur mein Leben versaute.

In einem Brief (11.5.1987) an Erich Heinemann. Die Apostrophierungen beziehen sich auf Aussprüche von Heinrich Mann, Ernst Bloch und Arno Schmidt (s. dort).

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Bernhard Diebold

1886-1945, Kritiker

Seine pädagogische Leistung ist ganz gewaltig. Wir Buben lernten von ihm nichts Geringeres als "die Welt"... Forst-Battaglia betont mit vollem Recht die ethische Wirkung des Volksschriftstellers Karl May an erster Stelle. Nicht die Leistung, sondern die Wirkung ist soziologisch entscheidend ... Der Vergleich (mit Courths-Mahler, Anm. d. HG) ist abzulehnen, und zwar kurioserweise aus Gründen der künstlerischen Wahrheit. Die Courths-Mahler fingiert mit ihren Puppen eine Gegenwart in einem schematisch deutschen Volke, wie es nicht mehr existiert. May aber versetzt ... seine Helden und Halunken zwischen exotischen Kulissen in die unalltäglichen Abenteuer, die ... ethisch stilisieren ... Darum liest der Gebildete die Courths-Mahler nicht. Darum aber schwelgt er in der Volksromantik Karl Mays. Über dieser Wirkung des Pädagogen hat die breite Öffentlichkeit den Verbrecher völlig vergessen. Man akzeptiert den Mythus dieses Mannes, nicht seine Biographie ...

Karl May. Vom Schwindel zum Mythus. Frankfurter Zeitung 249, 3.4.1931.

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Hermann Dietzfelbinger

19o8 - 1984, Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern

Erinnert sich an seine Jugendjahre im Pfarrwaisenhaus Windsbach: ... die lateinische Grammatik wurde oft genug durch Karl May geschlagen, dessen "Winnetou" wir sogar in den Pflicht-Arbeitsstunden verbotenerweise lasen.

Veränderung und Beständigkeit - Erinnerungen. München 1984, S. 35.

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Hoimar von Ditfurth

1921 - 1989, Wissenschaftspublizist

In sein Buch "Kinder des Weltalls" schrieb er 1970 folgende Widmung:

"Herrn H.0. Hatzig mit freundlichen Grüßen (sowie der Bitte um Nachsicht dafür, daß Karl May in dem ganzen Buch mit keinem Wort erwähnt wird)."

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Max Dittrich

1844 - 1917, Schriftsteller

May ist jedenfalls ein höchst merkwürdiger und eigenartiger Mann und Charakter, und wenn er einst aus dem Leben geschieden ist, werden gewiß nicht nur seine näheren Freunde sowie die Angehörigen der Maygemeinde in der weiten Welt, sondern auch die deutsche Literatur und die Gelehrtenwelt endlich auch zu der Überzeugung kommen, daß er ein seltener und nicht leicht zu ersetzender Geist gewesen ist, der einen Nachfolger auf dem von ihm geschaffenen Arbeitsfelde wohl schwerlich haben wird.

Karl May und seine Schriften, Dresden 1904, S. 80.

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Heimito von Doderer

1896 - 1966, Schriftsteller

Bei nicht viel späterer Gelegenheit berichtete er, Gütersloh hätte ihm eben voll Begeisterung den "Schut" von Karl May gebracht - ein "Meisterwerk", das Doderer "mit höchster Bewunderung" las und als ideale Vorlage für ein romantisches Opernlibretto betrachtete.

Wolfgang H. Fleischer, Von Doderer zu Pelimbert. Erinnerungen an Heimito von Doderer (Hrg. Xaver Schaffgotsch). München 1972, S. 54.

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Alfred Döblin

1878 - 1957, Schriftsteller

Der Tagesroman wird sich nicht eher erholen, als der Grundsatz zum Durchbruch kommt: mulier taceat, zu deutsch: die Liebe hat ein Ende. Der geschmähte Räuberroman, Karl May, die Schundliteratur ist besser. Sie quillt stärker, breiter, auch aus stärkeren, reicheren und reineren Instinkten.

Aufsätze zur Literatur. Olten und Freiburg/Br. 1963, S. 23. Zitiert nach Wolfgang Reif, Zivilisationsflucht und literarische Wunschträume, Stuttg. 1974, S. 106.

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Hilde Domin

geb. 1912, Lyrikerin, Erzählerin

Ich habe als Kind Karl May mit Begeisterung gelesen. Wie hätten sich daneben "Trotzköpfchen" oder die Spyri behaupten können, diese damals übliche Lektüre für kleine Mädchen. Besonders gern las ich die ersten 6 Bände, die nahöstlichen und balkanischen Abenteuer. Die Fresken im Foyer des früheren Kölner Opernhauses verbinden sich in meiner Erinnerung mit Karl May. Mein Vater erklärte mir nämlich, daß sie von dem Maler Sascha Schneider stammten, der auch die Bücher Karl Mays illustriert hätte.

Als Kind interessierte ich mich für den Rappen Rih, durchaus nicht für die Person des Autors. Kürzlich erfuhr ich in Oberbozen, daß Karl May im Penegal Ferien machte: auf der gegenüberliegenden Bergkette. Das hörte ich immer noch mit Rührung und Interesse.

In einem Brief (Mai 1987) an Erich Heinemann.

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Carl-Heinz Dömken

geb. 1929, Journalist, Zeichner

Karl Mays Wunderhengst Rih hatte es mir angetan. Auf dem Schulweg träumte ich von ihm, des Nachts las ich immer und immer wieder die spannenden Abenteuer, die Kara ben Nemsi auf seinen Ritten durch die Wüste, durchs wilde Kurdistan, von Bagdad nach Stambul, in den Schluchten des Balkan, durch das Land der Skipetaren - immer auf der Jagd auf den Schut - mit seinem Rapphengst erlebt hatte.

Mein Rih, Friedberg 1979, S. 313.

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Hans Dominik

1872 - 1945, Schriftsteller

Ah, das waren noch Kerle da in dem Buch! Der braune Winnetou und Old Shatterhand, die alte Schmetterhand, der unscheinbare alte Trapper, der so gigantische, märchenhaft wirkende Backpfeifen auszuteilen verstand. was waren alle Kinnhaken und Upper-Cuts der Neuzeit im Vergleich mit diesen pyramidalen Maulschellen!

Moderne Piraten, Stuttgart 1931.

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Marion Gräfin Dönhoff

geb. 1909, Journalistin, Schriftstellerin

Verantwortung zu tragen, das wurde uns nicht gepredigt, das ergab sich einfach in der Gemeinschaft. Unsere Spielgefährten waren Dorfkinder, und es war klar, daß wir es waren, die für zerbrochene Fensterscheiben oder abhandengekommenes Werkzeug die Schelte bekamen - dafür sorgten schon die Handwerker, die keineswegs glimpflich mit uns umgingen. Petzen, sich drücken und einwenden, das waren nicht wir, das war der und der, das wäre ganz gegen unsere an Karl May geschulten Begriffe von Edelmut und Fairneß gewesen.

Kindheit in Ostpreußen. Berlin 1991, S. 75f.

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Emil Dovifat

1890 - 1969, Publizist

Karl May ist künstlerisch und literarisch nicht zu werten. Er ist aber ein fruchtbarer Unterhaltungsschriftsteller von einer unerhört großen Phantasie und einem Gefühl für fremde Völker und Länder, das in beachtenswerter Weise durch seine spannenden Darstellungen auf den jungen Menschen einwirkt. Ich bejahe also seine Aufgabe als Jugendschriftsteller.

Zick Zack, Jugendzeitschrift o.J. (1947?).

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Jörg Drews

geb. 1938, Schriftsteller

Der Naivität, dem Dilettantismus und den vielfältigen Verschleierungen und Irrtümern, die jahrzehntelang die Erforschung von Leben und Werk Karl Mays beherrschten, wird seit 1970 von der Karl-May-Gesellschaft systematisch ein Ende bereitet ...

Süddeutsche Zeitung, 13./14.7.1974.

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Ingeborg Drewitz

1923 - 1986, Schriftstellerin

... kann ich Ihnen nur schreiben, daß ich Karl May eher zufällig gelesen habe. Und zwar während der langanhaltenden Reden Hitlers, die wir in den ersten Nazijahren als Schülerinnen in der Aula absitzen mußten, bei einer kreischenden Lautsprecheranlage. Eine Mitschülerin, die einen Bruder hatte, brachte die Bände mit und verteilte sie an Interessenten. So ist die Spannung der Karl May'schen Romane das einzige, was mir noch erinnerlich ist, eine willkommene Spannung während der quälend pathetischen Reden. Immerhin erstaunlich: Kein Lehrer hat uns die Bücher weggenommen!

In einem Brief vorn 22.6.1986 an Erich Heinemann.

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Adolf Droop

1882 - 1938, Lehrer und Schriftsteller

Wir wollen uns entsinnen, daß Mays Bücher keine (bloßen) Unterhaltungsschriften sein sollen, sondern daß die erzieherischen Tendenzen ihr Wesen ausmachen ...

An May als Schriftsteller mag ein anderer vielleicht noch mehr auszusetzen finden als ich, mit seinem Gottesglauben mag man nicht harmonieren; wer aber May als Ethiker und gar als Menschen feindlich ist, bekennt sich damit nicht eben als einen Ben Nur, als einen Sohn des Lichtes.

Karl May. Eine Analyse seiner Reiseerzählungen. Köln 1909, S. 197.

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Marie Luise (Lu) Droop

1890 - 1959, Übersetzerin, Filmautorin

Wer Karl May persönlich kennt, seine schönen, tiefen Augen gesehen, aus denen sich zuweilen Flammen lösen, begreift, daß er nicht als Schriftsteller, sondern vor allem als Mensch zu werten ist, falls man ihm gerecht zu werden wünscht.

Zitiert nach: M-KMG Nr. 37, S. 14.

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Friedrich Dürrenmatt

1921 - 1990, Schriftsteller, Dramatiker

Ich glaube, überhaupt, daß die Jugendlektüre etwas vom Wichtigsten ist, das es gibt. Mich haben zum Beispiel zwei Bücher sehr aufgeregt: "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde"


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von Jules Verne - da ist wieder dies Motiv des Hineingehens in die Erde ... - ; ein anderes Buch war "Ardistan und Dschinnistan" von Karl May mit dieser Totenstadt, also ein ähnliches Motiv. Ich frage mich überhaupt, ob nicht auch für Kafka dieses Werk von Karl May eine Bedeutung gehabt hat - man weiß da ja viel zu wenig über die Wirkung von Jugendschriften.

In: Friedrich Dürrenmatt, Gespräch mit Heinz Ludwig Arnold. Verlag der Arche, Zürich, S. 14.

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Manfred Durzak

geb. 1938, Literaturwissenschaftler

Winnetou, der nach dem Willen seines Autors alles andere als ein Naturbursche ist, vielmehr - im Sinne Schillers - ein sentimentalischer Indianer, der sich selbst und die Geschichte seines Volkes in der mythologisch verblasenen und sich ideologisch rechtfertigenden Literatur der weißen Unterdrücker reflektiert, Winnetou also scheint zumindest gegen Ende der Romantrilogie ganz die fromme Nachfolge Hiawathas anzutreten. Auch er ist nach dem Willen seines Autors sozusagen ein natürlicher Christ.

Winnetous christliche Himmelfahrt. Die Welt, 6.4.1974.

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Karl Heinz Dworczak

1891 - 1980, Musikkritiker

In Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi verdichten sich die Eigenschaften aller Helden, wie sich im Filmatelier die Strahlenbündel der Jupiterlampen auf den vielbewunderten Star konzentrieren. So wird die Lektüre Phantasieersatz für die stoffhungrigen Leser. So wird Karl May zum modernen Märchenerzähler.

Karl May. Das Leben Old Shatterhands. Salzburg 1950, S. 97.

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Umberto Eco

geb. 1932, Schriftsteller

Vergleicht die malaiischen Romane von Joseph Conrad mit denen von Emilio Salgari, der in einer Fußnote als der "italienische Karl May" bezeichnet wird, und fährt fort:

Bekanntlich ist er (wie Karl May) nie oder fast nie gereist ...

Über Gott und die Welt. Carl Hanser Verlag München, S. 234.

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Kasimir Edschmid

1890 - 1966, Schriftsteller

Aber Ganghofer? Liest man ihn in der Tat noch? Karl May hätte mir besser gefallen. Er hat zwei Kriege, zwei Inflationen und eine Diktatur überstanden, ohne seine frischen Wangen zu verlieren. Wenn im Fasching die Knaben in den rheinischen Städten als Trapper und Indianer herumlaufen, so kommt das nicht etwa von Cooper. Es kommt von Karl May, diesem seltsamen Sachsen, der, ehe er Winnetou erfand und Bücher schrieb, wegen Straßenraubs schon im Zuchthaus gesessen hatte.

Tagebuch 1958-1960, Wien-München-Basel o.A. (1960), S. 89.

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Axel Eggebrecht

geb. 1899, Publizist, Filmautor

Die Wahrheit war, daß ich irgendwann in "Old Surehand" geschmökert hatte, ohne rechte Passion. Bei aller Aufsässigkeit hatte ich ein scharfes Ohr für kritische Urteile der Haustanten, sicher auch meines Vaters. Und eben weil ich wußte, daß fast alle Schulgenossen den gewaltigen Abenteurer verehrten, übernahm ich das Verdikt: Ein wertloser Kram, alles in Radebeul aus den Fingern gesogen! Nie war dieser sächsische Trapper in Arizona gewesen!

Ich erfuhr die Lebensgeschichte des vor kurzem verstorbenen Vielschreibers, und es kam heraus, daß Rudolf (Rudolf Ditzen, später bekannt als Schriftsteller Hans Fallada) nicht so sehr den Autor bewunderte, der Kara ben Nemsi in unerhörte Abenteuer verstrickte, nicht den Schriftsteller Karl May, sondern den Mann, der jahrelang im Gefängnis saß, ein Dieb, ein Feind der biederen Bürger, ein Verbrecher. Der dann doch reich und berühmt wurde. Aber nie vergaß ihm die zahme Bande der Richter und, nun ja, die Ärzte und Beamten und Lehrer seine Vergangenheit. Er blieb für sie alle ein Verbrecher! Darum gerade müsse man ihn lieben!

Der halbe Weg. Zwischenbilanz einer Epoche. rororo-TB 4813, S. 25/26.

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Harald Eggebrecht

geb. 1946, Publizist

Karl May gehört nicht zum Regelkanon der Literatur, wie ich meine, zum Glück. Wie sehr er frei von Wertigkeiten, Rang und Tradition war im Sinne des Kanons und der Literaturkritik hat er selbst listig formuliert: ich bin ja niemand für die Intellektuellen und Kunstkritiker. Was ich geschrieben habe, spielt sich auf einer anderen, "seelischen" Ebene ab. Da steckt eine gehörige Portion Selbsterkenntnis drin, zumindest muß er eine Ahnung besessen haben von der Seltsamkeit seiner Texte.

In: Karl May der sächsische Phantast. Studien zu Leben und Werk. Hg. von Harald Eggebrecht. Fischer-Taschenbuch 6873, Frankfurt/M. 1987, S. 151.

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Albert Ehrenstein

1886 - 1950, Erzähler, Lyriker

Was wirft man dem Typus Karl May noch vor? Er verderbe die deutsche Jugend, erziehe systematisch zu Diebstahl, Totschlag, Mord - kurz zu unbürgerlichen Abenteuern. Wenn das wahr wäre, was ich nicht glaube, schiene es mir nur ein Werkzeug der Vergeltung. Durch seinen Einfluß nähmen dann die toten Indianer schwache Rache an der polwärts fortwuchernden europäischen Kultur.

Ein "Fall" Karl May? (1912) Zitiert nach: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1971, S. 234/35.

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Günter Eich

1907 - 1972, Dramatiker

Gedenke noch bisweilen der Knaben-Phantasie. Einst über Meer und Meilen flogst du in die Prärie.

Gedenke noch bisweilen Sie hält nicht nur die Spuren

der Knabenphantasie: von Huf und Mokassin, -

Einst über Meer und Meilen all deine Träume fuhren

flogst du in die Prärie. Mit übers Grasland hin ...

Eich schrieb 1935 ein "Winnetou"-Hörspiel (Die letzte Spur, Fährten in die Prärie), das eine versteckte Huldigung für Gottfried Benn zu dessen 50. Geburtstag war. Benn hieß unter seinen Freunden "der große Manitou". Vgl. Die deutsche Literatur im Dritten Reich, Stuttgart 1976, S. 480; M-KMG Nr. 17, S. 28f. und Nr. 18, S. 16.

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Hans Eich

geb. 1903, Schriftsteller

May bewies damit schon früh eine Fähigkeit, die ihm als Schriftsteller ungeheuer nützlich werden sollte: er konnte stehlen wie ein Nachtrabe und wußte sich das Gestohlene so anzueignen, daß es bruchlos in seine Schilderungen hineinpaßte. Nur so sind die farbigen Beschreibungen seiner Landschaften erklärbar, denn die Schauplätze seiner Bücher hat er niemals selbst gesehen.

Falsch aus der Feder geflossen. München 1964, S. 90-98.

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Franz Eichert

1857 - 1927, Schriftsteller

Schon das bißchen christliche Moral, das Karl May seinen Werken beimengt, wirkt wie ein rotes Tuch auf den Kritiker (gemeint ist Dr. Hugo Eick; d. Hrg). Gegen die praktische Verkündigung einer Herren- und Übermenschenmoral, die sich den Teufel um Gott und Gesetz schert, hätte der letztere aber nichts einzuwenden. Darf man sich da wundern, daß katholische Schriftsteller vor dem Richterstuhle solcher "voraussetzungsloser Kritik" überhaupt nicht bestehen können?

"Karl May". Der Gral, 11/3. 15.12.1907, S. 135.

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Albert Einstein

1879 - 1955, Philosoph

Weil ich stets gefunden habe, es sprudele in Karl Mays Schriften noch der Urquell unseres knabenhaft gebliebenen, aber durchaus gesunden Dranges nach der romantischen Ferne, nach Abenteuern und dem Verlangen zu erfahren, wie andere Völker mit dem Leben fertig werden ...

Zitiert nach die therapie des monats, Mannheim, Heft 9/1960, S. 44. Es handelt sich um einen Bericht von A.W. Conrady; vgl. hierzu den Ab-

schnitt: Albert Schweitzer.

Die meisten Reisebücher, die ich las, haben mich gelangweilt, ein Karl-May-Buch nie.

Tafel im Karl-May-Museum Radebeul. (Bei einem Zusammensein 1949 sollen sich Einstein und Schweitzer voller Begeisterung an den Favoriten ihrer Jugend erinnert haben.)

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Pierre Brice C. W. Ceram
Marion Gräfin Dönhoff Marie Luise Droop


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Carl Einstein

1885 - 1940, Schriftsteller, Kunstwissenschaftler

Das entscheidende Erlebnis war natürlich Karl May, und der Tod Winnetous war mir erheblich wichtiger als der des Achill - und ist es mir immer geblieben.

Zitiert nach Ludwig Wien, Evangelische Kirchenzeitung für Baden, 12/87, 22.3.1987, S. 12, und Susanne Brenner, Saarbrücker Zeitung v. 27.3.1987.

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Lotte H. Eisner

1896 - 1983, Filmhistorikerin

Das kleine liebe Mädchen, das brav in der Ecke sitzt und mit den Puppen spielt, das war ich nicht ... Als mir mit sieben, acht Jahren von meinem drei Jahre älteren Bruder der "Karl May" in die Hände gespielt wurde, benutzte ich meine Puppen höchstens zum Skalpieren ...

Ich interessierte mich schon sehr früh für römische und griechische Kultur und nahm die Gelegenheit wahr, die alten Sprachen zu lernen ... Meine Vorliebe für griechische Kunst ging schon Hand in Hand mit der Karl-May-Leidenschaft.

Ich hatte ein schönes Vaterland. Memoiren. Heidelberg 1984, S. 9, 27.

Und dann hat er (Hans Jürgen Syberberg) mich gezwungen, mir seinen Karl-May-Film anzusehen, wo Käutner gut war, aber der Film war unerträglich langweilig, und ich war als Kind begeistert von Karl May, genau wie Fritz Lang, den Karl May so beeindruckt hat, daß man an seinen Abenteuerfilmen deutlich den Einfluß sieht.

Süddeutsche Zeitung, 6.9.1982.

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Michael Ende

geb. 1929, Schriftsteller

Im übrigen beschränkten sich seine literarischen Genüsse auf Bücher wie "Pu, der Bär". Später kamen Karl Mays Werke hinzu, doch mit dieser Lektüre nahm es ein jähes Ende: Als Michael nämlich eines Abends vom letzten Winnetou-Band nicht lassen wollte - "Nur noch dieses Kapitel, Mama!" - und weiter und weiter las, statt ins Bett zu gehen; und als die Mama endlich dahinter kam, daß er sich heimlich immer neue Kapitel vornahm - da wurde Lise vom heiligen Zorn ergriffen, und sie steckte das Buch in den Kanonenofen (wo es verbrannte). Jämmerliches Geschrei beim verhinderten Leser, der nun den Tod des Apachenhäuptlings versäumte, und Schluchzen die halbe Nacht, bis die rabiate Mutter Reue packte. Sie versprach Ersatz für das Exemplar im Ofen. Doch tags darauf gab


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es in den Buchhandlungen ganz Münchens den letzten Winnetou-Band nicht, und Michael sollte die näheren Umstände des Indianertods nie erfahren.

Als er schon berühmt war, brachte ihm eines Tages ein Verehrer, der von dieser Geschichte gehört hatte, das Buch als Geschenk ins Haus. Ende hat es ungelesen beiseite gelegt - zu spät, für ihn lebt Winnetou heute noch.

Peter Boccarius, Michael Ende. Der Anfang der Geschichte. München 1990, S. 71.

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Eduard Engel

1851 - 1938, Literaturhistoriker

Karl Mays Lebenswerk gehört nicht zum Bleibenden im Sinne dieses Buches; es enthält keine ewigen Lebenswerte, auch nicht den "wertvollen Menschen", wie ihn die Lehre vom Bleibenden versteht. Aber daß es schon mehr als ein Menschenal-

ter geblieben, ist eine Tatsache, und daß er noch eine Weile lebendig bleiben wird, ist sehr wahrscheinlich.

Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1925, S. 349.

Unsere "Epochanten" sprechen seinen Namen garnicht oder, wenn dazu gezwungen, mit äußerster Geringschätzung aus. wägen wir die unbestreitbaren Tatsachen! May galt vor etwas mehr als 20 Jahren (um 1905, d. Hg.) nicht nur als ein bloßer Schmierer, sondern einige damals sehr groß dastehende und sich noch viel größer dünkende Führer der öffentlichen Meinung hatten Karl May als einen Rinaldo Rinaldini unsrer Zeit hingestellt. Ferdinand Avenarius ... hatte einen Vernichtungsfeldzug gegen den Jugendverderber und einstigen Verbrecher Karl May eröffnet und hetzte den armen alten Mann in die Verzweiflung. Avenarius ist erst fünf Jahre tot und ist schon versunken; May ist 1912 gestorben und lebt, ist

sogar wie die Auflagen seiner Bücher beweisen, noch im Aufsteigen.

Eduard Engel, Menschen und Dinge. Aus meinem Leben. Leipzig o.J. (1929), S. 257.

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Bernt Engelmann

geb. 1921, Schriftsteller

Es muß im Sommer 1930 gewesen sein, da war ich 9 Jahre alt ... Einer meiner Mitschüler lieh mir ein Buch, von dem er begeistert war: Karl May, Der Schatz im Silbersee. Mein Großvater, der mich darin lesen sah, sagte: "Da habe ich etwas Besseres für Dich..." Er schenkte mir B. Travens "Der Schatz der Sierra Madre". Der Zusammenstoß meines Kopfes mit


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diesem Buch ... bewirkte .... daß ich ... den unvergleichlich besseren Stil des unpathetischen, realistischen und mit Land und Leuten spürbar bestens vertrauten Traven bemerkte und fortan gegen populäre Trivialliteratur gefeit war.

Leselieben Nr. 50, Deutsche Lesegesellschaft Mainz (1987), S. 38f.

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Hans Eppendorfer

geb. 1942, Schriftsteller

Karl May war der Lieblingsautor meiner Kindheit, meine Bibel sozusagen ... Ich habe nach wie vor ein leidenschaftliches, naives Verhältnis zu seinen Büchern.

Hamburger Abendblatt, 14./15.1.1984, S. 8.

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Max Ernst

1891 - 1976, Maler

... war bis ins hohe Alter begeisterter Leser Karl Mays.

Vgl. Rowohlt-Monographie von Lothar Fischer (Nr. 501511).


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Hans Fallada

(eigentlich Rudolf Ditzen), 1893 - 1947, Schriftsteller

Als ich ein Mann war und ein bißchen Geld hatte, habe ich mir alle fünfundsechzig Bände (von Karl May; d. Hg.) auf einmal gekauft.

Damals bei uns daheim, Hamburg (o.J.). Tom Crepon (Vorsitzender des Literaturzentrums in Neubrandenburg) berichtet in seinem Buch "Leben und Tode des Hans Fallada", Halle-Leipzig 1978, S. 37: 1932 kauft Ditzen von seinem ersten größeren Honorar die 65bändige Ausgabe der Karl-May-Bände. Er liest sie mehrere Male, sie hat noch im Bücherschrank in Carwitz ihren Ehrenplatz erhalten.

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Christian F. Feest

geb. 1945, Völkerkundler

In der Tat sind die Romane Mays grundsätzlich nicht indianerfreundlich. Die wenigen "guten" Exemplare, die vorgestellt werden, sind solche, die von Deutschen oder wenigstens vom Christentum "verbessert" wurden ... Winnetou wäre wohl kaum ein so edelmütiger Charakter geworden, hätte er nicht von den Unterweisungen seines deutschen Lehrers profitiert.

Das rote Amerika, Nordamerikas Indianer, Wien 1976, S. 23.

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Willi Fehse

1906 - 1977, Schriftsteller

... schrieb eine Erzählung "Der getreue Winnetou".

In: Die Hausmedizin, Frankfurt/m 1971, S. 159f, nach einer Episode, die Karl May bei seinem Besuch in Gartow (Kreis Lüchow) im Mai 1898 erlebte. Vgl. ferner: Erich Heinemann, Dr. Karl May in Gartow, Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1971, S. 259 ff. Die Erzählung ist abgedruckt im S-KMG Nr. 70: Karl Mays Spuren in der Literatur. Erste Sammlung.

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Friedrich Ernst Fehsenfeld

1853 - 1933, Verleger Karl Mays

Bei ihm ist keine Zeile ohne Leben, ohne innere und äußere Bewegung. Er empfindet, denkt und berechnet auf seinen Reisen wie wenige Seinesgleichen und zwingt den Leser, mit ihm zu fühlen, mit ihm zu denken und zu berechnen. Man lebt sich so in ihn hinein, daß man ganz und vollständig sein Eigen wird.


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Dazu kommt der hohe sittliche Gehalt, den alle seine Werke besitzen. Er ist, vielleicht ohne es zu beabsichtigen, ein Missionar, ein Prediger der Gottes- und Nächstenliebe, doch besteht seine Predigt nicht in Worten, sondern in Thaten.

Vorwort zu "Durch die Wüste", Bd. I von Karl May's gesammelten Reiseerzählungen, 46.-50. Tsd., Freiburg i.Br.

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Joachim Fernau

geb. 1909, Schriftsteller

Karl May war eine Gestalt, die des Studiums aller wert ist, die die ewigen Deutschen kennen lernen wollen..

Cäsar läßt grüßen. Die Geschichte der Römer. München. S. 30/31.

(Friedrich der Große - "Herrscher erwerben sich gern Beinamen. Darin offenbart sich etwas Indianisches" - im Schlesischen Kriege:)

Er überquerte die Berge und biwakierte in der Nähe von Soor in Böhmen mit zwanzigtausend Mann in einem engen Tal - was Karl May für sehr unvorsichtig gehalten hätte! Wie oft hat Old Shatterhand seine Gegner nicht in solcher Lage ratzekahl vernichtet! Dieselbe glänzende Idee kam jetzt auch Erzherzog Franz. Er teilte seine Armee, riegelte vor den Preußen den Ausgang und - alles heimlich im Dunkel der Nacht - hinter ihnen den Eingang ab, eine Aufgabe die immer Winnetou zu Übernehmen pflegte. (Doch Friedrich) war bereit und reagierte richtig: Er warf sich auf den Gegner, zerfetzte mit der Reiterei erst den einen und dann den anderen Teil der Österreicher ... Das ging, wie Karl May sagen würde, fast schneller, als man es berichten kann.

Sprechen wir über Preußen. München 1981, S. 137/38.

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Franz Fethke

geb. 1885, Lehrer

Ich ... erblickte einen ehrwürdigen alten Herrn, dessen hohe Stirn graumeliertes, langgehaltenes Haar umwallte und aus dessen gütigem Antlitz glänzende Augen forschend auf mich gerichtet waren. Vor mir stand Karl May, der mir die schönsten Jugendträume geschenkt und mich fürs ganze Leben innerlich bereichert hat!

Mein Besuch bei Karl May (1910). (Quelle nicht überliefert.) Ähnlich in: Meine Erinnerungen an Karl May aus "Raphael" (Ill. Ztschr. f.d. reifere Jugend und das Volk) Donauwörth, Nr. 5 u. 6 1921, nachgedruckt in Karl-May-Jahrbuch 1922, Radebeul.


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Iring Fetscher

Politikwissenschaftler

Für Ernst Bloch könnte ich mir denken, lagen die Dinge wahrscheinlich deshalb ganz anders, weil er in erster Linie die Verherrlichung der natürlichen Menschlichkeit bei Karl May gesehen hat, in Gestalt der Indianer und deren unverdorbenen Menschlichkeit - jedenfalls konnte er mit Karl May sehr gut das Prinzip Hoffnung verbinden, daß die Menschheit etwas in sich hat, was über die Spießigkeit, den Krämergeist hinausgeht, - wahrscheinlich war für ihn Karl May eine Befreiung ...

Dahinter steht so etwas wie eine romantische Identifikation mit den Naturvölkern, die noch nicht die Umweltzerstörung kannten, die noch in einer heilen Welt der Jägergemeinschaft leben, die zwar ihre Frauen nicht unbedingt mitherrschen lassen, aber ihre Frauen anerkennen und hochschätzen ...

Zitat aus der Sendung des Hessischen Rundfunks (1.4.91) von Helmut Fritz: "Hundert Jahre Winnetou".

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Marie-Louise Fischer-Kernmayr

geb. 1922, Schriftstellerin

Was kann man von einem Mann wie Karl May, der Generationen von Jungen, Mädchen und Männern fasziniert hat, anderes sagen, als daß er großartig ist? Auch ich habe seine Bücher in meiner Kindheit mit Begeisterung verschlungen.

Aus einem Privatbrief vom 24.4.1974.

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Otto Flake

1880 - 1963, Schriftsteller

... schrieb einen Artikel "Karl May bei den Mädchen".

In: Unterhaltungsblatt der Kölnischen Zeitung vom 24.12.1937, erwähnt in: Viktor Böhm, Karl May und das Geheimnis seines Erfolges, Gütersloh

1979, S. 71 (Anm. 92).

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Rolf Floß

geb. 1936, Schriftsteller

Das dicke Buch der Brüder Grimm geriet mir erst nach einigen Bänden Karl May zwischen die Finger. Damals habe ich es mit


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distanzierter Neugier gelesen, das weiß ich noch. In ihm siegten zwar auch die Guten, doch das zeitweise Vergessen des Hungers gelang im Licht der Karbidlampe mit Schneeweißchen und Rosenrot weniger gut. Die Treffsicherheit der Silberbüchse und Old Shatterhands Spezialschlag waren besser.

Wochenpost Berlin, 31. Jg., Nr. 51, 21.12.1984, S. 15.

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WillY Forner

1906 - 1985, Schriftsteller

Zwei Jahre nach seinem Tod beginnt der erste Weltkrieg, in dem eine Jugend verblutet, deren Denken auch von Karl May vernebelt worden war.

Dresdner Pitaval, Berlin (Ost) 1979, S. 81.

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Otto Forst-Battaglia

1889 - 1965, Schriftsteller

Sein Erdenwallen selbst war ein aus Inbrunst, Düsternis und mancherlei Licht gemengter Abenteuerroman ...

Weil es aber der Sehnsucht nach der eigenen Vollendung und der anderer geweiht war, hat der Meißner "Kleinbürger", der dieses Dasein durchlitten, es beinahe gemeistert und zum Quell köstlicher Freude, reicher Belehrung, edler Mahnung gemacht hat, seinen unverlierbaren ehrenvollen Platz in der Geschichte der deutschen Kultur und Literatur.

Karl May, Traum eines Lebens - Leben eines Träumers. Bamberg 1966, S. 198/99.

Er wird noch manchen Geschlechtern viel und vielen Geschlechtern einiges bedeuten. Sein Name ist ein Begriff geworden; seine Zeugenschaft hat historische Kraft errungen, seine literarische Position ist unbestreitbar. Zu dieser Einsicht sind wir heute über einen Mann gelangt, dessen Charakterbild fortan in der deutschen Literaturgeschichte nicht mehr schwanken wird.

In: Karl May heute, "Begegnung", Köln, 7. Jg. 1952, Heft 3. zitiert nach Viktor Böhm, Karl May und das Geheimnis seines Erfolges, Gütersloh 1979, S. 228.

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Gertrud von le Fort

1876 - 1971, Schriftstellerin

... die Dichterin ist auch der Ansicht, daß man Karl May ruhig lesen kann und soll ... Im übrigen ist er in seinem Gebiet ein sehr großer Mann gewesen.

Brief der Sekretärin, zitiert nach Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, S. 24.

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Leonhard Frank

1882 - 1961, Schriftsteller

Auf eine im Jahre 1929 von der "Literarischen Welt" veranstaltete Umfrage "Welches war das Lieblingsbuch Ihrer Knabenjahre?" antwortete L.F.: Die Romane von Karl May.

Zitiert nach: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1978, S. 254. Anm. 177. Sein Roman "Die Räuberbande" (1914) enthält Anklänge an die May-Lektüre und wurde ein Erfolg (1928 verfilmt). Im Mittelpunkt steht eine Gruppe junger Leute, die ihre von der Lektüre Karl Mays geprägten romantischen Sehnsüchte ausleben. Während die anderen sich später anpassen, folgt der eine, dem es mit dem Traum ernst war, seinem Künstlertalent. Auszüge abgedruckt im S-KMG Nr. 70: Karl Mays Spuren in der Literatur. Erste Sammlung.

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Patty Frank

(eigentl. Ernst Tobis), 1876 1959, Artist, Leiter des Karl-May-Museums Radebeul

Setzen wir uns ans Lagerfeuer im Squatterwigwam, Patty, und denken wir an die good old days, an Buffalo Bill, an Plenty Wolves und Old Shatterhand! Wozu viele Worte machen? All das ist ja nicht tot, wenn es auch vergangen ist. Old Shatterhand und seine Indianer leben. Sie sind unsterblich wie die Romantik ...

Ein Leben im Banne Karl Mays, Radebeul 1935, S. 36.

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Wilhelm Fredemann

1897 - 1984, Schriftsteller

Die schönste Geschichte auf einem Standesamt hat sich aber Zuckmayer geleistet, als er in bubenhafter Begeisterung für Karl May seine Tochter mit dem Namen Winnetou anmeldete. Mich hat immer der Standesbeamte interessiert, der das zuließ. Aber Zuckmayer hat mir vor Jahren einmal erzählt, daß


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er zu dem Mann, der vermutlich ein ordnungsmäßiger Berliner Protestant war, gesagt hat: Was, Sie kennen die schottische Heilige nicht? - und dieses Nichtwissen hat der Beamte doch nicht auf sich sitzen lassen können. So ist diese herrliche Geschichte passiert.

Der dankbare Varus. Erlebnisse und Begegnungen. Frankfurt/M 1979, S. 66.

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Herbert Frenzel

geb. 1908, Herausgeber, Schriftsteller

Was danach übrigbleibt, ist nicht mehr viel: ... der Band Lederstrumpf unter dem Weihnachtsbaum, und speziell in Deutschland immer noch Karl May, der bei der Jugend aber auch schon durch den Film ziemlich in den Hintergrund gedrängt wurde und dem neuerdings durch die Verfilmung Winnetous das endgültige Ende droht - zumindest als Lesestoff.

Vorwort zu: Western Saga, Klassische Wildwestgeschichten herausgegeben von Herbert Frenzel, Köln - Berlin 1946, S. 10.

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Joseph Frings

1887 - 1978, Kardinal

... ließ sich von seinem Sekretär Karl May vorlesen.

Nach: Kölnische Rundschau vom 22.12.1978.

