Siebtes Kapitel

Schon war die Sonne über dem Horizont erschienen, als Puck und der Trapper erwachten. Beide verließen alsbald die Höhle und schritten vorsichtig, die Büchsen in den Händen, hinaus nach dem Rande des Gehölzes, um von dort aus einen Blick in die Prairie zu werfen. Die Sonne strahlte vom heiteren Himmel hernieder, und nur das niedergebeugte Gras zeugte von den Regengüssen der vergangenen Nacht. Die scharfen und geübten Augen der beiden Männer überflogen die Steppe nach dem Ohsonta und den Felsen hin, doch einsam lag die Fläche vor ihnen da, als ob sie nie ein Menschenfuß betreten hätte. Sie gingen dann nach der andern Seite, doch auch hier gewahrte der Blick nichts, was auf die Anwesenheit der Kiowas schließen ließ.
    Zurück zur Höhle schreitend, trafen sie dort Stone und Paul bereits munter und ersteren beschäftigt, das Feuer anzufachen. Dies verbot aber sofort der Trapper.
    "Geht nicht, Sir, Feuer anzuzünden. Feuer giebt Rauch, den wir in der Höhle nicht zurückhalten können, und die Kiowas haben gute Augen. Werden sich wohl an diesem gesegneten Morgen scharf umsehen, wo der Grizzly und sein Medizinmann geblieben sind."
    "Nun, wenn ihr meint, alter Steppenbär, wollen wir das Frühstück kalt verzehren; wäre nicht das erste Mal, daß meines Vaters Sohn ohne heißen Thee das Tagewerk begann. Wie steht's denn draußen?"
    "Nichts zu sehen, weit und breit. Unsere Spuren werden sie vergeblich suchen, sind vom Regen total verwischt."
    Man sah nach den Pferden und fütterte sie, dann frühstückten die vier Höhlengenossen in gehobener Stimmung, da sie der so drohenden Gefahr des vergangenen Tages glücklich entronnen waren, unbesorgt um die nächste Zukunft.
    Auf des Trappers Rat ward dann beschlossen, sich nach vier Seiten hin am Rande des Gehölzes zu verteilen und für alle Fälle einen wachsamen Ausguck auf die Steppe zu halten. Er selbst wies den drei andern ihre Plätze an, verabredete Warnungszeichen mit ihnen und nahm selbst einen Wachposten ein.
    Der Tag, sonnenhell und heiter, nach dem nächtlichen Gewittersturme, verlief ruhig. Mehrmals wurden zwar Kiowas in der Steppe erblickt, einige, die sich auf das Lager zu bewegten, andre, die von diesem herkamen, doch niemand nahte sich dem Gehölze, welches die Flüchtigen barg, und kein Zeichen deutete darauf hin, daß man es beargwohne.
    Über die Art, wie die Flucht des Trappers ausgeführt worden war, mußten die Indianer gänzlich im unklaren sein. Der Trapper ging mehrmals zu den andern und ließ sich von ihren Wahrnehmungen Bericht erstatten. Doch niemand hatte Auffälliges bemerkt.
    Die Nacht brach herein, und alle vier sammelten sich in der Höhle.
    "Wäre es nicht doch besser, Puck", sagte sorgenvoll der Trapper, "wir nähmen unsre Pferde, Paul setze sich zu mir, Stone ritte mit dir, suchten den Arkansas zu gewinnen, kreuzten ihn entweder oder bauten uns ein Floß, um auf dem Strome hinabzugehen?"
    "Die Kiowas, Oheim, sind in starker Zahl in der Steppe und weit umher zerstreut, es ist undenkbar, daß sie uns nicht morgen erschauen sollten, oder unsre Spuren kreuzen und ihnen folgen. Sobald wir erreicht werden, sind wir verloren, denn zwei Reiter auf einem Pferderücken kommen nicht weit. Es bleibt nichts übrig, als uns alle beritten zu machen, darum will ich gehen, Pferde zu holen. Dann, hoffe ich, legen wir in der Nacht eine Strecke zurück, die uns aus dem Bereiche der Feinde bringt. Mit einzelnen, die uns noch aufstoßen, sprechen wir durch die Büchsen."
    "Ganz gut, Puck, aber ich fürchte Gefahr für dich, wenn du dich jetzt unter die Roten schleichst."
    "Gefahr, Oheim? Kennst du Puck so wenig? Ich beschleiche den Panther im Grase und sollte Gefahr von den Kiowas fürchten?"
    "Und ich gehe mit ihm, Oheim", sagte entschlossen Paul, "und teile seine Gefahr."
    Puck lächelte ihm zu.
