Viertes Kapitel

Zwischen den Städten Athen und Monmouth lagen die ausgedehnten Besitzungen des vor einigen Monaten verstorbenen John Osborne, sich weit am linken Ufer des Arkansas hinziehend. Das niedrige, aber umfangreiche Wohngebäude, in einem Stile errichtet, der an das alte Griechenland erinnerte, lag, von Platanen freundlich beschattet, dicht am Ufer des Stromes, und von der von jonischen Säulen getragenen Veranda hatte man einen anmutigen Ausblick über den Fluß hin, dessen gelbe Fluten langsam vorbeirauschten.
    Ralph Osborne, der aus Virginien eingewandert war, hatte diese umfangreichen Ländereien vor mehr als fünfzig Jahren erworben und sich häuslich darauf niedergelassen. Die glückliche Lage am Flusse, das rasche Aufblühen des Staates machte seinen Fleiß fruchtbringend, so daß er als reicher Mann starb.
    Ralph hinterließ drei Söhne, John, Edward und James, denen sein Eigentum zu teil ward. John, der ältere, der bereits selbständig war, als der Vater diese Erde verließ, ein ebenso fleißiger als umsichtiger Geschäftsmann, erwarb, indem er seinen jüngeren Brüdern ihren Anteil in Geld auszahlte, das ganze Gut und steigerte dessen Wert und Ertrag, besonders durch Anlage von Ziegeleien, außerordentlich.
    Er war ein ehrenwerter Mann von freundlicher Gemütsart, und seinen Brüdern mit viel Liebe zugethan. Edward, der zweite Bruder, ein wilder Bursche mit einer lebhaften Neigung zu abenteuerlichem Leben, aber ein ehrlicher, treuherziger Geselle, stand seinem Herzen am nächsten. Mit seinem Anteil am Vermögen war der bald fertig geworden, und so gern ihm der ältere eine Heimat auf der heimischen Scholle bereitet hätte, seine unstete Gemütsart trieb ihn stets wieder in die Weite. Ein Zwist zwischen den beiden Brüdern, dessen Veranlassung niemals aufgeklärt worden war, hatte schließlich eine, wie es schien, unüberbrückbare Kluft zwischen ihnen geöffnet. Edward war gegangen, und nie ward in Woodhouse, so hieß das Gut, wieder etwas von ihm vernommen.
    James, der dritte Bruder, war das gerade Gegenteil Edwards, er war schlau, berechnend, habgierig und unwahr durch und durch. Der harmlose John war bei dem heuchlerischen Wesen des Jüngsten und der aufrichtigen Zuneigung, die er für die Brüder fühlte, über seinen wahren Charakter nie ganz ins klare gekommen, wenn er auch dunkel fühlte, daß derselbe nicht sehr lobenswert sei.
    Trotz seiner Schlauheit hatte James in seinen Unternehmungen Unglück, und dies war vornehmlich seiner blinden Habgier zuzuschreiben, die ihn oft den Schatten der Dinge für deren Wesen nehmen ließ, und auch sein Vermögen war bald durch übel berechnete Spekulationen verzehrt.
    John, dessen Einnahmen sich fortwährend steigerten, hatte ihm wiederholt geholfen, und ihn endlich, mit mehreren Tausend Dollar ausgerüstet, nach Colorado gesandt, wo einiges Kapital sich damals leicht verzehnfachen ließ. Dort schien James endlich Erfolge erzielt zu haben, denn ein Jahr vor dem Tode Johns erschien er in Woodhouse und erstand in dessen Nähe eine kleine Farm, um sie zu bewirtschaften. Auch hierbei unterstützte ihn der großmütige Bruder.
    Kurz nach seinem Zerwürfnis mit seinem Bruder Edward, welches diesen für alle Zeit in die Ferne trieb, heiratete John. Nach einem Jahre ward ihm ein Knabe geboren, der, schwach an Körper, auf den Rat des Arztes auf einer kleinen Farm im Walde, seiner Gesundheit wegen, erzogen wurde und im vierten Lebensjahre durch Nachlässigkeit der Dienstboten seinen Tod in den Fluten des Arkansas fand. Bald darauf wurde Paul geboren, der bald der Stolz und die Freude, ja das ganze Glück des Vaters ward, und dies umsomehr, als ihm die geliebte Lebensgefährtin starb, als das Kind nur wenige Wochen zählte. Paul, ein gut beanlagter Knabe, der sich rasch und kräftig entwickelte, war noch nicht ganz sechzehn Jahre, als, während er in Little Rock, der Hauptstadt des Staates, die Schule besuchte, sein Vater plötzlich von hinnen schied und ihn unter der Vormundschaft seines Oheims James, welche der Richter angeordnet hatte, zum Erben einer großen Besitzung machte.
