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Ein May-Gegner im Kontext der Zeitgeschichte - eine Rezension zu 'Die Akte Rudolf Lebius' (Meldung vom 07. Juni 2019)
von Hartmut Wörner
Rudolf Lebius (1868–1946) ist bis heute als der wohl skrupelloseste und auch kreativste Gegner Karl Mays bekannt. Aber wer war dieser schillernde Journalist, Verleger und Politiker wirklich, der im deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und dem Dritten Reich öffentlich wirkte? Diese Frage beantwortet nun endlich das neue Buch von Jürgen Seul „Die Akte Rudolf Lebius“.
Erstmals werden die Auseinandersetzungen zwischen Lebius und May zwischen 1904 und 1912 in den Gesamtkontext der Biographie des „Skandaljournalisten“ eingeordnet. Dabei zeigt sich, dass auch das Leben und Schaffen von Rudolf Lebius exemplarische Qualität hat. Aus einer großbürgerlichen Tilsiter Kaufmannsfamilie stammend, war er im Kaiserreich zunächst Sozialdemokrat und Studienfreund Karl Liebknechts, wechselte dann aber die Seiten und wurde der führende Kopf der „Gelben“, einer von Wilhelm von Siemens lancierten wirtschaftsfriedlichen Arbeiterorganisation. In der Weimarer Republik profilierte sich Lebius als Vorsitzender einer völkisch-nationalistischen Splitterpartei und rief in seiner „Staatsbürger Zeitung“ zur Tötung von Pazifisten wie Albert Einstein auf. Trotz seiner nationalistischen Einstellung, die ihm im Dritten Reich zunächst die Fortsetzung seiner publizistischen Tätigkeit ermöglichte, wurde Lebius zum Gegner des NS-Regimes und produzierte ab 1935 kritische „Informationsberichte“ über die Lage in Deutschland für Vertreter ausländischer Zeitungen, die ihn schließlich ins Zuchthaus brachten. Ein schillernder Charakter, der – so Seul – getrieben war von „eine(r) Mischung aus Racheimpulsen, einem Gerechtigkeitsverlangen und einer narzisstisch begründeten Selbstüberschätzung“.
Seul beleuchtet Leben und Karriere von Rudolf Lebius auf der Basis einer akribischen Auswertung zeitgenössischer Dokumente. So entsteht nicht nur ein aufschlussreiches Bild eines Gegners von Karl May, sondern ein wirklich hochspannender Einblick in die wohl wechselhafteste Epoche der deutschen Geschichte. Dieses wirklich exzellente Buch gehört in jede May-Sammlung. Man wünscht ihm aber als profundem und fesselnd geschriebenem zeitgeschichtlichem Werk auch viele Leser über den engeren Kreis der May-Interessierten hinaus.
Jürgen Seul: Die Akte Rudolf Lebius. Auf den Spuren eines Skandaljournalisten zwischen Kaiserzeit und Drittem Reich. Eine Biografie. Karl-May-Verlag Bamberg/Radebeul. 416 Seiten. Hardcover. ISBN 978-3-7802-0565-0. Preis: 29,90€
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