    "Du hast zu wenig Erfahrung, Kind."
    "Paul sehr klug", sagte der Zwerg, "und gewandt gleich der Schlange. Müssen zwei gehen, zwei die Pferde reiten."
    "Dann will ich mit dir gehen, Puck."
    "Du bist zu groß, Oheim, und nicht mehr jung genug, um im Grase zu kriechen, und auch zu schwer für ein Indianerpferd. Laß Puck und Paul gehen, Puck ist vorsichtig."
    "Sehe, es muß gewagt werden", sagte ernst der Trapper, "nun, dann geht, Kinder, und Gott schütze euch."
    "Würde gern mit dem kleinen Herrn gehen", äußerte Stone, "verstehe mich aber nur wenig auf die Schliche der Rothäute, und mit meiner Reitkunst ist es auch nicht weit her. Wurde mit einem Maultier schon fertig, aber einen bockbeinigen Prairiemustang zu bändigen, das ist doch eine andre Sache."
    "Dank euch, Sir", sagte der Trapper, "meint es gut, Sir, aber muß es denn sein, so ist es besser, die jungen Leute gehen, sind gewandt wie Katzen und gloriose Reiter."
    Puck nahm seinen Lasso und statt der Büchse Bogen und Pfeil, die er mitgeführt hatte; auf seinen Rat ließ auch Paul die Büchse als unnütz und nur hinderlich zurück.
    Dann gingen die beiden jungen Leute. Der Trapper und Bill Stone begleiteten sie bis zum Rande des Gehölzes.
    "Hier warten wir dein, Puck", sagte Grizzly, "melde dich durch den Eulenruf an, wenn du zurückkommst, und ist Gefahr hinter dir, laß den Schrei des Adlers hören."
    "Gut, Oheim", entgegnete der Zwerg und schritt mit Paul in die Nacht hinein.
    Das Felsenlabyrinth, in welchem die Kiowas sich niedergelassen, war nur wenige Meilen von dem Gehölz entfernt, in welchem die Flüchtlinge Zuflucht gefunden hatten.
    Geräuschlos schritten Puck und Paul durch das hohe gras, mit scharfen Blicken die Nacht durchforschend, ob sie Gefahr berge.
    Der Zwerg hatte einen Pfeil bereit, um ihn, wenn es nötig sein sollte, sofort brauchen zu können.
    Er wußte von seinen nächtlichen Streifereien um das Lager der Feinde, daß ein Teil der Pferde in der Steppe gelassen wurde, angepflockt oder frei weidend. Er wußte auch, daß Wächter dabei waren, und der gestrige Kampf, wie die Kunde von den in der Prairie erschlagenen Kriegern konnte deren Wachsamkeit nur verschärft haben.
    Es hieß also den mit so geschärften Sinnen ausgerüsteten Indianern gegenüber mit der größten Vorsicht zu Werke zu gehen. Puck wählte für ihren Weg die tieferliegenden Stellen des leicht gewellten Bodens, und je mehr sie sich den Felsen näherten, umso vorsichtiger wurde der Gang. Gebückt, Schritt für Schritt, schlichen sie dahin, oftmals haltend und eifrig lauschend. Wolken waren am Himmel aufgezogen und verhüllten der Sterne Licht.
    Als sie auf der Höhe einer leichten Bodenerhebung angelangt waren, erblickten beide ein Feuer, um welches einige Kiowas lagerten.
    Nach kurzer Umschau begannen sie langsam vorwärts zu kriechen. Bald gewahrten sie in der Nähe des Feuers angepflockte Pferde, von denen mehrere zu Pucks Freude gesattelt und gezäumt waren. Langsam, langsam krochen sie näher. Sie hatten die Pferde, deren es wohl einige zwanzig sein mochten, zwischen sich und den Wächtern.
    Auf etwa fünfzig Schritt herangekommen, musterte Puck die Rosse, dann flüsterte er Paul ins Ohr: "Schleiche dich an den Braunen dort rechts, löse erst, wenn du mein Zischen hörst, den Lasso vom Pflock, dann aber hurtig in den Sattel und davon. Ich nehme den Fuchs dort drüben. Entdeckt man dich vorher, dann auf das nächste Pferd und in die Nacht hinein."
    Sie krochen jetzt zwischen die in mehr als zwei Lassolängen voneinander angepflockten Rosse. Die Wächter saßen schweigend an dem Feuer.
    Das erste Pferd, welchem Puck nahte, wich erschreckt vor ihm zurück, aber der Zwerg beruhigte es sofort durch einen Laut, mit welchem die Indianer ihre Tiere zu liebkosen pflegen. Einer von den Wächtern sah auf, als das Roß unruhig wurde, wendete sich aber dann wieder gleichgültig ab.