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Gustav Fröhlich

1902 - 1987, Schauspieler

Bevorzugte Lektüre: Jack London und Karl May.

Nach: "Wochenend", Zeitschrift vom 1.9.1949 ("Unsere Filmsterne").

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Erich Fromm

1900 - 1980, Psychologe

Aus Fromms Hitler-Analyse:

Diese Neigung (Hitlers, d. Hg.) zur Welt der Phantasie kam auch in seinem leidenschaftlichen Interesse für die Romane von 'Karl May' zum Ausdruck. In Deutschland und Österreich lasen praktisch alle Jungen die Geschichten von Karl May. Hitlers Begeisterung für sie war also für einen Jungen in


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den letzten Jahren der Volksschule völlig normal, aber Smith (B.F. Smith, Hitlerbiograph, d. Hg.) ... ist der Ansicht, daß die Begeisterung Hitlers für die Romane von Karl May für ihn ein so beglückendes Erlebnis war, daß er sie "in eine Periode hinübernahm, in der es ihm nicht gelang, mit der Pubertät fertig zu werden ..." Dies könnte zwar bis zu einem gewissen Grade zutreffen, doch glaube ich, daß es den wichtigsten Punkt außer acht läßt. Man muß Mays Romane im Zusammenhang mit Hitlers Kriegsspielen und als Ausdrucksmöglichkeit für sein Phantasieleben sehen. Sie passen zwar gut in ein bestimmtes Alter. Aber daß sie ihn auch weiterhin faszinierten, legt die Vermutung nahe, daß sie für ihn eine Flucht aus der Realität darstellten, eine Manifestation einer narzißtischen Haltung, in deren Mittelpunkt das Thema: Hitler, Führer, Kämpfer und Sieger, stand. Gewiß gibt es hierfür nicht genügend überzeugende Belege. Aber wenn man Hitlers Benehmen in diesen Jugendjahren mit den Daten aus seinem späteren Leben in Beziehung bringt, dann ergibt sich ein bestimmtes Verhaltensmuster: das eines außergewöhnlich narzißtischen, introvertierten Menschen, dessen Phantasiewelt für ihn realer war als die Realität selbst.

Erich Fromm: Gesamtausgabe. Hrsg. v. Rainer Funk, Stuttgart 1980, Bd. VII, S. 347f.

May war ein deutscher Schriftsteller, der viele faszinierende Geschichten über die nordamerikanischen Indianer geschrieben hat, die ganz wirklichkeitsnah geschrieben waren (im original: that had the color of reality), obwohl der Autor niemals auch nur einen Indianer gesehen hatte.

(Diesen Satz aus dem amerikanischen Original hat Fromm nicht mit in die deutsche Fassung übernommen, da er ihn für deutsche Leser wohl überflüssig erschien.) Bd. VII, S. 418.

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Friedrich von Gagern

1882 - 1947, Schriftsteller

Des guten Karl May edler Winnetou ist eine in dieser - und in jeder - Beziehung sehr schlechte und kenntnislos erfundene literarische Mißfigur. Vornehme, großzügige Charaktere konnte man aus allen nördlichen Präriestämmen herausdichten, aus den Sioux, den Cheyennes, den Assiniboins: - nur nicht gerade aus dem armseligen, raubnomadischen Volke, dessen Wörterbuch dem unseligen "Old Shatterhand" zufällig auf den Schreibtisch gefallen war, aus den allverhaßten Zigeunern unter den Rothäuten, den Apachen.

Das Grenzerbuch, Berlin 1927, S. 81f.

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Gerd Gaiser

geb. 1908, Schriftsteller

Was ein positiver Held ist, weiß ich nicht so recht. Ist positiv die Gesinnung oder heißt es aktives Handeln? Ein etwas verschwommenes Wort. Ein positiver Held ist doch eigentlich nur Old Shatterhand, nicht einmal Achill. Soweit ich sehe, ist der epische Held immer durch das Erleiden, durch die Kette des Erleidens bestimmt, von Odysseus bis Don Quijote.

Horst Bienek, Werkstattgespräche mit Schriftstellern. 15 Interviews, dtv Nr. 191, S. 266/67.

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Romain Gary

(eigentl. Roman Kacev), 1914 1980, Schriftsteller

Der 1943 geschriebene Roman "Education Européenne" spielt in Polen und erzählt von Partisanenkämpfen gegen die deutsche Besatzung. Symbolmotiv ist ein W i n n e t o u - Band, das Buch eines deutschen Schriftstellers, und die beiden Hauptpersonen, der 14jährige Janek und sein Schulfreund Stefek, werden überall nur Old Shatterhand und Winnetou genannt. Ihre Lieblingsstelle im Buch Karl Mays ist die Befreiung Old Shatterhands vom Marterpfahl - ein Wunschtraum, der sich auf ihre Situation in Krieg und Not bezieht.

Education Europénne, Paris 1945. Deutsche Übersetzung: General Nachtigall, Zürich 1962.

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Heiner Geissler

geb. 1930, Politiker

Karl May hat wie kaum ein anderer Schriftsteller bei Millionen Jugendlichen durch seine phantasievolle Erzählweise erste tiefe Eindrücke von Abenteuer, fremden Ländern, Menschen und Sitten hinterlassen. Ob "Von Bagdad nach Stambul" oder "Durchs wilde Kurdistan", seine Helden Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar haben viele junge Menschen fasziniert. Karl May hat vielen jungen Menschen etwas sehr Wichtiges vermittelt: Die Neugier auf Bücher. Wenn heute Abenteuer aus aller Welt unseren Kindern und Jugendlichen "mundgerecht" vom Fernsehen in die Wohnstube gebracht werden, finde ich dies manchmal schade; es fehlt dabei die Chance, sich die Szenen und Landschaften mit Hilfe der eigenen Phantasie auszumalen. Die Spannung der geschilderten Abenteuer, die lebendige Darstellung der Ereignisse, die Information über fremde Länder und Menschen machten das Faszinierende an den Karl-May-Büchern aus. Aber auch der Beitrag zur Völkerverständigung, die Anerkennung von Minderheiten, das Erwecken von Sympathie und Hilfsbereitschaft für bedrängte und benachteiligte Menschen dürfen ebenfalls nicht gering eingeschätzt werden. Die Karl-May-Bücher haben bis auf den heutigen Tag ihre Anziehungskraft aus guten Gründen nicht verloren.

Grußwort. Pressemappe Karl-May-Spiele Bad Segeberg 1983.

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Horst Wolfram Geißler

1893 - 1983, Schriftsteller

Auf dem Grabmal eines deutschen Dichters stehen vier Verszeilen, die er für sich selbst geschrieben hat ... Und nun, bitte, lesen Sie diese vier Zeilen, ganz langsam:

Sei uns gegrüßt! Wir, deine Erdentaten,
erwarteten dich hier am Himmelstor,
du bist die Ernte deiner eigenen Saaten
und steigst mit uns nun zu dir selbst empor.

Ich finde das ganz einfach schön ... Eine ganze, höchst sittliche Weltanschauung ist darin enthalten. Und fällt Ihnen nicht auf, wie hier ein Stück Gedankenlyrik auf bewundernswerte Weise in Handlung umgesetzt wird und dadurch zu eindringlicher Wirkung kommt? Man sieht die Szene dargestellt vor sich, und dabei ist es ja eigentlich "nur" ein moralischer Gedankengang. Ja, allerdings, darauf verstand sich der Mann, Handlung konnte er machen, das war seine Stärke, dadurch wurde er berühmt ... Es war Karl May.

Ein Tag im Jahr. Würzburger katholisches Sonntagsblatt Nr. 44 vom 1.12.1987. Abgedruckt in S-KMG Nr. 78: Karl Mays Spuren in der Literatur. Dritte Sammlung.

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Albert Einstein Hans Fallada
Joseph Kardinal Frings George Grosz


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Max Geißler

1868 - 1945, Schriftsteller, Literaturwissenschaftler

Die meisten Literaturgeschichten erwähnen May nicht einmal dem Namen nach, was beinah einer literarischen Geschichtsfälschung gleichkommt; denn er ist nicht nur einer der erfolgreichsten, sondern auch einer der einflußreichsten deutschen Schriftsteller, und nur ein Geschlecht, das durch den Naturalismus gegangen, konnte es fertigbringen, die "May-Hetze" zu inszenieren und in einer Art Wahrheitsfanatismus seine Schriften in den Bann zu erklären ...

... May war durch und durch Romantiker, und daraus erklärt sich die Begeisterung des Volkes für ihn und die Feindschaft der Weisen aus dem Morgenlande des künstlerischen Rationalismus.

Führer durch die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Weimar 1913, S. 35b.

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Helga Geyer-Ryan

geb. 1941, Dozentin f. Literatursoziologie

Was ihm (Karl May, d. Hg. ) aber trotzdem über die stark pädagogisch orientierten Diskussionsrunden hinweg hilft, was ihn auch für die Nationalsozialisten akzeptabel gemacht hat, uns heute aber am stärksten stört, ist eine epigonale, am "Schillerismus" des 19. Jahrhunderts orientierte dualistische Ethik des Idealen. Edelmenschentum, vor allem deutsches, eine allzu naive - und deshalb kitschige - Religiosität, die komplette Ausblendung direkter Sinnlichkeit und Erotik empfehlen sich einer Zeit, in der Autoritätsgläubigkeit, Militarismus und Chauvinismus die Stimulantien des Abenteuerromans zu Aktivität und Ich-Erprobung in systemkonforme Bahnen lenken.

Karl May im Dritten Reich, in: Karl May der sächsische Phantast, hg. v. Harald Eggebrecht, Fischer-Taschenbuch 6873, Frankfurt/M 1987, S. 251.

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Leopold Gheri

1866 - 1952, Schriftsteller

Er ist ein energischer Mann, das hat er bewiesen, daß er trotz aller seiner Widersacher das Ziel, das er sich als Schriftsteller gesteckt hatte, erreichte; sein Auge verrät aber große Güte und Milde, so wie er sich in seinen Büchern auch seinen Feinden gegenüber gibt.

Nach der Begegnung mit Karl May 1911 auf der Mendel bei Bozen. Zitiert nach Dr. Hans Lederer: Old Shatterhand in Tirol, Innsbrucker Nachrichten vom 30.3.1937 (s.a. M-KMG Nr. 32, S. 2).

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Ralph Giordano

geb. 1923, Schriftsteller

Ich habe Karl May stets mit fasziniertem Desinteresse gegenübergestanden - und dabei alle seine Bücher verschlungen, ausnahmslos!

Also ein zwiespältiges Verhältnis? Ja. Warum?

So treffend Karl May lokales und regionales Interieur schildert, so genau Sitten und Landschaften, so aufregend Aktionen und Handgemenge - historische Substanz haben seine Werke für mich nie gehabt. Das gilt namentlich für die 4 Bände der "Winnetou-" und "Old Shatterhand-Serie". Mich hat der Untergang der nordamerikanischen Indianer, ihr mehr als dreihundertjähriger dramatischer Rückzug zwischen Atlantik-und Pazifikküste bis in die unvermeidliche Niederlage, immer mit brennender, mit parteilicher Anteilnahme für die Schwächeren erfüllt ... Nichts davon bei Karl Mays rotem Liebling und seinem weißen Freund, diesem "he-man" par exellence. Winnetou und die Seinen, das sind rotangestrichene Germanen, und sonst nichts ... Aber all das, diese ganze, subjektive Kritik - sie ändert nichts daran, daß hier ein in seinem Genre einzigartiger, völlig unverwechselbarer Schriftsteller gewirkt hat ...

In einem Brief (13.5.1987) an Erich Heinemann. Vollständiger Wortlaut in M-KMG Nr. 75, Febr. 1988, S. 3f.

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Jürgen Girgensohn

geb. 1924, Landeskulturminister a.D.

Fernsehen bringt einfach die Beschäftigung mit Worten und Sachgegenständen über das Ohr mit sich. Wenn ich richtig reden und viele Wörter gebrauchen kann, bedeutet das ja noch lange nicht, daß ich auch richtig schreiben kann. Und das haben Kinder früher in stärkerem Maße als heute erreicht: eben über das Lesen. Es gab doch kaum eine Familie, in der Kinder früher nicht Karl-May-Bände schmökerten. Heute haben sie Karl May als Fernsehfilm. Davon prägt man sich doch keine Wortbilder ein.

Express, 9.2./8.8.1982.

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Helmut von Glasenapp

1891 - 1963, Indologe und Religionshistoriker

Die Indianergeschichten von Karl May, F. Cooper und Pajeken, die Kolonialerzählungen von Falkenhorst und Tanera ... boten mir reiche Anregungen.

Meine Lebensreise, Wiesbaden 1964, S. 27f. zitiert nach Lese-Erlebnisse 2, hg. von Heinrich Pleticha, suhrkamp tb 458, S. 145.

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Albrecht Goes

geb. 1908, Schriftsteller

Ich gehöre zu den wenigen Leuten in meiner Generation, die nie das Bedürfnis gehabt haben, Karl May zu lesen.

Aus einem Privatbrief vom 23.2.1976.

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Gustav Goes

Schriftsteller, Märchenerzähler

beschwört in seiner phantastisch-übersinnlichen Erzählung aus dem ersten Weltkrieg, "Stecowa", Karl Mays Rih herauf.

Berlin 1932 in einem Sammelband gleichen Titels (mit Erzählungen u.a. von Bergengruen, Bronnen, Schauwecker, Strobl, Wiechert). Die Erzählung ist vollständig abgedruckt im S-KMG Nr. 78: Karl Mays Spuren in der Literatur III.

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Curt Goetz

1888 - 1960, Schauspieler, Regisseur und Autor

Die Situation war dazu angetan, wehmütige Erinnerungen an Karl May heraufzubeschwören, den Mann, der uns Jungens zu begeistern wußte, der niemals aus Radebeul herausgekommen sein soll, aber dessen Gestalten du hier auf Schritt und Tritt begegnest, der die Prärien Amerikas mit einer Liebe ohnegleichen geschildert hat, wofür er denn auch in diesem Lande völlig unbekannt ist.

Die Tote von Beverly Hills, dtv 1951. - In "Die Memoiren des Peterhans von Binningen", Berlin 1960, S. 110f., schildert der Verf. Erinnerungen an Jugendgefährten und gemeinsame Spiele im Geiste Karl Mays. Auszüge aus beiden Büchern in S-KMG Nr. 73 u. 78: Karl Mays Spuren in der Literatur. Zweite und Dritte Sammlung.

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Wolfgang Goetz

1885 - 1955, Essayist, Bühnenschriftsteller

Die lebenslange Sehnsucht dieses Mannes nach fernen Ländern ist so übermächtig, daß sie schon Wirklichkeit wurde. Er lebt in den Savannen, in den Schluchten Kurdistans ... Hier ist das Dichterische bei May. Alles übrige ist Schriftstellerei. Aber wir können nicht anstehn, zu erklären, daß dieser Schriftsteller sein Handwerk versteht. Wie setzt dieser Mann ein. Keine halbe Seite, und wir sind mittendrin in einem Abenteuer, sind gespannt.

Begegnungen und Bekenntnisse, Herbig 1964. Zusammengestellt von Tila Goetz, S. 125-130. Kapitel-Abdruck in S-KMG Nr. 85: Karl Mays Spuren in der Literatur. Vierte Sammlung.

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Ernst Joseph Gürlich

1905 - 1973, Schriftsteller

Ich habe Karl May geliebt seit meiner frühesten Jugend ... Vielleicht nicht so sehr um der Abenteuer willen, die in bunter Folge an meinem Auge vorüberzogen, nicht so sehr um der lustigen Gestalten und Bilder, die da und dort auftauchten, als vielmehr um des großen, gewaltigen Gedankens der Völkerverständigung und Völkerversöhnung willen, die ich in seinen Werken fand.

Der Herold der Völkerversöhnung, in: Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1927, S. 364.

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Helmut Gollwitzer

geb. 1908, Theologe

In jenem Waldlager saßen wir an langen Winterabenden um das Herdfeuer der Schneiderstube, diskutierten und berichteten; am schönsten aber war es, wenn Carl-Heinz, den Kopf voll mit Ornithologie, Märchen der Weltliteratur - und Karl May, uns einen Band Winnetou erzählte (viel Verachtung habe ich damals diesem alle Verachtung in den Herzen jeder neuen Knabengeneration überlebenden Radebeuler abgebeten!).

Und führen, wohin du nicht willst. Bericht einer Gefangenschaft. Gütersloh 1961, S. 82.

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Otto Gotsche

1904 - 1985, Schriftsteller

Mich hat nicht interessiert, wer die Geschichte über den "Letzten der Mohikaner" schrieb. James Fenimore Cooper blieb ein Unbekannter. Als ich etwas über Old Shatterhand gelesen hatte, interessierte mich Karl May auch nicht.

Realien und Geschichte, in: Das schönste Buch der Welt. Wie ich lesen lernte. Berlin-Weimar 1973, S. 44.

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Georg Grabenhorst

geb. 1899, Schriftsteller

Auf Vorlesungsreisen ließ ich mich damals, wenn es anging, gern von Tochter oder Sohn begleiten. Der Sohn nahm immer Karl-May-Bücher auf die Reise mit und fand sich solchermaßen, während der alte Herr "drinnen" am Lesepult seines Amtes waltete, "draußen" im Künstlerzimmer oder im Vorraum aufs beste beschäftigt. Jetzt ist die dritte Generation an


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der Reihe, die Enkelschar. Der große Bruder Winnetou hört nicht auf zu leben: sooft er auch hinsinkt, erhebt er sich wieder als geistige Gestalt, vom jugendlichen Gemüt schwärmerisch verklärt als Inbild aller Tugenden der Freundschaft, des Einstehens füreinander, der unbedingten Verläßlichkeit, des Mutes wie der Klugheit und Vor-Sicht und in und über allem der Lauterkeit und Treue eines brüderlichen Herzens.

INFORM, Beilage zu M-KMG, Juni 1974. Erlebnisse aus seiner Jugend schildert der Verfasser in autobiographischen Erzählungen, z.B. "Ruhig Blut, Old Shatterhand", in: Abenteuer der Jugend, Hildesheim 1969, S. 36 ff.

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Oskar Maria Graf

1894 - 1967, Schriftsteller

1929 veranstaltete die Zeitschrift "Die literarische Welt" eine Umfrage unter Schriftstellern nach dem "Lieblingsbuch ihrer Kinderjahre".

Oskar Maria Graf verwahrte sich in seiner Antwort ausdrücklich gegen Karl May - er habe, erst ziemlich spät, nur zwei Karl-May-Bücher gelesen, und sie seien ihm "höchst zuwider" gewesen.

Nach: CIVIS, Das illustrierte Monatsmagazin, Bonn, 7/1968, S. 24.

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Günter Grass

geb. 1927, Schriftsteller

... teilte der Karl-May-Gesellschaft mit Schreiben vom 21.3.1980 mit, daß er kein Karl-May-Leser gewesen sei. Damit widersprach er der Annahme, die Anregung zu seinem Bühnenstück "Noch zehn Minuten bis Buffalo" habe er durch die Lektüre von May-Erzählungen erhalten (Heinrich-J. Heftrich, Das Amerikabild Karl Mays, Examensarbeit für das Lehramt an Gymnasien, Mainz 1971, S. 7).

In seinem Interview mit der Südwest-Presse (Schwäb. Tagblatt) Tübingen, 17.8.1977, schildert Grass, wie sich Ernst Bloch, der ihn in Berlin besuchte, mit seinen beiden Söhnen angelegentlich über Karl May unterhielt, ihnen die soziale Lage in Sachsen zur Zeit Karl Mays erklärte und die griechische Mythologie einbezog.

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Wolf Gremm

geb. 1942, Filmregisseur

Was ich bei Karl May gut finde: Diese Geschichten entwickeln eine ungeheure Sympathie für Minderheiten. Es geht um Ehre, Freundschaft, Verrat, Rache.

Berliner Zeitung, 30.11.1977.

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Adolf von Grolman

1888 - 1973, Schriftsteller, Herausgeber

... aber eigentümlich: wenn man einmal wieder "Durch die Wüste" und die 5 fortsetzenden Bände vornimmt, wenn man wieder einmal in das Land des Mahdi geht oder gar ganz exakt den Winnetou vornehmen will, voller Bedenken und kritischer Absicht: May hat etwas ihm Ureigentümliches in Anschauung, Lebensgefühl und Darstellung, das die kritischsten Absichten überwindet. Keineswegs ist das ein Wiederauftauchen einer vergangenen und glücklicheren Knabenzeit im Leser, sondern es ist etwas anderes.

Karl May? - Die schöne Literatur, Heft 12, Dezember 1930, S. 594-597 (zitiert nach M-KMG Nr. 71, Febr. 1987, S. 40).

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Peter Groma

(eigentl. Josef Gromadecki), geb. 1921, Regisseur, Schriftsteller

Jules Verne hat eine "Reise in 80 Tagen um die Erde" geschildert, ohne sie selbst unternommen zu haben. Es spricht für Karl May, daß er, nachdem seine Bücher ihm genügend Geld eingebracht hatten, wenigstens für kurze Zeit doch noch in den Orient gefahren ist. Wahrscheinlich wollte er wissen, wie es wirklich in den Ländern aussah, die er auf Hunderten von Seiten beschrieben hatte.

Auf den Spuren Karl Mays. Berlin, Frankfurt/M, Wien 1964, S. 5.

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Friedrich Sally Grosshut

1906 - 1969, Exilschriftsteller

Setzt sich nicht bei Karl May "der Deutsche" trotz Tod und Teufel unüberwindlich durch? Schlägt nicht Old Shatterhand mühelos jeden Feind mit seinem Schmetterhiebe vernichtend zu Boden? Besitzt er, Verkörperung des neuheldischen Führertyps, nicht die "Zauberwaffe" des Henrystutzens, die Winnetou'sche Silberbüchse? Vergessen wir nicht, daß der Wagner-


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sche Mythos, in grauer Vorzeit spielend, zeitgemäß ergänzt werden mußte, sollte auch er wirksame Waffe werden. Mit Karl May gelang die Einheit vom Ring der Nibelungen bis zum "Schatz im Silbersee". Hitler verstand, wie er Karl May völkisch zu interpretieren hatte.

"Nachdenkliches zu Karl May", in: "Orient", Wochenschrift, Haifa, Jg. III, H. 10, 5.6.1942.

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George Grosz

1893 - 1959, Maler und Graphiker

Das also war Old Shatterhand in Wirklichkeit: ein kleiner, feiner, hochzugeknöpfter Herr mit weißem Schnurrbart, mit der napoleonischen Fliege unter dem Kinn und dem etwas gewollten langen Haupthaar, wie man es um 1870 trug. Die Augen waren hellblau, wie mit Weiß gemischt, und tränten an den Ecken, als seien sie in den Wind oder Zug gekommen. Nichts Furchteinflößendes, schrecklich Blondes war um diesen Herrn, aber auch nichts besonders Anziehendes. Man hatte den Eindruck, der sei innerlich voll Ruhe, Heimlichkeit und Vorsicht gewesen.

Mein Besuch bei Karl May, Hannoversche Presse vom 26./27.7.1958 (aus: Ein kleines Ja und ein großes Nein, Hamburg 1958).

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Max von der Grün

geb. 1926, Schriftsteller

Hätte Karl May noch gelebt, nachweislich einer der Lieblingsautoren Hitlers, er wäre bestimmt Präsident der Reichskulturkammer geworden. Aber ich kann mir ohne weiteres vorstellen, daß Karl May abgelehnt hätte.

Wie war das eigentlich? Kindheit und Jugend im Dritten Reich. Sammlung Luchterhand 345, S. 63.

Mich fragte in einer Abiturklasse einmal ein etwas hochgestochener Germanist vor den Schülern, was ich denn gelesen hätte, bevor ich Zugang zur wirklichen Literatur fand; da antwortete ich: 50 Bände Karl May. Darüber war er höchst befremdet und fragte etwas süffisant, ob mir denn dieser Karl May etwas gegeben habe. Ich antwortete: Nein, er hat mir nichts gegeben, er hat mir etwas genommen, nämlich die Angst vor dicken Büchern. Karl May zu lesen ist ja auch nicht schlimm, schlimm ist, bei ihm stehen zu bleiben."

Aus: Dankesrede anläßlich der Verleihung des Gerrit-Engelke-Literaturpreises 1985 der Stadt Hannover. Leseheft Literanover 1985, Heft 10 der Reihe "Kulturinformationen", Hannover 1986, S. 78 sowie: M.v.d. Grün, Ich und das Buch, S. 77.


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Joachim Grünhagen

geb. 1928, Schriftsteller

Mit dem Schreiben habe er als Zwölfjähriger begonnen, "nachdem Karl May, eine bis heute nicht ganz gestorbene Liebe, erstes Interesse an der Literatur geweckt" hatte.

Reimar Hollmann, Neue Presse Hannover, 16.7.1982, S. 9.

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Ekke W. Guenther

geb. 1907, Professor

"Von den Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte", sagt Schiller im Prolog zu "Wallensteins Lager", und dieses Wort paßt wie kaum ein anderes auf Karl May.

Vortrag, gehalten auf der 4. Tagung der Karl-May-Gesellschaft in Freiburg/Br. am 22.10.1977. Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1978, S. 154.

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Klaus Günzel

geb. 1936, Schriftsteller

Ich kann mich noch gut an meine frühen Jahre erinnern, in denen ich Karl May und den "Faust" unangefochten nebeneinander las. Das ist freilich nur in einer Phase möglich, in der man gewissermaßen noch nicht seine literarische Unschuld verloren hat ... Ich halte den Phantasten aus Hohenstein-Ernstthal heute nicht mehr für einen großen Dichter ..., eher für einen unerschöpflichen, gelegentlich auch routinierten Märchenerzähler ...

In einem Brief (6.8.1986) an Uwe Kahl.

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Albert Paris Gütersloh

(eigentl. Albert Conrad Kiehltreiber), 1887 - 1973, Schriftsteller

Wie Heimito von Doderer (1898 - 1966) berichtet,habe ihm Gütersloh "voll Begeisterung den 'Schut' von Karl May gebracht - 'ein Meisterwerk'".

Nach: Wolfgang H. Fleischer, Von Doderer zu Pelimbert, Erinnerungen an Heimito von Doderer, in: Xaver Schaffgotsch (Hrg.), München 1972, S. 54.

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Ludwig Gurlitt

1855 - 1931, Reformpädagoge

In ihm hat die Leidenschaft getobt, die Phantasie gebraust und hat ihm Geister und Gespenster vorgezaubert, die um Verkörperung baten. Dazu kam die Not des Lebens, der Kampf gegen die Niedrigkeit, zu der ihn das Schicksal verurteilen wollte, der Kampf für seine Erhöhung. Dabei mag er sich in den Mitteln vergriffen haben, er griff nach äußeren Glanzmitteln statt nach ruhiger Arbeit; er war ein schöner starker Jüngling, nun wollte er auch äußerlich glänzen, sein Leben genießen, die Welt kennen lernen, von sich reden machen. Was er dabei in den Jahren des Sturmes und Dranges verfehlt hatte, dafür mußte er hart büßen, aber er ließ sich diese schwere Schule des Lebens zum Segen werden und ging mit geläutertem Sinn aus ihr hervor.

Karl-May-Jahrbuch Breslau 1918, S. 611.

Mit seinen Gedanken für den Völkerfrieden, Völkerbund, Ausgleich der Konfessionen, Versöhnung des Orients mit dem Okzident und andern mehr gehört er zu den aufgeklärtesten und fortschrittlich wirksamsten Schriftstellern seiner Zeit.

Gerechtigkeit für Karl May! Radebeul 1919, S. 129.



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Brigitte Hamann

geb. 1940, Redakteurin

Bertha von Suttner ging sogar in die Schriften Karl Mays ein: als die Frau, die dem Mann gleichberechtigt gegenübersteht und sich vor allem durch Bildung und Klugheit auszeichnet, ist sie Vorbild für die Taldscha und für die ältere Aschta im "Winnetou".

May übernahm von Suttner den Begriff des "Edelmenschen" und wählte für seinen großen Vortrag, den er zehn Tage vor seinem Tod in Wien hielt, den geradezu Suttnerschen Titel: "Empor ins Reich der Edelmenschen!"

Bertha von Suttner. Ein Leben für den Frieden, München 1986, S. 486.

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Käte Hamburger

geb. 1896, Literaturwissenschaftlerin

... forderte nach der Lektüre des Jahrbuches der Karl-May-Gesellschaft 1971, daß Karl May endlich

"aus dem Stand des Jugendschriftstellers befreit"

werden müsse.

An den Herausgeber des Jahrbuches der Karl-May-Gesellschaft 1971, Prof. Dr. Claus Roxin. Nach: M-KMG Nr. 10, S. 1.

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Peter Handke

geb. 1942, Schriftsteller

... schildert, wie er nach der Lektüre von Karl Mays "Kurdistan" in weiteren Bänden, die in der dritten Person geschrieben sind, darauf wartete, "daß endlich das 'Ich' erscheinen würde". Daß es nicht erschien, "ist für mich ein Schock gewesen". Die Erinnerung daran formte den Anfang des Romans "Der kurze Brief zum langen Abschied": "... das Wort 'Ich' steht erst im fünften Satz der Erzählung".

Nach: Erste Lese-Erlebnisse, suhrkamp tb 250, S. 122.

Nach Anregungen zu seinem Roman "Der kurze Brief zum langen Abschied" befragt, antwortete der Autor. "Ach, ich habe eigentlich dabei auch nur an die alten Abenteuergeschichten gedacht, an Karl May zum Beispiel."

Die Zeit vom 31.3.1972.

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Otfrid von Hanstein

1869 - 1959, Schriftsteller

Man hat mich wiederholt in liebenswürdigen Rezensionen mit Karl May verglichen oder einen "zweiten Karl May" genannt. Ich möchte an dieser Stelle selbstverständlich mich jedes Urteils über den erfolgreichen Schriftsteller enthalten und nur sagen, daß es mir vollkommen fern liegt, diesen etwa nachahmen zu wollen. Ich habe daher mit Absicht und um schon im voraus den Verdacht einer Nachahmung ... unmöglich zu machen, für die Reiseroute meiner Erzählungen Gegenden gewählt, die May nicht schilderte.

Nach Lexikon der Reise- und Abenteuer-Literatur, Meitingen ab 1988.

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Thea von Harbou

1884 - 1954, Schriftstellerin, Filmautorin

Wenn die zwei Worte "Erste Liebe" das Gefühl umgrenzen, das ein junges Geschöpf zum erstenmal zu allen Höhen der Glückseligkeit und allen Tiefen der Verzweiflung schleudert, dann galt meine erste Liebe Winnetou, dem großen Häuptling der Apatschen. Diese Liebe kam in mein Leben, als ich zwölf Jahre alt war; und ich bin ihr treu geblieben bis auf den heutigen Tag.

Die Woche, Berlin, Weihnachtsheft (25.12.) 1926.

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Maximilian Harden

(eigentl. Maximilian Felix Ernst Witkowsky) 1861 - 1927, Publizist, Schriftsteller

... schrieb, auf die Pressehetze gegen Karl May eingehend, in einem Brief vom 1.4.1912 an Klara May.

"Ein Wind niedriger Gesinnung weht durch Deutschland."

Zitiert nach: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1977, S. 111.

Was er (Karl May) geschrieben hat, ist von Hunderttausenden gelesen, von Ernsten sogar oft gelobt worden.

Brief vom 17.3.1912 an den Akademischen Verband für Literatur und Musik, Wien. Zitiert nach: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1977, S. 110.

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Wolfgang Harich

geb. 1921, Philosoph

Zu einem Essay über Ernst Bloch:

... weder die mittelalterliche Scholastik verschmähend noch Hebels Schatzkästlein, den Opern Richard Wagners gleichermaßen zugetan wie den Songs von Brecht/Weill, ja gern kokettierend mit seiner Begeisterung für Karl May. Nie ist ein Linker weniger borniert gewesen.

Konkret 9/1977.

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Raimund Harmstorf

Schauspieler

Als Junge habe ich Karl May gelesen. Aber ich lebe die Bücher lieber selber in meiner Fantasie nach. Ich sitze lieber auf meinem Pferd, als daß ich darüber schreibe und spreche. Karl May hat bestimmt seine Berechtigung. Ich besuchte kürzlich eine Indianer-Reservation. Eine traurige Sache. Den eigentlichen Indianer gibt es nicht mehr. Da sind nur noch Weiße, solche, die sich für ihn einsetzen oder die ihn ausbeuten.

Doch, Karl May ist schon o.k.

Interview mit Michael Petzel bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg 1979.

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Peter Härtling

geb. 1933, Schriftsteller

In meiner sächsischen Kindheit spielten die Legenden von Radebeul und dem vielnamigen Meister mit seinen Wunderbüchsen eine wesentliche Rolle. Ich hörte von Karl May, bevor ich ihn las. "Durch die Wüste" war, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, die erste Lese-Reise, die ich mit dem Erfinder der Kopfreise unternahm. Ihr folgten weitere. Allerdings stahl ich mich ziemlich bald aus der Karawane, um mich auf andere Reisen und Abenteuer einzulassen, zum Beispiel die des "Taugenichts".

In einem Brief an Erich Heinemann vom 7.1.1991.

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Hansotto Hatzig

geb. 1919, Redakteur

Denn, wenn man in den vor einem halben Jahrhundert geschriebenen Werken eines Karl May das auffinden kann, was heute (1956) die Grundlage des Denkens Albert Schweitzers und derer, die ihm nachfolgen, bildet, so ergibt sich daraus für jeden Menschen umso mehr die Verpflichtung, über diese Dinge nachzudenken.

M-KMG Nr. 3, S. 3.

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Hans Hauser

geb. 1924, Schriftsteller

So dürfen sich heute zwei Männer in das Verdienst teilen, Kurdistan dem Abendland nahegebracht zu haben - Der abenteuerende Archäologe Layard als Entdecker und der "Jugendschriftsteller" Karl May als der Publizist ...

Kurdistan - Schicksal eines Volkes, München 1975, S. 25.

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Manfred Hausmann

1898 - 1986, Schriftsteller

Mir selbst hat Karl May nie etwas bedeuten können ...

Nach: Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, S. 26.

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Swen Hedin

1865 - 1952, Asienforscher

Auch Swift, Münchhausen und Karl May sind große Schriftsteller gewesen.

Berliner Tageblatt vom 18.1.1925.

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Christian Heermann

geb. 1936, Schriftsteller und Publizist

"Die Erde sehnt sich nach Ruhe, die Menschheit nach Frieden, und die Geschichte will nicht mehr Taten der Gewalt und des Hasses, sondern Taten der Liebe verzeichnen" (Karl May) ...


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Das sind Visionen, eingebunden in das Weltbild des Schriftstellers, von denen sich Gedankenbrücken in unsere Zeit schlagen lassen. Und nicht zuletzt durch seine Appelle zum aktiven Handeln für Frieden und Humanismus ist Karl May für uns aktuell.

Aus der Karl-May-Biographie "Der Mann, der Old Shatterhand war", Berlin 1988, S. 352/53.

Die Erzählung ist weit Über hundert Jahre alt, manches wirkt sentimental. Überhebliches Lächeln scheint dennoch unangebracht: Das Überlassen wir Generationen in weiteren hundert Jahren beim Lesen der Unterhaltungsliteratur unserer Tage.

Nachwort zu: Karl May "Der Waldkönig", Treptower Verlagshaus 1990, S. 137.

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Jürgen Hein

geb. 1942, Professor

Er (Karl May) versuchte durch ein Anknüpfen an Themen und Schreibweisen der Unterhaltungs- und Trivialliteratur den Leser bildend und erzieherisch nach "oben" zu führen und mußte damit in Kauf nehmen, als Schundschriftsteller disqualifiziert zu werden.

Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1976, S. 65.

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Willi Heinrich

geb. 1920, Schriftsteller

Sicher scheint mir zu sein, daß Karl May sehr vielen jungen Lesern dabei geholfen hat, den Weg zum Buch zu finden. Ob zu ihrem Vor- oder Nachteil, läßt sich ebenfalls pauschal nicht beantworten. Mich persönlich hat jedenfalls die Lektüre seiner Bücher für eine etwas anspruchsvollere Literatur nicht "verderben".

Aus einem Privatbrief vom 11.10.1973.

W. Heinrich schwärmte für die drei "Winnetou"-Bände (Bericht von W. Christian Schmitt, Generalanzeiger Bonn vom 15.6.1979).

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Helmut Heißenbüttel

geb. 1921, Lyriker, Essayist

Ob Karl May und ob sein Ruhm nun eine Erklärung gefunden haben, bleibt, denke ich, dahingestellt. Ich selber habe ihn nie recht lesen können...


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Der zweideutige Karl May. (Über Arno Schmidts "Sitara und der Weg dorthin") In: Christ und Welt, 24.1.1964.

