Zwölftes Kapitel

Die Nacht hatte in ihren dichten Schleier das Gehölz eingehüllt, welches den Trapper und seine Freunde barg. Der Himmel war mit Wolken bedeckt, kein Stern schaute freundlich hernieder, und dunkel und geheimnisvoll lag die Steppe da. Schweigend lauschten die Männer, die Büchsen in der Hand, in die Prairie hinaus, und ihre Augen suchten die Finsternis zu durchdringen.
    Der Trapper stand mit Wild und Walker zusammen.
    "Was denkt ihr, was zu thun sei, Grizzly?"
    "Ist nur eine Möglichkeit, Männer, unsre Skalpe zu behalten, müssen im rechten Augenblick davonreiten. Den Platz gegen dreihundert Mann zu halten, ist unmöglich. Sie schleichen in der Dunkelheit heran und stechen uns mit ihren Messern nieder."
    "Sie greifen selten in der Dunkelheit an, Grizzly", sagte Walker.
    "Weiß, glauben, daß der, welcher bei Nacht fällt, auch im Jenseits von ewiger Nacht umgeben ist. Aber was thut ihr, wenn sie heranschleichen und Salve auf Salve aus gedeckter Stellung in die Büsche feuern und dabei uns durch ihre schleichenden Helden am Boden suchen lassen? Sind zu viel der Hunde, brauchen uns nur die Pferde lahm zu schießen, und wir sind rettungslos in ihrer Hand."
    "Habt recht, Grizzly", äußerte Nathan, "bin für den Ritt; die Nacht deckt uns wie jene."
    "Werden uns schon dicht genug umstellt haben", ließ sich Walker wieder vernehmen, "glaube an keinen Erfolg."
    "Müssen's versuchen, Walker, wollen aber vorher meinen Medizinmann hören; ist schlauer als der schlaueste Indianer."
    Er ließ ein scharfes Zischen hören, und alsbald drängte sich Puck durch die Büsche.
    "Was giebt's, Oheim?"
    "Was denkst du, Puck, wie entkommen wir?"
    "Wir reiten, Oheim."
    "Gut, aber wann und wie?"
    "Ich schleiche hinaus und scheuche ihre Pferde davon, dann reiten wir."
    "Kind, jetzt zwischen die Hunde da draußen gehen, ist ein Todesgang", sagte ernst und traurig der Trapper.
    "Gott wird mich schützen, Oheim, Gott und meine Mutter, die Prairie."
    Nach einer Weile fuhr der alte Mann fort: "Es mag sein, ich sehe keine andre Rettung. Versuche es, Puck, sei vorsichtig und Gott sei mit dir."
    Puck war aus den Büschen auf die Prairie getreten, hatte sich am Boden niedergekauert und legte zuweilen sein Ohr an die Erde, dann erhob er sich wieder und suchte mit seinen Adleraugen die Nacht zu durchdringen. Der ununterbrochene Verkehr mit der Natur hatte seine Sinne außerordentlich geschärft.
    Plötzlich horchte er hoch auf und griff zur Büchse, angestrengt lauschend. Ein leises Zischen, das Zischen der Klapperschlange, traf sein Ohr; Puck zuckte jäh überrascht zusammen, ahmte aber dann das leise lockende Pfeifen des Prairiehundes nach, und gedämpft klang darauf sein Name durch die Nacht.
    Ebenso leise flüsterte Puck freudig erregt: "Hier, Cayugas", und aus dem Grase erhob sich, schattenhaft nur wahrnehmbar, eine schlanke Gestalt und war mit eiligem Schritt dicht bei Puck.
    "Willkommen, Häuptling", sagte der Zwerg freudigen Tones, "ich wußte, daß du uns nicht verlassen würdest."
    "Wo ist der Graue Bär?"
    "Er ist hier, Cayugas; wir haben ihn befreit."
    "Es ist gut, der Medizinmann ist ein großer Krieger."
    "Aber, wie hast du uns aufgefunden, Cayugas?"
    "Ich habe Schneeflocke, den jungen Kaw, gefangen; er zittert noch vor dem fremden Medizinmann und sagte mir, wo sich die Weißen befänden. Er hat die Wahrheit gesagt und soll seinen Skalp behalten."
