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Christliche Religion

und Weltreligionen

in

Karl Mays Leben und Werk


von Walter Schönthal


Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft 1978

Nr. 5


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Inhalt


Vorwort3
1.Die Basis - orthodoxes Christentum4
2.Der erweiterte überkonfessionelle Humanitätsgedanke des Spätwerke16
3.Das Verhältnis Karl Mays zum Islam29
4.Karl May und einige Grundgedanken moderner Theologie33
5.Karl May im Blickwinkel der narrativen Theologie37
Zusammenfassung40
Anmerkungen41


Zum Titelbild:

"Umzug der Mekkapilger", Illustration von Ferdinand Lindner zu Kar1 May, 'Et in terra pax' in: China, Schilderungen aus Leben und Geschichte, Krieg und Sieg. Ein Denkmal den Streitern der Weltpolitik. Hrsg. Joseph Kürschner. Leipzig-Berlin-Breslau 1901

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In dieser Reihe sind bisher erschienen:
Heft 1:Karl Mays Waldröschen Ein Kolportageroman des 19. Jahrhunderts (vergriffen)
Heft 2:Die Fred-Sommer-Story von Dr. Werner Poppe
Heft 3:Stichwortverzeichnis der Nummern 1-20 von Joachim Biermann, Bernd Fischer, Manfred Isenberg
Heft 4:Kaum merklich geändert oder wie "original" sind Radebeuler Ausgaben? von Walther Ilmer und Annelotte Pielenz

in Vorbereitung:
Heft 6:Karl Mays "Deutsche Herzen" von Walther Ilmer


Jedes Heft kostet 3,-- DM und ist über unsere Geschäftsstelle erhältlich.

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HERAUSGEBER UND VERLAG
KARL - MAY-GESELLSCHAFT e.V.
2000 Hamburg 72 Swebenbrunnen 8c
REDAKTIONHansotto Hatzig
6800 Mannheim 51  Nadlerstrase 40
DRUCKVORLAGENBernd Fischer
Neunkirchen /Siegkreis
LAYOUTGerhard Klußmeier, Hamburg



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Christliche Religion
und Weltreligionen
in
Karl Mays Leben und Werk


von

Walter Schönthal


Der nachfolgende Text stellt den Kernteil aus einer umfangreichen Arbeit mit dem Titel 'Das ethisch-religiöse System in Karl Mays Werken - Ansätze zu einer neuen Betrachtungsweise' dar (Zulassungearbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen). Des beschränkten Umfangs eines Sonderheftes wegen mußten die Teile, die für Karl May-Kenner nicht soviel Neues bringen, aber in den Gesamtzusammenhang der Arbeit gehören, weggelassen werden. Dabei handelt es sich um eine kurze Darstellung der Wirkungsgeschichte Karl Mays bis heute, um eine Darstellung und kritische Würdigung der für das Thema wichtigsten Sekundärliteratur (vor allem die Bücher der Autoren Arno Schmidt, Hans Wollschläger, Otto Forst-Battaglia und Gertrud Oel-Willenborg), um eine Zusammenstellung von Karl Mays ethisch-religiöser Theorie (basierend auf dem Märchen von Sitara) sowie einer Diskussion dazu, um seine literarischen Versuche in Lyrik und Dramatik sowie um einige allgemeine Hinweise für die Beschäftigung mit Karl May in der Schule.

Die Bedeutung der Religion(en) in Karl Mays Leben und Werk ist für die Karl-May-Forschung noch weitgehend Neuland. Abgesehen von einigen kleineren Aufsätzen - so z.B. der Aufsatz von Ekkehard Koch, 'Karl May und die indianische Religion' in den Mittl.KMG Nr. 6 - die sich aber nicht direkt mit dem vorliegenden Thema beschäftigten, gibt es noch keine Untersuchungen zu diesem Thema. Tatsache ist aber, daß Karl May in seinen Werken selbst und durch seine Hauptperson Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi (was Selbstaussagen gleichkommt) viel von Glauben und Religion, dabei besonders der christlichen, spricht. Gespräche solcher Art nehmen einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Werke ein; es sei in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Streitgespräche zwischen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar oder an die Gespräche zwischen Old Shatterhand und Old Surehand einerseits oder Old Wabble andererseits erinnert. Erst nach der Lektüre der Selbstbiographie und den Alterswerken Karl Mays spürt der Leser allerdings, daß hinter der Religiosität Mays ein komplizierteres Beziehungsgefüge steht, als man je ahnen konnte. Dieses Beziehungsgefüge etwas durchschaubarer zu machen, hat sich die erwähnte Arbeit zur Aufgabe gestellt. Der Verfasser ist sich darüber im klaren, nur einen Anfang gemacht zu haben, da auch ihm im Bereich der Religionen und der Theologie die notwendigen, vertiefenden Kenntnisse fehlen. So wird sicher manches reizvolle Detail unentdeckt und unerwähnt bleiben. Der Verfasser denkt aber, daß ihm ein Überblick über die Bedeutung der Religionen in Karl Mays Leben und Werk gelungen ist und hofft darauf, daß sich kompetente Leute des Themas annehmen werden, so wie auch er selbst um weitere Erkenntnisse bemüht ist.



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1. Die Basis - orthodoxes Christentum


In diesem Kapitel soll Karl Mays religiöse Entwicklung bis zur Jahrhundertwende nachgezeichnet werden. Es wird sich dabei zeigen, daß er, von wenigen Ausnahmen und Besonderheiten abgesehen, bis dahin ein relativ konservatives und rechtgläubiges Christentum vertritt. Belege liefern Äußerungen des "Ich" (Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi) und gelegentlich anderer Personen aus dem Werk Karl Mays über religiöse Fragen.

Ein starkes religiöses Anregungspotential dürfte Karl May schon in frühester Kindheit bekommen haben. Bekanntlich sind die ersten drei Lebensjahre für die Entwicklung eines Menschen entscheidend. Hier werden größtenteils die Normen und Werte vorgeprägt, die der Erwachsene später vertritt. Das Kind macht die Erfahrung seiner körperlichen und geistigen Unvollkommenheit und Begrenztheit. Bei Karl May wurde diese Erfahrung durch seine Blindheit während der ersten fünf Lebensjahre noch verstärkt. Er konnte seine Umwelt, die Außenwelt, nicht optisch, sondern nur tastend wahrnehmen und mußte Beschreibungen und Erzählungen mehr Glauben schenken als andere Kinder. Auch die Sehnsucht und das Bedürfnis nach dem Übernatürlichen und Allmächtigen dürfte bei Karl May stärker durchgedrungen sein. So konnte sich May früh eine Innenwelt, die spätere Welt der Seele, aufbauen. Von der Außenwelt hörte er über die Märchen und Erzählungen der Großmutter mehr Phantastisches als Reales; sehr wahrscheinlich trennte er beides nicht genügend voneinander, da er nichts nachprüfen konnte. In seiner Selbstbiographie hat May seine frühen seelischen Erkenntnisse offensichtlich überbetont, aber nichtsdestoweniger gingen aus der frühen Kindheit wesentliche Impulse für den späteren "Märchenerzähler" May aus. Die Erinnerung an diese Zeit bewog ihn wohl auch dazu, einen Großteil seiner Erzählungen im Orient spielen zu lassen (1). Die Begegnung mit dem Orient, der Welt des Islam, in früher Kindheit dürfte für Mays religiöse Entwicklung mitentscheidend sein. Ob und wieweit er von anderen Religionen über die Märchen der Großmutter etwas mitbekam, kann wohl nicht exakt ermittelt werden. Sicher ist aber, daß die spätere Mystik Mays hier ihre Quellen hat.

Über die religiöse Entwicklung Karl Mays während seiner späteren Kindheit und seiner Jugendzeit ist nur wenig bekannt. Hierzu gibt es nur Angaben von May selbst in der Selbstbiographie. Da die Eltern evangelisch-lutherisch waren, wurde er auch so getauft, besuchte den Religionsunterricht und wurde 1856 mit vierzehn Jahren konfirmiert. May betont hier gleich, daß eine Abneigung gegen Andersgläubige von niemandem gefördert wurde, weder vom Pfarrer noch von den Lehrern. "Und die, auf die es hier am meisten ankam, nämlich Vater, Mutter und Großmutter, die waren alle drei ursprünglich tief religiös, aber von jener angeborenen, nicht angelehrten Religiosität, die sich in keinen Streit einläßt und einem jeden vor allen Dingen die Aufgabe stellt, ein guter Mensch zu sein" (2).

Die nächste Periode, die hier gestreift werden muß, ist Mays Seminarzeit. Mit ihr begann allerdings auch eine Periode des Zweifelns, eine wahrscheinlich notwendige Periode; denn wo eine Religion unkritisch und ohne jede Prüfung übernommen wird, ist meistens etwas nicht in Ordnung (entweder mit der Religion, oder mit dem Menschen, der sie annimmt). Ihren Ursprung finden die Zweifel in der Art der religiösen Unterweisung im Lehrerseminar. Zwar hielt May die Andachten, Zeremonien und die ausführliche


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Unterrichtung in Religions-, Bibel- und Gesangbuchlehre für gut und nützlich, aber es fehlten Liebe, Gefühl und Wärme. "(...) es gab keine Liebe, keine Milde, keine Demut, keine Versöhnlichkeit. Der Unterricht war kalt, streng, hart. Es fehlte ihm jede Spur von Poesie. Anstatt zu beglücken, zu begeistern, stieß er ab" (3). Dazu kam noch, daß der Religionsunterricht aus ständiger (jährlicher) Wiederholung des gleichen Stoffes bestand. Die einzelnen Gedanken durften nur an bestimmten Stellen in bestimmten Zusammenhängen stehen, was auf eine gewisse Dogmatik hinweist. May hatte ein unbefriedigtes Gefühl, obwohl ihm die angeblich wahre und reine Lehre vermittelt wurde. Die Folge war für ihn eine Vereinsamung. "(...) ich aber mit meiner religiösen Liebesbedürftigkeit fühlte mich erkältet und zog mich in mich selbst zurück" (4). Auch äußere Folgen ergaben sich aus dieser Abneigung: Wollschläger berichtet (5), daß May sich sogleich eine Verwarnung und den Vorwurf "schwachen religiösen Gefühls" einhandelte, als er 1859 einmal dem Nachmittags-Gottesdienst fernblieb. Seinen Angaben nach läßt sich die Erfahrung der Lieblosigkeit bis ins Kindesalter zurückführen. Wollschläger ist der Ansicht, daß die Mutter Mays um 1844/45 einen Geliebten hatte, wovon das Kind erfuhr. Darauf hätte bei ihm ein Rückzug der Libido (Liebesfähigkeit) ins eigene Ich (=Narzismus) stattgefunden. Hinter der Vereinsamung Mays im Lehrerseminar erkennt Wollschläger "die immer stärker klaffende Spaltung von Ich und Ich-Ideal und demzufolge zwischen beiden und der Außenwelt" (6). Die Liebesfähigkeit hat im gleichen Maße abgenommen, wie die Liebesbedürftigkeit zugenommen hat. Da letztere nicht befriedigt wurde, kam es u.a. zu Mays Straftaten.

Die Zeit der beiden längeren Gefängnisaufenthalte wurde für Karl May eine Zeit der inneren Einkehr und Wandlung. Aber so harmonisch, wie er sie in der Selbstbiographie schildert, kann sie nicht gewesen sein. Vielmehr dürfte May längere Zeit um einen Gottesbegriff gerungen haben; davon legen das "Repertorium Carl May" und andere Fragmente aus der Haftzeit (7) Zeugnis ab. In "Ange et Diable", einem solchen Entwurf, schreibt May:

"Wie nun das Kind eines Vaters bedarf, in welchem es den Herrn über alle seinem Gesichtskreis nahe liegenden Erscheinungen und Verhältnisse sieht, wie manche Erzieher ferner eines bösen Wesens bedürfen, mit welchen sie gleichsam als Popanz den Zögling von bösen Wegen und Thaten abzuschrecken vermeinen, so bedurfte auch der Mensch auf der Stufe seiner Kindheit eines allmächtigen etc. Vaters, den er Gott nannte, und so stellten auch die damaligen Erzieher eine Krautscheuche ins Feld, welcher sie den Namen Teufel gaben.
Je mehr sich aber der Mensch entwickelt, desto mehr kommt er zu der Erkenntniß, daß Vieles, was er außer sich gesucht hat, in ihm selber wohnt und lebt, und so wird und muß auch einst die Zeit kommen, in welcher er seinen Gott in sich selbst fühlt und findet und den Teufel in die Rumpelkammer unter das alte Eisen wirft.
(...) ich finde zwischen Gott und Teufel keinen Unterschied. Wer ist wohl schlimmer - ein Gott, welcher wegen eines einzigen Fehlers eines einzigen Menschenpaares, an dessen Fehlerhaftigkeit er noch dazu als Schöpfer die Schuld trug, Millionen und aber Millionen unschuldige Menschen ins Unglück stürzt und wegen eines kleinen Apfelbisses zeitlich, geistig und ewig verdammt - oder ein Teufel, welcher dann und wann eine ungehorsame Menschenseele als Fricassée verspeißt?
Die Bibel erkennt auch gar wohl den faux-pas, dessen sich


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Jehovasabaoth schuldig gemacht hat und gibt ihm deßhalb den Gedanken ein, durch Sendung seines Sohnes ihn wieder gut zu machen.
Wie nun aber schon die Geburt des Gottessohnes eine sittliche Unmöglichkeit ist, weil sich Gott durch den intimen Umgang mit der Braut eines anderen um sein ganzes moralisches Renommé bringt und sich dem heidnischen Mädchenjäger Zeus gleichstellt, so kann auch unmöglich durch den blos leiblichen Tod eines einzigen Menschen, dessen Sterben noch dazu durch eine Auferstehung paralisiert wurde, der leibliche, geistige und ewige, also der dreifache Tod der ganzen Menschheit gehoben werden. Christus kann kein Erlöser sein erstens weil er selbst ein Mensch und zweitens weil er eben blos ein einziger Mensch ist. Wenn ich die Schuld eines Anderen bezahlen will, so darf ich nicht selbst Schuldner sein und muß die ganze Summe entrichten.
(...) Wir sind nicht Ebenbilder Gottes, sondern Gott ist das Ideal des Menschen wie er einst sein wird und sein muß"(8).

Mit Absicht wurde hier recht ausführlich zitiert, da man von Karl May seitdem nie wieder so etwas vernommen hat. Deutlich ist der Einfluß Feuerbache spürbar, vor allem da, wo es um die Vollkommenheit und Gottesähnlichkeit des Menschen geht, die dieser als Ideal in den Himmel projiziert. Erstaunlich ist auch das Jesusbild; hier ist er ganz Mensch und überhaupt nicht Erlöser, später wird er ganz Erlöser und fast nicht mehr Mensch sein. Erstmals wird in diesem Text auch der "Ewige Jude" erwähnt, dem May später ein ganzes Buch widmen wollte.

Wesentliche Hilfe bei der Suche nach dem rechten Weg und dem rechten Gottesverständnis erhielt Karl May bei seinem zweiten, vierjährigen Gefängnisaufenthalt in Waldheim. Dort lernte er den katholischen Katecheten Johannes Kochta kennen, der ihn aufgrund seiner musikalischen Fähigkeiten als Organist für die katholische Messe einstellte. Dieser Mann brachte Karl May in seiner schweren Zeit das Vertrauen und das Verständnis entgegen, das er brauchte. Über ihn kam May wohl zum ersten Mal intensiv mit dem Katholizismus in Berührung, wenn er auch in seiner Selbstbiographie angibt, mit ihm nie über konfessionelle Dinge gesprochen zu haben! May blieb aber nicht unbeeinflußt: "Über den Unterschied zwischen dem protestantischen und dem katholischen Gottesdienst gehe ich hinweg, aber jeder vernünftige Mensch wird es für ganz naturgemäß und selbstverständlich halten, daß ich nicht vier Jahre lang an dem letzteren teilnehmen, ja sogar aktiv an ihm beteiligt sein konnte, ohne von ihm beeinflußt zu werden" (9). Und Karl May übertrug, wie es seinem Wesen entsprach, die guten Erfahrungen mit einem Katholiken auf die ganze Konfession, wie man später sehen wird. Schließlich wäre noch zu erwähnen, daß es wohl Kochta war, der May zum Schreiben anregte und ihn so veranlaßte, seine ins Ich zurückgezogene Liebesfähigkeit wieder nach außen zu bringen und seine Liebe der ganzen Menschheit zu schenken.

Interessant ist es an dieser Stelle, eine Erörterung der Schuldfrage bei Karl May einzuschieben. Sie ist aber mehr ein psychologisches als ein religiöses Problem. Schuld hat May bei seinen Straftaten zweifellos auf sich geladen, und er hat sie auch zu stark verinnerlicht. Andererseits hat er aber betont, daß auch die Gesellschaft Schuld an ihm trage. May macht zum Teil das Milieu verantwortlich: "Es war eine der größten Grausamkeiten der Vergangenheit, jedem armen Teufel, den die Verhältnisse zur


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Verletzung der Gesetze führten, zu seiner eigenen, vielleicht geringen Schuld auch noch die ganze, schwere Last dieser Verhältnisse mit aufzubürden" (10). Ein weiteres Schuldgefühl überkam Karl May, als er bei der Heimkehr nach seinem ersten Gefängnisaufenthalt erfahren mußte, daß seine Großmutter aus "Gram und Leid" über ihn gestorben sei. Das lebenslange Schuld-Unterbewußtsein fand seine Verdrängung im Schreibprozeß. Karl May schrieb sich frei von seiner Vergangenheit. Er schuf sich (fast) fehlerfreie, ideale Helden, denen der Makel seiner eigenen Vergangenheit nicht anhaftete. Die Leser sollen seine Befreiung miterleben: "Wie dieser Kirchgang vom irdischen Druck befreit, so will ich durch meine Erzählungen das Innere meiner Leser vom äußeren Druck befreien. Sie sollen Glocken klingen hören. Sie sollen empfinden und erleben, wie es einen Gefangenen zumute ist, vor dem die Schlösser klirren, weil der Tag gekommen ist, an dem man ihn entläßt" (11).

Nicht nur im Werk allgemein hat Karl May seine Schuld verdrängt, sondern auch in einzelnen Gestalten. Einerseits hat er die Schuldfrage in anderen Personen wiedergespiegelt, indem er sein Ich spaltet und in zwei oder mehrere Teilströmungen zerlegt, oder er hat sie ganz auf andere Personen übertragen, denen er als "Menschheitsfrage" (Spätwerk) bzw. als integrer Held (früheres Werk) zur Vergebung der Schuld verhelfen kann. Ein Beispiel für die erste Lösungsmöglichkeit ist Hadschi Halef Omar: "Und dieser Hadschi ist meine eigene Anima, jawohl, die Anima von Karl May! Indem ich alle Fehler des Hadschi beschreibe, schildere ich meine eigenen und lege also eine Beichte ab, wie sie so umfassend und so aufrichtig wohl noch von keinem Schriftsteller abgelegt worden ist" (12). Die zweite Möglichkeit manifestiert sich in zahlreichen Gestalten mit dunkler Vergangenheit: Klekih-Petra in "Winnetou I" (ein Flüchtling der 48er Revolution), Old Death und Old Firehand in "Winnetou II", der Vater Jaguar im "Vermächtnis des Inka" u.v.a. Ein oft auftauchendes Motiv wird sichtbar: Jemand (oft sogar ein Held) lädt Schuld auf sich; er legt seine Vergangenheit ab und versucht ein neues Leben an einem Ort, an dem ihn keiner kennt; jedoch begleitet ihn ein Schuldgefühl im Unterbewußtsein, das sich in bestimmten Momenten meldet; eines Tages trifft dieser Jemand auf das "Ich" und begleitet es eine Zeitlang; irgendwann erfährt das "Ich" von dieser Schuld und tröstet den Schuldigen, der meist seine Schuld schon längst abgebüßt hat, sich aber dessen nicht bewußt ist; durch das Gespräch mit dem "Ich" oder ein bald darauf eintretendes entscheidendes Ereignis gelangt der Schuldige zur endgültigen Sühne und Erlösung. Überdeutlich spiegelt sich in der Lösung der Schuldfrage Karl Mays eigene Situation wider.

Nach diesem Einschub wieder zurück zu der Stelle, wo Karl May aus dem Gefängnis entlassen wurde. Bald darauf begann seine Redakteurtätigkeit. Die ersten, kurz nach dem Gefängnisaufenthalt entstandenen Arbeiten sind sehr religiös geprägt, wahrscheinlich eine unmittelbare Nachwirkung der inneren Wandlung. Von den Beiträgen in der Zeitschrift "Schacht und Hütte" (heute Ges. Werke Bd. 72) fallen in dieser Hinsicht vor allem die umfangreichen 'Geographischen Predigten' und der philosophische Essay 'Die Liebe nach ihrer Geschichte' auf. Hier ist die konventionelle Religion des späteren May schon voll vorhanden, wenn auch im letztgenannten Aufsatz noch Spuren der früheren Auffassung zu finden sind. 'Die Liebe nach ihrer Geschichte' trägt den anspruchsvollen Untertitel "Darstellung des Einflusses der Liebe und ihrer Negationen auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft". May selbst stellt die Prämisse zu seiner Arbeit auf.


