Zweites Kapitel

Etwa drei Wochen sind ins Land gegangen seit dem Tage, an dem Paul Osborne in der Hütte des biederen Trappers erschien.
    Der kräftige Knabe hatte nicht nur die Nachwirkungen seines unheimlichen Marsches durch die Wüste überwunden, sondern sich auch mit der Fähigkeit der Jugend, sich rasch in neue Verhältnisse zu finden, bald in der Steppe und zwischen deren einsam hausenden Bewohnern heimisch gemacht.
    An des Zwerges anfänglich so abstoßendes Äußere hatte er sich gewöhnt und zu dem Trapper, der in seiner breiten, mannhaften Brust oft das Herz eines Kindes zu bergen schien, wahrhafte Zuneigung gefaßt, die durch dessen fast väterliche Zärtlichkeit nicht wenig gestärkt wurde. Der von Sonne und Wind gebräunte, hochgewachsene Knabe, mehr Jüngling schon als Knabe, den das büffellederne Jagdhemd, das ihm Puck verfertigt hatte, sehr gut kleidete, war in diesen wenigen Wochen, da er fast von Sonnenaufgang bis zu deren Niedergang zu Pferde saß, ein kühner und geschickter Reiter geworden, wozu freilich auch der Unterricht, den ihm Puck erteilte, wesentlich beigetragen hatte.
    Auch als Schütze hatte er sich sehr vervollkommnet und traf das Huhn jetzt mit der Kugel im Fluge.
    Wiederholt war er mit dem Trapper und Puck auf der Büffeljagd gewesen, und es waren wohl ein Dutzend der gewaltigen Tiere erlegt worden, deren Felle in der Nähe des Shanty trockneten. Paul hatte das Glück gehabt, mit einem wohlgezielten Schusse ein starkes Tier zu erlegen. Weder Cayugas noch einer seiner Stammesgenossen hatten sich in dieser Zeit bei dem Shanty blicken lassen. Nur einmal und zwar vor acht Tagen war ihre Einsamkeit durch den Besuch eines Fremden unterbrochen worden.
    Ein Händler, der mit einigen beladenen Maultieren und seinem Knecht von Norden kam, war auf dem Wege nach Osten zu kurzer Rast bei ihnen eingekehrt.
    Er hatte mit den Kiowas und den nördlicher hausenden Dakotas Handel getrieben und war auf der Heimreise begriffen.
    Der Mann wußte nicht viel zu berichten, doch handelte er seit Jahren mit den Roten und kannte ihre Art und Sitte wohl.
    Im Gespräch äußerte er: "Seid ihr befreundet mit den Kiowas, Grizzly?"
    "Nicht, daß ich wüßte", lachte dieser.
    "Will euch was sagen, Mann", entgegnete hierauf der Kaufmann, "bekümmere mich nicht mehr um Indianerangelegenheiten, als mich und mein Geschäft angeht. Muß als Handelsmann mit allen gut stehen und werde nur die Büchse zur Hand nehmen, wenn es gilt, mein Eigentum oder mein Leben zu verteidigen. Wenn ich aber mit den Kiowas nicht gut stünde, würde ich an eurer Stelle mein Haus etwas weiter nach Osten schieben."
    "Sagt mir, warum."
    "Kenne die Roten seit vielen Jahren und habe noch nie gefunden, daß eine Versammlung am Pigfelsen stattgefunden hätte, ohne daß Unheil für die Weißen die Folge war."
    "Und hat eine solche stattgefunden? Kenne den Pigfelsen recht gut."
    "Vorige Woche sind Häuptlinge der Sioux und Kiowas dort zusammengewesen."
    "Hm", meinte der Trapper, "haben die Sioux möglicherweise mit Uncle Sam [Vereinigte Staaten. Uncle Sam, scherzhafte Bezeichnung nach den Anfangsbuchstaben U.S. United States] ein Wörtchen zu reden. Glaube aber nicht, daß sie während der Jagdzeit Streit anfangen werden, auch nicht, daß sie hierherkommen, wo nichts zu holen ist. Außerdem sind die Cheyennes und ihre Vettern, die Arrapahoes, zahlreich in der Steppe und jagen. Wenn die Versammlung Unheil bedeutet, was noch nicht ausgemacht ist, denn die Roten kommen auch mitunter zur Beratung friedlicher Angelegenheiten am Pigfelsen zusammen, so geht das Wetter nach Nordwesten."
    "Mag sein, aber würde ihm aus dem Wege gehen. Kennt ihr den Häuptling Krähenfeder?"
    "Habe nicht die Ehre."
    "Er ist jetzt nach dem Tode des alten, bedächtigen Manganas das Haupt des Stammes und haßt alle Weißen grimmig. Muß gestehen, war froh, als ich das finstere Gesicht des Mannes nicht mehr zu sehen brauchte."
    "So? Krähenfeder? Wollen uns den Namen merken. Also Cheyennes waren nicht bei der Versammlung?"
    "Nicht einer."
    "Hm. Nun, will nicht viel sagen; kalkuliere, die Sioux wollen die Kiowas für irgend einen Teufelsstreich gewinnen. Hört, Mann, ihr werdet auf eurem Weg sicher die jagenden Cheyennes treffen, es sind meine Freunde, thut mir die Liebe und sagt der Dunklen Wolke oder seinem Sohn Cayugas oder jedem, den ihr vom Stamme antrefft, was ihr mir gesagt habt."
    Der Mann versprach das und setzte seinen Weg nach Osten fort.
    Seitdem waren acht Tage verflossen, und trotz einiger weitausgedehnter Streifereien nach Norden war auch nicht das geringste Zeichen aufgefunden worden, das andeutete, daß die Kiowas etwa ihre Jagdzüge nach Süden zu ausdehnten.