    "Rüsten sich die Kaws zum Angriff?"
    "Sie sind Prairiehasen und verstecken sich; doch führe mich zum Grauen Bären."
    "Komm", sagte Puck, und vorsichtig schlichen sie durch die Büsche.
    Sie trafen den Trapper auf der Wache auf der andern Seite des Gehölzes. Er stieß einen Ruf des Erstaunens aus, als er Cayugas erkannte.
    "Alle Wetter, Junge, Cayugas, wo kommst du her?"
    "Ich suchte in der Prairie nach dem Grauen Bären."
    "Nun, es freut mich, daß du uns nicht vergessen hast."
    "Nicht vergessen; Freund nie vergessen."
    "Wie steht es draußen?"
    "Die Kaws wissen nicht, was sie thun sollen."
    "Ja, sie haben gefühlt, daß Grizzly und sein Medizinmann hier weilen, und wagen sich nicht heran. Hast du ihre Stellung erkundet, Cayugas?"
    "Sie weilen in kleinen Trupps ringsum; die Häuptlinge sind im Süden versammelt."
    "Bist du allein oder hast du Krieger bei dir?"
    "Ich habe nur dreißig Mann bei mir, sie liegen nach Osten in der Steppe."
    "Und wo ist dein Vater?"
    "Er weilt mit allen Cheyennes am oberen Verdigris."
    "Und ihr habt Krieg?"
    "Das Beil ist ausgegraben; die Kiowas haben das Blut der Cheyennes vergossen."
    "Wo sind die Kiowas?"
    "Ich suche sie, um der Dunklen Wolke sagen zu können, wo sie reiten."
    "Gut, mein junger Freund. Was rätst du uns nun zu thun?"
    "Der Graue Bär möge die Nacht benützen und mit seinen Freunden zu den Cheyennes reiten."
    "Ganz meine Meinung."
    "Wie ist der Große Bär den Kiowas entkommen?"
    Der Trapper gab ihm einen kurzen Bericht seiner Befreiung.
    Ein Ausruf der Bewunderung entfuhr dem jungen Krieger, als der Heldenthaten Pucks gedacht wurde.
    "O Medizinmann, großer Krieger. Und die junge Tanne auch gefochten?"
    "Auch Paul hat sich als Mann gezeigt."
    "Sagtest du nicht, daß die Blutige Hand und der Geier ihn in die Steppe geführt haben?"
    "Ja, so sagte ich", antwortete der Trapper, überrascht von der Frage.
    "Und die Weißen nennen den Knaben Osborne?"
    "Ganz recht, wie kommst du darauf?"
    "Du wirst es erfahren."
    Cayugas hielt es noch nicht an der Zeit, um die Gefangennahme der Banditen zu berichten, und der Trapper wußte, daß es vergeblich sein, einen Indianer nach etwas zu fragen, was er verschweigen will.
    "Also augenblicklich siehst du keine Gefahr für uns?"
    "Die Kaws werden nicht eher angreifen, bis die Sterne zu erbleichen beginnen", sagte zuversichtlich der junge Cheyenne.
    "Wo hast du dein Pferd?"
    "Es liegt in der Prairie."
    Der Trapper ließ jetzt durch Puck alle seine Gefährten zusammenrufen. Erstaunt blickten die, welche von der Anwesenheit des Cheyenne noch nichts wußten, den Indianer.
    Paul reichte erfreut Cayugas die Hand: "So, hast du uns doch nicht verlassen, o, das ist schön."
    "Segne meine Seele", rief der Kentuckyer, "das ist ja unser rothäutiger Freund mit den Skalpen. Willkommen, Sir, freut mich, euer ehrliches Angesicht zu sehen."
    Auch er schüttelte dem Cheyenne die Hand.
    Cayugas wandte sein Auge auf Brown, die Arkansasmänner und nickte dann Nathan Wild zu.
    "O, der Cowboy ist da, es ist gut, er ist Freund der Cheyennes."
    "Ja, junger Häuptling, haben immer gute Freundschaft mit euch gehalten, ist am besten so, wollen sie auch ferner halten!" und auch er schüttelte Cayugas die Hand.
    "Sind Pferde für alle da?"