    Puck erhob sich etwas, als er in der Nähe des Tieres war, welches er sich ausersehen hatte, und sah nach dem Braunen hin, den Paul nehmen sollte. Der Jüngling war in dessen Nähe.
    Ganz unerwartet drang ein gellender Ruf, von dem Felseneingang her, in die Steppe hinaus. Er mußte den Wächtern gelten, denn diese sprangen auf und auf die Pferde zu. Jetzt that Eile not. Puck riß den Lasso, welcher den Fuchs festhielt, aus dem Boden und ließ, um Paul aufmerksam zu machen, daß der entscheidende Moment gekommen sei, ein leises Pfeifen hören. Zu seiner Freude gewahrte er ihn schon im Sattel, sich tief auf den Hals des Pferdes beugend. Er schwang sich sofort auf den Fuchs, sich ebenfalls tief nach vorn neigend. Das Licht, welches von dem Feuer in die Steppe hinausdrang, war zu schwach, als daß sie so gesehen werden konnten. Langsam ließ Puck sein Roß vorwärts gehen, sich fortwährend durch die andern Pferde vor den Blicken der nahenden Wächter deckend, und Paul ahmte ihm hierin nach. Bald aber waren sie beieinander und sprengten nun Galopp an. Die Wächter mußten wohl glauben, daß die Tiere sich losgerissen hatten und in Freiheitslust die Prairie suchten; sie lockten, pfiffen und liefen dann mit großer Geschwindigkeit den Davongaloppierenden nach. Puck wandte sein Pferd um, stieß mit ungestümer Kraft den Schlachtruf der Cheyennes aus und schnellte einen Pfeil ab. Diesen Ruf hörend, zugleich mit dem Zischen des Pfeiles, kehrten die Kiowas um und liefen mit einer Eile davon, welche Puck und Paul ein heiteres Lachen entlockte.
    "Jetzt ist es aber Zeit, Paul, jetzt müssen die Tiere den Raum verschlingen", und dahin sausten sie in vollem Rosseslauf, nach Osten zu. Der Schlachtruf der Cheyennes hatte die Kiowas derartig eingeschüchtert, daß sie mit der Verfolgung zögerten. Erst nach einigen Minuten, welche den Davonjagenden großen Vorsprung gewährten, sprengte eine Schar Kiowas ihnen nach. Nachdem die beiden Reiter eine genügende Strecke nach Osten zurückgelegt zu haben glaubten, wandten sie nach rechts um.
    Bald sahen sie das Gehölz vor sich auftauchen, und der Eulenschrei belehrte den besorgt harrenden Trapper, daß die kühnen Jünglinge glücklich mit der Beute zurückgelangt waren.
    Puck und Paul wurden von dem Alten und Bill beglückwünscht.
    Sie stiegen ab und zogen die Pferde ins Gebüsch.
    Lachend erzählte der Zwerg, wie er die Tiere der Kiowas erbeutet und die Krieger mit dem Schlachtruf der Cheyennes davongejagt habe.
    "Der Kiowa ist in der Steppe, Oheim. Er sucht uns im Osten, laß uns nach Süden reiten."
    "Recht, Junge, wollen uns davon machen."
    Blitz und Thunder wurden herbeigeführt; die Männer nahmen ihre Waffen, Bill Stone erhielt den Fuchs, der unter den gewaltigen Schenkeln Pucks sehr zahm geworden war, Paul behielt den von ihm erbeuteten Braunen.
    Puck und der Trapper bestiegen ihre Rosse, und unter des Zwerges Führung ritten sie in die Prairie hinaus, nach Süden zu.
    Schweigend galoppierten die vier Reiter in der dunklen Nacht einher.
    Von Zeit zu Zeit ließen sie ihre Tiere in Schritt fallen, um sie verschnaufen zu lassen.
    "Wie ist es herrlich, unter Gottes freiem Himmel, umweht von seinem Odem, durch die Steppe zu eilen, doppelt herrlich, wenn man, wie ich, lange Tage in einer dumpfen Höhle gelegen hat", sagte der Trapper, als sie eben langsam einherritten.
    "Vermute, befände mich wohler, wenn ich in den gesegneten Ansiedlungen wäre", brummte der Büchsenmacher, "statt auf dieser unverständigen Bestie in der Prairie umhergerüttelt zu werden. Ist Geschmacksache, Sir, wollte, hätte mein sanftes Maultier und ritte auf schattiger Landstraße einher."