    Die augenblickliche Beunruhigung infolge der Warnung des Händlers war deshalb bald geschwunden.
    Kaum hatte sich heute die Sonne über dem Horizont erhoben, als Paul vor die Blockhütte trat und freudig den frischen Morgen begrüßte.
    Alsbald gesellte sich Puck zu ihm.
    "Hat die Junge Tanne", so hatte der Zwerg den schlanken Knaben getauft, "ausgeschlafen?"
    "Ja, Puck", erwiderte Paul freundlich, "ich habe des Schlafes genug und bin bereit, es mit der Steppe aufzunehmen."
    "Schläft der alte Mann noch?"
    "Nein, der alte Mann schläft nicht mehr, Bursche", ließ sich die Stimme des Trappers vernehmen, und gleich darauf trat er selbst ins Freie. "Bereite Thee, Puck, und wenn ihr heute jagen wollt, müßt ihr allein gehen, ich habe mir gestern, als ich am Ufer des Verdigris herumkletterte, eine Fußsehne etwas gezerrt und will mir ein paar Tage Ruhe gönnen."
    Der Verdigris war ein nördlicher Zufluß des Arkansas, der wenige Meilen oberhalb des Shanty seine klaren Fluten zwischen zerrissenen Felsenufern dem Strome zuführte.
    "Gut, Oheim", sagte der Zwerg - er nannte den Trapper gewöhnlich so - "bleibe zu Hause, wir wollen nach dem Verdigris reiten, und nach dem Panther umschauen, der dort sein Lager hat, dann uns etwas in der Steppe umsehen und sind zu Abend wieder zurück."
    "Reitet, Kinder, und bringt einige Büffelfelle mit; das Jagdergebnis ist nicht günstig bis jetzt. Muß noch ein paar Dutzend Felle haben, ehe ich nach Osten aufbrechen kann."
    "Ich will heute die Wolfsfelle mitnehmen, Oheim; Paul will diese Jagd kennen lernen, und wir kommen auch wohl eher zum Schusse."
    "Thue es. Mag Gott wissen, ob die Büffel seltener werden, oder ob die roten Teufel da im Norden alles verjagen; der Büffel zieht schlecht in diesem Jahre. Wundere mich auch, daß von Cheyennes nichts zu spüren ist, muß bei denen auch nicht gut mit der Jagd stehen."
    Nachdem die drei das Frühstück eingenommen hatten, pfiffen Paul und Puck ihren in der Nähe weidenden Pferden, fütterten sie mit Mais, tränkten sie in dem nahe dem Shanty zu Tage tretenden Quell und sattelten sie. Außer Mundvorrat für den Tag und ihren Büchsen nahmen sie auch noch Bogen und Pfeile mit. Paul hatte sich, nicht ohne Glück, mit dem Bogen versucht. Zwei schön gegerbte Wolfsfelle, in denen die Schädeldecke noch vorhanden war, wurden nicht vergessen und dann galoppierten sie lustig in die Steppe, nach Norden zu, hinein.
    Nach einigen in scharfer Gangart zurückgelegten Meilen ließen sie ihre flinken Rosse im Schritt gehen.
    Außer flüchtigen Antilopen, Prairiehasen und Hühnern hatten sie kein Wild gesehen.
    "Sehnst du dich nicht zurück, Paul, nach deinen Wigwams?" fragte der Zwerg.
    "Nicht sehr, Puck, das wilde Treiben hier gefällt mit ganz gut."
    "Ja, ich glaube es. Der alte Mann sagt, die Steppe sei schöner als alle eure steinernen Wigwams, die so dicht zusammenstehen sollen wie die Bäume am Arkansas."
    "Ja, die Prairie hat ihre großen Reize, man fühlt es von Tag zu Tag mehr, wie groß und erhaben sie ist. Aber sehnst du dich nicht danach, einmal die Ansiedlungen zu sehen?"
    Traurig entgegnete Puck: "Nein, Paul. Der alte Mann hatte mich einmal den Arkansas mit hinabgenommen, weil er mich allein zu lassen fürchtete. Als wir zu den Wigwams kamen, lachten die Leute über mich und verspotteten mich, weil ich nicht so gerade gewachsen bin wie sie, und seit der Zeit nahm der Oheim mich nicht mehr mit hinab, wenn er seine Felle verkaufte. Ich gehöre zur Steppe, Paul, und will von den Ansiedlungen und den Städten nichts wissen."
    Paul fühlte, wie schmerzlich es dem armen Menschen, den die Natur, was Schönheit anbetraf, so stiefmütterlich behandelt hatte, gewesen sein mußte, den rohen Gesellen, die sich an der Grenze der Wüste herumtrieben, zur Zielscheibe ihres Spottes zu dienen.
    Er hatte bald wahrnehmen müssen, daß hier unter einer unschönen Außenseite ein tapferes und edles Herz schlug, wie auch, daß der Zwerg einen scharfen Verstand besaß, wenn auch naturgemäß seine Bildung eine geringe war. Doch hatte der Trapper nicht versäumt, ihm die Welt und ihre Erscheinungen, so weit er konnte, zu erklären, so daß sein geistiger Horizont nicht mit dem der Prairie abschloß.
    Mit überraschender Leichtigkeit hatte Puck in dem sich oft wiederholenden Verkehr mit den Cheyennes - der Graue Bär und sein Medizinmann verbrachten oft mehrere Wochen in deren Lagern - so viel von ihrer Sprache gelernt, daß er sich verständlich darin ausdrücken konnte.
    Auch einige Lieder, welche ihm der Trapper beigebracht hatte, sang er mit ungewöhnlich wohllautender Stimme und merkwürdigerweise, ohne daß sich dabei die Schwerfälligkeit der Zunge bemerklich machte.