    Die Frage wurde bejaht.
    Puck, welcher neben Cayugas stand, sagte zu ihm: "Weißt du, Cayugas, wir wollen den Panther spielen, um uns den Weg freizumachen."
    In des Cheyenne Gesicht erschien ein Lächeln: "O, gut, Puck großer Panther, gut."
    Er wußte, wie täuschend der Zwerg mit seiner gewaltigen Stimme das Gebrüll des Panthers nachahmen konnte.
    Im Scherze hatten sie auf ihren früheren gemeinschaftlichen Jagden oft Mensch und Tier damit erschreckt.
    Es ward nun beschlossen, die Pferde an das östliche Ende des Gehölzes zu führen, damit von da aus, sobald der Indianer und Puck zurück wären, die Flucht ausgeführt werden könne.
    Cayugas hatte seine Waffen bis auf das Messer abgelegt, ein gleiches hatte Puck gethan, der freilich für die Büchse den Bogen genommen hatte, und beide traten in die Prairie hinaus.
    Vorsichtig schlichen sie nach Süden zu, wo der Haupttrupp der Kaws stand.
    Es war so dunkel, daß sie sich nur auf kurze Entfernung erblicken konnten.
    Schon hatten sie eine gute Strecke zurückgelegt, ohne etwas vom Feinde zu gewahren, und lauschten angestrengt, um die Stellung der Feinde zu ermitteln, als unerwartet unweit von ihnen eine Stimme laut wurde. Beide sanken lautlos ins Gras nieder.
    In der Sprache der Kaws, die mit dem Cheyennedialekt genügend verwandt ist, um von den Lauschern verstanden zu werden, klang es zu ihnen her: "Wir müssen die Skalpe der weißen Hunde haben oder diese selbst, es ist Blut der Kaws geflossen. Wenn die Sterne bleich werden, greifen wir an."
    "Aber Krähenfeder erwartet uns, Häuptling, und leicht kann es sein, die Cheyennes jagen ihn nach Norden zurück, wenn wir nicht da sind, ihm zu helfen, und dann stehen wir allein zwischen Arkansas und Verdigris."
    "Wir reiten erst, wenn es Tag ist, nach dem blutigen Grunde und können die Kiowas noch am Abend erreichen. Die Cheyennes sind weit, sie fürchten sich, ihre Skalplocken zu zeigen."
    "Aber die Dunkle Wolke ist ein erfahrener und kluger Krieger, und die Jengeese haben ihm viel Büchsen und Pulver gegeben."
    "Die Cheyennes sind mit Blindheit geschlagen, sie glauben uns in ihrem Rücken, südwärts des Verdigris, und wagen sich nicht von dessen Ufer fort. Sie können nicht denken, daß wir durch die Einöde über den Arkansas gekommen sind. Wir reiten erst, wenn die Sonne hell scheint und wir der Weißen Skalpe haben."
    Die Redenden, die nur undeutlich den im Grase Verborgenen sichtbar geworden waren, entfernten sich.
    Cayugas und Puck setzten dann ihren Weg mit noch größerer Vorsicht fort.
    Ein leises Pferdegewieher traft ihr Ohr, jetzt wußten sie, wo die Rosse der Kaws, wahrscheinlich aber auch die Krieger, weilten.
    Bald trafen sie auf einige Indianer, die sich im Grase ausgestreckt hatten, und nur die größte Vorsicht verhinderte es, mit ihnen in Berührung zu kommen.
    Deutlicher hörten sie jetzt das Schnauben und Stampfen der Pferde. Sie machten einen Bogen, um den Tieren sich zu nahen, welche, wie aus dem Geräusch zu schließen war, auf einem Haufen stehen mußten.
    Nach kurzer Zeit erreichten sie sie und erkannten bald, daß die Pferde nur zusammengekoppelt waren, wohl um sie zu augenblicklichem Gebrauch bereit zu haben.
    Sie krochen auf etwa zehn Schritte heran und überzeugten sich, daß keine Krieger in der Nähe waren.
    Ein dumpfes Knurren klang aus dem Grase hervor, die Tiere zitterten - dann erschütterte das furchtbare Gebrüll des zornigen Panthers die Luft.