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Fritz Helke

1905 - 1967, Schriftsteller

Die unbändige Lust am Fabulieren verführt May häufig zu unmöglichen Überspitzungen und phantastischen Übersteigerungen. Hinter den zahlreichen Abenteuern seiner Helden steht nicht immer ein ernsthaftes Ziel, ein verständlicher Sinn. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß auch Karl May ein Kind seiner Zeit war, daß eine Problemstellung, wie wir sie heute haben, damals gar nicht gegeben war. Auch May ist ja keineswegs frei von Moralitäten im hier so häufig angeprangerten Sinn. Aber er ist voll einer ungeheuren Begeisterung, er erzählt mit einer auf jeder Seite handgreiflich spürbaren Lust und Liebe an seinem Werk, er ist ehrlich, gerade, nicht ohne Willen zur Tiefe, und er ist unzweifelhaft deutsch. Und so ist es kein Zufall, daß gerade seine Bücher auch heute noch von unseren Jungen gern und freudig gelesen werden. Es wäre töricht und es wäre auch vergeblich, sie daran hindern zu wollen.

Das Abenteuerbuch - Rückschau und Ausblick, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Nr. 170, 25.7.1935.

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Ernest Hemingway

1899 - 1961, Schriftsteller

Er zog mit den Zähnen den Sicherungsstift aus der Eierhandgranate, hielt sie einen Moment, während der Rauch aus dem Loch zischte, als wollte er sie warm werden lassen. Dann schleuderte er sie mit einer Bewegung aus dem Handgelenk, die er einer Karl-May-Figur abgeguckt haben mußte, in die finstere Luke.

Inseln im Strom, Roman. Gütersloh, 1970, S. 395.

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Gerhard Henniger

geb. 1928, Schriftsteller

Daß er (Karl May) ein Meister der Reportage im positiven Sinne war, daß er sie auf eine Stufe gehoben hat, die sie nie vor oder nach ihm wieder erreicht hat, daß er aus ihr Dichtung gemacht hat: Nicht mittels seiner großen Gedanken und Ideen, nicht aufgrund weltumspannender Menschheitgedanken, sondern kraft seiner glühenden überstrahlenden Phanta-


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sie, geboren aus Zwang und Schicksal. Hier ist er Meister, unübertroffen, er ist Dichter der Phantasie, die, mit Spannung geladen, für die darauffolgenden 200 Seiten Kitsch entschädigt.

Aus einem Brief an Erich Heinemann vcm 6.9.1950.

Hier werden humanistische Grundpositionen sichtbar, die wir bejahen und die Mays beste Werke zu einem Teil jenes "Erbes" in der Abenteuerliteratur machen, das es zu bewahren gilt und das auch der Bildung sozialistischer Persönlichkeiten produktive Impulse zu geben vermag, indem es Spannung, Abenteuer und Unterhaltung verbindet mit der Vermittlung solcher sittlichen Werte wie Mut und Tapferkeit und Gerechtigkeitssinn im Kampf für ein friedliches Leben der Menschen und Völker, gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Sklaverei.

Karl May, Der Schatz im Silbersee. Berlin, 1984, Nachwort, S. 530f.

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Sepp Herberger

1897 - 1977, Bundestrainer

Es bleibt das Geheimnis Karl Mays, warum er seine indianische Heldenfigur Winnetou ausgerechnet zu einem Häuptling der Apachen machte. Gerade die Apachen zählen zu den primitivsten der Indianerstämme Nordamerikas.

Fußball-Weltmeisterschaft. Von den Anfängen der Ballspiele bis Mexiko 1970. Herausgegeben von Sepp Herberger. Kemnat o.J., S. 32.

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Günter Herburger

geb. 1932, Schriftsteller, Fernsehredakteur

... ruft die Schriftsteller auf, von vorn zu beginnen, da die Literatur zu veröden drohe, und zwar "tückisch direkt wie Wilhelm Busch..., hemmungslos hingegossen wie Karl May..." (Zeit vom 26.5.1972).

Auf dem Literaten-Symposium in Klagenfurt setzte Herburger sich dafür ein, "längst verdinglichte Figurationen der Trivial-Kultur" - dazu rechnet er u.a. Karl Mays "Winnetou" - "wieder zu repoetisieren" (Publikation 7/72).


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Thea von Harbou Ernest Hemingway
Hermann Hesse Theodor Heuss


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Wieland Herzfelde

geb. 1896, Schriftsteller und Verleger

Einfühlsame Erinnerung an einen Jugendfreund: "Sein Lehrer, ein Führer und Gott war der Alte in der Villa Shatterhand in Radebeul bei Dresden, er kannte und duldete keine anderen Götter neben ihm."

"Immergrün. Merkwürdige Erlebnisse und Erfahrungen eines fröhlichen Waisenknaben", Reinbek 1961.

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Rudolf Heß

1894 - 1987, Politiker, Stellvertreter Hitlers

Ihr lest doch mit gleicher Leidenschaft, was auch wir in unserer Jugend verschlungen haben: Karl May und Lederstrumpf, Abenteuer an fernen Goldküsten, Kämpfe mit wilden Tieren, Jagd auf Riesenfische.

Aus: Ansprache an die "gesamte Jugend Großdeutschlands" am 20.4.1940. Abgedruckt im Völkischen Beobachter, 21.4.1940.

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Hermann Hesse

1877 - 1962, Schriftsteller

Er ist der glänzendste Vertreter eines Typs von Dichtung, der zu den ganz ursprünglichen gehört, und den man etwa "Dichtung als Wunscherfüllung" nennen könnte ...

Kürzlich las ich zum erstenmal zwei Bücher eines Autors, der seit Jahrzehnten der gelesenste in Deutschland ist und den ich noch nicht kannte. Es ist Karl May. Von Leuten, die etwas verstehen, war mir immer gesagt worden, er sei ein ganz übler Macher und Schmierer. Es gab einmal eine Art Kampf um ihn. Nun, ich kenne ihn jetzt und empfehle seine Bücher. Sie sind phantastisch, unentwegt und hanebüchen, von einer gesunden, prächtigen Struktur, etwas völlig Frisches und Naives, trotz aller flotten Technik. Wie muß er auf die Jugend gewirkt haben! Hätte er doch den Krieg noch erlebt und wäre Pazifist gewesen! Kein Sechzehnjähriger wäre mehr eingerückt.

Hermann Hesse, Gesammelte Werke, 1970. 12. Band, Schriften zur Literatur II, S. 356/57. Stuttgart.

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Theodor Heuß

1884 - 1963, Professor, 1. Präsident der Bundesrepublik Deutschland

Irgendwann trat die Knabenzeitschrift "Der gute Kamerad" in unser Leben; ... durch ihn kamen wir zu Karl May, der eben begonnen hatte, der Halbgott der Jugend, und nicht bloß der Jugend, zu werden. Wir verschlangen von ihm, was erreichbar war, und abonnierten die in Heften erscheinenden neuen Werke. Er bezauberte uns. Was frugen wir nach Echtheit, nach Wirklichkeit! Es genügte, daß immer etwas los war, daß man in fremden Ländern und Sitten mit sicherer Hand geleitet wurde, daß es Käuze gab, über die man lachen konnte, Helden, für die man schwärmen durfte, Bösewichter, die man verachten mußte.

Vorspiele des Lebens, Tübingen 1953, S. 155f.

Eines Tages klingelte es an der Wohnungstür, ein ältlicher kleiner Herr mit einem zerknitterten Gesicht - was mich zunächst beschäftigte, war eine riesige Krawatte mit einer großen Swastika in buntem Email ... Vorstellung: "Karl May". Gegenfrage: "Old Shatterhand?-' Freundlich geschmeichelte Zustimmung; der Besucher konnte also mit der "Bildung" eines Durchschnittsdeutschen rechnen ...

Erinnerungen 1905-1933, Tübingen, Stuttgart, 1953, S. 171.

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Georg Heym

1887 - 1912, Lyriker

Ein Mann, namens Avenarius, von Beruf Wart der Kunst, nimmt es sich heraus, in seinem Käseblatt für literarische Geheimratstöchter den Dichter Karl May anzugreifen, und ihn als einen Schundliteraten seinem Leserkreise zu denunzieren. Karl May, dessen großartige Phantasie natürlich von diesem wöchentlichen Mist-Fabrikanten niemals begriffen werden kann.

Sein Hauptargument für diese Inferiorität Mays ist, daß Karl May einige Jahre - hu, hu, als Schmuggler und Räuber gelebt habe, - eine Tatsache, die dem Dichter von vornherein das Wohlwollen eines anständigen Menschen sichert.

In: Dichtungen und Schriften, Bd. 2, Hamburg und München 1962, S. 181. Zitiert nach: M-KMG Nr. 35, S. 6.

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Stefan Heym

geb. 1913, Schriftsteller

Von Percy Stuart war der Sprung zu Karl May nicht weit, und obwohl der junge Flieg das Gefühl hatte, daß sich bei May vieles wiederholte und ihm dessen Frömmelei zuwider war - da war Cooper schon echter, und um wieviel spannender waren erst Poe und Stevenson! -, wurden Mays Werke angeschafft und blieben erhalten, bis irgendein dankbarer Nazi sie an sich nahm.

Nachruf, Gütersloh 1989, S. 23.

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Dieter Hildebrandt

geb. 1928, Kabarettist und Schauspieler

... Leider sind in meiner Sendung nicht die Herren Konzelmann und Scholl-Latour anwesend. Diese beiden haben eigentlich schon alles gesagt, was ich vorher wußte, über das Land zwischen Euphrat und Tigris; nur ich weiß es anders, ich weiß es von Karl May ... der auch nicht da war.

In der Sendung "Scheibenwischer"; zum Thema Golfkrieg, ARD 24.1.91.

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Adolf Hitler

1889 - 1945, Politiker

Von Hitler sind mehrere Äußerungen Über Karl May Überliefert, zum Beispiel:

1. Hitler klagte über die Unfähigkeit seiner Generale, selber solche Gedanken zu entwickeln. "Diese Generale sind zu korrekt", schimpfte er nach einer Besprechung. "Sie wurzeln in überholten Begriffen ... Ihnen fallen keine Listen ein. Sie hätten mehr Karl May lesen sollen!"

David Irving, Hitler und seine Feldherrn, Berlin 1975, S. 57.

2. "Ich lese, da ich erst sehr spät nachts einschlafen kann, zur Zeit eine ganze Reihe der Karl-May-Bände ... Wissen Sie, ich halte von dem Karl May sehr viel. Was haben die Schulmeister ihn doch angegriffen, statt zu erkennen, wieviele positive Werte seine Bücher enthalten. Ein echter Jugendschriftsteller, wie jeder andere Schriftsteller, - May schreibt ja auch für den Erwachsenen - muß eine reiche Phantasie besitzen, anständige Gesinnungen vermitteln und zeigen, was Lebenstüchtigkeit bedeutet. Vor allem aber muß er Humor haben. Und den besitzt Karl May in ebenso hohem Maße wie die Gabe der plastischen Anschaulichkeit.


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Hans Severus Ziegler, Adolf Hitler aus dem Erleben dargestellt, Göttingen 1965, S. 76.

3. Noch heute greife er (Hitler) bei seinen nächtlichen Lesestunden in anscheinend aussichtslosen Situationen zu diesen Erzählungen, sie richteten ihn innerlich auf wie andere Menschen ein philosophischer Text oder ältere Leute die Bibel.

Albert Speer, Spandauer Tagebücher, Frankfurt/M 1975.

4. Hitler las alle Bände von Karl May, von denen er im Febr. 1942 sagte, sie hätten ihm "die Augen für die Welt geöffnet".

J.C. Fest, Hitler. Frankfurt/M, Berlin, Wien 1973, S. 615.

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Edwin Hoernle

(Pseudonym H. Georgi), 1883 - 1952, marxistischer Pädagoge

... nennt Karl May den "Typus des Jugendschriftstellers der beginnenden imperialistischen Periode"

Schulpolitische und pädagogische Schriften, Berlin (Ost) 1958, S. 234 (zitiert nach H. Eggebrecht, Karl May der sächs. Phantast, Fischer TB Frankfurt/M 1987, S. 294)

... und meint, seine Bücher "feiern die Herrschaft der weißen Rasse und den Sieg des 'Kulturmenschen' über den 'Wilden'"

Grundfragen proletarischer Erziehung, Darmstadt 1969, S. 108 (zitiert nach M. Lowski, Karl May, Sammlung Metzler, Bd. 231, Stuttg. 1987, S. 88)

... und "sind samt und sonders Träger imperialistischer Gedankengänge".

Grundfragen der proletarischen Erziehung, Pädagogische und bildungspolit. Schriften, Berlin 1983, S. 282.

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Josef Hofmiller

1872 - 1933, Literaturhistoriker, Schriftsteller

Neulich in der "Götterdämmerung", als Siegfried bei der Ankunft den Gibichungen sein Roß Grane anbefahl, dachte ich "Karl May und Rih". Aber haben Sie jemals diesen Klassiker genossen, verschlungen, gefressen, wie ichs noch mit 59 Jahren mache? Gott bessers!


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Josef Hofmiller, Briefe. Zweiter Teil: 1922-1933. Ausgewählt und herausgegeben von Hulda Hofmiller, Dessau 1941.

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Wolfgang Hoffmann-Harnisch

1893 - 1965, Schriftsteller

Die Beschäftigung mit der Geschichte Amerikas im 18. Jahrhundert läßt alle die lieben Bilder von Natty Bumppo, von Old Shatterhand und Winnetou wieder vor uns entstehen.

Manitus Welt versinkt. Frankfurt/M, S. 14.

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Peter-Uwe Hohendahl

geb. 1936, Germanist

Mays Romane tragen das Janusgesicht bürgerlicher Kultur im späten 19. Jahrhundert ... Die allgemeine Menschlichkeit, die Mays Spätwerk predigt, muß verhüllen, daß es in der realen Gesellschaft die humane Gemeinschaft nicht gibt, und die postulierte Freiheit muß verdecken, daß der Klassengegensatz fortbesteht.

Von der Rothaut zum Edelmenschen. Karl Mays Amerikaromane. In: Amerika in der deutschen Literatur, Stuttgart 1975, S. 229-245.

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Curt Hohoff

geb. 1913, Schriftsteller, Kritiker

Karl May ist also ohne jeden Zweifel ein genialer Erzähler ... Aber der Schlüssel erklärt auch die Leistung: Nur der Gefangene kann so von der Freiheit der Wüsten und Prärien träumen! Denn all das ist Wunscherfüllung in herrlichen Träumen, ein Knabentraum der Zivilisation (wie Zarathustra)

Old Shatterhands Geheimnisse. Süddeutsche Zeitung Nr. 76 vom 29.3.1962.

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Walther von Hollander

1892 - 1973, Schriftsteller

Meine grundsätzliche Meinung über Karl May ist die, daß er ein ungewöhnlich schlechter und sentimentaler Schriftsteller ist, der es aber herrlich versteht, Spannungen zu erzeugen und das Bild einer romantisch fernen Zeit, eines romantisch fernen Volkes zu geben, das jugendliche Menschen gern haben möchten. Ich erinnere mich genau, daß ich zwischen meinem


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12. und 15. Jahre alles verschlungen habe, was ich von Karl May erreichen konnte. Seine Primitivität muß wohl der primitiven Seite dieses Jugendalters entsprechen, in dem man den Helden heldisch und den Verbrecher verbrecherisch haben möchte.

Zick Zack, Jugendzeitschrift o.J. (1947 ?)

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Hans-Egon Holthusen

geb. 1913, Lyriker, Essayist

Karl May? Da gibt es von mir aus leider nicht viel zu melden. Ich habe, wenn ich mich recht erinnere, in meiner Kindheit nur ein einziges Buch von ihm gelesen...

In späteren Jahren, als eigentlich Karl May hätte dran kommen müssen, traten für mich Cooper und Gerstäcker an seine Stelle, und mit spätestens fünfzehn war es dann schon aus mit der schmökernden Abenteuerei ...

Möglich, daß damals durch meine allzu große Ungeduld auf das literarisch Anspruchsvolle gewisse elementare Bedürfnisse, eben die Karl-May-Bedürfnisse vernachlässigt, um nicht zu sagen "verdrängt" worden sind.

Aus einem Brief vom 6.7.1979 an Erich Heinemann.

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Brigitte Horney

1911 - 1988, Filmschauspielerin

... erzählt im Stern, Wien, Juni 1939, sie sei "Mit Karl May groß geworden".

Zitiert nach Emanuel Kainz, Zum Problem der Massenwirkung Karl Mays, Wien 1949.

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Armin Huber

(Pseudonym: Fred Larsen), 1904 1977, Schriftsteller

Unser Karl May trat nur wenige Jahre später auf den Plan. Er imitierte, ästhetisierte, bändigte diesen überquellenden literarischen "Brei" nach seiner Art ... Aus dem "Deutschen Jugendfreund" 1860 bezog er den "Westmann" (übrigens auch den "Gaucho"). Wieviel er von Judson, Ingraham usw. hinzugetan hat, ist Ansichtssache. Jedenfalls war unser deutscher


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Apache-Mescalero Winnetou aus zahllosen ausgeliehenen Tuchfetzen zurechtgeschneidert. Ganz zu schweigen von Old Shatterhand und den übrigen Gestalten, die wir alle so lieben.

Raritätenjäger, Gütersloh 1966, S. 34.

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Friederike Hübner

Schriftstellerin

berichtet in einem mit "Karl May" Überschriebenen Kapitel von einem Erlebnis ihres Vaters, der als Gymnasiast Karl May einen Besuch abstattete, als dieser sich in Prag aufhielt.

"Knoblauch, Kunst und Kindheit in Prag", Heilbronn 1985.

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Ricarda Huch

1864 - 1947, Schriftstellerin

Bleibe ich bei den Kinderbüchern, ... so fällt auf, mit welcher Begier schon seit Jahren die Erzählungen von Karl May gelesen werden, denen man doch die Kraft, zu dauern, absprechen muß.

Ricarda Huch, Gesammelte Schriften, Freiburg i.Br., 1964, S. 240.

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Rudolf Huch

1862 - 1943, Schriftsteller

Ich will bei dieser Gelegenheit bemerken, daß es mir unbegreiflich ist, wie man Karl May mit Gerstäcker in einem Atem nennen kann. May gibt ein Gemengsel dick aufgetragener Abenteuer, von wahrer Anschaulichkeit ist nicht die Rede.

Mein Weg (Lebenserinnerungen), 1937, S. 16.

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Hans-Otto Hügel

geb. 1944, Prof. für populäre Kultur, Schriftsteller

Die Romanfigur des Ich-Erzählers und Karl May als öffentliche Figur treten in geradezu verblüffender Übereinstimmung als Schauspieler auf; beide bedürfen der Inszenierung.

Als 1900 die Abenteuer-Legende in Pressefehden und prozessualen Auseinandersetzungen zusammenbrach, war nicht nur ei-


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nem Werbeeinfall die Grundlage entzogen worden. Die Leser liefen May in Scharen weg, nicht weil sie sich getäuscht sahen, auch nicht, weil eine May-feindliche Presse sie hierzu verleitete. Mit dem Ende der Old-Shatterhand-Legende war May als Star vernichtet. Damit hatten seine als Show erzählten Abenteuererzählungen keinen ideologischen wie erzählerischen Gehalt mehr. Erst als nach seinem Tod sein Verlag ein neues, auf jugendliche Leser zugeschnittenes Image aufbaute, konnte er für diese, wenn auch in anderer Weise, als Star wieder verkauft werden.

Karl May. Das inszenierte Abenteuer, in: Marbacher Magazin 21/1982, S. 26 und 30.

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Bettina Hürlimann

geb. 1909, Verlegerin, Journalistin

Karl May ist ein Sonderfall in der Literaturgeschichte, wenn man überhaupt gewillt ist, ihn in dieses erlauchte Reich aufzunehmen. Aber da in diesem Buch auch in andere Kapitel manches hineingeschlüpft ist, das außerhalb des Zaunes wächst, der den Garten der Literatur einhegt, können wir diese kuriose und so erfolgreiche Erscheinung hier nicht umgehen. Denn eine kuriose Erscheinung bleibt er auch außerhalb des soeben erwähnten Zaunes.

Europäische Kinderbücher in 3 Jahrhunderten, Zürich 1959, S. 90. Zitiert nach M-KMG Nr. 26, S. 31.

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Walther Ilmer

geb. 1926, Oberregierungsrat i.R., Schriftsteller

Die tiefinneren Quellen, aus denen Karl May sein Schaffen nährte, sprudelten unaufhörlich, weil sein Dilemma, sowohl ein unschuldig-verkannter, liebeshungriger Verirrter als auch ein mit manisch-exzessiven Zügen ausgestatteter Sucher nach Ewigkeitswerten, ein seelisch Verstörter wie ein seelisch Begnadeter, ein demütig Fügsamer wie ein quirlender Rebell zu sein, ihn immerwährend gleichzeitig in dem unlösbaren Konflikt zwischen Sein und Schein, Ist und Soll, Tat und Anspruch leben ließ. Und so erschrieb er sich, schlichtweg um zu überleben, die Brücke zwischen Abgrund und Himmel. Er erschrieb sich das Gütezeichen KARL MAY. Er ritt pausenlos dahin zwischen Ardistan und Dschinnistan. Und er erzählte in seinen phantastischen Reiseerzählungen die Wahrheit, s o  w i e  e r  s i e  s a h . In diesem Ausleben eines Dauerkonfliktes ist er eine der bemerkenswertesten Verkörperungen des faustischen Menschen schlechthin. Die Seele auf schmalstem Grat zwischen Teufel und Gott. Darum, so glaube ich, sind Karl May und sein "Reise"-Werk unsterblich.

Mit Kara Ben Nemsi "Im Schatten des Großherrn". In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1990, Hansa Verlag Husum, S. 309.

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Maximilian Jacta

(eigentl. Erich Schwinge) geb. 1903, Professor für Strafrecht

Daß er (Karl May) trotz allem Mut und Entschlossenheit bewahrte und den Kampf um Stellung und Ehre kompromißlos bis an sein Lebensende weiterführte - dies allein schon hebt ihn über die Masse der Menschen hinaus und nötigt Respekt und Bewunderung ab.

Zu Tode gehetzt. Der Fall Karl May. In: Berühmte Strafprozesse. Deutschland III. München 1972, S. 49.

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Moritz Jahn

1884 - 1979, Schriftsteller

Der Mann sah aber auch in seiner Trappertracht und dem Riesenhut genau so aus, als wäre er in Coopers Lederstrumpfgeschichten mit dabei gewesen; die Zeit Karl Mays sollte erst noch kommen. Überhaupt zog uns alles Exotische nach guter deutscher Art gewaltig an.

Ges. Werke, Dritter Band, Göttingen 1964, S. 388.


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Seinem "Unkepunz. Ein deutsches Gedicht", Göttingen 1961, stellt der Dichter folgenden Vers voran: "Zwischen Dschinnistan und Amathus / liegt ein niedrig Eiland: Unkepus." Kannte er "Dschinnistan" von seiner May-Lektüre her, oder von Christoph Martin Wieland, E.T.A. Hoffmann oder Gotthold E. Lessing?

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Klaus Jeziorkowski

geb. 1935, Schriftsteller

... die Gesellschaft des zweiten deutschen Kaiserreichs ist eine autoritäre Klassengesellschaft in reiner Ausprägung, und der Gnostizismus ist die Spiegelung dieser gesellschaftlichen Situation. Er ist ein religionsähnliches System einer Gesellschaft, deren Konstruktionseinheit das ist, was Adorno und andere die autoritäre Persönlichkeit nannten - und May ist ihr Mystagoge. Und mir scheint deshalb auch kein Zweifel daran möglich zu sein, daß der wilhelminische Gnostizismus zu den Elementen gehört, die dem Nazismus in Deutschland den Weg geebnet haben.

"Empor ins Licht. Gnostizismus und Licht-Symbolik in Deutschland um 1900." In: The Turn of the Century. German Literature and Art, 1890-1915. Hg. v. Gerald Chapple und Hans H. Schulte, Bonn 1981, S. 194f.

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Harald Juhnke

geb. 1929, Schauspieler, Showmaster

Eigentlich spielte er schon damals lieber den Winnetou als einen Hitlerjungen.

Wie Prominente die Hitlerjugendzeit erlebten. Hörzu, 10.7.1982.

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Ernst Jünger

geb. 1895, Schriftsteller

Tertianer-Erinnerungen aus Karl May kamen mir ins Gedächtnis, als ich so auf dem Bauche durch betautes Gras und Distelgestrüpp rutschte, ängstlich bemüht, jedes Rascheln zu vermeiden, da sich 50 Meter vor uns der englische Graben als schwarzer Strich aus dem Halbdunkel hob.

In Stahlgewittern. Berlin 1929, S. 61.

Nach dem Abendessen versammelten wir uns in der Sattelkammer ... und setzten uns ... auf einen Stoß von Pferdedecken, die Atjes Lager bildeten. Dort las er uns den "Sohn des Bärenjägers" vor - d a s war ein Buch. Es roch dort oben nach


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Pferden, nach Heu und Leder, und im Winter glühte der Eisenofen ... Atje saß mit dem Buche vor der Stallaterne; wir hörten ihm voll Spannung zu. Es war eine neue Welt, die sich eröffnete.

"Die Gläsernen Bienen", Werke, Stuttg. 0.J. (1964), Bd. 9, S. 485 (zit. nach Jahrbuch der Karl-May-,Gesellschaft 1982, Hansa Verlag Husum, S. 158).

Unter den Büchern ... war eine Seltenheit: die großen, unter Pseudonym veröffentlichten Kolportageromane von Karl May wie "Kapitän Nobody" (nicht von Karl May, sondern von Robert Kraft, d. Hg) und "Waldröschen oder eine Verfolgung rund um den Erdball". Der Anblick der Holzschnitte erinnerte mich lebhaft an die ungemeine Spannung, mit der ich als Sechzehnjähriger diese Bücher las. Die Leihbibliothekarin in Hameln führte sie nicht in ihren Listen und drückte sie mir verstohlen in die Hand. Sicher haben sie viel dazu beigetragen, daß ich zur Fremdenlegion ging.

"Strahlungen" (Tagebücher), Werke Stuttg. o.J. (1964), Bd. 3, S. 587. Weitere Karl-May-Reminiszenzen in "Das abenteuerliche Herz", Werke Bd. 7, S. 35, "Afrikanische Spiele", Werke Bd. 9, S. 11 ff. u.a. (Vgl. Günter Scholdt, Sitara und die Marmorklippen. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1982, Hansa Verlag Husum, S. 158 ff.)

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Friedrich Georg Jünger

1898 - 1977, Schriftsteller

Ich entsinne mich, daß ich ihn mit zwölf Jahren las, eifrig, mit Vergnügen.

Die Behauptung, daß Karl May die Jugend verderbe, ist, wie sich versteht, Unfug. Eher verdirbt die Jugend die Bücher, die sie liest.

Nach: Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, s. 22.

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Max Jungnickel

1890 - 1945, Schriftsteller

Wenn heute Karl May noch lebte, so würde ich meine letzten Groschen zusammenkratzen und ihn besuchen, damit ich mich bei ihm bedanken könnte. Als ich, durch den Hals geschossen, im Lazarett lag und unter tollen Nervenschmerzen fast verging, brachte mir die Krankenschwester: Karl May. Ich las und zerlas meine Schmerzen...

Kreuzzeitung, 7.9.1927 (nach Werbetext auf Briefbogen des Karl-May-Verlages, Radebeul, 1928).


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Es wäre undankbar, wenn ich an Karl May grußlos vorbeigehen würde. Leute, die diesen Erzähler für eine geistige Pest erklären, sind verdächtig. Jedenfalls waren sie nie jung und wurden deshalb nicht von dem Rattenfängerpfiff Winnetous verzaubert ... Nichts ist schöner, als wenn Jungenaugen begeistert strahlen. - Karl May hat das millionenmal fertig gebracht. Wer macht ihm das nach?

"Volksbildung", Zeitschrift, Juni 1929. Zitiert nach: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34, 25. Aufl., Bamberg 1964, S. 377.

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Curd Jürgens
1916 - 1982, Schauspieler

Welche Rolle ich jetzt am liebsten spielen würde? Karl May! Nicht etwa als Parodie. Auch nicht als blutigen Abenteuerschinken. Nein, so wie er sich selbst gewiß gesehen hat: als einen liebenswürdigen Fernsüchtigen, den ein unwiderstehlicher Trieb aus Radebeul in die Welt verschlug.

Zitiert nach M-KMG Nr. 13, S. 26f.

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Ricarda Huch Ernst Jünger
Erich Kästner Helmut Käutner


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Hans Christoph Kaergel

1889 - 1946, Schriftsteller

Es gibt wohl keinen Autor in Deutschland, um den so leidenschaftlich gestritten worden ist als um Karl May. Er ist von seinen Gegnern so oft tödlich getroffen und immer wieder von seinen Freunden ins Leben gerufen worden. Die Jugend allein hat ihn, unbekümmert um das Geschrei der Literatur, zu ihrem Dichter erklärt. Und das genügt. Die majestätische Gewalt der Phantasie ist der Zauber, der die Jugend trotz aller Wandlungen der Zeit immer wieder in ihren Bann zieht.

Deutsche Tageszeitung, Berlin, vom 1.12.1928.

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Hermann Kant

geb. 1926, Schriftsteller Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes bis 1989

O herrlicher sächsischer Lügenbold, gepriesen sei dein vielgeschmähter Name! Dank dir, du genialer Spinner aus Hohenstein-Ernstthal, dank dir für tausendundeine Nacht voller Pulverdampf und Hufedonnern. Heißen Dank für Äquatorsonne und Präriewind und Wüstensand und Steppengras, für Shatterhand und Hadschi, für Winnetou und Geierschnabel, ungeschmälerter Dank dafür, was immer sie dir auch nachsagen. Religiös-sentimental seiest du gewesen, heißt es. Kann sein, aber mich hast du mit vierzig Bänden nicht religiös gemacht, und sentimental - ich weiß nicht. Von Nationalismus ist die Rede, wenn sie von dir sprechen; wenn das stimmt, dann steck das ein, du prächtiger Schuft, dann mach das nicht wieder, denn Nationalismus geht wirklich nicht mehr, aber offen gestanden, ich hab ihn nie bemerkt, deinen Nationalismus, natürlich nur, weil ich zu dumm dazu war und wohl auch, weil es weiß Gott Nationalistischeres gab als dich, zu jener Zeit, in der ich dich gelesen. Wenn du ein Nationalist gewesen bist, dann nimm mein Pfui zur Kenntnis, aber gleichzeitig und noch einmal meinen Dank, du hinreißender Aufschneider und unübertroffener Bildermacher.

Die Aula, Berlin 1971, S. 421.

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Marie Luise Kaschnitz

1901 - 1974, Lyrikerin

Karl May ist ein Phänomen, aber er ist ... kein großer Schriftsteller, und sollte man nicht darauf aus sein, von den Besten zu lernen?

Nach: Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, S. 28.

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Erich Kästner

1899 - 1974, Schriftsteller

Tätowierung der Lagerhäftlinge am Unterarm, Tätowierung der Wachtposten und Henker unter der Achsel, einmal als angebliche Schande, einmal als angebliche Ehre, wahnwitziges Indianerspiel germanischer Karl-May-Leser, groteske Verwechslung von Tausendjährigem Reich und unabwaschbarer Tinte ... "Junge Kadetten!" Doch es waren eben keine Kadetten, sondern Trapper und Indianer, Karl-May-Leser wie ihr Führer, verkrachte NS-Studenten mit Intelligenzbrille, Pfadfinder mit blutigem Fahrtenmesser, braune Rothäute als blonde Bestien. Europa als Kinderspielplatz, mutwillig zertrampelt und voller Leichen. Und die eintätowierte Blutgruppe als Aktenzeichen der Blutsbrüderschaft und der Blutherrschaft.

Notabene 45. Ein Tagebuch. Kästner für Erwachsene. Ausgewählte Schriften. Band vier. Zürich 1983, S. 263 ff.

Ich gehöre zu jenen Leuten, die Karl May nicht mögen.

Kreatives Literatur-Lexicon. Herausgeber Peter Schumann, Starnberg 1974, S. 27f.

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Helmut Käutner

1908 - 1980, Regisseur, Schauspieler

Ich hatte in meiner Jugend relativ wenig Berührung mit dem Phänomen Karl May. Aber durch die Beschäftigung mit seinem Charakter, um ihn gerecht und richtig spielen zu können, habe ich mich sozusagen in seine Nähe begeben. Und wie immer ist das Aufsuchen des eigentlich Menschlichen immer der beste Weg, in einen anderen Charakter zu schlüpfen, von dem man begreiflicherweise weit entfernt ist.

Aus einem Schreiben vom 30.4.1976 an Erich Heinemann.

Helmut Käutner spielte in dem Farbfilm KARL MAY (Regie: Hans-Jürgen Syberberg) die Titelrolle (1974).

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Paul Keller

1873 - 1932, Schriftsteller

(Indianer spielen galt den Tertianern von Altensoda für zu albern; so was machten höchstens die Quartaner und die noch tieferstehenden Jahrgänge, mit denen man keine Fühlung hatte. Von Tertia an war man räuberischer Beduine.)

Klammersatz aus der Erzählung "Hero und Leander"; das ist zwar die Geschichte zweier Esel, aber trotzdem eine May-Geschichte (vollständig abgedruckt in S-KMG Nr. 70, Karl Mays Spuren in der Literatur. Erste Sam-


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lung). Paul Keller erwähnt Karl May in mehreren Erzählungen und Romanen: "In den Grenzhäusern", "Das letzte Märchen".

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Paul Anton Keller

1907 - 1978, Schriftsteller

Old Shatterhand - Kara Ben Nemsi, der Freund seiner Jugendjahre hat ihn nicht losgelassen, - ist es uns, mir und dir und vielen anderen, nicht ebenso ergangen? ... Forst-Battaglia nähert sich seinem Thema, dem vielgeliebten Poeten, mit kritischer Schärfe, ... setzt in Mays Lebenswerk mit ebensoviel Liebe als kritischer Sachkenntnis die Zentralpunkte, und bestätigt so den großen Volkserzähler, als der May immer mehr erkannt wird. ... Gewiß: May war weder Lyriker, noch Dramatiker und sein Denken erfüllte sich in mystischer Religiosität. Allein, was er aus dem unerschöpflichen Born seiner Phantasie fabulierte, bestätigt Forst-Battaglia als werthältig ...

Rezension von Otto Forst-Battaglias Buch: Karl May, Traum eines Lebens - Leben eines Träumers, Bamberg 1966. In: Heimatland, Schrifttum aus Österreich, 3/4 März-April 1967.

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Karl Kerényi

1897 - 1973, Altertumsforscher

In "Tage- und Wanderbücher" (1968) berichtet der Verfasser, er habe als Junge ebenso wie Theodor Heuß ein Verzeichnis sämtlicher bei Karl May vorkommender arabischer, türkischer usw. Worte angelegt.

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Alfred Kerr

(eigentlich Alfred Kempner)

1867 - 1948, Theaterkritiker

In seinen Kritiken der Stücke Carl Zuckmayers:

Wer die Jugend hat, dem gehört die Zukunft, frischauf, die Stimme der heranwachsenden Generation piepst, nicht mürrisch und scheel auf die Dementia praecox oder Frühverkalkung blicken, immer feste mit hinterher, die Herzen auf, Winnetou an die Front.

Er kommt wie so viele, sogar noch auf dem Gymnasium befindliche Kräfte los von der Psychologie, los von der Idee, los vom Ethos, los von der Technik. Hin zu Winnetou.

Pankraz erwacht oder, Die Hinterwäldler. Ein Stück aus dem fernen Westen.


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Deutsches Theater: Junge Bühne. Berliner Tageblatt vom 16.2.1925 (Abendausgabe).

Manchmal hat Zuckmayer Erinnerungen an sein Indianerstück, wie einst im May.

Schinderhannes. Berliner Tageblatt,15.10.1927.

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Walther Killy

geb. 1917, Professor für deutsche Philologie, Bern

Zitiert aus Karl May's Gesammelten Werken, Bd. 9, Bamberg 1961, S. 433-436, die Stelle mit Winnetous Tod.

In: Deutscher Kitsch. Ein Versuch mit Beispielen. Göttingen 1973 (7. Aufl.), S. 98 ff.

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Hans Helmut Kirst

geb. 1914, Schriftsteller

Dieser Karl May ist - was einige nicht wahr haben wollen - eine sehr starke literarische Persönlichkeit. Vermutlich ist er gar kein Schriftsteller "für die Jugend" - sondern einer für jene, die sich "das Jugendliche" bewahrt haben, oder die eben nicht darüber hinaus gekommen sind.

