Drittes Kapitel

Noch vor Sonnenaufgang erhob sich Puck, schlich zum Ufer und ließ seine Falkenaugen überall hinschweifen, dann stieg er zur Prairie hinauf und durchforschte diese; nichts Verdächtiges zeigte sich.
    Er sah die Spuren der Pferde der Kiowas und wo sie zum Wasser hinunterführten, und beschloß natürlich, an derselben Stelle überzugehen.
    Er weckte den noch in tiefem Schlafe liegenden Paul; beide bestiegen die Pferde und ritten in den Fluß hinein, als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Himmelsbogen sandte.
    Das Wasser war tief und reißend, und es gehörte die Kunst geübter Reiter dazu, den Pferden den Kopf über Wasser zu halten und sie im Kampfe gegen die Strömung zu unterstützen. Doch bald fühlten die Tiere den Boden einer Sandbank unter sich, wie denn der ganze obere Teil des Arkansas mit Sandbänken durchsetzt ist, und schritten darauf weiter.
    Sie waren vielleicht noch hundert Schritt vom Ufer entfernt, als Pucks Hand mit ehernem Griffe Pauls Schulter faßte, ihn mit dem Ausruf: "Herab!" aus dem Sattel riß und sich gleichfalls, wie ein Ball, vom Pferde fallen ließ.
    Im selben Augenblick flog, begleitet von dem Donner eines Büchsenschusses, eine Kugel über sie hinweg.
    Mit Gedankensschnelle fuhr aber die Büchse Pucks, der neben seinem Pferde und gedeckt von diesem im untiefen Wasser stand, an die Wange und entlud sich krachend.
    Er rief Paul zu: "Vorwärts! Schwimm neben dem Pferde her!" zog sein Roß mit sich, und beide tauchten in die Flut. Instinktiv ahmte Paul den Zwerg nach und stürzte sich hinter ihm ins tiefe Wasser.
    Schon war Puck, der wie ein Delphin schwamm, am Ufer, das Pferd war noch im Flusse, und verschwand in den Büschen. Bald folgte ihm Paul, sich, sobald er am Lande war, unruhig nach dem Feinde umschauend.
    Er ließ sein Pferd stehen und warf sich hinter einem Baum nieder, die Büchse, die es ihm gelungen war, trocken durch das Wasser zu bringen, zum Schusse bereit haltend und durchforschte den Wald.
    Während er klopfenden Herzens so lag, bemerkte er vor sich eine Bewegung der Zweige - er faßte die Büchse krampfhaft - jetzt bogen sie sich langsam auseinander und - das Blut stockte ihm im Herzen - er sah das braune Gesicht eines Indianers, dessen funkelnde Augen umherspähten, während er sich langsam dem Flusse zu bewegte.
    Er stand schußgerecht - aber - obgleich eine mörderische Kugel über ihn hinweggeflogen war - Paul schauderte davor zurück, seine Waffe auf einen Menschen abzudrücken.
    Der Wilde stutzte und hob seine Flinte - hatte er ihn gesehen? Ehe der Jüngling noch einen Entschluß zu fassen vermochte, und diese Unentschlossenheit konnte ihm leicht tödlich werden, sah er, wie hinter dem Indianer sich die langen Arme Pucks erhoben, ein Griff der beiden nervigen Hände nach Nacken und Arm des gänzlich überraschten Wilden, und mit einem Aufschrei sank er zu Boden, wehrlos in Pucks Gewalt.
    Das Kind der Prairie war gewohnt, den Panther im Lager zu beschleichen, und hatte sich geräuschlos, gleich der Schlange, dem Indianer genaht.
    Jetzt sprang Paul auf und lief zu Puck.
    Der Wilde lag auf dem Gesicht, und der Zwerg schnürte ihm auf dem Rücken die Arme über den Ellenbogen mit einem Riemen zusammen. Der Indianer, neben dem die entfallene Büchse lag, und der Messer und Tomahawk im Gürtel trug, war unschädlich gemacht.
    "So, Bursche", sagte Puck, "dich haben wir, und nun laß dich einmal besehen."
    Er wandte den Körper, dessen oberer Teil nackt, während der untere Teil mit ledernen Hosen bekleidet war, um.
    Der Gefangene zeigte sich als ein noch junger Mann, in dessen Zügen sich unverkennbares Entsetzen ausprägte, als er in des Zwerges grimmiges Antlitz sah. Sein dunkles Auge wandte sich auf Paul und haftete dann wieder auf Puck.
    Dieser richtete den Gefangenen auf, so daß er saß.
    "Nimm ihm Axt und Messer fort, Paul."
    Der Jüngling, neugierig den schweigenden Gefangenen anstarrend, that es, hob auch die Büchse auf und trug die Waffen zur Seite.
    Puck zog gelassen sein breites, glänzendes Messer und ließ es vor den Augen des Kiowa funkeln.
    "Du sprichst englisch, Rothaut?"
    Der Wilde antwortete nicht.
    "Sprichst du die Sprache der Cheyennes?" fragte er in dieser.
    Auch jetzt erfolgte keine Antwort.
    "Gut, der Kiowa ist stumm. Sein Herz verlangte nach unsern Skalpen, und nun wird er seinen verlieren. Wir wollen diesen Burschen skalpieren und dann seinen Gefährten nachschicken; sein blutiger Schädel wird ihnen sagen, daß des Grauen Bären Medizinmann auf ihrer Fährte ist."
    Er faßte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck die Skalplocke des Wilden und fuhr mit der messerbewehrten Hand in die Höhe.
    "Was will der Medizinmann", sagte der Indianer jetzt in verständlichem Englisch, während ein Zittern durch seinen Körper lief.
    "Ah, der Kiowa hat eine Zunge? Gut." Und Puck ließ die Hand sinken. "Wenn du, Bursche, deinen Skalp behalten willst, so beantworte meine Fragen. Ich will hören, ob du die Wahrheit sagst; sobald du lügst, nehme ich dich beim Schopfe."
    "Der Medizinmann frage."
    "Ist der Kiowa hier allein oder kriechen noch andre seines Stammes in den Büschen herum?"
    "Er ist allein."
    "Gut."
    "Wo ist Krähenfeder?"
    Ein leichtes Erstaunen drückte sich in des Indianers Gesicht aus, und er antwortete: "Er reitet über die Prairie."
    "Wo ist das Lager der Kiowas?"
    Erst nach einigem Zögern ließ der Wilde sich vernehmen: "Wird der Medizinmann meinen Skalp nehmen?"
    Puck starrte ihn aus seinen tiefliegenden Augen an und sagte dann noch langsamer als gewöhnlich: "Ich werde deinen Skalp nicht nehmen, wenn du die Wahrheit sagst."
    Die Persönlichkeit des Zwerges schien einen gewaltigen Eindruck auf den jungen Kiowa zu machen, der durch die herkulische Kraft Pucks, die der Gefangene erprobt hatte, wohl noch verstärkt wurde; ja, selbst die schwerfällige Sprache des kleinen Mannes schien dem Wilden zu imponieren.
    Puck hatte lange genug im Verkehr mit den Roten gestanden, um zu wissen, wie man mit ihnen umzugehen habe, und kannte die Wirkung seiner Persönlichkeit wohl.
    Nach der Versicherung, die er dem Gefangenen gegeben hatte, antwortete dieser: "Die Kiowas lagern am Ufer des Ohsonta, da wo er in den großen Fluß mündet, zwischen den Felsen."
    "Es ist gut. Wo ist der Graue Bär?"
    "Er reitet mit Krähenfeder."
    "Gut. Ich wußte, daß ihr kommen würdet, seitdem ich von der Versammlung am Pigfelsen hörte" - der Indianer horchte auf -, "nur sang mir ein falscher Vogel in das Ohr, ihr würdet später kommen. Er hat mich getäuscht und soll es büßen. Bist du als Späher zurückgelassen?"
    "Nein, Mana konnte nicht reiten, die Pranke des Grauen Bären lag zu schwer auf ihm." Der Gefangene deutete an, daß er Verrenkungen erlitten habe, die ihm das Reiten nicht länger gestattet hatten.
    Puck lachte.
    "Hattet ihr mehr als zwei Tote bei dem Kampfe mit dem Grauen Bären?"
    Erstaunt sah ihn der Mann an.
    "Zwei Tote", sagte er dann.
    "Ja, wen der Graue Bär an den Baum schleudert oder an der Kehle faßt und niederwirft, der ist tot genug."
    "Der Medizinmann weiß alles", erwiderte der verblüffte Wilde leise.
    "Gewiß weiß ich alles. Ein böser Geist hatte mein Auge für kurze Zeit geblendet, daß ich die Kiowas nicht zwischen den Felsen des Verdigris lagern und nicht den Arkansas hinabfahren sah. Jetzt sieht mein Auge wieder weit. Wo ist dein Pferd?"
    "Es ist mit den andern gelaufen."
    "Und Mana, der hier verwundet lag, verspürte Lust nach unsern Skalpen?"
    "Ich sah das Blaßgesicht und wurde zornig."
    "Kanntest du des Grauen Bären Medizinmann nicht?"
    "Ich kannte ihn nicht."
    "Nun gut, jetzt kennst du ihn. Geschieht dem Grauen Bären ein Leid, vertilge ich euern ganzen Stamm."
    Der Indianer zuckte zusammen.
    "Wann soll er gemartert werden?"
    "Sobald die Jäger aus dem Norden zurück sind."
