Fünftes Kapitel
Als der helle Tag in die Höhle schien, erwachte Paul. Es bedurfte einiger
Zeit, ehe die Gegenwart klar vor seinem Geiste stand. Unweit von ihm schnarchte
Bill Stone noch in erbaulichen Tönen. Paul sprach leise, wie er es zu thun
gewöhnt war, sein Morgengebet und erhob sich dann. Er trat hinaus in den
goldenen Morgen und blickte sich um. Es hatte in der Nacht stark geregnet, wie
er bemerkte, ein Umstand, der, da er ihre von Süden kommenden Spuren vertilgt
haben mußte, sehr günstig war. Er befand sich in einem Felsenkessel,
dessen zerklüftete Wände hoch aufragten, doch führten auf mehreren
Seiten breite Spalten tiefer in dieses groteske Gewirr von Felsmassen. Einige
indianische Zelte waren zu erblicken, angepflockte Pferde und wenige Männer,
die sich mit den niedergebrannten Feuern beschäftigten. Ringsherum zeigten
sich Öffnungen in den Felsen, welche zu Höhlen zu führen schienen
und einigen der Indianer auch wohl als Nachtlager gedient haben mochten.
Da Paul Durst verspürte, ging er auf einen jungen Indianer,
den er in seiner Nähe beschäftigt sah, zu und bat um Wasser. Da derselbe
augenscheinlich nicht englisch verstand, machte ihm Paul durch Gebärden
deutlich, was er wünsche. Der Indianer winkte ihm, mitzugehen, und führte
ihn durch einige Felsspalten von ungleicher Weite zu einem größeren
Kessel, durch dessen Mitte, wie der Jüngling mit Erstaunen gewahrte, das
klare Wasser eines Flusses rann, der wohl siebzig bis achtzig Schritt breit
sein mochte. Auf seinem andern Ufer erhoben sich schroffe, zerrissene Felsen,
wie auf dem, auf welchem er stand. Die Ufer des Flusses innerhalb des Rondells,
welches die Felsen einfaßten, zeigten frisches Gras in saftigem Grün
und zwischen einigen Bäumen Buschwerk. Auch hier waren Pferde angepflockt.
Paul war eingeschärft worden, in Gegenwart der Indianer auch nicht die
geringste Neugierde zu verraten, selbst sorgsam seine Blicke zu wahren, um nicht
das Mißtrauen der Wilden zu erwecken, und er war um so vorsichtiger, als
es ihm schien, als ob die Kiowas besonders in Bezug auf seine Person nicht ohne
Mißtrauen wären. Er sah sich deshalb kaum um, obgleich der junge
Kiowa, der ihn hergeführt hatte, durchaus zutrauensvoll und freundlich
war. Paul löschte in dem klaren Wasser seinen Durst und dabei überkam
ihn der Wunsch, ein Morgenbad zu nehmen. Er verständigte den Wilden durch
Gebärden hiervon, indem er die Bewegung des Schwimmens machte. Der Kiowa
lachte und nickte und warf rasch seine wenigen Kleider ab. Paul that das gleiche,
und beide sprangen in die Flut.
Die Strömung war nicht stark und erlaubte, gegen sie
anzuschwimmen. Paul sowohl als der Indianer waren gute Schwimmer. In der Mitte
angekommen warf sich der Jüngling auf den Rücken und musterte nun
in dieser Lage die gegenüberliegenden Felsen, welche zerklüftet und
ausgehöhlt sich erwiesen, wie die auf der andern Seite. Der Gedanke lag
nahe, daß der Trapper, wenn er, was doch mehr als wahrscheinlich war,
in diesem Lager verwahrt wurde, in einer der Höhlen jenseits untergebracht
sei. Doch gewahrte Paul nichts, was darauf hindeutete, daß drüben
Menschen hausten. Er blickte, umherschwimmend, stromauf und stromab. Nach oben
hin wurden die Felsen niedriger, doch vermochte er die Prairie, aus welcher
der Oshonta kam, nicht zu gewahren, stromab zeigten sich nur starre Felsen,
und Paul glaubte das Geräusch eines Wasserfalls zu vernehmen. Als er seinen
Blick wieder nach dem Felsen des jenseitigen Ufers richtete, traf sein Auge
auf das Haupt eines alten Indianers, der aus einer Felsöffnung hervorlugte.
Also war auch das andre Ufer bewohnt. Paul merkte sich die Stelle, wo ihm der
Indianer auf einen Augenblick erschienen war.
Eine rauhe, befehlende Stimme klang von dem Ufer her, wo
das Lager war, und Paul sah den älteren der Indianer, die ihn und Stone
hiehergeführt hatten, dort stehen und seinem Schwimmgenossen gebieterisch
zuwinken. Dieser schwamm hierauf eilig zum Ufer zurück, und Paul tat das
gleiche. Kaum hatten sie das Land erreicht, als die beiden Indianer rasch einige
Worte wechselten, und Paul wollte es scheinen, als ob der jüngere einen
scharfen Verweis erhielte. Während er sich rasch ankleidete, wandte sich
der ältere in ganz erträglichem Englisch mit den Worten an ihn: "Der
junge Weiße schwimmt wie die Otter."
"Es geht, Indianer", entgegnete ihm lächelnd
der Jüngling, "und ich vergnüge mich gern im Wasser."
"Es ist gefährlich", sagte ausdrucksvoll der
Wilde, "im Oshonta zu baden, die Wachen könnten ein Bleichgesicht
im Wasser für einen Feind halten und darauf schießen."
"O", sagte Paul darauf, "wollt ihr einen Gast,
der kommt, euch die Büchsen zu reparieren, für einen Feind halten?"
"Nicht gut für weißen Mann, im Fluß
schwimmen, es gefährlich", wiederholte der Kiowa.
"Nun, wenn du meinst, will ich es lassen."
Es war aber klar, daß die Anwesenheit Pauls am Ufer
und im Flusse dem Wilden unangenehm war, ein Zeichen mehr, daß der Gefangene
jenseits des Flusses bewacht wurde und die Roten nicht wissen lassen wollten,
daß sie einen weißen Gefangenen bewahrten.
Er ging mit dem Indianer zurück nach ihrem Nachtlager
und dieser sagte: "Kann das junge Blaßgesicht ebensogut Büchsen
heilen als schwimmen?"
"Wollen sehen, Indianer, einiges verstehe ich davon",
erwiderte Paul zuversichtlich.
Der Kiowa holte im Weitergehen aus einem Wigwam ein Gewehr,
gab es dem Jüngling und sagte: "Sieh nach, was ihm fehlt."
Paul vermutete, daß es auf eine Probe seiner Geschicklichkeit
abgesehen sei, um ihn zu prüfen, und beschloß, sein möglichstes
zu thun, um seine mangelhaften Kenntnisse nicht zu verraten. Auch kannte er
schon von früher her die Konstruktion des Schlosses, verstand, es auseinander
zu nehmen und zu erkennen, wo der Fehler steckte, einen leichteren Schaden auch
auszubessern. Lernt man das auf dem Lande, wo nicht immer ein Büchsenmacher
zur Hand ist, so war es in der Steppe noch mehr geboten, einige Fertigkeit in
der Behandlung eines Flintenschlosses zu besitzen. Der Trapper und Puck besaßen
nicht nur die einzelnen Schloßteile vorrätig, um eine gesprungene
Feder, mangelnde Schrauben ec. ersetzen zu können, sondern verstanden auch
trefflich ein Schloß zusammenzusetzen, wie einen Kolben zu schnitzen,
und Paul hatte hiervon etwas von ihnen gelernt.
Das Gewehr, welches der Indianer ihm gab, war eine alte Feuerschloßmuskete,
deren Schloß in Unordnung geraten war.
Paul besah und prüfte sie mit großer Kennermiene
unter den beobachtenden Augen des Indianers. Er ging zu der Höhle, in welcher
sie geschlafen hatten, wo der Kentuckyer immer noch schnarchte. Ohne ihn in
seiner Beschäftigung zu stören, griff Paul nach einem Schraubenzieher
und löste das Schloß. Er sah sofort, daß die ziemlich ausgelaufene
Nuß die Feder nicht mehr hielt. Das war ein Fehler, der zunächst
leicht auszubessern war, wenn auch für andauernde Wirkung eine neue Nuß
eingesetzt werden mußte. Paul legte die einzelnen Teile des Schlosses
auseinander, griff zur Feile und schärfte die fassenden Vorsprünge
der Nuß, bis sie der Feder Widerstand leisteten.
Der Indianer sah allem mit gespannter Aufmerksamkeit zu.
Paul ölte dann alles sorgfältig ein, setzte das
Schloß zusammen, schraubte es ein und überreichte das Gewehr dem
Indianer.
Der Hahn arbeitete wieder in alter Weise.
"Gut", sagte Chamulpa in dem tiefen Kehltone dieser
Leute, "das junge Blaßgesicht ist ein guter Medizinmann für
die Flinte. Es ist gut."
Paul hatte seine Probe glänzend bestanden, und der Indianer
war augenscheinlich höchst befriedigt von dem Erfolge.
Ein lautes Gähnen und ein starkes Räuspern verrieten,
daß der Kentuckyer erwacht sei, und gleich darauf trat auch Stone ins
Freie.
"Segne meine Seele", sagte er und blickte sich
um, "kalkuliere, daß ich den schönsten Morgen verschlafen habe.
Was machst du denn so früh hier draußen?" fuhr er Paul rauh
an, der bei seinem Erscheinen eine ehrfurchtsvolle Haltung angenommen hatte
und nun in bescheidenem Tone erwiderte: "Ich wachte früh auf, Master,
und wollte euch nicht stören."
Der Indianer sagte begütigend: "Du nicht zornig,
Büchsenschmied, er gut und klug, er heilen Flinte."
"Zeigt einmal her."
Stone nahm die Muskete und ließ den Hahn spielen. "Hm,
alles in Ordnung. Das hast du gemacht, Junge?"
"Ja, Master."
"Na, es ist gut. Künftig weckst du mich, wenn ein
roter Gentleman ein Gewehr auszubessern hat, verstehst du?"
"Ja, Master."
"Aber nun, alter Junge", wandte er sich an den
Indianer, "schaffe etwas zu essen und Feuer und Wasser, daß wir uns
eine Tasse Thee machen können."
Da er das Nötige dafür mitführte, Feuer vorhanden,
Wasser leicht herbeigeschafft war, konnte Paul, dem als Lehrling das Amt des
Kochs übertragen war, bald mit einem Becher Thee aufwarten, zu welchem
Antilopenbraten verzehrt wurde, den der Indianer anbot.