    Und oftmals saßen er und Paul an schönen Sommerabenden am stillen Ufer des Arkansas und sangen zur Freude des Trappers zweistimmig ihre schönen Lieder, vor allem das herzige: Home, sweet home (Heimat, süße Heimat), welches Puck sehr liebte.
    Paul änderte das Gespräch und fragte: "Du fühlst dich glücklich hier, wie dein Pflegevater?"
    "Ja", sagte der Zwerg, und sein Auge leuchtete, "wenn ich ein flinkes Roß zwischen den Knieen habe und die endlose Prairie vor mir, bin ich glücklich wie der Adler der Felsengebirge, der über der Wüste schwebt. Nur wenn der alte Mann fort ist, hinab nach den Ansiedlungen, dann sitze ich traurig am Ufer des Arkansas, bis er wiederkehrt."
    "Du hast ihn sehr lieb?"
    Puck richtete einen Blick auf Paul, in welchem deutlich zu lesen stand: Das kannst du fragen? "Sieh, Paul", sagte er dann, "du hast Vater und Mutter gehabt und ein Haus, in dem du wohntest. Ich weiß nichts von allem. Seitdem ich denken kann, sah ich den guten Alten vor mir, der mich liebte und pflegte wie ein Panther sein Junges. Ich habe nur die Prairie als Mutter und den Grauen Bären als Vater. Ich weiß nicht genau, was ihr klugen Menschen aus den Ansiedlungen unter Liebe versteht, aber wenn du damit meinst, daß ich mir Hände, Füße, den Kopf abschlagen, das Herz aus der Brust reißen ließe, wenn ich dem Oheim Leid ersparen kann, so habe ich ihn lieb."
    Es lag eine solche Innigkeit in dem Tone, als der Zwerg langsam so sprach, daß Paul wohl fühlte, wie tief aus dem Herzen die Worte kamen, mit welcher Hingebung Puck seinem väterlichen Freunde ergeben war.
    "Du bist ein guter Mensch, Puck, und hast ein dankbares Herz."
    Beide schwiegen hierauf und setzten dann ihre Pferde in Galopp.
    Nachdem sie eine große Strecke zurückgelegt hatten, sagte Puck: "Dort ist der Verdigris", und deutete auf eine kaum wahrnehmbare dunkle Linie, welche die Schlucht andeutete, durch welche der Fluß seine Wasser sandte. "Wir wollen absteigen und zum Ufer schleichen, vielleicht, daß wir den Panther zu Gesicht bekommen."
    Sie sprangen aus den Sätteln, ließen die gehorsamen Pferde stehen und gingen vorsichtig, die Büchsen in den Händen, nach dem Ufer des Flusses.
    In seiner Nähe angekommen, krochen sie durch das Gras, bis sie über den Schluchtrand in das ziemlich tiefe, felsige Bett hinabzuschauen vermochten. Der Verdigris hatte sich hier vor Jahrtausenden seinen Weg durch den steinigen Untergrund der Prairie gebrochen, er lag so tief, daß er nicht eher wahrzunehmen war, bis man am Rande der Schlucht stand, obgleich das Rauschen seiner Fluten sich weithin vernehmbar machte. Die fast ebene Bodengestaltung ließ auch die Schlucht selbst erst in der Nähe erkennen.
    Zwischen seltsam gezackten Felsenufern floß das klare Wasser rasch dahin, um sich in einigen Meilen Entfernung mit den gelben, sandigen Fluten des Arkansas zu mischen.
    Das an die endlose Ebene gewöhnte Auge wurde durch den Blick in dieses Felsenthal und auf die schäumenden Wellen, die in einer Tiefe von etwa achtzig Fuß dahinrauschten, jäh überrascht. Paul hatte einen lauten Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken können, als Puck ihn vor einigen Wochen, ohne ihn vorbereitet zu haben, über den Schluchtrand schauen ließ.
    Wild zerklüftete Felsen und Höhlen zeigten sich stromauf und stromab; zwerghafte Büsche säumten die Ufer, und brausend, oft hoch aufschäumend, wälzte sich die helle, grünlich schimmernde Flut zu Thal.
    Sie ließen die forschenden Blicke umherschweifen, aber nichts entdeckte das Auge, was auf die Anwesenheit eines Panthers schließen ließ.
    Leise sagte Puck: " Er hat sein Lager in einer der Höhlen drüben, der Felsen hinterläßt nur keine Spur, sonst hätte ich es schon ermittelt."
    Sie schritten scharf auslugend das Ufer entlang, als Puck von einer Erdwelle aus, jenseits des Stromes und einige Meilen stromab, drei weidende Büffel gewahrte.
    "Ha, Paul, sieh, dort sind Felle für den alten Mann. Jetzt hinüber, wir wollen sie beschleichen."
    Sie lockten die Pferde herbei und eilten dann in einiger Entfernung vom Ufer in einer leichten Einsenkung des Bodens den Strom entlang, bis sie ungefähr die Büffel sich gegenüber haben mußten.
    Dann nahmen sie die Wolfsfelle, Bogen und Pfeile und kletterten vorsichtig die Felsen hinab zum Wasser. Sie stiegen hinein, es strömte ziemlich heftig und sie wurden an einigen Stellen von der Flut mit fortgerissen, doch kamen sie glücklich hinüber. Der Anstieg war schwierig, doch Puck entwickelte, indem er Paul unterstützte, eine Behendigkeit und eine Kraft, die beide bald nach oben gelangen ließ.
    Ein vorsichtiger Blick über den Rand zeigte ihnen die drei Büffel in etwa tausend Schritt Entfernung. Das Gras stand hier hoch und gestattete ihnen, unbemerkt auf die Prairie zu klettern.
    Der Wind war so günstig, daß sie sich direkt an das Wild anpirschen konnten.