    Dies war in großen Zügen die Geschichte der Osborne in den letzten Jahrzehnten, und das stattliche Haus am Arkansas war die Heimstätte des jungen Paul, der in so früher Jugend der Herr eines großen Vermögens wurde.
    Die Lage des Hauses war sehr glücklich gewählt; prächtig war der Blick auf den breiten Fluß und das gegenüberliegende Ufer. Wie gewöhnlich, war auch heute der Strom reich belebt von großen und kleinen Kähnen aller Art, deren Segel sich im Wasser widerspiegelten.
    Von Zeit zu Zeit rührten die Schaufelräder eines Dampfers die Fluten zu schäumenden Wellen auf, die in immer leichteren Schwingungen sich fortpflanzend, endlich an den Ufern mit leichter Brandung erstarben.
    Außer dem freundlichen Wohnhaus, das ein wohlgepflegter Garten umgab, boten sich dem Auge Ställe und Vorratshäuser in der Nähe. Felder, welche Mais und Weizen trugen, zeigten sich ringsum, und kleine Gehölze dazwischen brachten angenehme Abwechslung in das Bild.
    Bei den Wirtschaftsgebäuden zeigte sich einiges Leben, mehrere Neger waren dort mit ländlichen Arbeiten beschäftigt, Garten und Wohnhaus aber lagen still und vereinsamt da. Die Jalousien waren herabgelassen und alles machte hier den Eindruck der Verlassenheit.
    Der alte Mann in einfacher Farmertracht, der auf der Veranda saß und in einer Zeitung las, vermochte durch seine Anwesenheit diesen Eindruck nicht zu verscheuchen.
    Er legte die Zeitung fort und blickte über den Strom hinweg sorgenvoll in unbestimmte Ferne, und ein trüber Ernst lagerte auf den derben Zügen des sonngebräunten, von schneeweißem Haar umrahmten Gesichtes.
    Während er so, in Sinnen verloren, an der Brüstung der Veranda stand, öffnete sich eine kleine in das Innere des Hauses führende Thür, und eine dicke Negerin trat heraus. Die Frau war alt, denn das Kopftuch umhüllte graues Haar, doch sah sie noch gut aus, und ihr einfaches Kalikokleid ließ an Sauberkeit nichts zu wünschen übrig.
    Sie warf einen Blick auf den alten Herrn, trat dann auf ihn zu, knixte und sagte: "Alte Corneli doch fragen, ob Masser Brown keine Nachricht von Masser Paul bekommen?"
    Der mit Brown angeredete Mann wendete sich um, und die Negerin erschrak, als sie sein kummervolles Gesicht erblickte.
    "Jesus, Masser Brown, ihr doch nicht bekommen schlechte Nachricht von Paul?"
    "Gott mag wissen, Cornelia, wie es mit dem Jungen steht", entgegnete der Alte betrübt, "längst hätten James Osborne und er zurück sein müssen, längst Nachricht von Paul gekommen sein - und eben lese ich im Little Rock-Observer, daß in Kansas Weiße von Indianern überfallen und gemordet worden sind."
    Die alte Frau fuhr heftig zusammen und fragte mit vor Aufregung zitternder Stimme: "Jessus, Masser Brown, ihr doch nicht glauben, unser Paul von wilden Menschen ermordet?"
    "Ich will's nicht glauben, Cornelia. Mr. Osborne ist ein kluger Mann und begiebt sich nicht leicht in Gefahr - ich will's nicht glauben, kann's nicht glauben; Gott wird ihn schon schützen, den Jungen."
    "Denken auch, Masser Brown, liebe Gott nicht so grausam sein und Paul töten lassen von schlechtem Injin."
    Der Mann schlug heftig mit der Hand auf die Brüstung der Veranda und sagte mit starkem Ausdruck: "Hätte ich den Jungen doch nicht reisen lassen, am wenigsten mit diesem", - er verschluckte ein Wort, "der keinen Finger aufheben würde, um ihn vor Gefahr zu schützen; aber Paul war ja wie versessen darauf, die Prairien zu sehen. Ist ihm ein Unglück begegnet, werde ich es mir zeitlebens nicht verzeihen."