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Ausgehend von einem Bibelwort ("Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibt in Gott und Gott in ihm") kommt er zu dem Schluß: "Es ist vollständig unmöglich, Gott und die Liebe zu trennen, und zwar ist die letztere nicht etwa ein bloßes Attribut, eine Eigenschaft des ersten, sondern sie ist Gott selbst, und wenn wir uns die Aufgabe gestellt haben, die Liebe nach ihrer geschichtlichen Entwicklung darzustellen, so haben wir es in erster Linie mit einer Betrachtung des Gottesbegriffs zu tun" (13). Die folgenden Ausführungen des Aufsatzes beleuchten das Verhältnis zwischen Religion, Wissenschaft und Theologie. Gotteserkenntnis ist Verstandessache, Sache der Wissenschaft; Religion stützt sich nur auf das Gefühl. Deshalb besitzt die Religion auch eine Abneigung gegen die Wissenschaft, die ihre historischen Voraussetzungen untersuchen will. Wo Religion und Wissenschaft dennoch eine Verbindung eingehen, entsteht die Theologie. Diese wiederum bringt die Religion in Gefahr, weil sie die religiösen Traditionen ablehnt oder vernachlässigt. Trotzdem will May auch mit historischen Methoden arbeiten. Er geht von der Tatsache aus, daß die Vorstellung von Gott, die ein Volk hat, dessen Entwicklungsstufe entspricht. "Deshalb geht auch die geschichtliche Entwicklung der Religion Hand in Hand mit der Geschichte der Menschheit überhaupt" (14). Die Wissenschaft ist dabei in der Lage, dem persönlichen Gott, den sich ein Volk oft schafft, den Boden zu entziehen, indem die Entwicklung des Himmels und der Erde auf Naturgesetze zurückgeführt wird. Dabei tritt Gott entweder ganz zurück oder wird zum unpersönlichen, anonymen, allgewaltigen Gott. May bedauert dies und plädiert für einen persönlichen Gott, dessen Wille über den Naturgesetzen steht. Er wendet sich allerdings auch gegen ein zu dogmatisches Gottesverständnis, da dies meist zu radikalen Gegenströmungen (Haß und Verachtung gegen Andersgläubige, Fanatismus der dummen Massen) führt. Gegen Ende des Aufsatzes definiert May die Religion: "Fragen wir uns, was die Religion eigentlich sei, so lautet die Antwort: 'Sie ist das Erfülltsein unseres Geistes mit dem Bewußtsein Gottes', und zwar zunächst selbst ohne Kenntnis der Substanz oder des Wesens Gottes, sondern nur in der Erkenntnis seiner Attribute: Allgegenwart, Allmacht, Allweisheit, Liebe" (15). Gott als gerechter Richter, als Schöpfer und Erhalter der Welt regiert diese mit Vernunftgesetzen. "Sobald nun unser Geist mit Gottesbewußtsein erfüllt ist, werden wir selbst (...) nur solche Handlungen vornehmen, die in Übereinstimmung mit den Vernunftgesetzen stehen; der Wille des Menschen soll mit dem Weltwillen, der in der Vernunft seinen Ausgangspunkt hat, zusammenfallen" (16). Man spürt Kants Nähe bei den letzten Ausführungen und denkt an seinen berühmten kategorischen Imperativ: "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."

Die 'Geographischen Predigten' (1875/76) sind das Ergebnis früher Naturbeschäftigung. Sie enthalten den Keim der späteren Reiseerzählungen - Geographie, Völkerkunde, Biologie, Theologie. Der spätere Dualismus Gut-Böse ist hier durch einen mehr gegenständlichen Dualismus vorweggenommen. Die Kapitelüberschriften sind Gegensatzpaare wie 'Himmel und Erde', 'Berg und Tal', 'Stadt und Land'. Manche Motive und Themen aus Bibel und Religion werden aufgegriffen, so z.B. wird bei der Besprechung der Sterne auf den Weihnachtsstern und die fallenden Sterne bei der Apokalypse eingegangen. Beim Stichwort "Leben" zitiert May das Jesuswort "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" und weist darauf hin, daß Jesus daraufhin von nur wenigen verstanden wurde. Das Leid wird als von Gott kommend akzeptiert:


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"(...) aber gerade die Leiden sind die besten Gaben des Himmels und in den schmerzensreichen Geschicken ruht eine tiefe göttliche Weisheit und Liebe" (17). Zahlreiche religiöse Einsprengsel sind in den 'Geographischen Predigten' enthalten, die nicht alle erwähnt werden können; manche deuten schon das Spätwerk an und sollen darum im nächsten Kapitel zur Sprache kommen. An dieser Stelle sei noch darauf verwiesen, daß May sich auch gelegentlich zu aktuellen Fragen äußert, so z.B. zum Schicksal der Indianer, zur Evolutionstheorie oder zu Fragen der Revolution. Kennzeichnend für seine Einstellung ist schon hier die Ablehnung der Gewalt: "Die Revolutionen mögen immerhin ihre Verteidiger haben, die sich Mühe geben, ihre Notwendigkeit zu begründen, es wird doch nie zu leugnen sein, daß die Gewalt eine gefährliche Maßregel sei und die wenn auch langsamere aber friedliche Entwicklung der staatlichen Verhältnisse einer Überstürzung vorzuziehen ist, die rücksichtslos über Glück und Leben zahlreicher Bürger schreitet und den wirtschaftlichen Wohlstand ebenso wie die öffentliche Ruhe und Sicherheit erschüttert" (18).

In der Zeit, als Karl May die Münchmeyer-Romane schrieb, hat er sich zu religiösen Fragen kaum geäußert. Durch den Zwang zur Massenproduktion blieb keine Zeit dazu; da die Bücher praktisch nur aus Handlung bestehen, fehlen die Gespräche und Reflexionen über den Glauben, die in den Reiseerzählungen oft mehrere Seiten füllen. Darum kann auf eine Betrachtung dieser Romane verzichtet werden. Wenn von Gott doch einmal die Rede ist, so in den Romanen, die in Deutschland spielen. Das Gottesverständnis ist gleich dem der Erzgebirgischen Dorfgeschichten. Viele (oft arme) fromme Leute glauben naiv an Gottes Allmacht, Güte, Gerechtigkeit usw. Es handelt sich um den Glauben des einfachen Landmenschen, Bauern oder Arbeiters. Bei den Reichen ist die Jugend meist fromm, die Alten dagegen sind aufgrund schlechter Erfahrungen oft hartherzig und haben das Vertrauen an Gott verloren. An Ende der Erzählung finden sie diesen wieder, oder (wenn sie unverbesserlich und uneinsichtig bleiben) den Tod. Dazu zwei Beispiele, stellvertretend für andere: Der fromme alte Weber Hauser sagt zu seinem Gevatter: "Alles in der Welt geht seinen natürlichen Gang, und der Herrgott sorgt dafür, daß immer das Gute den Sieg behält". Er hat recht; der Bösewicht stirbt am Schluß, und dann heißt es:"Ja, ja, so geht es in der Welt. Der alte Gott lebt noch, und er ist ein gerechter Richter" (19). Was solche Sentenzen trotz ihrer Naivität wichtig macht, ist die Tatsache, daß sich hier ein Grundprinzip Mayscher Arbeitsweise zeigt: Alle Schuld rächt sich auf Erden; Gerechtigkeit findet immer schon im ersten Leben statt. May vertröstet nicht auf Gerechtigkeit erst im Jenseits, widerspricht damit jedoch der (auch selbst erfahrenen) Realität. Es wird sich aber zeigen, daß er dieses Verfahren braucht, wenn er erfolgreich die Überlegenheit seines Gottes über die Gottheiten anderer Religionen zeigen will.

Seit etwa 1876 hat Karl May keine theoretischen Schriften mehr veröffentlicht (bis zur Spätphase). Informationen über sein Religions- und Gottesverständnis sind deshalb bis zur Jahrhundertwende nur aus den Reiseerzählungen selbst zu entnehmen. Karl May macht es hier dem Untersuchenden jedoch leicht, da er in der Gestalt von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Aussagen macht, die seinen eigenen Ansichten voll entsprechen. Die Basis des orthodoxen Christentums, das schon anklang, wird weiter gefestigt und an einzelnen Stellen konkretisiert. Einige ganz orthodoxe Bekenntnisse macht Old Shatterhand im Gespräch mit Old Surehand. Auf dessen Frage, ob es einen Gott gibt, antwortet jener:

"- Ja -, antwortete ich mit derselben Betonung.


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- Ihr glaubt Eure Großmutter wiederzusehen; es gibt also ein Leben nach dem Tode? -
- Ja. -
- Beweise! -
- Ich beweise es Euch, indem ich zwei Koryphäen vorführe, deren Kompetenz über allen Zweifel erhaben ist. -
- Wer sind diese Personen? Eine sehr hochstehende und eine ganz gewöhnliche. Gott selbst und ich -" (20).

Gott ist allmächtig und für den gewöhnlichen Menschen unerreichbar. Als Old Surehand meint, es gebe keinen Gott, weil er aufgrund der ihm zugesprochenen Attribute (Liebe, Güte, Gerechtigkeit usw.) ihn nicht ins Unglück hätte stürzen lassen dürfen, bekommt er von Old Shatterhand eine schroffe Antwort und den Vorwurf zu hören, er wolle sich Gott gleichsetzen:

" ... weil Ihr Euch unterfangen habt, mit Gott zu rechten und zu hadern; das kann nur unter Gleichstehenden geschehen. (...) Ja, ich klage Euch an, Euch überhoben zu haben, indem Ihr den Herrgott und sein Walten vor Euern Richterstuhl gezogen habt, Ihr, die Handvoll Staub, den allmächtigen Schöpfer und Erhalter aller Himmel, Erden und Sterne! Bedenkt doch, was das ist: der Wahnsinn einer Insektenlarve, die den Adler aus dem Äther zur Rechenschaft herunter vor ihr winziges Löchlein fordert! Und dieser Vergleich bezeichnet den Abstand zwischen Gott und Euch noch immer nicht treffend genug! Sind Euch die Bücher des Allmächtigen aufgeschlagen, daß Ihr seine Ratschlüsse kritisieren dürft? Ist es seinem Willen nicht möglich, das was Euch bedrückt, in Wohltat zu verwandeln? Kann er nicht jene Ereignisse, die Euern schwachen, kurzsichtigen Augen als Unglück erschienen, zu einem Ende führen, das Euch vor seiner Allweisheit in den Staub sinken läßt? Darf das Kind, wenn es die Rute des Vaters fühlt, zu ihm sagen: Komm her und rechtfertige dich vor mir"? (21).

Nach diesen gewaltigen Worten wird Old Surehand verständlicherweise ganz kleinlaut. Rechtgläubiger und untertäniger kann man das Verhältnis zu Gott wohl kaum ausdrücken. Andere Stellen zeigen ebenso, daß man mit Gott nicht umspringen kann, wie man will; er läßt sich nicht verleugnen oder verspotten; wer es dennoch tut, an dem rächt es sich. Gott führt unsichtbar die Menschen, die an ihn glauben. Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi wenden sich mehrmals gegen Zufall und Schicksal; jeder glaubt daran, "daß eine unendliche und allbarmherzige Weisheit mich an Ort und Stelle geleitet hat und mich auch weiterführen wird" (22). Genauso konventionell wie das Gottesverständnis Karl Mays ist auch sein Bild von Jesus. Jesus ist der Heiland, der Christus, der Erlöser, der sich für die Menschheit geopfert hat. An ihm ist mehr Göttliches als Menschliches. Von ihm ist meistens im Zusammenhang mit Mohammed die Rede, wobei er ihm gegenübergestellt wird. So auch im folgenden Abschnitt, wo Kara Ben Nemsi ein Gespräch mit Schimin, dem Schmied, führt:

"- Soll ich dir von Christus erzählen, von den Propheten, die ihn verkündeten, und von den Wundern, die er verrichtete? - - Erzähle! Beweise, daß er größer ist als Mohammed! Dir kann ich zuhören, ohne mein Gewissen zu beschweren. Du bist kein Proselytenmacher, der mich verführen will. Du kennst den Islam und das Christentum. Du willst mich nicht verlocken, sondern wirst mir die Wahrheit sagen. -


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(...) - Und glaubst du, daß er wirklich auferstanden ist und aufgefahren gen Himmel? - fragte er.
- Ja, ganz gewiß! - - Wie kann ein irdischer Leib in den Himmel kommen? Ist doch sogar der Leib unseren Propheten auf der Erde geblieben! - - Habe ich dir nicht vom Berg der Verklärung erzählt? Und sagt nicht euer Prophet, daß Christus vor den Augen seiner Jünger aufgefahren sei? - - Ja, es ist ein großes Wunder. Und er wird einst wiederkommen? - - Um zu richten die Lebendigen und die Toten. Das bestätigt auch Mohammed. Er wird Seligkeit und Verdammnis geben. Ist er da nicht Gott? Muß er da nicht größer, herrlicher und mächtiger sein als Mohammed, der nicht ein einzigen Mal von sich sagt, daß er Richter sei? - - Fast glaube ich es! - - Fast? Nur fast? Christi Worte sind wahr, wie er selbst die Wahrheit ist. Er sagt von sich: 'Banim war hapsi kuwwet gökda toprak üzerinde - ich besitze alle Macht in Himmel und auf Erden!' Hat euer Mohammed jemals so gesprochen? -" (23).

Man merkt, daß Karl May bei seinem Jesusbild die Bibel wörtlich genommen hat. Er war eben nur Laie, kein Theologe. Jesus ist der Mensch gewordene Gott, der Erlöser, der Vorsitzende des jüngsten Gerichts. An dieses letzte Gericht glaubt Karl May, ebenso wie an die ewige Seligkeit und Verdammnis. Über die ewige Seligkeit läßt er einen jungen Indianer reden, den er missioniert hat: "Auch ich habe es geglaubt, aber nur so lange, bis mein großer Bruder Old Shatterhand mir von dem großen Manitou erzählte, der alle Menschen erschaffen hat, der allen gleiche Liebe gibt und zu dem alle Seelen zurückkehren werden. Kein Mensch kann einem anderen seine Seele nehmen. Es wird nach dem Tode keine Herrscher und keine Diener, weder Sieger noch Besiegte geben. Vor dem Stuhl des großen Manitou werden alle Seelen gleich sein; es wird ewige Liebe und ewiger Friede herrschen und weder Kampf noch Jagd und Blutvergießen geben" (24). Auf die Frage, ob er an ein Leben nach den Tode glaube, antwortet Kara Ben Nemsi einmal: "Hätte ich diesen Glauben nicht, so wäre es besser, ich wäre nicht geschaffen. Der Glaube an die ewige Seligkeit ist bereits der Anfang der Seligkeit" (25). Die ewige Verdammnis malt Karl May nicht aus; interessant ist in diesem Zusammenhang sein Glaube an das Fegefeuer (26) (echt oder Zugeständnis an den Katholizismus?). Das Neue Testament und die Evangelien werden nur selten erwähnt. Schimin wird von Kara Ben Nemsi ein Neues Testament geschenkt mit den Worten: "Das Buch kostet mich keine große Summe, aber es birgt den größten Reichtum, den die Erde bietet, nämlich den Weg zur Seligkeit. Der heilige Apostel sagt, man solle in dieser Schrift suchen und forschen, da sie das ewige Leben enthalte" (27). Tatsächlich rettet das NT einen Perser, der es über dem Herzen trägt, das Leben, indem es die für ihn bestimmte Kugel auffängt (28). - Aus dem eben dargestellten Glauben erwachsen dem Christen mehrere Aufgaben und Pflichten: Ein Schwur, übrigens eine heikle Sache, darf im allgemeinen nicht gebrochen werden, da Gott als Zeuge angerufen wird und ein Bruch des Schwurs Gotteslästerung darstellt. Darum ist auch Old Shatterhand bei einem solchen Versprechen vorsichtig: "Müßte ich es dennoch tun, so würde ich mein Wort nur dann als bindend erachten, wenn sich mein Gewissen nicht dagegen sträubte, das heißt, wenn mein Ge-


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löbnis mich nicht mit den göttlichen Gesetzen in Konflikt brächte, welche mir natürlich über die menschlichen gehen" (29). Ein Christ darf niemals sinnlose Gewalt rechtfertigen; er darf sich nicht an der Blutrache oder an der Rache überhaupt beteiligen, denn die Bestrafung der Schuld gebührt Gott allein. Notwehr und Verteidigung dagegen sind dem Christen erlaubt: "Mein Glaube gebietet mir nicht, mich feig und unnütz abschlachten zu lassen, sondern er erlaubt mir, das Leben zu verteidigen, welches mir Gott gegeben hat, um meinen Brüdern nützlich zu sein und mich auf die Ewigkeit vorzubereiten. Wer mir diese kostbare Zeit gewaltsam verkürzen will, gegen den werde ich mich verteidigen, soweit es meine Kraft gestattet" (30). Nicht Rache ziemt dem Christen, sondern Milde und Vergebung, nicht den Kampf soll er unterstützen, sondern Frieden und Versöhnung. Hat er es wirklich einmal mit einem unverbesserlich bösen Menschen zu tun, so darf er höchstens Strafe, nicht Rache fordern. "Das Christentum kennt zwar keine Rache, doch um so strenger verlangt es die Bestrafung jeder Schuld. Auf jedes Verbrechen soll die Sühne folgen. Ich werde mich also nicht an Euch rächen, aber Eurer Strafe dürft Ihr dennoch nicht entgehen" (31). So unterstreicht Old Shatterhand das Gesagte. Echtes Christentum fordert auch dazu auf, allen bloßen Namenschristen entgegenzutreten, besonders jenen, die unter dem Deckmantel des Christentums egoistische Ziele verfolgen. Hier führt das Christentum zu Konsequenzen, die über das orthodoxe weit hinausgehen. Überall wehrt Karl May imperialistische Eroberungsgelüste, die sich als Missionierung tarnen, heftig ab. Zur Erinnerung noch ein Beispiel: "Es ist nicht richtig, die heilige Kirche mit denen zu identifizieren, welche sich Christen nennen; die Christenheit zählt ihre größten Feinde in ihrer eigenen Mitte, und es ist tief zu beklagen, daß die Mission neben ihrer eigentlichen Aufgabe noch die traurige Arbeit übernehmen muß, dem unmoralischen Erbe entgegenzuwirken, welches in den Spuren der bloßen Namenschristen zurückzubleiben pflegt" (32). Was von einem echten Christen weiterhin erwartet wird, ist ein Christentum der Tat. Diese Bezeichnung meint folgendes: Will man jemand von seinem Glauben überzeugen, so genügt es nicht, ihm zu erzählen, daß man den besseren habe. Vielmehr muß durch die Tat sichtbar werden, daß der eigene Glaube dem anderen überlegen ist. Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi tun dies in vorzüglicher Weise. Sie imponieren durch Taten, nicht nur durch Worte. Ihr Prinzip läuft darauf hinaus, daß es einem Andersgläubigen nichts nützt, wenn man ihn darauf vertröstet, daß Gott ihm hilft, nachdem er sich bekehrt hat; vielmehr muß ihm erst geholfen und dann gezeigt werden, daß eigentlich Gott es war, der ihn gerettet hat. Das Christentum der Tat dient darüber hinaus auch dazu, die Wahrheit des Christentums in der Praxis gegen die Namenschristen, die es verfälschen, zu beweisen. Allzu oft ist das Christentum durch seine falsch angewandte Praxis in Verruf geraten; dem gilt es abzuhelfen. Marah Durimeh bestätigt Kara Ben Nemsi: "Auch ich habe heute um Mitternacht das Christentum verkündet, aber nicht das Christentum des Wortes, über dessen Sinn die Abgefallenen streiten, sondern das Christentum der Tat, daran niemand zweifeln kann" (33). Oel-Willenborg kommt das Christentum der Tat verdächtig vor. Nach ihrer Ansicht dient es als Ausweg für das unidentifizierbare Christentum Kara Ben Nemsis (d.h. Mays). "Er ist der Ansicht, es - das Christentum - mache die Menschen glücklicher als andere Religionen. Diese Ansicht findet er auf seinen Reisen bestätigt, wo ihm unter vielen Mohammedanern wenige, zwar arme und unterdrückte, aber stets reinliche und frohe Christen begegnen, die meistens auch 'bessere' Menschen