    Sie zogen die Wolfsfelle über Kopf und Rücken und bewegten sich in gebückter Stellung, oftmals auf Händen und Füßen kriechend, auf die Büffel zu, welche ruhig weideten. Als sie bis auf hundert Schritt herangekommen waren, hob das größte der Tiere einmal die Nase und sicherte, graste aber gleich darauf ruhig fort.
    "Ich nehme den Büffel dort, nimm du das Tier zu seiner Rechten und sende den Pfeil hinter dem Schulterblatt hinein."
    Langsam bewegten sich beide weiter durch das Gras und so vorsichtig, daß nur die Wolfsfelle an dessen Oberfläche auftauchten. Paul war auf zwanzig Schritte an sein ausersehenes Opfer herangekommen, mußte aber einen Bogen machen, um ihm in die Flanke zu kommen. Das Tier war arglos. Endlich stand es ihm schußgerecht, er zog mit aller Kraft den auf der Sehne ruhenden Pfeil an und ließ ihn entschwirren, er saß dicht hinter dem Schulterblatt.
    Das gewaltige Tier zuckte in jähem Schmerz zusammen, die unter dem Stirnhaar funkelnden Augen schienen einen Augenblick den unsichtbaren Gegner zu suchen, dann stürzte es mit zornigem Brummen schwerfällig davon.
    Paul blickte dem fliehenden Tiere nach und gewahrte dabei, wie der Büffel, welchen sich Puck ausersehen hatte, hoch anstieg und dann zusammenbrach.
    Im selben Augenblick erschien auch Pucks Haupt über dem Grase.
    Der von Paul angeschossene Büffel, dies gewahrend, stürzte mit wütendem Anlauf auf Puck zu, der aber augenblicklich im Grase verschwand. Der Büffel trabte weiter. Ein ihm von dem Zwerg nachgesandter Pfeil hemmte seinen Lauf, doch nur für einen Augenblick, dann wandte sich das Tier und rannte mit beschleunigter Eile hinweg.
    Mit Erstaunen sah Paul, wie sich Puck plötzlich mit der Behendigkeit eines Affen auf den Rücken des an ihm vorbeieilenden Büffels schwang, sich mit der einen Hand an dessen zottigem Fell hielt, während die andre das breite Messer wiederholt tief in dessen Nacken stieß.
    Noch einige wilde Sprünge des vor Schmerz und Wut rasenden Tieres, dann brach es, einen Blutstrom aus Mund und Nase ergießend, tot unter dem unheimlichen Reiter zusammen. Puck verließ den zottigen Rücken mit gewaltigem Abschwung und erschien bald darauf bei Paul, der dem Thun des verwegenen Zwergs in steigender Verwunderung zugeschaut hatte.
    "Wie kannst du dich in solche Gefahr begeben, Puck?"
    Der Zwerg lachte.
    "Keine Gefahr. Oft geritten auf Büffel, Büffel dumm."
    Der von dem Kleinen mit einem Pfeilschusse erlegte Büffelstier lag unweit, er hatte den Todesboten im Herzen sitzen und war sofort nach dem Schusse zusammengebrochen. Das dritte Tier hatte das Weite gesucht.
    Beide freuten sich der Beute, und Puck schickte sich sofort an, dem erlegten Wilde die Häute abzuziehen, wozu aber ebensoviel Kraft als Geschicklichkeit gehörte, und Paul half ihm dabei.
    "So", meinte Puck, als die nicht mühelose Arbeit vollbracht war, "zwei schöne Felle, alter Mann sich freuen. Jetzt wollen frühstücken, Büffelhöcker gut. Können unten in der Schlucht Feuer anzünden, ohne daß die Prairie in Brand gerät."
    Während Puck einen der Höcker ausschnitt, der in der That einen überaus trefflichen Braten giebt, fragte Paul: "Aber wie bringen wir die schweren Häute nach dem Shanty? Unsern Rossen dürften sie mit den Reitern zu schwer werden."
    Auf ihren bisherigen Jagden war immer eines der großen Pferde als Saumtier mitgeführt worden, dem man dann zum Rücktransport die Beute aufgeladen hatte.
    "Der Arkansas ist nicht weit. Wir machen dort ein Floß, legen die Häute darauf, lassen es treiben, eilen zu dem Shanty, fangen sie auf, wenn sie kommen; wir sind viel früher da."
    "Das ist eine gute Idee."
    Sie sahen nach ihren Pferden, welche jenseits des Flusses und nicht weit entfernt ruhig weideten und stiegen dann in die Schlucht hinab, bis sie eine geeignete Stelle fanden, um Feuer anzünden zu können.
    Trockene Sträucher waren bald zur Stelle, Feuerzeug führten sie mit, und bald loderte die Flamme empor, sandte der schmorende Höcker seinen einladenden Duft in die Luft.
    Sie schmausten herrlich von dem köstlichen Braten und ließen sich dann nach den Anstrengungen des Tages zur behaglichen Ruhe nieder, unter sich den rauschenden Strom, über sich den blauen sonnigen Himmel.
    Paul überkam eine träumerische Stimmung, als er so aus der Tiefe des felsigen Flußbettes hinaufschaute zu dem Himmelsgewölbe. Er fühlte ganz die Schönheit der Allmutter Erde, wenn sie sich in ihrem Feiergewande zeigt, und er begriff jetzt besser als vor wenigen Wochen die gewaltige Anziehungskraft, welche die einsame Erhabenheit der Wildnis auf den Menschen auszuüben vermag.
    Seine häuslichen Verhältnisse bereiteten ihm wenig Sorge, denn er wußte sein Eigentum, selbst wenn sein Oheim James nicht da war, bei dem alten Brown in guter Obhut.
    Oft hatte er in diesen Wochen über die Umstände nachgedacht, unter welchen er in die Wüste geraten war.