    Mit unwiderstehlicher Gewalt rissen sich die von Todesangst erfaßten Tiere voneinander los und jagten in wilden Sprüngen davon, in die Nacht hinein. Die Indianer sprangen empor, schrien durcheinander, und viele liefen den Tieren nach, ihnen pfeifend und lockend, doch unaufhaltsam jagte die Herde davon.
    Cayugas und Puck waren sofort nach dem so gelungenen Pantherschrei in großer Eile zurückgekrochen und suchten nun in demselben Bogen, in dem sie gekommen waren, auf die andre Seite des Lagers zu gelangen.
    Deutlich vernahmen sie die befehlende Stimme des Häuptlings, die sie schon vorher gehört hatten: "Das war kein Panther, sucht im Grase nach, ein Feind ist herangeschlichen." Doch die Dunkelheit war so undurchdringlich, daß alles Suchen vergeblich war. Zweimal kamen streifende Kaws in ihre Nähe, doch wenn diese sie bemerkten, wurden sie wohl für Gefährten gehalten.
    Puck und Cayugas hielten die Messer in den Händen, um jeden, der sie bedrohte, niederzustechen. Doch da das Panthergebrüll von der dem Gehölz entgegengesetzten Seite gekommen war, suchte man die Feinde dort und nicht in der Richtung, die sie wirklich eingeschlagen hatten.
    Immer ferner tönte der Galopp der geängstigten Tiere.
    Als sie weit genug von dem Lagerplatz entfernt waren, begannen beide nach dem Gehölze zu laufen, welches sie in einigen Minuten erreichten.
    Mit ängstlicher Spannung hatte man dort auf den Erfolg der mit so viel Gefahr verbundenen Expedition gelauscht und mit Freuden das Davonjagen der Tiere vernommen.
    Sie standen alle neben den gesattelten Pferden.
    Vorsichtig führte man diese in die Prairie. Puck und Bill halfen dem verwundeten Trapper, der seinen Schmerz in der Schulter tapfer verbiß, in den Sattel des Thunder; alle bestiegen die Rosse.
    Da die nächste Gefahr von den Reiterhaufe zu fürchten war, welche nordwärts des Gehölzes standen, richtete man nach dieser Seite alle Aufmerksamkeit.
    Man ließ die Pferde im Schritt gehen. Cayugas ging voran, und hinter ihm ritt Puck auf dem Blitz. Paul ritt neben Brown, um im Notfall dem alten, wenn auch noch sehr rüstigen Manne beistehen zu können.
    Doppelte Wachsamkeit war nötig, da die zu ihrer Linken weilenden Kawscharen gewiß durch das Davonjagen der Pferde aus dem Hauptlager aufmerksam und mißtrauisch geworden waren.
    Das Gehölz war schon lange nicht mehr zu gewahren, und vorsichtig ließen sie ihre Tiere langsam weiterschreiten.
    Keiner sprach ein Wort, alle lauschten nur und suchten mit ihren Blicken die Dunkelheit zu durchdringen.
    Schattenhaft, mit unhörbaren Schritten ging der Indianer voran, trotz der Finsternis in gerader Linie. Sein feines Ohr vernahm, daß Reiter ihnen entgegen kamen. Leise gebot er Halt, und alle nahmen die Waffen zur Hand.
    Cayugas begab sich an Pucks Seite.
    Ein Trupp der Feinde sprengte auf ihrer Linken in einiger Entfernung vorbei. Schon glaubten sie unbemerkt geblieben zu sein, als ein einzelner Reiter, der der Schar folgte, in größter Nähe an den Flüchtlingen vorüberkam und die Haltenden gewahrte. Allen war auf das Strengste eingeschärft worden, das tiefste Schweigen zu bewahren, und erst Feuer zu geben, wenn Cayugas oder Grizzly es gebieten würden. Puck hielt seinen Bogen bereit.
    Der einzelne Indianer rief ihnen etwas zu und sprengte heran.
    "Schieß, Puck!" flüsterte der Cheyenne. Die Sehne knarrte, als der Mann auf zehn Schritt heran war, und der Pfeil fuhr ihm tief in die Brust. Er stieß einen gellenden Schrei aus.