    "Nun, Freund Stone", entgegnete ihm lächelnd der Trapper, "ich hoffe, ihr werdet bald wieder in der Heimat sein und euch dann mit Behagen eurer Strapazen und Abenteuer in der Steppe erinnern."
    "Habe die Notion, alter Herr, werde noch allerlei Abenteuer erleben, ehe die Steppe hinter mir liegt. Sollte mich wundern, wenn die roten Gentlemen uns nicht noch zu schaffen machten."
    "Nun, Bill Stone, seid zwar ein friedlicher Mann, wie ich weiß?"
    "Ist so, Sir."
    "Aber vermute, werdet euch nicht wehrlos abschlachten lassen."
    "Könnt euch darauf verlassen, Sir, ist mir meine Kopfhaut zu lieb, um sie nicht nach Kräften zu verteidigen. Wird mein alter Vater große Augen machen, wenn er erfährt, was ich hier mitgemacht habe, und daß ich sogar einen blutigen Wasserfall auf einem Balken hinabgefahren bin. Wollte, säße bei dem alten Mann, dürft's glauben, Sir."
    "Und sehnst du dich auch aus der Steppe und ihren Gefahren fort, Paul?"
    "Wenn ich aufrichtig sein soll, ja, Oheim; ich wünschte, wir wären alle in Sicherheit, und ich weilte am Arkansas unter der Veranda von Woodhouse. Abenteuer habe ich für dieses Leben genug gehabt."
    "Glaube dir's, Kind; ist wild hergegangen die Tage über, wild. Gab eine Zeit, wo auch ich mich nach dem Heimatherde sehnte, ist längst vorüber, möchte nicht mehr in die Ansiedlungen und Städten leben. Und mein Puck?"
    "Die Prairie ist Pucks Heimat und wird sein Grab. Nur, wenn der Oheim zu den Städten geht, geht Puck mit. Der Graue Bär kann nicht ohne Medizinmann sein."
    "Richtig, Junge, hat das Schicksal uns zusammengeworfen, und nur der Tod kann uns trennen."
    Niemand setzte das Gespräch fort, und bald ließen sie die Pferde wieder Galopp ansprengen.
    Sie hatten bereits eine gute Zahl von Meilen zurückgelegt, als endlich der im Osten sich leicht erhellende Horizont die Wiederkehr der Sonne andeutete. Die Pferde, und besonders Thunder, der die schwere Gestalt des Trappers zu tragen hatte, waren erschöpft.
    Als es lichter wurde, beschloß man, von dem anstrengenden Ritt auszuruhen, und schaute sich nach einer geeigneten Lagerstatt um. Ein glücklicher Zufall wollte, daß sie im grauen Dämmerlichte des Morgens in nicht großer Entfernung ein Gehölz vor sich erblickten, wie sie die Steppe nordwärts, nach dem Ohsonta zu, häufiger aufwies, während sie nach Süden hin immer seltener wurden. Auf dieses ritten sie zu.
    Das Wiehern eines Pferdes zur Linken ihres Weges machte sie plötzlich halten und zu den Waffen greifen. Gleich darauf erschien ein Pferd über dem Grase, dem die hochgewachsene Gestalt eines Mannes folgte.
    Trotz des Halblichts erkannten die Flüchtlinge sofort den Weißen in der so überraschend auftauchenden Gestalt.
    "Halloh, Fremder, was thut ihr hier?"
    "Könnte ich euch auch fragen", entgegnete der Mann trocken, "denke, die Prairie ist frei."
    "Halte die Büchse bereit, Puck", sagte der Trapper leise, "man kann nicht wissen, wen man vor sich hat, und ob er allein ist; ich will ihn näher besehen."
    Damit ritt er gemessen, die Büchse schußfertig, auf den Mann zu, der sein Herankommen, auf seine lange Rifle gelehnt, ruhig erwartete.
    Das Äußere des Fremden zeigte unverkennbar den Jäger des Westens. Der Mann war kräftig gebaut, und das gebräunte Gesicht, das ein kurz gehaltener dunkler Bart umgab, hatte etwas Zutrauen erweckendes.
    Sein Blick war nicht ohne einige Verwunderung auf das ungewöhnlich hohe Pferd und die herkulische Gestalt seines Reiters gerichtet.
    "Kalkuliere, Sir", sagte der Trapper, dem, als er herankam und den Mann näher ins Auge faßte, jede Besorgnis schwand, "kalkuliere, Sir, seid ein Westmann?"
    "Kalkuliert richtig, Grizzly", war die Antwort, und der Ton, in dem sie gegeben wurde, hatte etwas Achtungsvolles.
    "Kennt mich, Mann?"