    Aber es kam ihm auch keine andre Lösung des Rätsels als die, welche der Trapper angedeutet hatte, daß die Cowboys ihn als Zeugen einer schwarzen That beseitigen wollten und nicht den Verbrechermut gehabt hatten, ihm eine Kugel durch den Kopf zu jagen.
    Mit freudiger Genugthuung dachte er daran, wenn er, heimkehrend, Freunden und Nachbarn von seinen Abenteuern erzählen und sie staunend seinen Schilderungen lauschen würden.
    Puck, der wie Paul schweigend dagelegen, unterbrach diese Träumerei, indem er seinen Gefährten aufforderte, mit ihm die Felle hinab an das Wasser zu schaffen.
    Rasch erhob sich Paul. Da der Zwerg etwas weiter stromab eine Stelle am felsigen Ufer zu bemerken glaubte, wo der Anstieg bei weitem bequemer war als in ihrer Nähe, schritt er am Wasser hinunter, gefolgt von Paul.
    Sie hatten noch nicht achtzig Schritt zurückgelegt, als Puck stutzte und den leise zischenden Laut ausstieß, den er hören ließ, wenn ihn etwas jäh überraschte.
    "Was giebt's?" fragte der Jüngling.
    Puck antwortete nicht, sondern starrte vor sich nieder und dann, mit der Aufmerksamkeit des suchenden wilden Tieres, ringsum.
    Paul trat zu ihm und gewahrte zwischen den Steinen die Überreste eines Feuers. Er schaute dann den Zwerg an und bemerkte, daß der kleine Mann sehr erregt war.
    "Was giebt's?" fragte er noch einmal.
    Puck deutete stumm auf die verkohlten Holzteile.
    "Was erregt dich so?"
    Mit bebendem Tone war die Antwort gegeben: "Der Kiowa."
    "Fürchtest du Gefahr?"
    "Der Kiowa", wiederholte der Zwerg nachdrücklich, und setzte dann in tief schmerzlichem Ton hinzu: "Gott sei dem Oheim gnädig."
    "Laß mich nicht in Ungewißheit, Puck, was fürchtest du? Und wie kannst du aus diesen Feuerresten auf die Anwesenheit von Kiowas schließen?"
    "Feuer, diese Nacht gebrannt, lagen hier, die Kiowas. Dort Holz gehauen", er zeigte nach den Büschen ringsum, "hier gelagert", und er zeigte Paul mehrere aus Zweigen zubereitete Lagerstätten zwischen den Steinen.
    "O, o, wo waren meine Augen? Gott sei ihm gnädig; es gilt dem Oheim, dem Oheim!"
    Seine Augen blitzten gleich denen eines Panthers, als er die Felsklüfte rings erforschte. Dann zischte er: "Hinüber, zu Pferde! Nach dem Shanty!"
    Paul begriff, daß sein Freund ernste Gefahr für den Trapper sah, und es bemächtigte sich auch seiner große Aufregung. Sie dachten der Büffelhäute nicht mehr, sondern schritten, Puck voran, in das strömende Wasser und kamen, von Fels zu Fels watend, glücklich hinüber. Mit einer Kraft und Gewandtheit stieg Puck aufwärts, die ihn bereits den Schluchtrand erreichen ließen, als Paul noch auf der Hälfte des Weges mühsam emporkletterte.
    Puck pfiff den unweit grasenden Pferden, die gehorsam herbeikamen und schon nahe waren, als Paul endlich aus der Schlucht auftauchte.
    "In den Sattel", stöhnte der Zwerg mehr als er sprach, "und dann reiten, reiten."
    Sie bestiegen die Rosse, sahen nach den Büchsen, und in gestrecktem Galopp jagten sie davon, gerade dem Shanty zu.
    Sie schnitten, in gerader Linie vorwärts rennend, eine weite Biegung des Arkansas ab.
    Stumm ritten sie in immer gleichmäßiger Eile durch die Prairie, Puck mit dem Auge des Falken die Ebene überfliegend.
    Drei Stunden hatten sie in ununterbrochenem Galopp zurückgelegt, als der Fuchs Spuren von Erschöpfung zeigte.
    "Gieb ihm die Sporen, es ist keine Zeit zu verlieren."
    Noch eine halbe Stunde wilden Rittes und sie waren dem Shanty gegenüber angekommen.
    Puck hielt und ließ den Schimmel verschnaufen, ein Gleiches that Paul. Des Zwerges Auge überflog fortwährend unruhig die Steppe und den Rand der Schlucht, in welcher der Arkansas dahinfloß.
    Nach einigen Minuten sagte er zu Paul: "Du hier halten, ich sehen, ob die Kiowas da."
    "Nein, ich reite mit, ich will die Gefahr teilen."
    "Du bleibst hier", sagte der Zwerg streng, "du kannst nicht weiter. Schießen sie auf mich, so reiße dein Roß herum und jage nach Osten. Bleib", wiederholte er noch einmal barsch, und setzte seinen Schimmel in Galopp, gerade auf die Stelle zu, wo das Shanty lag, während Paul ratlos zurückblieb und mit dem Auge dem kühnen Zwerge folgte.
    Nahe der Schlucht galoppierte Puck dieselbe entlang und warf sich gleichzeitig auf die dem Flußufer entgegengesetzte Seite des Pferdes - ein Reiterkunststück, welches er den Indianern, den besten Reitern der Welt, abgesehen hatte.
    Nichts regte sich am Arkansas, kein Schuß folgte.
    Puck jagte zurück, sich auf die andre Seite des Pferdes werfend, hielt, richtete sich auf, stieß einen gellenden Schrei aus und verschwand in der Schlucht.
    Eilig ritt Paul ihm nach, denn ein zweiter gellenderer Schrei des Zwerges erregte seine Unruhe in hohem Grade.
    Er sprang, am Rande angekommen, vom Pferde, und lief durch die Büsche auf die Blockhütte zu.