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sind. Möglichst vielen Menschen zum Christentum zu verhelfen, gelingt am besten durch einen vorbildlichen Lebenswandel, sprich Kara Ben Nemsis Lebenswandel. (...) Dies wird als 'Christentum der Tat' bezeichnet" (34). Die Autorin weist an der eben zitierten Stelle auf eine weitere wichtige Aufgabe des Christen hin, die sich aus dem Christentum der Tat direkt ergibt, die des Missionierens. Wo immer Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi hinkommen, stets suchen und finden sie Möglichkeiten, andere Menschen zu ihrem Glauben zu bekehren. Es gibt für sie keine Rassen und keine Völker, die nicht missioniert werden können. Rote, Weiße, Schwarze, Gelbe, Araber, Türken, Indianer, Malaien, Haupt- und Nebenfiguren; niemand bleibt unberührt. Dem "Ich" treten in anderen Menschen auch viele Religionen und Geisteshaltungen gegenüber, so z.B. strenggläubiger Islam, Scheinchristentum oder Atheismus (z.B. Old Wabble in 'Old Surehand,). Fast immer zeigt die Mission irgendwelche Erfolge. Entweder sind die Menschen dem Christentum im Geiste schon lange nahe, so daß es nur des entscheidenden Anstoßes bedarf, oder sie machen aufgrund positiver Erfahrungen mit dem Christentum der Tat eine lange innere Wandlung durch (z.B. Halef und Winnetou). Ganz hartgesottene Sünder wie Old Wabble finden erst in der reuevollen Sterbestunde zum Christentum zurück. Eine solche Entwicklung, die auch gleichzeitig eine Entwicklung auf den Edelmenschen hin bedeutet (natürlich erst in der Interpretation des Spätwerkes) soll am Beispiel Winnetous kurz nachvollzogen werden (35). Als Winnetou und Old Shatterhand sich noch nicht lange kennen, kommt es zwischen ihnen zu einem Gespräch über den Glauben. Dabei achtet Old Shatterhand den Glauben der Indianer, weil sie den "Großen Geist" und somit keine Götzen anbeten. Winnetou bittet ihn darauf: "Sprich nicht vom Glauben zu mir! Trachte nicht danach, mich zu bekehren. Ich habe dich sehr lieb und möchte nicht, daß unser Bund zerrissen werde. (...) Dein Glaube mag der richtige sein, aber wir roten Männer können ihn noch nicht verstehen. Wenn uns die Christen nicht verdrängten und ausrotteten, würden wir sie für gute Menschen halten und auch ihre Lehre für eine gute. (...) Aber der, welcher langsam und sicher zu Tode gedrückt wird, kann nicht glauben, daß die Religion dessen, der ihn tötet, eine Religion der Liebe sei" (36). Old Shatterhands Einwand mit den Namenschristen nützt nichts; Winnetou will nicht zu einem Christen gemacht werden, ohne es vielleicht zu sein. Obwohl Winnetou kein Christ sein will, verhält er sich als solcher. Vor einem Kampf sagt er einmal zu Old Wabble: "Wir sind Freunde aller roten und weißen Männer, und wenn wir einen Feind vor uns haben, mag er weiß oder rot aussehen, so besiegen wir ihn womöglich, ohne daß wir sein Blut vergießen. Old Wabble nennt sich einen Christen; er wird Winnetou einen Heiden nennen; aber wie kommt es doch, daß dieser Christ so gern Blut vergießt, während der Heide dies zu vermeiden sucht" (37)? In Winnetou III macht das 'Ave Maria' (gedichtet von May), das ein deutscher Siedlerchor singt, auf den Indianer einen solchen Eindruck, daß es nun doch zu dem einst abgelehnten Gespräch über den christlichen Glauben kommt. Shatterhand verweist Winnetou auf den Heiland, der den Ruhelosen Frieden im Herzen schenken kann. Am Ende seiner langen Ausführungen sagt Winnetou: "Winnetou wird nicht vergessen den großen, gütigen Manitou der Weißen, den Sohn des Schöpfers, der am Kreuz gestorben ist, und die Jungfrau, welche in Himmel wohnt und den Gesang der Settler hört. Der Glaube der roten Männer lehrt Haß und Tod; der Glaube der weißen Männer lehrt Liebe und Leben. Winnetou wird nachdenken, was er erwählen soll, den Tod oder das Leben" (38). In seiner Todesahnung bestätigt


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Winnetou seine Erkenntnis: "Ich gehe heute dahin, wo der Sohn des guten Manitou uns vorausgegangen ist, um uns die Wohnungen im Haus seines Vaters zu bereiten, und wohin mir mein Bruder Old Shatterhand einst nachfolgen wird. Dort werden wir uns wiedersehen, und es wird keinen Unterschied mehr geben zwischen den weißen und den roten Kindern des Vaters, der beide mit derselben unendlichen Liebe umfängt. Es wird dann ewiger Friede sein. (...) Dann wird der gute Manitou die Waagschalen in seiner Hand halten, um die Taten der Weißen und der Roten abzuwägen und das Blut, welches unschuldig geflossen ist. Winnetou aber wird dabeistehen und für die Mörder seiner Nation, seiner Brüder um Gnade und Erbarmen bitten" (39). Winnetou stirbt schließlich als Christ, im Glauben an den Heiland, so bezeugen es seine letzten Worte.

Die letzte Periode vor dem Spätwerk ist die, in der man Karl May vorwarf, daß er katholisierte. Man kann sie von etwa 1896 an bis zum Zeitpunkt der Orientreise datieren. Karl Mays Ruhm hatte seinen Höhepunkt erreicht. Für Mays katholische Tendenzen während dieser Zeit gibt es mehrere Gründe: Er war schon lange Jahre Mitarbeiter der katholischen Zeitschrift "Deutscher Hausschatz" und schrieb zahlreiche Kurzerzählungen für mehrere Marienkalender; die katholische Kirche gehörte zu denen, die ihn am meisten feierten; der fast ständige Kontakt mit dem Katholizismus seit der Entlassung aus dem Gefängnis hatte stark nachgewirkt; May fand im Katholizismus mehr Mystik als im Protestantismus, was seinen Neigungen eher entsprach; er erkannte wohl auch, daß es geschäftlich von Vorteil sei, unter dem Firmenschild "katholisch" zu veröffentlichen. Auch der Marienkult des Katholizismus hat Karl May angezogen; eine Begründung hierfür wird noch folgen. Katholisch sind bei Karl May (das freilich schon länger) der Glaube an das Fegefeuer, an die Schutzengel (davon später noch) und an die Vorsehung, Es zeigt sich auch, daß May sich in der katholischen Mystik auskannte; darauf deutet u.a. seine Kenntnis von Origines hin, den Kara Ben Nemsi erwähnt, als er mit dem Münedschi über den irdischen und geistigen Leib spricht (40). Für die Marienverehrung Mays gibt es mehrere indirekte Hinweise: 1894 schrieb May eine Kurzgeschichte 'Maria oder Fatima'; dort wird von orientalischen Christen Maria zu Ehren ein Rosenkranzfest veranstaltet; gleichzeitig will ein benachbarter Stamm schiitischer Glaubensrichtung ein ebensolches Fest für Fatima, die Lieblingstochter Mohammeds veranstalten; Kara Ben Nemsi kann nicht dulden, daß Fatima (wie es geschieht) mit Allah gleichgesetzt wird; es kommt zur Auseinandersetzung, wobei Maria natürlich über Fatima die Oberhand behält. Kara Ben Nemsi vergleicht auch Maria und Fatima: "Unsere heilige Marjam ist die Mutter Gottes; sie thront im Himmel bei dem Allmächtigen und Allgütigen und fleht für uns, wenn wir sie darum bitten. Der Kuran aber lehrt, daß das Weib keine Seele habe und nicht in den Himmel kommen könne. Also hat Fatima nur aus dem Körper bestanden, welcher längst vermodert ist" (41). 1897 schrieb May den Band 'Weihnacht', wobei auffällt, daß er diese Thematik ausgerechnet zu dieser Zeit aufgriff. Wenn es auch keine direkten Anspielungen auf Maria gibt, hat vielleicht unterschwellig die herausragende Rolle Marias an Weihnachten (Geburt Jesu) eine Rolle gespielt. Ein Jahr später veröffentlichte Karl May zwei Chorlieder 'Ernste Klänge', darunter ein 'Ave Maria', das auch bei Winnetous Tod gesungen wird. Die bekannte Erklärung, daß May sich damit nur einen inneren Ruhepunkt vor seinem äußeren Ruhm schaffen wollte, reicht nicht aus (42). Die in dieser Zeit entstandenen Erzählungen werden fast ausnahmslos (z.B. von Klotz, Wollschläger, Forst-Battaglia) negativ beurteilt, weil


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sie auf zu plumpen Schemata beruhen. Die Schurken werden oft mit dem selben bestraft, mit dem sie Gott gelästert haben, denn Gott läßt sich nicht verspotten. In der Geschichte 'Ein Blizzard' wollen von zwei Schurken der eine blind, der andere wahnsinnig werden, falls sie das Verbrechen begangen haben, das man ihnen zur last legt; ihr Wunsch wird ihnen erfüllt. In der Erzählung 'Gott läßt sich nicht spotten' will der Schurke Fletcher erblinden und zerschmettert werden, und auch das läßt Gott sich nicht zweimal sagen. Oft macht auch der Held Angaben über das Ende des Bösewichts (Prophezeiungen), die sich dann bestätigen. Klotz meint dazu: "Dieses in seiner Wirkungsweise allzu mechanisch knarrende Motiv kommt gottlob fast ausschließlich in Mays ideologisch überanstrengten kurzen Parabelgeschichten auf, die dann jeweils eine bestimmte Sünde oder Tugend an einem mühevoll präparierten Beispielfall vorexerzieren. (...) Es sind exotisch verfremdigte Predigtmärlein mit überaus penetranter Moral" (43). Wollschläger hält die Geschichten für "falsch und schrecklich bis in die Untertöne" (44) und bezeichnet sie als zu Mays ärmsten Eingebungen gehörend. Forst-Battaglia argumentiert ähnlich und weist zusätzlich auf Mays "auf einfache Leute wirkenden, literarischen Kunstgriff" (45) hin, nach dem Sünder ihre Strafe schon im Diesseits empfangen. Dadurch wird die Wirkung von Mays Religion stark erhöht. - Seit kurzer Zeit gibt es noch eine weitere, sehr glaubhafte Erklärung für Mays dogmatisch angewandtes katholisierendes Christentum und seine Marienverehrung. Claus Roxin gibt sie in einem Aufsatz, der sich teilweise an Wollschlägers Charakteranalyse (in Jb-KMG 1972/73)anlehnt (46). Danach hatte Mays Bedürfnis nach Liebe, auf das schon hingewiesen wurde, durch den Zuspruch seiner Leser seine Erfüllung gefunden. Innerlich geriet May während dieser Zeit aber in eine tiefe Krise; sein in langen Jahren aufgebautes Ich-Ideal brach zusammen. An dessen Stelle trat das Bild der 1885 verstorbenen Mutter Mays. Mehrere Hinweise gibt es dafür: Seit 1895 sucht May in seinen Erzählungen keine neuen Landschaften mehr auf, er hält sich vielmehr an die vertraute Gegend Amerikas und des Orients (zu letzterem wandert er ab 1898 ganz ab). Die Handlung verlagert sich immer mehr nach innen; extremstes Beispiel dafür ist 'Am Jenseits' (1899). Stärker treten nun die gemischten Charaktere (Old Wabble, Münedschi) auf, die den Glauben und die Liebe verloren haben. Frauen spielen eine größere Rolle. Oft muß das "Ich" junge Töchter retten oder gesund machen; Mütter treten auf. Auch die immer schlechter werdenden Beziehungen zu seiner ersten Frau mußten Mays Sehnsucht nach dem Mütterlichen verstärken. Der Zusammenbruch des Ich-Ideals und das noch nicht gefundene Mutterbild führten May zu Angstträumen, die sich im gräßlichen Ende der Schurken (Erblindung, Wahnsinn, Zerschmetterung) widerspiegeln. Das Mißlingen dieser Geschichten hat seine Ursachen also nicht in Mays katholischer Tendenz. Die nahtlose Zusammenfügung von Außen- und Innenhandlung, die in den Reiseerzählungen sonst vortrefflich gelungen war, wurde von einer Brüchigkeit abgelöst. "Das Ich-Ideal des männlichen Helden und die am Mutterbild orientierte Liebesethik sind nur noch mühsam zur Deckung zu bringen" (47). Den Bruch suchte May durch die Berufung auf Ahnungen und Eingebungen wenig glaubhaft zusammenzufügen. Um die Jahrhundertwende ist die zerstörte Mutterbindung wieder hergestellt. In der Erzählung 'Mutterliebe' (heute in Ges.Werke Bd. 48: 'Die Söhne des Upsaroka'), Karl Mays letzter Winnetou-Erzählung, rettet eine Mutter unter Einsatz ihres Lebens ihre Söhne in letzter Minute vor Schlangen. In 'Am Jenseits' hat May die Krise überwunden: "Denn hier ist schon eine neue, der veränderten Seelenlage Mays adäquate Form gefunden. Die äus-


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sere Handlung tritt ganz zurück. Die seelischen Befunde werden (...) in die Dimension des Visionären erhoben, und die Sprache befreit sich zu einer an die Bedingungen der Realitätsschilderung nicht mehr gebundenen Bildkraft" (48). Was zum Wiederfinden des Mutterbildes beigetragen haben dürfte, ist der stärker werdende Kontakt zu Klara Plöhn, Mays späterer zweiter Frau. Auch die Marienverehrung Mays in dieser Zeit findet damit eine natürliche (wenn auch nicht ausschließliche) Erklärung; die Sehnsucht nach dem Mütterlichen wird auch im Religiösen sichtbar. Die Mutter Gottes dürfte auch auf Mays große, der Großmutter nachgebildete Frauengestalt Marah (Maria?) Durimeh Einfluß genommen haben.

Bevor dieses Kapitel beendet wird, soll noch auf eine letzte Erscheinung Mayscher Religiosität eingegangen werden: Spiritismus. Ab 1896 etwa sollen bis zu zwei Mal wöchentlich in der Villa Shatterhand spiritistische Sitzungen stattgefunden haben. Der Spiritismus bestand aus Tischrücken und angeblichen Geistererscheinungen (Schutzengel!). Eingeführt wurden die Mays durch Jakob Pfefferkorn (der "Dicke Jemmy"), einen in Amerika lebenden Schulfreund Mays, der 1896 zu Besuch in Radebeul war. Auch Klara Plöhn (angeblich ein gutes Medium) nahm neben Mays Frau Emma daran teil. Wie Roxin im vorhin besprochenen Aufsatz meint, ist es möglich, daß May in seiner Unsicherheitsphase seine Ahnungen und Eingebungen mit Hilfe des Spiritismus zu erklären versuchte. Spiritistische Einflüsse sind, so auch Arno Schmidt, in 'Am Jenseits' und im 'Mir von Dschinnistan' (Dschemma der Lebenden und der Toten) nachweisbar. Möglicherweise ist der Spiritismus auch eine unumgängliche Folge von Karl Mays immer stärker werdendem Hang zur Mystik. Daß ihn der Katholizismus allein nicht mehr befriedigen konnte, beweist auch das wenig später beginnende Spätwerk, zu dem 'Am Jenseits' Grenze und Übergang bildet. Die Dimensionen weiten sich.


2. Der erweiterte überkonfessionelle Humanitätsgedanke des Spätwerks

Bei der Darstellung der Religionen, denen Karl May im weiteren Verlauf seines Lebens begegnete, wird der Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit halber die chronologische Darstellungsweise beibehalten, so daß eine "religiöse Biographie" zum Vorschein kommt.

Die Orientreise 1899/1900 stellt den großen Wendepunkt in Karl Mays Schaffen dar. Aus den Eindrücken von unterwegs (kurze Eindrücke -> kurze Formen) entstanden zahlreiche religiöse Gedichte, die später unter dem Namen 'Himmelsgedanken' zu einem Gedichtband zusammengefaßt wurden. Sie sind noch überaus konventionell und nicht zum eigentlichen Spätwerk zu rechnen. Das Alterswerk wird durch den Roman 'Und Friede auf Erden' eingeleitet, der 1901 begonnen und 1904 beendet wurde. May wendet sich in diesem Buch vor allem gegen einen Missionsdrang, der darauf aus ist, andere Religionen zu zerstören und dafür die alleinseligmachende Wahrheit des Christentums zu vermitteln. Leute, die einen solchen Standpunkt vertreten, heißen Eiferer. Zu ihnen gehört der amerikanische Missionar Waller. Er verspürt einen aggressiven Missionsdrang in sich: "Das Morgenland hat uns um das Paradies gebracht; es hat den Erlöser gekreuzigt und bis auf den heutigen Tag niemals erkennen wollen, was zu seinem Frieden dient. Nun kommen wir, die Himmelsboten, ihm diesen Frieden zu bringen.


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Nimmt es ihn an, so soll es ihn haben; stößt es ihn aber von sich, so wird es trotz aller unserer Mühe nicht zu retten sein" (1). Nach Waller sind die Gottheiten anderer Völker falsche Götter und ihre Propheten allesamt Lügner. Darum nimmt Waller sich das Recht heraus, alle Nichtchristen Heiden zu nennen. Diesen Heiden gilt es, mit Macht zu imponieren, damit sie sich bekehren. Liebe steht hinter dem Glauben erst an zweiter Stelle. Waller ist auch in seinen Taten konsequent: Er beleidigt den mohammedanischen Diener Mays, indem er ihm sein Gebet zu Allah verbietet. Waller geht schließlich so weit, daß er auf Sumatra den Tempel eines malaiischen Priesters anzündet. Der krankhafte Wahn Wallers geht darauf in einen lang andauernden Heilungsprozeß über, während dem er zum wahren Christentum zurückfindet. Wallers Tochter Mary (Maria!) und Karl May selbst sind von Anfang an ganz anderer Meinung. Ihnen geht es um eine Versöhnung zwischen Morgen- und Abendland. Diese Versöhnung kann nur in Liebe und beiderseitiger Achtung vor sich gehen. Bisher hat das Abendland vom Morgenland, dem es doch eigentlich seine Kultur verdankt, nur genommen und ihm nichts gegeben. May meint: "Wer nach dem Morgenlande kommt, der will ihm nicht etwa dankbar sein, sondern noch mehr, immer mehr von ihm haben, als er schon von ihm bekommen hat. Der Osten hat gegeben, so lange und so viel er geben konnte. Wir haben uns an ihm bereichert fort und fort; er ist der Vater, der für uns und an uns arm geworden ist. Denken wir doch endlich nun an unsere Pflicht!" (2) Wenn es wirklich zur Verständigung zwischen den Religionen kommen soll, müssen sich die Völker in Liebe begegnen. In diesem Sinne spricht auch der Chinese Fang zu Karl May. Grundbedingung ist, daß die Traditionen, Sitten und Gefühle der jeweiligen Religion nicht in den Schmutz getreten werden. Missionierung kann nicht ein Anfang sein, sondern nur ein liebevoller Versuch am Ende, nachdem man sich gegenseitig kennen und verstehen gelernt hat. Fang nennt das Ergebnis: "Ich gebe zu; es ist keineswegs ausgeschlossen, daß der Chinese ein Christ wird, aber er wird es nur dann, wenn er dabei Chinese bleiben kann" (3)! Wenig später sagt er: "Beherzigt dann der Christ, was ihm von seinem Herrn befohlen ward, so wird er uns als gleichbegabt und gleichberechtigt anerkennen und unser Bruder sein. Dann mag er zu uns kommen, um bei uns zu wohnen und zu lehren. Den Glauben und die Liebe eines Bruders weist man nicht zurück" (4)! Jeder kann also durchaus in seinem Glauben verbleiben und soll Gutes aus einem anderen Glauben übernehmen. Wichtig ist es, das allen Religionen Gemeinsame zu erkennen. Der Chinese Fu stellt dies in einem Gespräch mit Waller deutlich heraus. Er, als Konfuzianer, fühlt sich auch als Christ, obwohl er seinen Glauben nicht ändern will. Auf das ungläubige Erstaunen Wallers hin faßt Pu das Christentum zusammen: "Christus gibt uns die Summe im Evangelium Johannes, wo er sagt, daß das ganze Gesetz und die Propheten in dem Gebot enthalten seien: 'Liebe Gott, und liebe deinen Nächsten'! Und Petrus befiehlt in seinem ersten Brief: Fürchtet Gott, habt die Brüder lieb, und ehret alle Menschen' (...) Das war also die Summe Ihres Glaubens nach den Worten Christi und seines obersten Apostels. Die Summe unseres Glaubens aber lautet: 'Die wahre Glückseligkeit kommt uns vom Himmel hernieder, und die Menschen sollen sie neidlos und friedlich unter sich verteilen'! Das ist doch genau dasselbe. Ihr Glaube und unser Glaube sind einander gleich" (5). Waller wendet darauf ein, daß es doch zwischen Konfuzianismus und Christentum zahlreiche Verschiedenheiten gebe, aber auch hier hat Fu eine Antwort: "Diese Verschiedenheiten müssen vorhanden sein, weil die Menschen verschieden sind. (...) Es kommt nur auf den Ertrag, auf das Ende, auf den Abschluß,


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auf die Summe an. Wenn zwei Rechnungen genau dieselbe Summe ergeben, so ist das ein Beweis, daß beide richtig sind. (...) Und wenn sie gleich sind, so ist die eine Rechnung genauso viel wie die andere wert. (...) Indem Ihr Glaube ganz dieselben Früchte wie der unsere bringt, beweisen Sie uns, daß er auf keinem Irrtum beruht, und wir würden ebenso unhöflich wie unklug handeln, wenn wir behaupteten, daß es für Sie notwendig sei, ihm zu entsagen und sich zu dem unseren zu bekehren" (6). Der malaiische Priester, dessen Tempel von Waller angezündet wird, fügt ein weiteres Faktum hinzu, die Bewegung auf den einen, universalen Gott hin: "Bei uns wird schon dem Kinde dieser menschenfreundliche, erlösende Geist gezeigt, der jedem sagt, daß keiner über dem anderen steht, sondern alle Welt berufen ist zum Aller-Allerhöchsten! (...) Darum fühlen wir uns allen Menschen brüderlich verwandt und achten jede Religion, sie heiße, wie sie heiße. Wir schmähen keinen anderen Glauben, denn jeder Glaube führt, wenn auch in seiner Weise, doch nirgendwohin, als empor zu Gott. Ja, wir halten es sogar für unsere Pflicht, der Wahrheit, welche andere Religionen lehren, auch unsere Tür zu öffnen, um uns an ihr zu unterrichten" (7). Nochmals unterstrichen wird diese Ansicht von Mays Diener Omar, der einen Christen, einen Muslim und einen Heiden durch drei teilt. Christ ist, wer liebt und verzeiht, Heide ist, wer haßt und sich rächt. Die Menschen sind ohne Unterschied manchmal Christen, manchmal Heiden, je nachdem wie sie handeln. "Isa Ben Marryam (Jesus, Mariens Sohn) ist gekommen, um uns zu gewöhnen, niemals Böses zu tun, sondern immer nur Gutes. Das Böse kommt vom Teufel; das Gute kommt von Gott. Dazwischen steht der Mensch! Wer nichts als Gutes tut, der ist Gott. Wer nichts als Böses tut, der ist Teufel. Wer bald Böses und bald Gutes tut, der ist Mensch! Hierauf frage ich dich: Sind die Heiden Gottheiten oder Teufel? Keines von beiden! Was folgt hieraus? Daß sowohl die Christen als auch die Heiden bloß nur Menschen sind, die nichts Besseren tun können, als einander Gutes zu erweisen. Dadurch heben sie einander empor. Dadurch werden sie Gott immer ähnlicher. Das ist es, was Isa Ben Marryam wollte und was er lehrte" (8). Aus all diesen Äußerungen wird deutlich, daß Karl May einen Synkretismus anstrebt, freilich unter der Dominanz des Christentums. Es ist für ihn unverzichtbar, daß das Christentum auch von anderen Religionen in seinen Kernaussagen übernommen wird. Alle Personen, die sich im Buch für eine Verschmelzung der Religionen aussprechen, kennen das Christentum und auch die Rolle Christi als die des Erlösers. Wenn auch anerkannt wird, daß Jesus für alle Menschen gestorben ist, auch für die, die einer anderen Religion angehören, dann stehen der Gemeinsamkeit und einem überkonfessionellen Humanismus nichts im Wege. Ein Ergebnis aller angeführten Aussagen ist die "Shen", der überkonfessionelle und rassisch ungebundene Menschheitsbund derer, die künftig nur noch in Brüderlichkeit und Liebe miteinander leben wollen. Karl May ist diesen Weg selbst gegangen, indem er sich auch von anderen Religionen hat beeinflussen lassen. Das grundlegende Gedankengebäude dieses Werkes bleibt bei May im Spätwerk weiterhin enthalten, obwohl z.T. andere Themenkreise zum Tragen kommen.