    "Seh euch heut zum ersten Mal, aber weiß, daß nur einer in der Steppe auf solchem Pferde reitet. Erzählen die Jäger abends an den Feuern von euch und eurem Medizinmann. Seid bekannt in der Prairie, Grizzly."
    "Wundere mich, euch allein hier zu finden in der Öde, Mister -"
    "Sagt Sam Walker, Sir, werdet das richtige treffen."
    "O, Sir, freut mich, kenne euren Namen, freut mich, Sam Walker", und er reichte dem Jäger die Hand, die dieser ergriff und herzhaft schüttelte: "Seid allein?"
    "Bin allein auf dem Wege zum Canadian, wo ich meine Jagdgesellschaft treffen werde, wurde am Missouri aufgehalten, wollen am Canadian Büffel schießen, Sir."
    "Lenket den Kopf eures Pferdes zum Missouri zurück, Mann, ist der Teufel los in der Steppe."
    "Wie?" fragte Walker erstaunt, "sind die Roten aneinander?"
    "Sind, Mann. Haben eine blutige Frolic mit den Kiowas gehabt und sind auf der Flucht vor ihnen, die Roten sind an der ganzen Grenze in Bewegung."
    "Nun, by Jove", erwiderte ernst der Büffeljäger, "das sind schlimme Neuigkeiten, wußte man am Missouri nichts davon, als ich abritt."
    "Werden's dort früher erfahren, als ihnen lieb ist. Doch kommt, Mann, laßt uns die deckenden Büsche dort aufsuchen, ehe die Sonne aufgeht, die Roten haben scharfe Augen. Haben Ruhe nötig, sind die Nacht durch geritten."
    Die andern waren herangekommen, und Walker erschrak sichtlich, als er Pucks Gnomengestalt vor sich sah.
    Der Trapper bemerkte das und sagte: "Ist mein Sohn, Walker, mein lieber Puck."
    Walker bezwang sich und schüttelte dem Zwerg, der an den Eindruck, den seine Persönlichkeit machte, gewöhnt war, die Hand.
    Flüchtig stellte ihm Grizzly auch Bill und Paul vor.
    "Segne meine Seele", sagte der Büffeljäger dann, "hätte mir nicht träumen lassen, daß der Friede in der Steppe gebrochen sei."
    Er pflockte sein Pferd los, lud ihm den Mantelsack und die wollene Decke auf, die ihm als Lagerstatt gedient hatten, und schritt, es am Zügel führend, neben dem Trapper den Büschen zu, die sie bald erreichten.
    Paul und Bill folgten.
    Wie gewöhnlich in diesen Steppenoasen fanden sie auch hier bald einen Quell, dessen Wasser Mensch und Tier sehr willkommen war. Sie ließen die Pferde weiden und stärkten sich an den mitgeführten Nahrungsmitteln. Der Trapper gab dem Büffeljäger während des Mahles einen kurzen Abriß seiner jüngsten Abenteuer, ein Bericht, dem Walker mit hohem Erstaunen lauschte.
    "Hat euch Gott mir in den Weg geführt, Grizzly", sagte Walker, "wäre sonst den blutigen Schurken in die Fänge gelaufen. Gott steh uns bei, die Sioux auf dem Kriegspfade?"
    "Haben die Kiowas und Cheyennes näher auf dem Halse, als die Roten weiter im Norden. Müssen Wachen ausstellen, Puck, denn kreuzen die Kiowas unsre Spur, sind sie gleich Bluthunden hinter uns her. Die Hufe meines Thunder sagen ihnen deutlich genug, wen sie vor sich haben. Hoffe einzig, daß unsre Freunde, die Cheyennes, bald von sich hören lassen."
    "Gut, Oheim, ich werde Wache halten. Paul ist todmüde und ebenso der Büchsenschmied, und du mußt Ruhe haben nach dem langen Ritt."
    "Und du?"
    "Ich bin nicht müde."
    "Wenn euer Puck auf dieser Seite auf die Prairie schauen will, Grizzly", sagte Walker, "so will ich das Gleiche nach Osten hin thun. Ich bin ausgeruht, könnt ruhig schlafen, so lange Sam Walker wacht."
    "Ist recht, Mann, haben Ruhe nötig. Fühle doch, daß acht Tage gebunden in einer Höhle liegen die Körperkraft nicht stärkt. Seht nach Osten aus, Puck wacht hier. Will etwas schlafen, Junge, löse dich hernach ab. Kommt etwas Verdächtiges, laß den Eulenschrei hören."
    Walker nahm seine Büchse und ging an den östlichen Rand des Gehölzes.