"So", sagte Stone, "das nenne ich einen guten
Untergrund für den Tag legen," - er hatte nicht übel eingehauen
- "und nun, mein roter Freund, wollen wir uns einmal nach unsern Tieren
umsehen, wenn es dir recht ist. Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes."
Wenn der Indianer Verdacht gehegt hatte, so schien er jetzt
geschwunden, und er erklärte sich bereit, Stone zu den Maultieren zu führen.
Er ging mit beiden durch die Felsengänge in die Prairie hinaus, wo sie
die Maultiere mit wohl dreißig bis vierzig Pferden grasend fanden. Jetzt
im Tageslicht sah Paul, wie mächtig diese so überraschend aus der
Ebene emporsteigenden Felsgebilde waren, und begriff, daß sie indianischen
Horden einen willkommenen Zufluchtsort in Gefahren bieten konnten. Das Ganze,
schroff aufsteigend, nur durch wenige schmale, leicht zu verteidigende Schluchten
zugänglich, bildete eine natürliche Feste von großer Stärke.
Auch bemerkte er, was ihm gestern in der Dunkelheit entgangen war, daß
dieser Teil der Prairie mit kleinen Gehölzen durchsetzt war, die ihr den
Charakter der Savanne verliehen.
Sie gingen zurück und fanden vor ihrem Nachtquartier
wohl ein Dutzend Kiowakrieger harren, welche ihre Büchsen zur Ausbesserung
brachten.
"Oh", sagte Bill, "da giebt es ja zu thun.
Stellt alles hierher, Leute, wollen sehen, wie wir die Gewehre wieder in stand
setzen."
Auf seinen Befehl mußte Paul jetzt das Werkzeug auspacken,
einen kleinen Amboß, Schraubstöcke, Feilen von verschiedener Größe,
Hammer u.s.w., was eben ein Büchsenmacher braucht, und Bill machte sich
sofort daran, die Waffen, unter denen nur einige wirklich gute waren, zu untersuchen.
Aufmerksam schauten die Wilden dem allen zu, ohne durch ihre
Neugierde zu belästigen. Nach und nach zerstreuten sie sich indes, und
Bill und Paul waren endlich allein. Letzterer erzählte dem Büchsenmacher
von seinen Erlebnissen am Morgen und teilte ihm seine Vermutung über den
Aufenthaltsort des Trappers mit.
"Wird so sein, wie ihr annehmt, Junge - sehe nur einstweilen
nicht ab, wie wir dem Alten beispringen können. Müssen's abwarten.
Wundere mich übrigens, daß so wenig Leute hier sind."
"Die Mehrzahl wird in der Steppe sein."
"Hast's getroffen, kalkuliere, ist so. Wird ein hartes
Zusammentreffen mit den Cheyennes geben, nach dem, was da unten geschehen ist,
aber ist mir recht, verhindert diese Bande, über die Unsern am Missouri
herzufallen. Gott sei denen gnädig, wenn der wilde Sioux über sie
hereinbricht." Nach einer Weile, während er sich ruhig mit den Waffen
beschäftigte, sagte er leise: "Der junge Cheyenne muß ein Teufelskerl
sein. War eine blutige Frolik dort unten."
Paul schauderte bei der Erinnerung zusammen.
"Ja", sagte Bill, dies bemerkend, "ist kein
Anblick für Leute aus den Städten, sind grausige Hunde, die Roten,
alle miteinander."
Nach einiger Zeit sagte er dann: "Muß mir doch
die Ortsgelegenheit etwas ansehen."
Von den Indianern waren einige während dieser Zeit in
die Steppe geritten, andre waren von dort eingetroffen, doch außer einem
flüchtigen Blick wandte man den beiden Büchsenmachern, von denen ja
Stone vielen der Kiowas von seinen früheren Besuchen bekannt war, keine
Aufmerksamkeit zu.
Als der Kentuckyer den Chamulpa genannten älteren Krieger
erblickte, rief er ihn an und machte ihm klar, daß er einer Vorrichtung
bedürfe, um den Schraubstock zu befestigen, ohne den er nicht weiterarbeiten
könne, und forderte ihn auf, ihm passende Steine, womöglich Holz,
den Teil eines Baumstammes, zu diesem Zwecke zu verschaffen.
Nachdem der Kiowa begriffen hatte, um was es sich handelte,
sagte er: "Komm mit zum Oshonta, dort findest du Steine und auch Bäume,
sage, was du brauchst."
Das war's, worauf Bill gerechnet hatte; er wollte das Terrain
selbst erkunden, hieß Paul in rauhem Tone weiter arbeiten, nahm die schwere
Holzaxt, die er mit sich führte, und folgte dem voranschreitenden Wilden
zum Flusse auf demselben Wege, den Paul früher zurückgelegt hatte.
Als sie die jenseits liegenden Felsen erblicken konnten, ließ Chamulpa
einen Pfiff erschallen, von dem Stone sich sagte, daß er drüben zur
Vorsicht mahnen sollte. Er beachtete ihn nicht, warf auch kaum einen Blick über
den Fluß und sah sich nur aufmerksam nach Steinen und den Bäumen
um. Er bezeichnete einige der Felsbrocken als für seinen Zweck geeignet
und begann dann mit der Geschicklichkeit und Kraft eines amerikanischen Waldbewohners
auf einen der Bäume loszuhauen. Die Axthiebe weckten das Echo des Felsenthales.
"Wenn das der Graue Bär hört", dachte er, "wird ihm
das schon sagen, daß ein Weißer hier die Holzaxt handhabt."
So oft er auch den Blick verstohlen hinübergleiten ließ,
zeigte sich doch in den Felsen jenseits nichts Lebendes.
Er hatte den Baum etwa in der Höhe eines Tisches gekappt
und erklärte dem Kiowa nun, er müsse sich des Stumpfes als Werkbank
bedienen, um seinen Schraubstock daran zu befestigen. Dies schien dem Wilden
nicht angenehm zu sein, doch gab er es zu, da er den Büchsenmacher schon
früher hatte arbeiten sehen.
Paul wurde mit allem Werkzeug nach dem Flusse beordert und
die Werkstatt an dem Baumstumpf aufgeschlagen.
Der Jüngling bewunderte die Schlauheit, mit welcher
der Kentuckyer so dem vermutlichen Gefängnisse des Trappers gegenüber
sich niedergelassen hatte.
Als sie allein waren, sagte Stone: "Weiß zwar
immer noch nicht, wie ich dem alten Gentleman nützlich werden kann, denn
mit den Wilden will ich's nicht ohne Not verderben; möchte mir nicht ohne
weiteres die Kehle abschneiden lassen, aber denke, wird schon kommen. Will dem
Alten ja gerne helfen, wenn ich es vermag, ohne meinen Hals in Gefahr zu bringen."
"Wir dürfen hoffen", entgegnete Paul, "daß
unsre Freunde draußen nicht unthätig sind. Sehr wesentlich für
alles fernere wäre es, festzustellen, wo sich der Oheim befindet."
"Ist richtig, aber wie?"
"Ich will in der Nacht hinüberschwimmen und die
Höhlen dort untersuchen. Gewiß liegt er da, wo ich den Indianer gesehen
habe."
"Ihr seid es Teufels, Junge. Der Alte wird drüben
bewacht, und es werden erfahrene Krieger sein, denen man die Aufgabe anvertraut
hat, einen so furchtbaren Gefangenen zu bewachen. Schneiden euch die Kehle ab,
ehe ihr nur Pip sagen könnt."
"Aber wir müssen doch etwas thun", entgegnete
Paul hiernach kleinlaut.
"Alles recht, aber was sollen wir zunächst thun?
Kalkuliere, müssen die Gelegenheit abwarten. Damit aber der Graue Bär
sicher weiß, daß Weiße hier sind, nimm ein Stück Eisen
und verarbeite es ein wenig auf dem Amboß."
Alsbald weckte Paul mit hellem Amboßklang das Echo.
Einige hierdurch herbeigelockte Indianer kehrten wieder um, als sie die Ursache
des Tones erkannten.
Paul machte seinen Gefährten auf das von unterhalb des
Felsenkessels herauftönende Geräusch aufmerksam. Stone horchte.
"Ist richtig, ist ein Wasserfall dort oder eine Stromschnelle."
Sie arbeiteten noch einige Zeit, dann und wann einen verstohlenen
Blick nach den Felsen werfend, als ein wildes Geschrei aus dem Lager sie aufschauen
machte.
Mehrmals wiederholte sich dieses Geheul. Chamulpa erschien
eilig und forderte sie auf, ihm zu folgen.
Als sie in den Felsenkessel traten, sahen sie sich von den
wilden Gestalten einer großen Anzahl Kiowas umgeben, die teils zu Pferde
saßen, teils umherstanden.
Chamulpa führte Bill und Paul zu einem Wigwam, vor dessen
Eingang ein grimmig dreinschauender Krieger saß. Reicher Schmuck, wie
die Würde seiner Haltung, kündeten den Häuptling an. Kaum erblickte
ihn der Büchsenmacher, als er mit der biederen Dreistigkeit, die den Mann
aus Kentucky auszeichnete, auf ihn zuschritt und sagte: "Segne meine Augen,
Herr Krähenfeder, freut mich, Sir, euer ehrliches Antlitz zu sehen",
und er streckte ihm die Rechte entgegen.
Der finster blickende Kiowahäuptling machte keine Miene,
sie zu ergreifen, und richtete die dunklen Augen bald auf Stone, bald auf Paul.
Der unverfrorene Kentuckyer ließ sich aber nicht verblüffen durch
die gemessene Haltung des Mannes, sondern fuhr fort: "Oho, alte Krähenfeder,
ist das ein Empfang für einen werten Freund, der die Flinten wiederherstellt,
oder seid ihr unzufrieden, Sir, mit meiner Arbeit vom vorigen Jahre? Sprecht
euch aus."
"Der Büchsenschmied mache nicht so viel Worte und
antworte, wenn er gefragt wird", entgegnete lakonisch der Häuptling.
"Nun, segne meine Seele, das nenne ich einen herzlichen
Willkommensgruß. Na, dann fragen Euer Gnaden."
"Wo kommst du her?"
"Vom Verdigris, Sir."
"Du sahst die Cheyennes?"
"Ew. Ehren haben's durchaus getroffen; sah die Herren
Cheyennes."
"Wo, diesseits oder jenseits des Flusses?"