Jedenfalls gilt auch hierbei: niemand sollte sich irgendetwas aus- oder einreden lassen! Es ist Jedermanns gutes Recht, Karl May zu mögen - als Junge mochte ich ihn auch.

Aus einem Privatbrief vom 15.12.1973.

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Egon Erwin Kisch

1885 - 1948, Journalist

... man macht dem wüsten Abenteuerschilderer zum Vorwurf, daß er in seiner Jugend wüste Abenteuer erlebt, man beschimpft ihn, wie man nie einen betrügerischen Kaufmann, einen gemeingefährlichen Fabrikanten, einen bestechlichen Beamten, einen selbstherrlichen Gutsherrn oder gar einen mißhandelnden Offizier zu beschimpfen wagen würde.

In der Villa Shatterhand. Ein Interview mit Karl May. Pfingstbeilage der "Bohemia" vom 15.5.1910. Zitiert nach: Im Wigwam Old Shatterhands, in: Hetzjagd durch die Zeit, Fischer Taschenbuch Frankfurt/M. 1974, S. 54.

Er hatte, in der Phantasie ergraut, nicht den Mut zur Wahrheit, nicht die Kraft, sich zu seiner Jugend zu bekennen und


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- nur von einer kleinen Schar von Menschen publizistisch verteidigt - starb er daran, daß seine Realität enthüllt worden war.

Literarische Welt, Berlin Nr. 47, 2. Jg., vom 19.11.1926, S. 355.

Kisch erwähnt May auch in anderen Publikationen, z.B. "Billiger Tatort", vollständig abgedruckt in S-KMG Nr. 73, Karl Mays Spuren in der Literatur. Zweite Sammlung.

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Henry Kissinger

geb. 1923, US-Diplomat

Albert Einstein and Henry Kissinger devoured the books of Karl May when they were young.

(Albert Einstein und Henry Kissinger verschlangen in ihrer Jugend die Bücher Karl Mays.)

John Tagliabue, How West was won. Works of "Germany's Zane Grey,' coming to U.S. The Baltimore Sun, 7.5.1979.

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Hans-Josef Klauk

geb. 1946, Univ.-Prof., Schriftsteller

Eine gute Erzählung braucht einen Helden, sie braucht um der inneren Dramaturgie willen auch einen Schurken. Je einfacher die Erzähltechniken, um so krasser die Gegensätze, um so strahlender der Held und um so verruchter der Bösewicht. Man sieht es an den ungeheuer erfolgreichen Reiseerzählungen Karl Mays (deren eine auch noch den Titel "Satan und Ischariot" trägt) . Die psychologischen Charakterzeichnungen sind sehr simpel, fast primitiv. Es gibt nur Gute und Böse, Zwischentöne fehlen fast gänzlich. Aber die Dynamik dieser totalen Opposition erzeugt große erzählerische Spannung. Sollte Judas sein düsteres Charakterbild etwa einer erzähltechnischen Notwendigkeit verdanken?

Judas - ein Jünger des Herrn, Freiburg 1987.

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Hans-Ulrich Klose

geb. 1935, Politiker

Klose: Soll sich Kulturpolitik auf dem Niveau von Karl May oder von Lessing vollziehen?

Presse: Die sind ja beide nicht schlecht, aber jeder auf seine Art.

KLose: Ja, aber ich muß sagen: Mir wäre lieber, wenn wir Kulturpolitik im Geiste Lessings betrieben...

Gespräch mit dem Korrespondenten der Wiener "Presse" vom 19.2.1979.

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Werner Klose

1923 - 1987, Pädagoge

Hermann Hesse erklärte Mays Erfolg damit, daß seine Abenteuererzählungen den Typus "Dichtung als Wunscherfüllung" verwirklichen. Es gibt übrigens Anzeichen dafür, daß Karl May auf die Entstehung der deutschen Jugendbewegung um 1900 eine ähnliche Wirkung ausgeübt hat wie das Werk Hermann Hesses auf die jugendliche Subkultur der sechziger und siebziger Jahre unseres Jahrhunderts.

Texte für die Sekundarstufe (7. Jahrgangsstufe) TS 7. Hannover 1974, S. 38.

Auszug aus Kloses Stück "Winnetou in Hollywood" in Sonderheft der KMG Nr. 73, Spuren Karl Mays in der Literatur. Zweite Sammlung.

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Volker Klotz

geb. 1930, Literaturwissenschaftlicher

Karl May hat empfindlich verspürt, was die gesellschaftliche Wirklichkeit ihm und seinesgleichen vorenthält. Nicht gewußt hat er, ob und wie es ihr abzuzwingen wäre.

Karl May. Der verlorene Sohn oder der Fürst des Elends. In: Abenteuerromane. München, Wien 1979, S. 181.

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Heinz Knobloch

geb. 1926, Feuilletonist

Ich habe, als ich acht/neun Jahre war, in Dresden-Blasewitz sämtliche erreichbaren Karl Mays gelesen, es müssen an die 50 Bände gewesen sein. Es hat mir nicht geschadet; ich habe dadurch ein paar amerikanische und arabische Wörter gelernt. Sonst kaum etwas.

Karl May Lesen mag heute aus den gleichen Gründen nützlich sein, weil durch das Fernsehen die Rechtschreibung der jüngeren Jahrgänge litt und leidet.

Das wichtigste "Karl-May-Buch"? Arno Schmidts "Sitara".

In einem Brief (April 1986) an Uwe Kahl, Zittau.

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Wolfgang Koeppen

geb. 1906, Schriftsteller

Karl May und Arno Schmidt erreichen ihr Arabia Deserta.

Zwei glückliche Männer, hinter Butzenscheiben und Blumentöpfen die Wüste.


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Aus: Gedanken und Gedenken. In: Arno-Schmidt-Preis 1984, Bargfeld 1984. Nach Martin Lowsky aus Zettelkasten 9/1991, S. 255, 274.

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Helmut Kohl

geb. 1930, Bundeskanzler

Mit dem Namen dieses Schriftstellers verbinden sich intensive Erinnerungen an meine Jugendzeit, als ich fast alle Bände dieses Autors förmlich verschlungen habe und mich von ihm in die Welten Amerikas oder die Wüsten Arabiens entführen ließ.

Pressemappe Karl-May-Spiele Bad Segeberg 1983, FAZ 14.7.1983.

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Wolfgang Kohlhaase

geb. 1931, Hörspiel- u. Fernsehspielautor

So kam ich ... zu zwei Bänden Karl May ...

Der nie verreiste biedere sächsische Übermensch Karl May, an dem die Untugend auf allen Kontinenten scheiterte, gewann zu gegebener Zeit meine Anteilnahme, aber keine besonders tiefe. Mir mißfielen seine langatmigen moralischen Erörterungen. Daß die Bösewichter immer ermahnt und wieder laufengelassen wurden, bis sie endlich per Gottesurteil in irgendeine Schlucht fielen, entsprach nicht meinem handfesten Gerechtigkeitsbedürfnis. Eventuell hatte ich auch ein richtiges Gefühl für falsche Töne, für den verfehlten Ehrgeiz des Karl May, sich in eine Schriftstellerei anderer Art zu mogeln. Aber immerhin erinnere ich mich seinetwegen an die Vorfreude des Lesens, an dicke, handliche Bände mit festem Pappdeckel, und man wußte genug im voraus, um es genau wissen zu wollen.

Vergnügen stiller Art. In: Das schönste Buch der Welt. Wie ich lesen lernte. Berlin, Weimar 1973, S. 151.

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Teddy Kollek

geb. 1911, Bürgermeister von Jerusalem

Allerdings bin ich von jeher ein begeisterter Leser gewesen, und das Idol meiner Kindheit war Winnetou, der stoische Apachenhäuptling aus den Karl-May-Romanen... Diese Stunden, in denen ich selbstvergessen in ein Buch vergraben war, haben mich bis zu einem gewissen Grade geprägt.

Ein Leben für Jerusalem. Hamburg 1980, S. 17.

FAZ-Fragebogen (FAZ-Magazin) Nr. 291/27.9.1985: Ihre liebsten Romanhelden: "Noch immer der Held meiner Jugend: Winnetou."

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Heinz Günther Konsalik

(eigentl. Heinz Günther) geb. 1921, Schriftsteller

Wie man den kleinen Sachsen aus Radebeul auch ansehen mag (es ist fast wie bei Wagner): Jedes Leben hat Sonnen- und Schattenseiten, und wenn die Sonnenseiten überwiegen, dann soll man die Schatten nicht allzu schwarz malen. Karl May hat Generationen von Jungen (und Mädchen) Spannung und Miterleben von Abenteuern gegeben, er hat auch die Erwachsenen zu fesseln vermocht, er war ein "Volksschriftsteller" und kein Literat und ist dennoch in die sogenannte Unsterblichkeit eingegangen, während viele "Literaten" vergessen sind.

Aus einem Privatbrief vom 25.10.1973.

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Karl-Heinz Köpcke

1922 - 1991, Fernsehansager

tz München: Haben Sie in Ihrer Jugend Karl May gelesen?

Köpcke: Und wie!

tz München: War Ihnen einer der Karl-May-Helden in irgend einer Weise Vorbild?

Köpcke: Der zurückhaltende Winnetou.

tz München, 25.3.1972.

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Lew Kopelew

geb. 1912, Schriftsteller

... erwähnt Karl May als seine Jugendlektüre in: Und schuf mir einen Götzen, Hamburg 1979, S. 35 und 41.

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Michael Koser

geb. 1938, Hörspielautor

Karl May ist, zumindest literarisch und vielfach unbewußt, aus den individuellen und sozialen moralischen Zwängen seiner Zeit ausgebrochen. Er hat sich einen märchenhaft-exotischen Freiraum geschaffen und dadurch seinen Lesern die Ahnung einer möglichen wahren Freiheit vermittelt.

Howgh, ich habe gesprochen. Winnetou und Karl May. Sendung von RIAS Berlin (Sprache und Literatur), 15./16.7.1971. Zitiert nach INFORM, Beilage zu den M-KMG Nr. 1/1972.

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Victor de Kowa

(eigentl. Kowalski)

1904 - 1973, Schauspieler

Percy liebte den lieben Augustin und Karl May .... dessen Gesammelte Werke ich noch besaß. Zwei Meter Achtzehn. Mit einer Widmung.

Als ich noch Prinz war von Arkadien. Nürnberg, 1959.

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Siegfried Kracauer

1889 - 1966, Schriftsteller, Filmhistoriker

Der Erfolg amerikanischer Filme war besonders überwältigend. BRONCHO BILL und TOM MIX eroberten die Herzen einer Jugend, die KARL MAYS Romane samt ihrer fiktiven Wildwest-Szenerie ... verschlungen hatte. Ernst und nüchtern gesinnte Erwachsene fanden den Zauber, den dieser "Kitsch" auf die heranwachsende männliche Jugend ausübte, unverständlich; diese aber schwelgte in Tränen, wenn der edle Indianerhäuptling Winnetou, zum Christentum bekehrt, in den Armen seines Freundes Old Shatterhand starb, der die Guten belohnte, die Bösen bestrafte und, versteht sich, ein Deutscher war.

Von Caligari bis Hitler. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Films. Hamburg 1958, S. 14.

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Richard von Kralik

1852 - 1934, Literaturhistoriker

Karl May verdient es indes, in die Unsterblichkeit der Weltliteratur einzugehen und es ist im Interesse deutscher Kunst sehr zu wünschen, daß sich eine Gemeinde von Karl-May-Kennern mit diesem Problem andauernd beschäftigt ...

Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1921, S. 122.

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Friedrich Saloffion Krauß

1859 - 1938, Anthropologe

Hätte May nichts anderes als diese Selbstbeichte (gemeint ist: Mein Leben und Streben. Selbstbiographie. Freiburg i.Br. 1911) geschrieben, so verdiente er schon daraufhin den Namen eines unserer größten, unserer ehrlichsten Schriftsteller. Für den Psychoanalytiker als den eigentlichen Sexualforscher ist die Arbeit ein kostbares Geschenk. Ohne es selber zu merken, entwirft May von sich ein ganz vortrefflich anschauliches Bild eines schwer belasteten Neurotikers,


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der da seine durch eine verpfuschte Jugend krankhaft gesteigerte Sexualität endlich zu einem religiös mystischen Edelmenschentum sublimiert hat.

Anthropophyteia, Bd. VIII, S. 501; abgedruckt in Mays Schriftsatz an das Königl. Landgericht III in Berlin v. 3.12.1911 (1911), S. 122.

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Werner Krauss

1884 - 1959, Bühnen- und Filmschauspieler

Zuckmayer war ein Riesenverehrer von Karl May, er ist es heute noch. Auch ich war einmal jung - und weicher Junge hat diese Bücher nicht verschlungen? So haben wir miteinander nur verkehrt als "Apanatschka, die Große Wasserschlange", und er hat mich nur als "Lieber Old Surehand" angeredet.

Das Schauspiel meines Lebens. Hgg. von Hans Weigel. Stuttgart 1958, S. 135.

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Otto Kreiner

geb. 1931, Schriftsteller

Der Junge saß da und starrte in die Dunkelheit, die ihn umgab. Er saß auf einem Stuhl in der Küche des Hauses, und seine kleinen Füße hingen in der Luft. Irgendwo unten gab es etwas, das einen Halt gab. Das war gar nicht so weit. Wenn das Wesen mit der freundlichen Stimme bei ihm war, fühlte er sich ganz sicher. Wenn es ihn unter den Armen faßte und hochhob, war es nur ein kleiner Ruck, bis er auf der festen Erde stand. War er aber allein, dann konnte ihn das Gefühl ankommen, daß das da unten sich mehr und mehr entfernte, daß der Boden unter ihm wegsackte und sich über der schwindelnden Tiefe der Sessel nach vorn neigen wollte. Dann klammerte er sich verzweifelt fest und rückte, obwohl er wie gelähmt war vor Angst; nach hinten, bis er die Lehne an seinem Körper spürte.

Der Schatten. Roman Über den Volksschriftsteller Karl May. Salzburg u. Wien 1989, S. 9f.

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Ernst Kreuder

1903 - 1972, Schriftsteller

Spricht von "Jahren des Karl-May-Rausches" in "Ich über mich".

In "Ernst Kreuder. Von ihm. Über ihn". Hrg. Christoph Stoll, Bernd Gollmann, Mainz 1984.


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Helmut Kreuzer

geb. 1927, Publizist

Leseerlebnisse:

Mit der Zeit kamen vierlei Sachbücher dazu, auch Balladen und lyrische Gedichte, aufregende Abenteuer- und Geschichtsromane - von "Winnetou" bis zum "Kampf um Rom". Das war wohl nicht viel anders als bei den anderen, die es damals zur Literatur trieb ...

In: Leselieben Nr. 50, Dt. Lesegesellschaft e.V. Mainz (1987).

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Christian Graf von Krockow

geb. 1927, freier Wissenschaftler und Publizist

Doch am schönsten ist für mich das Vorlesen vor dem Schlafengehen. Grimms und Andersens Märchen, die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson, Robinson Crusoe, Sigismund Rüstig und Lederstrumpf, Gullivers Reisen, Schwabs Sagen des klassischen Altertums, Winnetou: Nichts wird ausgelassen, bis die Ungeduld des Selberlesens ins Unermeßliche wächst.

Die Reise nach Pommern. Bericht aus einem verschwiegenen Land. Stuttgart (5. Aufl.) 1985, S. 171f.

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Franz Xaver Kroetz

geb. 1946, Dramatiker

Wer von den Schreibern fürs Volk hat sich wirklich ausführlich mit der Trivialliteratur beschäftigt? Und wie steht es dann etwa mit Karl May? Recht gut: Man kann etwa feststellen, daß er zu den besten deutschen "Landschafts-und Wetterschilderern" gehört ...

Bücherdeckel - Sargdeckel? Über den Versuch, sozialistischen Realismus in westdeutsche Volksromane zu packen. Deutsche Volkszeitung vom 15.6.1972. Zitiert nach: INFORM Nr. 2/1972, Beilage zu den M-KMG.

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Karl Krolow

geb. 1915, Lyriker, Essayist

Karl May kannte diese Welt nicht. Es blieb denn im Grunde auch s e i n e Welt, die er je und je darzustellen unternahm, eine etwas undeutliche, gut gemeinte, jedenfalls am Schreibtisch und im stillen Kämmerlein erfundene schwarzweiße Welt, eine Welt der Nichts-als-Guten, liebenswürdig und draufgängerischen Guten, und der Nichts-als-Bösen, der abgefeimten Kreaturen. Sie erfüllte er denn auch mit seinem Ge-


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fühl, seinem Pathos, seiner unbändigen Freude am Fabulieren, am Erfinden von Stoffen, und er erwarb sich mit diesem Talent eine unvergleichlich wirksame und breite Volkstümlichkeit.

Ein liebenswerter Phantast. Westfälische Rundschau Nr. 107, von

9.5.1952.

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Horst Krüger

geb. 1919, Schriftsteller

Sie sind Aufklärer der frühesten Stunde und huldigen einem naiven und handfesten Realismus. Sie sind wie vierzehnjährige Jungen bei uns, die gerade ihre Karl-May-Phase hinter sich haben und sich zum erstenmal knabenhaft naiv der Welt zuwenden, an ihre einfache, ungebrochene Wirklichkeit glauben.

Diese brave Welt. Moskauer Impressionen. In: Unterwegs. Gesammelte Reiseprosa, Hamburg 1980.

Ich las als Junge natürlich seine (Mays) Bücher mit Passion, aber offen gesagt: davon ist bis heute nichts hängen geblieben. Ich weiß, daß es eine ernsthafte Karl-May-Forschung heute gibt, - mich geht sie nichts an.

In einem Brief vom 25.5.1986 an Erich Heinemann.

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Erich Kuby

1910, Publizist, Roman-, Film- und Hörspielautor

Wir haben etwa 60 Gefangene gemacht, und wenn wir als Infanteristen in den Wald hinein sind, so kamen wir als Kavalleristen wieder heraus, hoch zu Roß. Das ganze Unternehmen hatte etwas von Karl May.

Mein Krieg. München. 1977, S. 187.

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Jürgen Kuczynski

geb. 1904, Wirtschaftshistoriker

Als Schüler hatte ich das Glück, von meinen Eltern nicht bei der Lektüre von Karl May gestört und doch zu Karl Marx hingelenkt zu werden...

Jahre mit Büchern. Berlin-Weimar 1986, S. 7.


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Alfred Kerr Egon Erwin Kisch
Siegfried Lenz Karl Liebknecht


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Emil Kuh

geb. 1856, Publizist und Chefredakteur, Vater des Schriftstellers Anton Kuh (1890-1941)

Wir müssen in Karl May einen Autor begrüßen, dessen Werke viel weniger für die Kinderstube, als für die Erwachsenen bestimmt und geschaffen sind. Der ethische Gehalt dieser kunstvoll verschlungenen Reiseerzählungen erhebt sie zu didaktischen Romanen von wirklich vorzüglicher Qualität.

So wie er in den Werken, in denen er rechtlich als Autor gezeichnet ist, vor uns steht, darf er als eine literarische Individualität aufgefaßt werden, die zu ignorieren entweder pedantisch-hochmütig oder schrullenhaft wäre. Wir haben den ernsthaften Wunsch, daß sich auch die majorennen Leute mit diesem Autor befassen, der über die Erzählung von seltenen Abenteuern den Schimmer milder Ethik ausbreitete und der bei eben diesen Erzählungen an Humor und an Einbildungskraft genug offenbarte, um mit Genuß gelesen zu werden.

Die Ethik des Abenteuers. Neues Wiener Tagblatt Nr. 82 vom 23.3.1908.

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Hans-Joachim Kulenkampff

geb. 1921, Schauspieler

Lesen war immer ein Abenteuer für mich. In meiner Kindheit sogar ein doppeltes. Mit der Taschenlampe heimlich unter der Bettdecke und mit der Angst erwischt zu werden durch's wilde Kurdistan. Auch heute noch sind Bücher meine liebsten Wegbegleiter.

rtv. Das Fernsehmagazin Ihrer Zeitung Nr. 42/89, Nürnberg.

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Horst Künnemann

geb. 1929, Lehrer, Schriftsteller

May und sein gigantisches Werk hausen im literarischen Zwischenreich von "Hochliteratur" und den Niederungen reiner Schund- und Trivialitätserzeugnisse. Verdrängt auf die Unverbindlichkeit eines "Jugendschriftstellers" haben wir nur zu leicht vergessen, daß Millionen unserer erwachsenen Landsleute nie über den Geisteszustand literarischen Pubertierens hinaus gelangten, daß sie mithelfen, die Kinokassen bei "Winnetou", "Schatz im Silbersee" und die Ränge der Segeberger Arena zu füllen.

Die Zeit Nr. 44, 29.10.1965.

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Reiner Kunze

geb. 1933, Schriftsteller

Auf den Möbeln ihres Zimmers flockt der Staub. Unter ihrem Bett wallt er. Dazwischen liegen Haarklemmen, ein Taschenspiegel, Knautschlacklederreste, Schnellhefter, Apfelstiele, ein Plastikbeutel mit der Aufschrift "Der Duft der großen weiten Welt", angelesene und übereinandergestülpte Bücher (Hesse, Karl May, Hölderlin), Jeans mit in sich gekehrten Hosenbeinen, halb- und dreiviertel gewendete Pullover, Strumpfhosen, Nylon und benutzte Taschentücher.

Die wunderbaren Jahre, Frankfurt/M. 1972, S. 219/220.

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Josef Küper

1891 - 1972, Erzähler

Frau Lisa schlief mit roten Backen, aber Johannes konnte nicht schlafen, ihm stand das Herz offen, ihn lockte das Buch des Bärentöters Karl May. Johannes verfiel der Lockung des beschlagnahmten Buches, er dachte: In einer Stunde ist die Nacht für mich herum, ich will aufstehen und diese Stunde schon zum Tag rechnen. Ja, ich will aufstehen und lesen, abends bin ich zu müde.

Das Dukatenmännchen, 1951. S. 195 ff. Zitiert nach: Karl Mays Spuren in der Literatur. Zweite Sammlung. S-KMG Nr. 73, 1987, S. 43.

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Alfred Kurella

1895 - 1975, Schriftsteller

Karl May kam gar nicht erst ins Haus, weil wir schon durch Cooper eines Besseren belehrt waren.

Vertraute Freunde, in: Das schönste Buch der Welt. Wie ich lesen lernte. Berlin, Weimar 1972, S. 10. Ferner in: H. Eggebrecht (Hrg), Karl May der sächsische Phantast, Fischer-Taschenbuch 6873, Frankf./M. 1987, S. 273.

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Joseph Kürschner

1853 - 1902, Schriftsteller, Lexikograph

Karl Mays Reiseerzählung, die erst während des Erscheinens der einzelnen Lieferungen des Buches vollendet wurde, hat einen etwas anderen Inhalt und Hintergrund erhalten, als ich geplant und erwartet hatte. Die warmherzige Vertretung des Friedensgedankens, die sich der vielgelesene Verfasser angelegen sein ließ, wird aber gewiß bei Vielen Anklang finden.


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Vorwort zu "China. Schilderungen aus Leben und Geschichte Krieg und Sieg", Berlin, Deutsche Kriegerbund-Buchhandlung 18.10.1901.

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Rudolf Kurtz

1884-1960, Essayist, Schriftsteller

Gestatten Sie mir, dessen Namen Sie zum ersten Mal hören, diese Zeilen öffentlich an Sie zu richten. Aber ich mag nicht schweigen, wenn eine Kohorte grinsender Kulturträger ihre persönliche Reinlichkeit dadurch zu dokumentieren sucht, daß sie ein mühevoll erjagtes Opfer mit seiner Vergangenheit stückweise abschlachtet ... Nur die Torheit grober Volksaufklärer - hassenswerter brutaler Gehirne - vermag zu übersehen, daß Ihre Bücher Volksbücher, Jugendschriften sind.

Offener Brief an Karl May. In: Der Sturm, Berlin, vom 12.5.1910. Nachdruck in: Der Brenner, Innsbruck, 1. Jg. 1910, Heft 4, vom 15.7.1910. Zitiert nach: Jb-KMG 1971, S. 230-233.

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Der deutsche Philosoph aus Radebeul

"... es ist das tiefe Ethos, die gläubige Gerechtigkeit, die allumfassende Menschenliebe, die den Leser anspricht. Es ist die Hoffnung auf eine bessere Welt, die durch Karl May in uns immer wieder geweckt und bestärkt wird.

Lange genug war der Schöpfer des Winnetou bei allen Gebildeten als Abenteuerromanschreiber verschrien. Nur die einfachen Menschen wußten wohl schon immer, daß diese Beurteilung ihm nicht gerecht wird, daß Karl May sehr viel mehr ist.

Auch die sogenannten Gebildeten sollten heute endlich erkennen, daß wir in Karl May einen unserer größten Philosophen verehren dürfen. Nietzsche, Schopenhauer, Marx - Zeitgenossen Karl Mays und Philosophen wie er -, was haben sie für Unheil angerichtet! Wären Karl Mays Lehren beherzigt worden wie die ihren - Lehren, die aus dem tiefsten Born christlich-deutscher Innerlichkeit genährt werden -wie sähe es heute in der Welt aus!"

Auszug aus PARDON, Juni 1963


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Hans Läng

geb. 1919, Amerikanist, Leiter des Indianermuseums Zürich.

Wenden wir uns noch dem größten Phänomen der Abenteuerliteratur zu: Karl May, dessen Bücher mit einer nach Millionen zählenden Auflage alles bislang Dagewesene in den Schatten stellen ...

In Karl Mays "Winnetou" tritt uns die Gestalt des Edlen Wilden in der Literatur des 19. Jahrhunderts wohl zum letzten Mal in so reiner Form entgegen.

Der Westen in der europäischen populären Literatur. In: Far West, Indianer und Siedler im Amerikanischen Westen. Ausstellungskatalog Villa Hügel, Essen 22.9.-12.12.1976, S. 236f.

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Walter Laqueur

Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in London, Schriftsteller

Er war ... ein pathologischer Lügner, der schließlich selber glaubte, alle Schauplätze seiner Bücher besucht zu haben ... ; gewiß, auch Dante war nie in der Hölle, auch Shakespeare nie in Dänemark oder Italien gewesen. Im Tempel der Weltliteratur gibt es viele Räume. Irgendwo muß eine Nische für Karl May gefunden werden; ihn draußen zu lassen, hat sich als hoffnungsloses Unterfangen erwiesen.

The New York Times Book Review/January 29, 1978.

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Dieter Lattmann

geb. 1926, Schriftsteller

Lorenz hatte an die dreißig Bände (Karl May, d. Hrg.) gelesen, Jonas brachte es nur auf acht, dann waren ihm die Wiederholungen aufgefallen.

Die Brüder. Roman. Berlin 1986.

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Rudolf Lebius

1868 - 1946, Journalist, Redakteur

Ich bewundere an May die fesselnde Darstellungskraft. Seine Sprache ist Leben ... ein wirklich genialer Schriftsteller.

Sachsenstimme, Dresden, vom 2.9.1904.


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Seine Schriften sind mir so zuwider, daß es mich Überwindung gekostet hat, einiges von ihm zu lesen.

Vorwort: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin-Charlottenburg 1910.

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Hinrich Lehmann-Grube

geb. 1932, Politiker

Seine liebsten Romanhelden: Kara Ben Nemsi, Röde Orm (von Bengtsson).

Frankfurter Allgemeine Magazin (Fragebogen), 8.2.1991.

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Stansislav Lem

geb. 1921, polnischer Schriftsteller

... sein Kopf ist ... vollgestopft ... mit dem Gerümpel aus seinen Jugendjahren, als er Dumas' Romane las, mit den "Drei Musketieren" beginnend, und später als Halbwüchsiger mit "monarchistischen (seiner eigenen Ansicht nach, in Wirklichkeit aber nur sadistischen) Neigungen" die Bücher Karl Mays verschlang. Und da die Erinnerungen an diese Lektüre im Folgenden von den gierig gefressenen Schundromanen überlagert wurden, kann er nicht die französische Geschichte ins Leben zurückrufen, sondern nur jenen brutal primitivierten, geradezu kretinhaften Galimathias, der ihm diese ersetzt hat und zu seinem Glaubensbekenntnis geworden ist ...

Die vollkommene Leere, Frankfurt/M. 1973, S. 58. (Rezension des Romans "Gruppenführer Louis XVI." von Alfred Zellermann. Der Romanheld, ein ehem. Nazi, gründet im südamerikanischen Urwald einen Staat im Geiste Louis, XVI.)

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Siegfried Lenz

geb. 1926, Schriftsteller

... wir konnten das Ende des Unterrichts kaum erwarten, stürzten nicht nach Hause, um mit Robinson Crusoe eine Palisadenwehr zu errichten, mit Lederstrumpf zu streifen oder Winnetous feucht gewordenes Pulver zu trocknen; ...

Beziehungen. Ansichten und Bekenntnisse zur Literatur, Hamburg 1970, s. 18.

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Heinrich Lersch

1889 - 1936, Schriftsteller

Karl May! Das war herrlich! Da gab es Wüsten, wilde Tiere, märchenhafte Länder - das belebte meine Phantasie. Sehen Sie, die Enge, die fürchterliche Enge, in der ein Arbeiterkind aufwächst, erzeugt eine nicht zu bändigende Sehnsucht nach Weite, nach der großen schönen Welt, nach Bergen, und Meeren, die es nur von der Landkarte her kennt.

Bauernblut und Heimaterde, Breslau (o.J.), S. 422/423 (zitiert nach: 25 Jahre Karl-May-Verlag, Radebeul 1938, S. 42).

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Heinrich Lhotzky

1889 - 1930, Psychologe

Sein wahrhaft großer Gedanke ist, daß er für die Seele schreiben wollte. Ich kann ihm bezeugen, daß er dieses Ziel auch erreicht hat. Niemals habe ich so genau gewußt, warum ich so gern zu solchen Büchern greife, die man phantastisch

nennt. Dann habe ich beobachtet, daß ich sie immer in Zeiten inneren Gedrücktseins, bei Schwermutsanfällen und dergleichen brauche. Das sind seelische Leiden, nicht geistige. Und in solchen Zeiten wirken sie geradezu als Heilmittel ...

Offenbacher Volkszeitung 1918, zitiert nach: Karl-May-Flugblätter 1, Karl-May-Verlag Radebeul.

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Karl Liebknecht

1871 - 1919, Politiker

Besten Dank für die Übermittlung der "Lanze für Karl May"! Großartig, wie der Karl-May-Verleger mit dem deutschen Willen Ferdinand Avenarius' abrechnet! Mich freut dies besonders, weil ich ja die Karl-May-Bücher seit Jahren schätze und immer wieder gerne lese.

Aus seinem Brief vom 28.12.1918 an den Herausgeber der Berliner Zeitschrift "Natur und Gesellschaft", Dr. Dietze. Zitiert nach: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34, 25. Aufl. 1964, S. 376.

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Nicolas Lindt

geb. 1954, Schriftsteller und Journalist

Als ich elf war, stellte ich alle meine Karl-May-Bücher auf einen eigenen Tisch und sagte zu meiner Mutter, diese Bücher werden für mich immer die wichtigsten sein. Sie lachte mich aus, und das hab' ich ihr lange nicht verziehen. Denn es war


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mir ernst: Neben den Erzählungen von Karl May verblaßten die anderen Bücher auf meinem Büchergestell - Karl May, das war für mich mehr als nur Bücher, das war eine Welt, in die ich so tief eintauchen konnte, daß ich keine Grenzen mehr wahrnahm ... In der Welt von Karl May fühlte ich mich heimisch, meine wirkliche Welt dagegen befremdete mich, ich empfand sie als störend, sie hinderte mich am Träumen, sie versuchte mich dauernd zurückzuholen ...

Der heimliche Räuberhauptmann - auf den Spuren Karl Mays. In: "Aus menschlichen Gründen". Wahre Geschichten und Porträts. Wald (Schweiz), 1985.

Als Kind war es Winnetou - jetzt ist es Karl May selbst, der mein Mitgefühl weckte; ich konnte mich immer besser in ihn hineinfühlen, und ich glaube ihn zu verstehen. Sein Appell an die Menschlichkeit ist mir vertraut, und ich weiß auch, daß er Menschlichkeit nicht nur im humanitären Sinn auffaßte, sondern im eigentlichen, tieferen Sinn des Begriffes: darin, daß der Mensch zu sich selbst findet.

In einem Brief vom 30.11.1985 an Erich Heinemann.

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Eva Lips

geb. 1906, Schriftstellerin

Alles zusammen, reichlich mit dem Weihrauch einer selbstgerechten nationalistischen Frömmelei parfümiert und in ein exotisches Milieu verfrachtet, macht den Inhalt oder - wenn man es so will - die "Moral" sämtlicher Karl-May-Geschichten aus. Sie besteht, auf ihren beliebtesten geographischen Schauplatz bezogen, im unausbleiblichen Triumph des Gott und sonst nichts auf der Welt fürchtenden Wildwestsiegfrieds "Old Shatterhand" und seiner oft ebenfalls saxoteutonischen Unterhelden und Präriebuffos über eine Bande gottloser fremdländischer Bösewichter und deren Trabanten.

Nicht nur in der Prärie, Leipzig 1974, S. 215 ff.

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Erich Loest

geb. 1926, Schriftsteller

Sie haben keine Schritte über sich und auf der Treppe gehört, ein alter Mann öffnet die Tür, Klara strahlt: "Du hast Besuch, Karl!"

Die Jungen mühen sich hinunterzuschlucken, sie schieben sich von den Stühlen und schauen auf ein runzliges Gesicht, in Augen, die wie blind wirken, wasserblau mit Tränentröpfchen in den Winkeln. Sie begreifen nicht; das soll Karl May sein, vielleicht ist es sein Vater. Sie drücken eine schlaffe Hand


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und hören eine leise Stimme. "Soso, von Leipzig, wie schön." sie haben dröhnenden Baß erwartet und einen Schlag auf die Schulter befürchtet und erhofft. "Kakao und Kuchen, das laß ich mir gefallen! Nun eßt mal tüchtig!" Es fehlte noch, daß er sagte: Damit ihr groß und stark werdet wie Old Shatterhand.

Swallow, mein wackerer Mustang. Karl May Roman. Hamburg 1980, S. 394f.

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Louis Ferdinand Prinz von Preußen

geb. 1907, Sohn des deutschen Kronprinzen Wilhelm (1882-1951) und Chef des Hauses Hohenzollern

In dem Indianerdorf in Taos berichtigte ich die idealistisch-romantischen Vorstellungen, die ich von Amerikas Ureinwohnern aus Coopers "Lederstrumpf" und aus Karl May empfangen hatte.

Im Strom der Geschichte. München 1983.

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Heinrich Lübke

1894-1972, Präsident der Bundesrepublik Deutschland

Ich habe - gefragt wegen meines Interesses - gesagt, ich wäre dort in meiner Jugend schon längst mit meinem Freund Karl May spazierengegangen.

200 Jahre USA, Sonderteil zu 'Stern' Nr. 16 vom 8.4.1976, S. 110.

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Felix Graf von Luckner

1881-1966, Korvettenkapitän

Als ich in meiner Jugend begeistert Karl May las und mir in den glühendsten Farben ausmalte, wie großartig ein Zusammentreffen mit echten Indianern sein müßte, so hatte ich doch nicht geglaubt, daß mein Wunsch so sehr spät in Erfüllung gehen sollte. Gelegenheit dazu gab mir die Einladung ... zu einem Ausflug ins Yosemite-Tal ...

Seeteufel erobert Amerika. Leipzig 1928, S. 265.

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Georg Lukacz

1885-1971, Literaturhistoriker

Viele Schriftsteller beschrieben den Seelenzustand der Jugend in der Armee und an der Front ...

Alle Gefühle der Kindheit und Jugendopposition von Cooper bis Karl May, von der Seeräuberromantik bis zur Idealisierung des freien Lebens der Reisläufer und Landsknechte erleben hier ihre Wiedergeburt. Diese Art von Literatur hat ... naturgemäß einen starken Anklang bei der Jugend gefunden, denn gerade ihr Unbehagen gegenüber der Eingeengtheit und Ausblicklosigkeit des Lebens im kapitalistischen System und gegenüber dessen gesellschaftlicher Arbeitsstellung löste solche selten bewußt gemachten Protestgefühle, Sehnsucht nach freiem Aufatmen, nach Ellenbogenfreiheit, nach der Möglichkeit, sich an irgendeiner Sache mit der ganzen Persönlichkeit zu beteiligen ... schon lange vor dem Kriege aus.

Marxismus und Stalinismus. Politische Aufsätze. Ausgewählte Schriften IV. Reinbek 1970, S. 19.