    Zu seinem Schrecken sah er Puck am Boden auf dem Gesichte liegen, den kurzen, gedrungenen Körper von heftigen Zuckungen erschüttert.
    Ein Blick auf die Hütte, deren Thür geöffnet war, zeigte, daß sie leer sei.
    "Puck, Puck", wandte er sich an diesen - "was giebt's, Puck, was ist geschehen? Was hast du?"
    Der Zwerg hob sein unschönes Antlitz vom Boden empor, es war thränenüberströmt, und heftiges Schluchzen erschütterte den starken Körper.
    Paul erschrak in der Tiefe der Seele.
    Endlich stöhnte Puck, mühsam nur die Laute herauszwängend: "Alter Mann, fort, Vater fort, Kiowas hier", und in wildem Schmerze schlug er die Hände vors Gesicht.
    Der bewegte Knabe legte den Arm um Pucks Schulter und sagte: "Du mußt dich fassen, Puck. Wir sind ganz verloren, wenn du dich der Verzweiflung hingiebst. Wenn dem Oheim etwas geschehen ist, müssen wir ihm doch zu Hilfe kommen, und wer soll ihm beistehen, wenn nicht du?"
    Der Zwerg ließ die Hände sinken und bezwang seinen gewaltigen Schmerz, so gut er es vermochte. "Du, recht, Paul - alten Mann retten oder mit ihm sterben."
    Er erhob sich, winkte Paul, auf seinem Platze zu verharren, und begann, das Auge am Boden, gleich einem Spürhund umherzuschleichen. Er verschwand nach dem Flußufer zu in den Büschen, und kam erst nach einiger Zeit zu dem von Unruhe verzehrten Paul zurück.
    Leise sagte er, die bebende Stimme verriet die innere Erregung: "Sie haben ihn fortgeschleppt, die Hunde, im Kanoe."
    "Wie weißt du das?"
    "Ich lese am Boden. Sie sind den Fluß heruntergekommen, landeten etwas oberhalb, wahrscheinlich in der Nacht. Als wir fort waren, habe sie sich zum Shanty geschlichen und den Grauen Bären überfallen, gebunden und ins Kanoe geschleppt."
    Staunend horchte Paul. "Und der so starke Oheim hat sich wehrlos fangen lassen?"
    "Nein", sagte mit grimmigem Triumphe der Zwerg, "der Graue Bär hat ihnen die Pranken gezeigt, zwei bezahlten den Angriff mit dem Leben."
    "Hast du die Toten gesehen?"
    "Nein, die haben sie mitgenommen."
    "Mein Gott, Puck, woran siehst du das?"
    "Komm!" sagte der Zwerg kurz.
    "Sieh, hier", und er deutete auf den Boden vor dem Shanty, "hier haben sie sich zuerst auf ihn geworfen, indem sie von rechts und links gleich feigen Coyotes über den Arglosen herfielen. Es waren mehr als zwanzig Krieger. Aber der Bär schüttelte sie ab, die Hunde. Sieh, wie sie zu Boden flogen"; er wies auf einige Stellen auf dem mit Gras bewachsenen sandigen Boden. Paul gewahrte weiter nichts, als daß das Gras zerdrückt war. "Einen schleuderte der grimmige Alte dort an den Baum mit dem Kopfe, der wird wohl tot genug sein."
    Er zeigte dem schaudernden Paul den Baum und die Stelle der Rinde, wo der Schädel angeschlagen hatte; die Rinde war etwas eingedrückt, und Blut sowohl als schwarzes Haar darauf wahrnehmbar.
    "Dann ist der Alte nach dem Flusse gelaufen, um sich gleich einem Alligator in denselben zu stürzen. Hätte er ihn erreicht, so könnte der ganze Stamm der Kiowas am Ufer heulen oder nachschwimmen, sie hätten ihn nimmer erreicht, denn er schwimmt und taucht wie ein Otter." Er führte Paul durch die Bäume, ihm Fußspuren zeigend, unter denen die des Trappers deutlich erkennbar war.
    Er machte den Jüngling auf zertretene und verbogene Büsche aufmerksam und auf den zerstampften weichen Boden. Ringsumher auch lagen Federn, wie sie den Indianern zum Hauptschmuck dienen, und Fetzen ihrer Gewänder. "Hier haben sie sich wieder auf ihn geworfen - alle. Einen hat der Oheim gepackt und zu Boden geschleudert. Er lag auf ihm, sieh hier -", Paul gewahrte deutlich die Spuren von Schultern und den Eindruck eines Schädels am Boden, "und die andern wieder auf dem Alten. Hier haben sie ihn gebunden, und dann zum Kanoe getragen. Sie müssen die Waffen abgelegt haben, um so den Alten lebendig zu fangen." Immer wies er dem staunend Horchenden die Spuren, die Paul, so aufmerksam auf alles gemacht, jetzt besser erkannte.
    Sie gingen zum Flußufer. "Hier hat das Kanoe gelegen, ein großes Fahrzeug, und hier haben sie ihn hineingeschleppt."
    Am sandigen Ufer gewahrte man deutlich die Fußspuren und den Eindruck, den das Boot gemacht hatte.
    "Glaubst du, daß der Oheim den Mann, den er erfaßt und zu Boden gedrückt hatte, getötet habe?"
    "Der ist so sicher tot, wie dort der Arkansas fließt; der Graue Bär faßt nicht zweimal zu, wenn er zornig ist", sagte Puck, wie vorher mit grimmigem Lächeln.
    "Aber was werden sie mit dem Alten thun, Puck?"
    "Sie schleppen ihn zu ihrem Lager und werden ihn dort martern."
    "O Gott, mein Gott!" stöhnte tief entsetzt Paul, der vom indianischen Marterpfahl und der Grausamkeit der Wilden gelesen hatte. - Dann sagte er: "Können wir ihm nicht Hilfe bringen, Puck?"