    "Gut. Mana sagte die Wahrheit, er wird seinen Skalp behalten."
    Der Gefangene atmete erleichtert auf.
    Puck winkte Paul, der mit tiefer Anteilnahme dieser Unterredung gelauscht hatte, sich mit ihm zu entfernen.
    "Jetzt wissen wir also, wo wir den Oheim zu suchen haben. Der Weg ist weit, aber wir müssen ihn eilig zurücklegen."
    "Aber wie denkst du, Puck, ihm Hilfe zu leisten?"
    "Noch weiß ich es nicht, das wird Gott fügen."
    "Glaubst du, daß der Indianer die Wahrheit gesagt hat?"
    "Ich glaube es, auch kenne ich diesen Lagerplatz der Kiowas. Wesentlich ist es, daß wir für die Cheyennes Zeichen zurücklassen, die ihnen sagen, wo sie uns zu suchen haben."
    "Hoffst du, daß sie uns folgen?"
    "Ich hoffe es. Doch jetzt laß uns essen, wir müssen Kraft haben für einen langen Ritt, die Kiowas haben viel Vorsprung, obgleich der Oheim ihren Pferden viel zu schaffen machen wird", und leise lachte er in sich hinein.
    Puck rief den Thunder, und das Tier kam sofort zwischen den Büschen hervor.
    Sie entnahmen dem Beutel etwas Mundvorrat und gingen zu ihrem Gefangenen zurück.
    "Will der Kiowa essen?"
    Dieser bejahte.
    Puck band ihm die Füße und löste dann die Riemen, welche seine Arme fesselten. Er gab ihm Brot und Fleisch, und alle drei aßen, der Kiowa mit einem, nur durch die Furcht unmännlich zu erscheinen, gemäßigten Heißhunger.
    Puck steckte sein Messer nach beendetem Mahle ein und sagte: "Was beginnen wir nun mit dir, mein brauner Bursche? Den Skalp habe ich versprochen, dir zu lassen, töten will ich dich nicht, denn Blut will ich nur im äußersten Notfall vergießen, aber was beginne ich mit dir, damit du uns nicht schaden kannst?"
    Der Indianer hatte mit großer Aufmerksamkeit gelauscht und wohl begriffen, daß man ihn nicht töten wollte; ein freudiger Zug flog deshalb über sein dunkles Gesicht.
    "Mana wird dem Medizinmann nicht schaden, er kann nicht reiten, nur mit Mühe gehen, er ist lahm."
    "Nun gut; wenn wir fortgaloppieren, wollen wir deine Fesseln lösen."
    "Mana wird verhungern ohne Büchse."
    "Das würde mir sehr leid thun; aber die Büchse kann ich Mana nicht geben, er hat zuviel Verlangen nach Skalpen der Blaßgesichter. Aber drüben, jenseits des Verdigris, liegen zwei tote Büffel, dort wird der Kiowa Nahrung finden, bis er stark genug ist, zu seinen Freunden zu gehen. Der Kiowa hat doch gewiß seinen Lasso?"
    "Er ist mit dem Pferd davongelaufen."
    "Desto schlimmer. Das Messer und den Tomahawk wollen wir dir lassen, dann sieh zu, wie du mit der Steppe fertig wirst. Komm, Paul, wir wollen reiten."
    Er schnitt die Bande durch, welche des Indianers Füße fesselten, dann bestiegen beide die Pferde und ritten zur Prairie hinauf. In die Rinde eines der letzten Bäume schnitt Puck einen Pfeil, dessen Spitze nach Norden zeigte.
    "Warum das?"
    "Er wird Cayugas sagen, wo er uns zu suchen hat; er kennt den Lagerplatz am Ohsonta auch."
    "Aber der Kiowa wird das Zeichen vertilgen."
    "Ich denke nicht. Er wird glauben, es sei eine geheimnisvolle Medizin, wie sie alle Zaubermittel nennen, und es nicht berühren. Doch da ist die Spur breit vor uns, nun wollen wir wie hungrige Wölfe darauf einherjagen."
    Sie ließen die kleine Axt und das Messer des Kiowa hier zurück, und in raschem Galopp, ohne die Pferde anzutreiben, eilten sie die nach Norden führende breite Spur entlang, die einige zwanzig Rosse zurückgelassen hatten. Nach etwa drei Stunden fanden sie ein verendendes Pferd an ihrem Wege.
    Puck hielt und betrachtete das Tier, dem Sattel und Zaum genommen war.
    "Es ist zuschande geritten, der Graue Bär ist zu schwer für diese Rasse. Sie werden noch manches Pferd einbüßen, ehe sie nach dem Ohsonta kommen, wenn sie ihre Eile nicht mäßigen."
    Sie ließen das Tier liegen und ritten weiter.
    Nicht mehr als hundert Schritte mochten sie zurückgelegt haben, als plötzlich, wie der Erde entsteigend, ein indianischer Krieger sich vor ihnen erhob.
    Mit einer unheimlichen Schnelligkeit riß Puck die Büchse empor, welche er quer über den Sattel trug, ließ sie aber sofort wieder sinken.
    "Ah, es ist Cayugas!" Der junge hochgewachsene Cheyenne, der so unerwartet vor ihnen stand, nickte ihm freundlich zu.
    Als sie näher kamen, fanden sie, daß der Cheyennehäuptling samt seinem Rosse in einer Vertiefung gelegen hatte, wie sie die Büffel zahlreich durch Herumwälzen auf der Prairie erzeugen. Das gehorsame Pferd lag noch am Boden. Puck sprang ab und reichte dem Indianer die Hand, hastig dabei fragend: "Wie lange weilst du hier? Was führt dich hierher? Hast du ihn gesehen?"
    "Zuviel fragt der Medizinmann", entgegnete lächelnd der Indianer.
    "Oh, du hast mich verstanden, rede, rede."
    "Cayugas liegt seit drei Tagen im Grase der Prairie, um nach den Kiowas umzuschauen."
    "Und - und - der Alte?"
    "Ich sah den Grauen Bären, er ritt hier vorüber."
    "Welch ein Unglück, Cayugas, welch ein Unglück!"
    "Der Graue Bär hat Freunde."
    "Ja, ich weiß, ich weiß es. Hast du deine Krieger hier?"
    "Ich habe nur zwei Krieger bei mir, sie liegen wie ich in den Vertiefungen. Die Dunkle Wolke hat uns ausgesandt, die Fährten der Kiowas auszuspüren, denn wir wissen, was sie sinnen."
    "Hast du sie nicht nach dem Shanty reiten sehen?"
    "Cayugas kann nicht durch die Erde schauen, er hat sie erst gesehen, als sie mit dem Grauen Bären zurückkehrten. Was führt den Medizinmann und das junge Bleichgesicht in das Land der Kiowas?"
    "Das fragst du? Soll ich zu Hause sitzen, während die Hunde meinen Vater fortschleppen? Aber was wird der Freund des Grauen Bären, was werden die Cheyennes jetzt tun?"
    "Der Medizinmann höre", entgegnete bedächtig der junge Indianer.
    "Die Kiowas haben mit den Sioux und den Kaws am Pigfelsen ein Bündnis geschlossen, die Cheyennes wissen das. Die Dunkle Wolke glaubt nicht, daß das Bündnis den Cheyennes und ihren Freunden, den Arrapahoes, gilt, es ist gegen die Langmesser gerichtet. Die Kiowas hassen den Grauen Bären, aber sie würden nimmer gewagt haben, Hand an ihn zu legen und ihn fortzuführen aus dem Lande der Cheyennes, wenn sie nicht die Sioux und Kaws als Brüder hätten."
    "Aber was werden die Cheyennes jetzt beginnen?"
    "Ich komme vom oberen Laufe des Verdigris, wo wir gejagt haben, und liege seit drei Tagen in der Steppe, um nach den Kiowas zu spähen. Als ich gestern den Grauen Bären gefangen in ihrer Mitte gesehen, sandte ich einen meiner Krieger an die Dunkle Wolke, um es ihr zu berichten. Ich weiß nicht, was die Häuptlinge beschließen werden, ich warte auf Botschaft."
    "Hm", sagte der Zwerg verdrießlich, "das ist eine laue Freundschaft. Der Oheim hat euch geholfen, als die Kiowas über euch herfielen, denke ich."
    "Noch wissen die Cheyennes nicht, daß Grizzly in den Händen der Kiowas ist", erwiderte der Indianer ernst, "und die Cheyennes haben mit den Kiowas Frieden."
    "Du weißt jetzt, wo mein Vater weilt, sie führen ihn nach dem Ohsonta, wo ihr Lager ist."
    "Der Medizinmann weiß das? Gut. Was wird er thun?"
    "Den Spuren des alten Mannes folgen."
    "Man wird den Medizinmann und das junge Blaßgesicht erschlagen und ihre Skalpe nehmen."
    "Nun", brummte Puck, "wir wollen versuchen, es zu verhüten."
    "Aber du reitest am hellen Tage über die Prairie, die Kiowas haben Augen. Ein Prairiekrieger würde das nicht tun."
    Puck hatte sich von seinem Zorn, von seiner Angst um den geliebten Gefangenen hinreißen lassen, und um ihm nur rasch folgen zu können, jede Vorsicht hintangesetzt, er fühlte das Begründete des Vorwurfs und senkte beschämt das Haupt.