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Maurice de Maeterlinck

1862-1949, Dramatiker

Man empfahl mir als Maeterlincks deutschem Vertreter, diese neueste 'Kunstleistung' Mays vor Gericht zu bringen. Jedoch erschien mir - und erscheint auch M. Meterlinck - solcher Kraftaufwand gegenüber einem Karl May nicht nötig ...

Maeterlincks Übersetzer, Friedrich v. Oppeln-Bronikowski (1873-1936) in: "Das Literarische Echo. Halbmonatsschrift für Literaturfreunde" (Heft 12, 15.3.1911).

Karl May hatte in seiner Selbstbiographie "Mein Leben und Streben", Freiburg/Br. 1910, S. 223, behauptet, Maeterlinck habe in einem seiner Schauspiele "drei Szenen von Paul Heyse rein abgeschrieben". Daß diese Behauptung keineswegs völlig aus der Luft gegriffen war, weist Hainer Plaul nach im Anhang zu "Mein Leben und Streben", Reprintausgabe Hildesheim 1975, Anm. 228, S. 423.

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Hasso Mager

geb. 1920, Schriftsteller

Ich habe kein besonderes Verhältnis zu Karl May, ich halte ihn für einen Schriftsteller, der schon seines außergewöhnlichen Erfolges wegen in die Literaturgeschichte gehört. Ich war gegen die Verteufelung, die er jahrzehntelang bei uns (in der ehem. DDR) erfahren hat.

Im Grunde sehe ich keine Veranlassung, Karl May weiterzuempfehlen. Das heißt, ich würde ihn vermutlich einem Jungen empfehlen, der nur vorm Bildschirm sitzt und Überhaupt nicht liest.

Für mich sind die olivgrünen Bände, deren dreißig etwa ich besaß, eine Kindheitserinnerung.

In einem Brief vom 8.11.1985 an Uwe Kahl, Zittau.

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Werner Mahrholz

1889-1930, Schriftsteller

Gewiß, Karl May war kein Dichter, aber ein großes Talent mit dem richtigen Instinkt, das ohne die große Selbstsicherung der künstlerischen Disziplin entartete, und so steht, wie in seinem Leben so auch in seinem Werk, Großes und Kleines, Schönes und Häßliches dicht und unvermittelt nebeneinander ... Unsere Dichtung kann von ihm lernen - und die Erfahrungen an ihm sollten nicht vergessen werden. Bleiben aber wird, auch wenn seine Erzählungen vergessen sind, seine Au-


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tobiographie, weil ein merkwürdiger und in seiner Weise bedeutender Mensch sein Leben und Streben darin niedergeschrieben hat.

Karl May. In: Das literarische Echo. Halbmonatsschrift für Literaturfreunde. 21. Jahrgang: Heft 3, 1. November 1918, Sp. 129-141.

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Kolma Maier-Puschi

lautet der Name einer Autorin, die zu einer Zeit, als Karl May in der DDR noch verpönt war, eine romantische Erzählung Über den Ausflug einer Gruppe "junger Pioniere" schrieb.

"Saalefahrt", Kinderbuchverlag Berlin, 3. Aufl. um 1955.

(Kolma Puschi ist die indianische Mutter der May~Helden Old Surehand und Apanatschka.)

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Fedor Mamroth

1851-1907, Redakteur

... wir anerkennen sein Talent; er ist ein Fabulist von Begabung und beherrscht die Technik der spannenden Erzählweise. Der ethnografische Untergrund speziell seiner afrikanischen und asiatischen Geschichten ist nicht ohne Reiz und nicht ohne Verdienst ... Das aber, was wir unter gar keinen Umständen schweigend ertragen können, das, was alle sonstigen Eigenschaften des Erzählers Karl May in unseren Augen total entwertet, - das ist der Kultus der Unwahrheit ...

Frankfurter Zeitung Nr. 166/1. Morgenblatt, vom 17.6.1899.

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Jürgen von Manger

geb. 1923, Schauspieler

Edinburgh erinnert ein bißchen an Bad Segeberg, weil hier auch Festspiele stattfinden, allerdings nicht für Karl May.

Tegtmeiers Reisen - Warum Schotten so kariert sind. ZDF 6.4.1978.

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Fedor Mamroth Heinrich Mann
Thomas Mann Walter von Molo


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Heinrich Mann

1871-1949, Schriftsteller

Ich höre, daß Karl May der Öffentlichkeit so lange als guter Schriftsteller galt, bis irgendwelche Missetaten aus seiner Jugend bekannt wurden. Angenommen aber, er hat sie begangen, so beweist mir das nichts gegen ihn - vielleicht sogar manches für ihn. Jetzt vermute ich in ihm erst recht einen Dichter!

Neues Wiener Tagblatt vom 20.11.1935. Zitiert nach: Jb-KMG 1978, S. 245.

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Klaus Mann

1906-1949, Schriftsteller

... er hingegen, Old Shatterhand, war ein Übermensch, von Gott berufen, das Übel zu vernichten und das Gute zu fördern. Er als Verkörperung aller Prinzipien des Guten und Edlen handelte dementsprechend auch stets nur gut und edel: seine Grausamkeit wurde als Heldentum gepriesen, sein Mangel an Moral als bewundernswerter Scharfsinn. Der sittenlose, ehrgeizige junge Bursche aus Braunau (Adolf Hitler, d. Hrg.) gewann die Überzeugung: Ja, so muß man sein. Er sah keinen Grund, warum Old Shatterhands Maximen und Taktiken sich nicht auch in den Bereichen nationaler und internationaler Politik wirksam anwenden lassen sollten ... Es ist kaum übertrieben, zu behaupten, daß Karl Mays kindische und kriminelle Hirngespinste in der Tat - obschon auf Umwegen - den Gang der Weltgeschichte beeinflußt haben.

Cowboy Mentor of the Führer. In: The Living Age 359 (Nov. 1940). S. 217-222. Zitiert nach. Karl May. Hrg. Helmut Schmiedt, suhrkamp taschenbuch materialien 2025, Frankf./M. 1983, s. 34 (Übersetzt von Walther Ilmer).

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Thomas Mann

1875-1955, Schriftsteller

Sie haben ein rührend gütiges, kluges und verstehendes Buch geschrieben und ein sehr originelles und überraschendes dazu, denn wer könnte wohl so leicht darauf verfallen, dieser wunderlichen Erscheinung die Wohltaten der Erkenntnis angedeihen zu lassen. Ich beglückwünsche Sie herzlich ...

Brief vom 17.12.1930 an Otto Forst-Battaglia, Verfasser des Buches "Karl May - ein Leben, ein Traum", Zürich, Leipzig, Wien 1931, zitiert nach: Otto Forst-Battaglia, KARL MAY Traum eines Lebens - Leben eines Träumers, Bamberg 1966, Einführung des Herausgebers Univ.-Prof. Dr. Heinz Stolte, S. 8.


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Die Zeitschrift -Brenner" veranstaltete 1912 eine Umfrage unter den "hervorragenden Schriftstellern" und bat, zu der Einladung Karl Mays nach Wien Stellung zu nehmen. Thomas Mann antwortete: "... soll er nicht Räuberhauptmann gewesen sein? Ich glaube, ich würde mir ein Billet kaufen ..." (Brief vom 16.3.1912, Original im Karl-May-Verlag, Bamberg; zitiert nach: Jb-KMG 1970, S. 97.)

Im Hause Thomas Manns wurde Karl May gelesen. Das wissen wir von seinem Sohn Klaus (s. oben) und von seiner Tochter Elisabeth (geb. 1918), von der Hermann Hesse sagt, sie sei "eifrige Leserin von Karl May" gewesen (Gesammelte Briefe, Zweiter Band, 1922-1935, S. 271). Thomas Mann selbst wird ihn nicht gelesen haben, doch könnte, was er in "Tonio Kröger" schreibt, sich speziell auf May beziehen:

Ja, es geschah ganz eigentlich erst in der Strafanstalt, daß er seiner Begabung inne wurde, und seine Sträflingserfahrungen bilden das Grundmotiv in allen seinen Produktionen. Man könnte daraus, mit einiger Keckheit, folgern, daß es nötig sei, in irgendeiner Art von Strafanstalt zu Hause zu sein, um zum Dichter zu werden.

Tonio Kröger. In: Sämtliche Erzählungen, Frankf./M. 1963, S. 234.

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Sandor (Alexander) Márai

geb. 1900, Erzähler (der "ungarische Thomas Mann")

Er wurde beschimpft, daß er weder im Westen noch im Osten gewesen ist, und daß alles, was er in der ersten Person Einzahl geschrieben hat, aus seinen Fingern gesogen war. Kann man ein besseres Lob für einen Autor finden? Die hohe Literatur wendet sich vom Abenteuerschreiber ab, für den im Leben nicht die Reise, nicht die Haft und nicht die Rothäute, sondern das Schreiben das echte Abenteuer war ...

Armer Winnetou, in: Sonntagschronik vom 4.4.1957 (Buchform: Budapest 1943, S. 37-44), zitiert nach: M-KMG Nr. 32, S. 4.

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Harry Martinson

geb. 1904, Schriftsteller, Nobelpreisträger für Literatur

Vor einem Jahr konnte die Presse mitteilen, daß einige Buben in hohlen Rieseneichen Feuer entzündet und dann das Feuer verlassen hatten. Die Eichen brannten nieder. Ich erinnerte mich da an ein Kapitel aus einem der Indianerbücher Karl Mays. Da kommt eine Stelle vor von starker Nachtstimmung, die gerade auf der Tatsache beruht, daß man das Lagerfeuer im Innern eines Baumes entzündet. Die Indianer sollen da nicht so leicht das Feuer sehen, und der Rauch steigt in die Höhe, kriecht nicht am Boden entlang, reizt und riecht nicht.


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Midsommardalen, Det enkla och det svara, Utsikt fran en grästuva. Stockholm 1974, S. 111.

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Wilhelm Matthießen

1891-1965, Schriftsteller

Wesentlich ist ja das Märchen, das Unbekannte, Dunkle und darum so magisch Lockende, und daß dieses irrational-poetische Element dem Menschen, dem Volke ein notwendig täglich Brot ist, begriff eben nur - Karl May - um für den Abenteuerroman seinen verbreitetsten Typus einzusetzen.

Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1921, S. 251. Von dem Verfasser stammen zahlreiche Arbeiten über Karl May, die in den Jahrbüchern des KMV Radebeul (1921-1927, 1929 und 1932) abgedruckt wurden, ferner die Erzählung: Karl Mays wunderbare Himmelfahrt, Leipzig und Hartenstein/Erzgeb. 1921. (Abgedruckt in S-KMG Nr. 70, Spuren Karl Mays in der Literatur. Erste Sammlung)

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Karl May

1842-1912, Schriftsteller

Karl May über Karl May:

Karl May ist nicht nur Reise-, sondern zu gleicher Zeit auch Schlüssel-Erzähler. Als solcher hat er der gegenwärtigen Literatur vollständig neue, äußerst fruchtbare Gebiete erobert. Das ist ihm sehr hoch anzurechnen, und die Zukunft wird es ihm danken. Sie wird nicht begreifen können, daß es einst Leute gegeben hat, die entweder so kurzsichtig oder so übelwollend waren, grad über diese seine Verdienste herzufallen.

Ein Schundverlag und seine Helfershelfer, 1909. Zitiert nach: Hans Wollschläger, Karl May. Reinbek, 1965, S. 157.

"Weißt du, Vater, an wen ich jetzt denke?" sagte sie. "An Karl May. Ich habe seine drei Bände 'Im Lande des Mahdi' gelesen, und ---" "Lies nicht das dumme Zeug von diesem May!" unterbrach er sie rasch und schnarrend. "Dieser Schriftsteller hat nichts als Phantasie ..."

Und Friede auf Erden! Freiburg/Br. 1901. Zitiert nach: Martin Lowsky, Karl May. Samml. Metzler, Bd. 231, Stuttg. 198, S. XI.

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Hans Mayer

geb. 1907, Kritiker, Essayist

Mit den virtuos beherrschten Mitteln des modernen Films hat Syberberg, ausgehend vom Fall Karl May, einen Künstler sowohl als Opfer wie als Täter, als privaten Rebellen wie als ideologischen Apologeten im Zeitalter des Imperialismus sichtbar gemacht.

Worte bei Übergabe des Kunstpreises Berlin an den Filmregisseur Hans-Jürgen Syberberg. Zitiert nach: INFORM, Beilage zu den M-KMG, Dez. 1975, S. 19.

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Willi Meinck

geb. 1914, Schriftsteller

Ich halte die Karl-May-Renaissance in der DDR für antiquiert und bin nicht Ihrer Meinung, daß es zu diesem Thema bei Literaturwissenschaftlern "international und auch in der DDR große Diskussionen" gibt.

In einem Brief vom 8.11.1985 an Uwe Kahl, Zittau.

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Hans-Otto Meissner

geb. 1909, Reiseschriftsteller

... Das hört sich an wie eine Überschrift von Karl May, stammt aber von mir. Und im Gegensatz zum Kollegen May war ich wirklich dort und habe alles selbst erlebt ...

Bezaubernde Wildnis, Stuttgart 1963, Kapitel: "Auf Büffeljagd im Lande der Indianer", S. 118.

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Gerhard Menzel

1894-1966, Schriftsteller

... und woran ich mich im Augenblick erhole, das ist: "Der Schatz im Silbersee". Karl May - ja, Sie lächeln. Das ist Entspannung für mich, farbigste Phantasie, dieses Vermächtnis eines großen, bewunderungswürdigen Schilderers. Daran wieder einmal Kind zu werden, ganzer Junge, das ist eine Ausfüllung meiner freien Stunden ...

Berliner Illustrierte. Nachtausgabe v. 28.2.1933. Ferner: Die Angestellten-Krankenkasse, Berlin, Heft März 1935.

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Joseph Mindszenty

1892-1975, Kardinal

... erwähnt Karl May in seinen "Erinnerungen", Berlin 1974, S. 294.

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Balduin Möllhausen

1825-1905, Schriftsteller

Seine Enkelin Ursula Wentscher äußerte im August 1972 in einem Gespräch mit Erich Heinemann:

"Im Hause meines Großvaters durfte der Name Karl May nicht ausgesprochen werden ..."

Möllhausen wird - wie Cooper und Gerstäcker - oft als "Vorläufer" Karl Mays bezeichnet.

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Walter von Molo

1880-1958, Schriftsteller

Jeden Sonnabend um 5 Uhr brachte der Postbote das neue Heft. Von Mittag an hatten mein Bruder und ich bereits Krämpfe der Erwartung. Die Spannung war entsetzlich, ob die Tante Droll ein Mann oder eine Frau war, ob Sam Hawkens mit seiner Perücke und mit seinem verbogenen Gewehr noch einmal in die Freiheit kam oder nun endlich doch am Marterpfahl enden mußte, ob der Schatz im Silbersee gehoben wurde oder nicht ...

Kindheitserinnerungen, Berliner Illustrierte Zeitung vom 23.12.1928.

Als 1929 die Zeitschrift "Die literarische Welt" eine Rundfrage unter Schriftstellern veranstaltete nach dem "Lieblingsbuch Ihrer Kinderjahre", nannte Walter von Molo einige Karl-May-Romane (nach: Civis, Das illustrierte Monatamagazin, Bonn 7/1968, S. 24).

Karl May erwähnt der Schriftsteller auch in "So wunderbar ist das Leben. Erinnerungen und Begegnungen", Stuttgart 1957, S. 62.

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Jaroslav Moravec

1900-1974, tschechischer Verleger und Schriftsteller

Es sei mir verziehen, daß ich den Nationalismus Mays berühre, den Ihr Deutschen zu seinen Vorzügen zählt. Ich zähle zu seinen Vorzügen z.B. das, daß er nie, abgerechnet wenige Ausnahmen, in Aggressivität gegen eine andere Rasse gerät. Nur so ist es erklärlich, daß May übersetzt - und auch gelesen wird.


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"Ich bin vor allem anderen Mensch", sagt er selbst in einem seiner Bücher, "und dann erst Deutscher". Damit ist alles gesagt.

Zitiert nach: Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1921, S. 264/65.

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Kurt Morawietz

geb. 1930, Schriftsteller, Horen-Herausgeber

Wer zu den Anregern meiner literarischen Arbeiten zählt? Friedrich Gagerns "Grenzerbuch" gehört dazu wie Gerrit Engelkes "Rhythmus des neuen Europa", ebenso Schiller wie Karl May, in dieser Bandbreite. Ohne sie, namentlich Karl May, sind meine Anfänge nicht denkbar.

In einem Interview des NDR-Fernsehens Hamburg, Oktober 1990.

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Hans J. Morgenthau

geb. 1904, Professor für politische Wissenschaften, Chicago

Karl May created a picture of America which remained with me until I was able to check it against realty. Even then it remained as an astoundingly coherent work of fiction.

(Karl May schuf ein Bild von Amerika, das sich mir bewahrte, bis ich es an der Wirklichkeit messen konnte. Selbst dann blieb es bestehen als ein verblüffend zusammenhängendes Werk der Dichtung.)

An den Verlag Seabury Press, New York, 1977.

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Frederic Morton

geb. 1924, Schriftsteller

Als ich 1939 in Wien meinen Koffer packte, legte ich meine Karl-May-Bände zusammen mit meinem Fußball und meiner kurzen Lederhose hinein als Andenken an eine Heimat, zu der kein Weg zurück führte. Den Büchern kam aber nicht nur Erinnerungswert zu: sie waren auch Amulette. Ich hoffte, meine Reise in die Fremde werde wie für Old Shatterhand zum großen romantischen Abenteuer geraten. Was verschlug es, daß das Volk, vor dem ich floh, das Volk eben dieses Old Shatterhand war, dessen Tapferkeit er glorifizierte. Für mich kam es damals auf das nackte Überleben an - und da wirkte Karl May wegen der triumphalen Errettungskünste seines Helden wie ein Talisman. Noch heute, abgebrühter und zynischer Flüchtling, der ich bin, schlage ich mit Freuden einen May-Band auf und


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verfolge, wie Old Shatterhand die falsche Spur legt, an der der mordlustige Goldsucher scheitert. Ich bin in den Händen eines Meisters seines Faches. Er wird mich nicht bereichern durch tiefschürfende Erkenntnisse, aber durch ein paar heilkräftige packende Szenen beglücken. Ein paar jungenhafte Minuten lang glaube ich wieder daran, daß das Leben kein Trauerspiel ist, sondern ein Abenteuer.

Tales of the Grand Teutons: Karl May Among the Indians (Erzählungen der großen Teutonen: Karl May unter den Indianern) , In: The New York Times Book Review, 4.1.1987. Übersetzung nach Walther Ilmer, M-KMG Nr. 73, August 1987, S. 3-7.

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George L. Mosse

geb. 1918, Geschichts- und Literaturforscher, Wisconsin/USA

Mays Konzept wahrer bürgerlicher Bildung beruht ganz auf Idealen wie "Selbstentwicklung" und "innerliches Wachstum". Kultiviert, aber hart; feurig, aber gerecht; gefühlvoll, aber diszipliniert: so steht bei ihm der Deutsche der Welt gegenüber. Er ist liebenswert und zugleich bereit, Liebe zu geben; er hat vieler Herren Länder gesehen, aber schätzt das Glück des stillen Winkels. Eine tiefe Achtung für Familie, harte Arbeit, Kultur und Frömmigkeit begleitet ihn, wohin er auch immer geht.

Aber dieser Deutsche ist kein Chauvinist ...

Karl May ist sich der Faszination solcher mythischen Elemente wohl bewußt. Seine Schriften sind daher gute Beispiele für jenen "Hunger nach dem Mythos", der im Rahmen der wilhelminischen Gesellschaft so oft anzutreffen ist.

Was die Deutschen wirklich lasen. Marlitt, May, Ganghofer. In: Popularität und Trivialität, Frankfurt/M. 1974, S. 114f.

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Erich Mühsam

1878-1934, Lyriker, Dramatiker, autobiographische Schriften

Was mögen sich die Leute wohl unter dichterischem Schaffen vorstellen, die May vorwerfen, er sei garnicht in den Ländern gewesen, die er beschrieben hat?

Zitiert nach: Jb-KMG 1978, S. 246.

Was alles seine Angreifer gegen May vorbringen, spricht für ihn, und es ist eine schändliche Undankbarkeit derer, die ihre besten Jugendstunden seinen Mordsgeschichten verdanken, dem Manne, der das Prädikat eines Dichters ohne Einschränkung verdient, nachträglich seine Verdienste zu schmälern.

Zeitschrift "Kain", April 1912, S. 13f., München.


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Hermann Müller

1876-1931, Politiker, Reichskanzler

Einen Lieblingsschriftsteller hat der neue Kanzler in seiner Jugend verehrt ... er hat, wie wir alle, Karl May verschlungen. Verführt von Mays Bänden, wollte er sogar in die Weit ziehen und Beduine werden. Und er ließ von seinem Plan auch noch nicht ab, als er Karl May selber kennenlernte ...

Wie er übrigens zu der Bekanntschaft mit Karl May kam? Sie waren sozusagen Nachbarn.

Dr. Stefan Trotz, Müller privat. Der neue Kanzler. In: Berliner Herold vom 17.6.1928.

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Karl Alexander von Müller

1882-1964, Historiker

Noch zu Lebzeiten meines Vaters hatte ich durch den "Guten Kameraden" Karl May entdeckt; aber es war bei einer weihnachtlichen Geschichte geblieben; jetzt besaß und verschlang ich bald die sämtlichen bis dahin erschienenen vierzehn Bände und schwelgte in allen Abenteuern von Kurdistan und den nordafrikanischen Salzseen bis zu den Rocky Mountains und zum Ufer des Rio (de la) Plata.

Da ich alle diese Fahrten auf der Karte verfolgte, geographische und volkskundliche Beobachtungen auszog, war dies Treiben immerhin nicht ohne Wissensgewinn und schließlich die Befriedigung einer natürlichen knabenhaften Abenteuerlust.

Lese-Erlebnisse 2, herausgegeben von Heinrich Pleticha, suhrkamp-taschenbuch 458, S. 135f.

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Robert Müller

1887-1924, Schriftsteller

Märchen sind alle diese ungeheuren epischen Gebilde, die er während seiner fünfzigjährigen Produktion geschaffen hat, und eben weil es Märchen sind, ziehen sie ihn wieder in die sprachlichen Geheimnisse morgenländischer Dialektik, aus der ja alle Literaturen der Welt ihren nunmehr alten Adel ableiten, zurück.

Sein Tod macht uns innerlich, und da ist es, wir hören seine gute weise Seele erzählen. Denn die Weisheit war mit ihm. Weisheit aber ist nie fade und getragen, sie lächelt, sie lacht und flicht an bunten Sachen lehrreiche Beispiele ein. Die Weisheit ist immer und ewig amüsant, schlau, lustig und ein wenig mit der Bosheit der Güte befreundet - just so wie Karl May es gewesen ist.

Fremden-Blatt, Wien, 3.4.1912. Zitiert nach: Jb-KMG 1970, S. 108f.

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Claus Peter Müller-Thurau

geb. 1947, Schriftsteller

Den Widerpart allein durch die Kraft der eigenen Persönlichkeit in die Grenzen verweisen - das ist eine Nachricht, die gewiß nur bei wenigen Lesern ihre Wirkung verfehlte. Der Held behauptet sich nicht, indem er dreinschlägt, sondern indem er Charakter zeigt. Wer möchte sich da nicht anschließen? Welcher Jugendliche ist nicht auf der Suche nach seiner Identität, einer Sache, die vor allem durch zwei Fragen geleitet ist: "Wer bin ich?" und "Wer möchte ich eigentlich sein?" Und gerade die letzte Frage ist für jemanden, der sich im Aufbruch befindet, der spürt, wie sehr alles noch im Flusse ist, von entscheidender Bedeutung.

Bei Winnetou stimmt alles, und wenn er spricht und handelt, hat der Leser gesprochen und gehandelt. Und weil er in der Wirklichkeit unerreichbar ist und bleibt, kann man sich ihm in der Phantasie beliebig nähern, ohne je enttäuscht zu werden.

Deutsche Idole. Jugendbilder von Hermann dem Cherusker bis Otto. Wien-New York 1987, S. 154.

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Karl Muth

1867-1944, Schriftsteller

Mit Karl May und seiner Schriftstellerei ist nicht bloß ein Stück Jugendliteraturfrage, sondern ein Stück deutscher Kulturfrage verknüpft. Und das ist so, ob man in ihm nun, wie es in letzter Zeit allzu einseitig geschah, einen literarischen und jugendpädagogischen Schädling sehe, oder ob man ihn für das Muster eines interkonfessionell brauchbaren, wenn auch hauptsächlich durch negative Vorzüge ausgezeichneten Reiseerzählers halte ...

Seine Gegner werden sagen: Schauspieler bis zum Ende. Aber so gänzlich Lüge war vielleicht doch nicht alles. Jedenfalls hat er als Mensch schwer gebüßt, und da, wo nur der Neid gegen ihn aufstand, mag dieser sich befriedigt erklären. May ist tot, aber seine Schriften sind in einer Anzahl von über einer halben Million Bänden verbreitet. Das will am Ende doch etwas heißen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die Frage Karl May wie bisher unsere Literaten und Pädagogen, so künftig auch den Kulturpsychologen einmal beschäftigen wird.

Karl May ( 1. April), in: HOCHLAND 1911/12 11 (Mai) S. 249 ff.

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Paul Näcke

1851-1913, Psychiater und Kriminalanthropologe, Direktor eines Sanatoriums in Colditz/Sachsen

Als letztes Werk seines Lebens hat der vielgeschmähte und von andrer Seite in den Himmel gehobene Jugendschriftsteller Karl May uns obiges Werk (Mein Leben und Streben) geschenkt, das uns seine Biographie erschütternder Art gibt. Wir sehen ihn aus den ärmsten Anfängen sich entwickeln, fallen, sinken, wieder sich emporraffen, bis zu seiner gefeierten Höhe ... Für die große May-Gemeinde und bei dem billigen Preise ist das Büchlein gewiß sehr willkommen, nicht am wenigsten dem Psychologen und Menschenfreunde. Ref. kann bloß raten irgend einen der Romane von May zu lesen, um sich zu überzeugen, daß seine Gegner nicht im Rechte sind.

Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik, 55. Bd., 4.12.1913.

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Josef Nadler

1884-1963, Literaturwissenschaftler

Großartig in seinem Schlage, als leibhaftig gewordener Massengeist des Zeitalters, ragt hier der Erzgebirgler Karl May auf, Altersgenosse der Wildenbruch und Spitteler ...

Diese Bücher, die so groß und schön gedacht waren, mögen zumeist noch so anfechtbar ausgeführt sein, sie haben ein ganzes Zeitalter aufgenommen und ein anderes ohne Unterschied des Alters und Geschlechts erfüllt. Hier ist ein Mythus im Werden. Karl May ist die aufschlußreichste Aussage über den deutschen Seelenzustand zwischen dem ohnmächtigen und dem machtbewußten Deutschland.

Man muß die ganze Rechnung aufmachen und alle drei Meißner einsetzen: Richard Wagner, Friedrich Nietzsche und was nach dem Abzug bleibt, Karl May. Sie haben, unbekümmert um Rang und Abstand, Wesentliches gemein: die krankhafte Übersteigerung des Selbstbewußtseins, Bedürfnis nach einem Dasein auf gestellter Szene, Flucht aus der Wirklichkeit und Gegenwart in ein Traumreich des Ich und der Zukunft, Gedankenspiel mit einem ins Halbgöttliche überhöhten Menschentum und den hochgetragenen Ton nationaler Leidenschaft ...

Literaturgeschichte des Deutschen Volkes, Bd. III, 4. Aufl., Berlin 1938, S. 566 ff.

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Hans Naumann

1886-1951, Literaturwissenschaftler

In Karl Mays zahlreichen Orient- und Indianerromanen finden wir eben jene Mischung aus Realistik und Phantasie, Leidenschaft und Gefühl, christlicher Moral und fabelhafter Spannung, die sie zur Kolportage stempelt, die aber in der jüngsten Dichtung so mächtig wieder zum Durchbruch gekommen ist ... Wir haben bei Karl May in ungeläuterter Form, was bei Karl Spitteler in der reinen und lichten Höhe einer überzeitlichen Kunst erstrahlt: epische Erfindungskraft und Drang nach Tiefe der Weltanschauung ...

Deutsche Dichtung der Gegenwart 1885-1923, Stuttgart 1923, S. 147f.

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Robert Neumann

1897-1975, Schriftsteller

... schreibt im Sommer 1971 aus Locarno nach der Lektüre des Jahrbuches der KMG 1970:

... eine sehr interessante Publikation. In ihr hat dieses letzte Auftreten Karl Mays in Wien - schon unter dem Schatten des Todes - mich tatsächlich berührt. Meine Bewunderung für ihn als "Romancier" hat sich dadurch nicht verschoben - im Gegenteil, seine edle Primitivität wird da mehr als früher klar.

Nach M-KMG Nr. 8, S. 30.

... plaudert in "Christ und Welt", 3.4.1970, über Jugendeindrücke. Sein erster Dichter, so erfahren wir, hieß Karl May, und Old Shatterhand und Winnetou trugen den Sieg über Romeo und Julia davon.

... forderte nach Erscheinen von Arno Schmidts Buch "Sitara und der Weg dorthin" (Karlsruhe 1963). "Karl May auf den Index!" (SPIEGEL Nr. 13/1964), gestand später aber, Bezug nehmend auf Hans Wollschlägers Kommentar im Jahrbuch der KMG 1970, S. 152, ein: "... daß Arno Schmidt und ich uns irrten, als wir Karl May des Antisemitismus bezichtigten." (Norddeutscher Rundfunk, 1. Programm, Zeit zum Zuhören, 1.4.1972.)

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Siegfried Obermeier

geb. 1936, Schriftsteller

Es war der Stolz meiner frühen Jugendjahre, daß ich von den berühmten 65 Bänden 62 gelesen hatte ... Ich möchte sogar behaupten, daß die Karl-May-Lektüre - sie fiel bei mir etwa in das 8.-14. Lebensjahr - nicht unwesentlich zu meinem schon recht frühen Entschluß, Schriftsteller zu werden, beigetragen hat.

In einem Brief vom 3.9.1976 an Erich Heinemann. In seinem Buch "Münchens goldene Jahre" (München 1976, S. 197) berichtet der Autor über die Beziehungen Karl Mays zur Zeitschrift JUGEND und (S. 278) über Oskar Panizza, der in seiner satirischen Zeitschrift "Imperjala" behauptet, die berühmten Reiseromane Karl Mays stammten eigentlich von Kaiser Wilhelm II.

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Erik Ode

(eigentl. Erich Odemar)

1910-1983, Schauspieler

... antwortete auf die Frage, ob er in seiner Jugend Karl May gelesen habe: "Mit Begeisterung!"

tz München, 25.3.1972.

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Dieter Ohlmeier

geb. 1936, Professor

Sicher ist bei der Frage nach der weiten Verbreitung Karl Mays zu diskutieren, daß die Rezeption seiner Bücher eine narzißtische Erfüllung von durch innere Konflikte blockierten und durch die äußere Realität versagten wünschen verheißt, mit der Tendenz, die äußere Realität, den Umgang mit anderen Menschen mit der Matrize narzißtischer Beziehungsmuster wahrzunehmen oder gar zu handhaben.

Karl May: Psychoanalytische Bemerkungen über kollektive Phantasietätigkeit (überarbeitete Fassung eines auf der Arbeitstagung "Literatur und Psychoanalyse" in Freiburg/Br. im Jahre 1976 gehaltenen Vortrages, S. 27).

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Eugen Oker

geb. 1919, Schriftsteller

Wie man einen Tomahawk schmeißt, was das Hackel von die Indianer und was ein Lasso ist, womit man einen jeden fangt, wenn man damit umgehen kann. Zum einem Turnschuh sagen die


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Robert Neumann Amand von Ozoroczy
Will Quadflieg Joachim Ringelnatz


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Indianer Mokassin und zu einer Pip Calumet. Eine Frau ist eine Squaw und die Indianer haben nicht viel übrig dafür. Ein Ochse heißt Bison und ein Gaul Mustang und ein Tabak Kinnikinnig. Wenn sie sich über etwas wundern, dann sagen sie nicht "Mensch" oder "Da legst dich nieder", sondern "Uff, uff!". Er sagte, er hat alles vom Karl May und da steht noch viel mehr drin.

Winnetou in Bayern. Ein Roman für erwachsene Kinder. München 1961, S. 42.

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Balder Olden

1882-1949, Schriftsteller

Steuben fußt auf Quellenstudium und solider Ethnographie. Er ist der bewußte Anti-Karl-May und mir schon deshalb hochwillkommen. Sein wilder Westen ist mir wilder als der, den Cooper und May wuchern ließen, sein Indianer Tecumseh ist mir heldischer und edler als Winnetou ...

Die neuen Bücher für die Kinder, in: Tagebuch, Berlin 13 (1932) vom 17.12.1932, S. 2024.

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Amand von Ozoroczy

1885-1977, Burgschauspieler

Der Tag, den Karl May schon längst für angebrochen hält, ist der Tag der Humanität, der Nächstenliebe. May hat vollständig Recht, wenn er behauptet, daß die Gegenwart daran arbeite, den bisherigen Gewaltmenschen in den zukünftigen Edelmenschen umzuwandeln, nicht nur im privaten Einzelleben, sondern auch in der großzügigen Gesamtentwicklung, in Geschichte und Politik, in dem hervortretenden Bestreben, das Morgenland mit dem Abendland zu versöhnen und die Interessen beider aus dem bisherigen Konflikte zu lösen.

Augsburger Postzeitung vom 28.7.1908, zitiert nach M-KMG Nr. 22, S. 24.

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Oskar Panizza

1853-1921, Erzähler, Satiriker

Wenigstens ward während der Jahre 1897 u. ff, in der gesamten deutschen Preße ein gewißer katolischer Roman-Viel-Schreiber Namens Karl May wegen seiner erfundenen Reiseberichte mit aufschneiderischen Heidentaten aus Gegenden, die er nie besucht hatte, lächerlich gemacht. Niemand kannte diesen angeblichen May. Und es ist so gut wie ausgemacht, daß auch unter ihm die renomistische Romanschreiberei Wilhelm's II getroffen werden sollte.

Aus: 'Imperjaija', 15.8.1903 (unveröffentlicht). Der Verfasser, der zur Zeit der Niederschrift schon unter Schizophrenie und Verfolgungswahn litt und bald darauf in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wurde, wo er sich bis an sein Lebensende aufhielt, war ein unversöhnlicher Feind des damaligen deutschen Kaisers, gegen den er mit der Feder zu Felde zog.

Näheres: INFORM Beilage zu den M-KMG Nr. 44.

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Dirks Paulun

1903-1976, Schriftsteller, Kabarettist

Meine Zigarette ist ausgegangen. - "Winnetou" flüstere ich noch einmal (ist es nur die Freude an dem schönen Wort?), "Winnetou".

... und ich sehe ihn wahrhaftig schreiten, ich höre seine gemessene und doch gelassene Stimme, ich fühle seine warnende Hand an meinem Arm! So leibhaft ist in meiner Erinnerung kein lebendiger Freund wie Winnetou, den ich nie gesehen habe.

Nein! Ich werde meine Zigarette gleich wieder anstecken, ich werde die Karl-May-Bände nicht herauskramen, ich weiß, daß die Welt nicht von solchem Edelmut und solchem Heldentum besteht, und ich weiß, daß die Sehnsucht nach einem Winnetou nichts anderes ist als der Wunsch nach dem Wunder.

Winnetou. Nach einem Zeitungsausschnitt (um 1932-1936). Zitiert nach: Karl Mays Spuren in der Literatur. Zweite Sammlung. S-KMG Nr. 73, S. 76f.

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Alfred Pfaffenholz

geb. 1937, Kulturredakteur beim Rundfunk

Denn die Lektüre von Karl May war für mich niemals - auch nicht als Zehnjähriger - nur Flucht aus dem Alltag und Sturm ins Abenteuer; nein, es war stets auch Beschäftigung mit sehr existentiellen Fragen, mit Leben und Tod, Arm und Reich, Gewalt und Opfer, Revolution und Unterdrückung, Mitleid und Nächstenliebe - mit Religion, Theologie, Kirche, Gott. Die Blochschen Fragen: "Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns?"


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haben mich früh schon umgetrieben; die ersten Antworten bekam ich im katholischen Religionsunterricht und - ich weiß, es klingt erstaunlich - von Karl May.

Kleine Fluchten oder: Der Traum vom Paradies. In: Karl May der sächsische Phantast. Hrg. Harald Eggebrecht, Fischer Taschenbuch 6873,

Frankf./M. S. 46.