    Mit einem Satze war Cayugas auf der Kruppe von Pucks Pferde, und rief, sich an dem Zwerge haltend; "Reiten!"
    Im Galopp sprengten alle davon, der Blitz, welcher die zwei Reiter gut trug, voran.
    Ringsum wurden Rufe laut, dann ward wildes Einhersprengen von Reiterscharen zu hören, doch die Dunkelheit war so undurchdringlich, daß nur das Ohr die Feinde wahrnahm, die zur Freude der Flüchtlinge sich in ihrem Rücken befanden.
    Ein gellender Kommandoruf hallte durch die Nacht, und augenblicklich verstummte das Geräusch galoppierender Pferde. Es war klar, die Kaws wollten sich durchs Ohr überzeugen, wo die so überraschend in ihrer Mitte aufgetauchten Gegner ritten.
    "Halten", rief Cayugas, und alle zügelten ihre Rosse.
    Ein Augenblick tiefer Stille lagerte auf der weiten Prairie.
    Wiederum wußten die Kaws nicht, wo sie ihre Feinde zu suchen hatten.
    Das Schweigen wurde durch einige laute Rufe unterbrochen, und der Hufschlag galoppierender Pferde ließ sich von neuem, von rechts und links her vernehmen.
    "Reiten", klang des Cheyennes Stimme wieder, und vorwärts jagte die kleine Kavalkade im vollsten Rosseslauf, wie bisher von Cayugas in gerader Richtung geführt.
    Von Zeit zu Zeit ließ der junge Häuptling ein leises, doch durchdringendes Pfeifen hören.
    Endlich antwortete diesem ein freudiges Wiehern.
    "Ha, mein Pferd", sagte Cayugas, gebot Halt und sprang vom Blitz herunter.
    Gleich darauf erschien er hoch zu Roß, die lange Lanze in der Hand, neben Puck. Sein wohlgeschultes Pferd hatte geduldig des Herrn geharrt.
    Während des durch den Cheyenne veranlaßten Haltes hatten alle aufmerksam gelauscht. Es wurde ihnen durch das Geräusch, welches die einhergaloppierenden Rosse der Gegner verursachten, klar, daß die Kaws sich zusammengzogen hatten und jetzt sämtlich auf ihrer rechten Seite ritten, und zwar in nicht zu großer Entfernung.
    Zu sehen waren sie nicht.
    Das Ziel der Verfolger lag im Osten, und die gleiche Richtung hielten auch die Verfolgten augenblicklich inne. Der Gedanke lag nahe, für kurze Zeit die Richtung nach Norden zu nehmen, doch Cayugas lehnte einen solchen Vorschlag mit der Begründung ab, sie ritten dann den Kiowas entgegen und könnten leicht zwischen zwei Feuer kommen. Auch drohte dann die Gefahr, daß ihnen der Weg nach Osten ganz verlegt würde.
    So beschloß man, in der bisherigen Richtung weiter zu reiten. Sie galoppierten dahin, während zu ihrer Seite in unbekannter Entfernung die Kaws sich bewegten, die etwas voraus sein mußten.
    Einige Meilen mochten sie in schneller Gangart zurückgelegt haben, immer ein klein wenig nach links abhaltend, als unerwartet die Kaws dicht an ihrer Rechten hörbar wurden. Sie mußten nach Norden umgelenkt haben, um ihre Gegner dort zu suchen.
    Als die Verfolgten dies erkannten, leider nicht früh genug, um der Bewegung ausweichen zu können, waren Grizzly und der Cheyenne entschlossen zu kämpfen. Rasch verständigten sie sich darüber und gleichzeitig, daß sie den Schlachtruf der Cheyennes beim Zusammentreffen hören lassen wollten. Man hielt die Pferde an und von Mund zu Mund lief das Wort: "Feuern, sobald der Ruf ertönt".
    Die Kaws sausten in großer Eile heran. Die Flüchtlinge wurden gesehen.
    "Wer reitet da?" rief eine laute Stimme in der Sprache der Kaws zu ihnen herüber.
    "Feuer!" rief Grizzly. Alle schossen, und mit ungestümer Kraft stießen Cayugas, Puck und der Trapper den Kriegsruf der Cheyennes aus.