Von den Einflüssen anderer Religionen auf Karl May soll jetzt noch die Rede sein. In einem Aufsatz von Ekkehard Bartsch über 'Und Friede auf Erden' (9) wird eine Pressestimme des "Neuen Wiener Tageblatts" zitiert, die von einer Mischung aus christlicher und buddhistischer Weltanschauung bei Karl May spricht, wozu noch eine gewisse Neigung zum Prinzip der Seelenwanderung kommt. Von Buddhismus kann in diesem Buch aber nur sehr allgemein die Rede sein. Länger erwähnt wird er überhaupt nur an


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einer Stelle, wo Karl May einem Zug stiller, in sich versunkener buddhistischer Pilger begegnet, die er freundlich grüßt, weil sie auf ihre Weise Gott verehren und er das achtet. Ansonsten erfährt der Leser nur noch, daß die Chinesin Yin (=Güte), die Raffley, Mays englischer Freund, später heiratet, wohl in der buddhistischen und konfuzianischen Lehre aufgezogen wurde, was keinen Hinderungsgrund für die Verbindung darstellt. Möglicherweise hat May Gedankengut aus der klassischen Lehre Buddhas vom achtfachen Pfad, der die Erlösung vom Leiden bringt, übernommen. Der achtfache Pfad heißt: Rechtes Glauben, rechtes Entschließen, rechtes Wort, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sichversenken. Von diesen Worten ist bei May oft die Rede; allerdings ist anzunehmen, daß er hierbei nicht streng nach der Anweisung Buddhas vorgegangen ist, sondern den achtfachen Pfad und die in ihm enthaltenen Anweisungen und Forderungen für seine Absichten uminterpretiert hat. Etwas ausführlicher geht May in 'Und Friede auf Erden' auf die chinesische Religiosität ein. Dabei muß ihm vor allem die chinesische Volksreligion bekannt gewesen sein, in der Laotse, Konfuzius und Buddha gleichberechtigt nebeneinander standen. Das Schwergewicht liegt auf dem Konfuzianismus, den die auftretenden Chinesen und der malaiische Priester vertreten. Diese Personen haben aber auch viel vom Christentum gelernt; sie versuchen eine Synthese. Vielleicht hat Karl May von der Taipingbewegung gewußt, die im 19. Jahrhundert versuchte, eine solche Synthese zwischen konfuzianischen und christlichen Vorstellungen herzustellen. Die Chinesen entsprechen ganz der konfuzianischen Vorstellung vom "edlen Menschen" oder "Edelmann", zu dessen wichtigsten Eigenschaften Tugend und Bildung zählen. Öfter ist auch vom Ahnenkult der Chinesen die Rede. Dieser wird von Fu verteidigt: "Wer auf seine Verstorbenen verzichtet, der ist nicht wert, daß sie für ihn gelebt haben. Er würde ja dadurch auf sich selbst verzichten, weil er sein Dasein nur dem ihrigen verdankt" (10). Wenig später heißt es: "Auch wir Chinesen haben Mütter, die in unserer Liebe noch nach dem Tode weiterleben, und ein Volk, das seine Mütter, seine Väter, seine Ahnen nicht vergißt, wie der Europäer sie vergißt, der oft die Vornamen des Großvaters seines Vaters oder seiner Mutter nicht mehr kennt, ein solches Volk schlägt seine Wurzeln so tief in die Vergangenheit, aus der es Kraft und Nahrung zieht, daß es um seine Zukunft nicht zu bangen braucht" (11). Beim Ahnenkult wird unterschieden zwischen geistigen Opfern und Liebesgaben, die von geistig Höherstehenden gespendet werden und materiellen Gaben, die der gewöhnliche Mann gibt. Die letztgenannte Erscheinung wird gegen den Vorwurf der Abgötterei und des Aberglaubens in Schutz genommen. Die Achtung der Tradition kommt auch hier zum Vorschein. Einflüsse der alten, ursprünglichen Volksreligion werden sichtbar, wenn die Chinesin Yin die Legende der Shen erzählt. In dieser heiligen Sage, in der es um den Kampf zwischen dem guten und dem bösen Prinzip geht, zwischen denen der Menschengeist steht, ist vom Lande Ti die Rede, das von Gott beherrscht wird. Ti stellt die Erde dar und wird gleichzeitig von May wohl aus dem Wort Schang-ti abgeleitet, das während der Tschou-Dynastie einen Gott als Schöpfer des Himmels und der Erde bezeichnet. An anderer Stelle steht die Erzählung von der Taucherinsel Ti, die auch die Erde symbolisieren soll. Der Name Yin dürfte eine Ableitung vom ursprünglichen kosmischen weiblichen Prinzip "yin" sein. May hat aus dem ursprünglich dunklen und kalten Prinzip in der Chinesin Yin das warme und edle Prinzip gemacht. Noch ein letzter Einfluß ist in 'Und Friede auf Erden' zu finden, der des Parsismus. Auf ihn wird im näch-


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ten Abschnitt eingegangen. Raffley erzählt May ein Gleichnis, das er von einem indischen Brahmanen (!) gehört hat. Darin ist von den Göttern Ormuzd und Ahriman die Rede. - Man sieht, daß Karl May sich mit vielen Religionen und religiösen Strömungen beschäftigt hat. Zwar war seine Kenntnis meist allgemein und z.T. oberflächlich, dafür hat er aber einen überkonfessionellen Humanitätsgedanken entwickelt, der in den weiteren Spätwerken noch von manchen anderen Einflüssen berührt wird.

In den Jahren 1897-1903 schrieb Karl May an dem vierbändigen Roman "Im Reich des Silbernen Löwen". In den Jahren 1902-1903 war aber schon ein Höhepunkt der Pressehetze gegen ihn. Während die beiden ersten Bände normale Reiseerzählungen sind, gehören die beiden letzten zum Spätwerk. Sie knüpfen auch nur noch sehr vereinzelt an die Handlung der beiden ersten Bände an. Im dritten Band wird der Bruch sichtbar: Das erste Kapitel ist noch ganz im Stil der herkömmlichen Reiseerzählungen geschrieben, dann aber wird der Leser ins Tal der Dschamikun geführt und kommt in ein Land, wie er es nie zuvor sah. Aus der Reiseerzählung wird ein großangelegtes Mysterienspiel vom Kampf des Lichtes gegen den bzw. die Schatten (Sillan). Dazu kommt die Ebene der Autobiographie, in der die wichtigsten Stationen der letzten Jahre seines Lebens (z.B. Presseangriffe, Wiederveröffentlichungen der Münchmeyer-Romane, Ehescheidung) in verschlüsselter Form nachgezeichnet werden. Der Roman stellt eine Art "Welttheater" dar, auf dessen Bühne sich die Freunde und Feinde Mays treffen. Die Dschamikun sind dabei der "Stamm seiner Leser". Dessen Anführer ist der "Ustad", ein tiefsinniger Mann und - wie sich herausstellt - Mays zweites Ich. Wenn also der Ustad gleich May ist, so trifft May sich selbst, d.h. Kara Ben Nemsi, der alte May der Reiseerzählungen trifft den neuen symbolischen May. Um zum Ustad und den Dschamikun zu gelangen, muß Kara Ben Nemsi den "Sprung über die Vergangenheit" über eine tiefe Schlucht wagen. Als orientalisch verkleidete Gestalten tauchen ferner auf: die beiden Frauen Mays (Klara als Schakara, Emma als Köchin Pekala), Mays Verleger Fehsenfeld (Pedehr), der Journalist Fedor Mamroth (Ahriman Mirza). Zusätzlich dazu ist Kara Ben Nemsi "Geist", das zweite Ich Kara Ben Nemsis, Halef, "Körper", sind die Frauen "Seelen". Noch weiter in die Entschlüsselung einzusteigen, ist für das vorliegende Thema nicht notwendig. Festgestellt sei nur noch, daß der Ustad absichtlich Züge des alten Tolstoi trägt, der mit May manche Vorstellung gemeinsam hat. An Handlung geschieht im Roman nicht viel; im letzten Band finden lange und tiefsinnige Gespräche statt, in denen sich der Schriftsteller May über seine neue Aufgabe klar zu werden beginnt. Kara Ben Nemsis neues Pferd "Syrr" (Geheimnis, Mysterium) und auch das Pferd "Kiss-y-Darr" (d.i. Schundroman; anfänglich in den Händen der Gegner) siegen in einem großen Wettrennen.

An Religiösem steckt auch im "Silberlöwen" sehr viel: Eine Abrechnung mit dem Katholizismus, Parsismus, Nietzsche, Manichäismus. Auch auf Seiten des Katholizismus beteiligte man sich an der Kampagne gegen May. Man hatte auch hier bemerkt, daß er das dogmatische Lehrgebäude des Katholizismus plötzlich verlassen hatte und sich mit ganz anderem, gar nicht sehr Katholischem, beschäftigte. 1902 hatte Carl Muth in einer Wiener Zeitung ein vernichtenden Urteil über Karl May gefällt, weshalb er wohl im "Silberlöwen" als "Scheik ul Islam" auftritt. Dieser Scheik führt den Stamm der Taki-Kurden an, die in ihrem Glauben sehr streng sind, die behaupten, als einzige in den Himmel gelangen zu können und bisweilen auch recht militant auftreten. Wohlgemerkt geht es May hier nicht um eine Auseinandersetzung mit dem


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Islam, sondern um eine Kritik am dogmatischen Katholizismus, der mehrere Male lächerlich gemacht wird. Hauptsächlich Arno Schmidt hat darauf aufmerksam gemacht; er benützt die Gelegenheit aber gleich wieder dazu, Mays Religiosität abzuwerten: "(...) ich möchte ja auch nur dartun, wie wenig tief das X-entum bei ihm ging: sobald er von kirchlicher Seite her attackiert und wütend gemacht wurde, fing er sofort an zu schimpfen, an den Fundamenten sämtlicher Lehrgebäude zu rütteln - läßt er sie doch am Ende des 'Silberlöwen', eins wie's andere in sich zusammensacken und eine Gemeinde für sich zu gründen" (12). Dieses Lehrgebäude verdient eine nähere Betrachtung. Im Roman schildert May einen gewaltigen Ruinentempel früherer Religionen. Das unterste Stockwerk, durch das nur wenig Licht dringt (!), gehört den heidnischen Religionen; es folgt nach oben ein Stockwerk, das an Altiranisches, an Zarathustra erinnert; weiter oben folgen monotheistische Religionen, wobei wucherndes Unkraut auf das vielfältige Formenwesen hindeutet; oben steht das Wortchristentum, das zwar Nächstenliebe predigt, aber nicht danach handelt. Hoch über allem steht das Alabasterzelt als Symbol eines echten und reinen konfessionslosen Christentums, das auch die Religion der Dschamikun ist. In einem Traum stößt Kara Ben Nemsi in diesem Gebäude auf die "Schatten", die alles ausgeraubt haben und die Religion mißbrauchen; weiterhin begegnet er dem "Zauberer", dem Sinnbild des Irrtums und des Zweifels; vor ihm rettet er sich durch einen Sprung in die Tiefe (vgl. "Sprung über die Vergangenheit") und hält sich am Sockel einer Statue, des "versteinerten Gebets" fest; das "versteinerte Gebet" beginnt alsbald ein Licht ohne Schatten auszustrahlen; tief beeindruckt sucht Kara Ben Nemsi den Weg nach draußen. Am Ende des Romane bricht der Ruinentempel zusammen und gibt das "versteinerte Gebet" frei, das Zeichen der wahren Gottes- und Nächstenliebe. Dominierend ist im Roman der Kampf zwischen Licht und Schatten. Um diese Auseinandersetzung stärker zu mythologisieren, benützte May Elemente aus dem Manichäismus und dem Parsismus. Der Manichäismus, nach seinem Stifter Mani (216-277 n.Chr.) benannt, vertritt eine klar dualistische Grundauffassung. Es findet eine Art Prozeß in der Entwicklung der Welt statt, wobei der "König der Finsternis" in das Reich des Königs des Lichtparadieses eindringt. Das Ziel dieses Prozesses ist der Sieg des Lichts über die Finsternis und somit die Wiederherstellung des Urzustandes, wo es keine neuerliche Vermischung gibt und das böse Prinzip dem guten machtlos gegenübersteht. Mani bezeichnet sich dabei als Nachfolger Zarathustras, Buddhas und Jesu sowie als Überbringer der endgültigen Offenbarung. Parsismus heißt die von Zarathustra (griech. Zoroaster) gestiftete iranische Religion. Das Auftreten Zarathustras wird um 1000-600 v.Chr. bestimmt; genauer ist es nicht bekannt. Auch hier liefern sich Vertreter des guten und des bösen Prinzips heftige Kämpfe. Jenes ist verkörpert in Ahura (anderer Name: Ormazd, Ormizd, Orzuzd; Schreibweise unklar), dieses in Ahriman. Aufgabe des Menschen ist es, auf die Seite von Ahura Mazda zu treten, um dem Reich des Guten zum Sieg zu verhelfen. Dann wird Ahura Mazda das Gottesreich errichten. Ahriman Mirza, der "Fürst der Schatten", ist im "Silberlöwen" der Vertreter des bösen Prinzips. Die Sillan bilden sein Gefolge. Im Roman erlangt er vor allem in einem großen Rededuell mit dem Ustad und dem Pedehr Bedeutung; dort fordert er zum großen Wettrennen heraus. Ahriman Mirza, in Wort und Tat Verkörperung des Teufels, kann nicht mit herkömmlichen Mitteln vernichtet werden. Der Ustad besiegt ihn, indem er ihm seinen Chodem (="ich selbst") erscheinen läßt, einen von Gott geschaffenen höheren Geist, der die Gestalt des jeweiligen Menschen annehmen kann; wenn dieser Geist dem Menschen selbst


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erscheint und nicht einem anderen, so bedeutet das Tod oder Wahnsinn; Ahriman Mirza wählt den Wahnsinn. Arno Schmidt hat nachgewiesen, daß May in Ahriman Mirza sich gleichzeitig mit Friedrich Nietzsche auseinandersetzt. May besaß in seiner Bibliothek acht Bände der "Gesammelten Werke" Nietzsches und einen Band "Gedichte und Sprüche", außerdem sechs Bände über Nietzsche (13). Auch hat er, so Schmidt, Nietzsche in einem Brief sprachlich kritisiert. Schmidt setzt Ausdrücken und Verhaltensweisen Ahriman Mirzas Worte Nietzsches gegenüber und stellt verblüffende Parallelen fest. Zum Ende Ahriman Mirzas merkt Schmidt an: "Da Friedrich Nietzsche im Wahnsinn starb, verfällt auch Ahriman Mirza am Ende in geistige Umnachtung. Und May ist gut informiert gewesen: brach Nietzsche in Turin neben einem Droschkengaul zusammen, so sinkt auch Ahriman auf sein totes Pferd nieder" (14)! - Wie man sieht, ist das Thema dieses Romans ein ganz anderes als das von 'Und Friede auf Erden'. Dennoch lassen sich Parallelen ziehen: Der Kampf zwischen Licht und Schatten mit dem Sieg des Lichts, d.h. des guten Prinzips, bedeutet gleichzeitig den Sieg der reinen unverfälschten Gottes- und Nächstenliebe. Es bedeutet auch einen Sieg der Dschamikun, deren Glaube aus einem konfessionslosen Christentum besteht, das gleichzeitig auch die Züge eines überkonfessionellen Humanismus trägt. An einigen Stellen gibt es im Roman auch hierauf Hinweise. Die Dschamikun nennen Gott "Chodeh". Der Ustad (=May) ist der Ansicht, daß es gleichgültig ist, ob man Gott, Allah oder Chodeh sagt. "Als ob der Ewig-Eine von irgendeinem sich überhebenden Menschenkind gezwungen werden könnte, für jede andere Sprache (...) auch ein anderes Wesen anzunehmen! (...) Man gibt ihm in jeder Sprache und in jeder Anbetungsweise so viele und so verschiedene Namen; aber er ist und bleibt stets derselbe" (15). Man kann auch nicht behaupten, daß es nur eine bestimmte Kirche gebe, in der Gott wohne: "Wer einen besonderen Ort für Gott bestimmt, der begeht die Sünde, dem allesumfassenden Geist die Fesseln von Raum und Zeit anlegen zu wollen" (16). Im "Silberlöwen" findet sich übrigens auch eine Vorausdeutung auf Karl Mays Selbstbiographie: Der Ustad legt Kara Ben Nemsi einen Band vor, der "Mein Leidensweg" betitelt ist. Der ursprünglich geplante Titel der Selbstbiographie Mays war "Am Marterpfahl und Pranger".

Das 1906 entstandene einzige vollständige Drama Mays 'Babel und Bibel' hat eine spezielle Thematik. Es zeigt die Entwicklung des peitschenschwingenden Gewaltmenschen Abu Kital zum Edelmenschen. Äußerer Anstoß für das Drama war der sogenannte "Babel-und-Bibel-Streit". In diesem Streit (ca. 1902) ging es um die Frage, wieweit die Stoffe, Gesetze und Glaubenssätze des Alten Testaments von babylonischen bzw. assyrischen und sumerischen Vorbildern abhängig sind. So spielt auch das Stück vor dem Hintergrund des Turmes von Babel, wobei ein Wissenschaftler namens Babel die Ausgrabungen leitet. Abu Kital (Vater des Kampfes), der Scheik der An' allah, hatte Bent' ullah (Tochter Gottes), eine Christin, zur Frau genommen. Deren christlicher Einfluß paßte dem Imam (Glaube) und dem Kadi (Recht) nicht. Durch eine Intrige veranlaßten sie Abu Kital, seine Frau und seinen Sohn zu verstoßen. Im Stück weilt Bent' ullah, als Bibel verkleidet, im Lager der An' allah. Ben Tesalah (Sohn des Friedens), der es bis zum Scheik der Kiram (Edelmenschen) gebracht hat, kommt als Scheik einer Todeskarawane verkleidet in das Lager der An' allah (Gewaltmenschen, die sich "wie Gott" dünken) und fordert Abu Kital heraus. Er ist der Sohn von Bent' ullah und somit auch der Sohn Abu Kitals. Am Ende findet die getrennte Familie wieder zusammen, und Abu Kital wandelt sich zum Edelmenschen hin. Die Handlung


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erscheint einfach und vordergründig; sie wird aber durch Symbolik und zahlreiche Begleithandlungen komplizierter. Ins symbolische übersetzt bedeutet sie in der Grundlinie folgendes: Mit Bent' ullah kam der Geist der Bibel zu den Menschen der Gewalt im Lande Babel. Sie wurde jedoch verstoßen und ihr Geist in einem Turm gefangen gesetzt. Die Vertreter der Geistlichkeit (Imam) und die Vertreter der Rechtlichkeit (Kadi) haben verhindert, daß der wahre Geist der Bibel befreit wurde. Die Wandlung Abu Kitals zum Edelmenschen hin bringt ihn dazu, die Befreiung selbst vorzunehmen. So bedeutet das Ende des Stücks wiederum den Sieg eines überkonfessionellen Christentums und einer überkonfessionellen Humanität über den alleinseligmachenden Anspruch einzelner Religionen und Glaubensrichtungen. Mit dem Imam ist von May nicht eine bestimmte Religion gemeint; zur Konkretisierung des Gemeinten jedoch und weil das Stück eine "Arabische Fantasie" darstellt, spricht er für den Islam. Nach May hätte es aber jede beliebige andere Religion sein können, so z.B. auch das Wortchristentum. Durch den Islam kann die Idee eines auf Gewalt beruhenden Weltreichs, das Abu Kital anstrebt, besser verdeutlicht werden. Auch der Islam hat ja einmal von einem solchen Weltreich geträumt. In 'Babel und Bibel' steht auch erstmals die berühmte Erzählung von der "Geisterschmiede", durch die Abu Kital noch muß. Die Foltern und Qualen, die eine Seele, die sich wandeln will, durchstehen muß, werden ausführlich beschrieben. Am Ende des Stückes wird aus dem drohenden Kampf zwischen mehreren Stämmen Frieden, und mit diesem Stichwort ist ein Thema angeschnitten, das Karl May in seinen nächsten Werken immer stärker beschäftigen soll. Dieser Frieden wird ohne Gewalt und Blutvergießen herbeigeführt. Nicht zuletzt ist der Ausgang des Stückes auch der "Menschheitsseele" und Herrscherin von Märdistan, Marah Durimeh, zu verdanken, die zunächst als "Phantasie" verkleidet, die Bühne betritt. Ihr zur Seite steht ein alter Hakawati (Märchenerzähler), der durch seinen Kontakt mit Marah Durimeh mehr von der Wahrheit ahnt und weiß als zahlreiche andere Personen des Stückes. Zweck und Thema von 'Babel und Bibel' hat Karl May in zwei Sätzen zusammengefaßt: "Wir können nur dann erst gute Christen sein, wenn wir vorher gute Menschen geworden sind. Gute Menschen aber werden wir nur dann, wenn wir uns aus Gewaltmenschen zu Edelmenschen entwickeln" (17).