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Reinhard Piper

1879-1953, Verleger

vor einigen Jahren hatte die Münchner Leitung der "Woche des deutschen Buches" den guten Gedanken, Preise auszuschreiben für die schönsten Bekenntnisse zum Thema: Das Buch und mein Leben. Ergreifend war da vor allem, was ein Hotelportier schwerfällig und unorthographisch schrieb:

Als junger Knabe bekam ich sämtliche Bände fon Karl Mai zu lesen. Dieselben erweckten in mir einen Drang nach Abenteuer in weiter Ferne. Als ich aber mit Karl Mais Bänden fertig war, bekam ich durch Zufall fon Schoppenhauer einen Band zu lesen ( ... ) So kam ich mit Karl Mais Bänden in die weite Weit hinaus und mit Schoppenhauers Band in die innere Weit hinein und ich wurde so mit Lesen der beiden Schriftsteller ein ganzer Mann ...

So hat also dieser einfache Leser mit Karl May sich zerstreut und mit Schopenhauer sich gefunden, und beide haben ihm geholfen, er selbst zu werden.

Almanach zum 35. Bestandsjahr des Verlags K. Piper & CO., München 1904-1939, S. 36. Zitiert nach: Bücherwelt, dtv-Taschenbuch 1450, S. 289.

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Heinrich Pleticha

geb. 1924, Schriftsteller

Die Figur Karl Mays ist weitgehend "entmythologisiert" und das Karl-May-Fieber erreicht keine klinischen Werte mehr. Natürlich wird er immer noch gern gelesen, wenn auch bei der Jugend keineswegs mehr so häufig wie noch vor fünfzig Jahren. Jene Fans von gestern haben aber den Marsch durch die Institutionen beendet, wie Handbuch und Briefmarke beweisen. Die Jugend steht Kara ben Nemsi und Old Shatterhand recht gelassen gegenüber, und die Zeiten, in denen ein rechter Junge den Schmetterschlag übte, sind ebenso vorbei wie die Tage der gegen May eifernden Eltern und Lehrer.

Winnetou auf der Briefmarke. 75 Jahre nach Karl Mays Tod: Neue Ehren für den Umstrittenen. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 37, 14./15.2.1987 (nach: Erich Heinemann, Zum 75. Todestag Karl Mays, Ubstadt 1989, S. 25 ff.).

KM-Handbuch, Hrg. Gert Ueding, Stuttg. 1987. Briefmarke: Sonderpostwertzeichen Bundesrepublik Deutschland. "Karl May" (Motiv Winnetou) 1987.


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Hans Plischke

1890-1972, Professor für Völkerkunde

Die Werke waren das Erzeugnis einer blühenden Phantasie und einer großen Einfühlungsgabe. Die Reiseromane trugen nichts von eigenem Schauen und Erlebnis in sich. Sie wurden vielmehr gestaltet aus dem Studium von Literatur, voran der Reisebeschreibungen und mancher erd- und völkerkundlicher Schriften und an Hand von Grammatiken und Wörterbüchern ... Die gestaltende Kraft Karl Mays war in der Tat ungewöhnlich.

Von Cooper bis Karl May, Düsseldorf 1951, S. 114f.

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Ansgar Pöllmann

1871-1933, Pater, 0.S.B. Literaturkritiker

May ist ganz Phantasie, ganz Intuition, ganz Anschauung, ohne jede Erfahrung im Reiche der Wirklichkeit. Er hat sich eine eigene Weit in seinen vier Wänden zusammengeträumt und ihr, mit Hilfe geographischer Werke, einen Schein von Recht, eine realistische Ähnlichkeit verliehen. So muß es auch der Ungebildete, der von seiner Scholle abhängige machen. May ist sein Mann. May macht ihn zum heroischen Mittelpunkte dieser unsachlich-sachlichen Welt. Und May ist ganz visionäre Intuition, wie das Kind und das Volk, das eine allgemein vernommene Tatsache in bestimmte Erscheinungsformen kleidet. Immer vorausgesetzt, was wir hier unter visionärer Intuition verstehen, beherrscht dieser ideelle Realismus das gesamte Maysche Schaffen.

Karl May und sein Geheimnis, in: Die Bücherwelt Nr. 8, Mai 1910, S. 149/150.

Im gleichen Jahr erschienen unter dem Titel "Ein Abenteurer und sein Werk" in acht Folgen Pöllmanns Angriffe auf May in der Literaturzeitschrift "Über den Wassern" (Münster 1910).

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Gerhard Prause

(Ps. Tratschke) geb. 1926, Schriftsteller

Er fand einen Weg, der ihn übrigens durch harte Arbeit - zum Erfolg und zum Ruhm führte. man kann sagen, daß er eine ganze Weit geschaffen hat, eine Weit, in die sich noch in unserer Zeit Jahr für Jahr Hunderttausende junger Menschen hineinträumen.

"medizin heute", 12/79, S. 51.

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Harry Pross

geb. 1923, Publizist

Während die Jugend Würde und Anmut in den Indianerromanen von Karl May suchte, die auch ihr Verlangen nach Fairneß und vergebender Großzügigkeit zu stillen hatten, verzehrten die Gebildeten das Werk Dostojewskijs.

Die Zerstörung der deutschen Politik 1871-1933. Fischer Taschenbuch Nr. 264, Frankf./M. 1959, S. 50.

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Will Quadflieg

geb. 1914, Schauspieler

Anstelle eines Weihnachtsmärchens spielten wir eine sehr naive Bühnenfassung von Karl Mays "Winnetou". Das Vergnügen an diesem Stück begann für mich bei der Maske. Sie besorgte Meister Jabs, der grand old man der Maskenbildner für Bühne und Film in Berlin. Jabs war der Stammvater einer ganzen Dynastie von Maskenbildnern, und er war ein hervorragender Könner in seinem Fach. Er schminkte und frisierte mich haargenau, wie Karl May seinen Winnetou beschrieben hatte: rotbraun, mit langem, schwarzem Haar. Als er fertig war und ich vor den Spiegel trat, erschrak ich vor mir selbst - und erlebte in besonderem Maße das Phänomen der Verwandlung ... So trat ich auf und riß sowohl mein jugendliches Publikum wie auch die Eltern zu Begeisterungsstürmen hin. Wir konnten das Stück nicht oft genug ansetzen. So machten wir uns also den Spaß, einmal Indianer zu spielen und Winnetous und Old Shatterhands, den mein Freund Ernst Wilhelm Borchert spielte, Abenteuer durchzustehen.

Winnetou an der Volksbühne Berlin. In: Wir spielen immer. Erinnerungen. Frankfurt/M. 1976, S. 77.

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Werner Raddatz

Schriftsteller

Man hält ihn für den Verfasser harmloser Indianergeschichten für die Jugend, aber auch (nach Arno Schmidt) für "den letzten Großmystiker unserer Zeit". Was May auf jeden Fall ist - ein psychologisches Problem ersten Ranges!

Das abenteuerliche Leben Karl Mays. Gütersloh 1965, S. 8.

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Sigismund von Radecki

1891-1970, Schriftsteller

Old Shatterhand freilich war unlesbar, und an ihm interessiert mich nur noch, daß er zugleich mit dem Übermenschen, und ebenfalls von einem Sachsen, konzipiert worden ist.

Im Vorübergehen. München 1959, S. 48 (Heroen der Kindheit).

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Karl Rauch

1897-1966, Verleger, Schriftsteller

Irgendwo lebt, trotz Amerika und Europa, noch Wildnis unberührt. Und wenn ihr sie nicht zu finden vermögt, dann reißt die Klüfte der Wildnis auf in eurem Herzen allein oder in der Kameradschaft mit euresgleichen. Nur in der Wildnis lernt der Mann, was Manneshandwerk ist. Und weil kein andrer so köstliche Wege kennt, die Wildnis zu meistern und zu zwingen mit eigner Hand wie er, der Gott aller Knabenträume, Karl May, der Unsterbliche, darum wird sein Gedächtnis in uns leben, solange wir Männer sind.

Im "Jungdeutschen" v. 12.12.1928. Zitiert nach Karl-May-Jahrbuch 1930, Radebeul 1930, S. 337.

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Marcel Reich-Ranicki

geb. 1920, Essayist, Literaturkritiker

Das Ergebnis einer für Schmidt nicht weniger bezeichnenden Marotte scheint ebenfalls sein Buch "Sitara und der Weg dorthin" (1963) zu sein, eine - so der Untertitel - "Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl Mays". Nicht etwa, daß es überflüssig wäre, Werk und Wirkung des seit einem halben Jahrhundert höchst populären Schriftstellers einmal genauer zu untersuchen. Indes ist fast die ganze Monographie dem Nachweis einer einzigen These gewidmet, der eine angebliche Entdeckung Schmidts zugrunde liegt: Karl May sei homoerotisch veranlagt gewesen ... Schmidts Begegnung mit der Welt


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der Psychoanalyse muß, gelinde gesagt, sehr flüchtig gewesen sein. Während das Buch über Fouqué skurril, doch seriös, aber schon des Themas wegen nicht gerade nötig ist, wäre eine Monographie Über Karl May gewiß nötig, nur daß mir diejenige von Arno Schmidt skurril und unseriös zu sein scheint.

Die Zeit Nr. 41 vom 13.10.1967. Nachgedruckt in: Literatur der kleinen Schritte. Deutsche Schriftsteller heute. Ullstein Buch Nr. 2867, Frankf./M. 1971, S. 220.

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Brigitte Reimann

geb. 1933, Schriftstellerin

21.10.1955

Das Kulturministerium veranstaltete eine Tagung für Abenteuerschriftsteller, dazu war ich eingeladen worden. Die Tagung war interessant, das vierstündige Referat von Frau Dr. Ludwig ausgezeichnet, die Diskussion um Karl May hat mich nicht befriedigt - man lehnte ihn fast einstimmig ab; das ist ungerecht - wahrscheinlich befürchtet man seine Konkurrenz.

Brigitte Reimann in ihren Briefen und Tagebüchern. Berlin 1983 (1985), S. 25/26.

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Hans Reimann

1889-1969, Schriftsteller, Bibliograph, Kabarettist

De mortius nil nisi bene. Warum eigentlich? Um dereinst auch selber möglichst gut abzuschneiden? Gesetzt den Fall, Karl May wäre noch am Leben: wahrscheinlich schriebe ich sehr nett über ihn. Denn man müßte ihn in Schutz nehmen. Kübelweise bewarfen ihn Pharisäer mit Dreck ... Er war ein Phantast. Er war ein Illusionist. Er war - in seiner Art - ein Dichter. Und es ist wirklich wahr, daß er an traumhafter Benommenheit litt, sobald er die Feder zur Hand nahm. Und oft auch ohne Feder.

Litterazzia, München 1952, S. 271, 274. Hinweise und Bezugnahmen auf Karl May erscheinen im Werk Hans Reimanns besonders häufig. Sein Interesse an Karl May scheint er auch auf seinen Schriftsteller-Kollegen Heinrich Spoerl übertragen zu haben, mit dem er eng zusammenarbeitete, als er politisch "unerwünscht" war. Hans Reimanns "Joe und Charlie", ist vollständig abgedruckt in S-KMG Nr. 70, Spuren in der Literatur. Erste Sammlung.

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Christa Reinig

geb. 1926, Lyrikerin, Kunsthistorikerin

Komputer: Was ist Deine Lieblingsbeschäftigung?

Reinig: Lesen.

Komputer: Was ist Deine Lieblingslektüre?

Reinig: Karl May, John Kling, Billy Jenkins, Rolf Torring, Jörn Farrow, Tom Mix.

Berufsberatung, in: Selbstdarstellungen. Akzente 1971, S. 30.

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Erich Maria Remarque

1898-1970, Schriftsteller

"Old Shatterhand", sagte ich.

Mir war endlich eingefallen, wie wir uns als Jungen genannt hatten, wenn wir Indianer gespielt hatten. Es waren Namen aus den Romanen Karl Mays. Wir hatten die Bücher als Zwölfjährige ... verschlungen. Ich hörte einen Augenblick nichts. Dann sagte Martens leise:

"Was?"

"Winnetou", erwiderte ich. "Hast du die alten Namen vergessen? Es sind doch die Lieblingsbücher des Führers."

"Richtig", sagte er. Es war bekannt, daß der Mann, der den zweiten Weltkrieg begonnen hat, als Lektüre in seinem Schlafzimmer die dreißig oder mehr Bände eines Schriftstellers über Indianer, Trapper und Jäger stehen hatte, die man als Junge von fünfzehn Jahren bereits als leicht lächerlich zu empfinden begonnen hatte.

Die Nacht von Lissabon. Fischer Taschenbuch, Frankf./M. 1961, S. 30/31. Die Szene beschreibt die Begegnung der einstigen Jugendgefährten, die sich einmal "Winnetou" und "Old Shatterhand" genannt hatten. Winnetou - jetzt Staatsfeind, Old Shatterhand, dem er vorgeführt wird, ein SS-Führer.

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Gustav Renker

1889-1967, Schriftsteller

Schreier stieß den von Karl May gelehrten Kriegsruf der Apachen aus, ein schrilles Hiiii, dessen gellende Wirkung durch rasches Schlagen der flachen Hand gegen die Lippen noch erhöht wird.

Es war, als wären Laute der Urzeit in dem Gestein eingefroren gewesen, in einem jahrmillionenalten Zauberschlaf, und nun durch den frechen Ruf des Menschenkindes wieder erwacht. Die Höhle donnerte und toste, brüllte und schrie ...

In: Der große Winnetou, Nr. 7 der Reihe "Spannende Geschichten", Gütersloh 1934, S. 66f. Vollständig abgedruckt in S-KMG Nr. 78, Spuren in der Literatur. Dritte Sammlung.


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Ludwig Renn

(eigentl. Arnold Vieth von Golßenau)

1889-1968, Schriftsteller

Man hatte mir in Dresden ein großes rot eingebundenes Buch mitgegeben, das "Der gute Kamerad" hieß. Die erste Geschichte darin war von Karl May und hieß "Der Schatz im Silbersee"

Meine Kindheit und Jugend, Berlin-Weimar 1972, S. 85. M-KMG Nr. 14, S. 36.

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Joachim Rennau

(Ps. Rolf Randall)

geb. 1919, Schriftsteller

Was in meiner Jugendzeit Wurzeln schlug, die Phantasie beflügelte und zu meinem späteren Schaffen motivierte - es begann mit Karl May.

In einem Brief (Oktober 1981) an Gerhard Klußmeier, Rosengarten.

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Edzard Reuter

geb. 1928, Vorsitzender des Vorstands von Daimler Benz AG

Nach den üblichen Büchern der ersten Jahre, etwa Karl May, die man nicht geringschätzen soll, hat mir wohl den ersten bleibenden Eindruck Aldous Huxley vermittelt ...

In: Leselieben Nr. 50, Deutsche Lesegesellschaft e.V. Mainz (1987) S. 40

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Götz R. Richter

geb. 1923, Schriftsteller

Immer noch wandern gefährliche "Schmöker" und "Schwarten" von Hand zu Hand, immer noch liest man Karl May. Es nützt hier kein Verbot etwas; wir müssen der Jugend etwas Besseres geben können - aber neue, spannende, abenteuerliche Jugendbücher haben wir zu wenig.

Aufgaben der neuen Abenteuerliteratur, in: Sächsische Zeitung v. 18.2. 1954. Zitiert nach: Karl May der sächsische Phantast, Harald Eggebrecht, Fischer Taschenbuch 6873, Frankf./M. 1987, S. 272.

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Curt Riess

(Ps. C.R. Martin) geb. 1902, Schriftsteller

Ohne Zweifel war er ein schwerer Neurotiker, ohne Zweifel hatte seine armselige und verpfuschte Jugend in ihm den Wunsch, aus dem Dreck herauszukommen, ins Hysterische gesteigert, bis er sich selbst in Winnetou und Old Shatterhand, den "Edelmenschen" - das Wort stammt ja von ihm gleichsam aufs neue gebären wollte.

Bestseller. München 1964, S. 40.

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Paul Rilla

1896-1954, Literaturhistoriker

Von seiner Wirkung, von seinem Publikum her ... gehört Karl May zu den interessantesten literarischen Erscheinungen der letzten fünfzig Jahre. Wer heute daran geht, diese Wirkungen und Voraussetzungen systematisch zu untersuchen, braucht sich nicht mehr zu entschuldigen. Er leistet wichtige Arbeit.

Breslauer Neueste Nachrichten vom 22.12.1930.

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Joachim Ringelnatz

(eigentl. Hans Bötticher)

1883-1934, Kabarettdichter

Es trafen sich von ungefähr
Ein Wolf, ein Mensch, sowie ein Bär
Und weil sie lange nichts gegessen,
So haben sie sich aufgefressen.
Der Wolf den Menschen, der den Bär,
Der Bär den Wolf. - Es schmeckte sehr
Und blieb nichts übrig als ein Tuch,
Drei Haare und ein Wörterbuch.
Das war der Nachlaß dieser drei.
Der eine Mensch, der hieß Karl May.

Nach S-KMG Nr. 70, Karl Mays Spuren in der Literatur. Erste Sammlung.

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Henning Rischbleter

geb. 1927, Schriftsteller

Ich las und las ... Karl May, beim Tode Winnetous verlor ich Tränen, Hadji Halef Omar war mein Freund. Er hatte aber noch zehn weitere Namen, mein Klassenkamerad Albert Mühlmeister


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konnte sie alle auswendig, ich raste durch das Land der Skipetaren, das war Albanien, der Schut brachte mich in Aufruhr ...

Hannoversches Lesebuch, 2. Band 1850-1950, Velber 1978, S. 213.

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Herbert Rittlinger

1909-1978, Schriftsteller

Der Verfasser erzählt ein Traumerlebnis, in dem Karl May eine Rolle spielt. In die Hand von Kurden geraten, ruft er den Ruh'ikulyan, den großen Geist, an.

"Du weißt von unserm großen Geist?"

"Ja!" entgegne ich bebend, "von Karl May!"

Faltboot stößt vor. Sammlung "Reisen u. Abenteuer", Bd. 53, Leipzig 1934.

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Roda Roda

(eigentl. Sàndor Friedrich Rosenfeld) 1872-1945, Schriftsteller

Wenn ein Buch langweilig ist, und man darf gähnen, ist es dumm, ist ein Buch langweilig und man darf nicht gähnen, ist es literarisch. - Weit zahlreicher als die verkannten Genies sind die durchschauten Dummköpfe. Die undurchschauten Dummköpfe unserer Afterbranche müssen zu Karl May neidisch aufblicken, weil er Phantasie hat.

Neues Wiener Tagblatt vom 28.11.1935. Zitiert nach Emanuel Kainz, Das Problem der Massenwirkung Karl Mays, Wien 1949.

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Manfred Rommel

geb. 1928, Politiker, Oberbürgermeister von Stuttgart

Nach seinem Lieblingsbuch gefragt, antwortet er:

"Winnetou. Das ist besonders wirkungsvoll, wenn Winnetou seinen Geist aufgibt ..."

Stuttgarter Nachrichten v. 19.7.1990 (zitiert nach KMG-Nachr. Nr. 85/ Sept. 1990, S. 24).

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Peter Rosegger

1843-1918, Schriftsteller

Vor kurzem erhielt ich von einem Herrn Karl May, Redakteur in Dresden, eine Erzählung: "Die Rose von Kahira, ein Abenteuer aus Egypten". Diese Geschichte ist so geistvoll und spannend geschrieben, daß ich mir einerseits gratuliere, andererseits Zweifel habe, ob das Manuskript wohl auch Original ist. Hätten Sie, Herr Professor, vielleicht zufällig den Namen Karl May schon gehört oder wüßten, welches Blatt er redigiert? Seiner ganzen Schreibweise nach halte ich ihn für einen vielerfahrenen Mann, der lange Zeit im Orient gelebt haben muß.

Brief vom 12.7.1877 an Robert Hamerling. In: Otto Janda, Peter Rosegger. Das Leben in seinen Briefen, Graz 1943 (2. Aufl. 1948), S. 151. Zitiert nach Jb-KMG 1975, S. 228.

So verschieden unsere literarischen Formen sind, unsere Seelen haben viel Gemeinsames. Und schon auch deshalb habe ich Ihren Leidensweg mitleidend mit höchster Spannung verfolgt und - soweit es bei meiner Zurückgezogenheit möglich - Ihre Sache verfochten ...

Brief vom 21.8.1907 an Karl May. Zitiert nach Jb-KMG 1975, S. 232.

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Erwin Rosen

1876-1923, Schriftsteller

... schrieb über "Karl May als Erzieher" im Wiener Fremdenblatt Nr. 109 Jg. 1909.

Nach: Das Literarische Echo, 1909/1910, Spalte 1241.

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Helmut Rosenthal

(Lebensdaten unbekannt)

Wir ... richteten den Schwung unserer dreizehn Jahre weniger auf Gleichungen oder verschollene Feldzüge; und darum hatten wir unglücklicherweise Muße, uns um Sachen zu kümmern, mit denen man es leider zu nichts Rechtem bringt: ... wir glaubten am gläubigsten an das bronzefarben edle, heroisch schweigsame Profil Winnetous.

Vielleicht hätten wir lieber nicht daran glauben sollen. Denn die Welt, in der wir dann später hausen sollten, zieht aus guten Gründen einen weit unscheinbareren Menschenschlag vor - einen Menschenschlag, der ... mit der Doppelzunge eines heuchlerischen Bleichgesichts redet und den ehrlichsten Trapper in Verlegenheit setzen darf ...


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... Niemals waren wir in jenen Jahren so zuverlässig, so überlegen gütig, als wenn wir Winnetou spielten. Alle Bosheit fiel von uns ab; wir ärgerten niemanden mit ungestümen Streichen; jede Unbeherrschtheit der Zunge war uns ein Greuel ...

... während die Untertertia und die Obertertia aus ihrer Versunkenheit hinterlistig heraufgeschlichen kommt, hebt sich langsam ein schweigendes, gebräuntes Profil aus den Schatten, ... schreitet - unhörbar, unsichtbar - der schweigsam schlanke Winnetou mit ihnen. Winnetou, der besser war als wir alle.

In der Vossischen Zeitung vom 4.12.1929, anläßlich der Winnetou-Aufführung in der Königgrätzer Straße.

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Eugen Roth

1895-1976, Schriftsteller

Und ebenso war der Karl May

wie man ihm nachwies, nicht dabei.

Er machte große Reisen zwar

nachträglich erst, vom Honorar.

"Daheimgeblieben", in: Ernst und heiter, dtv-Taschenbuch Nr. 10, S. 69.

Wer immer hört, mein Vater sei Schriftsteller gewesen, der meint, viele Bücher hätten mich von Kindesbeinen an begleitet. Nichts da - außer einem verstaubten Lexikon gabs kein Buch, erst später bekam ich einen Karl May oder die Deutschen Heldensagen; diese wurden von der ganzen Familie -ausgenommen mein Vater - gelesen und mit Tränen benetzt.

Das Neue Eugen Roth Buch, 1970, S. 375.

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Claus Roxin

geb. 1931, Professor für Strafrecht

May hat diese triebhafte Erzählfreude in der Figur des Hadschi Halef Omar, seiner gelungensten Gestalt, für die Ewigkeit festgehalten.

Er war ... ein "geborener Erzähler", eine Reinkarnation der altorientalischen Erzählergestalten. Man kann bei ihm das Phänomen des Dichterischen an seiner Quelle studieren, so wie es Freud aus der normalen Phantasietätigkeit des Tagträumers abgeleitet hat.

Jb-KMG 1971, S. 86.


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Günther Rücker

geb. 1924, Schriftsteller

"Tom Shark", "Sigismund Rüstig", "Ingo und Ingraban", "Golem", "Das Nest der Zaunkönige", fugenlos ging es von Freytag zu Boccaccio, Franzos, Karl May, Sinclair, Gorki.

Das schönste Buch der Welt. Wie ich lesen lernte. Berlin, Weimar 1973, S. 109.

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Heinz Rühmann

geb. 1902, Schauspieler, Regisseur

Sollte in den 40er Jahren in einem Karl-May-Film mitwirken. Bekannte in einem Brief an Roland Schmid, Bamberg (Nov. 1986):

"Ich lese ihn (Karl May) immer noch gern."

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Wolfgang Ruppert

geb. 1946, Professor, Schriftsteller

Mit dem zynischen Charakter der Hohepriester einer oberflächlich-hohlen "Sittlichkeitspropaganda" konfrontiert, will May sich mit den "Gefallenen" und "Verachteten" solidarisieren. Sie seien nicht "schlechter" als andere Menschen, sondern nur durch Lebensumstände anders geprägt worden. Er hielt diese Erklärung jenen Theoretikern entgegen, die an ihm, Karl May, ihre These vom "geborenen" Verbrecher beweisen wollten. May konnte sich gegen diese Feinde, die teilweise protofaschistisch wirkten, nicht wirklich wehren. Er starb 1912 als gebrochener Mann.

Karl May - eine Lebensgeschichte, 1842-1912. In: Karl May der sächsische Phantast. Hrg. Harald Eggebrecht, Fischer Taschenbuch 6873, Frankf./M. 1987, S. 43.

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Eugen Sänger

1905-1964, Raketenforscher

Wie oft schon fühlte ich mich mißverstanden und unverstanden von aller Welt. Haltlos, irr an mir selbst, zog ich mich zurück, nahm meinen Karl May zur Hand und begann zu lesen. Doch nein, nicht zu lesen, sondern zu erleben, zu schauen. Aus all den Bildern und Menschen, den Hoffnungen und Enttäuschungen wuchs mir eine Gestalt heraus, eine hohe edle Gestalt ...

INFORM, Beilage zu den M-KMG März 1976.

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Franz Sättler

Schriftsteller

Ferner bin ich der Meinung, daß es von Karl May eine der größten Geistestaten unserer Zeit war, dem Zerrbild des Nietzschen "Übermenschen" das unvergleichlich reinere und dennoch aber erreichbare Ideal des "Edelmenschen" entgegenzustellen.

Reisen und Abenteuer, Zweiter Band, Berlin-Weissensee o.J. (20er Jahre), 586.

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Dieter Saupe

geh. 1932, Schriftsteller

Größter Dichter bis heute: Arno Schmidt. Dann kommt Karl Mai, mi'm Yppsilionn hinten. Dann kommt Arno Schmidt als Arbeiter an der Mottenkiste. Hat nicht nur Karl May entdeckt, auch Motte-Fuck ...

Kista da Motta. Nach Arno Schmidt. In: Autorenbeschimpfung und andere Parodien, dtv 1972, S. 147.

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Walter Scheel

geb. 1919, Politiker, ehem. Präsident der Bundesrepublik Deutschland

Als Bundesaußenminister besuchte Walter Scheel 1971 auf der Buchmesse in Frankfurt auch einen Bücherstand der DDR. Der Aussteller ist aus Radebeul. Scheel (mit Anspielung auf die "Karl-Marx-Stadt" Chemnitz) : "Es beruhigt mich, daß es noch immer Radebeul heißt. Ich dachte schon, es sei vielleicht in "Karl-May-Stadt" umbenannt."

Zitiert nach: "... aber der Wagen der rollt. Walter Scheel anekdotisch." Düsseldorf 1974, S. 61.


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Peter Rosegger Max Schmeling
Euchar Albrecht Schmid Arno Schmidt


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Hans Schemm

1891-1935, ehem. Kultusminister u. Reichsleiter des NS-Lehrerbundes

Zum deutschen Buben und Mädel gehört mehr als die sogenannte Schulbravheit, nämlich Mut, Entschlußkraft, Schneid, Abenteuerlust und Karl-May-Gesinnung!

Nürnberger Zeitung v. 27./28.1.1934 (zit. nach Siegerländer Nationalzeitung, 2.3.1934).

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Gustav Schickedanz

1896-1977, Konsul

Wichtig erscheint mir, daß in den Büchern Karl Mays schließlich das Gute und die Gerechten siegen.

tz München, 25.3.1972.

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Rudolf Schlichter

1890-1955, Maler, Graphiker

Im Gegensatz zu den meisten meiner Altersgenossen, die sich über die christlichen Tugenden und die allzuweit getriebene Nachsicht Old Shatterhands-Kara ben Nemsis ärgerten und an seiner Langmut auch mit den ärgsten Verbrechern heftig Anstoß nahmen, fesselten mich gerade diese Stellen der Bekehrung im letzten Moment am meisten; solche Szenen riefen bei mir allemal eine tiefe Rührung hervor, ja ich erwischte mich oft bei einem quälenden Mitleid mit diesen schwarzen Schurken, dunkel fühlte ich, daß auch in mir ein solcher Verbrecher schlummerte, der allen Grund hatte, ein nicht zu hartes Strafgericht gegen andere zu befürworten. Wie, dachte ich oft, wenn du nach Verübung feiger Freveltat in die Hände Win(n)etous oder Old Shatterhands geraten solltest, wie würdest du bestehen?

Das widerspenstige Fleisch. Berlin 1932, S. 195f. Zitiert: nach M-KMG Nr. 62, Nov. 1984, S. 27.

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Max Schmeling

geb. 1905, Ex-Boxweltmeister

Ich habe Karl May als Junge und auch später noch mit großer Begeisterung gelesen ...

Zitiert nach: Albrecht P. Kann, Karl May. So war sein Leben. Hamburg 1979.


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Ich bin ein alter Karl-May-Freund. Nach Feierabend sind mir die grünen Bände oft eine ablenkende Unterhaltung!

Hörzu, Hamburg (ca. 1960).

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Euchar Albrecht Schmid

1884-1951, Verleger

... gab, unterstützt insbesondere von Otto Eicke und Franz Kandolf, von 1913 bis 1951 "Karl May's Gesammelte Werke", Bd. 1-65, Radebeul, heraus.

Karl May, der erzgebirgische Weberssohn, gehört der Literaturgeschichte an und wird möglicherweise der Weltgeschichte angehören. Die Nachwelt wird über ihn und über uns alle richten, die wir am Wohl und Wehe seines Weltruhmes beteiligt waren.

Denkschrift vorn 6.5.1914. Zitiert nach "50 Jahre Karl-May-Verlag", Bamberg 1963, S. 4.

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Ulrich Schmid

geb. 1947, Studienrat, Schriftsteller

Während May nun in seiner realen Existenz die lebenslang vermißte Liebe und Zuneigung von seiten seiner Leser in reichem Maße erfährt, indem er sich in seine eigene Figur Old Shatterhand bzw. Kara ben Nemsi verwandelt und sich so auch seinen Lesern präsentiert, bereitet er gleichzeitig auf der literarischen Ebene bewußt und in klarer Schreibstrategie den Übergang von der Abenteuer- zur Hochliteratur vor.

Das Werk Karl Mays 1895-1905. Erzählstrukturen und editorischer Befund. Ubstadt 1989, S. 158.

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Arno Schmidt

1914-1979, Schriftsteller

Wir resümieren: die Produktion seiner ersten 60 Lebensjahre ... ist quantité négligeable; und wird früher oder später rettungslos verschwinden. -

... Aber jetzt, an der Schwelle des Greisenalters, von gehässigen Gegnern wieder in umheulteste Isolation gedrängt, sich auch künstlerisch 'herausgefordert' dünkend, beginnt bei May, dem typischen 'Spätentwickler', die letzte, die vierte Schaffensperiode: und nun wird es wahrhaft ernst.

Im Reiche des silbernen Löwen


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und

Ardistan und Dschinnistan

Hier sieht man May als das, was er ist: der bisher letzte Großmystiker unserer Literatur! -

Abu Kital. Vom neuen Großmystiker. In: Der sanfte Unmensch, Essays. Ullstein Buch Nr. 448, Frankfurt/m. 1963, S. 56f., 74.

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Helmut Schmidt

geb. 1918, ehem. Kanzler der Bundesrepublik Deutschland

Die meisten von uns haben wenigstens das eine oder andere Buch von Karl May gelesen. Als ich jung war, gabs kaum 'ne Familie, wo es nicht auch ein Karl-May-Buch gegeben hat. 73 Bücher hat der geschrieben, und insgesamt sind 50 Millionen Karl-May-Bände erschienen in 36 Sprachen der Welt. Karl May ist - das muß man auch mal hören - Karl May ist der meistgelesene deutsche Schriftsteller, nicht etwa Goethe oder Schiller.

Nach: KONKRET 7/80 S. 25/26.

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Wieland Schmied

geb. 1929, Professor für Kunstgeschichte

Heinrich Schliemann ist eine Gestalt, die Karl May erfunden haben könnte; was der Webersohn aus dem Erzgebirge träumte und sich in seinen Romanen erfüllte, hat der Mecklenburger Pastorensohn gelebt. Sein Leben ist voll des Wunderbaren und Faszinierenden.

Aus dem Vorwort zu "Heinrich Schliemann, Troja und Homer", Frankfurt/M. 1990.

*

Helmut Schmiedt

geb. 1950, Professor

Die Shatterhand- und Kara-Ben-Nemsi-Geschichten spenden keinen billigen Trost zur Erreichbarkeit des Stadiums dauerhafter Freiheit. Aber indem sie, ihren deprimierenden Einsichten zum Trotz, an der Arbeit dafür festhalten, delegieren sie gewichtige unerledigte Aufgaben über die jeweilige Buchgrenze hinaus: an den Leser; der hat es unter diesem Aspekt wahrhaftig nicht mehr nur mit Exotik und Wildem Westen zu tun. Wer da immer noch von Infantilismus spricht und May zum reinen Jugendschriftsteller degradieren will, zeigt zweierlei an: daß er die Naivität der Kindheit Überwunden und Rei-


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fe gewonnen hat - und wie sehr er an Spontaneität, an Kreativität und produktiver Widerstandskraft eingebüßt hat.

Die erzählte Zukunft. Beobachtungen zu Karl Mays Abenteuerromanen, in: M-KMG Nr. 64, Mai 1985, S. 10/11.

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Walter Schmiele

geb. 1909, Schriftsteller

Karl Mays Opus ist handfest und unbedeutend. Das geistige Element spielt kaum eine Rolle. Die Materie Überwiegt. Sein immenser Umfang zeigt, daß auch die Mittelmäßigkeit ihre Monumentalität besitzt, und wie sie mit allen Mitteln nach literarischer Dauer strebt. Wir verweigern ihr das Recht darauf. Aber sie fragt nicht danach und nimmt es sich. Was heißt schon Unsterblichkeit, sagt sie, und weist auf die 15 Millionen Gesamtauflage. Morgen werden es 20 sein, und es wird alles beim alten bleiben.

Hannoversche Presse, 3./4.12.1960.

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Saladin Schmitt

1883-1951, Theaterleiter und Regisseur

Mich reizte an Shakespeare das Sensationelle, in den Königsdramen die enorme Weite der Phantasie, ich hab die Werke gelesen wie Karl May.

Programmheft des Wiener Burgtheaters zu William Shakespeare: Richard III. (1987). Zitiert nach: KMG-Nachr. Nr. 76, Mai 1988, S. 9.

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Friedrich Schnack

1888-1977, Schriftsteller

Nach wie vor schätze ich die schriftstellerische Leistung von Karl May. Was haben seine Gegner dagegen zu bieten? Daß man ihm Jugendtorheiten noch immer ankreidet, ist wenig aufrichtig und human, schließlich zeichnet sich in seinem Werk eine persönliche Entwicklung ab: man kann sagen, er wurde ein ausgezeichneter Erzähler. Mich hat er als Discipulus nicht nur gut unterhalten, auch angeregt zu geographischen Studien und völkerkundlichen Ausflügen in die weite Welt. Eines kommt zum andern: und so hat mir denn Karl May manchen Wink gegeben, nicht nur für die indianische Prärie, sondern auch für die Orientalen und die SILBERNEN LÖWEN ...

INFORM Nr. 7/März 1974. Beilage zu den M-KMG.


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Herbert Schneider

geb. 1922, Schriftsteller

Karl May war ein Schriftsteller von überschäumender Phantasie, ein Erzähler von hohen Graden, der seine Leser zu fesseln verstand.

Karl May in der Lederhose. München 1961, S. 5. Verfaßte im Münchner Merkur vom 24./25.11.1973 Karl-May-Verse "An König Feisal".

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Rolf Schneider

geb. 1932, Schriftsteller

Karl May ... hat als Heftchen-Autor debütiert; es ist ihm immer anzumerken gewesen.

Kölner Stadtanzeiger vom 10./11.3.1979.

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Sascha Schneider

1870-1927, Maler

Schelten Sie mich nicht, sondern sehen Sie mich an und überlegen Sie: Old Shatterhand, der Mann, dem geistig wie körperlich alles gleich geläufig ist, der siegend aus allem hervorgeht, Old Shatterhand steht meinem Ideal vom Menschen weit näher als alle die neuen weiblichen Geister. Mein lieber Old Shatterhand, satteln Sie aufs neue und bleiben Sie der Alte!