    Freundlich fuhr der Cheyenne, der die Gründe, welche den Zwerg zu unüberlegtem Handeln getrieben, wohl zu würdigen wußte, fort: "Puck ist ein großer Jäger, er wird auch ein großer Krieger werden, wenn er sein Herz bezwingen kann."
    "Du hast recht, Cayugas", sagte Puck ganz bescheiden, "aber mich trieb die Besorgnis um den Oheim vorwärts."
    Der Indianer antwortete nicht, sondern richtete einen starren Blick in die Ferne.
    Das Auge Pucks folgte ihm und gewahrte, was nur einem ungewöhnlich scharfen Auge möglich war, in weiterer Entfernung eine Lanze, die hin und her bewegt wurde.
    Die Lanze verschwand, und Cayugas sagte ruhig: "Es kommen sieben Kiowas heran. Es wäre gut, wenn der Medizinmann und sein junger Freund ein Versteck suchen wollten, damit die Cheyennes allein mit den Kiowas reden."
    "Gut, wir werden verschwinden."
    Dieser Teil der Prairie war reich an Erdanschwellungen und Vertiefungen, und Puck zwang sein Pferd in eine solche, worin ihm Paul, welcher schweigend der Unterredung gelauscht hatte, nachahmte. Sie ließen die Tiere sich legen und umwanden ihnen zu größerer Sicherheit die Füße mit den Lassos.
    Cayugas hatte seine lange Lanze aufgenommen und verschiedene Bewegungen mit ihr ausgeführt.
    Hierauf erschienen bald zwei Reiter in geringerer und weiterer Entfernung, welche auf den Cheyennehäuptling zu galoppierten.
    Paul beobachtete das mit Staunen, Puck mit ernster Aufmerksamkeit.
    "Es wird gut sein", sagte Cayugas, "wenn der Medizinmann und das Blaßgesicht sich am Boden niederlassen und die Gewehre fertig machen, für den Fall die Kiowas Verrat üben wollen."
    "Gut. Verlaß dich auf mich, Häuptling", entgegnete Puck, der nun vollständig begriff, "ich liege mit meiner Doppelbüchse im Hinterhalte und werde sie mit Bedacht brauchen; wie ich schieße, weißt du ja."
    "Der Medizinmann wird weise handeln. Die Cheyennes dürfen das Kriegsbeil nicht ausgraben, die Kiowas müssen es thun."
    "Ich verstehe dich und werde kaltblütig sein."
    Er ließ sich mit Paul, unweit des Cheyenne, im Grase nieder.
    Der junge Indianer veranlaßte sein Pferd, sich zu erheben, ergriff die lange Lanze und stieg in den reichgeschmückten Sattel.
    Die beiden Reiter, narbige Krieger, waren kaum bei Cayugas angelangt, als auf einer wohl eine Meile entfernten Erdwelle sieben Indianer erschienen, die sich scharf am Horizont abzeichneten; gleich den Cheyennes hoch zu Roß, führten sie wie diese die lange Lanze.
    Sie hielten wohl eine Minute, wie es schien, sich beratend, und kamen dann, sich in langer Linie ausbreitend, in leichtem Galopp herangeritten.
    Cayugas hatte die Lanze auf den Boden gestützt und erwartete ihr Nahen; seine beiden Krieger hielten neben ihm.
    Puck und Paul lagen gut versteckt, die Büchsen schußfertig. Der Zwerg hatte seinem Gefährten eingeschärft, nicht eher zu schießen, bis er gefeuert habe.
    Die sieben Indianer kamen bis auf fünfzig Schritte heran und hielten. Wie sich jetzt zeigte, waren einige von ihnen auch mit Büchsen bewaffnet.
    Als sie so vor der gedrängten Gruppe der Cheyennes hielten, überflügelten sie dieselben auf beiden Seiten in leicht geschwungenem Bogen. Diese, im Falle eines feindlichen Zusammentreffens für die Minderzahl bedrohliche Stellung war geschickt und mit scheinbarer Absichtslosigkeit erlangt.
    Der durch seinen Federschmuck als Häuptling bemerkliche Kiowa ritt einige Schritte vor und grüßte mit der Hand, was Cayugas höflich erwiderte.
    "Mein junger Freund", begann der Kiowa, ein kräftiger Mann von mittleren Jahren, "weiß gewiß nicht, daß er auf den Jagdgründen der Kiowas weilt."
    Cayugas, der hinreichend verstand, was jener sagte, entgegnete: "Ich weiß nicht, was mein Bruder unter den Jagdgründen der Kiowas versteht. Die Prairie gehört den roten Männern, welches Stammes sie auch seien."
    "Und welchem Stamme gehört der Fremde an?"
    Stolz erwiderte Cayugas: "Meine Adlerfeder und meine Lanze haben dir bereits gesagt, daß du einen Häuptling des großen Cheyennevolks vor dir siehst."
    "Mein junger Bruder sagt gewiß die Wahrheit, und es freut mich, ihn hier zu treffen. Er wird mir gern zu den Häuptlingen meines Stammes folgen, damit er ihnen mitteile, was ihn auf das Jagdgebiet der Kiowas geführt hat."
    Langsam, um seinen Worten Nachdruck zu geben, erhob Cayugas die rechte Hand. "Häuptling der Kiowas", sagte er ernst, "dein Volk und das meine haben Frieden, und es ist nicht gut, wenn die Streitaxt ausgegraben wird zwischen den Leuten roter Farbe. Die Dunkle Wolke, der große Häuptling der Cheyennes, hat mir und allen seinen Kriegern anbefohlen, freundlich den Kiowas zu begegnen, ob wir sie diesseits oder jenseits des Verdigris oder des Arkansas treffen; hast du nicht gleichen Befehl von den Häuptlingen deines Volkes erhalten?"
    "So ist es", entgegnete jener mit einem Lächeln, welches jedem Hofmann Ehre gemacht haben würde, "und deshalb bitten wir die Cheyennes, uns zum Lager des Volkes zu folgen, damit wir ihnen Gastfreundschaft erweisen."
    "Mein Weg liegt nach Süden, Kiowa, wo mich die Jäger der Cheyennes erwarten."
    "Der junge Häuptling thut nicht gut, sich zu weigern, mir zu folgen", entgegnete jetzt drohend der andre, "meine Krieger könnten ungeduldig werden und die Cheyennes mit Gewalt fortführen."
    Die sieben Kiowas waren in einem Bogen aufgestellt, dessen Zentrum ungefähr die drei Cheyennes bildeten. Es war klar, daß diese einem konzentrischen Anlaufe erliegen, oder wenn sie sich zur Flucht wendeten, durch die an den Enden des Bogens vorgeschobenen Reiter eingeholt werden mußten.
    "Der Häuptling der Kiowas", klang Cayugas tiefe Stimme wieder, "bedenke, was er thut, und lasse die Cheyennes friedlich ihres Weges ziehen. Fließt hier Blut, so wird sich die ganze Steppe mit Blut röten."
    Puck, der die Vorgänge mit scharfem Auge und kaltblütig verfolgte, flüsterte Paul zu: "Es wird gleich zum Kampfe kommen. Ich nehme die beiden am Flügel, du nimmst den dritten."
    "Ja", entgegnete der in großer Aufregung leise.
    Cayugas, so unbeweglich er auf seinem Rosse hielt, ließ sich nicht die kleinste Bewegung der Kiowas entgehen. Er hatte seinen Kriegern, die dicht neben ihm weilten, befohlen, sobald die Kiowas ihre Pferde in Bewegung setzten, geschlossen mit ihm ihre Reihe zu durchbrechen.
    Der Kiowahäuptling hielt den Zeitpunkt für gekommen, den Verhandlungen Thaten folgen zu lassen.
    Im barschen Tone rief er: "Wollen die Cheyennes mit uns kommen, oder soll ich nur ihre Skalpe nach den Wigwams der Kiowas bringen?"
    "Hole sie!" rief mit dem Ausdruck der Verachtung Cayugas und hob die Lanze.
    Ein gellender Schrei der Kiowas folgte, und mit eingelegter Lanze sprengten die sieben Krieger heran.
    Cayugas stieß machtvoll den Schlachtruf seines Volkes aus, gab seinem Pferde die Fersen und rannte, seine Krieger neben sich, die Lanzen vorgestreckt, auf die Gegner zu.
    Hierauf waren diese augenscheinlich nicht vorbereitet; sie mußten erwartet haben, daß die Cheyennes die Flucht ergreifen würden, denn nun war es augenscheinlich, daß diese die ausgedehnte Reihe ihrer Gegner durchbrechen mußten, so gewandt auch die Kiowareiter waren.
    Doch ehe sie noch zusammentrafen, fuhren aus dem Grase zwei Feuerströme empor, denen sich der Donner der Büchse zugesellte, und die beiden Kiowas auf dem rechten Flügel des Feindes stürzten von den Pferden.
    Die so tödlich überraschten Angreifer stutzten schreckensvoll; von neuem krachte eine Büchse, es war die Pauls, und das Pferd des dritten Kiowa stieg, in die Brust getroffen, hoch auf und fiel dann nieder, das Bein des Reiters, der nicht rasch genug aus dem Sattel konnte, unter sich begrabend.
    Paul hatte in seiner Aufregung, ob er gleich auf den Mann gezielt hatte, nur den Gaul getroffen.
    In demselben Augenblick, als des Jünglings Waffe sich entlud, fuhr auch die Lanze Cayugas dem Kiowahäuptling, der, von dem so unerwarteten Feuer verblüfft, für einen Augenblick seinen Gegner außer Auge gelassen hatte, in die Brust und schleuderte ihn aus dem Sattel.