"Jenseits, Sir."
"Du sahst diesseits keine mehr?" Des Indianers
Augen ruhten mit ernstem, drohendem Ausdruck auf Stone.
"Segne meine Augen, keine Menschenseele war in der blutigen
Steppe, bis mir endlich die beiden roten Gentlemen begegneten, die mich hierherführten."
Während dieser Unterredung hatte Paul Zeit, den Häuptling
zu betrachten. Er war ein kräftig, ja athletisch gebauter Mann mit einem
energischen, finsteren Ausdruck auf seinen adlerartigen Zügen, die nur
Gefühle des Hasses und des Zornes ausdrücken zu können schienen.
Die Erscheinung des Häuptlings der Kiowas hatte etwas Furchteinflößendes.
Das kecke Auftreten des Kentuckyers verscheuchte indes den
Eindruck, den die Persönlichkeit des Häuptlings auf Paul gemacht hatte,
und anscheinend gleichmütig stand er da.
"Der Büchsenschmied sah keine Kiowakrieger in der
Prairie?" forschte Krähenfeder weiter.
"Hatte leider nicht das Vergnügen."
Die Augenbrauen des Kiowa zogen sich drohend zusammen, als
er jetzt fragte: "Du kennst den Grauen Bären?"
"Ist ein Fakt, Mann, kenne den alten Gentleman; hat
mir im verflossenen Jahre das Leben gerettet, als Prairieräuber mich überfielen."
Plötzlich wandte der junge Indianer die dunklen Augen
auf Paul Osborne und fragte: "Und du kennst den Grauen Bären auch?
Ich weiß es."
So sehr der Knabe sich vorgenommen hatte, seine Ruhe zu bewahren,
schrak er doch merklich zusammen bei dem Blicke und der unerwarteten Frage des
wilden Kriegers. Aber ehe er noch antworten konnte, brach Stone in lautes Lachen
aus, und sagte: "Haha! Segne meine Seele, Mann; ist das Muttersöhnchen
noch nie aus dem alten Kentucky herausgekommen und säße am liebsten
wieder daheim bei seiner Mutter Kochtopf."
"Ich sah ihn mit dem Medizinmann in der Steppe."
"Nein, alte Krähenfeder", und Bill schüttelte
sich vor Lachen, "diesmal hast du dich bei all deiner Weisheit doch geirrt,
der hat noch keinen Medizinmann und keinen Grauen Bären gesehen. Den wollen
wir erst besuchen, wenn wir von hier aufbrechen. Mach mir das Söhnchen
nicht grauslich, der Junge hat noch keinen großen Häuptling gesehen,
weiß gar nicht, was du willst, und ängstigt sich. Wollte, hätte
den Burschen zu Hause gelassen, macht mir Ärger und Beschwerden genug."
Mochte der Indianer die unverkennbare Befangenheit Pauls
dem Eindruck seiner Persönlichkeit zuschreiben, mochte dessen so jugendliche
Erscheinung oder die dreiste Zuversicht des Kentuckymannes sein Mißtrauen
verscheuchen, sein Blick wurde freundlicher.
Krähenfeder hatte zwar selbst den Angriff auf den alten
Trapper, der dessen Gefangennahme zum Zwecke hatte, geleitet, aber Paul dabei
nur in weiter Entfernung zu sehen bekommen. Doch wußte er aus dem früheren
Berichte eines Spähers, der vor dem Überfall das Heim des Grauen Bären
umschlichen hatte, von der Anwesenheit eines jungen Bleichgesichts dort, und
sein erwachtes Mißtrauen glaubte in Paul diesen Begleiter des Trappers
erblicken zu müssen. Der junge Kiowa, der Paul gesehen hatte, war nicht
anwesend, um des Häuptlings Verdacht zu bestätigen oder zu verscheuchen.
Die jugendliche Persönlichkeit des knabenhaften Jünglings, die gar
nichts Kriegerisches an sich hatte, selbst die Befangenheit, die Paul dem wilden
Manne gegenüber nicht zu verbergen vermochte, nebst dem so überaus
sicheren Benehmen Stones mochte wohl den Gedanken, in Paul Osborne einen Gefährten
des Trappers vor sich zu haben, verscheucht haben.
Er streckte jetzt die Hand gegen Bill aus und sagte höflich:
"Der Büchsenschmied ist im Lager der Kiowas willkommen."
Der Kentuckyer ergriff die dargebotene Rechte und entgegnete:
"Na, so lasse ich es mir gefallen, Häuptling. Denke, Bill Stone ist
überall bei den roten Gentlemen willkommen, wo unbrauchbar gewordene Waffen
wieder herzustellen sind. War ganz erstaunt, daß du mich so unfreundlich
empfingst."
"Der Büchsenschmied möge es vergessen; es
schwebte eine Wolke um Krähenfeders Haupt."
"Alles recht, alte Rothaut, denke, werden uns vertragen."
Krähenfeder erhob sich und winkte Bill, mit ihm zur
Seite zu treten. Außer Hörweite von den andern sagte der Indianer
mit gedämpfter Stimme: "Der Büchsenschmied ist ein ehrlicher
Mann und spricht nur mit einer Zunge."
"Darauf kannst du dich verlassen."
"Er ist Freund den Kiowas?"
"Na, natürlich, sonst wäre ich nicht zu euch
gekommen."
"Er ist auch Freund den Cheyennes?"
"Richtig, ich bin Freund aller derer, welche Arbeit
für mich haben und sie anständig mit Fellen und Pferden bezahlen."
"Er ist auch Freund dem Grauen Bären?"
"Nun, das versteht sich, Häuptling", entgegnete
Bill mit seiner ganzen Treuherzigkeit, "ich sagte dir ja, daß er
mir das Leben gerettet hat."
Noch leiser fuhr der Indianer fort: "Er kennt auch seinen
Medizinmann?"
"Wenn du den kleinen verwachsenen Menschen damit meinst",
entgegnete Stone nun auch mit gedämpfter Stimme, "der bei ihm wohnt,
ja."
"Er kann einen starken Zauber machen, wie?"
"Hm", sagte der schlaue Kentuckyer und blickte
sich scheu um, "ob er ein Zauberer ist, das weiß ich nicht, aber
ein unheimlicher Geselle ist er jedenfalls."
"Wie meinst du?" fragte der Indianer, der den Ausdruck
unheimlich nicht verstand.
"Na, weißt du, Krähenfeder, im Bösen
möchte ich mit dem Krüppel nicht zusammenkommen, es ist ein furchtbarer
Kerl, und du hättest nur sehen sollen, wie die Prairieräuber, die
mich im vorigen Jahre überfallen hatten, ausrissen, als sie ihn sahen."
Krähenfeder war unter denen gewesen, die den Trapper
und Puck vor einigen Jahren angegriffen hatten, und der Eindruck, den ihm die
seltsame Gestalt des Zwerges damals gemacht hatte, wirkte noch nach.
Noch leiser fuhr er fort: "Er versteht die Sprache der
Tiere, wie?"
"Ja, Häuptling", sagte der durch die seltsame
Frage verblüffte Kentuckyer, "das weiß ich nicht. Ich bin mit
den beiden Leuten zu kurze Zeit zusammen gewesen, um Genaueres zu wissen. Er
hat mir Gutes gethan, aber ein unheimlicher Bursche ist dieser Puck, dabei bleibe
ich, er besitzt eine so übernatürliche Körperkraft, daß
man wohl vermuten kann, es ginge nicht mit rechten Dingen zu, ich glaube, er
kann mit einer Hand einen grauen Bären erwürgen."
Krähenfeder sah nachdenklich vor sich hin und äußerte
dann: "Es ist gut, ich danke meinem weißen Bruder. Er wird die Waffen
der Kiowas zur Jagd tüchtig machen, er ist willkommen."
Er schritt zu seinen Kriegern, welche lautlos des Endes der
Unterredung geharrt hatten, zurück und rief die ältesten um sich.
Bill und Paul gingen zum Oshonta hin.
Als sie allein waren, sagte der Büchsenmacher, und sein
sonst so joviales Gesicht war sehr ernst: "Ist das eine bedenkliche Sache,
Junge. Haben euch in Gesellschaft des Trappers erblickt, ist ein Fakt. Der Verdacht
Krähenfeders mag für einen Augenblick eingeschläfert sein, aber
er ruht nicht. Sind gar schlau, die roten Hunde. Wird sein Verdacht Gewißheit,
gebe ich für unsre Skalpe keinen Cent. Wollte, hätte mich in die Geschichte
nicht eingelassen, und wäre einige hundert Meilen von hier."
"Stone", sagte Paul, dem nach der Unterredung mit
Krähenfeder auch nicht ganz wohl zu Mute war, ernst: "Euer ehrliches,
dankbares Herz hat euch angetrieben, den, der euch das Leben gerettet hat, in
der Not nicht zu verlassen, und ich hoffe, Gott wird auch uns nicht verlassen."
"Ist recht, Junge", sagte der Kentuckyer, "ist
alles recht, ist ein braver Mann, der Alte, Dankbarkeit ist eine schöne
Sache, und möchte ihm helfen, ist ein Fakt, wenn's nur nicht so gefährlich
wäre. Denke, Junge, daß wir fort kommen von der Bande hier."
"Das würde in der That Verdacht erregen, und glaubt
ihr, daß man uns ziehen lassen würde, ehe ihr eure Arbeit vollbracht
habt?"
Stone kratzte sich den buschigen Kopf und entgegnete: "Könnt
recht haben, Junge, lassen uns nicht fort. Dumme Geschichte, gefährliche
Geschichte. Bin ein friedlicher Mann, der sich redlich nährt, kein Rowdy
und dergleichen, bin nicht für Streit, wollte, hätte euch gelassen,
wo ihr waret, wäre dann ganz ungefährdet hier. Dumme Geschichte."
Paul, der sich selber sagte, daß ihm die Gefahr, als
Gefährte des Trappers erkannt zu werden, nahe drohe, und daß in diesem
Falle er sowohl als Stone mindestens in eine sehr schlimme Lage gerieten, wenn
nicht verloren waren, wurde durch die kleinmütige Rede des Büchsenschmiedes
noch mehr betrübt.
Verdrossen machte sich dieser wieder an die Arbeit.