    Der Trapper, Bill und Paul streckten sich im Grase aus und waren rasch entschlummert.
    Puck aber nahm seine Büchse, Bogen und Pfeil und ging zum Rande des Holzes, um auf ihrer Spur zurückzuschauen. Er erkletterte einen Baum, der ihm zwischen den Ästen einen erträglichen Sitz bot, hockte dort nieder und ließ den Blick über die Ebene schweifen.
    Dort saß der so mißgestaltete Jüngling, in dessen Körper eine Seele von seltener Reinheit und Schönheit wohnte, und schaute schweigend über seine Heimat, wie er die endlose Prairie nannte, hinweg. Für ihn gab es nichts auf dieser Welt als die Steppe, in der er, wenn auch nicht geboren, doch zu neuem physischen und vor allem zu geistigem Leben erwacht war, und den alten Trapper, dessen rauhe Zärtlichkeit ihn vom Beginn seines neuen Daseins fürsorgend umgeben hatte. Alles, was dieses Herz an Liebe hatte, konzentrierte sich auf den "Oheim", der ihm Vater und Mutter ersetzte. Er kannte ja nichts andres. Von seiner so unglücklichen Körpergestalt, besonders seinem häßlichen Gesicht, wußte er wenig, denn in der Einsamkeit der Wüste kam es ihm kaum zu Bewußtsein. Beides verursachte ihm keinen Kummer. Die Zuneigung des Trappers beeinträchtigte es nicht, und was war ihm an andern gelegen? Ja, er freute sich sogar, wenn Weiße, besonders aber, wenn Indianer vor seiner Erscheinung erschraken. Auch war er an diesen Eindruck seiner Persönlichkeit von Jugend auf gewöhnt. Pauls schöne Gestalt und hübsches Gesicht bewunderte er, ohne es zu beneiden. Auch liebte er den Jüngling und gönnte ihm die Gunst des Trappers, da sich Paul derer nicht lange erfreuen sollte, während er sonst wohl eifersüchtig gewesen wäre.
    Die Zuneigung Grizzlys wollte er mit niemand teilen.
    Der Ideenkreis Pucks war beschränkt. Der Trapper hatte ihn in unsrer Religion unterrichtet und ihm den festen Glauben an Gott und den Heiland gegeben. In der Bibel las Puck mit Andacht die heilige Geschichte. Vorstellungen von den Erscheinungen der Welt hatte ihm sein Pflegevater hervorzurufen gesucht, doch beim Mangel der Anschauung nicht mit Erfolg. Er hatte von der Welt außerhalb der Steppe seine eigenen Ansichten. Puck lebte ein Geistesleben für sich und war glücklich darin. Sorge kannte er so wenig wie Furcht. Der erste gewaltige Schmerz erschütterte seine Seele, als ihm sein Oheim geraubt worden war und in Todesnot schwebte. Doch das war überwunden, unter ihm im Dickicht schlief der alte Mann, bewacht von ihm, und Puck war glücklich.
    Seine Gedanken, während er auf dem hohen Wachtposten weilte, beschäftigten sich nur mit den Gefahren, die den Oheim bedrohen könnten, und unablässig durchmaß sein Auge, scharf gleich dem des Adlers, die weite Fläche vor ihm, die nur selten durch ein Gehölz unterbrochen wurde, ähnlich dem, in welchem sie Schutz gefunden hatten.
    Stundenlang saß er so unbeweglich, unermüdet in seiner Wachsamkeit.
    Da tauchte im Süden etwas auf, was seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Durch einen Eulenschrei lockte er rasch den Trapper herbei, dem Bill und Paul und gleich darauf Walker folgten.
    "Was giebt's, Junge?" fragte Grizzly leise.
    "Eine Rothaut kommt dort von Süden heran."
    "Nur eine?"
    "Sehe nur die eine."
    Grizzly und die andern erkletterten Bäume, da von unten der Wilde zunächst nicht zu sehen war. Von höherem Standpunkte erblickten sie ihn, wie er in leichtem Galopp einhersprengte.
    "Ist es ein Kiowa oder ein Cheyenne, Puck?" fragte der Trapper.
    "Kann es nicht erkennen."
    "Was thun wir, Puck? Er wird auf unsre Spur treffen."
    "Ich will nach ihm sehen, Oheim, und ihn fangen, wenn er ein Kiowa ist."
    Und mit großer Gewandtheit stieg Puck herab.
    "Wie willst du das anfangen, Kind?"
    "Ich schleiche mich an ihn; er ist ganz sorglos, und ist er ein Kiowa, hole ich ihn vom Pferde."
    "Gefährliche Sache."