    Die alte Negerin weinte und sagte schluchzend: "Ich mich zu Tode ängstigen um kleinen Masser Paul, er so gutes Kind, ihn lieb haben von ganz klein auf. Ich nicht denken können, daß ihm Unglück widerfahren, er so hübsch und klug, ihm niemand ein Leid thun."
    "Mögest du die Wahrheit sagen, Cornelia. Ist dem Jungen was geschehen, auch mir würde das Herz brechen."
    Die beiden hatten nicht beachtet, daß ein stromaufgehender Dampfer zwei Passagiere abgesetzt hatte, welche ein Boot an das Ufer dicht vor Osbornes Hause führte; erst Schritte, welche sich vor der Veranda hören ließen, machten sie aufmerksam, daß sich jemand nähere.
    Kaum erblickte Brown die Männer, welche sich auf dem Kieswege der Veranda näherten, als er einen lauten Schrei ausstieß: "Mister James". Er ging oder lief vielmehr hinunter, den Ankommenden entgegen: "Wo ist Paul, wo ist Paul, Mr. James?"
    Der so Angeredete, ein Mann von hoher, magerer Gestalt, harten Gesichtszügen und einem Augenpaar, welches wie die Lichter eines Wolfes unter dichten, überhängenden Brauen hervorfunkelte, blieb stehen, zog ein seidenes Taschentuch hervor und verhüllte sich, wie von Schmerz überwältig, das Gesicht.
    Brown wurde bleich, und seine Stimme zitterte, als er die Frage wiederholte: "Wo ist Paul, Mr. James?"
    Mr. James Osborne wischte sich die Augen und winkte dem Alten, ihm zur Veranda zu folgen, auf der die Negerin, die den ganzen Vorgang beobachtet hatte, wie versteinert stand.
    Mr. James ließ sich wie erschöpft in einen Stuhl fallen und seufzte tief.
    Sein Begleiter war im Garten geblieben. Brown starrte den Bruder seines ehemaligen Herrn mit steigendem Entsetzen an, und die Negerin war vor Aufregung und Angst bei diesem sonderbaren Gebahren Osbornes fast grau im Antlitz geworden.
    "Bereitet euch auf das schlimmste vor, guter Brown", sagte Mr. James.
    "Allmächtiger Gott, was giebt's, was hat's gegeben?"
    "Unser lieber Junge ist uns für immer entrissen, Brown", und Mr. Osborne drückte wieder das Taschentuch vor die Augen.
    Der greise Brown zitterte wie Espenlaub, und kein Wort wollte über seine bleichen Lippen.
    Die Negerin aber hatte kaum die Worte vernommen, welche so großes Unheil ankündigten, als sie in ein Jammern und Heulen ausbrach, wie es nur der so leidenschaftlichen Natur der schwarzen Rasse eigentümlich ist.
    "O Gott, o Gott, Jessus, Masser Paul, o Gott, o Gott", schrie und stöhnte sie und stürzte dann, die Schürze über den Kopf werfend, ins Haus hinein.
    Brown ermannte sich so weit, um fragen zu können: "Tot? Paul ist tot?"
    Mr. Osborne nickte stumm.
    Dem alten Mann wankten die Knie, und er hielt sich an dem Tische. Er holte mehrmals tief Atem, fragte dann mit einer seltsamen Ruhe weiter: "Wie ist das gekommen, Mister James?"
    "Ach, das unglückliche, unglückliche Kind. Wie es gekommen ist? Nur mit Entsetzen denke ich an jene Nacht. O, mein Gott!" Wieder führte der würdige Mann das Taschentuch an die Augen. "Wir waren", fuhr er nach einer gemessenen Pause fort, "tiefer in die Prairie geraten, als wir beabsichtigten, da wir die Weideplätze der Herden nicht gleich fanden. Keine Gefahr besorgend, hatten wir ein Nachtlager bezogen und uns dem Schlafe hingegeben. Wir, d.i. Paul, ich und drei Leute, welche ich in einem Platze an der Grenze angeworben hatte, um uns vor den Gefahren der Steppe zu beschützen. Gegen Mitternacht weckten mich Schüsse. Wir waren überfallen von Räubern, roten oder weißen, wahrscheinlich von ersteren. Wir griffen zu den Waffen, und einige Schüsse verscheuchten das Gesindel, welches auf einen energischen Widerstand nicht gefaßt war. Paul, das unglückliche Kind, war aus dem Schlafe aufgescheucht, in sinnbetörender Todesangst in die Prairie hineingelaufen - und dort hat ihn die Kugel eines der Mörder getroffen. Wir fanden den Leichnam erst spät am Tage, nach langem Suchen."