"Ist ein Glück", sagte Stone, "daß
der Regen in der Nacht gefallen ist, und so alle Spuren verwischt sind. Lesen
diese Roten die Zeichen des Bodens, wie wir die eines Buches. Vermute aus allem,
daß sie Nachricht haben von den erschlagenen Kiowas, und daß sie
nicht wissen, wem sie die Schuld zuschreiben sollen, ob den Cheyennes, ob dem
kleinen Mann, dem Puck, dem Medizinmann. Wunderliches Volk, diese Roten, hassen
uns, aber noch mehr ihre nächsten Stammesverwandten. Wollte Junge, wäre
erst wieder im alten Kentucky", setzte er seufzend hinzu, und griff wieder
zur Feile.
Unterdessen hielten die Indianer eine Beratung ab. Es war
genau, wie Stone vermutete; sie hatten durch einen Späher Nachricht erhalten,
daß einige ihrer Brüder erschlagen seien, doch der in der Nacht gefallene
Regen hatte alle Spuren verwischt, welche einige Aufklärung über dieses
Ereignis hätte geben können.
Der vor einigen Monaten erst verstorbene Häuptling der
Kiowas, Manganna, ein bedächtiger, ruhiger Mann, hatte Frieden mit den
Weißen und den benachbarten Stämmen zu halten gewußt. Kaum
war aber der wilde und grausame Krähenfeder sein Nachfolger geworden, als
er ein Bündnis mit den nördlicher wohnenden Dakotas oder Sioux, wie
man sie gemeinhin nannte, schloß, um mit ihnen gemeinsam über die
Ansiedlungen am Missouri herzufallen. Dann aber beeilte er sich, den unter dem
Schutze der benachbarten Cheyennes stehenden Trapper, den er seit jenem früheren
blutigen Zusammentreffen an dessen Shanty, welches so schmachvoll für die
Angreifer endete, grimmig haßte, in seine Gewalt zu bringen, um ihn seiner
Rache zu opfern. Die zufällige Abwesenheit rettete Puck und Paul vor gleichem
Schicksal, vielleicht auch die abergläubische Scheu, welche der Zwerg den
Kiowas einflößte.
Diese Scheu war so groß, daß sie nicht abgeneigt
waren, den Tod der Ihren seiner übernatürlichen Kraft zuzuschreiben.
An einem Kampfe mit den Cheyennes, so sehr er sie auch haßte, war Krähenfeder
im Augenblick, wo er mit den Dakotas gegen die Ansiedlungen ziehen mußte,
nichts gelegen, und den Hergang des Gefechtes, der seine Krieger zu Boden warf,
kannte er nicht. Daß die Cheyennes die Gefangennahme des Trappers nicht
ruhig hinnehmen würden, setzte er zwar voraus, doch war es zweifelhaft,
wann ihnen die Kunde davon zukäme, auch hoffte er sie im Notfall besänftigen
zu können oder sie durch den mit den Dakotas geschlossenen Bund einzuschüchtern.
Der größere Teil seiner Leute war noch nordwärts mit der Büffeljagd
beschäftigt, um Vorräte für den Winter einzuheimsen; dies allein
hatte auch die sofortige Abschlachtung des Trappers verhindert, der in Gegenwart
des ganzen Stammes unter unerhörten Qualen enden sollte.
Die Nachricht von dem Tode ihrer Brüder hatte die hier
anwesenden Kiowas in wildeste Wut versetzt, und es galt um jeden Preis, sich
Aufklärung über die näheren Umstände zu verschaffen, besonders
darüber, wie weit Cheyennes dabei beteiligt waren.
Die Beratung Krähenfeders endete damit, daß nach
verschiedenen Richtungen Reiter ausgesandt wurden, denen er bald mit sämtlichen
anwesenden Kriegern nach Süden folgte.
Während nun die Häuptlinge und älteren Krieger
berieten, waren den beiden Büchsenmachern noch eine Anzahl Gewehre zugestellt
worden, die der Ausbesserung bedürftig waren. Unter diesen befand sich,
wie Paul mit tiefer Erregung bemerkte, die ihm wohlbekannte Doppelbüchse
des Trappers. Er sagte es Stone. "Hm", brummte der, "wollen dem
alten Herrn diese Waffe in Ordnung bringen, hoffe, wird sie noch oftmals abfeuern."
Es zeigte sich, daß ein festeres Anziehen der Schrauben die Büchse
alsbald wieder brauchbar machte.
Als sie dann trübseligen Sinnes zu ihrem Nachtlager
zurückgingen, um einige Speisen zu sich zu nehmen, bemerkten sie, daß
nur sehr wenige ältere Männer noch anwesend waren.
Den ihnen begegnenden Chamulpa redete Stone an: "Nun,
sind die Herren Kiowas zur Jagd geritten, alte Rothaut?"
Dieser nickte mit grimmigem Lächeln, und ging langsam
mit ihnen zu der Höhle, die ihnen zum Aufenthalt angewiesen war. Als sie
um die Felsecke bogen, sahen sie neben deren Eingang einen jungen Indianer sitzen,
der ein wie es schien gänzlich erschöpftes Pferd am Zügel hielt.
Kaum erblickte er Paul, als er einen Ruf des Erstaunens hören
ließ und rasch einige Worte in indianischer Sprache rief. Er hatte noch
nicht ausgesprochen, als die Hand Chamulpas sich mit festem Griff um Pauls Kehle
legte und der erschrockene Jüngling in des Wilden grimmiges Gesicht, in
dessen wutfunkelnde Augen blickte. Jäh überrascht, entsetzt, zur Verzweiflung
getrieben, den nahen Tod vor Augen sehend, griff Paul blitzschnell zum Messer,
welches er im Gürtel führte, und bohrte es in des Indianers Seite.
Dieser ließ Pauls Kehle los und taumelte zurück; der junge Indianer
sprang mit einem gellenden Schrei auf sie zu, aber ein kunstgerechter Faustschlag
Bills, zwischen seine Augen mit der ganzen Kraft des Kentuckyers geführt,
streckte ihn besinnungslos nieder.
Dies alles geschah mit einer solchen Schnelligkeit, und so
instinktiv, daß sich Bill und Paul ganz erstaunt ansahen, als die ihnen
so plötzlich erstandenen Gegner darnieder geschlagen waren.
"Nun, bei Gott, das ist eine schöne Geschichte.
Jetzt ist's vorbei. Aber lebendig sollen sie meines Vaters Sohn nicht haben."
Er sprang in die Höhle und erschien, während Paul
noch immer vor sich hinstarrte, als ob er das Furchtbare nicht fassen könne,
mit der Büchse in der einen Hand, Kugelhorn und Pulverhorn in der andern,
im Freien.
"Komm, Junge, jetzt heißt's ums Leben rennen,
hinaus zu den Maultieren."
Mit Staunen hatten zwei in der Nähe weilende Indianer
dem allem zugesehen, und schrien jetzt wild auf, als Stone und Bill davonliefen,
um in die Prairie zu gelangen. Andre sprangen herbei, und noch ehe die Flüchtlinge
um die nächste Ecke biegen konnte, sauste ein Pfeil ihnen nach. Mit Schrecken
sahen sie sich vor einer Felswand, sie hatten den Weg verfehlt.
"Zurück!" schrie Bill, "und drauf, ich
bin ein friedlicher Mann, aber muß es gefochten sein, wird meines Vaters
Sohn sich wehren."
Sie stürmten zurück, vier Indianer traten ihnen
entgegen; Bill riß die Büchse an die Wange, sie entlud sich donnernd
und einer der Männer stürzte nieder, die andern wichen vor den in
wilder Aufregung Anstürmenden zur Seite. Nicht rasch genug, daß nicht
ein Kolbenschlag Bills einen von ihnen kampfunfähig gemacht hätte.
Beide liefen weiter und kamen wieder an den Kessel, an dem ihre Höhle lag.
"Nach dem Flusse", keuchte Bill. Sie eilten dahin.
In einer engen Schlucht traten ihnen wieder zwei Indianer
entgegen, die wohl noch kaum wußten, was vorgegangen war. Der eine erhielt
einen solch furchtbaren Stoß mit dem Büchsenlauf, daß er niedersank,
der andre einen Schlag von des Kentuckyers gewaltiger Faust, daß er taumelnd
sich an der Felswand hielt.
Weiter stürmten beide.
Sie bogen in das Felsenrund ein, welches der Oshonta durchströmte.
"Nimm des Alten Doppelbüchse." Paul ergriff
sie.
"Ins Wasser, Pulver trocken halten."
"Hinabschwimmen?"
"Nein, hinüber - unten ist der Wasserfall."
"Dann hinüber."
Beide sprangen in die Flut und teilten sie mit kräftigem
Arm. Zwei Indianer erschienen hinter ihnen, aber alle Gewehre, die noch im Lager
waren, befanden sich, und zwar unbrauchbar, dort an den Fels gelehnt.
Der hallende Ruf eines Kiowa lockte auf der gegenüberliegenden
Seite einen Indianer aus einer Höhle hervor, der eine Büchse in der
Hand trug. Er feuerte hinab und die Kugel schlug neben Bill ins Wasser. Jetzt
sind beide drüben am Ufer, sie klettern empor.
Der friedliche Mann aus Kentucky schreit mit Donnerstimme:
"Hurra, alter Bär, wo steckt ihr?"
"Hier!" tönt des Trappers Stimme von oben.
"Oheim! Oheim!" jubelte Paul.
"Hinauf, Junge! Lebendig kriegen sie meines Vaters Sohn
nicht."
Von droben hörte man die grollende Stimme des Trappers.
Sie stiegen höher. Zwei Pfeile schlagen neben ihnen in die Felswand; dies
beschleunigte ihre Eile noch.
Im Zickzack führt der Pfad empor. Als sie hinter einem
Fels Deckung finden, halten sie atemlos an, und laden ihre Gewehre.
Trotz aller Eile und Todesangst hatten sie, während
sie über den Fluß schwammen, die Büchsen trocken gehalten; das
Pulverhorn war so vortrefflich gearbeitet, daß auch nicht die geringste
Feuchtigkeit hineingedrungen war.
Beide waren in der Handhabung der Waffe geübt und luden
mit großer Schnelligkeit.
"Oheim! Wo seid ihr?" ruft Paul.
"Gott segne dich, Junge, hier in dem Felsloch, kann
nicht heraus. Kommt herauf, die Luft ist rein."
Sie blickten hinab; von den Indianern war nichts zu sehen,
sie hatten sich in Deckung begeben.
Dann kletterten sie empor, und nach zwei Minuten, während
dem ihnen die Stimme des Trappers den Weg wies, gelangten sie auf ein kleines
Felsplateau und konnten in die Höhle sehen, welche den Gefangenen barg.