    Der Zwerg sah ihn an.
    "Hat die Junge Tanne Mut?"
    "Ich werde für den, der mir das Leben gerettet hat, das Äußerste thun."
    "Gut, wir wollen ihm helfen."
    "Aber, daß sie uns nicht angegriffen haben, Puck, sie haben uns doch gewiß auf der Prairie gesehen."
    Nach einer Weile sagte der Zwerg: "Sie haben Angst vor mir, Paul, und gehen mir aus dem Wege, wo sie können. Sieh, ich bin nicht wie andre Menschen gebildet, ich weiß es wohl, und alle erschrecken, wenn sie mich sehen. Die Roten glauben deshalb, ich sei ein Medizinmann, d.h. ein Zauberer, der übernatürliche Dinge vollbringen könne, und fürchten mich. Das hat uns gerettet, sonst hingen unsre Skalpe wahrscheinlich schon am Gürtel eines dieser Bluthunde."
    Puck hatte seine erste furchtbare Aufregung bemeistert und sprach ruhig und bestimmt, das letztere sogar gleichgültig.
    "Laß uns gehen; wir wollen sehen, was sie gestohlen haben."
    Sie schritten zum Shanty zurück und traten hinein.
    Die dort sonst herrschende Ordnung war in ein Chaos verwandelt worden, die Roten hatten überall nachgesucht, und alles durcheinander geworfen.
    Die Waffen waren sämtlich verschwunden, Fässer und Kisten waren umgewühlt, Thee, Rum, Tabak, ein großes gefülltes Pulverhorn, Sättel, Zaumzeuge, Lassos, hatten sie mitgeführt.
    "Sieh, wie die Diebe hier gehaust haben. An mein unterirdisches Wigwam haben sie sich nicht gewagt, dort ist alles unberührt. Schade, daß die Doppelbüchse im Besitze der Schurken ist; eine kostbare Waffe, aber wir haben noch eine, und Pulver genug."
    Er setzte sich ruhig nieder und zeigte jetzt einen fast indianischen Gleichmut.
    "Weißt du nun auch gewiß, Puck, daß es Kiowas waren, welche hier gehaust haben?"
    "Knabe, ich bin in der Prairie aufgewachsen, ich kenne den Himmel und die Erde, die Menschen und die Tiere der Ebene und kann einen Kiowa von einem Cheyenne oder Dakota unterscheiden, wenn ich nur die Fährte sehe. Sieh hier", - und er holte das Stück eines mit kleinen Flußmuscheln gezierten indianischen Gürtels hervor und zeigte es Paul - "das trägt nur ein Kiowa. Außerdem haben wir keine Feinde, als diese Schurken."
    "Aber was beginnen wir, Puck?"
    "Was ich beginne, weiß ich - aber du bist ein Kind der Ansiedlungen und nicht gewohnt, die Nacht in der Steppe zu liegen, gleich dem Coyoten. Bleibe du hier, ich werde dem Oheim folgen."
    "Ich gehe mit dir", sagte Paul entschlossen, "und will ertragen, was da kommen wird."
    "Gut, Junge, du wirst den Krieg kennen lernen. Du kannst zeichnen, wie?"
    Paul bejahte.
    "Meine Finger wollen die Feder nicht führen." Er holte geschäftig aus einem Winkel der Hütte einige Bogen Papier und eine Bleifeder.
    "Das hat der alte Mann mitgebracht von den Ansiedlungen, er wollte mich zu einem Gelehrten machen. Nimm und zeichne. Zuerst malst du einen Bären, kannst du das?"
    "Nun soweit, daß man erkennt, was es sein soll, ja."
    "Gut, male einen Bären, über den die Hunde von hinten herfallen, und einen von diesen malst du eine Krähenfeder über das Ohr."
    "Wozu soll das?"
    "Zeichne nur."
    Paul that es, und der Zwerg war mit seiner Kunstleistung, die sich wenig über das erhob, was Knaben, die etwas Zeichnen gelernt haben, leisten können, durchaus zufrieden.
    "Nun zeichne dich und mich zu Pferde, wie wir den Spuren der Kiowas folgen."
    Paul stutzte vor dieser Aufgabe, versuchte aber sie zu lösen, und brachte richtig zwei Pferde und auf ihnen zwei Reiter fertig, denen er einige Fußtapfen vorzeichnete.
    Auch hiermit war Puck zufrieden.
    "So", sagte er, "das nageln wir an die Wand des Shanty, und wenn Cayugas kommt, weiß er alles."
    Jetzt begriff Paul den Zweck der Zeichnungen, und nagelte sie selbst an die Außenseite des Shanty.
    Puck, der jetzt eine Ruhe zeigte, die nur durch ein gelegentliches Aufflackern seines Auges unterbrochen wurde, pfiff den Pferden des Trappers, welche unweit weideten, hieß Paul sie anpflocken, und begab sich zu seiner Erdhütte.
    Paul folgte seinem Auftrag, band die Pferde an, und ging Puck nach, um ihm zu sagen, die Pferde seien da.
    Zu seiner Überraschung erblickte er ihn vor einer Aushöhlung im Boden, welche sauber mit Büffelhäuten ausgelegt, eine Fülle von Dingen enthielt, welche in der Prairie wertvoll waren.
    "Das ist unser Versteck, und das soll selbst die feinste Indianernase nicht finden."
    Er hatte bereits eine schöne neue Doppelbüchse und ein großes Pulverhorn hervorgenommen, daneben einige bunte Tücher und Glasperlen, auch Thee und Kaffee.
    "Hier ist genug, um einen ganzen Stamm zufrieden zu stellen, so habgierig die Schufte auch sind."