    Der so ganz unerwartete Angriff mußte die Kaws aufs tiefste erschrecken, umsomehr, als sie nicht wissen konnten, wie stark die Zahl der Angreifer war.
    Die Indianer jagten in Eile zurück.
    "Schnell geladen!" rief der Trapper, und man beeilte sich, dem Rufe zu folgen.
    Drüben blitzten jetzt Büchsen auf, aber vergeblich war es, in dieser Nacht ein Ziel, welches nicht ganz nahe war, zu nehmen, die Kugeln zischten vorüber.
    "Reiten!" rief Cayugas, und die Pferde wurden angetrieben.
    Die Gefahr nahte aber jetzt von rechts in ernsthafter Gestalt, denn der Hufschlag einer starken Rosseszahl, die ihm schnellsten Laufe herankam, erschütterte den Boden. Die Kaws hatten den ersten Schreck überwunden und jagten zum Angriff vor.
    Es wäre nutzlos gewesen, auf eine geschlossen heranbrausende Reitermasse, welche nicht mehr durch ein unerwartetes Feuer zu überraschen und einzuschüchtern war, einzelne Schüsse abzugeben. Sobald sie erreicht wurden, war das Verderben der Flüchtlinge unabwendbar, wie wurden ohne weiteres überritten.
    "Nach links!" rief der Trapper mit Stentorstimme.
    Ehe aber die Pferde herumgerissen waren, klang Hufschlag vernehmbar auch von Osten her; jeder sah sein letztes Stündlein nahen.
    Wildes Geschrei erhoben die Kaws, dem Cayugas herausfordernd mit dem Schlachtruf der Cheyennes antwortete und seinen Namen hinzu setzte: "Hier Cayugas, der Springer!"
    Ein gellender Jubelruf, der aus der von Osten herankommenden Schar hervorklang, und der darauffolgende Kriegsschrei der Cheyennes belehrten die Flüchtlinge, daß es die Krieger des jungen Häuptlings waren, die ihnen entgegenjagten.
    "Hierher!" schrie Cayugas, "reitet die Hunde nieder", und mit einigen Sätzen seines Pferdes war er an ihrer Spitze.
    Hell erklang der Schlachtschrei der Cheyennes, den Puck, der Trapper, die Arkansasmänner und Paul, mit aller Kraft einstimmend, verstärkten.
    Dies, und besonders der Name des Sohnes der Dunklen Wolke, machten die Kaws doch stutzig, und sie hielten. Die Flüchtlinge hatten sich bereits mit den Kriegern Cayugas vereinigt und machten die Waffen zum Schießen fertig.
    Stille herrschte nach den wilden Kriegsrufen; hie und drüben lauschte man angestrengt nach dem Gegner hin. Leise befahl Cayugas der Hälfte seiner Leute, im Schritt eine Strecke nach Süden zu reiten und von da von neuem den Kriegsruf zu erheben.
    Ein Teil der Cheyennes bog ab, während die andern alle langsam nach Osten ritten.
    Die Kaws ließen nichts von sich hören. Von Süden her klang plötzlich Schlachtgeschrei, und die Feinde, welche aus der Anwesenheit des jungen Häuptlings, des Sohnes der Dunklen Wolke, auf eine starke Anzahl von Kriegern schließen und befürchten mochten, umringt zu werden, jagten, wie der Hufschlag der Rosse lehrte, nach Westen davon.
    Erst als er aus weiter Entfernung klang, forderte der junge Häuptling zur Fortsetzung des Rittes auf. In leichtem Galopp sprengten sie dahin. Auch die abgesandten Cheyennes hatten sich wieder angeschlossen.
    Der Himmel war in den letzten Minuten etwas lichter geworden, und im Osten waren die Sterne zu erblicken.
    Nachdem sie schweigend eine große Strecke zurückgelegt hatten, ließen unsre Freunde die Pferde im Schritt gehen.
    "Diesmal sind wir davongekommen, Junge", sagte Puck vergnügt zu dem neben ihm reitenden Paul.
    "Ja, Gott sei geprießen", entgegnete dieser aus dankbarem Herzen.
    Alle fühlten in dieser Freude, daß sie der Gefahr entronnen, daß sie gerettet waren.