Immerhin aber allen Erfolg für Babel und Bibel! Beides wünscht recht herzlich Ihr alter und getreuer

S. Schneider

Brief an Karl May vom 3.7.1906. Zitiert nach: Hansotto Hatzig, Karl May und Sascha Schneider. Bamberg 1967, S. 121.

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Willy Schneider

1905-1989, Kammersänger

Ich werde weiterhin für Karl May werben ...

Schreiben vom 3.3.1970 an Erich Heinemann. Willy Schneider war eifriger Karl-May-Leser; er besaß sämtliche Karl-May~Bände.

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Wolfdietrich Schnurre

1920-1990, Schriftsteller

Ich ... meine, daß die Jugend getrost alle seine über 60 Bände lesen sollte, denn er schreibt spannend, sehr anschaulich, und nichts, was er sich ausgedacht hat, ist aus der Luft gegriffen. Ich habe selber alle 61 Bände von ihm gelesen und fand sie zum großen Teil recht aufregend. Allerdings wird er ja auch manchmal kitschig, besonders in seinen Gedichten und seinen sogenannten "weltanschaulichen" Ansichten.

Nach: Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, S. 29.

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Peter Scholl-Latour

geb. 1924, Journalist, Schriftsteller

Die Piste wurde jetzt durch Wanderdünen völlig überlagert. Damit die Reisenden nicht die Richtung verloren und elend verdursteten, waren in regelmäßigen Abständen Holzpfosten in den Boden gerammt worden. Aber die Pfähle waren so weit von einander entfernt, gelegentlich verschwanden sie auch ganz im Flugsand, daß wir häufig auf die Motorhaube des Lastwagens klettern mußten, um den nächsten Wachposten anzupeilen. Ich mußte an den "Llano estacado" aus den Wildwest-Erzählungen Karl Mays denken.

Allah ist mit den Standhaften. Ullstein-Sachbuch, S. 83.

Mir fielen Taxis und Busse auf, die schwarz verhüllte Särge transportierten. Es gibt keine sehnlichere Erfüllung für einen Schiiten, als im Umkreis der großen Imame begraben zu sein. Die Pilgerstätten sind deshalb zu gewaltigen Nekropolen geworden. Schon Karl May, der sich sehr gewissenhaft mit dem Orient befaßt hatte, schilderte die Leichenkarawanen aus Persien, die mit ihren verwesenden Kadavern, entsetzlichen Gestank und Pest verbreitend, durch die Wüste nach Kerbela zogen.

Allah ist mit den Standhaften. Begegnungen mit der islamischen Revolution. DVA Stuttgart, 1983, S. 510.

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Peter Schreier

geb. 1935, Opernsänger

Sein liebster Romanheld: Sam Hawkens (Karl May).

Frankfurter Allgemeine Magazin (Fragebogen) 22.3.91.

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Henriette Schrott-Pelzel

1877-1957, Heimatschriftstellerin

1946 antwortete sie auf die Frage eines Journalisten, wer unter den Menschen, denen sie begegnet sei, auf sie den stärksten Eindruck gemacht habe: K a r l  M a y.

Zitiert nach: Hansotto Hatzig, Karl May und Sascha Schneider. Bamberg 1967, S. 179.

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Klaus Schütz

geb. 1926, Politiker

Auf die Frage, welche Rolle in einem Karl-May-Film er am liebsten spielen würde, lautete seine Antwort: "In Wahlkampfzeiten am liebsten Old Shatterhand!"

tz München vom 25.3.1972.

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Christian Schwarz-Schilling

geb. 1930, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen

Die Deutsche Bundespost widmet ihm (Karl May) eine Sondermarke, um damit einen Volksschriftsteller zu ehren, der Generationen junger Menschen beeinflußt und geprägt hat.

Wenn auch die literarische Bedeutung seiner Werke unterschiedlich beurteilt wird, so ist doch die humane Tendenz seiner Erzählungen, sein Einsatz für unterdrückte Völker - etwa die Indianer und die Kurden - ursächlich dafür, daß seine Bücher immer wieder aktuelles Interesse und die Zuneigung ungezählter Leser finden.

Ansprache am 13.2.1987 bei der Überreichung der Sonderbriefmarke KARL MAY im Rathaus Schloß Geyerswörth, Bamberg. Zitiert nach Inform/M-KMG, Nr. 74/Nov. 1987, S. II f.

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Albert Schweitzer

1875 - 1965, Theologe, Arzt

... was mich am stärksten an seinem Schrifttum gefangennahm, war das herzhafte Bekenntnis zur Friedfertigkeit und gegenseitiger Verständigung, das fast alle seine Bücher belebt und uns wilde Rüpel nachdrücklicher als vieles Hochgeschraubtes belehrt hat, Großmut und Nachsicht zu üben, kurz gesagt: im Nebenmenschen, selbst wenn er auf Irrwegen geht, den Bruder in Christo zu sehen -- und gerade das halte ich für das Unvergängliche an seinem Werk!


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Zitiert nach 'die therapie des monats', Mannheim, Heft 9/1960, S. 44 sowie Karl Mays Ges.Werke Bd. 34, 25. Aufl. 1964, s. 379.

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Ina Seidel

1885-1974, Schriftstellerin

An mir selbst und anderen aber habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Anziehungskraft dieser Bücher für junge Menschen früher oder später nachläßt und sie sich dann ganz von selbst anderen Schriftstellern zuwenden, deren Werke zwar nicht durch den Reiz des Exotischen und Abenteuerlichen allein wirken, sondern durch die dichterische Bewältigung des zuweilen ganz alltäglichen Stoffes.

Nach: Rainer Gagelmann, Soll die Jugend Karl May lesen? Bamberg 1967, S. 18. Die Dichterin hat (nach: Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1930, S. 348) "Karl May von A-Z" gelesen. In: Lennacker. Das Buch einer Heimkehr, Stuttgart 1939, S. 718, führt sie Karl May an.

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Gustav Sichelschmidt

geb. 1913, Schriftsteller

Natürlich sind seine Helden nicht mit bürgerlichen Maßstäben zu messen; sie wirken wie echte Märchengestalten, die die Imagination der Jugendlichen anregen. Wie im Märchen gibt es auch in Karl Mays Romanen so etwas wie eine poetische Gerechtigkeit.

Liebe, Mord und Abenteuer, Berlin (o.J.).

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Barbara Sichtermann

geb. 1943, Autorin

Bei Karl May hat es mit dem Erwachsen-Werden nicht richtig geklappt. Mit beispielloser Unverdecktheit hielt er am kindlichen Omnipotenz-Wahn fest und wendete ihn an ein (auch noch riesiges) Werk. Kindlichen Leserinnen und Lesern wird bei May nicht nur durch die Verschonung mit der üblichen Jugendautoren-Herablassung wohlgetan - sie werden durch die infantile Unangreifbarkeit ihres Autors und Helden auch in ihrem Kind-Sein bestätigt, ja umschmeichelt. Diese integrierte Mischung von lässigem Verkennen des (falschen) Ernstes und von Ernstnehmen der Verkannten, macht, denke ich, einen großen Teil von Karl Mays Faszination aus.

Die Mayschen Reiseerzählungen als Jugendlektüre. In: Karl May der sächsische Phantast. Hrg. Harald Eggebrecht, Fischer Taschenbuch 6873, Frankf./M. S. 71f.


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Friedrich Sieburg

1893-1964, Schriftsteller

... der "Lederstrumpf" wird von der heutigen Jugend längst nicht mehr mit der alten Begeisterung gelesen, da die Ausführlichkeit der Naturschilderungen und der Mangel an Grausamkeit ihrem Nervenzustand nicht mehr entspricht ... Das konnte den Abstieg der Indianerbücher zu Karl Mays monotonen Prahlereien nur beschleunigen.

Nur für Leser. Jahre und Bücher. DVA Stuttg., 1955, S. 141.

Trotzdem bleibt die Wirkung eines erstaunlichen Phänomen, denn Karl May wird heute noch massenhaft gelesen, und zwar nicht nur von Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen, unter denen sich viele gereizte oder begeisterte Lobpreiser seiner endlosen Schriften befinden.

Et alors? Sowhat? Na, und? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.1.1964.

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Eduard Sievers

1850-1932, Germanist

Amüsant ist die Tatsache, daß der große Germanist Eduard Sievers im hohen Alter sich die Gesamtausgabe von Karl Mays Werken kaufen ließ und die Bände Nacht für Nacht las, da er nicht mehr schlafen konnte.

"Karl May." Frankfurter Zeitung, 1.4.1937 (zit. nach M-KMG Nr. 71/Febr. 1987, S. 24.

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Johannes Mario Simmel

geb. 1924, Schriftsteller

Ich bin ein begeisterter Anhänger Karl Mays ...

In einem Privatbrief vorn 3.10.1973. Der Kölner Stadtanzeiger schrieb am 13.10.1971 über Simmel: "... eine Art Mittelstands-Karl-May. Der Glaube an das Gute und die naiv-kraftvolle Fabulierlust mit ihrer beängstigend ausschweifenden Detailfreude und gläubiger Einsatz heilend heller Pseudometaphysik lassen auf verwandte Seelen schließen." Zitiert nach: Inform 1/72, Beilage zu den M-KMG.

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Richard Skowronnek

1862-1932, Schriftsteller

Der Jüngere aber, der ganz und gar in dem Zauberbann des großen Rattenfängers Karl May stand, des größten, der seit John Fenymore Coopers Zeiten gelebt hat, hob, Schweigen gebietend, die kräftige Hand ...

Armer Henner, Stuttgart 1908, S. 36.

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Max Slevogt

1868-1932, Maler

Max Slevogt legte beim Büchereinkauf vor allem Wert auf Abenteuerbücher in alten Ausgaben von Cooper, Simms, Marryat und Karl May, die für ihn, wie er selbst sagte, die beste Entspannung und gleichzeitig Anregung waren.

Erinnerungen des 70jährigen Hugo Streisand. In: Der Abend, Berlin 31.5. 1948. Über mögliche Begegnungen Slevogt-May: M-KMG. Nr. 70, S. 12-15. Über May-Illustrationen Slevogts: wie vor, Nr. 71, S. 45.

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Albert Soergel

1880-1958, Literaturhistoriker

Kein zeitgenössischer Autor außer dem Jugendschriftsteller Karl May (1842-1912) kann sich mit Herzog und Ganghofer an Erfolg messen. Seine Abenteuerromane und Indianergeschichten erreichten innerhalb von sechzig Jahren eine Gesamtauflage von 15 Millionen Bänden. Sie bestechen durch eindringliche Schilderungen von Land und Leuten im Balkan, vorderen Orient, Mittel- und Nordamerika, durch strahlende Helden und immer bestrafte Bösewichter. Der anspruchslose glatte Stil paßt trefflich zu den weiß oder schwarz gezeichneten Charakteren. Karl May hat den Niedergang der Indianer glorifiziert und der Jugend sympathische Helden gegeben.

Albert Soergel/Curt Hohoff: Dichtung und Dichter der Zeit. Vom Naturalismus bis zur Gegenwart. Neuausgabe Düsseldorf 1961, 1963. Neubearbeitung durch Curt Hohoff. 1. Bd. (1961) S. 743.

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Otto Soyka

1882-1955, Schriftsteller

Ich zähle zwar die Lektüre der Romane eines Karl May weniger zu den künstlerischen als zu den Betäubungsgenüssen, wie Alkohol oder Opium, begrüße sie aber eben deswegen gewissermaßen als Wohltat für die geplagte Menschheit ...


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Der Schriftsteller verdient Dank, nicht als Künstler oder Erzieher, sondern als Schöpfer eines eigenartigen Mittels zum Genuß.

Der Spannungsroman, in: Wiener Sonn- und Montagszeitung 11, April 1908.

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Wilhelm Spemann

1844-1910, Verleger

... fand es sehr beachtlich, "mit welcher unglaublichen Leichtigkeit dieser Erzähler seine Werke schuf". Wilhelm Spemann gab ab 1887 die Jugendzeitschrift "Der Gute Kamerad" heraus, in der Karl Mays Erzählungen erschienen.

Adolf Spemann, Wilhelm Spemann - Ein Baumeister unter den Verlegern, Stuttgart 1943, S. 150.

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Hilde Spiel

geb. 1911, Schriftstellerin

Gelesen wird nachts ... - ach, was nicht alles ...

Die erste Lektüre war eine Ollapotrida: Lederstrumpf und Nathalie von Eschtruth, Jules Verne und Karl May, der Kampf um Rom und die Stuckens Weiße Götter, Das deutsche Ferienbuch und Der gute Kamerad mit ihren so fremdartig plattdeutschen oder wilhelminisch kolonial-patriotischen Erzählungen wie "Die Vollrads in Südwest -"

Die hellen und die finsteren Zeiten. Erinnerungen 1911-1946. München, S. 86.

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Heinrich Spoerl

1887-1955, Schriftsteller

Ist Karl May Kitsch? Die hohe Auflage sprach dafür. Die Dauer des Erfolges dagegen. Was ist an ihm auszusetzen? Daß er lügt, ist das Beste an ihm. Damit rückt er in die Reihe der Märchenerzähler.

Man kann ruhig darüber sprechen. Berlin 1939, S. 120.

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Karl Springenschmid

1897-1981, Schriftsteller

Winnetous Ende war wie sein Leben. Ich finde in meiner Erinnerung keinen Übergang mehr, mir ist, als wäre er unmittelbar von unserem letzten Lagerfeuer in den Krieg gezogen. Er war nur wenige Tage im Feld. Dann traf ihn eine Kugel in das Herz.


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So ist Winnetou in Saint Omer geblieben. Nicht er allein. Auch Old Shatterhand, sein Freund, ist hier begraben. Nie mehr habe ich in das Land unserer Jugend zurückgefunden.

Süddeutsche Tagespost, 1967. Winnetou blieb in Saint Omer. In: Deutsches Soldatenjahrbuch 1980, München 1979, S. 103f. Abgedruckt in S-KMG Nr. 73. Karl Mays Spuren in der Literatur. Zweite Sammlung.

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Viktor Staal

geb. 1909, Schauspieler

Ob Sie es glauben oder nicht! Ich lese zum dritten Mal Karl May. Wie man auf Karl May kommt, werden Sie selber auch noch wissen ...

Nach: Film-Revue 13/1952, wiedergegeben in: M-KMG Nr. 13, S. 26.

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Hein-Josef Stammel

(Ps. Christopher S. Hagen)

1926-1990, Schriftsteller

Wenn man der autokratischen Heldenfigur Winnetou eine entfernte Ähnlichkeit mit historischen Vorbildern zusprechen möchte, so kämen höchstens die nördlichen Cheyennes oder Sioux in Frage.

Der Cowboy, Legende und Wirklichkeit von A-Z. Gütersloh 1972.

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Rainer Stephan

Journalist

Die Einheit von Ich und Welt, von Traum und Alltag, von Himmel und Erde gehen im Abschied von der Kindheit verloren; Karl Mays Geschichten aber halten an der Einheit fest, als ob nichts geschehen wäre - darum lügen sie. Und diese große Lüge prägt sie so entscheidend, daß all die kleinen Lügen -der Männlichkeitswahn, die Frömmelei, die falsche Ideologie - sozusagen in der großen untergehen (Weshalb eben "ein Gescheiter" sie zu Recht gar nicht erst bemerkt).

Karl May oder Brauchen wir eine erwachsene Literatur? Süddeutsche Zeitung Nr. 230, 7.10.1987.

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Dolf Sternberger

geb. 1907, Essayist, Publizist

... veröffentlichte in der Frankfurter Zeitung Nr. 279/80, Jg. 1938, einen bedeutsamen Artikel "Karl May" - zitiert nach:

Das literarische Echo 1938/39, Echo der Zeitungen, Sp. 679.

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Armin Stolper

geb. 1934, Schriftsteller

Über die mögliche Bedeutung von Karl May kann ich gar nichts sagen, weil ich mich ja nie mit ihm beschäftigt habe. Ich kann mir gut vorstellen, daß es in der DDR für diesen Autor einen großen Leserkreis gibt; besonders natürlich deshalb, weil er jahrzehntelang der Jugend vorenthalten und madig gemacht wurde.

In einem Brief vom 6.12.1985 an Uwe Kahl, Zwickau.

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Heinz Stolte

geb. 1914, Professor für Germanistik, Essayist

Hakawati, - ein Märchenerzähler -, hat er sich selbst genannt. "Bloß ein schlechter Schriftsteller", so hat kürzlich Friedrich Sieburg von ihm gesagt. Aber das ist ganz falsch, und ich stehe hier, um im Namen der Achim von Arnim und Clemens Brentano, der Jacob und Wilhelm Grimm dagegen zu protestieren. Auch die alten Volksmärchen und Lieder hat man lange genug verächtlich als "dummes Zeug" angesehen, ehe man seit Herder und den Romantikern staunend vor dieser reichen und bunten Phantasiewelt als einem ehrwürdigen nationalen Besitztum stand.

Die Popularität des märchenhaft-phantastischen Schriftstellers Karl May ist eine unmittelbare Folge der Ernüchterung und Rationalisierung unserer Zivilisationswelt.

Aus: Ansprache zur Eröffnung der Karl-May-Spiele 1964 in Bad Segeberg am 9.7.1964.

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Oliver Storz

geb. 1929, Schriftsteller, Fernsehspielautor

Ich las Winnetou I erstmals im Frühsommer 1940, mit elf Jahren also, und in einer Zeit, als der Begriff vom "Heldentum" sich bei Jugendlichen und Erwachsenen fast ausschließlich am Militärischen, am Kriegerischen, am "Soldatentum" festgemacht hatte. Und ich entdeckte in Old Shatterhand staunend einen ganz unmilitärischen, einzelgängerischen, "nonkonformistischen" Helden, der ungern und nur im äußersten Notfall schoß, der Tollkühnes wagte, um Blutvergießen zu verhindern, im Grunde also einen abenteuerlichen, vagantischen Pazifisten! Das war mein Held, eher als alle Ritterkreuzträger! Daß es Heldentum gab, abseits vom Militarismus, von uniformierten Massen und Kadavergehorsam - diese Entdeckung verdankte der "Pimpf", der ich war, der ersten Lektüre von "Winnetou I'.

In einem Brief vom 16.8.1987 an Erich Heinemann. Anklänge an Karl May auch in: Die Nebelkinder. Roman. Hamburg 1986, S. 148.

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Hans Stosch-Sarrasani

1872-1934, Zirkusgründer und -Direktor

Im Karl-May-Museum Radebeul befindet sich eine Bronze-Plastik, eine Schenkung von Hans Stosch-Sarrasani: Ein Indianer und ein Weißer, beide beritten, treffen im Kampf aufeinander. In letzter Sekunde erkennen sie sich als Freunde und wenden die Waffen ab. Karl May hat solche Geschichten erzählt. Auf dem Sockel steht der indianische Gruß "Hau Kola".

(Nach: Der Prophet von Radebeul in: Der Hausfreund, Speyer 10.11.1956.)

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Barthold Strätling

geb. 1927, Schriftsteller

Daß Simon Kenton ein Riese war - er soll an die zwei Meter gemessen haben - ist verbürgt. Ebenso ist häufig davon die Rede, daß er nicht selten die Fäuste als eine Waffe benutzte, die absolut tödlich sein konnte. Das wußte auch Karl May, der ja seine Helden mit allen guten Eigenschaften ausstattete, die er bei den historischen Westmännern fand. Simon Kenton war zweifellos in gewissem Sinne der erste "Old Shatterhand".

So war der Wilde Westen, Würzburg 1963, S. 149.

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Franz-Josef Strauß

1915-1988, Politiker, Ministerpräsident von Bayern

Ich denke noch mit Vergnügen an die Lektüre der Märchen, nicht nur der Gebrüder Grimm, sondern auch Hauffs, Bechsteins, Andersens. Auch Karl May durfte nicht fehlen. Ich habe wohl alle Bände der gesammelten Ausgabe gelesen ...

Buchmagazin 3/79, S. 15, Köln.

Auf die Frage nach seinem liebsten Romanhelden, antwortete Strauß: "Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi, der junge Werther, Robinson Crusoe, Gulliver."

FAZ-Magazin Sept. 1980 (Fragebogen).

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Karl Hans Strobl

1877-1946, Schriftsteller

Nun hat Karl May - der vom Zehnpfennigheftroman herkam - die Indianergeschichten mit christlicher Tendenz erfunden. Die Jugend hat seine Bücher mit Begeisterung gelesen (wir auch), die christliche Tendenz hat sich von der Indianergeschichte fein säuberlich geschieden und alles war wie sonst. Auf der einen Seite das "Liebet eure Feinde", um das sich kein Mensch gekümmert hat, und auf der anderen die Schwarzfußindianer, Urwälder und Silberbüchsen.

Der Kampf gegen die Schundliteratur, in: "Das literarische Echo" vcm 1.4.1912.

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Karin Struck

geb. 1947, Schriftstellerin

Wäre ich ein Junge gewesen, hätte ich Karl Mays Werke verschlungen.

Erste Lese-Erlebnisse, Frankfurt/m. 1975, S. 133.

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Hans Heinz Stuckenschmidt

geb. 1901, Professor, Musikkritiker

Der törichte Einwand, den man als Kritiker manchmal hören muß: Erst mal besser machen, Herr! hat seine Erledigung durch unseren guten alten Karl May gefunden, der lakonisch feststellt: "Man muß kein Kunstschütze sein, um zu merken, ob einer ins Schwarze trifft!"

Kritik in unserer Zeit, Kleine Vandenhoeck-Reihe 100, 1960, S. 57.

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Bertha von Suttner

1843-1914, Schriftstellerin

Wer den schönen alten Mann an jenem 22. März ... sprechen gehört, durch ganze zwei Stunden, weihevoll, begeisterungsvoll, in die höchsten Regionen des Gedankens strebend - der mußte das Gefühl gehabt haben: In dieser Seele lodert das Feuer der Güte.

Wiener 'Zeit' vom 5.4.1912.

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Hans-Jürgen Syberberg

geb. 1935, Regisseur, Schriftsteller

Stil galt ihm nichts. Nur Abenteuer, Abenteuer der Seele, ja der Seele. In ungeheuren Seelenlandschaften. Der meistgelesene deutsche Autor war ein Mystiker. Ein Mythomane. Der erste Schreiber in Deutschland, der sich im aufkommenden industriellen Zeitalter auf seine Weise erfolgreich beim Volke durchsetzte ... Er schrieb so, daß auch Leute wie Karl Kraus, Berthold Viertel, Albert Schweitzer, Heinrich Mann und Ernst Bloch sich um ihn kümmerten und ihn verehrten, voll Bewunderung und ohne Sentimentalität.

Shakespeare für die Jungen. Neue Kronen Zeitung, Wien, 5.5.1973.

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I.A. Szczepánski

geb. 1902, polnischer Schriftsteller

Mays Biografie ist - trotz seiner Popularität - beispielhaft für die Existenz eines Schriftstellers im kapitalistischen Regime. Bis zu seinem Ende konnte May sich weder von seinen Minderwertigkeitskomplexen befreien noch von seinen Verlegern, mit denen er jahrelang prozessieren mußte.

... er ist gleichzeitig auch ein Schriftsteller, der bewußt für die Rechte der Unterdrückten eintritt. Er verteidigt die Kurden und Dschesidi, kämpft gegen Banditen und Sklavenhändler, und im Kampf des Nordens gegen den Süden in den USA steht er auf Seiten des Nordens, sowie auf der Seite des Juarez von Mexiko gegen den Kaiser Maximilian.

Vorwort zur Winnetou-Ausgabe des Verlages Nasza Ksiegarnia, Warszawa 1956.

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Albert Schweitzer Ina Seidel
Heinrich Spoerl Bertha von Suttner


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George Tabori

geb. 1914, ungarischer Schriftsteller, Regisseur, Schauspieler

"Wir brauchen ja nicht immer einer Meinung zu sein", sagte Schlomo geduldig. - Die Käferaugen (Hitlers) klarten auf und bündelten sich schielend auf Schlomos Nase. "Dies also ist Wien", versuchte es Hitler mit Sarkasmus und kniff einen Mundwinkel zusammen. - "Nein, aber Talmud", antwortete Schlomo. - "Noch ein Cousin?" Dies ziemlich hochmütig. -"Ein Buch", stellte Schlomo richtig. - "Auf Deutsch?" -"Auch." -"Mögen Sie Karl May?" - "In kleinen Dosen." - "Als Winnetou starb, mußte ich weinen." Hitler starrte unverwandt auf Schlomos Nase. - "Ich auch", gestand Schlomo. "Also du siehst, wir haben doch etwas gemein." - "Das bezweifle ich", widersprach Hitler. "Wenn man Ihre Nase sieht ..."

Aus: Mein Kampf (Novelle, Hörspiel, Bühnenstück). In: Meine Kämpfe, Hanser, München-Wien 1986.

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Richard Tauber

1891-1948, Sänger

Else Brückner-Rüggeberg berichtete in der Abendsendung des Südwestfunks I, 10.9.1976, "Von der Operette zur Oper", Karl May sei der Lieblingsautor Richard Taubers gewesen. Auf all seinen Reisen habe Tauber 55 Karl-May-Bände bei sich geführt; sie begleiteten ihn auch in die Emigration. In England gingen sie 1940 durch Kriegseinwirkung verloren; Tauber inserierte so lange, bis er sie alle wieder beisammen hatte.

Edmund Theil

geb. 1913, Kunsthistoriker, Schriftsteller

Karl Mays großes Verdienst ist es, in Nachfolgerschaft von James Fenimore Cooper, Friedrich Gerstäcker u.a. bei den "seßhaften" Deutschen des ausgehenden XIX. und des heraufziehenden XX. Jahrhunderts ein Fernweh geweckt zu haben ... Er war der erste deutsche Schriftsteller, der die Aufmerksamkeit auf den durch die größte interkontinentale Völkerwanderung aller Zeiten hervorgerufenen Völkermord an den Ureinwohnern Nordamerikas lenkte. Er durchbrach als erster literarisch den "eisernen Vorhang", der von Rom und Byzanz im VII. Jahrhundert heruntergelassen worden war, nachdem der Islam sich herausgebildet und sich auf den Marsch nach Westen gemacht hatte, und stellte den Leser dem arabisch-islamischen Lebens- und Kulturkreis gegenüber ...

Karl May und die arabische Frage gestern und heute, in: M-KMG Nr. 44.

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Georg Thomalla

geb. 1915, Schauspieler

Vielleicht klingt es anmaßend, wenn ich behaupte, daß ich niemals, auch nicht als Kind, "Schund" gelesen habe. Aber es ist die reine Wahrheit. Mit Karl May begann's (oder will den jemand als Schund bezeichnen, dann möge er sich bei mir melden ... )

Zitiert nach: M-KMG Nr. 13, S. 26f.

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Hans Heinrich Baron Thyssen-Bornemisza

Auf die Frage nach seinem liebsten Romanhelden antwortet Thyssen: "Winnetou!"

FAZ-Magazin v. 28.10.1988 (Fragebogen).

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Rudolf Titzck

geb. 1925, Landtagspräsident Schleswig-Holstein

Mit der Erfahrung von acht Jahren Regierungsverantwortung als Innenminister und weiteren vier Jahren als Finanzminister stellte ich mit Genugtuung fest, daß in der Politik die Santers, die Rattlers, Schuts und andere unbekannt sind, sich am Ende - wie bei Karl May - stets das Gute durchsetzt.

Pressemappe Karl-May-Spiele Bad Segeberg 1983.

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Georg Trakl

1887-1914, Lyriker

Nach Aussage Frau Geipels (Schwester von Trakl; Anm.d.Red.) war Georg ... ein begeisterter Karl-May-Leser. Dieses Detail ist insofern nicht uninteressant, als - seltsam verknüpft es sich - jener Mann, der Anfang April 1913 Trakls Begegnung mit Ludwig Ficker und dem "Brenner Kreis" vermittelte, der junge Wiener Dichter Robert Müller, selbst ein engagierter Anhänger des Jugendschriftstellers war und um die gleiche Zeit (März 1912) sogar einen - den einzigen - Vortrag Karl Mays in Wien ins Werk setzte.

Otto Basil, Georg Trakl in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1965, S. 31.

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Luis Trenker

1892-1990, Schauspieler und Filmregisseur

... erwähnte Karl May in seinem Roman "Sperrfort Rocca Alta". Zum 80. Geburtstag schrieb die Berliner Morgenpost am 4.10.1973 über Louis Trenker: eine Mischung aus Karl May, Anzengruber und Andreas Hofer.

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Georg Stefan Troller

geb. 1921, Journalist, Schriftsteller

Es gibt Reiseschriftsteller - man denkt sofort an Karl May -die überhaupt nichts Einschlägiges erlebt haben, und trotzdem interessante Bücher schrieben. Sie waren eben für das Abenteuer zeitlebens "disponibel" geblieben. Ja manchmal, nur halb im Scherz sei es gesagt, muß man annehmen, daß das äußere Erlebnis für den Dichter eine bloße Zeitverschwendung ist ...

Abenteuer Leben, in: Sehnsucht nach einer glücklichen Welt, Verlag für Sport u. Kultur, München 1983, S. 25.

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Kurt Tucholsky

1890-1935, Schriftsteller

Nicht etwa, daß wir uns ruhig gestehen: auch wir wollen uns einmal ausruhen und leichte Bücher lesen, ... nein wenn wirs schon tun, dann lügen wir uns irgend ein Brimborium darum herummer. Es gibt Leute, denen dieser Karl May - mir ist der Bursche immer als Ausbund der Fadheit vorgekommen - lieb und teuer ist. Aber sie sagens nichts. Sie malen ihm eine Glorie an: ihr meint, das sei einfach ein Unterhaltungsschriftsteller für die reifere Jugend gewesen? Gott bewahre, ein Philosoph war das, ... ein schwerer, vollbärtiger, sächsischer Denker, weiland zu Radebeul, jetzt in der Unsterblichkeit.

Peter Panter (Ps.), Nette Bücher. In: Weltbühne 14/1918 11. S. 196 (zitiert nach: Günter Scholdt, Karl-May-Forschung und Karl-May-Gesellschaft, Jahrbuch d. KMG 1987, S. 281). Tucholski schrieb 1927 und 1929 auch unter dem Pseudonym "Old Shatterhand" (M-KMG Nr. 83, S. 65). In "Schnipsel", Ges. Werke Bd. 10, S. 109, nennt er Spengler den "Karl May der Philosophie": "Er hat keine Heldentaten verrichtet, er hat sie nur prahlend aufgeschrieben. May war Übrigens bescheidener und schrieb um eine Spur besser."

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Gert Ueding

geb. 1942, Professor für Literaturgeschichte

Denn wie fast alle Bücher Mays ist auch seine Autobiographie das nur flüchtig korrigierte Stenogramm einer lebendigen Rede, einer wirklichen, mündlichen Erzählung, mit all ihren Umwegen, den Neueinsätzen, der mitunter weitschweifenden Suche nach Worten, den emotional ungezügelten Ausbrüchen, die der momentane Schmerz erzwingt.

Darin liegt das Geheimnis seiner Wirkung, und jede literarische Stilkritik wird an ihr vorbeigehen, allenfalls einzelne Passagen oder die letzten vier, fünf Romane gelten lassen. Mays Werk ist auch insofern ein Sonderfall innerhalb der deutschen Literatur, die nach Adam Müllers Urteil zu den stummen Literaturen gehört, daß es, obschon niedergeschrieben, doch "von dem lebendigen Odem der Rede" ergriffen ist, den jener so schmerzlich vermißte.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.6.1976.

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Will Vesper

1882-1962, Schriftsteller

Für eine Schande und Schmach halte ich offengestanden die Art, wie Karl May heute noch von gewissen, leider durchaus nicht immer sachlich unbefangenen Kreisen bekämpft wird - in einer geradezu pharisäerhaft beschränkten und peinlichen Weise dort, wo es sich um das Persönliche handelt.

In einem Brief vom 16.10.1931 an den Lehrer und Publizisten Wilhelm Fronemann, Frankfurt/M.

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Berthold Viertel

1885-1935, Lyriker, Erzähler

Die äußere Unwahrheit der Bücher ist erwiesen, aber zugleich auch die innere Wahrheit der Phantasie. Sie war echt, die Klage, die er der untergehenden Indianerromantik nachweinte, er, der sie nicht leben durfte.

März, Halbmonatsschrift für die deutsche Kultur. Herausgegeben von Ludwig Thoma und Hermann Hesse. 4. Jahrg. 1910, 2. Bd. (April-Juni).

Auf seine Leser wirkt May zweifellos als Dichter, der er irgendwie auch ist. Ein Nichtdichter konnte nie die Freundschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand schildern, nie die Person des Winnetou erfinden, nie das Vorwort zum Winnetou, dieses wirklich schöne Klagelied vom Untergang der indianischen Rasse, schreiben.


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Der Strom, Wien. Juni 1912. Zitiert nach: Jb-KMG 1971, S. 228.

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Karl-Michael Vogler

geb. 1928, Schauspieler

Das Übermenschliche an der Figur des Kara Ben Nemsi versuche ich, so gut es geht, zu mildern ...

Vögler spielte 1975 in der 26teiligen Fernsehserie "Kara Ben Nemsi Effendi" des Zweiten Deutschen Fernsehens die Hauptrolle.

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Rolf Vollmann

geb. 1934, Schriftsteller

... findet Karl May sei "ein unerträglich schlechter Autor".

Karl May: Ein Schriftsteller, der nicht richtig schreiben konnte, in: DIE ZEIT Vom 12.3.1975.

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Karl Heinrich Waggerl

1897-1973, Schriftsteller

Für eine gewisse Lebens- und Altersstufe ist Karl May ungleich wichtiger als Goethe. Woraus soll die Jugend einen Begriff von Ehre gewinnen, wenn nicht aus Karl May? Die beste Charaktererziehung, die es überhaupt geben kann, ist

Winnetou ...

Quelle (ungenau): Meraner Zeitung von 1954.

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Martin Walser

geb. 1927, Schriftsteller

... Auch der schrecklich gebeutelte Karl May muß sich lebenslänglich durch Dunkel zum Licht, durch gemeine Gefahr zu edelster Errettung durchschreiben. Und weil wir alle mehr Gefahr als Rettung erleben, insbesondere in der Kindheit, und weil angesichts der Wirklichkeit ein Retter gar nicht tadellos genug sein kann, brauchen wir am Anfang unseres Lebens dringend Karl May. Also wenn eine Qualität Maßstab werden darf, dann die Brauchbarkeit. Sie empfiehlt sich doch durch ihre Unbestreitbarkeit. Brauchbarkeit ist überhaupt nichts Absolutes. Wenn über die Frage der Brauchbarkeit gesprochen werden soll, ist weniger Anmaßung möglich, als wenn über Klassik als bestimmtes Niveau oder Klassik als auszuhandelnder Wert gesprochen werden muß ...

Die uns beleben, das sind Klassiker. Von der Brauchbarkeit unserer Dichter und Denker. FAZ vom 29.12.1984.

Goethe und Karl May ähneln einander in ihrem lebenslänglichen Bedürfnis mehr, als literaturkritische Einteilungen vermuten lassen. So wie in jedem "Iphigenie"-Vers und in jedem "Meister"-Satz das Optimum dirigiert und die schließliche Lösung schon durch alles Dazwischenkommende durchschimmert, so wissen wir, je furchtbarer Karl May seinen Stellvertreter beutelt, desto schöner und edler wird die Rettung sein. Ja, während die wirklichen Konflikte nur mit List, Betrug, oder sonst einer Selbstbeschädigung zu lösen sind, schürzen Goethe und Karl May Konflikte, deren Lösungen alle Beteiligten besser machen, als sie vorher waren. Das ist die Lösung à la Iphigenie und à la Winnetou, die einander an Tadellosigkeit nichts nachgeben. Und beide agieren in Gegenden, in denen Tadellosigkeit honoriert wird! Beide halten für dringend geboten die Glücksproduktion, die Güteverbreitung, die Weitglättung, die Friedensstiftung. Der späte Karl May geht so stofflich ins Religiöse über wie der Goethe der "Wanderjahre".

Goethe, Karl May und die Religion. Ich fühle, also bin ich: Schlagzeilen deutscher Seelengeschichte am Beispiel des "Wilhelm Meister". Rheinischer Merkur/Christ und Welt Nr. 20. 20.5.1983.


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Inge von Wangenheim

geb. 1912, Schriftstellerin

Übrigens ist es nicht wahr - man hört es immer wieder -, daß der Verkaufserfolg entscheidet.

Täte er das, wären Karl May und Hedwig Courths-Mahler die größten Schriftsteller deutscher Zunge.

Die tickende Bratpfanne, Rudolstadt 1977, S. 144.

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Hans Weigel

geb. 1908, Schriftsteller

Ich hab' ihn auch gehabt, den Wagner, als Bub, kurz nach dem Karl May, wie man die Masern hat und Schafblattern hat als Bub. Und manche Erwachsene, auch gescheite, haben ihn immer noch, den Karl May, und viele, viele Erwachsene, auch gescheite, haben ihn noch heute, den Wagner.