"Der Mir von Dschinnistan" ist neben dem "Silberlöwen" Karl Mays zweiter großer Roman aus der Spätphase. Er entstand in den Jahren 1907-1909. In diesem Roman weitet May das Geschehen in fast kosmische Dimensionen. Die Reisen finden nicht mehr in einer geographisch lokalisierbaren äußeren Welt, sondern in einer inneren Welt, der Welt der Seele, statt. Die Handlung läuft praktisch auf drei Dimensionen ab: Die Welt der Seele ist die Innenwelt des Menschen, der in der Außenwelt existiert; diese Welt der Seele wird aber wiederum durch eine im Raum stattfindende Handlung nach außen transponiert. Diese dreifache Schachtelung könnte man in Abänderung des Titels eines Gedichtbandes von Peter Handke "Die Außenwelt der Innenwelt der Außenwelt" nennen (bei Handke heißt es: "Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt"). Ausgehend von einem Kulturbild der Menschheit wird die Entwicklung vom Gewaltmenschen zum Edelmenschen in neuerlicher Abwandlung geschildert. Marah Durimeh, die Menschheitsseele, sendet Kara Ben Nemsi (Menschheitsfrage) und Hadschi Halef Omar (Anima) durch Ardistan, das Land der Gewaltmenschen, nach Dschinnistan. Der Mir von Ardistan hat Dschinnistan den Krieg erklärt; den drohenden Kampf soll Kara Ben Nemsi verhindern. Auf dem Weg kommt Kara Ben Nemsi zunächst zu den Ussul, den "Urmenschen", einem stämmigen und derben Menschenschlag, der aber schon den Keim zum Edelmenschen in


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sich trägt. Die Ussul sind gutmütig und etwas kindlich, werden de jure von einem Scheik, de facto aber von der Scheikin Taldscha regiert (Sinnbild für das Mutterrecht bzw. weibliche Gottheiten in Urreligionen). Ihnen fehlt aber das Verständnis für den anderen Teil der Menschen, die Seele. Deshalb halten sie den Dschirbani gefangen, der für die Seele spricht und für die Befreiung des Menschen vom Tierischen. Von den Ussul wird er für verrückt gehalten. Kara Ben Nemsi (in einer Doppelrolle als Menschheitsfrage und Geist) und Halef (stellvertretend für den Körper) befreien den Dschirbani (Seele), der sie auf ihrer weiteren Reise begleitet. Dann trifft Kara Ben Nemsi auf die Tschoban (Urbild der Nomadenvölker) und einen ihrer Anführer, den "Panther" (Tier im Menschen). Er wird später zum Hauptgegner. Schließlich gelangt das "Ich" nach Ard, der Hauptstadt von Ardistan. In Ardistan lebt ein hochentwickeltes Kulturvolk, das aus Gewaltmenschen besteht, aber auf den Weg zum Edelmenschen geführt werden kann. Hier gibt May ein Bild von der heutigen Menschheit. Der Mir von Ardistan, ein zweiter Abu Kital, wird von Kara Ben Nemsi im Lauf der Ereignisse auf den rechten Weg geführt. Bis dahin geschieht jedoch noch vieles. Der "Panther" hat sich das Vertrauen des Mir erschlichen und wagt einen Aufstand. Er nimmt den Mir, Kara Ben Nemsi und seine Gefährten gefangen und schafft sie in die "Stadt der Toten". Bei der "Dschemmah der Lebenden und der Toten" ist der Mir bereit, seine Schuld und die seiner Ahnen zu sühnen und erhält Vergebung. Der Weg zum Edelmenschen ist für ihn frei. Darauf wird Ard unblutig zurückerobert, und der große Endkampf an den Toren von Dschinnistan steht bevor. Auch der Mir von Dschinnistan schickt aus den feuerspeienden Bergen (Vulkane) des Hochlands Hilfe. Der "Panther" geht mit seinem Heer in den von Dschinnistan kommenden Fluten unter, die Ardistan fruchtbar machen. So geht die Sage in Erfüllung, daß das trockene Ardistan beim Herannahen des Friedens wieder erblühen wird. Kara Ben Nemsi wird an der Schwelle von Dschinnistan von Marah Durimeh erwartet; seine Mission ist erfüllt. An dieser Stelle bricht das Werk ab.

Auch im "Mir von Dschinnistan" ist wieder sehr viel religiöse Thematik enthalten. An neuen religiösen Strömungen kommt der Lamaismus hinzu. Der Lamaismus ist der Buddhismus Tibets. Im Roman tritt ein gewisser Maha-Lama von Dschunnubistan auf. Bei ihm ist die Verschmelzung mit dem Göttlichen besonders stark. Er wird ständig wiedergeboren. "Wer mich sieht, der sieht Gott. Wer mit mir spricht, der spricht mit Gott! Also, wer mich hat, der hat Gott! (...) Ich bin vom Himmel herniedergestiegen, um so lange immer wieder von neuem geboren zu werden, bis ich die Menschheit von den Leiden des irdischen Kreislaufs befreit habe. Dies geschieht, indem alles, was auf Erden lebt, in das Nirwana sinkt. Ist dies geschehen, so ist mein irdisches Werk vollbracht, und ich steige zu anderen Sternen auf, um es dort fortzusetzen" (18). Der Lama-Priester stellt eine eigene Theorie der Liebe zu Gott auf. Danach dominiert auf der Erde der Haß über die Liebe. Auch Gott ist Egoist und kann deshalb nicht Vater genannt werden. In seiner Schöpfung vernichtet er sich selbst. "Der Geist verwandelt sich in Stoff; der Schöpfer wurde Geschöpf. Um sich als Gott wiederherzustellen, muß er den Stoff in Geist zurückverwandeln, muß er die Schöpfung wieder vernichten, Schritt um Schritt, in umgekehrter Reihenfolge wie sie entstanden ist. (...) Je höher Gott wächst, um so kleiner wird das Geschöpf. In dem Augenblick, an dem der letzte Rest des Alls verschwindet, wird Gott am größten sein. Darum klug und selig der Mensch, der (...) nach Gottes Größe trachtet! Er wird (...) immer kleiner und kleiner werden, bis seine Existenz vollständig zu Ende ist und er ganz in Gott verschwindet. Dieses Aufhören alles eigenen Seins, dieses


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völlige, restlose Aufgehen in Gott, so daß es nicht mehr die geringste Spur von Erinnerung gibt, ist unsere Seligkeit, ist unser einziges und höchstes Ziel, ist -- Nirwana" (19)! Dies sind eindeutig buddhistische Gedankengänge. Das Aufgehen in Gott bringt am Ende des achtfachen Pfades Glückseligkeit und Erlösung vom Leid. Auch der Gedanke, daß der Tod stets zu neuer Geburt führt, stammt aus dem Buddhismus. Freilich hat der Maha-Lama noch nicht die höchste Stufe, das Nirwana, erreicht, denn wo das Streben nach dem Werden ausgerottet ist, gibt es keine Wiedergeburt mehr. May steht der Auffassung des Lama gar nicht so ablehnend gegenüber: "Ließ schon dieses sein Äußeres erraten, daß er kein gewöhnlicher Mensch sei, so zeigten auch seine Worte, daß er ebenso auf intellektuellem Gebiet auf Wegen wandelte, die der Fuß alltäglicher denkender Menschen nicht betritt. (...) Ich bin überzeugt, daß gar mancher andere an meiner Stelle das, was ich gehört hatte, für puren Wahnsinn erklären würde; ich aber war geneigt, es einstweilen als die allerdings höchst seltsame Übertreibung einer an sich ganz gesunden Idee zu betrachten. (...)" (20). May erklärt die Überspanntheit des Lama aus seinem religiösen Milieu; er sieht daher keinen Grund, über seine Vorstellungen zu lächeln. Zur Zeit der Reiseerzählungen kam May schon einmal kurz mit Buddhismus und Lamaismus in Berührung, nämlich in der Erzählung 'Der Brodnik'. Dort ist Mays Urteil noch nicht so positiv: "Dieses fromme Suchen nach Gott auf falschem Weg hatte für mich etwas tief Ergreifendes; ich hätte am liebsten Missionar sein mögen und gestehe gern, daß ich noch niemals so viel über Religion gesprochen habe, wie in dieser kurzen Zeit mit Schangü" (21). In dieser älteren Erzählung überwiegt noch der Missionsgedanke, während sich die Anschauungen des Lama in die Religion des späten May teilweise integrieren lassen. Alle auf May einwirkenden religiösen Strömungen werden an einer Stelle nochmals genannt. In der Nähe der Wohnung des Dschirbani stehen Säulen mit Inschriften aus den großen Büchern der Religionen; den vier Reden (Brahmanismus), dem Zend Avesta (heiliges Buch des Parsismus), den fünf King (kanonische Schriften des Konfuzius), der Bibel und des Koran. - Auch im "Mir von Dschinnistan" erhält das reine und wahre Christentum wieder das Übergewicht über den Islam und den Lamaismus (Vertreter für alle anderen Religionen). Dies zeigt sich u.a. darin, daß es Kara Ben Nemsi gelingt, das christliche Weihnachtsfest in Ardistan bzw. Ard heimisch zu machen und den dort lebenden Christen, die bisher nur geduldet wurden, zu einer herausragenden Stellung zu verhelfen. Sinnbild für die Erlösung und den bevorstehenden Frieden auf Erden ist der Stern von "Bet Lahem". Die Christen durften alle hundert Jahre einmal ihren Gottesdienst vor einem Hochaltar feiern. Der Stern konnte durch Zündschnüre entzündet werden. Alle hundert Jahre, so die Sage, bestand die Möglichkeit der Erlösung, wenn der jeweilige Mir von Ardistan dazu gezwungen wurde, selber den Stern anzuzünden. Als Kara Ben Nemsi in Ardistan weilt, sind die hundert Jahre gerade um, und der Mir zündet "aus Versehen" den Stern an. Dies bedeutet den Sieg des Christentums. - Stark zum Tragen kommt auch der Friedensgedanke. Gleich am Anfang des Romans wendet sich Marah Durimeh entschieden gegen den Krieg, auch gegen den "humanisierten" Krieg: "Hat der Krieg eine eiserne Hand, so habe der Friede eine stählerne Faust! Nur die Macht imponiert, die wirkliche Macht. Will der Friede imponieren, so suche er nach Macht, so sammle er Macht, so schaffe er sich Macht. (...) Alle Rüstung der Erde und alle Rüstung ihrer Völker war bisher auf den Krieg gerichtet. Als ob es unmöglich wäre, in eben derselben und noch viel nachdrücklicherer Weise auf den Frieden zu rüsten" (22)! Der zu erstrebende Friede darf also kein nachgiebiger Friede, sondern muß ein streitbarer Friede sein. Gefordert


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wird aber von Marah Durimeh noch mehr, eine Wissenschaft, die dem Frieden dient, eine Vorform der heutigen Friedensforschung: "Ihr habt Kriegswissenschaften, theoretische und praktische. Und Ihr habt Friedenswissenschaften, theoretische, aber keine praktischen. Wie man den Krieg führt, das weiß jedermann; wie man den Frieden führt, das weiß kein Mensch. Ihr habt stehende Heere für den Krieg, die jährlich viele Milliarden kosten. Wo habt ihr eure stehenden Heere für den Frieden, die keinen einzigen Para kosten, sondern Milliarden einbringen würden" (23)? Mit den Friedensheeren soll nicht Krieg mit anderen Mitteln geführt werden, sondern sie sollen aus Menschen bestehen, die andere zum Edelmenschen hin umwandeln. Weiter wird das schon bekannte Thema der Aussöhnung des Abendlandes mit dem Morgenland angesprochen: "Die Wege, welche vom Abendland zum Morgenland führen, sollen nicht mehr Wege des Krieges, sondern Pfade des Friedens sein! Laßt Waffen - und Soldatentransporte verschwinden! Der Handel blühe! Die Wohlfahrt eile freudig hin und her, um Zwiste auszugleichen, Schäden zu heilen und Segen zu verbreiten! Dann wird der Mensch des Menschen würdig sein" (24). Die Aussöhnung muß bald erfolgen, denn Marah Durimeh bzw. May sieht das Aufkommen weiterer Machtblöcke: China und Amerika. Nicht zuletzt wird auch schon im Roman die Versöhnung geprobt, als Vertreter aller vorkommenden Religionen sich im Kampf gegen den "Panther" zusammenfinden.

Eindrücke der Amerika-Reise von 1908 veranlaßten May, seinen Blick noch einmal nach dem Westen zu wenden. In den Jahren 1909-1910 entstand Mays letzte Reiseerzählung 'Winnetou IV'. May gedachte, mit diesem Roman auch seinen Wildwesterzählungen einen symbolisch höheren Abschluß zu geben. Darum knüpft er auch an Handlungsfäden früherer Geschichten an. Es treten auf: Old Surehand und Apanatschka sowie deren Söhne Young Surehand und Young Apanatschka, Hariman und Sebulon, die Söhne des Schurken Santer. Die Handlung ist schnell skizziert: May erhält zu Hause mehrere Briefe aus dem fernen Westen. Freunde und Feinde schreiben und fordern ihn auf bzw. bitten ihn, zum Mount Winnetou zu kommen, wo eine große Versammlung indianischer Stämme stattfinden soll. Unter der Leitung eines Kommittees (25) (bestehend aus Weißen) soll Winnetou ein Denkmal gesetzt werden, da man seine Bedeutung für die rote Rasse inzwischen erkannt hat. Old Shatterhand macht sich ein letztes Mal zur großen Reise auf, begleitet von seiner Frau, dem "Herzle" (=Klara). Im Hotel eines alten Freundes an den Niagara-Fällen lernt May zwei Indianerhäuptlinge kennen, die sich philologischen Studien widmen. Dort trifft May auch die Söhne Santers, von denen der eine die Schuld seines Vaters sühnen (um sich vor einem rätselhaften Trieb zum Selbstmord zu retten), der andere ihn jedoch an seine Feinde am Mount Winnetou ausliefern will; beide kommen am Schluß um. Unterwegs kommt Old Shatterhand mehrfach mit männlichen und weiblichen Mitgliedern des Clan Winnetou in Berührung, unter anderen auch mit dem "Jungen Adler", der eine Art zweiter Winnetou ist. Am Nugget-Tsil, wo die Gräber von Winnetous Vater und Schwester sind, findet Old Shatterhand ein zweites Testament seines roten Bruders (Santer hat bekanntlich das erste vernichtet). Am Mount Winnetou führt Old Shatterhand ein Gespräch mit Tatellah-Satah, dem "Bewahrer der großen Medizin", einem amerikanischen Abbild von Marah Durimeh, deren Einfluß jetzt auch bis hierher reicht. Schließlich kann er auch Old Surehand, Apanatschka und ihre Söhne überzeugen, daß Winnetou ein falsches Denkmal - aus Stein - gesetzt werden soll. Als die Feinde, die das Lager überfallen wollen, sich während den Anmarsches gerade in der Höhle unterhalb des Standbildes befinden, stürzt diese mitsamt dem Denkmal, wo Winnetou raubtierhafte Züge zeigt, zusammen, und schließt die Feinde ein. Es gelingt


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jedoch, sie zu befreien, und Old Shatterhand besiegt auch die feindlichen Indianer im Lager ohne Blutvergießen, indem er droht, ihre Medizinen, die er sich angeeignet hat, zu verbrennen. Am Schluß steht ein allseitiger Friede, und Winnetou wird endlich das richtige Denkmal gesetzt, indem die rote Rasse ihre zukünftige Aufgabe erkennt. Der "Junge Adler" fliegt mit seinem Flugapparat dreimal um den "Berg der Medizinen", wie eine alte Sage einst verheißen hat, um den Schlüssel zu den Schätzen der Vergangenheit und somit auch den Schlüssel zur Zukunft zu holen. - Obwohl 'Winnetou IV' nicht zu den dichterisch stärksten Büchern Mays gehört, bildet es doch einen würdigen Abschluß seines erzählerischen Werkes. Es bezeichnet einen Wendepunkt und einen Endpunkt. Einen Wendepunkt bildet es deshalb, weil durch den Einbruch der modernen Zivilisation die Zeit des "wilden" Westens vorüber ist. Das indianische Volk ist dazu aufgerufen, endlich zu erwachen und aus der Zersplitterung sich feindlich gegenüberstehender Stämme zu einer Einheit zusammenzuwachsen. Diese Aufgabe soll der Clan Winnetou erfüllen helfen. Er hat dabei eine soziale und eine theologische Aufgabe. Die soziale besteht in der schon genannten Einigung der Stämme; die theologische in der Erhaltung eines einigenden Gottes. "Die Forschung hat gezeigt und wird noch weiter zeigen, daß der echtblütige Indianer gläubiger Monotheist war und sich dabei glücklich fühlte, bis die zersetzende Vielgötterei sich von außen her tief in sein Inneres bohrte und den großen Niagarafall des Rassensturzes und der Rassen- und Sprachzerstäubung vorbereitete" (26). Hauptaufgabe des roten Volkes ist es, nicht länger Kind zu bleiben, sondern mündig zu werden. Einen Endpunkt signalisiert das Werk deshalb, weil erstmals die Technik in Karl Mays Reich eindringt. Das Winnetou-Denkmal vor den Schleiern eines Wasserfalls soll mittels Energiegewinnung aus dem Wasser elektrisch beleuchtet werden; das Bild, das das Denkmal später ersetzt, wird beleuchtet. In einer Zeit, da die ersten Flugzeuge am Himmel kreisten, läßt May den "Jungen Adler" mit Hilfe einer Flugmaschine fliegen. Damit nimmt May Abschied von der Überzeitlichkeit des Märchens, er entmythologisiert sich selbst.