    Es entstand hiernach ein Schweigen, das der alte Mann endlich mit der in scharfem Tone gestellten Frage unterbrach: "Und ihr andern kamt alle mit heiler Haut davon?"
    "Wir hatten uns ins Gras niedergeworfen und feuerten von da, doch waren zwei meiner Begleiter verwundet, und ein Maultier wurde erschossen."
    "Und Pauls Körper?"
    "Er ruht im Schoße der Erde; wir haben ihm, wo wir ihn fanden, das Grab bereitet."
    "Ohne Coroner, ohne Totenjury, Mr. Osborne?"
    "Nicht doch. Ließ den Sheriff holen von dem nicht zu fernen, am Kansas gelegenen Garfield. Kam mit zwei ehrenwerten Bürgern, stellte die Untersuchung an, vernahm uns eidlich, fällte den Spruch: 'Von unbekannter Hand ermordet'. Dann erst übergaben wir Pauls sterbliche Überreste der Erde."
    "Und weiter, Mr. James?"
    "Weiter? O, mein Gott, der Coroner machte Anzeige in Garfield, und man versprach dort, die Mörder, wahrscheinlich Cheyenne-Indianer, zu verfolgen. Ich machte mich schweren Herzens auf die Heimreise."
    "Und das schriftliche Erkenntnis des Coroners?"
    "Legte ich gestern der Behörde in Monmouth vor; diese fand, daß nach dem Gesetze verfahren worden sei. Paul Osborne ist de facto und de jure tot."
    Brown ging einigemal auf der Veranda in erkennbar tiefer, seelischer Erregung auf und ab, dann blieb er mit finsterer Miene vor Osborne stehen und sagte: "Dann seid ihr wohl der Erbe des Jungen, Sir?"
    "O, leider, lieber Brown, der Erbe des hoffnungsvollen Jünglings, der Erbe als der nächste Verwandte."
    "So? Hat der Richter das erkannt?"
    "So ist es, lieber Brown. Bin ein Mann der Ordnung und habe vom Richter Bullstone in Monmouth ein Erkenntnis erwirkt, nachdem ich ihm den Totenschein Pauls und den Spruch der Jury vorgelegt hatte."
    Browns Miene wurde immer finsterer.
    "Nun, James Osborne, so hättet ihr ja endlich euren Willen. Edward, der brave, wilde Edward, verjagt, verschollen, wer weiß, wo dessen Gebeine bleichen, euer Bruder John gestorben, Gott weiß wie, und jetzt der Knabe dahingeschlachtet, nun ist ja alles euer Eigentum."
    "Wollte Gott, es wäre noch das des Knaben", entgegnete in heuchlerischem Tone der Angeredete.
    Jetzt brach aber der greise Mann mit einer mühsam zurückgehaltenen, durch den Schmerz um den Verlust des Jünglings gesteigerten Wut in einem Tone los, der die Veranda erzittern machte.
    "Meinst du denn, elender Heuchler, Schurke und Mörder, ich kenne dich nicht, kenne dein schwarzes Herz nicht von Jugend auf?"
    Jäh sprang Osborne bei diesem Ausbruch empor, und seine grünlich blitzenden Augen waren in unsäglicher Wut auf das zornig erregte Antlitz des alten Mannes gerichtet.
    "Ja, glotze mich an, Schuft; Elieser Brown fürchtet dich nicht, du sollst, Mörder, den Tod des Vaters und des Sohnes büßen, wenn es noch Gerechtigkeit auf Erden und im Himmel giebt."
    Osborne, dessen Gesicht sich in grimmiger Wut zu einer häßlichen Fratze verzogen hatte, hob die gewichtige Faust, um den alten Mann niederzuschlagen. Doch ehe er sie fallen lassen konnte, drängte sich ein halbes Dutzend Neger, Frau Cornelia, welche die Schreckensbotschaft im Hause verbreitet hatte, darunter, heulend aus dem Hause.
    "O, Masser Paul! Unser Masser Paul! Unser Liebling. Wo ist Masser Paul? Masser Paul tot?" schrieen sie in Schmerzenstönen durcheinander.