Der Trapper saß am Boden und hatte quer über seine
Knie einen Indianer liegen, den er am Genick und an den auf den Rücken
gezogenen Händen gefaßt hielt.
"Oheim!"
Gott segne dich, Kind, dort liegen Riemen, bindet mir zuerst
einmal das Gewürm hier."
Stumm folgten die beiden dem Befehle und banden dem Wilden,
der unter dem eisernen Griff des Trappers kaum noch Lebenszeichen von sich gab,
Hände und Füße und wälzten ihn zur Seite.
"Nun befreit mich, Jungens."
Die Füße des starken Mannes waren mit Riemen gefesselt,
und ein Lasso, der fest um seinen Leib geschlungen war, hielt ihn an einem Felsstück
fest.
Das Messer Pauls durchschnitt den Lasso und die Riemen an
den Füßen.
"So, Gott segne euch, Kinder. Der Spitzbube hatte mir
gerade die Hände losgebunden, damit ich essen sollte, als ihr euch hören
ließt. Als er mit der abgeschossenen Büchse zurück sprang, kam
er unvorsichtig in den Bereich meiner Hände, und da griff ich zu und machte
ihn unschädlich. Wo ist Puck, Junge?"
"Er liegt in der Steppe."
"Wußte, daß ihr kommen würdet, Kinder,
nach dem Alten zu sehen. Wer ist das?"
"Ich bin Bill Stone, alter Herr, den ihr von den Prairieräubern
befreitet."
"Oho, das ist der lustige Büchsenschmied? Willkommen,
Sir. Dank euch, daß ihr das nicht vergessen habt." Der Trapper, der
noch immer am Boden saß und sich die Fußgelenke rieb, sprach so
ruhig und gleichmütig, als ob er in seinem Shanty weilte.
Paul gab ihm in beflügelten Worten einen Abriß
dessen, was er seit des Trappers Gefangennahme gesehen und erlebt hatte.
"Seid brave Jungen. Sehe, der alte Gott lebt noch. Hast
da meine Doppelbüchse, Kind, wie ich gewahre, freut mich herzlich."
Er streckte die Hand aus und nahm die Waffe an sich. "Ist die alte Donnerbüchse
ein guter Freund in der Wüste. Blickt einmal hinaus, ob von dem roten Gewürm
sich niemand sehen läßt. Werden die paar alten Krüppel, welche
zurückgeblieben sind, sich zwar kaum an uns wagen, indes Vorsicht kann
nicht schaden."
Bill ging zum Eingang und blickte hinaus. Mit Staunen sah
der tieferregte Paul, wie gleichmütig der Trapper die so äußerst
gefährliche Lage, in welcher sie sich befanden, aufnahm.
Der Alte richtete auf den Jüngling einen Blick, der
von innerer Herzensglut strahlte, und streckte die Hand gegen ihn aus, die Paul
ergriff: "Gott segne dich, Kind", sagte der Trapper bewegten Tones,
"Gott segne dich für deine Treue. Kann ich's dir nicht vergelten,
wird's der droben thun."
"Sind nur wett, Oheim, wenn es mir gelingt, euch Hilfe
zu bringen. Leben um Leben."
Zärtlich streichelte der Trapper des Knaben frische
Wange.
"Nichts zu sehen von den Roten", wandte Stone sich
um und fuhr dann fort: "Kalkuliere, alter Gentleman, wir sind in einiger
Bedrängnis und unsre Skalpe nicht viel mehr wert. Bin ein friedlicher Mann,
Sir, und habe mich in Sachen gemischt, die mich nichts angingen", fuhr
er verdrießlich fort. "Sagte mein Vater immer, der ein sehr kluger
Mann ist, stelle dich gut, Bill, mit den roten Herren, mit allen, mische dich
nicht in ihre Streitigkeiten, gehen uns nichts an. Wir sind friedliche Leute,
die ihrem Gewerbe nachgehen und ihre Hand nur erheben, wenn man ihnen nach Eigentum
und Leben steht. Habe verspielt, Sir, bin ein Dummkopf gewesen, ist alles verloren,
mein Werkzeug, meine Maultiere, der Erlös für meine Arbeit, ist ein
großes Kapital, werde auch noch den Schopf verlieren. Wird mein kluger
Vater sagen: 'Ist dir recht, Bill, habe dich gewarnt, hättest es mit den
roten Gentlemen nicht verderben sollen'."
Paul, den diese Worte des berechnenden Geschäftsmannes
heftig verdrossen, sagte: "Nun, Sir, sollten wir die Heimat wiedersehen,
so bin ich reich genug, euch alles, was ihr dadurch, daß ihr mir in der
Not beistandet, eingebüßt habt, zehnfach zu ersetzen."
"Hm, junges Hühnchen", entgegnete der Kentuckyer,
"sprecht ein großes Wort. Will euch was sagen, ist der Bill Stone
ein ehrlicher Mann, ein friedlicher Mann, Feind allem Streit, und ist in Verlust
gekommen ohne seine Schuld. Wenn ihr mir den einfachen Schaden ersetzen wollt
zu rechter Zeit, will ich's annehmen, bin Geschäftsmann, wißt ihr,
muß zu rechnen verstehen, lacht mich sonst der Alte aus, wenn ich heimkomme."
Paul mußte jetzt doch darüber lächeln, daß
der Kentuckyer in einem Augenblick, der ihrer aller Leben bedrohte, mit einem
naiven Egoismus an seine geschäftlichen Verluste dachte und die nahe tödliche
Gefahr gar nicht zu beachten schien. Er reichte ihm die Hand und sagte: "Ich
bin Paul Osborne, Eigentümer von Woodhouse bei Monmouth in Arkansas, und
verpflichte mich, dem Büchsenschmied William Stone aus Kentucky alle Verluste,
die er auf seiner Expedition zu den Kiowas erlitten hat, nach ihrem ganzen Umfange
zu ersetzen, sobald ich heimkomme."
"Läßt sich hören, Sir, ist geschäftsmännisches
Verfahren; sollt nicht mehr bezahlen, als die Sache kostet. Hätte es am
liebsten schriftlich, na, ihr seid ja Zeuge, Grauer Bär, könnt's beschwören,
wenn's nötig ist. Ist abgemacht, junger Herr, leistet vollen Schadenersatz."
"Na, Bill Stone aus Kentucky", sagte der Trapper
trocken, "kalkuliere, ist am richtigsten so, sichern uns zunächst
einmal unsre Skalpe, die nicht so fest sitzen, als es wünschenswert wäre."
"Sprecht wie's Evangelium, Sir, kommt aber erst in zweiter
Linie; diese Angelegenheit ist Geschäftssache. Geschäft, sagt mein
Vater, und das ist ein sehr kluger Mann, kommt immer zuerst, dann erst alles
andre. Das Geschäft ist abgemacht, Sir, mit Handschlag, Sir, was nebenher
läuft ist Nebensache."
Der Trapper lachte herzlich: "Seid ein wunderlicher
Geselle, Bill Stone, will hoffen, daß wir die Nebensachen ebenso leicht
erledigen als den geschäftlichen Teil." Mit diesen Worten erhob er
sich. Freilich wankte er noch etwas, denn der so lange gehemmte Blutlauf in
den Füßen war noch nicht ganz normal geworden.
"Hätte ich ein paar Tage länger so gelegen,
würden meine Füße mich wohl nimmermehr getragen haben. War Zeit.
Aber fühle, es halten die alten Knochen noch."
Er ging hin und her, und nach einigen Minuten fügten
sich Sehnen und Muskeln wieder der natürlichen Lage. Er warf einen Blick
zur Höhle hinaus; kein Indianer war zu gewahren.
"Denke, überlegen jetzt, was zunächst zu beginnen.
Also das Lager da unten ist leer?"
"Sind ausgerückt, Sir, die Kiowas."
"Und was glaubt ihr, daß zu thun sei?"
"Denke, Sir, gehen hinab, nehmen Pferde und reiten davon."
"Ja, mein guter Bursche, glaubt ihr denn, daß
diese Spitzbuben das nicht vorhergesehen und die Pferde bei Seite geschafft
haben? Kennen den Grauen Bären und wissen, daß er seine Doppelbüchse
in der Hand hat. Wieviel Schüsse habt ihr?"
"Vermute, wird dreißig und mehr geben."
"Gut. Paul kann die Büchse der Rothaut dort nehmen,
der Bursche wird wohl auch noch etwas Pulver und Kugeln haben."
Paul hob die Büchse des Mannes, eines alten narbigen
Kriegers, auf und nahm dessen Kugelbeutel und Pulverhorn an sich, auch das Messer,
welches er am Gürtel trug, nahm er ihm fort. Der von des Trappers Fäusten
halb erdrosselte Kiowa war wieder bei voller Besinnung und starrte die Gruppe
vor ihm mit vor Wut funkelnden Augen an.
"Ja, alter Bursche", sagte der Trapper zu ihm,
"es ist nicht gut, den Pranken des Grauen Bären zu nahe zu kommen.
Halte dich ruhig, dann geschieht dir nichts, werde dir nur im äußersten
Notfalle den Schädel einschlagen. Kinder", fuhr er, sich zu den jungen
Leuten wendend, fort, "hinab wollen wir gehen und uns die Gegend ansehen.
Kommt, Stone, teilen wir die Schüsse. Geht ihr voran, ich sichere von hier
aus euren Übergang, angesichts meiner Doppelbüchse wird keiner der
Roten wagen, auch nur seine Nasenspitze zu zeigen. Drüben nehmt ihr Deckung
und sichert so mein Hinüberkommen. Dann wollen wir weiter sehen."
Sie teilten die Munition; Paul lud die dem Indianer abgenommene Büchse,
und während sich der Trapper vor der Höhle hinter einem Felsstück
etwas umständlich, um gesehen zu werden, niederließ, stiegen Bill
und Paul hinab und kreuzten den Oshonta. Dort nahmen sie Stellungen ein, um
die Mündung des Hohlweges, der zum Lager führte, bestreichen zu können.
Hierauf ging der Trapper hinab und überschritt den Fluß. Vorsichtig
nahten sie dem Eingang und lugten hinein, nichts war vom Feinde zu gewahren.
Langsam, die gespannten Büchsen in den Händen,
schritten sie weiter, kein Indianer war zu schauen. Sie kamen in den Felsenkessel,
einsam lagen die Wigwams da. Vorwärts schleichend erreichten sie den Ausgang,
der zur Prairie führte. Weder innerhalb des Felsenkessels, noch hier in
der Prairie war ein Pferd zu schauen, auch die Maultiere waren fort. Aber vor
einem etwa eine Meile entfernten Gehölz sahen sie Pferde stehen, und gewahrten
dabei einige Indianer. Zugleich aber auch eine hoch aufsteigende dunkle Rauchsäule.