Auch an religiösem Gedankengut findet sich einiges. Überkonfessionelle Humanitätsgedanken spricht May diesmal selbst aus, während er auf die Rolle Winnetous für das rote Volk hinweist. Winnetou war ein Edelmensch und wollte Seele sein. Da er weder Gelehrter noch Künstler, weder Schlachtensieger noch König war, ist ein steinernes Denkmal überflüssig. "Er soll leben und leben bleiben, in mir, in uns, in Euch, in seinem Volk, in --- der Seele seines Volkes, die in ihm zu neuem Bewußtsein kam, und zwar zu dem Bewußtsein, daß für eine dem Untergang geweihte Nation das große Gesetz von Dschinnistan der einzige Weg ist, sich von diesem Untergang zu retten. Er hätte sich gar wohl als Held, als Feldherr aufspielen können. Er verzichtete darauf, denn er erkannte, daß dies das Ende nur beschleunigt hätte. Er riet zum Frieden, und wohin er nur kam, da brachte und gab er nur Frieden" (27). Der Rote muß zur selbständigen und mündigen Persönlichkeit werden. Er muß den Mord untereinander, der nur Selbstmord ist, beenden und danach trachten, den bisherigen Haß in Liebe umzuwandeln. Jeder rote Mann soll der Engel seiner Brüder sein. Der "Junge Adler" ist damit einverstanden: "Sind die Namen Winnetou und Old Shatterhand nicht bei der roten Nation zum Sprichwort geworden? Zum Symbol der Freundes- und der Menschenliebe, der Hilfsbereitschaft und der Aufopferung sogar bis in den Tod? (...) Wo ist das Wort, daß einer der Schutzengel des anderen war, wohl richtiger als bei ihnen? Was wir getan haben, ist nichts Besonderes. Wir haben einen Clan, einen neuen Clan gegründet, wie es deren so viele gab und auch heute noch gibt bei den roten Männern. Ein


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jedes Mitglied verpflichtet sich, der Schutzengel eines anderen Mitglieds zu sein, das ganze Leben hindurch, bis in den Tod. Wir hätten diesen Clan den 'Clan der Schutzengel' heißen können, haben ihn aber den 'Clan Winnetou' genannt, weil dies bescheidener und praktischer klang. (...) Es soll dies das einzige Denkmal sein, das ihm die rote Rasse setzt. Es gibt kein besseres und kein wahreres" (28). Die Schutzengel müssen dabei einander unbekannt bleiben; niemand soll wissen, wer sein Schutzengel ist. Hier wird quasi die Theorie, daß Gottes Schutzengel den Menschen behüten, in die Praxis umgesetzt. May dürfte den Glauben an Schutzengel aus dem Katholizismus übernommen haben, obwohl er auch im Islam und in anderen Religionen vorkommt. Von Schutzengeln ist aber auch vor dem Spätwerk öfter die Rede (z.B. in 'Old Surehand' und 'Am Jenseits'), besonders während Karl Mays "katholischer" Periode, was diese Annahme bestätigen dürfte. Auch das Christentum kommt in 'Winnetou IV' zu seinem Recht. Diesmal ist es das Kreuz, das eine besondere Rolle spielt. Tatellah-Satah spricht darüber: "Schaut hin auf das Kreuz! Es blüht, um uns zu erlösen. Es nimmt uns Manitou, um Manitou uns zu geben. Es sagt uns, daß es nur einen einzigen gibt, den Allmächtigen, den Allweisen, den Allstarken, den Allgütigen. (...) Das Kreuz ruht in der Erde und ragt zu Gott empor. Das ist das eine, was es bedeutet. Aber es breitet seine beiden Arme aus, um jedermann und alle Welt zu umfangen. Das ist das andere, was es bedeutet" (29). Der Manitou der Weißen erweist sich somit als stärker als der der Roten und wird beide Rassen in Liebe vereinen. Hier kommt wieder die Maysche Bedingung für einen religiösen Synkretismus zum Vorschein: Die Vereinigung der Religionen wird möglich, weil Tatellah-Satah das Kreuz annimmt und mit ihm die Erlösung, die für alle gilt. Auch in diesem letzten Buch ist May noch einmal von einer religiösen Strömung beeinflußt worden. Diesmal handelt es sich um die "Christian Science" (Christliche Wissenschaft), eine Sekte, die ihren Ursprung in Amerika hat. Ihre Gründerin war Mary Baker Eddy, die 1875 die Bibel der "Christian Science" veröffentlichte, die sie aufgrund persönlicher Erfahrungen selbst geschrieben hatte. "Science and Health" (Wissenschaft und Gesundheit) heißt dieses Buch. Das Grundprinzip der "Christian Science" ist dies: Gott ist Alles-in-allem; er ist gut; das Gute ist Geist, also ist Gott Geist; da Gott Geist, alles ist, ist nichts Materie; Krankheit, Sünde, Tod und das Böse sind unwirklich und Einbildung; Gott ist Prinzip, Geist, Gemüt, Seele, Wahrheit, Leben, Liebe; der Mensch als Bild Gottes kann daher auch nur Geist sein; Gott ist auch Seele, daher kann der Mensch nur ein Teil der göttlichen Seele, der Weltseele, sein. Diese Gedanken der "Christian Science" sind Mays Denken sicher sehr entgegengekommen. Er dürfte die Sekte und ihren Glauben nicht intensiv gekannt haben, denn in der Lehre ist auch einiges, was er sicher abgelehnt hätte. Jedenfalls hat May während seiner Amerikareise 1908 einen Gottesdienst der "Christian Scientists" in New York besucht. Der Raum war, so berichtet Wollschläger, mit allerlei Blumen ausgeschmückt. Besonders beeindruckt hat ihn eine riesige leuchtende Sonne an der Glaskuppel mit dem Wort "Love". Wollschläger schreibt: "Love heißt fortan der Leitstern der immer müderen Spätjahre; - im Passiflorenraum von 'Winnetou IV' kommt die Stimmung des Blumentempels herauf" (30). Schon im Vortrag in Lawrence über die "Drei Menschheitsfragen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?" zeigt sich dieser Einfluß in den Antworten Mays. Danach ist der Mensch ein werdender Geist, der um so menschlicher denkt und handelt, je mehr er sich der göttlichen Liebe wieder nähert. Er kommt von Gott und kehrt wieder zu Gott zurück. Auch die Szenerie von 'Winnetou IV'


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gemahnt an das Stichwort "Love". Ein Treffen von mehreren Tausenden unter dem Zeichen des Friedens; Lager, Zelte, eine Gemeinde, eine Bühne, große Bilder (Poster?), Lichteffekte. Das alles wirkt wie eine Vorwegnahme der großen Pop-Festivals der Blumenkinder (!) Ende der sechziger Jahre unseres Jahrhunderts. "Love, peace and happiness", Liebe, Frieden und Glückseligkeit hieß dort das Motto, das genauso gut über dem Ende von 'Winnetou IV' stehen könnte. Eine ebenso wichtige Rolle spielt die Jugend als Träger des geistigen Erbes. Karl May erweist sich wieder einmal als der geniale Ahner, fast als Prophet.

Die Betrachtung der religiösen Entwicklung Karl Mays ist am Ende angelangt. Mays Grundgedanke vom überkonfessionellen Christentum und von der überkonfessionellen Humanität findet sich in jedem seiner Spätwerke unter jeweils anderer Thematik wieder. Er wird von Mays letzten bekannten schriftlichen Äußerungen, dem skizzenhaften Manuskript der Wiener Friedensrede wenige Tage vor seinem Tode, nochmals untermauert. Dort heißt es über Sitara: "Da kann es nicht 3 oder gar 5 Menschenrassen und 5 Erdteile geben, sondern nur 2 Erdteile mit einer einzigen Rasse, die aber nach gut und bös, nach hoch oder niedrig denkend, nach auf- oder abwärtsstrebend geschieden ist. Körperbau, Hautfarbe u.s.w. sind da vollständig gleichgültig, verändern nicht im geringsten den Werth oder Unwerth des betreffenden Menschen" (31). Besonders interessant ist die Geschichte vom Sündenfall Adams. Dieser lebte einst im Paradies (Dschinnistan), schickte seine Gedanken aber in das verbotene Ardistan, wo der "Baum der Erkenntnis" stand. Nach dem Sündenfall versteckte er sich. "Da kam der Herr und rief: 'Adam, wo bist du?' Adam heißt Mensch. Gemeint ist der Edelmensch. Also: 'Mensch, Edelmensch, wo bist du?' In diesem Augenblicke war die Menschheitsfrage geboren. Sie verließ mit Adam das Paradies. Gott war gnädig mit ihm, der nun in Ardistan wohnte und darum sterben mußte. Er verlieh ihm die Erlaubniß der Nachkommenschaft, in der er weiterleben durfte, um im Laufe der Jahrtausende durch fortgesetzte Läuterung nach Dschinnistan ins Paradies zurückzukehren" (32). Auch anderen Religionen wird bestätigt, daß sie das gleiche Ziel wie er anstreben: "Aber glauben wir ja nicht, daß die Sehnsucht nach Dschinnistan erst von heut ist! (...) Religion der Inder, Chinesen, der Inkas zeugen von großer Sehnsucht nach Edelmenschlichkeit" (33). Schließlich ist Karl May, das sei zum Schluß gesagt, auch selbst ein Werdender. "Es gibt (...) in meinen Werken keine einzige Gestalt, die ich künstlerisch durchgeführt und vollendet hätte, selbst Winnetou und Hadschi Halef Omar nicht, über die ich doch am meisten geschrieben habe. Ich bin ja mit mir selbst noch nicht fertig, bin ein Werdender. Es ist in mir noch alles in Vorwärtsbewegung, und alle meine inneren Gestalten, alle meine Sujets bewegen sich mit mir. Ich kenne mein Ziel; aber bis ich es erreicht habe, bin ich noch unterwegs, und alle meine Gedanken sind noch unterwegs" (34). In diesen Sätzen steckt eine tiefe Wahrheit.


3. Das Verhältnis Karl Mays zum Islam

Dieses Kapitel könnte für überflüssig gehalten werden, da die Stellung Mays zum Islam leicht aus dem in den ersten beiden Kapiteln beschriebenen Religionsverständnis abgeleitet werden könnte. Wenn dies trotzdem (obwohl kurz) geschieht, so deshalb, weil der Islam die einzige Religion außer dem Christentum ist,


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mit der May sich intensiver beschäftigt hat, und ihm somit eine gewisse Sonderstellung zukommt. Die Gründe für die Beschäftigung mit dem Islam liegen auf der Hand: Die nachwirkenden Erzählungen der Großmutter und der sich in der Welt der Orient-Romane ergebende natürliche Kontakt mit der fremden Religion.

In den Orientbänden reist Kara Ben Nemsi mit Begleitern, die der islamischen Religion angehören. Er kennt mehrere Suren des Korans auswendig und weiß über das Leben Mohammeds Bescheid; auch die Geschichte des Islam ist ihm nicht unbekannt (davon zeugt u.a. ein längerer Exkurs über Mohammed und seine Nachfolger am Anfang von Bd. 3). Von der Pflichtenlehre greift er immer Themen bei konkreten Anlässen heraus. Auf das Eherecht kommt er zu sprechen, wenn er Halef rät, sich nur eine Frau zu nehmen (obwohl ihm nach der Lehre Mohammeds vier zustehen). Genau weiß Kara Ben Nemsi um die Pflichten und Rituale, die der Gläubige bei seiner Pilgerfahrt nach Mekka erfüllen muß, betritt er doch selbst in Verkleidung die heilige Stadt. Die Reihenfolge der täglichen Gebete, die Niederwerfungen und die Gebetsrichtung sind für ihn nichts Unbekanntes. Er selbst kann es auch verantworten und hält es für keinen Verrat an seinem Glauben, in einer Moschee ein christliches Gebet zu sprechen. Dafür spricht auch, daß er öfter bei Begräbnissen in islamischer Weise aktiv beteiligt ist. Speiseverbote nach dem Koran sind Kara Ben Nemsi nur zu bekannt; wie oft muß er seinen treuen Freund Halef mahnen, wenn es diesen nach Wein oder Schweinefleisch (Schinken) gelüstet. Stets weiß er auch von erhaltener Gastfreundschaft zu berichten, die ebenfalls ein Gebot des Korans ist. Kara Ben Nemsi weiß auch manches über die beiden Glaubensrichtungen des Islam, die Sunniten (Rechtsgläubige, Bekenner des orthodoxen Islam, die genau den Lebensregeln und Gewohnheiten des Propheten folgen) und die Schiiten (sie vertreten eine von den Sunniten unterschiedliche Auffassung vom Leitungsamt der Gemeinde). Öfter kommt er mit Vertretern beider Glaubensrichtungen zusammen und verhindert manchmal auch Kampf und Krieg zwischen ihnen.

Die bisher aufgezählten Beispiele zeigen, daß May sich im Islam recht genau auskannte, manchmal bis in Einzelheiten. Was ihn mit dem Islam besonders verbindet, ist der Glaube an einen Gott, der Monotheismus. Er ist im Islam so stark, daß von Mohammed sogar die christliche Lehre vom dreieinigen Gott (Trinitätslehre) verurteilt wurde. Da Mohammed bekanntlich einen Teil seiner Weisheit aus der Bibel und aus Erzählungen von Christen geschöpft hat, ist die Übereinstimmung Mays mit dem Islam in vielen Punkten nicht verwunderlich. Da bei ihm (es ist, wo nicht ausdrücklich anders angemerkt, von den Reiseerzählungen die Rede) die religiöse Basis ein orthodoxes Christentum ist, kann er die islamische Religion freilich nicht als dem Christentum gleichwertig anerkennen. Er fühlt aber auch Achtung für die "Religion der Wüstensöhne". Einmal werden in einem Dankgebet die hundert Namen Allahs heruntergebetet. Karl May schildert die Szene wie folgt: "So betete der Scheik die hundert Namen Allahs der Reihe nach her, und die Beduinen sprachen sie andächtig nach. Es war für die beiden Deutschen ein ergreifender Anblick, diese halbwilden, sonnverbrannten Gestalten in der Einsamkeit der Wüste kniend und in melancholischem Unisono die göttlichen Namen betend" (1). Beim Begräbnis des Scheiks Mohammed Emin meint er: "Das war ein seltenes Begräbnis. Ein Christ, zwei Sunniten und ein Schiit hatten über dem Grab des Toten gesprochen, ohne daß Mohammed einen Blitz herniederfallen ließ. Was mich betrifft,


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so glaubte ich keine Sünde zu tun, wenn ich von dem toten Freunde Abschied nahm in der Sprache, die er im Leben gesprochen hatte" (2). Dazu ist anzumerken, daß Kara Ben Nemsi bei diesem Begräbnis kein ausgesprochen christliches Gebet spricht, sondern sogar die 75. Sure des Korans ("Auferstehung") rezitiert.

May steht in mehreren Punkten dem Islam kritisch gegenüber. Die Kritik bezieht sich auf das Gottesverständnis, die Rollen Mohammeds und Jesu, den Anspruch des Korans sowie einige Einzelheiten der Glaubenslehre. Für den Gottesbegriff gilt grundsätzlich, daß mit dem christlichen Gott und dem islamischen Allah ein- und dieselbe Person gemeint sind. Kara Ben Nemsi sagt zu einem Moslem: "Wir glauben an einen Gott, welcher derselbe Gott ist, den ihr Allah nennt" (3). Die Kritik des Islam an der Dreieinigkeit des christlichen Gottes kann er nicht teilen. Auf den Vorwurf hin, daß die Christen drei Götter (Vater, Sohn und Hl.Geist) hätten, entgegnet Kara Ben Nemsi: "Wir haben doch nur einen Gott, denn Vater, Sohn und Geist sind eins. Ihr sagt, 'Allah il Allah, Gott ist Gott!' Und unser Gott sagt: 'Ich bin ein starker, einiger Gott.' Euer Kuran sagt in der zweiten Sure: 'Er ist der Lebendige, der Ewige; ihn ergreift nicht Schlaf, nicht Schlummer; sein ist, was im Himmel und auf Erden ist.' Unsere heilige Bibel sagt: 'Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit; es ist alles offen und entdeckt vor seinen Augen; er hat die Erde gegründet, und die Himmel sind seiner Hände Werk.' Ist das nicht ganz dasselbe" (4)? Allah ist allwissend und allmächtig, aber auch barmherzig, vergebend und nachsichtig. Er ist der Schöpfer der Welt, dem die Menschen Dank zu zollen haben. Mit diesen Eigenschaften Gottes ist Karl May einverstanden, nicht aber mit der totalen Abhängigkeit des Menschen von Gott. Kellerhals hat in seinem Buch über den Islam (5) auf einige Unterschiede des mohammedanischen Gottesverständnisses vom christlichen hingewiesen. Danach wird Gott im Islam eine gewisse Willkür bei seinen Entscheidungen zugestanden. Bei den hundert Namen Gottes fehlen die Ausdrücke "Liebe" (ein zentraler Begriff bei May) und "Vater". Die Botschaft von der Liebe Gottes ist im Islam unbekannt, und der Mensch kann gegenüber Gott nur die Stellung eines Sklaven einnehmen. Zwar betont auch May, daß der Abstand zwischen Gott und Mensch praktisch unendlich groß ist, aber Gott kann vom Menschen immer wie ein Vater angesprochen und angerufen werden. May kann also dem Gottesverständnis des Islam nur teilweise zustimmen. Was Mohammed betrifft, so erwähnt May ihn hauptsächlich im Zusammenhang mit Jesus. Für das Verhältnis Jesus-Mohammed gilt, "daß euer Mohammed tief unter Christus, dem Sohn Gottes, knien muß, um ihn anzubeten" (6). Mohammed ist für May ganz Mensch; auf die spätere Erhöhung Mohammeds im islamischen Glauben zu einer Art Heiland geht er nirgends ein. "Mohammed aber war ein sündiger Mensch. Mohammed hat Haschisch gegessen und seine Suren erträumt, Christus aber ist am Kreuz gestorben, um die Sünden aller Welt auf sich zu nehmen. Wer an ihn glaubt, wird selig" (7). Mohammed ist nach eigener Bezeichnung der Weltapostel, der höchste Apostel, der eine abschließende Offenbarung bringt, die vorherigen Offenbarungen aufhebt. Kara Ben Nemsi stellt in einem Gespräch mit einem Mohammedaner seine Ansicht über ihn heraus:

"- Nach unserer Überzeugung ist er kein Prophet, sondern ein gewöhnlicher Mensch. -
- So gibt es bei euch wohl gar keine Propheten? -
- O doch! Wir verstehen unter Propheten die vom Heiligen Geist erleuchteten Männer, die Gott zu seinem Volk sandte, um es über die ewigen Wahrheiten zu belehren und auf den Weg des Heils zu leiten. -


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- Das hat Mohammed doch auch getan! -
- Nein. Der Weg, auf den er seine Anhänger wies, ist ein Irrweg. -
- So haltet ihr seine Lehre für durchaus falsch? -
- Ich möchte diese Frage nicht mit einem kurzen Ja beantworten. Er hat Richtiges und Falsches zusammengeworfen. Da, wo er lebte, gab es Juden und Christen. Von ihnen lernte er den Inhalt unserer Bibel kennen und setzte sich aus ihr und allerlei heidnischen Anschauungen, welche er vorfand, die Lehre zusammen, welche ihr Islam nennt. Was davon aus unserer Heiligen Schrift stammt, ist richtig, das übrige aber falsch. Da nun selbst die reinste Wahrheit, wenn sie mit der Lüge verquickt wird, nicht mehr Wahrheit ist, so muß der Koran, trotz vieler Stellen, mit denen wir einverstanden sind, verworfen werden -" (8).

May führt hier als Argument die Tatsache an, daß der Islam und der Koran erst rund 500 Jahre nach dem Christentum entstanden sind. Sein Urteil über die Lehre Mohammeds ist aber etwas kraß und schroff und läßt sich nicht ohne weiteres rechtfertigen. Von Mays Seite läßt sich diese Haltung wohl so erklären, daß er Jesus in einem höheren Licht sehen will. Bei Mohammed ist Jesus zwar ein Prophet, Marias Sohn, ein Wundertäter, aber nur ein Mensch, ein Diener Gottes, kein Heiland und Erlöser. Das hat May Mohammed wohl übelgenommen, und er strengt sich auch an, Jesus so darzustellen, daß auch Mohammed ihn als den Höherstehenden anerkennen muß. In einer harten Auseinandersetzung mit einem Anhänger des Propheten, der der Ansicht ist, daß die Christen als nicht Rechtgläubige der Hölle verfallen seien, trumpft Kara Ben Nemsi auf: "Wenn ihr es nicht wißt, nun so wissen wir Christen es aus dem Koran um so genauer, daß Mohammed wiederholt erklärt hat, der Himmel stehe auch den Christen offen. (...) Und endlich hast du behauptet, daß ihr Mohammedaner im jenseitigen Leben hoch über uns thronen werdet als Richter über Himmel und Hölle, über Leben und Tod. (...) Und sagt nicht Mohammed und sagen nicht die Kalifen und alle Ausleger des Koran, daß Isa Ben Marryam (Jesus, Sohn Mariens) allein es ist, der am Jüngsten Tag vom Himmel kommen und von der Moschee der Ommajaden in Damaskus aus alle Lebenden und Toten richten wird? (...) Also nicht euer Mohammed, sondern unser Christus wird richten, denn nur Gott allein kann richten, und Christus ist ja Gott, während Mohammed zwar euer Prophet, aber doch ein Mensch gewesen ist" (9). Der Stellenwert des Korans gegenüber der Bibel ist schon angeklungen. Der Koran hat Elemente aus der Bibel übernommen, weicht aber in allzu vielem von ihr ab. Für May gilt, kurz und prägnant formuliert: Der Koran hat Wahrheit, die Bibel ist Wahrheit. So sehr ablehnend gegenüber der Lehre des Islam wie im obigen Zitat steht May insgesamt aber nicht, sonst würde er nicht gelegentlich als Kara Ben Nemsi Worte aus dem Koran in den Mund nehmen. Als er einmal, des Mordes angeklagt, mit einem fanatischen Moslem ein Streitgespräch über den Koran und seine Aussagen führt und ihn mit seinen eigenen Waffen schlägt, spricht ihm ein weiser alter Mann seine Bewunderung für die Kenntnis den Korans aus: "Dieser Christ hat Worte gesprochen, die wie die eines wahren Gläubigen klingen, und ich erkläre, daß ich ihnen meinen Beifall spende. Solche Worte pflegt kein Mörder, kein Dieb zu sprechen. Ich habe gehört, daß er in die Tiefen den Korans eingedrungen ist. Wer das getan hat, darf nicht Giaur (Schimpfname für einen Christen) genannt werden, denn seine Seele ist der unserigen verwandt, weil sie uns in den heiligen Suren begegnete" (10). Der Münedschi führt in 'Am Jenseits', das den Beginn des Alterswerks Mays bildet, mit Kara Ben Nemsi ein in-


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teressantes Gespräch über den Glauben. Dabei rechtfertigt er den Kampf um die Ausbreitung des Islam: "Ihm (Mohammed) war ein anderer Weg vorgeschrieben als dem Stifter der christlichen Religion, nämlich der Kampf, während Jesus der Prediger der Liebe und des Friedens sein durfte. (...) Er, der Friedensfürst, wurde ans Kreuz geschlagen, und wie dabei der Vorhang im Tempel mitten auseinanderriß, so war der Friedensbund zwischen Allah und der Menschheit zerrissen, und es mußte der Prophet kommen, dessen Religion bestimmt war, auf den Spitzen der Schwerter getragen und verbreitet zu werden" (11). Da die Menschheit die Lehre Christi nicht freiwillig angenommen hat, hilft der Islam mit Gewalt nach. Diese Ansicht des Münedschi ist natürlich falsch; das erkennt auch Kara Ben Nemsi. Aber sie führt indirekt zum Gebot des heiligen Krieges, das von Mohammed ausgeht. Das kann May natürlich nicht akzeptieren, da es nicht mit seiner Vorstellung von Liebe vereinbar ist. Darum wertet May das Christentum auch höher: "Mohammed hat euch den Haß und die Rache, Isa uns aber die Liebe und die Versöhnung gebracht. (...) Ihr watet in Blut und vernichtet um eines Wortes willen eure eigenen Brüder, wir aber lieben selbst unsere Feinde und wagen unser Leben für die, welche nach dem unsrigen trachten. (...) Der Glaube der Christen muß doch ein besserer und schönerer sein als der, den Mohammed euch brachte" (12). Neben dem heiligen Krieg lehnt May auch die Blutrache ab, die Mohammed zwar nicht ausdrücklich guthieß, aber immerhin noch duldete. Auch fehlt dem Islam das Gebot der Feindesliebe, was von May ebenfalls bemängelt wird. Vom christlichen Glauben aus wendet May sich auch gegen die Vorstellung, daß das Weib keine Seele habe; für ihn sind Mann und Frau hier vom Schöpfer gleichberechtigt erschaffen worden. Schließlich lehnt May auch den Schicksalsglauben (Fatalismus), d.h. den Glauben des Mohammedaners an die Vorbestimmung (Prädetermination) des Menschen durch Allah ab. "Nichts befällt uns, als was Allah uns bestimmt hat" (Sure 9, 51) heißt es im Koran. May dagegen glaubt an die Vorsehung, d.h. die Lenkung seiner Geschicke durch einen gütigen Gott, nicht an die Festlegung seines Schicksals von Geburt an durch die Willkür Allahs. Der christliche Gott läßt dem Menschen mehr Freiheit.