Wiener Journal Nr. 29, Februar 1983, S. 15.

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Franz Carl Weiskopf

1900-1955, tschechischer Diplomat, Schriftsteller

Wir, von Karl Mays Büchern begeisterten Jungens, hätten natürlich niemals geglaubt, daß zwischen unserer Schulbank und Wildwest nicht der Ozean und zwei Dutzend Prärien und Felsengebirge lagen, sondern nur das Erzgebirge und vier Stunden Eisenbahnfahrt ...

Der Schreibtisch, auf dem die tausend Heidentaten und Abenteuer niedergeschrieben wurden, steht noch da ...

Das Eilkamel. Reiseberichte aus Europa, Asien und Amerika. Berlin und Weimar 1978, S. 155 ff.

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Richard von Weizsäcker

geb. 1920, Präsident der Bundesrepublik Deutschland

Weizsäcker läßt sich durch Blechs Antwort nicht beirren: Der Herr Staatssekretär sei einfach nicht volksnah genug. Da beginnt Blech den vollen mehrzeiligen Namen von Hadschi Halef Omar aus Karl Mays "Durch die Wüste" aufzusagen und bittet den erstaunten Präsidenten, ihm dies nachzutun. Weizsäcker schmunzelt zu mir herüber: "Wir haben uns eben in Herrn Blech getäuscht."

Friedbert Pflüger, Richard von Weizsäcker. Ein Portrait aus der Nähe. DVA Stuttgart 1990, S. 47.

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Ehm Welk

(eigentl. Thomas Trimm)

1884-1966, Schriftsteller

Als ich elf Jahre alt war, besaß ich schon ebensoviel Bücher wie mein Vater; Glanzstücke waren "Mario, der große Doge", ein Band von Bibelstärke, Gerstäcker, Karl May, Otto Ludwig ...

Konrad Reich, Ehm Welk - Stationen eines Lebens. Rostock 1976, S. 26.

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Dieter Wellershoff

geb. 1925, Schriftsteller

Es war ein wichtiger Erfahrungsschritt für mich, als ich mit zehn Jahren Indianerbücher zu lesen begann, zuerst die Romane von Karl May, dann auch Cooper und Steuben. Doch gewann ich zu Tecumseh und zu Lederstrumpf und Wildtöter nie die gleiche brüderliche Beziehung wie zu Old Shatterhand und Winnetou. Im Gegensatz zu den Heldensagen, die in einer grauen Vorzeit spielten, waren die Geschichten von Old Shatterhand und Winnetou, als ich sie Mitte der Dreißiger Jahre las, noch keine ganz ferne Vergangenheit.

In: Leselieben. Nr. 50, Deutsche Lesegesellschaft Mainz (1987) S. 69f./ M-KMG Nr. 76, S. 9.

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Liselotte Welskopf-Henrich

geb. 1901, Schriftstellerin

Old Shatterhand: ein Tugendspiegel, ein Alleskönner, furchtbar. Winnetou ist immerhin ein bißchen erträglicher. Obwohl er sich um seinen Stamm herzlich wenig kümmert und ihn dann sogar verrät, als er den Weißen seine Krieger für ihre Gleisbauarbeiten zur Verfügung stellt.

Dieter E. Zimmer, Indianerbücher in der DDR. Zu Kaffee und Kuchen bei Lakota-Tashina. Ein Leben lang setzte sich Liselotte Welskopf-Henrich für die Indianer ein. DIE ZEIT Nr. 28 vom 7.7.1978. Karl May sei eine "gigantomane Projektion deutschen Spießersinns in den Wilden Westen".


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Franz Werfel

1890-1945, Schriftsteller

Die Lieblingsbücher meiner Knabenjahre, bis zum zwölften: Karl May, und zwar die arabischen und nicht die Indianerromane. Von letzteren nur "Der Schatz im Silbersee".

Die Literarische Welt, 28.6.1929 (zitiert nach: Karl-May-Jahrbuch 1930, Radebeul S. 347). In Werfels Roman "Barbara oder Die Frömmigkeit", Wien 1929, S. 471, lautet eine Stelle: "... lebte in seinem Herzen der Jugendtraum der Karl-May-Lektüre unverwischt weiter."

Dem "Guten Kameraden", der Zeitschrift, für die Karl May von 1887 bis 1897 größere und kleinere Erzählungen schrieb, widmete Werfel in liebevoller Erinnerung ein langes Dankgedicht. (Lese-Erlebnisse 2, herausgegeben v. Heinrich Pleticha, st 458, Frankf./M. 1978, S. 144/145.)

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Erwin Wickert

geb. 1915, Diplomat

Wickert will Schriftsteller werden, sein Traum: "ein Werk von der Größe und dem Niveau Karl Mays".

STERN Nr. 8 vom 14.2.1980.

Karl May hat, wie der STERN richtig berichtete, in ... meiner Jugend eine sehr große Rolle gespielt, und ich bedaure diejenigen, die dieses Erlebnis nicht gehabt haben.

Später allerdings sind andere Schriftsteller und andere Leitgedanken an die Stelle von Karl May und seinem Werk getreten; aber mit etwas Wehmut, denke ich noch immer an die vergangene, unkomplizierte Welt zurück, die ich in Karl Mays Büchern fand.

Aus einem Brief vom 15.4.1980 an Erich Heinemann.

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Urs Widmer

geb. 1938, Schriftsteller

Karl May ist noch heute ein Mythos für uns alle ...

Er ist ein großartiges Beispiel für eine schier unentwirrbare Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit geworden. "In Wirklichkeit" war May natürlich nicht der unfehlbare Kara Ben Nemsi, aber er hat dennoch einen lebenslangen Versuch unternommen, die Weit (und sein äußeres Ich) nach seinem inneren Bild zu formen.

Old Shatterhand ist unsterblich: vermutlich meinen die Dichter, und nicht nur Karl May, die Metapher vom unsterblichen Autor sehr wörtlich: sie wollen nicht sterben. Sterben


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können allenfalls Indianer, Büffel, Grizzlybären, Freunde, nicht aber Karl May.

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 68 vom 21.3.1912.

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Ernst Wiechert

1887-1950, Schriftsteller

Zwar hatte ein Dorf mit drei Höfen und zwei Kätnerstellen nicht gerade das aufzuweisen, was Adam als einen Traum vor seiner schwerfällig glühenden Seele sah, eine Herde wilder und stolzer Mustangs, mit einem Rappen etwa, gegen den der Winnetous nur ein unbeholfener und zurückgebliebener Bruder gewesen wäre. Das Dorf besaß nicht einmal ein Kutschpferd, ungewohnt aller ländlichen Fronarbeit, aber doch waren es fünfzehn Pferde und Fohlen, die auf dem Schulzenhof versammelt waren, und über ihren glänzenden und warmen Leibern lag nicht der kümmerlich eingeengte Duft eines Moordorfes, sondern der große und wilde Geruch endloser Prärien ...

Hirtennovelle. München 1935, S. 43.

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Ludwig Winder

1889-i946, Redakteur, Autor

... und daß nicht nur die Dreizehnjährigen sich noch immer an Old Shatterhands Heldenstücken entflammen, sondern auch ausgewachsene Magistratsbeamte, Ingenieure, Schuhcremefabrikanten, Generaldirektoren, ja sogar Universitätsprofessoren; einer, ein sehr berühmter Mann, der sich tagsüber mit Freudschen Problemen befaßt, hat kürzlich öffentlich erklärt, daß sein Lieblingsschriftsteller Karl May ist. Sehr begreiflich. Dreijährig will keiner mehr sein, der etwas von Psychoanalyse weiß, aber dreizehnjährig ...

Übrigens: es gibt viele Männer, die auch dreizehnjährig nicht mehr sein wollten. Und gerade sie bleiben Karl May am treuesten, weil sie wissen, daß von allem Unfug, von allem mehr oder weniger Lächerlichen und Beschämenden aus der Knabenzeit der Karl May das Schönste und vielleicht das einzig Schöne gewesen ist.

aeo.

Aeolus (aeo) war das Pseudonym des Redakteurs Ludwig Winder, eines bedeutenden Erzählers und wesentlichen Vertreters Prager deutscher Literatur.

Winnetous Nachfolger besuchen Karl Mays Grab, in: Deutsche Zeitung Bohemia, 29.1.1928. Zitiert nach: M-KMG Nr. 71, S. 30.

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Erhard Wittek

(Ps. Fritz Steuben)

1898-1981, Schriftsteller

Wenn Karl May nicht ein armer, verwirrter, haltloser Mensch gewesen wäre, so wäre er zweifellos unser größter Abenteuer-Erzähler geworden. So aber ist gerade die in allen seinen Büchern zu findende Mischung von dichterischer Erfindungskraft und echtem Humor mit Banalität und Roheit so überaus gefährlich für die Bildung und Formung junger Menschen.

Karl May, in: Der deutsche Buchhandlungsgehilfe, 11/1934.

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Heinrich Wolgast

1860-1920, Lehrer, Schriftsteller

Alle genannten Verfasser von Abenteuergeschichten werden an Fruchtbarkeit und Beliebtheit, an Ausgeprägtheit des Charakters und an - Gefährlichkeit übertroffen von KARL MAY in Radebeul. Seine 50 Bände Reiseerlebnisse sind vielleicht nicht in erster Linie für die Jugend gedacht; es gibt oder gab so etwas wie eine Karl-May-Gemeinde unter den "Gebildeten" aller Stände. Aber die abenteuerlichen Stoffe seiner Romane, ihre "sittliche Reinheit", die gelegentliche zur Schau gestellte Frömmigkeit ihres Helden (nämlich Karl Mays) ließen sie bald als ein auch für die Jugend geeignetes Lesefutter erscheinen. Unter den Schülern und, wie es scheint, auch unter den Lehrern der höheren Lehranstalten haben die Mayschen Bücher ihre besonderen Liebhaber.

Das Elend unserer Jugendliteratur. Hamburg und Leipzig, 4. Aufl. 1910, S. 178/182.

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Hans Wollschläger

geb. 1935, Schriftsteller

Ganz fraglos hat das "Phänomen" Karl May die Humanwissenschaften vieles zu lehren: es war und bleibt ein Modell-Leben exemplarischer Art. May selber hat den Schlüssel für das Rätsel, das er sich selber war, nie gefunden; aber auch dies Letzte, das ihm unbewußt blieb, hat sich - wie so vieles andere Unbewußte - in einem seiner Gleichnisse mit aussprechen können: im Gleichnis vom Fluß Ssulh ("Friede"), der hoch oben an der Grenze von El Hadd darauf wartet, zurück zu fließen durch das ganze verdurstete Ardistan, und der zurück münden soll in das Meer, in die Vorgeburtlichkeit, aus der das Schiff Wilahde gekommen war. Diese Identität, dies Wieder-eins-werden von Ursprung und Ziel ist zuletzt das eigentliche Werk, das zu bewältigen alle Spätwerke Mays geschrieben wurden, und wir mögen vor solcher Kraft des Kreatürlichen im Kreativen doch wohl mit Achtung stehen - vor


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der schöpferischen Menschlichkeit des Rückverlangens in jenen "süßen Frieden", von dem es in "Wanderers Nachtlied" -so ganz einfach wie auch bei May und gleichso umfassend -heißt, daß er "von dem Himmel" sei.

Das "eigentliche Werk". Vorläufige Bemerkungen zu 'Ardistan und Dschinnistan', Jb-KMG, 1977, S. 58 ff.

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Ernst von Wolzogen

1855-1934, Schriftsteller

Einem Karl May, vielleicht dem genialsten Fabulierer, den die deutsche Erzählungskunst überhaupt aufzuweisen hat, haben es sämtliche Spießer unter seiner riesigen Lesergemeinde schwer übelgenommen, daß er sich selber als den Erleber wildester Abenteuer in fernsten Landen und bei fremdesten Völkern darstellte, ohne jemals seine Schreibstube verlassen zu haben ...

Vom Friedhof meiner Gestalten. In: Der Tag vom 19.9.1930. Zitiert nach: Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1930, S. 53f.

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Erich Wulffen

1862-1936, Kriminalpsychologe, Schriftsteller

In Verbindung mit unseren Ausführungen über die Mythologie und Dichtung, insbesondere der Iraner und Inder, darf es gewiß als kein Zufall gelten, daß Karl May seine große Erzählung "Ardistan und Dschinnistan", die den Kampf zwischen Gutem und Bösem symbolisiert und den Sieg des Edelmenschen verherrlicht, in die asiatischen Hochgebirge verlegt, also dahin, wo in der indogermanischen Urheimat der Völker der große Urdualismus geboren wurde.

Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1927, S. 270.

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Hemut Zacharias

geb. 1920, Musiker

Auf die Frage nach seinen liebsten Romanheiden antwortete der Künstler: Old Shatterhand, Felix Krull.

FAZ-Magazin (Fragebogen) Nr. 161 v. 31.3.1983.

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Peter von Zahn

geb. 1913, Fernseh- und Rundfunkjournalist

Acht Tage vor seinem Tode, im März 1912, hielt der Siebzigjährige noch einen Vortrag in Wien: "Empor ins Reich der Edelmenschen". Der sprach über seine Reisen, er sprach über seinen Aufstieg aus der Armut, über den Höhenflug des Geistes, und er verglich diesen Höhenflug mit dem Flug der neuen Maschinen, die den Himmel zu bevölkern begannen.

An Marterpfahl und Pranger, Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens vom 3.4.1972. Zitiert nach: INFORM Nr. 1/1972, Beilage zu den M-KMG.

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Michael Zeller

geb. 1944, Schriftsteller

Wie reich sind die Reiseerzählungen an solch unausgeträumten Bildern, an poetischen Wirkstoffen, die die Phantasie des Lesers in eine neue Offenheit hinaustreiben! Karl May fabulierte über die "Wilden", und er meinte sich selbst damit. Ich glaube kaum, daß er allzuviel davon wußte: Gottlob. Denn die Literatur war seine Fledermaus: die "Medizin". (Nach der Lektüre von "Winnetou I")

DIE ZEIT Nr. 16, 10.4.1987.

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Heinrich Zerkaulen

1892-1954, Schriftsteller

So allein läßt sich die Magie erklären, die vom Gestalter Karl May bis zum heutigen Tage ausgeht: dieser Mann kam aus dem Volk und nicht aus der Literatur. Sein Studium war das Leben, seine Hochschule der Kampf. Er war ein Priester jenseits der Theologie, ein Feldherr ohne Armee, ein Gläubiger ohne Dogma, ein Liebender ohne Berufung.

Berliner Allgemeine Zeitung vom 27.2.1942.

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Kurt Tucholsky Franz Werfel
Carl Zuckmayer Arnold Zweig


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Leopold Ziegler

1881-1958, Kulturphilosoph

Als ich den Poststempel Ihres neuen Aufenthaltortes las (Radebeul-Oberlößnitz), tauchten liebliche Erinnerungen in mir auf an meine Knabenzeit, an die Stunden und Tage, die ich mit einem Karl-May-Band verträumte und wohl auch verschwänzte, an Winnetou, Old Firehand und Hadschi Halef Omar ...

Briefwechsel Reinhold Schneider/Leopold Ziegler, München 1960, S. 67.

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Dieter Zimmer

geb. 1939, Fernseh-Redaktionsleiter, Schriftsteller

... Diese Kinder sind doch nicht klug, die sind doch nur furchtbar altklug. Das ist doch alles nicht die Welt eines Zehnjährigen, das ist doch eine fremde Weit, die ihm nur übergestülpt wird. Wissen Sie, was seine Welt ist? Winnetou! Wenn er mit seinem Katapult den Hausbeauftragten beschießt und ich ihm sage, er solle das besser lassen, weil der Mann ja immerhin unsere Lebensmittelmarken bringt, wissen Sie, was er dann sagt? Das sei kein Hausbeauftragter, sondern Knickebein, der Häuptling der Komantschen, und die wollten seinen Apatschen die Jagdgründe streitig machen. Und die Apatschen brauchten auch keine Lebensmittelkarten, sondern würden Büffel schießen. Der Büffel, auf den er meistens schießt, ist übrigens der Hund des Hausbeauftragten.

Für'n Groschen Brause. Eine liebenswerte Familienchronik aus unliebsamen Zeiten. Berlin 1980, S. 79.

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Fred Zinnemann

geb. 1907, Filmregisseur

... drehte amerikanische Spitzenfilme, u.a. "Zwölf Uhr mittags". Karl May war mitverantwortlich, daß er nach Amerika ging!

Interview am 23.4.1977 im Südfunk Stuttgart.

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Carl Zuckmayer

1896-1977, Schriftsteller

Daß er die abenteuerlichen Breiten und Gestalten so darstellen konnte, als habe er sie wirklich auf Schritt und Tritt gekannt, - er, der armselige Webersohn aus dem sächsischen Erzgebirge, der sich seine Kenntnisse in Gefängnisbibliothe-


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ken erwarb, das ist eine einzigartige Leistung, der ohne Zweifel ein geniehafter Zug anhaftet.

Karl Mays Talent war größer als sein Werk. Unter anderen Jugend- und Lebensbedingungen hätte er den Deutschen das schenken können, was andere Nationen besitzen, was es aber seit Grimmelshausen in unserer Literatur nicht mehr gibt: den großen Volksroman.

Süddeutscher Rundfunk, 1. Fernsehen, 21.3.1962, in der Sendung "Ich, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi" - ein Karl-May-Portrait von Artur

Müller.

Die Deutschen, die immer nur geniale Novellisten hatten, wie Goethe, Büchner und Kleist, haben in Karl May den einzigen grandiosen Erzähler von Männerschicksalen ... und es fehlte nur wenig, so hätten sie in ihm den wirklichen großen Epiker gehabt ...

... von seinem Werk, das uns alle überleben und noch zu den Kindern unserer Kinder reden wird!

Jugendstunde des Berliner Rundfunks vom 3.4.1929, zitiert nach: Karl-May-Jahrbuch Radebeul 1930, S. 35 ff.

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Karl Zumbro

geb. 1928, Schriftsteller

"An Geld allein bin ich nicht interessiert, Herr Krieger. Auf die Gefahr hin, daß Sie mich jetzt auslachen - ich will Abenteuer erleben."

"Dann lesen Sie Karl May."

"Ich will meine eigenen Abenteuer erleben. Ich will in meiner letzten Stunde mit Stolz feststellen können, daß ich mein ganzes Leben lang ein guter Kämpfer war ..."

Aus dem Roman: "Eis auf dem Gipfel des Berges", Lübbe-Verlag Bergisch-Gladbach 1980, S. 326f.

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Arnold Zweig

1887-1968, Schriftsteller

Auf eine im Jahre 1929 von der "Literarischen Weit" veranstaltete Umfrage "Welches war das Lieblingsbuch Ihrer Knabenjahre?" antwortete Arnold Zweig:

Daß ich ein genauer Kenner des Gesamtwerkes von Karl May, Felix Dahn, Georg Ebers und Gustav Freytag war, mindestens fünf große Romane von Dickens gründlich kannte und Dumas'


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"Drei Musketiere" jedem anderen Soldatenbuche vorzog, bereitete schon auf die Lektüre einer späteren, reiferen Lebensstufe vor ...

Zitiert nach: Jb-KMG. 1978, S. 254 (Anm. 177).

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Stefan Zweig

1881-1942, Schriftsteller

... erwähnt in seinem Buch "Brennendes Geheimnis" Karl May. (Frankf./M, o.J.).

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Gerhard Zwerenz

geb. 1925, Schriftsteller

Die lebenslange Verteidigung, die Bloch dem Wildwest-Sachsen Karl May angedeihen ließ, ist ein Exempel. Es wäre nur zu einfach und billig, sich auf die kritische Distanz zu beschränken. Viel schwerer ist es, in diesem Volksschriftsteller, der Übereinkunft aller hochfahrenden Bildungsbürger entgegen, einen der besten deutschen Erzähler zu sehen ...

Ernst Bloch - Friedenspreisträger 1967, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, Sondernummer zur Frankfurter Buchmesse 1967.

Nachtrag: Neueste Äußerung vor Redaktionsschluß:

Rafik Schami

geb. 1946, deutsch schreibender syrischer Schriftsteller

Bei Allah, dieser Karl Ben May hat den Orient im Hirn und Herzen mehr verstanden als ein Heer heutiger Journalisten, Orientalisten und ähnlicher Idiotisten.

Aus: Der Rabe Nr. 31, Haffmans, Zürich 1991.


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POLITIKER ÜBER KARL MAY

Quelle: Mittelbayerische Zeitung vom 22./.23.2.1992

Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident

Bei Karl May erinnere ich mich an den größten Verlust, der mir je widerfahren ist. Als wir 1945 über Nacht Schkopau verlassen mußten und von der Militärkommandantur nach West-Deutschland transportiert wurden, da durften wir nur einen einzigen Koffer mitnehmen. Meine gesamte Karl-May-Sammlung - etwa 30 bis 40 Bände - mußte ich zurücklassen.

Norbert Blüm, Minister

Karl May hat mit Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Figuren geschaffen, mit denen sich jugendliche und erwachsene Leser noch identifizieren werden, wenn längst vergessen ist, wer Rambo oder "Der Terminator" sind. Die Wirkung von Karl Mays Figuren beruht darauf, daß sie unsere Phantasie anregen. Sie treffen unsere Sehnsucht nach exotischer Ferne und einer besseren Welt. Selbst wenn sie ins Mythische und Surreale gleiten, behalten sie ein menschliches Maß und sind damit den Kultfiguren des Action-Kinos haushoch überlegen.

Björn Engholm, Ministerpräsident

Mein Lieblingsheld war natürlich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Wer so klein ist und mit soviel Größe - auch für Toleranz der Religionen - kämpft, der hat meinen vollen Respekt.

Hans-Dietrich Genscher, Minister

Ich habe alle Bände von Karl May gelesen und hätte als kleiner Junge in Halle niemals erträumt, einmal selbst soviel zu reisen wie Karl May in seiner Phantasie. Mein Lieblingsheld war Old Shatterhand - wegen der durchschlagenden Wirkung.

Ignaz Kiechle, Minister

Im Alter von neun bis 13 Jahren habe ich 27 oder 23 Karl-May-Bände gelesen. Ich erinnere mich noch an: "In den Schluchten des Balkan", "Durchs wilde Kurdistan", "Der Schut, "Durch das Land der Skipetaren". Diese Bücher haben mich mehr interessiert als die Winnetou- und sonstigen Indianererzählungen.

Helmut Kohl, Bundeskanzler

Karl Mays Reise- und Abenteuerromane habe ich als Schüler sehr gern gelesen, und das mit wachsender Begeisterung. Die spannenden Handlungen zogen mich ebenso in ihren Bann wie die durch ihre Originalität gewinnenden Helden. Winnetou ist mir wohl deshalb in so lebhafter Erinnerung geblieben, weil mich die Freundschaft zwischen dem weißen Jäger Old Shatterhand und Winnetou beeindruckte. Und kaum anders verhält es sich mit dem Roman "Ardistan und Dschinnistan". "Die Erde sehnt sich nach Ruhe", heißt es da, "die Menschheit nach Frieden, und die Geschichte will nicht mehr Taten der Gewalt und des Hasses, sondern Taten der Liebe verzeichnen." Das entsprach den Vorstellungen, mit


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denen ich als Schüler während des Krieges Karl May gelesen habe.

Oskar Lafontaine, Ministerpräsident

Wir alle sind Winnetous Erben. Old Shatterhand, Winnetou, Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar, der Hobble Frank und die Tante Droll: Welcher Junge kennt sie nicht, diese Helden des 19. Jahrhunderts? Karl May, das ist ein Volksklassiker, der klassenlose deutsche Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Seine Fangemeinde ist riesig. Zu ihr zählen Arno Schmidt und Ernst Bloch, aber auch "Lieschen Müller und Egon Mustermann". In der ehemaligen DDR war er von der Staatsmacht nicht gerne gesehen. Es wurde zum Abenteuer, seine Abenteuerromane zu lesen. Er zog an - wie vieles Verbotene. Seine Lesebücher gehören zum gemeinsamen emotionalen Bestand der Nation.

Wiederentdeckt werden aber müßte auch der andere Karl May. Der Karl May für Erwachsene, der Karl May von "Ardistan und Dschinnistan". Hier fehlt der übertrieben missionarische deutsche Ton . Nachdem er - lange Zeit nach den Reiseerzählungen - den Orient und Amerika tatsächlich besucht hatte, war ihm die Phantasie versperrt. So begann er die Reise in das Innere des Menschen. So paradox es klingt: Wirklich realistisch wurde er erst da, wo die Phantasie mit ihm durchging. In der Symbolik seines Alterswerkes. Das zu lesen lohnt heute wieder.

Rainer Ortleb, Minister

Von 1958 bis 1962 bin ich im sächsischen Radebeul zur Schule gegangen. Dort befindet sich das Karl-May-Museum mit vielen Ausstellungsstücken aus dem Leben und Schaffen dieses bemerkenswerten deutschen Schriftstellers. Wie viele Jugendliche habe ich seinerzeit seine spannenden Bücher wie "Winnetou" oder "Durchs wilde Kurdistan" ebenfalls geradezu verschlungen. Aber nicht weniger interessant ist es für mich gewesen, auch durch Museumsbesuche den Menschen Karl May kennenzulernen, dessen Leben ja ebenfalls recht abenteuerlich verlaufen ist.

Heinz Riesenhuber, Minister

Karl May hat Abenteuerromane geschrieben, die einfach spannend sind, ob sie nun im "Wilden Westen" oder im "Wilden Kurdistan', spielen. Mit klopfendem Herzen haben viele Jugendgenerationen in Deutschland seine Romane verschlungen. Welche Faszination seine Reisegeschichten auch heute noch haben, zeigen nicht nur die hohen Auflagen seiner Bücher, sondern auch ihre Verfilmungen und die alljährlichen Festspiele, die gern besucht werden. Am 150. Geburtstag von Karl May können wir sagen: Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi - sie leben noch.

Wolfgang Schäuble, Fraktionsvorsitzender

Karl May - das ist für mich die Erinnerung an eine herrlich aufregende Lektüre, bei der man in atemloser Spannung den Helden bei seiner schier endlosen Verfolgung der Schurken begleitete. Eine Lektüre, bei der man ganze Bücher in wenigen Tagen verschlang, mit einer Begeisterung, wie man sie so vielleicht nur in jungen Jahren aufbringt.


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Irmgard Schwaetzer, Ministerin

Ich glaube, daß Karl May einen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet hat. Dieses kommt besonders in seinen späteren Werken "Ardistan" und "Der Mir von Dschinnistan" zum Ausdruck.

Hermann Otto Solms, Fraktionsvorsitzender

Der Sachse Karl May war ein Abenteurer im Kopf. Generationen von Lesern sind ihm auf seine Abenteuerreisen in den Vorderen Orient und nach Nordamerika mit glühenden Ohren gefolgt. Besonders verblüffend sind seine detailfreudigen Landschaftsbeschreibungen von Gegenden, die er sein Lebtag nicht zu Gesicht bekommen hat. In einem Punkt war Karl May sehr verläßlich: In seinen Werken siegt - anders als im wahren Leben - immer das Gute.

Manfred Stolpe, Ministerpräsident

Die Bücher von Karl May waren lange Zeit in der ehemaligen DDR offiziell verpönt. Das Lesen der Geschichten von Karl May machte Lust aufs Ausland und auf die Ferne. Das paßte nicht zur DDR-Ideologie. Außerdem entschieden unsere selbsternannten Vordenker, daß Karl May das Leben der Indianer zu verklärt und nicht kämpferisch genug darstellte. Natürlich haben wir ihn trotzdem gelesen. Er wurde von Verwandten und Freunden aus dem Westen mitgebracht und von Hand zu Hand weitergereicht. Trotz der Widrigkeiten habe ich alle Bände gelesen und davon einige mehrmals. Erst ab Mitte der 80er Jahre rang man sich auch bei uns dazu durch, Karl May zu verlegen. Eine Ventilfunktion für den wachsenden Unmut der Bevölkerung über das Eingesperrtsein versprachen sich die Herrschenden dadurch. Ich kenne hier niemanden, der nicht gern Karl May gelesen hat! Karl May verbindet uns.

Max Streibl, Ministerpräsident

Als Bub habe ich die Bücher Karl Mays mit großer Begeisterung gelesen. Es war einfach aufregend, mit Old Shatterhand und Winnetou durch die Prärie zu reiten, oder mit Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar durchs wilde Kurdistan zu ziehen. Die Geschichten von Karl May sind für mich ein unvergeßliches Stück Kindheitserinnerung.

Theo Waigl, Minister

Karl May ist auch bei uns zu Hause. Seine "Gesammelten Werke", inzwischen 70 Bände, stehen alle bei uns im Bücherschrank. Meine Kinder Christian und Birgit haben sie regelrecht verschlungen. Karl Mays spannende Abenteuer jenseits der großen Meere raubten ihnen den Schlaf. Old Shatterhand und Winnetou, Kara Ben Nemsi und sein Diener Hadschi Halef Omar lebten in ihren Träumen: Der wilde Rih und der schnelle Iltschi trugen sie sicher durch die Wüsten und Prärien, über gähnende Abgründe und reißende Flüsse. Mit Bärentöter, Henrystutzen und Silberbüchse jagten sie Nscho-tschi's feigen Mörder Santer und den grausamen Schut in den gerechten Tod.

Die handlichen grünen Bände im Leinenrücken mit goldenen Buchsta-


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ben werden immer wieder hervorgeholt, vor allem wenn in Kino und Fernsehen Filme nach diesen "Romanen" laufen. Die schöne Marie Versini, der blonde Lex Barker, der finstere Schuft Mario Adorf wecken die Erinnerung an den begehrtesten Lesestoff der Schulzeit. Aber vor allem Pierre Brice hat sich durch diese Verfilmungen eingeprägt: Karl Mays Winnetou erhielt durch ihn seine heutige Gestalt. Dieser Winnetou wurde Birgits Schwarm. Wir fuhren eigens nach Bad Segeberg zu den Festspielen. Dort wurde ich zum Ehrenhäuptling Klingende Münze" ernannt - die größte Indianerehre, die bisher einem Bundesfinanzminister zuteil wurde. Nicht nur Birgit schaute stolz auf Winnetous neuen Stammesbruder.



Wenn Winnetou nach Dresden käme

MZ-Gespräch: Aktuelle Fragen an eine Squaw, die Indianer und andere Ausländer mag

Winnetou in den Weiten der Prärie kennt jeder. Aber nur die Leser des Karl-May-Romans "Satan und Ischariot" wissen, daß der berühmte Häuptling der Apatschen dereinst sein Wigwam verließ, um seinen Freund Scharlieh in Dresden zu besuchen. Von Nichteingeweihten zunächst als "eigentümlicher dunkelfarbiger Mensch" bezeichnet, wurde Winnetou von Old Shatterhand, der sich gerade in einer Gesangsrunde befand, schnell erkannt und vorgestellt: "Welch ein Hallo, als ich seinen Namen nannte!" Winnetou aber setzte sich nieder und lauschte dem deutschen Gesang, den er so liebte. Erst später am Abend rauchte er mit Old Shatterhand die Friedenspfeife zur Begrüßung ... Was heute in ähnlicher Situation geschähe, das zu beantworten baten wir die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen.

MZ: Käme Winnetou heute "nach Dresden", was würden Sie ihm raten? Glauben Sie, daß Winnetou als Prominenter ("der berühmte Häuptling der Apatschen") von Rechtsradikalen anders behandelt werden würde als ein unbekannter "dunkelfarbiger" Asylbewerber?

Schmalz-Jacobsen: Winnetou wurde bei seinem ersten Besuch in Dresden sehr

zuvorkommend behandelt, und er könnte auch heute fest mit der deutschen Gastfreundschaft rechnen. Nur eine kleine, unvernünftige Minderheit würde ihn argwöhnisch betrachten, aber als "Prominenten" sicher unbehelligt lassen. Käme er hingegen inkognito als "normaler Ausländer, wäre er gewiß enttäuscht und verwirrt über manche abweisenden Gesten und Worte, die dann auch ihn träfen, und er würde sie vermutlich mit einem "Pshaw" abschütteln. Eigentlich brauchte man Winnetou nicht viel zu raten, denn er würde auch heute noch manchen "Scharlieh" finden, der ihn offen und aufrichtig empfängt. Was er sich bestimmt wünschte, wäre, daß diejenigen, die sich ihm zunächst distanziert und feindlich zeigten, sich daran ein Beispiel nähmen.

Finden Sie die Tatsache erheblich, daß Winnetou "deutschen Gesang" liebt, oder anders gefragt: Welche Rolle spielt die "Inkulturation" eines Ausländers in das Klima seines Gastlandes?

Daß er deutschen Gesang "liebt", finde ich zwar schön, aber das muß ja wohl keine Zwangsvoraussetzung für eine freundliche Aufnahme sein. Im Ernst: Natürlich ist Aufgeschlossenheit für die Kultur des Gastlandes ein elementarer, durch nichts zu ersetzender Baustein für eine fruchtbare Integration. Abschottung wäre der falsche Weg - sowohl für die bei uns lebenden Ausländer als auch für uns Deutsche, die wir durch den Kontakt zu eigenständigen fremden Kulturen doch nur gewinnen können.

Wie könnte die "Friedenspfeife aussehen, die Ausländern und Deutschen heute schmeckt?

Der Gedanke des Kalumetrauchens hätte einiges für sich, wäre dies nicht allzu gesundheitsgefährdend. Statt dessen empfehle ich eine Kombination von offenem Ohr und ausgestreckter Hand auf beiden Seiten. Nachahmenswert ist in jedem Fall der beinahe wichtigere Aspekt des Friedenspfeifenrituals: Das Miteinander, das Zusammensitzen, die Verständigung.


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Günter de Bruyn, Schriftsteller

Aus einem Interview über sein Buch "Zwischenbilanz", Prospekt Fischer-Verlag, Frankfurt/M., 1992

War die Literatur für Sie eine Zuflucht vor Ihren Angstgefühlen? Würden Sie Ihre frühe Leidenschaft für die Literatur als eine Flucht vor der Wirklichkeit bezeichnen?

"Ganz ohne Zweifel war das so. Das war mehr als eine Flucht - es war ein zweites Leben, das ich führte. Ich habe mich sehr stark in dieses zweite Leben zurückgezogen. In der ersten Zeit hat sich das besonders an Karl May geheftet, dem ich dafür heute noch dankbar bin."

In Ihrem Buch heißt es auch, daß Karl May zu der Zeit, in der Sie ihn lasen, schon bei vielen Leuten als veraltet galt. Aber trotzdem hat er auf Sie eine sehr starke Wirkung gehabt. Was war für Sie das Besondere an Karl May?

"Das ist ein Geheimnis für mich, heute noch. Ich glaube, daß die Wirkung, die Karl May ausübt , sich mit der eines Märchenerzählers vergleichen läßt. Man fühlt sich in Karl Mays Welt so lange geborgen, so lange man an die Märchen glaubt, die er erzählt. Darüber schreibe ich auch in der 'Zwischenbilanz': In dem Augenblick, in dem mir klar wurde, daß Karl May seine Abenteuer nicht erlebt, sondern erfunden hatte, war für mich der Zauber seiner Bücher wie weggeweht."

Karl May gilt bei manchen Kritikern als ein sehr deutscher Jugendbuchautor, als ein Schriftsteller, der die Begeisterung für gewalttätige, kriegerische Auseinandersetzungen bei seinen jungen Lesern geschürt habe. Sehen Sie das auch so?

"Nein, das halte ich für einen Fehlschluß. Die Kämpfe, die bei ihm ausgefochten werden, sind welche zwischen Gut und Böse, bei denen das Gute immer siegt. Sie wecken nicht Kriegsbegeisterung, sondern Sinn für Gerechtikgeit. Ich habe Karl May in einer Zeit gelesen, in der Krieg und Militär die Ideale des deutschen Jungen zu sein hatten, und ich habe ihn immer als einen Gegner dieser Ideale empfunden. Seine Bücher vermitteln ein bestimmtes Gefühl von Freiheit, weil es immer Einzelne sind, die alle entscheidenden Dinge tun. Natürlich sind diese großen Einzelnen, Winnetou oder Old Shatterhand, auch Kämpfer, Krieger, aber das ist nicht das Entscheidende dabei . Es ist ein ausgeprägter Individualismus, der sich in den Karl-May-Gestalten zeigt. Ich hab das damals, als ich Karl May las, als direkten Gegensatz zu der Gleichmacherei der Nationalsozialisten empfunden. Karl Mays Helden sind immer Einzelgänger, niemals Teil einer uniformen militärischen Masse, wie sie die Nazis verherrlicht haben."


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Frontispiz der Erstauflage (Band 5)


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