"Aha, sie rufen Krähenfeder zurück",
sagte der Trapper. "Was nun? Die Felsen dürfen wir im Tageslicht nicht
verlassen, könnte nichts uns retten, wenn die Roten zurückkommen.
Weiß auch nicht, ob diese Felsenwildnis nicht noch andre Eingänge
hat als diesen. Den Oshonta hinabgehen?"
"Stromab muß ein Wasserfall sein, Oheim."
"Stimmt, Knabe, habe sein Rauschen in stiller Nacht
deutlich gehört. Die Felsen drüben sind nicht zu übersteigen,
schroffe Wände. Müssen hier in die Prairie entwischen oder den Oshonta
stromauf oder stromab gehen. Können vor der Nacht nichts unternehmen, haben
Luchsaugen, die Roten. Möchte wissen, wo mein Goldjunge, mein Puck steckt?
Hoffe, dieser Sohn der Steppe schlägt den Roten ein Schnippchen, ist klüger
und gewandter als die alle."
"Rechnest du nicht auf die Cheyennes, Oheim?"
"Ja, Junge, Cayugas wird uns schon beispringen, wenn
er kann, ob aber sein Volk dem Kriege geneigt ist, dürfte zweifelhaft sein,
und nach allem, was du mir berichtet hast, kann auch den Kiowas jetzt nichts
an einem Kampfe mit den Cheyennes gelegen sein. Vermute, ist das Beste, ziehen
uns, wenn die Krieger zurückkehren, in meine Höhle zurück und
überlassen das Weitere der Nacht und dem Oshonta."
Mit scharfem Auge überflogen sie fortwährend die
Steppe, und Stone brauchte sein Glas zu gleichem Zweck. Die Indianer an dem
Gehölze veränderten ihre Stellung nicht, und die Rauchsäule stieg
vor wie nach empor.
Paul, dessen von Natur gutes Auge durch seinen Aufenthalt
in der Steppe geschärft war, erblickte zuerst in der Ferne heranjagende
Reiter, und das Glas Stones bestätigte seine Wahrnehmung. Auch die Kiowas
am Gehölz sahen die Reiter, wie aus ihrem Verhalten hervorging; einer von
ihnen jagte den Kommenden entgegen.
"Na, Jungens, dann auf den Rückzug."
Sie traten den Rückweg durch das Felsenlabyrinth an.
Am Flusse angekommen, warf Stone die dort noch aufgestellten Flinten bis auf
eine, die er an sich nahm, ins Wasser, alle drei schwammen hinüber und
kletterten zu der Höhle, welche dem Trapper als Gefängnis gedient
hatte, empor. Der Indianer lag, wie vorher, in seinen Banden. Seiner erprobten
Schlauheit und Erfahrung wegen war ihm die Bewachung des gefährlichen Gefangenen
anvertraut worden. Um nicht zu oft den Oshonta kreuzen zu müssen, hatten
die Kiowas einen Vorrat von Nahrungsmitteln und Trinkwasser in die Höhle
gebracht, was den jetzigen Inhabern zustatten kam. Zu ersteigen war der Fels
schwierig, und es konnte angesichts dreier sicherer Büchsen nur mit Opfern
von Menschenleben geschehen. Da der Eingang der Höhle von unten und sicher
auch von den gegenüberliegenden Felsen aus, wenn diese zu ersteigen waren,
bestrichen werden konnte, wälzte der Trapper einige Felsbrocken, welche
lose umherlagen, herbei, um ihn zu decken. Sie setzen sich nieder, um der Dinge
zu harren, die da kommen sollten. Der Graue Bär zeigte seinen gewöhnlichen
Gleichmut, und Paul schöpfte hieraus, wie aus der Hoffnungsfreudigkeit,
welche der Jugend eigen ist, Mut, die so gefährliche Lage, in welcher sie
sich befanden, kaltblütig hinzunehmen. Nur Stone sah verdrießlich
aus.
"Nun, mein braver Kentuckymann", sagte der Trapper,
"was umdüstert euch den Sinn? Seid nicht niedergeschlagen, war schon
in ärgerer Gefahr als jetzt, und hat mir Gott immer davongeholfen."
"Ach, es ist nicht das", entgegnete ihm Stone,
"was mir Sorgen macht, aber mir ist eingefallen, daß Paul Osborne
noch minderjährig ist und gar keine rechtliche Verpflichtung eingehen kann,
daß also der abgeschlossene Kontrakt wertlos ist."
Der Alte sah ihm einen Augenblick verdutzt in das frische,
jetzt grämlich dreinschauende Angesicht und brach dann in ein Lachen aus,
das den Felsen erbeben machte.
"Segne meine Seele, was seid ihr für ein Bursche,
Stone - hahaha, sein Geschäft macht ihm Sorgen - hahaha! Na, Junge, ich
habe fünf der besten Rosse, die je in der Prairie herumgelaufen sind, habe
einen Vorrat an Kattun, Glasperlen, Pulver, Kugeln, Thee, Rum, Kaffee, wollenen
Decken, mit dem ich drei Indianerstämme auskaufen kann, außerdem
noch vierunddreißig prächtige Büffelhäute, zwei Leopardenfelle
und noch manches andere, ich leiste mit meinem ganzen Vermögen Bürgschaft
für Paul Osborne."
Des Büchsenschmieds Gesicht erheiterte sich.
"Ist ein Wort, Sir?"
"Das ist's. Paul zahlt oder ich, hier die Hand drauf."
"Dann ist's recht - bin zufrieden, seid ein Ehrenmann.
Nun mögen die Roten kommen. Bin ein friedlicher Bursche, aber mein Skalp
ist mir ziemlich wertvoll, möchte ihn gern noch in Louisville zur Schau
tragen, ist ein Fakt."
Paul war von des Büchsenschmieds Sorge um ausreichenden
Ersatz für seine Verluste, die in solch grellem Gegensatz zu den Gefahren,
welche sie umdrängten, belustigt, gleich dem Trapper, und lachte auch.
Der gefangene Kiowa vermochte sein Erstaunen über diese Ausbrüche
der Heiterkeit in solch seltsamer Lage nicht ganz zu verbergen.
"Sage euch, Kinder", äußerte der Trapper,
"ist eine goldene Regel: Nimm's kaltblütig. Hat mich durch manche
Gefahren geleitet, hat mich hier unter der freundschaftlichen Bewachung des
alten Banditen dort", er deutete auf den Kiowa, "vor Verzweiflung
geschützt. Nehmt's kaltblütig, wie's auch kommt."
Ein Geräusch draußen erregte ihre Aufmerksamkeit.
Hinauslugend gewahrten sie, wie die Kiowas durch den Felsenpaß große
Steine vorwälzten, sorgsam sich gegen etwaige Schüsse vom gegenüberliegenden
Ufer deckend.
"Aha", sagte der Trapper, als er das sah, "sie
sind da, gleich wird der Tanz beginnen." Einige Schüsse von unten
zeigten, daß die Kiowas zum Angriff vorschritten. Die Kugeln prallten
wirkungslos vom Fels ab.
"Verschwendet euer Pulver nur", brummte Grizzly.
Er neigte, um besser sehen zu können, etwas das Haupt vor, doch gleich
darauf fuhr eine von unten abgeschossene Kugel durch seine Pelzmütze.
"Alle Wetter, Krähenfeder hat seine besten Schützen
da unten aufgestellt, er meint es ernstlich."
Der Donner von des Kentuckyers Büchse einte sich mit
dem Hall von drei, vier Gewehren, die zu nicht geringer Überraschung der
Belagerten von den gegenüberliegenden Felsen abgeschossen wurden. Die Kugeln
der auf der Höhe postierten Schützen schlugen dicht neben dem Eingange
ein. Aber schnell wie der Blitz riß der Trapper die Doppelbüchse
an die Wange, zweimal entlud sie sich, und zweimal ertönte ein Schmerzensschrei
von drüben. Auch der Kentuckyer hatte getroffen. Ein Verwundeter, der drüben
jäh emporgesprungen war, taumelte nach vorn und blieb dicht am Abgrund
liegen, sich mit den Händen an die wenigen dort vorhandenen Grashalme klammernd.
Ließ er diesen Halt fahren, stürzte er in beträchtliche Tiefe.
Emporzuklettern fehlte ihm augenscheinlich die Kraft. Mit Schaudern sah Paul
den Mann über dem Abgrund schweben.
Während der Trapper und Bill eilfertig luden, erschien
auf dem Felsen ein halbes Dutzend dunkler Köpfe, von Büchsenläufen
begleitet, und nur die vorgewälzten Felsstücke und die Vorsicht, mit
welcher sie sich hinter diesen hielten, schützten die Insassen der Höhle
vor Verderben.
"Schieß, Junge", rief der Alte.
Paul schoß, aber die in Aufregung abgeschossene Kugel
traf den Fels.
Mit einem Schrei, wie ihn nur die Todesangst auspreßt,
stürzte jetzt der verwundete Kiowa in den Abgrund.
Wieder krachten von gegenüber Schüsse, denen sich
solche, die unten abgefeuert waren, beigesellten. Wieder schossen Bill und der
Trapper, ob mit Erfolg war nicht zu erkennen. Einen Augenblick herrschte hierauf
Totenstille. Durch diese drang ein leises Geräusch zu des Trappers feinem
Ohr - er lugte hinab: "Jetzt gilt's, Kentuckyer, das Messer heraus, sie
stürmen!"
Bill und Paul sahen, sich vorneigend, zwanzig Kiowakrieger,
welche den Ohsonta herabgeschwommen waren, den Felspfad, der zu ihrer Festung
führte, heraufkommen. Die Gewehre der Weißen waren abgeschossen.
Von drüben und unten begann wieder das Feuer, das die Belagerten hinderte,
irgendeinen Teil ihres Körpers bloßzustellen, und die Stürmenden
drangen rasch näher.
"Na, kommt", sagte der Trapper und reckte die herkulischen
Arme, "ihr sollt rasch genug wieder hinuntergelangen."
Die stürmenden Krieger waren jetzt so weit emporgelangt,
daß die Kiowas unten es geraten hielten, ihr Feuer einzustellen.
Der Trapper, Bill und Paul, waren entschlossen, mit letzter
Kraft zu kämpfen.