So ergibt sich als Fazit, daß die christliche Religion die richtige ist, da sie über den Islam "Sieger nach Punkten" ist. Bestätigt wird Kara Ben Nemsi durch zahlreiche Bekehrungen von Menschen zum Christentum. Selbst wo die Menschen sich von ihm nicht bekehren lassen, haben sie meistens etwas vom Christentum übernommen, oft soviel, daß sie nur noch formell zum Islam gehören. Im Spätwerk freilich schwindet der Missionsdrang Karl Mays, und es finden auch kaum noch Auseinandersetzungen mit dem Islam statt. In den neuen Synkretismus wird auch der Islam mit eingeschlossen, und wo es doch zu einer Auseinandersetzung kommt, geschieht dies im Dienste der überkonfessionellen Humanität des späten May und gereicht ihm somit nach seiner Ansicht nur zu seinem Besten.


4. Karl May und einige Grundgedanken moderner Theologie

Dieses und das folgende Kapitel tragen einen mehr experimentellen Charakter. Dabei ist nicht beabsichtigt, Karl May unter allen Umständen zum Vorläufer der modernen Theologie zu machen. Vielmehr soll May mit einigen Phänomenen und Gedanken aus der modernen Theologie in Verbindung gebracht werden. Möglichkeiten und


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Grenzen einer solchen Betrachtungsweise werden zu sehen sein.

Zunächst gilt es, des Pfarrers und Theologen Christoph Blumhardt zu gedenken, auf dessen Schicksal der Verfasser bei seinen Nachforschungen stieß. Blumhardt lebte von 1842 (Geburtsjahr Mays) bis 1919 und wirkte hauptsächlich in Bad Boll. Auch sein Vater war Pfarrer gewesen; von ihm übernahm er geistiges Erbe. Blumhardt glaubte, daß das Reich Gottes nahe und als Macht im menschlichen Leben spürbar sei. Das Wort, nach dem Gott die Welt geliebt hat, müsse verwirklicht werden. Es geht um das Neuwerden der Welt durch die Hand Gottes. Darum richtete Blumhardt sein Interesse sehr auf die Welt. Schon Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ahnte er bei der Bündnispolitik der großen Mächte düstere Zeiten. Als die Politik Wilhelms II. arbeiterfeindlicher wurde und die Kirchen nichts unternahmen, trat Blumhardt der sozialdemokratischen Partei bei. Er war der Ansicht, daß Gott durch die sozialistische Bewegung die Christenheit an die Wahrheit seines Reichs mahnen wollte. Konsequenz seiner Haltung war, daß man ihn von den Rechten seines geistlichen Standes ausschloß. Dennoch blieb er konsequent in dem Glauben, daß Jesus das Reich Gottes auf Erden wolle wie auch im Himmel. Blumhardts Schwiegersohn ging 1899 als Missionar nach China. Mit ihm unterhielt er bis zum Ende des 1. Weltkrieges einen Briefwechsel. Darin mahnte er seinen Schwiegersohn, er solle nicht den Versuch machen, die Chinesen mit einem europäisch-kirchlichen Christentum zu "beglücken". Wichtiger sei es, die Tradition des chinesischen Volkes zu wahren und sie zum rechten Verständnis von Gott zu führen. Die dogmatische kirchliche Art der Mission, nach der Andersgläubige Heiden seien, die man entweder retten oder verdammen kann, ist nicht die richtige. Sie dient auch nur allzu oft dem Ziel, die Völker nicht unter Gottes Hände, sondern unter der Menschen Hände zu führen. - Man spürt die Nähe zu May in diesen Sätzen. Genau um dieselbe Zeit hat May in seinem Buch 'Und Friede auf Erden' den imperialistischen Eroberern dieselben Vorwürfe gemacht wie Blumhardt. Im Missionar Waller hat er genau den Typ geschildert, den Blumhardt auch im Auge hatte (wenngleich es bei Waller mehr krankhafter Wahn als Eroberungssucht ist; der Effekt ist jedoch derselbe). Es ist zu bedauern, daß Blumhardt und May sich in jenen Tagen nicht kennengelernt haben; sie hätten sicher Wohlgefallen aneinander gefunden.

Bei Blumhardt taucht ein weiteres wichtiges Stichwort auf, das des Reiches Gottes auf Erden. Dieser Gedanke ist für die moderne Theologie entscheidend geworden. Bei vielen Theologen dominiert er, sei es bei Teilhard de Chardin, bei dem Gott vorne (in der Zukunft) und nicht oben zu finden ist, sei es bei Ernst Bloch, der sich an das "Prinzip Hoffnung" klammert und als Ziel ansieht, daß die Erde dem Menschen wieder eine Heimat sein kann. Dabei wird oft vom Schöpfungsauftrag des Menschen gesprochen. Die moderne Theologie geht davon aus, daß dem Menschen die Schöpfung zugeeignet wurde; die Schöpfung ist nicht vollkommen, und darum ist es Aufgabe des Menschen, sie zu vollenden. Der Auftrag wird von Gott bestätigt, indem er den Menschen als Krone der Schöpfung über alle anderen Lebewesen stellt. Die Schöpfung wartet auf ihre Vollendung durch Arbeit und Liebe; der Mensch ist dabei der auf Vollendung drängende Entwurf Gottes. Im Paradies fließen nicht Milch und Honig, sondern es wird dort hart gearbeitet. Sofern der Mensch an Gottes Schöpfung baut, baut er am Reich Gottes, das auf Erden stattfindet, aber zumindest schon auf Erden beginnt (präsentische Eschatologie). Der Mensch soll sich politisch für mehr Sozialität einsetzen; die Zielrichtung ist Frieden, Gerechtigkeit, Vollendung der Gemeinschaft aller Menschen. Das zu


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verwirklichende Reich Gottes bedeutet nicht Herrschaft Gottes; der Mensch gehört nicht Gott, aber zu Gott. Jeder, der die Pläne Gottes voranbringt, ist eine Art Messias, ein Zeitenwender, ein Revolutionär. Dieser Revolutionär (revolvere = zurückdrehen) wird verstanden als einer, der seiner Zeit voraus ist und zurückgreift, um Menschen für sich zu gewinnen; er ist dabei nicht losgelöst von der Vergangenheit und der Tradition, denn er will nicht umstürzen und neu anfangen, sondern auf Vorhandenem, das wert ist, erhalten zu bleiben, aufbauen. Die Geschichte läuft dabei linear nach vorne, im Sinne einer evolutionären Entwicklung; es handelt sich nicht um einen Zyklus mit der ständigen Wiederkehr des Gleichen. -

Diesen Gedanken moderner Theologie seien einige von Karl May gegenübergestellt, interpretiert und in Beziehung gesetzt. Schon sehr früh, nämlich in den 'Geographischen Predigten' schreibt May über den Schöpfungsauftrag, der dem Menschen gegeben ist: "Dieser alles bewältigende Geist Gott hat seine siegreiche Macht nur einem einzigen irdischen Wesen, dem Menschen, verliehen und ihm damit die hohe Aufgabe erteilt, das Tote zu beleben, das Formlose zu gestalten, das Starre zu bewegen und den Triumph des Gedankens über Land und Meer zu tragen. So wird der Mensch der Held der irdischen Schöpfung, obgleich er äußerlich nicht für dieses Heldentum ausgestattet zu sein scheint. (...) Es ist ein weiter und schwieriger Weg von dem lallenden Wickelkind bis zum stolzen 'Herrn der Schöpfung', und nur durch unausgesetzte Anstrengung führt er zum Ziel. Der einzelne kann ihn unmöglich selbständig zurücklegen; er ist auf die Hilfe, die Lehre und den Rat zahlreicher anderer angewiesen und vermag sich nur durch sie die Erfahrungen der verflossenen Jahrhunderte anzueignen, um so mit einem Schritt die Vergangenheit zurückzulegen und die Spitze der allgemeinen Entwicklung zu erreichen" (1). Deutlich stellt May die Aufgabe des Menschen bei der Vollendung der Schöpfung heraus; er ist sich bewußt, daß es ein Werk vieler Generationen ist und darum auf die Vergangenheit nicht verzichtet werden kann. May ist überzeugt, daß der Friede auf Erden Aufgabe des Menschen ist und nicht erst von Gott mit seinem Reich (wie etwa die Zeugen Jehovas glauben) gebracht wird. Marah Durimeh spricht den Auftrag deutlich aus: "Daß man ihm, dem Weltenherrn, die Ehre zollt, die ihm gebührt, dafür sorgt er in seiner Allmacht und Weisheit am allerbesten selbst. Aber daß hier auf Erden Frieden werde, das ist zwar sein Gebot, muß aber unsere Sorge sein, der wir gehorchen müssen" (2). Wenn der Frieden auf Erden schon beginnen soll, muß auch das Reich Gottes schon hier beginnen. In 'Und Friede auf Erden' denkt May in einer Nacht bei sternenübersätem Himmel über diese Problematik nach: "Ich dachte über Wallers Worte nach. Die erste biblische Verheißung --- und dann das große Schlußwort des Erlösungswerkes! Welche unendlichen Fernen liegen oftmals zwischen beiden, und wie nahe gehören sie doch eigentlich zusammen! Das eine im verlorenen Paradies, das andere auf Golgatha gesprochen! Zwischen beiden der Leidensweg aus dem Erdenreich empor zum Himmelreich! Wo ist dieses Himmelreich? Etwa im Jenseits erst? Hat Christus nicht durch seine Gleichnisse gelehrt, daß es bereits hier auf Erden sei? Und wenn es so wäre, wo hätte man es da wohl zu suchen? Auf welche Weise wäre es da zu erreichen und zu erlangen" (3)? Noch deutlicher äußert May sich in einem Zeitungsartikel (4), in dem einige seiner Grundsätze unter dem Titel "Mein Glaubensbekenntnis" abgedruckt wurden: "Und ich glaube an das Gute im Menschen, an die Kraft der Nächstenliebe, an die Verbrüderung der Nationen, an die Zukunft des Menschengeschlechtes. Das ist das irdische Paradies, nach dem wir streben sollen, und


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in diesem Streben beginnt schon hier auf Erden die uns für dort verheißene Seligkeit." Zwar benützt May den Ausdruck "Reich Gottes" nicht, aber die Worte vom "Himmelreich auf Erden" und vom "irdischen Paradies" meinen zweifellos dasselbe. Verläuft nicht auch bei Karl May die Geschichte linear auf ein Ziel hin? Ist nicht Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi der charismatische Führer, jener Typus des Revolutionärs, von dem vorhin die Rede war? Die letzten Gedanken sind in die Frageform gekleidet, da sie schon sehr in den Bereich der Spekulation gehen. Der Verfasser möchte sie unbeantwortet lassen; der Leser möge sich sein Urteil selbst bilden.

Ein letzter, freilich etwas gewagter Gedankengang sei hier noch angeschlossen. Bei der Sammlung von Sinnsprüchen Karl Mays fiel dem Verfasser ein Spruch auf, der ihn irgendwie an Dietrich Bonhoeffer erinnerte. Es heißt da: "Weißt du, was unter 'Gebet' zu verstehen ist? Nicht allein der Mensch betet, - Gott betet auch" (5). Bei der Interpretation stellt sich die Frage, warum Gott betet. Betet er, weil die Menschen immer weniger an ihn glauben, oder betet er gerade für die Menschen, weil sie an ihm verzweifeln? Oder betet Gott vielleicht, weil er daran leidet, daß die Menschen seinen Schöpfungs- und Friedensauftrag zu schlecht wahrnehmen? "Christen stehen bei Gott in seinen Leiden", schreibt Bonhoeffer in 'Widerstand und Ergebung'. Nach Bonhoeffer ist die Welt mündig geworden, und der Mensch wird stärker denn je für die Welt verantwortlich. Bei Bonhoeffer leidet Gott an einer Welt, die von der Selbstzerstörung bedroht ist; bei May leidet Gott möglicherweise daran, daß der Mensch immer noch Krieg führt, wo doch der Friede schon längst verheißen ist. Fordern nicht May und Bonhoeffer den mündig gewordenen Christen dazu auf, in solidarischer Weise mit Gott die Verantwortung für die Welt zu übernehmen? Könnte man den Spruch Mays so interpretieren?

Erstaunliche Parallelen haben sich gezeigt, als versucht wurde, einige Gedanken Mays mit einigen Gedanken moderner Theologie zu verbinden. In seinen besten Momenten unterstützt May auch die Bestrebungen einer dialogisch orientierten Theologie, mit anderen Religionen ins Gespräch zu kommen. Wie man gesehen hat, ist auch er aus solchen Gesprächen nicht unverändert herausgekommen. Aber es gibt auch Grenzen in einer Verbindung zur modernen Theologie, die nicht überschritten werden können: Gott ist z.B. für May eine feststehende Größe, die sich nicht mit den Vorstellungen des Menschen ändert. Gott ist Liebe, aber er begegnet uns nicht (wie etwa bei der Theologie Herbert Brauns) im Mitmenschen; er ist etwas Transzendentes, das außerhalb unserer Welt liegt. Für das Entmythologisierungsprogramm der modernen Theologie läßt May sich nicht gewinnen: May und der historische Jesus sind nicht denkbar. So läßt sich auch erklären, warum Jesus für May nicht auch der ideale Typus des Edelmenschen wurde; er war zu sehr Gott für ihn. Diese eindeutigen Grenzziehungen haben ihr Gutes; sie verhindern, daß Karl May zum Vorläufer der modernen Theologie gemacht wird. Dafür sind viele Vorstellungen Mays zu konventionell. Selten in der Theorie, oft aber in der Praxis ist er ihr Gefährte. Wenn das klar wurde, hat dieses Kapitel seine Aufgabe erfüllt.

"Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein;
laßt ihren Puls durch alle Länder fließen;
dann wird die Erde Christi Kirche sein
und wieder eins von Gottes Paradiesen!" (6).



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5. Karl May im Blickwinkel einer narrativen Theologie

Für dieses Kapitel gilt ähnliches wie für das vorige. Allerdings werden sich nach den abstrakten Bezügen im letzten Kapitel etwas konkretere finden lassen. Hier wird Karl May in Beziehung gesetzt zu dem 1974 in deutscher Sprache erschienenen Buch 'Verführung des Geistes' des amerikanischen Theologen Harvey Cox.

Cox geht von dem Ansatz einer narrativen Theologie aus, die nach Ansicht des Verfassers keine modische theologische Strömung darstellt, sondern von einem vernachlässigten Grundbedürfnis des Menschen gespeist wird. "Jedem Menschen ist das Bedürfnis angeboren, Geschichten zu erzählen und Geschichten zu hören, ja eine Geschichte zu haben, aus der er lebt. Der Religion verdanken wir neben vielem anderen eine entscheidende Weise, dieses bleibende Bedürfnis zu befriedigen. Am Beginn der meisten Religionen steht eine Sammlung von Geschichten, die in Lied und Sage, in Ritus und Rezitation eingebettet sind" (1). Cox unterscheidet zwei Arten von Geschichten: Da ist zunächst die Autobiographie, in der jemand in der Ich-Form Zeugnis darüber ablegt, was ihm widerfahren ist und wo Einmaliges und Außergewöhnliches zur Sprache kommt; sie bringt Einsicht in die "Innerlichkeit" des Schreibenden. Die zweite Form des Geschichtenerzählens ist die "Religion des Volkes" als kollektive Geschichte und kooperatives Zeugnis eines Volkes; sie ist Ausdruck einer ursprünglichen kollektiven Innerlichkeit. Autobiographie ist bei May die Selbstbiographie 'Mein Leben und Streben'; sie sagt mehr über seinen inneren Zustand aus als über das, was ihm widerfahren ist. Es ist nicht so wichtig, daß einige Details und Fakten nicht stimmen, wichtiger ist die innere Wahrheit, die in der Selbstbiographie enthalten ist. "Religion des Volkes" kommt bei May in der Religion der indianischen und orientalischen Völker zur Sprache. Auch vom dritten Typ der Religion, den Cox schildert, läßt sich bei May etwas finden. Es handelt sich um eine codierte, anonyme, starre, spezialisierte, dogmatische und institutionalisierte Religion von Signalen. Auch Karl May hat sich gegen eine solche Form von Religion gewandt, als er in seiner Spätphase das dogmatische Lehrgebäude des Katholizismus angriff. Über die Aufgabe der Geschichte schreibt Cox: "Durch unsere Geschichten vergegenwärtigen wir unsere Vergangenheit, orten wir uns selbst in der Gegenwart und richten wir unsere Hoffnung auf die Zukunft" (2). Etwas von all diesem ist bei Karl May, dem Geschichtenerzähler par excellence, enthalten. Religion definiert Cox so: "'Religion' ist jenes Bündel von Erinnerungen und Mythen, von Hoffnungen und Bildern, von Riten und Bräuchen, die das Leben eines Menschen oder einer Gruppe zu einem sinnvollen Ganzen zusammenordnen. (...) Was sie auch sei, sie verleiht dem Leben Zusammenhang, sie liefert einen Schatz an Sinngebung, verleiht den menschlichen Ereignissen Einheit und leitet Menschen bei ihren Entscheidungen" (3). Nicht nur in der Selbstbiographie, im ganzen Werk läßt May sich, so hat die vorliegende Untersuchung gezeigt, von der Religion und ihren Grundsätzen leiten. Erinnerungen und Mythen finden sich in Hülle und Fülle im 'Märchen von Sitara', in der von Adam ausgehenden Theorie vom Edelmenschen, in den zahlreichen Gleichnissen, in Visionen über das Paradies und die Verhältnisse nach dem Tode. May liebt es, in Bildern zu sprechen; viele der im Text zitierten Stellen aus Mays Werken bestehen aus Bildern. Das "Prinzip der Hoffnung" auf den Weltfrieden und die Entwicklung des Menschen zum Edelmenschen zieht sich in Abwandlungen irgendwie durch das ganze Werk. Riten und Bräuche (symbolische Handlungen), eigentlich Bedürfnis jedes