    "Ruhig, schwarze Bestien!" donnerte James Osborne sie an, "ruhig, oder ich lasse euch peitschen, bis ihr die Seele aushaucht."
    Einen Augenblick herrschte Stille; die Schwarzen waren eingeschüchtert. Dann aber trat Frau Cornelia vor und sagte, zornig erregt: "Ihr lassen schwarze Gentlemen peitschen, weil sie weinen um jungen Massa? So? O, ihr ganz schlechter Mann, Masser James, Cornelia euch kenn von ganz klein auf, ihr schlechter Bruder, ihr schlechter Mann!"
    "Ruhig, Kanaille, oder du spürst die Peitsche zuerst!"
    Die Alte aber stemmte die Hände in die Hüften und sagte keck: "O, ihr lassen schwarze alte Lady auch schlagen? O, ihr kein Gentleman, Masser James, ihr nie ein Gentleman. Pfui!"
    Von neuem hob Osborne die Faust, aber zur Seite der Negerin trat ihr Mann, der alte Scipio, ein großer, starker Neger mit einer Miene, welche des grimmigen Mannes Faust sinken machte.
    "Ihr alte Sip und Missus Corneli schlagen? Ihr bleiben lassen, Masser James. Alte Sip und Corneli freie Leute, das hier sagen. Tote Masser Osborne uns Freibrief gegeben und ein Stück Landes geschenkt, das schriftlich haben; ihr wohl bleiben lassen, freie Nigger zu schlagen. Wir nur bleiben im Hause, weil jungen Masser lieb haben und müssen acht geben auf sein Eigentum und auf ihn selbst, damit nicht in Fluß fällt wie klein Henry. Ich das alles weiß, nur niemand alte Corneli glauben."
    James Osborne starrte mit einem Wutblick die Neger an. Dann sagte er: "Gut, wird sich finden, ihr schwarzen Schurken, einstweilen bin ich der Herr hier."
    "O, noch nicht, Sir", sagte Brown und trat auf ihn zu, "nur der Richter kann euch Woodhouse überliefern, einstweilen bin ich noch der Herr."
    Osborne antwortete mit einem höhnischen Lächeln, wandte sich nach dem Garten und sagte hinab: "Ist es euch gefällig, Herr, hier oben zu erscheinen und eures Amtes zu walten?"
    Der Mann, der mit ihm gekommen war und sich bis jetzt abseits im Garten gehalten hatte, erschien auf der Veranda.
    "Das ist Mr. Heathcot, Mr. Brown, der Sheriff von Sheffielscounty, euch wahrscheinlich bekannt."
    Der Beamte, ein älterer, würdig aussehender Mann, grüßte den Verwalter höflich und setzte hinzu: "Mr. Brown kennt mich, Sir."
    Die Neger standen in einer Ecke der Veranda und starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die Gruppe der drei Männer.
    Da sich die Nachricht von dem Tode des unmündigen Eigentümers der Pflanzung mit Windeseile verbreitet hatte, waren bereits auch einige weiße Arbeiter auf der Veranda erschienen und horchten stumm und erstaunt den gewechselten Reden.
    Mr. Heathcot hatte einige Papiere aus seiner Brusttasche genommen, die er öffnete, und erklärte dann, daß kraft Richterspruchs, nach dem beglaubigten Tode des bisherigen Eigentümers der Pflanzung Woodhouse, und nachdem Edward Osborne für tot erklärt worden sei, diese nebst allem beweglichen und unbeweglichen Eigentum in den alleinigen Besitz des nächsten Erben, Mr. James Osborne, des Oheims des verblichenen Paul Osborne, von Stund an überginge und er kraft seines Auftrags diesen hiermit in sein Eigentum einsetze.
    Alle horchten stumm der Verkündigung des Sheriffs.
    Brown hatte sich einigermaßen gefaßt und zeigte größere Ruhe.
    Mr. James Osborne betrachtete ihn mit hohnvollen Blicken.
    "Ihr wißt jetzt, Mr. Brown, wer der Eigentümer von Woodhouse ist?"
    Der Verwalter würdigte ihn keiner Antwort.
    "Wollt mir gefälligst eure Bücher, die Schlüssel zur Kasse und das Verzeichnis des Inventars übergeben, Sir, wollen gleich eine kleine Untersuchung vornehmen."