Die Vordersten der Kiowas - sie konnten nur hintereinander
hinaufgelangen, so eng war der Pfad - zögerten einen Augenblick, dem so
gefürchteten Gegner entgegenzutreten.
Ein gellender Ruf Krähenfeders, der von unten heraufdrang,
trieb sie vorwärts.
Da krachte es von dem stromauf gegenüberliegenden Felsen
her zweimal, und die zwei vordersten Kiowas, welche dem Höhleneingang schon
sehr nahe gelangt waren, stürzten getroffen nieder. Alles wandte den Blick
nach der Stelle, von welcher das Feuer gekommen war. Noch einmal krachte es
dort, der Dritte in der Reihe der Kiowas brach zusammen. Da war kein Halt mehr,
in wilder Flucht, sich überstürzend, sprangen die Angreifer hinab
und verschwanden im Ohsonta.
Auf dem Felsen drüben aber tanzte eine wilde, groteske
Gestalt in wunderlichen Sprüngen umher, und die gewaltige Stimme Pucks
drang herüber: "Gieb's ihnen, Oheim, Puck ist da!"
"Hurra!" erklang des Trappers Stimme mit der Kraft
Stentors.
"Hurra!" wiederholten Paul und Bill.
"Puck, Herzensjunge, kamst zu rechter Zeit. Hurra!"
Auf die Kiowas mußte dieser Vorgang einen gewaltigen
Eindruck gemacht haben, denn sie waren lautlos verschwunden. Auch Puck war in
die Felsen hinabgetaucht. Erblickt hatten ihn, außer den Belagerten, nur
die diesen auf den Felsen gegenüber aufgestellten Krieger. Diese waren
durch Abgründe von Puck getrennt. So überraschend war das Eingreifen
Pucks in das Gefecht, so geheimnisvoll märchenhaft seine so toll auf dem
Felsen umherspringende, unförmliche Gestalt, daß keiner der Kiowas
zum Schusse sich aufraffte.
"Mein Junge, mein Goldjunge", sagte der Trapper
gerührt, "wußte ja, daß du kamst. - Ruht euch aus, Kinder",
wandte er sich an die jungen Leute, "glaube nicht, daß die Kiowas
heute zum zweitenmal angreifen. Hat ihnen mein Medizinmann gewaltigen Respekt
eingeflößt, halten ihn für einen Zauberer. Will hoffen, daß
der Junge dort einen geschützten Zufluchtsort hat. Prachtjunge, der Puck,
was, Paul?"
"Ja, Oheim, ein tapferer, edelmütiger Mensch."
"Segne meine Seele, ist der kleine Mann ein Schütze",
sagte Bill. "Schoß den Lasso durch, mit dem mich die blutigen Prairieräuber
schleifen wollten, und jetzt auf fast dreihundert Schritt drei Treffer. Segne
meine Seele, kann der Mann schießen. Vermag's ihm nicht nachzutun, ob
ich gleich mit der Rifle aufgewachsen bin."
"Ja, treu wie sein Herz, sind Auge und Hand; er schießt
nie fehl. Prachtjunge! Hat den sämtlichen luchsäugigen Kiowas Sand
in die Augen gestreut. Er ist schlau genug, sie alle an der Nase herumzuführen.
Gott schütze ihn." Nach einer Weile sagte der Trapper: "Daneben
übrigens kann eine kleine Mahlzeit nichts schaden, bin gerade im Frühstücken
gestört worden, als ihr kamt."
Ruhig, als ob draußen nicht mordlustige Wilde lauerten,
griff er zu den vorhandenen Nahrungsmitteln und speiste mit Appetit, und von
diesem Beispiel angeeifert, folgten ihm Paul und Bill darin. Doch vergaßen
sie nicht der Vorsicht; von Zeit zu Zeit schlich einer oder der andre zum Eingang
und spähte hinaus.
Als sie gegessen hatten, sagte der Büchsenschmied: "Wird
mein Vater sehr ungehalten sein, wenn er erfährt, daß ich mich auf
Krieg eingelassen habe, empfahl mir stets, sollte Frieden halten. Bin auch ganz
dafür, habe die Notion, ist das richtige."
"Bin eurer Meinung, Stone, wenn uns die Roten nur in
Frieden lassen wollten, wäre mir ganz recht. Habt euch aber wacker gehalten,
seid ein furchtloser Geselle."
"Kalkuliere, Sir, werde meinen Mann stehen. Sagte mein
Vater immer: 'Suche keinen Streit, Bill, geht's aber nicht anders, dann hau
auch wie ein Tiger hinein.' Ist ein kluger Mann, mein Vater."
"Was werden wir beginnen, Oheim?" fragte Paul.
"Hängt davon ab, was Puck vorhat, werden bald von
ihm hören, ist listig wie ein Fuchs."
Der Tag neigte sich, und Dunkelheit brach herein; nichts
hatte während dieser Stunden die Stille gestört, als ein schwach von
der Stelle, wo Puck erschienen war, herüberdringendes Geschrei und ein
Geräusch, wie wenn Steine herniederpolterten.
Die Nacht brach umso dunkler herein, als der Himmel umzogen
war.
Zur Überraschung der in der Höhle Befindlichen
flammte unten Feuerschein auf. Die Kiowas hatten Haufen von dürrem Gras
und Holz in der Nähe des Flusses angezündet.
"O", sagte der Trapper, "sie fürchten,
wir werden zu entkommen suchen oder einen Überfall machen."
"Wäre das letztere nicht übel, Grizzly",
meinte Bill, "kämen, glaube ich, leichter aus der Schlinge, als wenn
wir den blutigen Wasserfall hinunterrutschen."
"Ich denke, ihr seid ein friedfertiger Mann, Stone?"
"Hm, Sir, bin's, aber möchte gerne meinen Skalp
behalten."
"Kommen nicht durch, Junge, sind zu viele, zu viele
mit Büchsen da drüben."
"Könnten wir nicht die Flucht stromauf versuchen,
Oheim?"
"Wäre recht, Paul, aber kannst dich darauf verlassen,
daß der Strom besetzt ist."
Ein Blitz erhellte die Nacht und ferner Donner ließ
sich hören. Große Tropfen fielen hernieder, und bald ergoß
sich unter leuchtenden Wetterstrahlen und wiederhallenden Donnerschlägen
ein strömender Regen, der im Nu die Feuer der Kiowas verlöscht hatte.
Mit staunender Bewunderung sahen sie oftmals alles um sich
her in Feuerschein gehüllt, dessen Glanz selbst durch die herniedersausenden
Wassermassen nur wenig gedämpft ward, und gerade die vorübergehende
Beleuchtung des Regenstromes verlieh dem Blitz geheimnisvolle Wirkung. Ehrfurchtsvoll
schauten sie in das wilde Toben ringsum, lauschten sie der gewaltigen Stimme
des Himmels.
Als eben ein Blitz aufzuckte, erschien im Eingang eine Gestalt;
alle griffen zu den Waffen, ein scharfes Zischen ließ der Eindringling
hören, und "Halt! Es ist Puck!" schrie der Trapper.
Puck war es.
"Puck, mein Junge", sagte der Trapper, aber seine
Stimme bebte dabei von innerer Bewegung.
"Komm, Oheim, es ist Zeit", entgegnete Puck.
"Wie denn, Kind?"
"Den Strom hinab."
"Aber der Wasserfall?"
"Es sind nur Stromschnellen, der Fall ist weiter. Ich
habe ein Floß, und wir müssen fort, ehe der Regen nachläßt.
Die Kiowas sind wachsam."
"Dann voran, Puck, in Gottes Namen. Kommt."
"Der Gefangene, Oheim?" sagte Paul.
"Richtig, der Bursche könnte gefährlich werden."
Einen Augenblick hatte der Trapper die Absicht, ihm ein Messer ins Herz zu stoßen,
doch begnügte er sich damit, dem Gefangenen ein Stück seines Gewandes
abzureißen und ihm als Knebel zwischen die Zähne zu pressen. "So,
so kannst du wenigstens nicht zu früh Lärm machen."
Sie traten hinaus. Vom Himmel herab strömte nach wie
vor unendlicher Regen hernieder, der sich in Form von Sturzbächen seinen
Weg durch die Felsrinnen suchte. Ein Blitz, der das Dunkel für einen Augenblick
erhellte, zeigte ihnen den herabführenden Pfad, der zum Wasserfall geworden
war.
Vorsichtig tasteten sie hinab, mehrmals noch erleuchtete
ein Blitz ihren Weg und zeigte ihnen unten das Floß. Puck hatte mit einem
kleinen indianischen Tomahawk einige Korkeichen gefällt, einen Teil der
Äste und Zweige stehen lassen, diese ineinander verflochten und das Ganze
mit dem Lasso befestigt. Sie betraten das schwankende Fahrzeug, welches sie
mit Leichtigkeit trug; aufrechtstehende Äste boten ihnen einen Halt.
Als von neuem ein Blitz die Regenströme, welche alles
dicht umhüllten, mit rötlichem Lichte durchflutete, stieß Puck,
der vorne stand, mit einer langen Stange ab, und das gebrechliche Floß
sauste auf der bereits angeschwollenen Flut in die Dunkelheit hinein.
"Haltet euch fest!" rief Puck.
Der Trapper hatte sich niedergekauert, die andern standen.
Blitz auf Blitz zuckte jetzt auf. Das Gewitter hatte seinen
Höhepunkt erreicht, Donner auf Donner hallte an den Felsen wieder. Grauenhaft
war der Aufruhr der entfesselten Naturgewalten. Nur auf einige Schritte erlaubte
selbst der hellste Wetterstrahl umzuschauen. Unter ihnen rauschte dunkel das
Wasser. Es war eine furchtbare Fahrt, eine Fahrt in das Unbekannte, vielleicht
in die Unterwelt. Sich seiner langen Stange bedienend, hatte Puck das Floß
nach dem linken Ufer gedrängt. Jetzt vermischte sich das Brausen der Stromschnellen
mit dem des strömenden Regens. "Haltet fest!" schrie Puck.