    Bei diesem Anblick wandten die drei andern, welche das vernichtende Feuer unsichtbarer Gegner bereits eingeschüchtert hatte, ihre Rosse und jagten in wilder Flucht davon, die Cheyennes ihnen nach.
    "Binde die Pferde los", rief Puck Paul zu, während er eifrig beschäftigt war, seine Büchse zu laden.
    Der Jüngling löste die Lassos von den Füßen der Tiere, Puck und er schwangen sich in die Sättel und jagten hinter den andern her.
    Die flüchtenden Kiowas waren gut beritten und trieben ihre Pferde zum tollsten Laufe an.
    Aber hinter ihnen jagte Cayugas auf seinem Renner einher, die vom Blute des Häuptlings triefende Lanze stoßgerecht in der Hand.
    Seine beiden Krieger blieben aber zurück, da ihre Pferde nicht gleich flüchtig waren.
    Puck auf seinem Schimmel, ihn mit Sporen und Zurufen zur Entfaltung aller Kräfte antreibend, in seiner Rechten den Lasso schwingend, zeigte jetzt seine ganze, unübertreffliche Reiterkunst, welche der ungemeinen Schnelligkeit und Kraft des Tieres zu Hilfe kam.
    Sie flogen über die Steppe, als ob Roß und Mann nur ein Wesen wären.
    Paul, ob er gleich früh reiten gelernt und sich in dieser Kunst während seines Aufenthaltes in der Prairie wesentlich vervollkommnet hatte, vermochte seinem sonst guten Rosse doch nicht annähernd die großen und kleinen Hülfen geben, wie die Centauren vor ihm, und blieb zurück als letzter.
    Nach einigen Minuten des tollsten Rennens waren nur noch Cayugas und Puck dicht hinter den Kiowas.
    Puck hatte vermöge der ungemeinen Schnelligkeit seines Rosses den Cheyennenhäuptling eingeholt und jagte jetzt neben ihm her.
    Er war entschlossen, keinen der Kiowas entkommen zu lassen, denn er wußte, daß seine und Pauls Sicherheit, des Grauen Bären Rettung, davon abhing, daß keine Nachricht von ihrer Anwesenheit in der Steppe zu dem Feinde gelange.
    Während der Indianer sich auf seine Lanze verließ, bereitete sich Puck den Lasso zu schleudern.
    Die flüchtigen Krieger waren vollendete Reiter und ihre Pferde gut.
    Puck bemerkte jetzt, daß der Kiowa vor ihm allgemach sein Pferd nach links wandte und sich so von den andern beiden, welche in gerader Richtung weiter jagten, trennte.
    Er ließ sein Roß dem abschwenkenden Kiowa folgen.
    Nur langsam kam er dem Verfolgten näher, aber er kam näher. Cayugas ritt hinter den beiden Kiowas, und ihm folgten seine beiden Krieger, in weiterer Entfernung spornte Paul sein Roß.
    Endlich war Puck seinem Gegner nahe genug gelangt, um den Lasso schleudern zu können. Aber er hatte einen erfahrenen Krieger vor sich, der die Lanze so aufrecht hielt, daß der Lasso das Haupt nicht treffen konnte, sondern an ihr abgleiten mußte, oder höchstens diese umschlingen konnte.
    Doch in dem Zwerge folgte dem Fliehenden einer derjenigen Steppenjäger, welche den Lasso mit einer unübertrefflichen Meisterschaft handhabten.
    Sausend flog der zusammengerollte Riemen im Kreise um Pucks Haupt, noch einige Sprünge der fast gleichmäßig dahinjagenden Pferde, er entflog der Hand, rollte sich auf, die Schlinge faßte, mit tödlicher Sicherheit geschleudert, des Pferdes rechten Hinterfuß; ein Wurf, der selbst dem Besten nur selten gelang.
    Ein gellender Schrei Pucks, der Schimmel wandte sich, ein furchtbarer Ruck, hoch stieg Pucks Pferd auf - aber das Roß des Indianers stürzte jäh nieder, den Reiter unter sich begrabend. Beide waren eine Strecke weit geschleift, ehe Puck hielt und zur Büchse griff.
    Die zwei Reiter, welche Cayugas vor sich hatte, bogen gleichzeitig mit dem Sturze ihres Gefährten nach rechts und links aus, wandten sich, und ihre Lanzen richteten sich auf den einherstürmenden jungen Häuptling. Cayugas aber, gewandt wie der Panther und seines Pferdes Herr, als ob es ein Teil seines eigenen Leibes wäre, riß seinen Gaul rechts herum, wodurch er dem einen der Verfolger in die Flanke kam, und obgleich dieser, es jetzt gewahrend, seinem Pferde die Sporen gab und es wieder nach vorn trieb, so war es doch zu spät; der Cheyenne trieb sein Tier zu einer Eile, daß es wie der gehetzte Hirsch über den Boden flog, und die mitleidslose Lanze bohrte sich in des Indianers Rücken. Blutüberströmt sank er vom Pferde.
    Auch der andre der beiden Kiowas hatte sich, als er sah, daß sein und seiner Kameraden Manöver vergeblich war, zur Flucht gewandt, doch der kaltblütige Puck hob die todbringende Büchse, und ihre Kugel holte den Mann ein. Er neigte sich, durchs Haupt getroffen, auf den Hals seines Pferdes und stürzte dann schwerfällig herab von dem Tier, welches die Flucht fortsetzte, an dem im Steigbügel haftenden Fuße fortgeschleift.
    Cayugas, Puck, die beiden Cheyennes hielten und überschauten das Schlachtfeld, während Paul noch in einiger Entfernung heranjagte.
    Während sie noch nach dem Rosse, das seinen Reiter schleifte und dem von der Lanze Cayugas getroffenen Feinde sahen, machte sie ein lauter Schrei in ihrem Rücken aufschauen.
    Sie erblickten Paul im Kampfe mit dem Indianer, dessen Pferd durch Pucks Lasso zu Falle gebracht war.
    Pauls Thunder war mit einem Vorderhufe in ein Loch geraten, wie es die Prairiehunde auswühlen, und hatte stolpernd seinen Reiter abgesetzt. Glücklicherweise kam der Jüngling auf die Füße.
    Der Kiowa hatte sich eben unter seinem Pferde hervorgearbeitet und war in wildester Wut, das blitzende Messer in der Hand, auf Paul zugestürzt.
    Rechtzeitig gewahrte ihn dieser, zog, da seine Büchse nicht geladen war, das breite Messer und erwartete festen Fußes den grimmigen Gegner. Der Jüngling war gewandt, stark und entschlossen, sein Leben teuer zu verkaufen.
    Der Wilde, zum äußersten Zorne gereizt durch die blutige Niederlage der Seinen, durch die Schmerzen, welche ihm der Sturz verursachte, kam zornfunkelnden Auges heran, aber mit einem blitzschnellen Griff der linken Hand faßte Paul sein rechtes Handgelenk und stieß ihm gleichzeitig mit aller Kraft sein Messer in den Leib, ehe er nur seine Rechte aus Pauls Griff befreien konnte.
    Mit einem dumpfen Stöhnen, das ein Blick unauslöschlichen Hasses begleitete, sank der Indianer auf die Kniee, während das warme Blut seine Brust überströmte.
    Im selben Augenblick waren auch Puck und Cayugas an Pauls Seite, die Lanze des Indianers bereitete dem Kiowa ein schnelles Ende, während der Zwerg besorgt fragte: "Bist du verwundet?"
    "Nein", sagte der Jüngling, der mit bleichem Angesicht auf den sterbenden Mann blickte, den sein Messer getroffen hatte. Er hatte Menschenblut vergossen, und seine Seele erschauerte vor der raschen That.
    "Was fehlt der Jungen Tanne?"
    "Da - da -", entgegnete bebenden Tones Paul, "ich - habe ihn getötet."
    Ruhig entgegnete der Zwerg: "Und wäre es dir lieber, du lägest an seiner Stelle und dein Skalp zierte seinen Gürtel?"
    "Ja", sagte erleichtert aufatmend der Jüngling, "er strebte nach meinem Herzblut - ich habe nur mein Leben verteidigt, ich konnte nicht anders."
    "Sie strebten alle nach unserm Leben, und es wird ihnen nur zu teil, was sie uns zufügen wollten. Laß die Weichherzigkeit in den Ansiedlungen, wir kämpfen jetzt hier Mann gegen Mann, Leben um Leben; das ist Gebrauch der Prairie."
    Mit großer Kaltblütigkeit schaute der Indianer, auch selbst Puck auf das Schlachtfeld und die Opfer des Kampfes.
    Der Häuptling gab seinen Leuten Befehle, worauf der eine dahin eilte, wo der Kiowa gestürzt war, dessen Pferd Pauls Kugel getroffen hatte, während der andre sich kaltblütig daran machte, den Toten die Kopfhäute abzuziehen, ein Vorgang, dem Paul mit tiefem Widerwillen beiwohnte.
    Aus einiger Entfernung dröhnte ein Schuß. Der Kiowa, der mit gebrochenem Bein neben seinem toten Rosse lag, hatte seine Büchse auf den heranreitenden Cheyennekrieger abgefeuert. Er wußte, daß er keine Gnade zu erwarten hatte, und wollte nicht sterben, ohne einen seiner Feinde mitzunehmen ins Jenseits. Die Lanze des Cheyenne, den die Kugel des verwundeten Mannes nicht getroffen hatte, sandte ihn rasch ins Totenreich, und sein Skalp gesellte sich den andern blutigen Siegeszeichen bei.