    "Ich muß euch gestehen, Grizzly", sagte Bill Stone, "ich habe dieses Fechten, Schießen, Hauen und Stechen und vor allem das Gebrüll der blutigen Wilden satt."
    "Seid ein friedlicher Mann, Bill, weiß schon."
    "Ist ein Fakt, Sir. Macht kein Spaß, dieses Herumbalgen mit den Roten. Wollte, ich wäre zu Hause geblieben, ist mein ganzes Geschäft mit den Gentlemen der Prairie verdorben. Wird mein Alter scheel sehen."
    "Nun, Bill Stone, wollen dem Alten einen Brief schreiben, wollen ihm erzählen, wäret ein äußerst friedlicher Bursche, der nur dreinhieb, wenn's ihm ans Leben ging, dann aber auch wie ein alter Kentuckyer."
    "Ist recht, Sir, wird den alten Mann beruhigen, meint sonst, ich hätte Streit gesucht."
    "Kommen wir glücklich zur Heimat, Bill Stone", nahm Paul das Wort, "sollt ihr euch über geschäftliche Verluste nicht beklagen, ich werde euch andre Erwerbsquellen erschließen."
    "Ist mir recht, junger Herr, werde mich wohl in der Steppe nicht mehr sehen lassen dürfen."
    Sie ritten langsam weiter, Puck um seinen verwundeten Oheim beschäftigt, dem der Ritt nicht wenig Schmerzen verursachte, und Paul um den alten Brown.
    Sie bewegten sich in wechselndem Tempo nach Osten fort, bis die Sterne zu erbleichen begannen, dann ordnete Cayugas Rast an, und alle verließen die Sättel.
    Puck, der Trapper, Brown und Paul ließen sich zusammen nieder, an Schlafen dachte keiner, zu nahe war doch die Gefahr an ihnen vorübergegangen.
    Immer heller wurde es im Osten, die ersten rötlichen Lichter zuckten dort empor und spiegelten sich wieder in Millionen Tautropfen, welche an den Gräsern hingen. Der ganze Horizont, den leichter Nebeldunst einhüllte, erglühte in Feuer, und einer riesigen Kugel gleich erhob sich der Sonnenball über dem Rande der Prairie. Mit Bewunderung und innerer Andacht wohnten alle diesem erhabenen Schauspiel bei.
    Höher stieg die Sonne, und eine Flut von Licht erfüllte die weite Ebene.
    Der unermüdliche Cayugas stand schon auf einer Erhöhung und ließ sein scharfes Auge in der Runde schweifen, doch nichts gewahrte er, was die Sicherheit der Reisenden hätte gefährden können. Die Steppe war leer, so weit sein Blick reichte.
    Da die Pferde weiden mußten und der Ruhe bedurften - auch die Reiter hatten sie nötig - wurde an Aufbruch noch nicht gedacht.
    "Wo reiten wir hin, Cayugas?" fragte ihn Grizzly, als der Häuptling zurückkam.
    "Wir müssen nach Osten reiten, bis wir die Späher der Cheyennes treffen, die Dunkle Wolke weiß, von wo Cayugas kommt."
    "Es ist gut, mein wackerer Junge, du hast dich als großer Krieger und guter Freund gezeigt, dir danken wir die Rettung aus dringender Gefahr; Grizzly wird das nie vergessen."
    Dankend neigte der junge Indianer das Haupt.
    Der alte Trapper versank in Nachdenken. Dann und wann richtete er einen Blick auf Brown, den die anstrengenden Parforceritte sehr angegriffen hatten.
    Endlich ließ er sich vernehmen: "Ihr habt mir gestern von Edward Osborne gesprochen, Mister Brown."
    "O ja, Sir, o ja", entgegnete dieser lebhaft.
    "Es geht mir durch den Sinn, als ob man den Mann beschuldigt hätte, aus Rache seines Bruders Heimwesen angezündet zu haben?"
    "So ist es, Sir, doch hat sein Bruder John es nie geglaubt, und ich", setzte der finster hinzu, "weiß, wer der Brandstifter war, wer den Verdacht auf Edward lenkte."
    Der Trapper nickte befriedigt, wie es schien.
    "Endlich wird das Maß überlaufen", setzte er mit tiefer Stimme hinzu.