Ein greller Blitz zeigte ihnen die Felsmauer dicht an ihrer
Linken gespensterhaft vorübersausen; mit rasender Schnelligkeit fuhr das
Floß hinab, und der nächste Wetterstrahl beleuchtete rings um die
Schiffer schäumende, sprudelnde, sich aufbäumende und überschlagende
Wellen, aus denen schwarze Felszacken emporragten. Wild wurde das schwankende
Fahrzeug umhergerissen, bald nach rechts, bald nach links, immer mit Pfeilgeschwindigkeit
zu Thal sausend. Aber das leichte Holz tanzte in dem sprudelnden Wasser gleich
einem Korke umher, die verflochtenen Zweige, der Lasso hielten die Stämme
zusammen; die Männer, obgleich oft von schäumenden Wellen überflutet,
klammerten sich mit aller Kraft an Balken und Zweige, und nach kurzer Frist
glitt das Fahrzeug, zwar immer noch rasch genug, aber doch auf einer gleichmäßigen
Strömung dahin.
Die Schnellen waren hinter ihnen, das Wasser war hier nicht
tief; vermittelst seiner Stange hielt Puck das Floß am Ufer und nach wenigen
Minuten brachte er es zum Stehen, indem er die Äste eines Baumes, welchen
ihm ein Blitz zeigte - der Regen hatte bedeutend nachgelassen - faßte
und mit Riesenkraft festhielt.
"Ans Land!"
Mit Hilfe der Äste des Baumes gelangten sie ans Ufer,
welches hier von Felsen frei war.
Puck löste, während er sich mit der Linken an den
Ästen hielt, mit der Rechten den Lasso von dem Baumstamme, betrat das Land
und ließ das Floß mit dem Strome forttreiben.
Durchnäßt bis auf das Äußerste, standen
die vier Männer in dunkler Nacht am Ufer des Oshonta.
"So", sagte Puck und lachte, "Medizinmann
seinen Oheim holen, Kiowa denken, er mit ihm fortfliegen; keine Spur machen."
"Muß gestehen", sagte der Kentuckyer, "war
'ne tolle Fahrt, kalkuliere, möchte sie niemals zum zweitenmal machen."
"Was nun, Puck?"
"Wir gehen dort ins Gehölz, Oheim, dort ist Pucks
Wigwam."
Er ging voran, es regnete nur noch wenig, und seltener erleuchteten
ferne Blitze die Nacht, doch in gerader Richtung führte Puck seine Gefährten
nach einem unfernen Gehölz. Sie betraten dasselbe und tasteten sich, immer
Pucks leisem Rufe folgend, vorwärts. Nach einigen hundert Schritten sahen
sie einen leichten Feuerschein durch die Büsche dämmern und standen
bald vor der Öffnung im Felsgestein, aus der Lichtschein kam.
"Eintreten", sagte Puck, "hier sind wir zunächst
sicher."
In einer Ecke glimmte noch Feuer; Holz, das daneben lag,
darauf geworfen, fachte es bald zur hellen, wärmenden Flamme an, was bei
den so durchnäßten Männern unendlich wohlthuend war. Schweigend
ließen alle eine Zeitlang die wohltuende Wärme auf sich wirken.
Es war eine seltsame, abenteuerliche Lage, in welcher diese
Menschen sich befanden, und wunderlich genug sah die Gruppe aus, die sich um
das lodernde Feuer gebildet hatte. Der verwachsene kleine Mann, dessen schöne,
große Augen mit einem Ausdruck unendlicher Liebe auf das Angesicht des
Trappers gerichtet waren, dieser selbst mit verworrenem Haupt- und Barthaar,
welches doch das edel geformte, männliche Antlitz nicht zu verunstalten
vermochte, der derbe, sorglose Kentuckyer, dessen Kleidung der Regen und das
Wasser des Ohsonta übel mitgespielt hatten, der schlanke Knabe mit dem
hübschen, offenen Antlitz - alle triefend von Nässe und beleuchtet
von rötlichem Feuerschein in wilder Felshöhle; es war ein wildromantisches
Bild, welches sich hier bot, des Pinsels eines Salvator Rosa würdig.
"Will der Oheim nicht Speise nehmen?" fragte Puck,
dessen Auge den alten Trapper nicht verließ.
"Her damit, Junge, wenn deine Burg etwas dergleichen
aufzuweisen hat."
Der Zwerg holte aus einer Ecke große Stücke Antilopenfleisch
und begann sie rasch zu rösten. Die angenehme Wärme, welche das lodernde
Feuer verbreitete und die Kleider trocknete, der Duft schmorenden Fleisches
riefen bald eine behaglichere Stimmung in den Flüchtlingen hervor.
"Nun, mein Puck", sagte der Trapper, "mein
Goldjunge, erzähle uns, was geschehen ist, seit Paul sich von dir trennte,
bis dahin weiß ich alles."
"Sieh, Oheim, da Cayugas sich nicht von der Stelle bewegen
durfte, bis seine Boten zurückkamen, und mein Herz voll Sorgen um dich
war, zog ich allein zum Ohsonta. Ich ritt des Nachts und verbarg mich am Tage
im Grase der Steppe oder in Gehölzen. Diesen Zufluchtsort hier entdeckte
mir der Zufall. Ich umschlich nachts die Felsen und erkletterte sie und wußte
bald, wo du gefangen lagst. Ich untersuchte im Tageslicht die Stromschnellen
und erkannte, daß sie zu passieren waren. Ich fällte oberhalb der
Felsen die Bäume mit Cayugas Tomahawk, machte das Floß, und trieb
mit ihm hinab. Von der Höhe der Felsen, die ich mit Hilfe meiner langen
Arme und des Lassos erkletterte, sah ich Stone und Paul bei dir, sah die Kiowas
den Strom abwärts gehen, den Fels erklettern und dich angreifen, und mischte
mich dann in den Kampf."
"Sehr zur rechten Zeit, kleiner Herr", warf Stone
ein, "kalkuliere, rösteten sonst unsre Skalpe an einem Kiowafeuer,
ohne dies."
"Nun, und dann kam ich und holte dich, Oheim; das Unwetter
hat uns der liebe Gott geschickt", fuhr Puck, ohne Stones Worte zu beachten,
fort, "es hüllte uns in Nacht ein, und machte die Feinde blind und
taub."
"Wußte ja, daß mein Junge kommen und den
Alten und Paul nicht sitzen lassen würde."
"Nein, Oheim, wenn du stirbst, sterbe ich mit",
sagte der Zwerg mit ergreifender Einfachheit.
Dem Alten wurde das Auge feucht, er räusperte sich etwas
gewaltsam, um seine Rührung zu verbergen, und sagte dann: "Aber wie
kamst du von dem Felsen herunter, nachdem dich die Kiowas entdeckt hatten?"
Puck lachte. "Ich war zwei Tage durch die Felsen gekrochen
und geklettert und kannte jeden Spalt und jede Höhle darin, die Kiowas
wußten von nichts, sie sind keine Freunde von Felspartien. Als ich geschossen
hatte und dadurch meine Anwesenheit verraten war, erstiegen bald einige von
ihnen, es mochten wohl zwanzig sein, von seiten der Prairie her die Felsen.
Ich hatte an verschiedenen Stellen Steine aufgehäuft und ließ diese,
als die Krieger hoch genug hinaufgelangt waren, hinabrollen. Dies brachte sie
mit dem Verluste einiger der Ihren zu raschem Rückzug. Ich ließ mich
dann am Lasso an Stellen herab, die nie ein Menschenfuß von unten erreichen
konnte, und verbarg mich, bis es Zeit war aufzubrechen, in den Felsspalten.
Den Kiowas, welche unten auf mich lauerten, mußte es scheinen, als habe
mich die Erde verschlungen. Als es dunkel war, holte ich mein gut verstecktes
Floß hervor und fuhr zu euch hinab. Gott hat geholfen."
"Segne meine Seele, seid ihr ein gewaltiger und schlauer
Krieger, Sir", äußerte in aufrichtiger Bewunderung der Büchsenmacher.
"Meine lieben Kinder", sagte der Trapper, und reichte
Puck und Paul die Hände, "und ihr, teurer Sir, wie soll ich euch für
eine Liebe danken, die euch in Todesgefahren trieb, um mir die Freiheit zurück
zu gewinnen."
Puck und Paul erwiderten den Händedruck des väterlichen
Freundes herzlich.
"Hm, Sir", äußerte Stone, "bin
ein Mann des Friedens, Sir, ist ein Fakt, hasse Streit, bringt nichts ein, bin
fürs Geschäft. Aber habt meines Vaters Sohn von den Prairiedieben
errettet, bleichten sonst längst meine Knochen auf weiter Ebene, konnte
nicht umhin, mußte euch auch heraushelfen. Klare Rechnung, Sir, ehrlich
Geschäft."
Der Trapper lächelte über des Kentuckyers Weise.
"Seid ein braver Geschäftsmann, Sir, bezahlt die Schulden mit Zinsen,
ist auch ein Fakt."
Sie langten dann wohlgemut zu dem Braten und sättigten
sich.
Als sie geendet, sagte Stone: "Unsre Büchsen sind
sämtlich durchnäßt, will darangehen, sie wieder schußfähig
zumachen." Und alsbald machte er sich mit einigem kleineren Werkzeug, welches
er stets in der Tasche führte, an die Arbeit. Puck hatte auch noch Pauls
Büchse mitgeführt und aus ihr den dritten Schuß auf den Fels
abgegeben, so daß sie reichlich bewaffnet waren.
"Also zunächst, Puck, sind wir hier sicher?"
fragte der Trapper.
"Denke so, Oheim. Die Roten können nicht wissen,
wo wir geblieben sind; daß wir die Stromschnellen hinabgegangen sein könnten,
ist für sie undenkbar, und alle Spuren hat der Regen verwischt. Ich habe
Thunder und Blitz hier, Oheim, sie stehen nebenan in der Höhle."
"Alle Wetter, Junge, das ist herrlich. Den Thunder?
Aber wie bekommen wir Pferde für Paul und Stone?"
"Ich werde sie von den Kiowas holen", meinte Puck
trocken.
"Traue dir's zu, Puck, bist der geborene Prairiekrieger
und Jäger, traue dir's zu."
"Werden auch noch von Cayugas zu hören bekommen,
Oheim, wird schon in der Prairie erscheinen."
"Sitzen wir auf flinken Rossen, Junge, die Büchsen
in der Hand, mag der ganze Stamm der Kiowas hinter uns herstürmen, wir
wollen ihnen die Zähne zeigen."
Er erhob sich und ging, von Puck geführt, in die nebenan
liegende Höhle, wo die beiden Pferde standen, und liebkoste die Tiere.
Der Zwerg hatte, für alles sorgend, trockenes Gras in
der Höhle aufgehäuft, und alle suchten nach ereignisreichem Tage den
Schlaf, Stone erst, nachdem er sämtliche Büchsen in brauchbaren Stand
versetzt hatte.