    Mit leichter Mühe wurden die Pferde der Kiowas eingefangen, und Cayugas sandte einen seiner Krieger mit diesen und den erbeuteten Waffen an seinen Vater, damit das Haupt der Cheyennes erfahre, was hier geschehen war.
    Hierauf ritten sie langsam, Paul auf seinem glücklicherweise nicht lahmenden Tier, der Stelle zu, an welcher der Cheyenne im Versteck gelegen hatte, stiegen dort ab und ließen sich im Grase nieder, während Cayugas zurückgebliebener Krieger auf einer Anschwellung des Bodens Wache hielt.
    Nach einer Weile sagte der Cheyennehäuptling: "Das Beil ist ausgegraben zwischen den Kiowas und meinem Volke; es waren die Kiowas, welche es thaten."
    "Du hast dich nur gewehrt, Cayugas, und wie ein tapferer Krieger gewehrt."
    "Der Medizinmann hat Cayugas zum Siege verholfen, er wird es nicht vergessen."
    "Aber sage mir, was konnte der Angriff auf dich für einen Zweck haben, Cayugas, noch habt ihr doch Frieden mit den Kiowas?"
    "Sie hassen uns tödlich und wünschen gewiß, uns zu überfallen. Diese Kiowas wußten, daß ich den Grauen Bären als Gefangenen gesehen hatte, der ein Freund der Cheyennes ist. Sie wollten verhüten, daß die Botschaft an mein Volk gelange, um nicht vorzeitig den geplanten Angriff zu verraten."
    "Du wirst recht haben, Häuptling."
    "Was wird der Medizinmann jetzt beginnen?"
    "Er wird der Spur seines Vaters zum Ohsonta folgen."
    "Gut. Der Medizinmann ist tapfer, aber er muß klüger sein. Er kennt die Prairie, er darf sein Gesicht nicht offen zeigen, wenn er den Feind beschleicht, der Kiowa ist schlau."
    "Du sagst wahr, und ich werde vorsichtiger sein. Was wirst du thun?"
    "Ich muß hier bleiben und die Augen offen halten, der Kiowa könnte kommen, um über die Cheyennes herzufallen, ehe sie bereit sind, sie zu empfangen. Der Medizinmann würde gut thun, bei mir zu bleiben."
    "Nein, nein, ich muß meinem Vater folgen, es mag kommen, was da will, ich gehöre zum Grauen Bären wie der Schatten zum Baume."
    "Das junge Bleichgesicht wird ein großer Steppenkrieger werden, aber er ist nicht gewohnt, um die Wigwams der Kiowa zu schleichen."
    "Du sagst wahr, und es macht mir Sorge; am liebsten schickte ich ihn nach den Ansiedlungen."
    "Wenn du mich nicht zurückweisen willst, Puck, so folge ich dir", sagte Paul bestimmt, "ich stehe hier wie dort in Gottes Hand."
    "Wir beide, Paul; du sollst bei mir bleiben." Der junge Cheyenne warf Paul einen freundlichen Blick zu, sagte aber nichts.
    Alle drei schwiegen, sich ihren Gedanken überlassend.
    Hoch horchten sie auf, als plötzlich fernher die Weise eines fröhlichen Liedes an ihr Ohr schlug, wie es an dem Ufer des Arkansas weiter nach Osten zu gesungen wird.
    Sie krochen alsbald aus der Vertiefung, in welcher sie sich niedergelassen hatten, aufwärts, bis sie einen freien Ausblick über die Steppe gewonnen hatten.
    In einigen hundert Schritt Entfernung sahen sie auf einem Maultier einen jungen Gesellen langsam einherreiten, der seinen Weg mit der muntern Weise verkürzte, die soeben zu ihren Ohren gedrungen war. Ein andres, beladenes Maultier leitete er an der Leine neben sich.
    Da sein Weg ihn dicht an ihrem Standpunkt vorbeiführen mußte, ließen sie ihn ruhig herankommen.
    Es war ein junger, kräftig gebauter Bursche, der da nahte, und sein fröhliches Lied verkündete, daß er sich keiner Gefahr bewußt war.
    Er kam so, immer singend, bis in eine Entfernung von ungefähr zwanzig Schritten heran, als sich Puck erhob und die beiden andern seinem Beispiele folgten.
    Der Ankommende verstummte und blickte zu der Gruppe hinauf, indem er sein Tier halten ließ.
    "Segne meine Seele", sagte er dann, und sein frisches, fröhliches, ehrlich dreinschauendes Gesicht überflog ein freudiger Ausdruck, "segne meine Seele, das ist ja der kleine Mann, der meines Vaters Sohn das Leben gerettet hat. Halloh, Sir, freue mich, euer ehrliches Gesicht zu sehen, wenn es gerade auch nicht das schönste ist. Wollte euch einen Besuch machen, hätte aber zu viel Zeit verloren, wenn ich bei euch eingekehrt wäre. Wo ist denn der große Alte, der Grizzly, wie man ihn nennt? Seid gut angeschrieben bei Bill Stone, hat euch nicht vergessen."
    "Steigt ab, Bill Stone", sagte Puck, "und kommt zu uns."
    "Ist ein Wort, Sir, kann eine kleine Rast nichts schaden, ist eine verwünschte Gegend, die Steppe, aber was thut man, man muß leben."
    Er stieg ab und pflockte sein Tier rasch an, dann stieg er zu den Harrenden hinauf und schüttelte Puck die Hand. Sich zu Cayugas wendend, sagte er dann: "Segne meine Augen, Mann, aber muß euch schon gesehen haben, nur daß die roten Gentlemen sich einander so ähnlich sehen wie ein Eichhorn dem andern, kalkuliere, seid von der Nation der Cheyennes?"
    "Es ist Cayugas, der Sohn des großen Häuptlings der Cheyennes, der Dunklen Wolke", beeilte sich Puck zu sagen.
    "Ist so, bei meiner Seele, jetzt erkenne ich euch. Habe voriges Jahr eure Büchse repariert, Sir, hat gut gehalten, die neue Feder, was?"
    "Der Büchsenschmied ist ein geschickter und ehrlicher Mann", entgegnete würdevoll der Indianer. "Die Cheyennes haben ihre Felle nicht fortgeworfen, die sie ihm für seine Mühe gaben."
    "Freut mich, Indianer, daß du das einsiehst. 'Ehrlich währt am längsten', sagte schon mein alter Großvater, kalkuliere, hatte recht, der alte Mann. Freut mich, euch zu sehen, Sir, hat mir gut bei euch gefallen." Er streckte ihm die Hand hin, und drückte die der seinen begegnende des Häuptlings.
    "Nun und du, junges Hühnchen", wandte er sich dann an Paul, den die ganze Weise des Mannes in ihrer frischen Natürlichkeit ansprach und belustigte, "was machst du denn hier in der blutigen Steppe, die für Büffel und Wölfe ein angenehmer Aufenthalt sein mag?"
    "Ich gehe spazieren, Sir."
    "So? Na da mußt du lange Beine haben, mein Bursche, und hättest dir leicht eine andre Gegend dazu wählen können, die etwas anmutiger war, als diese greuliche Einöde."
    "Und was machst du denn hier, Mann?" fragte Paul.
    "Segne meine Seele, alter Junge, repariere den roten Gentlemen die Büchsen, können nicht allein damit fertig werden. Habe das regelrecht gelernt im alten Kentucky, können nicht alle Farmer sein. Sagte mein Vater, der ein merkwürdig gescheiter Mann ist, geh zu den roten Herren in die Steppe, brauchen immer einen Büchsenmacher, gehen mit einer gesegneten Büchse etwas unsanft um; geben dir Felle für deine Arbeit, ist nicht schlecht, das Geschäft. Bin jetzt das drittemal in der Steppe. Die Herren Cheyennes konnte ich nicht finden, mußte ein Haus weiter, zu den Herren Kiowas ziehen. Aber nun sagt mir, kleiner Herr, wo ist denn der große Gentleman, seid ja sonst immer zusammen."
    "Setzt euch, Bill Stone, sollt alles erfahren."
    Alle ließen sich hierauf nieder.
    Der junge Kentuckyer, ein Büchsenschmied seines Zeichens, bereiste, wie mancher seines Gewerbes, die Steppe, um die verschiedenen Indianerstämme zu besuchen und ihnen die unbrauchbar gewordenen Waffen herzustellen.
    Diese Leute kamen den Indianern stets höchlichst willkommen und wurden nicht nur mit der Achtung aufgenommen, welche ihre so wertvolle Kunstfertigkeit verdiente, sondern auch stets reichlich mit wertvollen Fellen oder Pferden für ihre Mühewaltung bezahlt.