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Menschen, weil sie Vertrauen und Sicherheit durch Wiederholung des Gleichen gewähren, finden sich bei May in verschiedenen Formen; sei es, daß Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi an Bräuchen und Zeremonien fremder Völker (traditionelle Feste, Begräbnisse, Blutsbrüderschaft u.a.) teilnimmt, sei es, daß er selbst christliche Feste organisiert. May hatte ein Bedürfnis nach Feiern und Festen; besonders liebte er das christliche Weihnachtsfest, obwohl es für ihn mehrere Male mit Sorgen und Unglück verbunden war. Mays Religion entspricht also genau dem, was Cox von ihr sagt. Die Parallelen gehen noch weiter: "Jede Religion (...) besitzt drei deutlich erkennbare Komponenten. Erstens sagt sie uns, woher wir kommen und belehrt uns gleichzeitig über unsere Fehler und die Gründe, warum wir auf diesen Weg geraten sind. (...) Zweitens präsentieren die Religionen eine Ideal-Möglichkeit der Menschheit. Sie projizieren den gelobten Zustand der Erlösung oder des 'Nirwana'. Sie malen uns vor Augen, was es heißt, ganz gerettet oder befreit zu sein, und manchmal wird dieses Ideal in heiligen und edlen Menschen personifiziert. Drittens sagt uns eine Religion, wie wir aus unserem gegenwärtigen Zustand (als Kranke, Entfremdete, Verlorene, Gefangene) zu dem werden, was wir sein können oder sollen oder schon sind" (4). Nach May kommt der Mensch von Gott und ist durch den Sündenfall auf den falschen Weg geraten. Die zu erstrebende Edelmenschlichkeit bringt den Menschen zu Gott zurück. In Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi führt May dem Ideal angenäherte Menschen vor, die als Vorbild dienen sollen. Die Mittel, um den wünschenswerten Zustand zu erreichen, sind Liebe und die innere Wandlung des Menschen (5). Wohin man sieht, finden sich bei May religiöse Elemente. Aber Religion kann auch mißbraucht werden: "Verführung des Geistes, kurz gesagt, ist die bewußte Verkehrung der natürlichen und gesunden religiösen Instinkte der Menschen zum Zwecke ihrer Kontrolle und Beherrschung" (6). May war die Religion des Volkes stets lieber als die gelehrter Missionare, die allzu oft (bewußt und unbewußt) nur weltlichen Interessen diente. Cox weist darauf hin, daß unterdrückte Völker oft ihre religiösen Erinnerungen im Untergrund bewahren und weitergeben. "Sie nähren die Hoffnung, daß sie eines Tages die volle Befreiung erlangen und das wieder öffentlich feiern können, dessen sie jetzt im geheimen gedenken müssen (...)" (7). Genau das ist die Situation der unterdrückten Christen in der Hauptstadt Ardistans, die den Tag der Befreiung erleben, indem durch eine List Kara Ben Nemsis der Mir von Ardistan das Licht der Befreiung selbst entzündet. Cox geht in diesem Zusammenhang auch auf das Schicksal der roten Rasse ein. Er ist der Ansicht, daß sie restlos untergegangen wäre, hätte man ihre Götter, Märchen und Zeremonien, d.h. ihre Eigenarten durch andere ersetzt. Der Glaube an den "Großen Geist" hat die Stämme miteinander verbunden. Verblüffend ist die Parallele, wenn May in 'Winnetou IV' dafür plädiert, daß die Indianer ihren Monotheismus behalten sollten, da sie nur so stark sein und zu einer aufblühenden Rasse werden könnten (8). Fast glaubt man, daß Cox May gelesen hat, wenn er die Prognose stellt, daß eine Verbindung zwischen der indianischen Volksreligion und dem Christentum zu einer neuen Sicht des Verhältnisses Mensch-Natur würde bzw. hätte führen können. Bei den Indianern findet die Begenung mit dem Göttlichen in der Natur statt (ebenso bei Karl May) und "die Erfahrung des Ortes ist ein wesentlicher Faktor bei der Bildung und Veränderung der religiösen Vision" (9). May hat die Verbindung zwischen indianischer Religion und Christentum in 'Winnetou IV' einmal durchgespielt; das Ergebnis ist der Clan Winnetou. Cox zeigt neben der positiven Vorstellung auch die negative: "Aber schließlich wird die Religion eines Volkes, wie immer sie zusammengesetzt sein mag, jedes Volkes


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eigene 'Seele'. (...) Wenn die 'Seele' abscheidet dann stirbt bald auch der Körper (...) (10). May würde dem voll zustimmen. Nachdem Cox die "Religion der Unterdrückten" beschrieben hat, geht er zur "Religion der Befreiung" über. Er begrüßt es, daß die Religionen immer mehr auf die realen Bedürfnisse und Anliegen der Menschen in der Weit eingehen (Wendung vom Jenseits zum Diesseits). Dabei sieht er die Möglichkeiten eines Dialogs zwischen den Religionen, lehnt aber eine Universalreligion ab, "denn in der Religion wird, wie überall, der Wahrheit und dem Überleben besser durch Verschiedenheit und Heterogenität als durch Vereinheitlichung und Uniformität gedient" (11). Ganz derselben Ansicht ist May, wenn es in 'Und Friede auf Erden' heißt, daß ein Chinese nur dann Christ werden kann, wenn er dabei Chinese bleiben kann. Besser gedient wird der Verständigung nach Cox auch durch eine experimentelle Liturgik, in die man Elemente aus fremden Religionen hineinnimmt. May vollzieht dies nach, indem Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi an Gebräuchen fremder Völker teilnehmen. Mit der "Religion der Befreiung" korrespondiert eine radikale Theologie. In ihr ist die mariologische Verehrung ein wichtiger Gegenstand. Cox weist darauf hin, daß in fremden Völkern (besonders Mexiko und Südamerika) die Marienverehrung auch Zeichen der Befreiung war und ist. So hat z.B. bei den islamischen Schiiten Fatima, die Tochter Mobammeds, einen Platz eingenommen, der dem der Maria im Christentum ähnelt (12). Die offizielle Rolle der Maria (als Gottesmutter, Fürsprecherin bei den Oberen usw.) hält Cox für einen Mißbrauch des Geistes. Auch bei May dominiert das Mütterliche, das Bild der Maria, zwar in konventionellem Sinn (wie von Cox verurteilt), trotzdem geht May insgesamt über das Konventionelle weit hinaus. Cox stellt die Merkmale einer radikalen Theologie auf, und fast alle gelten auch für May: Neigung zum weiblichen Element in der Religion (gilt mit Einschränkungen), Neigung zu nichtwestlichen Glaubensüberzeugungen (gilt), Neigung zum Mythischen (gilt), Hinwendung zum Zorn der Armen (gilt mit Einschränkung). Am Ende seines Buches umreißt Cox die zukünftige Aufgabe von Religion und Theologie. Er schreibt der Theologie die Rolle des Entmythologisierens zu: "Er (der Theologe) ist der 'Entmythologisierer', der Bloßsteller betrügerischer Eingebungen und aufgeklebter Werte. (...) Ich nenne dies 'lächerlich machen', weil ich glaube, daß der Spott eine der effektivsten Formen kultureller Entmythologisierung darstellt, der den Mächtigen ihre Mystik bestreitet, zerstört die Furcht, die sie in den Herzen der Machtlosen nähren müssen" (13). Ein Paradebeispiel hierfür liefert Kara Ben Nemsi in der Entlarvung des Mübarek, eines "falschen Heiligen". Schließlich gilt: "Die Theologie von morgen muß sich von der Erfahrung zur Entlarvung, vom Zeugnis zum Text, von den Konfessionen zur Summa bewegen. Sie kann nicht den umgekehrten Weg einschlagen und dabei noch die Theologie sein, die wir brauchen" (14). Bei May heißt es in 'Und Friede auf Erden': "Diese Verschiedenheiten (in den Religionen) müssen vorhanden sein, weil die Menschen verschieden sind. (...) Es kommt nur auf den Ertrag, auf das Ende, auf den Abschluß, auf die Summe an" (15). Die Zusammenhänge sind so offensichtlich, daß sich an dieser Stelle ein weiterer Kommentar erübrigt.

Es sei am Schluß noch angemerkt, daß natürlich nur Teile des Buches von Cox mit Karl May in Verbindung gebracht werden konnten. Die Kapitel, die sich speziell mit der Religion des Stadtmenschen beschäftigen, haben für diese Arbeit keine Relevanz. Cox pflegt ab und zu Seminare abzuhalten, in denen Autobiographien bedeutender Männer gelesen werden. Er sollte einmal Karl May dazunehmen.



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Zusammenfassung: Die Bedeutung der Religion im Werk Karl Mays

Die Untersuchung über das ethisch-religiöse System in Karl Mays Werken ist am Ende angelangt. Es wurde gezeigt, daß die Religion ein sehr bedeutender Faktor im gesamten Werk ist. Fast alle Handlungen und Entscheidungen der Helden werden von ihrer Weltanschauung getragen und untermauert, wenngleich auch manches Zwielicht (in den Perioden vor dem Spätwerk) auf sie fällt. Diese Weltanschauung wird im Originaltitel als "System" bezeichnet. Dieser Begriff soll nun am Schluß noch etwas untermauert werden. Unter System wird eine in sich abgeschlossene Gedankenwelt, ein Gedankengebäude, verstanden. Karl May hat sich ein System aufgebaut, in dem von vornherein gewisse Grenzen (etwa die Allmacht Gottes, die Göttlichkeit Jesu, die Polarität von Gut und Böse etc.) abgesteckt waren, das aber eine erstaunliche Modifikationsfähigkeit besaß. Wäre es bei orthodoxem Christentum Mays geblieben, so wäre es keiner Betrachtung wert gewesen. May jedoch bringt das erstaunliche Kunststück fertig, in der Orthodoxie zu verbleiben und sie gleichzeitig weit hinter sich zu lassen. Daß May mit seinem System an Grenzen stieß, die er niemals hat überschreiten können, zeigen beispielsweise seine Ansichten über die Kunst, wie sie sein soll und wie sie nicht sein soll. Durch die Abgeschlossenheit dieses Systems fiel May manchen Mißverständnissen und gelegentlich auch Vorurteilen zum Opfer. Wirft man noch einmal einen Blick zurück, so deutet sich ab und zu schon an ganz früher Stelle der späte May an. So heißt es z.B. in dem Essay 'Die Liebe nach ihrer Geschichte': "Ein jedes Religionsbekenntnis zeigte sich bisher als ein Kind seiner Zeit und wurde von der Zukunft zu Grabe getragen, und es ist daher ein beklagenswerter Irrtum, wenn die Bekenner der meisten Gotteskulte gerade den ihrigen als den absolut vollkommenen und richtigen, jeden anderen aber als falsch ansehen. Von diesem Standpunkt aus ist die Lehre von einer alleinseligmachenden Kirche zu betrachten. (...) Schon bei den Thlinkiten im früheren russischen Amerika (Alaska) begegnen wir dem Mythos der Gottessohnschaft, auf den das Christentum zurückging, und bei Konfuzius, Zoroaster, Buddha und Laotse finden wir Vorstellungen von der edelsten und reinsten Art, zu denen wir uns eine Rückkehr wünschen möchten" (16). Im selben Aufsatz schreibt May: "Hätten wir den wahren Gott gefunden, also nicht etwa bloß den Gott der Juden, der Mohammedaner, der Katholiken, der Protestanten und aller Religionsbekenntnisse, so würden wir einen Mittelpunkt für die ganze Menschheit entdeckt haben und könnten dann den Grund legen zu einer Universalreligion, die dem Sturm der Meinungen nicht ausgesetzt wäre und keine Veranlassung geben würde, daß sich die verschiedenen Sekten auf eine solche Art verfolgen, wie es jetzt der Fall ist" (17). Vergleicht man diese Aussagen mit den entsprechenden Aussagen im Spätwerk Mays, so kommt der Eindruck auf, daß seine religiöse Entwicklung eigentlich eher eine 25 Jahre dauernde Odyssee mit bereits zu Beginn festgelegtem Ziel war.

"Ansätze zu einer neuen Betrachtungsweise" lautet der Untertitel (Originalfassung) dieser Arbeit. Die alte Betrachtungsweise war die, daß Karl May ein Jugendschriftsteller sei und sonst nur wenig mehr. Diese Betrachtungsweise läßt sich nach der in neuester Zeit erschienenen Literatur nicht mehr aufrecht erhalten. Wünschenswert wäre es, daß die breitere Öffentlichkeit und die Pädagogik davon Kenntnis nehmen würden. Die alte Betrachtungsweise sagt über die Religion Mays aus, daß sie echt bzw. unecht, naiv bzw. tiefgehend, eindeutig christlich bzw. ein Konglomerat aus allem möglichen sei; dabei ergeht sie sich auch z.T. in unsachgemäßer Polemik und in Vorurteilen. Die neue Betrachtungsweise dagegen


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versucht zunächst einfach einmal festzustellen, was alles vorhanden ist, wo sich Vergleichbares findet, ob und wie es sich in ein Gesamtkonzept einbauen läßt. Dabei glaubt der Verfasser nicht, daß er Karl May mit Kritik verschont und ihm nur Lob zugedacht hat. Zu einem Urteil über eine Persönlichkeit gehört aber nach Ansicht des Verfassers, daß man Fakten und Tatsachen vorher prüft und sich nicht in ins eigene Konzept passenden Polemisierungen und Sarkasmen ergeht. Einige solcher Fakten und Tatsachen versuchte diese Arbeit zu liefern. Sie versteht sich als Beitrag zu einer neuen, unvoreingenommenen (dabei nach vielen Erfahrungen Mays durchaus wohlwollenden) Betrachtungsweise. Läßt man die von May an- und aufgenommenen religiösen Strömungen in ihrer erstaunlichen Vielfalt noch einmal Revue passieren (Protestantismus, Katholizismus, Islam, Buddhismus, Lamaismus, Konfuzianismus, Parsismus, Manichäismus, Christian Science), so bleibt letztlich der Eindruck eines Phänomens, des Phänomens Karl May.



Anmerkungen

Es wurde mit Karl Mays Gesammelten Werken, Ausgabe Bamberg, gearbeitet. Die sich daraus ergebenen Literaturhinweise wurden jedoch später durch Angabe der Originalstelle ergänzt. Aus diesem Grunde mußten einige Zitate, die eine Bearbeitung erfahren hatten, auf den Originaltext zurückgeführt werden.


Zum Kapitel: Die Basis - orthodoxes Christentum

(1)Die Verlegung der Geschehnisse in fremde Länder ist z.T. wohl auch durch die Erzählungen seines Paten Weißplog motiviert worden.
(2)Bd. 34, S. 87 - Original Mein Leben und Streben S. 64
(3)Bd. 34, S.116 - Original S. 95
(4)Bd. 34, S.117 - Original S. 96
(5)Vgl. Wollschläger, Karl May, Reinbek 1965, S. 17
(6)H. Wollschläger, Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt, Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays, Jb-KMG 1972/73, S.43
(7)Diese Bruchstücke wurden der Öffentlichkeit erstmals im Jb-KMG 1971, S. 122-143, zugänglich gemacht.
(8)May im genannten Jahrbuch S. 129-131.
(9)Bd. 34, S. 190 - Original S. 174
(10)Bd. 34, S. 102 - Original S. 80-81
(11)Bd. 34, S. 277 - Original S. 317
(12)Bd. 34, S. 225 - Original S. 211
(13)Bd. 72, S. 301
(14)Bd. 72, S. 303
(15)Bd. 72, S. 309
(16)Bd. 72, S. 310
(17)Bd. 72, S. 437
(18)Bd. 72, S. 433-434
(19)Bd. 64, S. 14 und 442 - (Original:Der verlorene Sohn)
(20)Bd. 14, S, 335 - Original Old Surehand I, S. 408-409


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(21)Bd. 14, S. 337 - Original S. 410-411
(22)Bd. 18, S. 290 - Original S. 349
(23)Bd. 4, S. 237-239 - Original S. 279 ff.
(24)Bd. 14, S. 315-316 - Original S. 383-384
(25)Bd. 4, S. 348 - Original S. 406
(26)Bd. 4, S. 349 - Original S. 406 f.
(27)Bd. 4, S. 240 - Original S. 282-283
(28)Bd. 25, S. 411-414 - Original S. 517 ff.
(29)Bd. 12, S. 222 - Original S. 275
(30)Bd. 2, S. 444 - Original S. 504
(31)Bd. 9, S. 475 - Original S. 521
(32)Bd. 11, S. 34 - Original S. 34 (sic!)
(33)Bd. 2, S. 560 - Original S. 634
(34)Oel-Willenborg, Von deutschen Helden, Weinheim 1973, S.102-103
(35)Dabei wird außer acht gelassen, daß die Erzählungen um Winnetou nicht folgerichtig entstanden sind und dieser in "Winnetou II" weit weniger edelmenschlich handelt (früher entstanden als "Winnetou I") als in "Winnetou I". Es geht lediglich um die Entwicklung der Person.
(36)Bd. 7, s. 392 - Original S. 424-425
(37)Bd. 14, S.273 - Original S. 331
(38)Bd. 9, S. 394 - Original S. 426
(39)Bd. 9, S. 426 - Original S. 464
(40)Bd. 25, S. 96-98 - Original S. 114 ff.
(41)Bd. 23, S. 365 - Original S. 469
(42)Vgl. Claus Canisius, Karl Mays Ernste Klänge, Mittl.KMG Nr. 18, S. 30
(43)V. Klotz, Durch die Wüste und so weiter, In Schmidt-Henkel (Hrsg.), Trivialliteratur, Berlin 1964, S. 45-46
(44)Wollschläger, Karl May, a.a.O., S. 60
(45)Forst-Battaglia, Karl May, Traum eines Lebens - Leben eines Träumers, Bamberg 1966, S. 161
(46)Claus Roxin, Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand, Zum Bild Karl Mays in der Epoche seiner späten Reiseerzählungen, Jb-KMG 1974, S. 15-73
(47)ebd. S. 60
(48)ebd. S. 63


Zum Kapitel: Der erweiterte überkonfessionelle Humanitätsgedanke des Spätwerks

(1)Bd. 30, S. 19 - Original S. 15
(2)Bd. 30, S. 27 - Original S. 24
(3)Bd. 30, s. 161- Original S. 176
(4)Bd. 30, S. 163 - Original S. 178


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(5)Bd. 30, S. 35-36 - Original S. 33
(6)Bd. 30, S. 36-37 - Original S. 34-35
(7)Bd. 30, S. 290 - Original S. 322
(8)Bd. 30, s. 531-532 - Original S. 594
(9)Ekkehard Bartsch, Und Friede auf Erden, Entstehung und Geschichte, Jb-KMG 1972/73, S. 108
(10)Bd. 30, S. 38 - Original S. 37
(11)Bd. 30, S. 39-40 - Original S. 38
(12)Arno Schmidt, Sitara und der Weg dorthin, Karlsruhe 1963, S. 215
(13)Angaben nach Arno Schmidt, Abu Kital, in: Dya Na Sore, Karlsruhe 1958, S. 179
(14)A. Schmidt, Abu Kital, a.a.O., S. 178
(15)Bd. 28, S. 259 - Original S. 289-290
(16)Bd. 28, S. 259-260 - Original S. 260
(17)Bd. 49, S. 276 (Mays Erläuterungen zu 'Babel und Bibel')
(18)Bd. 31, S. 412-413 - Original S. 447
(19)Bd. 31, S. 414-415 - Original S. 449
(20)Bd. 31, S. 415 - Original S. 450
(21)Bd. 11, S. 337 - Original S. 374
(22)Bd. 31, S. 21 - Original S. 17
(23)Bd. 31, S. 22 - Original S. 17
(24)Bd. 31, S. 25-26 - Original S. 21
(25)In den Personen dieses Kommittees wie auch in anderen Personen dieses Romans hat May wieder Freunde und Gegner seiner letzten Lebensjahre abgebildet. Auch 'Winnetou IV' enthält also biographische Elemente.
(26)Bd. 33, S. 155 - Original Winnetou IV, S. 165
(27)Bd. 33, S. 263 - Original S. 286
(28)Bd. 33, S 266 - Original S. 289
(29)Bd. 33, S 438 - Original S. 481
(30)Wollschläger, Karl May, a.a.O., S. 123-124
(31)Karl May, Empor ins Reich der Edelmenschen, Jb-KMG 1970, S. 52-66, S. 55
(32)ebd. S. 55-66
(33)ebd. S. 59
(34)Bd. 34, S. 235 - Original S. 229


Zum Kapitel: Das Verhältnis Karl Mays zum Islam

(1)Deutsche Herzen, deutsche Helden Bd. II, S. 232
(2)Bd. 3, S. 159 - Original S. 187
(3)Bd. 1, S. 90 - Original S. 98
(4)Bd. 1, S. 164 - Original S. 180


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(5)Emanuel Kellerhals, Der Islam, Geschichte, Lehre, Wesen, München-Hamburg 1969
(6)Bd. 5, S. 147 - Original S. 168
(7)Bd. 10, S. 182 - Original Orangen und Datteln S. 197
(8)Bd. 17, S. 84-85 - Original S. 101-102
(9)Bd. 18, S. 172-173 - Original S. 194-195
(10)Bd. 27, S. 377 - Original Silberlöwe II, S. 143
(11)Bd. 25, S. 148 - Original S. 177-178
(12)Bd. 10, S. 408 - Original Band 23 (sic!), S. 256-257


Zum Kapitel: Karl May und einige Grundgedanken moderner Theologie

(1)Bd. 72, S. 443-444
(2)Bd. 31, S. 20 - Original S. 15
(3)Bd. 30, S. 367 - Original S. 408
(4)Donau-Zeitung vom 21.12.1906
(5)Bd. 49, S. 392 - Original Himmelsgedanken, S. 118
(6)Bd. 30, S. 199 - Original S. 219


Zum Kapitel: May im Blickwinkel einer narrativen Theologie

(1)Harvey Cox: Verführung des Geistes, Stuttgart 1974, S. 7. Nachfolgend abgekürzt mit: Cox, Verführung, ...
(2)Cox, Verführung, a.a.O., S. 10
(3)Cox, Verführung, a.a.O., S. 12-13
(4)Cox, Verführung, a.a.O., S. 13
(5)Dabei ist May wenig konkret, dasselbe gilt aber auch für einen beträchtlichen Teil der Theologie. Nicht Rezepte soll die Theologie liefern, sondern Möglichkeiten des Handelns aufzeigen und abstecken.
(6)Cox, Verführung, a.a.O., S. 15
(7)Cox, Verführung, a.a.O., S. 118
(8)Vgl. Bd. 33, S. 155 - Original S. 165
(9)Cox, Verführung, a.a.O., S. 56
(10)Cox, Verführung, a.a.O., S. 120-121
(11)Cox, Verführung, a.a.O., S. 154
(12)Vgl. dazu die Besprechung der Geschichte 'Maria oder Fatima' Seite 14
(13)Cox, Verführung, a.a.O., S. 319
(14)Cox, Verführung, a.a.O., S. 324
(15)Bd. 30, S. 36 - Original S. 34


Zusammenfassung

(16)Bd. 72, S. 304
(17)Bd. 72, S. 310





Digitaler Reprint des Sonderheftes 5

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