    "Gefährlich? Für mich?" Puck lachte.
    "Geh, Junge, geh; bist ihm gewachsen, weiß es; geh, es ist wichtig, zu erfahren, ob wir Freund oder Feind vor uns haben. Geh, ehe er davonjagt."
    Puck nahm seinen Lasso, Bogen und Pfeil; die Büchse ließ er zurück.
    Zu Paul sagte er: "Sattle den Blitz und führ ihn hierher. Wenn du siehst, daß der Indianer davonjagt, reite im vollen Laufe auf mich zu und bringe mir das Pferd; haben müssen wir ihn, oder wir sind verraten."
    Paul gehorchte sofort, und Puck ging an den Rand des Gehölzes, warf sich dort nieder und kroch hinaus, lief dann mit großer Schnelligkeit, gedeckt durch eine leichte Erdwelle vor dem Auge des noch entfernten Indianers, nach der Stelle zu, wo der Fremde ihre Spur treffen mußte, und entschwand den Blicken der aufgeregt Nachschauenden. Paul war auf dem gesattelten Blitz erschienen.
    Jetzt wurde den mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Prairie Hinausschauenden der Indianer sichtbar. Sorglos, wie es schien, sprengte er in leichtem Galopp dahin. Von Puck war nichts zu gewahren.
    Je mehr sich der Indianer der Stelle näherte, wo Puck liegen mußte, desto größer wurde die Aufregung der Zuschauer.
    Der Wilde hielt sein Roß an und schaute zur Erde nieder, er war an der Stelle angelangt, wo sein Weg die Spur der Flüchtlinge kreuzte. Obgleich es zu weit für einen Schuß war, hob der Trapper unwillkürlich seine Büchse.
    Aller Augen waren mit fieberhafter Spannung auf den roten Krieger gerichtet.
    Jetzt - jählings verschwand der Mann vom Pferde im Grase; nur das Pferd allein war noch sichtbar.
    "Er hat ihn", jubelte der Trapper - "der Goldjunge! Hinaus, Paul, hilf ihm, aber halte die Büchse bereit."
    Und hinaus jagte der Jüngling auf dem Blitz.
    "By Jove!" sagte Walker, "ist der Bursche ein Prairiekrieger."
    "'s ist ein Mann, der kleine Gentleman", lachte Bill Stone, "kenne ihn, 's ist ein richtiger Medizinmann."
    In wenigen Minuten hatte Paul, die gespannte Büchse in der Hand die Stelle erreicht, wo der Indianer verschwunden war.
    "Puck!" rief er.
    "Hier, Junge", hallte es zurück, und der Zwerg erhob sich aus dem Grase. "Komm."
    Paul ritt hin und sah vor sich auf dem Boden den mit dem Lasso fest umschnürten Indianer.
    "Ihn fangen", lachte der Zwerg, "er dumm; junger Krieger, denken nicht, daß der Medizinmann in der Steppe."
    Mit einer bewundernswerten Geschicklichkeit hatte sich Puck im Grase verborgen, gerade da, wo sie nach dem Gehölz umgebogen waren. Als der Indianer, wie er vorausgesehen, der neuen Richtung nachschaute und ihm, haltend, den Rücken kehrte, flog sein unfehlbarer Lasso aus und brachte den Wilden zu Boden. Ehe der, so jählings überrascht und unsanft die Erde berührend, auch nur ein Glied rühren konnte, lag Puck auf ihm und schnürte ihm Arme und Beine mit dem Lasso zusammen.
    Stumm und verstört lag der noch junge Wilde vor Paul da, und mit unverkennbarer Angst weilten seine dunklen Augen auf Puck.
    "Steig ab, Paul, und setze dich zu ihm mit der Büchse, wir müssen das Pferd haben, das darf nicht in der Steppe bleiben."
    Paul sprang vom Rücken seines Tieres, und Puck schwang sich hinauf.
    Des Indianers Pferd hatte sich nicht weit entfernt, und als Puck, den Lasso schwingend, darauf zuritt, blieb es dieser ihm bekannten und gefürchteten Bewegung gegenüber stehen, so daß er es am Zügel ergreifen und rasch zu dem Gefangenen zurückbringen konnte.
    "Richte den Gefangenen auf, Paul."
    Dieser that so; Puck ergriff den Gebundenen und zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft quer vor sich auf den Sattel.
    "Besteige sein Pferd, und dann rasch zurück zum Oheim; es ist nicht gut, lange in der Steppe zu weilen."
    Beide sprengten dann auf das Gehölz zu, wo Puck inmitten der staunenden Männer seinen Gefangenen vom Pferde gleiten ließ.