    "Soll mich freuen, den alten Gentleman zu sehen; bleichten ohne euch, kleiner Sir, und ihn, meine Knochen in der Prairie, und mein alter Vater könnte lange warten, bis sein Bill heimkäme. - Sage euch, Häuptling, waren da im vorigen Jahre einige Banditen an mir, wie sie sich hie und da in der Wildnis herumtreiben, Spitzbuben und Mörder, auf die der Galgen in den Ansiedlungen wartet. Führte außer meinem Handwerkszeug einige Büchsen bei mir, um sie bei den Roten zu verkaufen. Überfielen mich die Banditen im Schlafe, um mir mein Hab und Gut zu nehmen. Wehrte mich, so gut es ging, und da ich einigen von den Halunken die Zähne eingeschlagen hatte, ehe ich am Boden lag, verspürten die Herren Lust, etwas Kurzweil mit mir zu treiben. Zogen mich nackend aus und banden mir mit langem Lasso die Füße an den Schweif eines Pferdes, um mich ein wenig über die Prairie zu schleifen. War eine böse Sache, dachte, das letzte Stündlein wäre gekommen. Kamen aber zwei Gentlemen des Weges, der eine mächtig wie eine alte Eiche, der andre kurz und kernig wie ein Hickorystamm. Schießt der eine, Gott segne ihn, den Lasso durch, an dem die Halunken meine Füße befestigt hatten, gerade als sie mich schleifen wollten. Und der kleine Herr hier schoß den andern der Burschen nieder, der auf dem Pferd saß, welches mich schleifen sollte, gerade durch den Schädel - rissen die andern aus, als ob das höllische Feuer hinter ihnen wäre, und war Bill Stone gerettet, er und sein Eigentum. Habe im Leben keine größere Freude gehabt, als sich dieses kleinen Herrn Gesicht über mich beugte und den höllischen Lasso durchschnitt. Habe es nicht vergessen, und - werde es nie vergessen. Also, Sir, wo steckt die alte Eiche?"
    Traurig entgegnete Puck: "Die Kiowas haben ihn fortgeschleppt, Büchsenschmied, er ist von den Hunden gefangen worden."
    "Alle Wetter!" fuhr der Kentuckyer auf, "haben den Alten weggeschleppt. Das wäre ..."
    "Sind jetzt auf seiner Spur, ihn zu befreien."
    "Nun, bei Jesus, das ist schlimme Kunde; haben die Kiowas den Frieden gebrochen?"
    Gemessen entgegnete Cayugas: "Sie haben das Kriegsbeil ausgegraben, doch das Blut von sieben ihrer Krieger rötete die Steppe."
    Der junge Mann zeigte nach dieser Äußerung des Indianers ein sehr ernstes Gesicht.
    "Segne meine Seele", sagte er dann, "ist Krieg zwischen den roten Leuten? Hm, dann ist es für meines Vaters Sohn Zeit, umzukehren. Bin ein friedlicher Mann und habe mit Streit und Blutvergießen nichts zu thun, absonderlich nicht, wenn die Indianer eine Sache unter sich auszumachen haben. Kümmere mich nicht um die Angelegenheiten andrer Leute."
    Er schwieg, wie es schien, sehr besorgt. Da keiner der andern das Wort nahm, herrschte zwischen den vier Menschen eine unheimliche Stille.
    Der Indianer sah mit seiner gewöhnlichen Ruhe, Puck finster vor sich hin, während Paul die kräftigen Gliedmaßen des jungen Kentuckyers musterte.
    Endlich sagte Puck: "Als der Büchsenschmied in den Händen der Prairieräuber war, hat der Große Bär nicht so gedacht."
    Bill Stone kratzte sich den buschigen Schopf: "Ist ein Fakt, kleiner Herr, bleichten jetzt meine Knochen auf der Steppe, ohne den alten Mann. Hm, ja - ist ein Fakt. Könnte ich ihn heraushauen, würde ich es thun, dürft's glauben, aber bin ein friedlicher Mensch, und mein Vater, der ein sehr kluger Mann ist, sagte: Laß dich von allen Streitigkeiten weg, Bill, welche die Roten unter sich haben, gehen dich nichts an, Bill."
    "Wohin will der Büchsenschmied seine Schritte lenken?" fragte der Cheyennehäuptling.
    "Ostwärts, zu den Meinen, Indianer, habe nicht Lust, mir hier den Skalp abziehen zu lassen."
    Auf Pauls Antlitz zeigte sich ein Ausdruck herber Verachtung bei diesen Äußerungen des Büchsenschmieds, der diesem nicht entging und ihn augenscheinlich verletzte.
    "Der junge Herr blickt auf mich herunter, wie es scheint, weil ich nicht gleich zur Büchse greife, um über die Kiowas herzufallen. Bin kein Kriegsmann, Master, behaltet eure Gedanken für euch."
    Paul entgegnete ihm ruhig: "Der Graue Bär hat mir das Leben gerettet, wie euch, Sir, und ich bin bereit, meine Dankesschuld abzutragen, auf jede Gefahr hin, was ihr thut, kümmert mich nicht."
    "Hm, braucht nicht so verächtlich dreinzuschauen; fürchtet sich Bill Stone vor niemand - und - hm - ja, der alte Mann, und der kleine Gentleman hier, haben mir das Leben erhalten - ist ein Fakt. Hm ja - aber - was meint ihr denn eigentlich, Sir?"
    "Wenn euch das euer Herz nicht sagt, ich habe nichts zu sagen."
    "Hm, thut mir der alte Mann leid, ist so - würde gerne - die verfluchten roten Hunde", brummte er in sich hinein. "Bin ihm Dank schuldig - und ist gemein, sagt mein Alter, undankbar zu sein - hm, bin ein friedlicher Mann - und ihr", fragte er lebhaft, "und ihr zwei wollt den alten Mann befreien?"
    "Wir werden es versuchen."
    "Hm, Undankbarkeit ist gemein. Könnte mich im alten Kentucky nicht mehr sehen lassen, wenn sie dort erführen, ich hätte einen Mann in Not gelassen, der mir das Leben erhielt - ist ein Fakt. - Wißt, Leute, sind die Kiowas meine Freunde, werde zu ihnen reiten und zu ihnen sagen, daß ich ihnen alle Büchsen repariere, unentgeltlich , wenn sie den alten Mann frei lassen."
    Cayugas entgegnete hierauf mit finsterem Gesichtsausdruck: "Der Büchsenschmied wird keine Waffe der Kiowas heilen."
    "Und warum nicht, wer will mich daran hindern?"
    "Ich", sagte trocken der Indianer.
    Verdutzt schaute ihn der Kentuckyer an.
    "Hm, verstehe - habt Streit mit den Kiowas und seht's nicht gern, wenn ich ihre Büchsen in guten Stand setze. Begreife das. Ist recht, würde es ebenso machen. Möchte dem alten Mann gerne helfen, und würde alles für ihn thun, was ich kann, wenn ich dort wäre - doch, wenn ihr mich nicht reiten laßt, ist's nutzlos davon zu sprechen."
    Nach einiger Zeit sagte Puck in seiner langsamen, aber ausdrucksvollen Weise: "Die Kiowas haben mit den Sioux und den Kaws ein Bündnis geschlossen, nicht um über die Cheyennes herzufallen, denn die Sioux und die Kaws haben keine Feindschaft mit diesen, sondern um die Weißen in den Ansiedlungen zu morden. Willst du, Büchsenschmied, die Waffen liefern, daß diese Bluthunde die Leute unsrer Farbe abschlachten?"
    "Da soll mich Gott vor bewahren", entgegnete der hoch aufhorchende Schmied, "es wird Bill Stone doch kein Verräter an den Leuten seiner Farbe sein. Steht die Sache so?"
    "Die Kiowas würden nimmer gewagt haben, ihre Hand an den Grauen Bären zu legen, wenn ihr Bündnis mit den Sioux nicht den Weißen gälte", fuhr Puck fort.
    "Hm - ist ein Fakt." Er warf dann einen Blick auf den Indianer, der ihn scharf beobachtet hatte und fragte: "Und was thun die Cheyennes?"
    "Die Cheyennes", entgegnete Cayugas, "sind die Freunde des Grauen Bären, der an ihrer Seite gefochten hat, die Freunde der Weißen und die Todfeinde der Kiowas. Sieh, hier hängen ihre Skalpe." Er schlug die wollene Decke, welche ihm über die Schultern fiel, zurück, und der Kentuckyer sah zurückschaudernd die blutigen Kopfhäute der erlegten Feinde an seinem Gürtel hängen. "Damned rascals", murmelte er und wandte das Gesicht ab. "Muß ein blutiger Kampf gewesen sein", sagte er dann.
    "Ist der Indianer Art so, Bill Stone", fügte Puck, dem der Widerwillen des Kentuckyers nicht entgangen war, wie entschuldigend hinzu. "Cayugas wollte dir nur zeigen, daß jetzt Krieg ist zwischen seinem Volke und den Kiowas."
    "Nun, Männer, will euch was sagen", fuhr der Kentuckyer fort, "gehöre dann zu euch, und will mit den Kiowas nichts zu schaffen haben. Hält sein Wort, der Bill Stone, sage ich euch, Männer."
    "Und will der Büchsenschmied immer noch zu den Feinden seines Volkes reiten?" fragte lächelnd der Indianer.
    Bill sah nachdenklich vor sich hin und sagte dann: "Denke so, Mann. Will zu den Kiowas reiten und versuchen, dem Grauen Bären Hilfe zu bringen."
    Mißtrauisch sah ihn Cayugas an, aber Puck griff die Äußerung des Schmiedes freudig auf: "Das ist gut so. Bill Stone erregt keinen Verdacht, er mag zum Ohsonta gehen, und ich folge ihm."
    "Gut", sagte Cayugas, "der weiße Mann ist des Grauen Bären Freund, er mag gehen und ihm sagen, daß der Medizinmann und Cayugas auf der Fährte der Kiowas einherreiten."
