Nachrichten
Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol (Teil 1) (Meldung vom 16. Juni 2020)
Der Autor Rolf Kamradek, Verfasser von „Die seltsamen Reisen des R.K.“ und des Schauspiels „Karl May – der Traum vom Fliegen“, hat erstmals seit seiner Kindheit den Band „Winnetous Erben“ wieder gelesen und seine Gedanken dazu notiert. Seine Rezension bringen wir hier in drei Teilen. Der erste Teil betrachtet den Roman unter dem Aspekt des Abenteuers, der zweite stellt die Symbolik heraus und der dritte Teil schließlich liefert einen historischen Nachtrag.
Den Band „Winnetous Erben“ können Sie im Karl-May-Verlag erwerben. Die ursprüngliche, unter dem Titel „Winnetou IV“ erschienene Fassung ist noch als Reprint zum Sonderpreis von nur 9,90€ lieferbar. Bestellungen des Reprints richten Sie bitte an: reprints@karl-may-gesellschaft.de
Winnetous Erben – Abenteuer und Symbol
zwei unterschiedliche Inhaltsangaben.
von Rolf Kamradek
1. Abenteuer
Da steht ein etwa zehnjähriger Junge und möchte einen Karl-May-Band kaufen. Einen, in dem Winnetou vorkommt.
Tatsächlich. Das gibt es? Ein Junge, der sich den Winnetou noch erliest!
„Da hab ich was liegen“, sagt der Buchhändler. „Der Band wurde bestellt und nicht abgeholt.“
Mit Federkrone und nacktem Oberkörper sitzt ein Indianer, das Gewehr aufrecht in der linken Hand haltend, stolz auf einem Pferd. Im Hintergrund tummeln sich, etwas verschwommen, weitere berittene und gefiederte Rothäute.
„Winnetous Erben“, sagt der Buchhändler.
„Nein! Um Gottes Wille nein!“, mische ich mich ein. „Dem Jungen wird der ganze Karl May zerstört!“ Und ich empfehle ihm „Unter Geiern“.
Der Buchhändler will es bestellen.
Ich kaufe ihm Winnetous Erben ab. Vielleicht lese ich es mit Erwachsenenaugen anders.
Da reist der senile Karl May mit seiner zweiten Frau Klara – im Roman nur „Herzle“ genannt, zu einem Mount Winnetou in Neu Mexiko. Um sich Geltung zu verschaffen haben dort die Söhne Old Surehands und Apanatschkas, beide Bildhauer, begonnen, ein überdimensionales Standbild Winnetous zu errichten. Winnetou, als indianischer Held, eine Pistole in der Hand, soll den erhofften Aufbruch der roten Rasse symbolisieren. Eine grandiose Landschaft wird dabei zerstört.
Apatschen, befreundete Stämme und Old Shatterhand wollen dies verhindern, denn Winnetou, für Karl May nur „Seele“, sieht auf dem Strandbild aus wie ein Rowdy.
Sioux, Utahs und Kiowas ziehen zu tausenden herbei um die Gelegenheit zu nutzen, ihre alten Feinde, die Apatschen und den wieder aufgetauchten Old Shatterhand endlich zu vernichten.
Das hört sich alles nach einem echten Karl May an. Und manchmal verzichtet der Dichter tatsächlich nicht auf die bewährten, wirkungsvollen Szenen:
Ein Bär wird erlegt. Überhebliche Strolche erkennen Old Shatterhand nicht, wissen nicht, mit wem sie sich da anlegen und blamieren sich natürlich gründlich. Die im Wilden Westen anscheinend wichtige Frage, wer zuerst grüßt, wird mit Gewalt ausgetragen. Old Shatterhand erlauscht aus dem Brennpunkt einer Ellipse die Pläne der feindlichen Häuptlinge durch ein akustisches Phänomen. Er erbeutet deren Medizinen und schließt die Feinde schließlich in einer Schlucht ein. Bei der Eröffnungsfeier bricht das schwere Denkmal Winnetous durch die Decke der unter ihm liegenden grandiosen Tropfsteinhöhle (das Vorbild sind wohl die Carlsbad Caverns), in dem sich die dort versteckten Feinde befinden. Old Shatterhand und die Apatschen retten sie, und der junge Apatschenhäuptling „Junger Adler“ kommt in einem selbst gebauten Flieger angeflogen und bringt den dankbaren Häuptlingen ihre Medizinen wieder. So scheiden alle als Freunde, und die Söhne Santers, des Mörders von Winnetous Vater und Schwester, die gekommen sind um sich an Old Shatterhand zu rächen, opfern sich sogar für ihn und das Herzle.
Das liest sich zeitweise auch gewohnt amüsant, erreicht aber nie die Spannung der Reiseromane.
Nun – ich habe dem Jungen ja „Unter Geiern“ empfohlen.
Fortsetzung folgt ...
Suche | Sitemap | Gästebuch | Kontakt | Impressum | Datenschutz