    Er deckte das alles mit den Büffelhäuten zu, füllte die sorgfältig auf eine Haut gelegte Erde darauf und stampfte den Boden fest. Dann deckte er noch eine Wolfshaut darüber, und richtete sein Lager, das er beiseite geschoben hatte, wieder über der Öffnung her, so daß nichts zu gewahren war.
    "Sie fürchten des Grauen Bären Doppelbüchse und glauben sich nun in ihrem Besitze unbesiegbar, aber wir haben noch eine, und der Medizinmann kann schießen. Pulver ist hier und Blei für mehrere Jahre. Fülle das Horn und den Kugelbeutel, ich muß jetzt, ehe es dunkel wird, die Spur suchen."
    Dann begab er sich zu dem Shanty, wo die Pferde harrten.
    "Auf dieser Seite des Flusses sind sie nicht heraufgegangen, denn wir hätten sie sehen müssen; auch können sie nicht über den Verdigris mit den Pferden. Meilenweit den Arkansas stromauf zu rudern, ist auch nicht dieser Halunken Sache, welche nur im Sattel zu Hause sind, sie müssen also das jenseitige Ufer angenommen haben, um entweder stromauf zu gehen, bis sie ihn bequem oberhalb des Verdigris kreuzen können, oder sie sind durch die Wüste, jenseits, nach dem Canadian-River, gegangen. Das will ich noch vor Sonnenuntergang erfahren."
    Er nahte sich dem Renner, welcher bei Jagdausflügen des Trappers große Gestalt trug, und schwang sich auf dessen nackten Rücken.
    "Willst du zu Pferde den Fluß überschreiten?"
    "Ja, komm mit, und sieh dir die Furt an, wir müssen beide den Arkansas hernach kreuzen. Nimm deine Büchse, und siehst du drüben etwas Verdächtiges, so feuere sofort darauf. Zwar ist es kaum anzunehmen, daß sie Späher zurückgelassen haben, aber Vorsicht ist geboten."
    Er schärfte Paul noch ein, Nahrungsmittel einzupacken, die Pferde bereit zu halten und ritt dann zum Strom hinab und hinein. Bald mußte das Tier, welches anfänglich Boden fand, schwimmen, kämpfte aber machtvoll und siegreich gegen die schlammige Flut. Eine breite Sandbank inmitten des Stromes erleichterte dessen Überschreiten, und bald erreichte Puck das jenseitige Ufer, wo Roß und Mann in den Büschen verschwanden.
    Paul hatte mit gespannter Büchse und bereit, zu feuern, den Ritt Pucks verfolgt und den Waldsaum drüben beobachtet, ohne etwas zu bemerken, was Besorgnis einflößen konnte, und begab sich jetzt zurück, um alles für den Ritt vorzubereiten.
    Dem einsam zurückbleibenden Jüngling war nicht leicht zu Sinne. Aus dem Vaterhause, dessen verzogener Liebling er war, in die Wildnis geschleudert, hatte er die Nachwirkung der ihn umgebenden Gefahren mit der Spannkraft der Jugend leicht überwunden und sich bald unter dem so wohlwollenden Schutze des Trappers wie in der Gesellschaft des seltsamen Zwerges wohl gefühlt. Die Reize der Wildnis, des ungebundenen Lebens übten ihre Wirkung, und täglich war er mit aufjubelnder Seele in die Prairie geritten, um zu jagen. Jetzt trat eine ernste Gefahr an ihn heran, der er bewußt und kaltblütig entgegengehen sollte. Der Mann, dem er die Rettung seines Lebens verdankte, war in die Hände grimmiger, wilder Feinde gefallen, und es galt, ihm Hilfe zu bringen. Nicht einen Augenblick war Paul unentschlossen, unter des klugen Zwerges Führung sein Bestes zur Rettung des Freundes zu tun, sich den Gefahren auszusetzen, welche sie erwarteten, und seine Büchse, wenn es sein mußte, auch auf Menschen abzufeuern. Mochte es kommen, wie es wollte, er stand in Gottes Hand, und Dankbarkeit und Ehrgefühl geboten ihm, Puck beizustehen.
    Die Sonne wollte eben hinter dem Horizont verschwinden, als der Zwerg auf seinem triefenden Rosse zurückkehrte.
    "Nun?" fragte begierig Paul.
    "Sie sind nach Norden und haben oberhalb des Verdigris den Arkansas auf ihren Pferden gekreuzt."
    "Und was thun wir?"
    "Ich reite ihnen nach. Du kannst, wenn du willst, hier bleiben, bis die Cheyennes kommen."
    "Nein, Puck", entgegnete warmherzig Paul, "ich reite mit dir."
    "Nun, so müssen wir uns auf den Weg machen."
    Er untersuchte jetzt die Pferde, welche sich bereits erholt hatten. Dann bestimmte er: "Du nimmst den Thunder, Paul, denn der alte Mann muß das Pferd haben, wenn er reiten soll, und ich behalte den Blitz. Brauchen wir noch ein Pferd, will ich es schon verschaffen." Hierauf sah er nach, ob alles, Zaum und Sattelzeug, Lasso, Waffen, Munition, Proviant, Decken, vorhanden und in Ordnung war, ergriff die Doppelbüchse und stieg dann mit einem inbrünstigen "Gott sei mit uns" zu Pferde.
    Glücklich gelangten beide trotz der Dunkelheit durch den strömenden Fluß und galoppierten an seinem Ufer hinauf bis oberhalb der Mündung des Verdigris.
    Hier wollten sie bis Tagesanbruch verweilen, sowohl, um den Pferden Rast zu gönnen, als auch, weil Puck Bedenken trug, mit Paul in der Nacht eine ihm unbekannte Stelle des Arkansas zu kreuzen. Sie richteten sich in den Ufergebüschen ein Nachtlager her, wickelten sich in ihre wollenen Decken und schliefen ein, nur bewacht von dem Auge Gottes.