    "Und ich gehe mit dem Schmied", sagte da Paul. "Mich kennt niemand dort, und ich werde Mittel finden, dem Oheim zur Flucht zu verhelfen. Dich, Puck, würde ich nur hindern in der Steppe - im Lager der Feinde kann ich nützlicher sein und dir besser in die Hände arbeiten."
    "All right", lachte der Schmied, "ist gut so, der junge Master geht als mein Lehrling mit, soll ein rechter Büchsenschmied werden. Müßte doch schlimm hergehen, wenn wir die Herren dort nicht überlisten sollten."
    "Aber der Schmied", sagte ernst der Cheyennehäuptling, "wird unserm Feinde die Büchsen geben? He?"
    "Nein, nein, roter Gentleman. Ich habe drei Rifles mit", er deutete auf das Maultier, "wollte sie euch zum Kauf anbieten, und da ich euren Stamm in der Prairie nicht fand, führte ich sie selbstverständlich mit mir zu den Kiowas."
    "Die Cheyennes werden dem Büchsenschmied Felle für die Rifles geben."
    "Ist mir recht, habt sie. Geschäft ist Geschäft; habt sie nach alten Preisen. Was nun in dieser Sachlage meine Thätigkeit als Büchsenschmied betrifft, so wird sie den Kiowas wenig Nutzen bringen. Sage euch, Häuptling, bin kein Mann mit zwei Zungen, gehöre zu den Leuten meiner Farbe, zum alten Mann, und zu euch, da ihr zu den Weißen haltet. Bin ein einfacher Bursche, aber Bill Stone hat nur ein Wort."
    "Der Weiße spricht wahr, Cayugas fühlt es - hier", und der Indianer deutete auf das Herz - "er wird zu den Kiowas gehen und in das Ohr des Grauen Bären Worte des Trostes flüstern."
    "So denke ich zu thun. Bin ein friedlicher Mann, mag nichts von Krieg und dergleichen wissen, muß aber gefochten sein, nun so wird Bill Stone seinen Mann stehen, kann mit der Rifle umgehen, ist ein Fakt."
    Die ehrliche, treuherzige Art des jungen Kentuckyers ließen keinen Zweifel an der Redlichkeit seiner Gesinnung aufkommen. In ernster und eingehender Weise wurde nun Rat gehalten, und da Pauls Entschluß, den Büchsenschmied zu begleiten, unerschütterlich war, er in dessen Gesellschaft keine Gefahr lief, jedenfalls im Lager der Kiowas nützlicher für den Zweck der Befreiung des alten Trappers sein konnte als in der Prairie, so wurde beschlossen, daß beide, Stone und Paul, alsbald den Weitermarsch nach Norden antreten sollten, während Puck ihnen mit all der Vorsicht, welche Bodengestaltung und der gefährliche, schlaue Feind nötig machten, folgen würde.
    Der Zwerg, welcher nach dem so blutigen Zusammentreffen mit den Kiowas die Ruhe zurückgewonnen, welche ihm der jähe Schmerz um den Verlust des väterlichen Freundes geraubt hatte, schärfte dem Jüngling Vorsicht ein und sagte ihm, wie er sich zu verhalten habe, um bei den Indianern keinen Verdacht zu erwecken, verabredete auch einige Erkennungs- und Verständigungszeichen mit ihm und Stone, welche den sie umgebenden Naturlauten entlehnt waren.
    Da mit Sicherheit anzunehmen war, daß Puck und Paul von den Kiowas, die das Shanty am Arkansas umschlichen und den Trapper davongeführt hatten, gesehen worden waren, den Indianern also die Anwesenheit eines zweiten Weißen in des Grauen Bären Gesellschaft bekannt war, so dachte man darauf, das Äußere Pauls, den die Wilden nur aus weiterer Entfernung erblickt haben konnten, etwas zu verändern. Glücklich traf es sich, daß der Kentuckyer ihm aus seinem Felleisen ein rotes wollenes Hemd leihen konnte, das Paul sofort mit seinem Jagdhemde, welches er Pucks Kunstfertigkeit verdankte, vertauschte. Sein Haupt deckte er mit der Tuchmütze, die ihm Stone reichte.
    Eine lederne Tasche, welche einiges dem Büchsenmacher nötiges Werkzeug barg, um seine Schultern gehängt, gab ihm ein geschäftsmäßiges Aussehen.
    Auf dem Saumtier des Kentuckyers wurde für ihn Platz geschafft, Pferd und Büchse ließ er zurück, nahm herzlichen Abschied von Puck, schüttelte dem Cheyenne die Hand und ritt mit dem Büchsenschmied dann nach Norden davon, während die andern, ihnen nachschauend, zurückblieben.
    Die gute Laune verließ Bill Stone auch jetzt nicht; er plauderte und sang dazwischen seine lustigen Lieder, während der Jüngling an seiner Seite ernst und gedankenvoll dahinritt.
    Das blutige Zusammentreffen mit den Kiowas, die rücksichtslose Grausamkeit der Wüstenkrieger, das alles hatte die Wirkung auf seine junge Seele nicht verfehlt und stimmte ihn ernst.
    Doch der Entschluß, was in seinen Kräften stand, zur Befreiung des Mannes, der ihm das Leben gerettet hatte, beizutragen, ward durch solche Eindrücke und die Furcht vor Gefahren nicht erschüttert, er war entschlossen, seine Pflicht zu thun.
    Der Mann neben ihm machte durchaus den Eindruck eines ehrlichen, offenen Gesellen, aber dennoch war die Lage, die ihn in seiner Gesellschaft dem Unbekannten entgegenführte, befremdend.
    Er war deshalb schweigsamer, als dem redseligen Kentuckyer lieb war.
    Ohne daß dieser unmittelbare Fragen an ihn richtete, war es doch erkennbar, daß es ihn drängte, zu erfahren, wie sein junger Begleiter in die Wildnis gekommen war.
    Paul teilte ihm darauf mit, wer er sei, und wie es sich zugetragen, daß er in der Prairie weile.
    "Segne meine Seele, Junge", sage der Kentuckyer, der nicht ohne Staunen dem Bericht gelauscht hatte, "sind dieselben Burschen gewesen, die mir ans Leben wollten. Sehe den Kerl mit der Narbe und den andern Halunken noch vor mir, vergißt sich so etwas nicht. Sind Wüstenräuber, schlimmer als hungrige Panther. Kurioses Ding das, daß man euch davongeführt - hm - sehr kurios." Nach einer Weile fuhr er fort: "Also seid ein Muttersöhnchen aus den Staaten? Muß euch fremd vorkommen hier in der blutigen Einöde."
    "Ich habe mich wohlgefühlt bei dem alten Manne, der mich gerettet hat."
    "Hm, ist ein braver Geselle, der Grizzly, ist ein Fakt, ein mächtig braver Geselle. Sollte mir leid thun, wenn die Roten ein Ende mit ihm machten. Bin bisher nur in Freundschaft mit ihnen zusammengetroffen, bin ein friedlicher Mann, und habe ein gutes Geschäft mit ihnen gemacht, aber will den Alten nicht sitzen lassen; hat mir wie euch das Leben gerettet. Vorsichtig müßt ihr sein, in Wort und Miene, ein Blick kann uns verraten, sind geriebene Hunde, die Roten. Am besten, laßt mich reden. Auch macht euch nichts draus, Junge, wenn ich euch einmal anfahre, seid mein Lehrling, wißt ihr."
    Unter Gesprächen solcher Art ritten sie durch die Steppe, bald im Schritt, bald im Galopp.
    Gelegentlich äußerte Stone: "Darf die Kerls an der Ohsontamündung nicht ohne weiteres aufsuchen, darf ja nicht wissen, daß sie dort lagern." Er sah nach dem Kompaß, den er mitführte: "In der Richtung sind wir, aber wir müssen thun, als ob wir keine Ahnung davon hätten, wo sie weilen, sind sehr schlau, die roten Gentlemen, besonders wenn Krieg ist. Verdammt sei die Rasse."
    Sie waren schon viele Meilen geritten, die Sonne neigte sich bereits stark, und Bill Stone sah sich nach einem Lagerplatz für die Nacht um.
    Paul, dessen Augen unaufhörlich die weite Ebene überflogen, machte seinen Gefährten auf zwei dunkle Punkte aufmerksam, welche im Grase einer etwa tausend Schritt entfernten Erdanschwellung sichtbar waren.
    "Sieh nicht weiter hin, Junge, deute nicht drauf, sage mir nur, in welcher Richtung du sie bemerkst", entgegnete der Büchsenmacher rasch.
    "Seht über den Kopf meines Maultieres hinweg, Sir, auf der Höhe dort, die sich gegen den Himmel abhebt, werdet ihr sie gewahren."
    Der Kentuckyer richtete den Blick in die angegebene Richtung.
    "Segne meine Seele, müßt bessere Augen haben als ich, sehe nichts, und mein Glas mag ich nicht brauchen. Laßt uns ruhig zureiten."
    Da erschienen auch schon zwei Reiter auf der Höhe, und zwei bewaffnete Indianer sprengten heran.
    Kaum gewahrte sie Stone, als er ihnen zuwinkte und zurief: "Hallo, Gentlemen, hierher, suche euch schon lange."
    In kurzer Zeit hielten die beiden Indianer, etwa zwanzig Schritt von Paul und dem Kentuckyer entfernt, ihre Pferde an.