    "Steht euch alles zu Gebote, Sir", entgegnete Brown mit kalter Ruhe, "aber nur vor Zeugen überliefere ich die Kasse und die abgeschlossenen Bücher, vor ehrenwerten Zeugen; möchte nicht, Sir, daß Gaunerstreiche hinter meinem Rücken verübt würden."
    Da Osborne hierauf nicht gleich eine Antwort fand, herrschte er die Schwarzen an: "Hinaus, und an die Arbeit!"
    Die Neger gingen, zuletzt Cornelia. In der Thüre wandte sie sich noch einmal um und sagte: "Ihr können hier Herr sein, Masser James, weil arme Paul tot, ihr doch nie Gentleman werden." Und mit großer Würde rauschte die dicke Alte hinaus.
    Osborne sandte ihr einen wütenden Blick nach, wandte sich aber gleich darauf höflich an den Sheriff mit den Worten: "Ich hoffe, ihr erzeigt mir die Ehr, mein Gast zu sein, Mr. Heathcot?"
    Kühl antwortete dieser: "Bedaure ablehnen zu müssen, Sir, meine Pflicht ruft mich nach Monmouth zurück." Er reichte dann Brown die Hand. "Wenn ihr den Sheriff zu etwas brauchen könnt, Mr. Brown, steht er euch zu Diensten", sagte er nicht ohne Bedeutung.
    "Hoffentlich brauche ich ihn noch", murmelte der Alte.
    Mr. Heathcot lüpfte grüßend den Hut gegen Osborne mit einem: "Wünsche euch einen Guten Morgen, Sir", und schritt hinab, dem Flusse zu.
    Osborne und Brown waren allein auf der Veranda, auch die weißen Arbeiter hatten sich entfernt.
    Der neue Eigentümer von Woodhouse betrachtete den schlichten Alten mit einem Blick und einem Lächeln, in denen sich ebensoviel Haß als triumphierender Hohn widerspiegelten.
    "Eurer Dienste, Mr. Brown, bedarf ich fortan nicht mehr. Liefert die Kasse und die Papiere aus, dann könnt ihr eures Weges ziehen."
    "Ja, James Osborne, ich werde meines Weges ziehen, aber ich hoffe den Tag noch zu erleben, wo ich dich unter dem Galgen sehe." Osborne lachte höhnisch auf. "Ich war ferne, als mein alter, guter John, der mehr mein Freund, als mein Herr war, starb - am Schlagfuß starb - und auf mein Ansuchen, die Leiche ausgraben und untersuchen zu lassen, ging der Richter nicht ein. Ich schwieg damals, des Kindes wegen, um nicht dessen ganzes Leben durch einen Verdacht zu verbittern, der seinen Oheim zum Brudermörder stempelte; ins Dasein zurückzurufen war der Tote doch nicht mehr. Diese Rücksicht fällt jetzt weg. Was des Jungen Ermordung betrifft, so sollst du sehen, wie ich, einer Rothaut gleich, eine Fährte finden und verfolgen kann. Durch wen der kleine Henry, der dir im Wege zur Erbschaft stand, wie jetzt Paul, sein Ende gefunden, ist mir heute klarer geworden als jemals! Das arme Kind ertrank im Flusse, nicht wahr? Nun, hüte dich, daß ihre Schatten nicht gegen dich zeugen. Wir treffen uns wieder, James Osborne!" Der alte Mann hob drohend die Hand und ging hinaus.
    Mit einem Ausdruck auf seinem Gesichte, in dem Schreck und Grimm sich seltsam mischten, sah ihm Osborne nach.
    "Ah bah, was kann er tun? Tot ist der Junge - und -? Freilich die Totenjury und ihr Spruch? Auf die Schurken dort unten ist kein Verlaß. Wir wollen wir doch ein wenig auf die Schliche passen, alter Fuchs, und wirst du unbequem, Bursche - nun, unsterblich bist du ja auch nicht." Nach einer Weile setzte er hinzu: "Woodhouse ist mein, mein - und den möchte ich sehen, der es mir entreißen will."
    Am andern Tage überlieferte Brown dem neuen Herrn von Woodhouse alles, was er unter seiner Verwaltung gehabt hatte, und verschwand spurlos aus der Gegend.
    Zum großen Erstaunen aller Insassen der Pflanzung trat Mr. James Osborne wenige Tage später, nachdem er einen neuen Verwalter eingesetzt hatte, eine Reise stromauf an. Man wollte wissen, er habe sich nach Kansas begeben, wo er eben unter so traurigen Umständen seinen Neffen begraben hatte.