    "Hallo, kleiner Herr", sagte Bill Stone, war ein gewaltig Ding, das ihr vollbracht habt, ist ein Fakt."
    "Hätte ich es nicht mit Augen gesehen, nimmer würde ich es geglaubt haben", versetzte Walker mit ganz unverhohlener Bewunderung.
    Der Alte nickte und reichte dem Zwerge die Hand. "Gut gemacht, Puck."
    Da strahlten dessen Augen freudig auf.
    "Nun wollen wir doch sehen, wen wir da haben", und die Augen richteten sich auf den Gefangenen, dessen Blicke von einem der Anwesenden zum andern wanderten. Der Indianer war ein Jüngling von vielleicht zwanzig Jahren, gekleidet nach der Weise seiner Stammesverwandten. Doch trug er die Skalplocke, zum Zeichen, daß er auf dem Kriegspfade sei.
    "Was denkt ihr, Walker, welchem Stamm der Mann angehört?"
    "Möchte meinen, 's wär ein Kaw, Grizzly", entgegnete dieser, der den Gefangenen aufmerksam betrachtet hatte.
    "Sagt die Wahrheit, ist's nicht so, Puck?"
    "Ist ein Kaw auf dem Kriegspfade."
    "Nun, mein Junge, wo kommst du denn her?" redete ihn der Trapper in der Mundart der Cheyennes an.
    Der Indianer gab keine Antwort, seine Blicke waren mit dem Ausdruck der Furcht auf Puck geheftet.
    "O, der Kawkrieger will nicht antworten", fuhr der Alte fort. "Gut. Puck, häng ihn auf!" Eines der grimmigsten Gesichter schneidend, nahte sich ihm der Zwerg und griff nach seinem Nacken.
    Trotz seines Stoicismus zuckte der Indianer zusammen, wandte dann sein Auge auf den Trapper und sagte: "Schneeflocke will reden, nimm den Medizinmann fort."
    "Oho", lachte der Trapper, "Schneeflocke möchte nicht gern Skalp und Schädel auf einmal verlieren; nun gut, möge er mir meine Fragen beantworten. Also Schneeflocke, welchem Volke gehörst du an?"
    "Schneeflocke ist ein Kaw."
    "Gut, und was thust du mit der Kriegslocke in der Steppe, haben die Kaws den Tomahawk ausgegraben?"
    "Die Kaws haben Krieg."
    "Mit wem?"
    "Mit den Yengees."
    "Ach so, und ihr seid auf dem Wege, euch mit den Kiowas und Dakotas am Ohsonta zu vereinen?"
    Mit merkbarem Erstaunen sah der junge Krieger ihn an, ohne indessen zu antworten.
    "Gut, ich weiß das. habt ihr den Cheyennes auch den blutigen Pfeil geschickt?"
    "Die Cheyennes sind Hunde."
    "Natürlich, natürlich. Es geht nichts über landsmannschaftliche Gefühle. Wie groß ist die Zahl der Kawkrieger?"
    Der Indianer zögerte mit der Antwort.
    "Der Gefangene möge sprechen, und zwar die Wahrheit, der Medizinmann liest in seinem Herzen."
    "Dreihundert Krieger reiten in der Prairie."
    "Gut. Wo sind sie?"
    "Sie kommen von Süden her."
    "Hast du etwas von den Cheyennes gesehen?"
    "Sie sind nach Osten entflohen."
    "Hm, Hm! Na meinetwegen, werden schon von sich hören lassen. Wie kommt denn der junge Kaw allein hier in die Steppe?"
    "Schneeflocke war als Späher ausgesandt."
    "So. Na da haben sie ja gerade den Gescheitesten geschickt."
    Der Trapper hatte von dem Gefangenen erfahren, was er erkunden wollte; von Wert war es ihm, zu wissen, daß die Kaws von Süden herankamen und die Cheyennes im Osten standen.
    "Der junge Krieger hat die Wahrheit berichtet, es ist gut. Wir sind nicht Gegner der Kaws, aber wir wissen nicht, wie sie über uns denken, und müssen Schneeflocke deshalb gefangen halten. Es wird ihm nichts geschehen, wenn er sich ruhig verhält.
    Man fesselte den jungen Mann und ließ ihn sich in die Büsche legen.
    "Jetzt, Puck, mein Junge, legst du dich schlafen, ich und Sam Walker wollen Wache halten. Du, Paul, giebst ein wenig auf den Gefangenen acht." Puck suchte sich ein Ruheplätzchen, während die beiden Prairiejäger sich zu einem Rundgang durch das Gehölz anschickten.