    "Immer heran, Gentlemen, freue mich, euch zu sehen. Immer heran, daß ich euch die Hand schütteln kann; 's ist Bill Stone, der Büchsenschmied, der euch die Hand schütteln will", und streckte seine Rechte aus.
    Die Indianer kamen augenblicklich näher, wie es Paul schien, kannten sie seinen Begleiter und waren erfreut, ihn zu sehen.
    "Wenn ich mich nicht irre, habe ich Herren von dem gloriosen Volk der Kiowas vor mir."
    "Kennt der Mann, der die kranken Büchsen heilt, Sanhewas, die Eule der Kiowas, nicht mehr?" entgegnete ihm einer der Wilden, ein noch junger Mann; sein Gefährte war ein schon bejahrter, finster dreinblickender Krieger.
    "Segne meine Augen, Sir, jetzt erkenn' ich euer ehrliches Gesicht, freue mich, euch zu sehen."
    Er reichte dem Indianer die Hand, die dieser nahm und schüttelte.
    "Suche nach eurem Volk in der blutigen Prairie, ist ein Glück, daß ich euch gefunden habe, mir den Weg zu weisen."
    "Von wannen kommst du?"
    "Vom Verdigris, von da, wo er zwischen die Felsen tritt, bin ich nordwärts geritten."
    "Sahst du die Cheyennes?"
    "Well, Sir, sah sie, unweit des Flusses; blieb zwei Tage bei ihnen."
    "Wohin ritten sie?"
    "Ritten nach Osten, Sir, wollten den Büffel jagen."
    "War die Dunkle Wolke bei ihnen."
    "Segne meine Seele, habe das Vergnügen gehabt, den würdigen Herrn zu sehen."
    "Waren der Jäger viel?"
    "Je nun; gezählt habe ich sie nicht, aber so zwei- bis dreihundert schienen es zu sein."
    Ob dem Indianer diese Zahlen etwas sagten, war nicht zu erkennen, so unbeweglich war sein Gesicht.
    "Hat mein Bruder unsern Freund, den Grauen Bären, der am Flusse wohnt, besucht?" fragte mit demselben gleichmäßigen Ausdruck der Indianer.
    Aber Stone war auf derartige Fragen vorbereitet, kannte die listige Art der Roten gut genug und verbarg unter seiner offenen, ehrlichen Miene ein gutes Teil Schlauheit.
    "Wollte wohl, fürchtete aber, würde bei euch zu spät kommen, um eure Waffen für die Jagdzeit in stand zu setzen, ging ihm deshalb vorüber, will ihn auf dem Heimweg besuchen."
    Dies alles kam so natürlich und ungezwungen heraus, daß dem Indianer jeder Verdacht, den er etwa gehegt, schwinden mußte.
    Er sagte dann auch mit freundlicher Gebärde: "Der Büchsenschmied ist willkommen."
    "Sind wir noch weit von eurem Lager entfernt, Eule?"
    "Du wirst es sehen, komm", war die lakonische Antwort.
    Er setzte sein Pferd nach Norden in Bewegung, und die andern schlossen sich ihm an.
    Paul hatte während dieser Unterredung, die ihn die Schlauheit des Kentuckyers bewundern ließ, ruhig auf seinem Maultier gesessen und mit möglichst gleichmütiger Miene der Unterhaltung gelauscht. Jetzt ritt er hinter Bill Stone her.
    Der Kiowa, der sich die Eule genannt hatte, wiederholte, während er neben dem Büchsenmacher herritt: "Der Büchsenschmied ist uns willkommen, er wird zu thun finden im Lager."
    "Habe ich mir doch gedacht", lachte Bill, "ja, gehen die roten Gentlemen etwas rauh mit den Büchsen um. Nun, freut mich, je mehr Arbeit, je mehr Felle."
    "Hatte der Büchsenschmied bei den Cheyennes auch viel Arbeit?"
    "Ging an. War vor vierzehn Tagen schon einer meines Gewerbes bei ihnen gewesen, und hatte mir nicht viel zu thun übriggelassen."
    "Sahst du keine Kiowas auf deinem Wege?"
    "Segne meine Seele, nein. Habe nach Leuten von eurem Volk ausgeschaut wie ein Jäger nach Wild, um zu erfahren, wo ich euch finde, aber vergebens. War ein Glück, daß ich euch getroffen."
    Paul wurde von den Indianern anscheinend gar nicht beachtet.
    "Wie kommt es", fragte der Indianer weiter, "daß das junge Bleichgesicht auf dem Tiere reitet, das die Werkzeuge des Schmiedes trägt?"
    "Ja", lachte Bill, "warum haben eure blutigen Prairien so viel Löcher, welche der Präriehund gräbt. Hatte drei Maultiere, als ich auszog, brach eines den Fuß in solch verwünschtem Locke, mußte es totschießen und meinen Burschen auf das Packpferd setzen."
    Aus all diesen Fragen ging hervor, mit welch mißtrauischer Klugheit die Kiowas jeden äußeren Umstand in Betracht zogen, und Paul wurde dadurch in seinem Vornehmen, die äußerste Vorsicht zu beobachten, nur bestärkt.
    "Der Schmied muß viel Arbeit haben, daß er sich einen Gehilfen mitgebracht hat."
    "Ist so, meiner Seele, werde allein nicht fertig, habe den Burschen mitgenommen, damit es besser vorwärts geht."
    Auf des Indianers gleichmäßigem Gesicht war nicht zu lesen, ob ihn die Erklärungen Bills, die mit der sorglosesten Treuherzigkeit gegeben wurden, befriedigten.
    Der ältere Kiowa, ein Mann von einigen vierzig Jahren, auf dessen Zügen finsterer Ernst lagerte, ritt seit einiger Zeit neben Paul. Bis jetzt war noch kein Wort über seine Lippen gekommen. Der Jüngling erstaunte daher, als der Wilde plötzlich fragte: "Das junge Blaßgesicht kennt den Grauen Bären?"
    Doch schnell gefaßt antwortete er: "Habe in meinem Leben noch keinen gesehen, Indianer", und setzte, sich Stone zum Muster nehmend, lachend hinzu, "möchte auch keinen sehen, wenn er nicht hinter Eisenstangen sitzt."
    Es blieb fraglich, ob ihn der Indianer ganz verstanden hatte. Nach einer Weile fragte der Mann wieder: "Mein junger Freund versteht die kranke Büchse zu heilen?"
    "Einigermaßen ja, doch bin ich noch Lehrling und kann nicht alles reparieren."
    "Chamulpa besitzt eine Flinte, welche nicht mehr spricht, das junge Blaßgesicht wird sie gesund machen."
    "Soll ein Wort sein, Indianer, werde deine Flinte reparieren."
    Die Sonne war untergegangen, und es schien Bill Zeit, ein Nachtlager zu suchen, besonders da die Maultiere ermüdet waren. Eine in diesem Sinne gemachte Äußerung ward von dem Sanhewas genannten Kiowa jedoch nur mit der lakonischen Äußerung "Komm" beantwortet.
    So ritten sie in der immer zunehmenden Dunkelheit weiter.
    Mehr als eine Stunde mochte vergangen sein, während sie schweigend dahin galoppierten, als sie fernen Lichtschein erblickten.
    "Dort die Kiowas", sagte der Indianer.
    Die ermattenden Maultiere wurden angetrieben, und bald sahen die beiden Weißen, während der Lichtschein immer heller ward, eine dunkle Masse sich vom Horizont abheben, welche hoch emporstieg. Näher kommend, erkannten sie, daß es Felsgebilde waren, die aus der Ebene aufstiegen. Durch einen engen Paß ritten sie in ein Felsenlabyrinth ein, dessen in der Dunkelheit sehr verworren erscheinende Gänge hie und da durch Feuer erleuchtet waren, um welche Indianer lagerten.
    Zu einem dieser Feuer, welches am Fuße einer jäh aufsteigenden Felswand brannte, wurden Stone und Paul von ihren roten Begleitern geführt. Sie stiegen ab, entledigten ihre Tiere der Sättel und des Zaumzeugs wie des Gepäcks. Am Feuer machte man ihnen Platz und reichte ihnen von dem dort schmorenden Fleisch. Dies alles geschah fast schweigend, und niemand schien von ihrem plötzlichen Erscheinen überrascht zu sein, kaum daß man einen Blick auf sie warf.
    "Wenn unsre weißen Freunde müde sind, will ich ihnen ihr Nachtlager zeigen", sagte Sanhewas, nachdem sie gegessen hatten.
    Bereitwillig folgten ihm Bill und Paul zu einer nahen Felshöhle, wo sie getrocknetes Prairiegras, das mit einigen Fellen bedeckt war, als Ruhebett aufgehäuft fanden.
    Sättel, Zaumzeug, das Gepäck hatten sie mitgenommen. Der Indianer verabschiedete sich von ihnen, und beide streckten sich, die Sättel als Kopfkissen benützend, auf dem Lager nieder.
    Stone schlief rasch ein, doch Paul fand trotz der Anstrengungen des Tages erst später die Ruhe. Er mußte des Mannes gedenken, der aller Wahrscheinlichkeit nach in ihrer Nähe gefangen gehalten wurde, wie auch die Lage, in der er sich befand, inmitten einer Schar grausamer Wilder, umringt von Gefahren aller Art, sein Gemüt beunruhigte. Doch endlich sank auch auf ihn der Schlaf hernieder.