    Paul hatte mit Teilnahme diesen Reden gelauscht und sagte jetzt: "Mein lieber Vater hing mit großer Zärtlichkeit an meinem Oheim Edward."
    Liebevoll nahm ihn der alte Trapper in den Arm und sagte leise: "Weiß es, bist sein Ebenbild, Kind."
    Überrascht sah Paul in sein so gutes Gesicht.
    Doch Grizzly beachtete es nicht, seine Gedanken weilten in weiter Ferne.
    Nach und nach hatte doch Müdigkeit auch die andern überwältigt, auch Brown hatte sich zur Ruhe ausgestreckt, nur der Trapper saß noch aufrecht und ließ die Bilder vergangener Tage an sich vorüberziehen.
    Als die Sonne schon ziemlich hoch stand, gab Cayugas das Zeichen zum Aufbruch. Die Schlafenden wurden geweckt, und bald saß alles zu Pferde und ritt in nordöstlicher Richtung weiter, Cayugas hatte weit voraus Späher geschickt, um vor jeder Überraschung sicher zu sein.
    Es war ein heller, sonniger Tag, und alle waren nach der überstandenen Gefahr in gehobener, freudiger Stimmung.
    Paul und Puck sangen, da sie sich ganz sicher wußten, zum Entzücken aller Hörer, selbst der Indianer, zweistimmig das herrliche Lied: Home, sweet home (Heimat, süße Heimat), welches sie so oft an den Wassern des Arkansas an stillen Sommerabenden gesungen hatten. Alle bewunderten Pucks herrliche Stimme.
    "Du, Puck, und der Oheim, ihr kommt zu mir nach Woodhouse und lebt bei mir", sagte Paul.
    Lachend entgegnete der Zwerg in seiner schwerfälligen Weise, welche doch so vollständig verschwand, sobald er sang:
    "Wenn der Oheim geht, gehe ich natürlich mit, Paul, wo er geht, da gehe auch ich. Aber es ist nicht gut, ich darf meine Mutter, die Prairie, nicht verlassen, es wäre undankbar, sie hat mich lieb -"
    "Nun, wir werden sehen, Puck."
    In der heitersten Laune ritten alle dahin, jede Furcht vor Gefahr war verschwunden.
    Der Trapper war in einer weichen Stimmung und unterhielt sich oft mit Brown.
    Bei diesem aber kam, als nach überstandenen Gefahren Ruhe in die Seele eingekehrt war, die ganze Freude über die so glückliche, so wunderbare Rettung Pauls zum Ausbruch.
    "Er ist ein gutes Kind, Mister Grizzly, er war seines Vaters Liebling, ist der meinige, und unsre Schwarzen ließen sich sämtlich für ihn totschlagen; Gott muß ihn auch lieb haben, sonst hätte er euch nicht zur Rettung herbeigerufen."
    "Ja, Brown, er ist ein guter Junge, und ich wünsche von Herzen, daß in ihm das Geschlecht der Osbornes neu emporblüht."
    "Und gedenkt ihr nicht", fragte dann Brown zögernd, "nach der Heimat - nach dem zivilisierten Leben zurückzukehren, Sir?"
    "Nein, Brown, ich bin glücklich hier und will hier leben, bis mir mein Medizinmann, der Sohn meines Herzens, die Augen zudrückt."
    Bill Stone war in ausgelassener Laune und beteuerte wiederholt, der Grizzly, der kleine Herr, und Master Paul seien die gentilsten Burschen, die ihm je vorgekommen seien; "ist'n Fakt", setzte er hinzu.
    Bis gegen Mittag hatte die Reise in vergnüglicher Weise gedauert, als der am weitesten vorgeschobene Reiter Zeichen mit der Lanze machte.
    "Oh", sagte Cayugas, "die Cheyennes sind dort", und in beschleunigter Gangart bewegten sie sich vorwärts, um nach einer Stunde angestrengten Reitens die Cheyennes, welche in der Prairie lagerten, zu erreichen. Cayugas suchte sofort seinen Vater auf und gab ihm Bericht über das, was er gesehen, erlebt und gehört hatte.
    Ernst hörte der alte Häuptling zu, und sagte nur: "Im Blutigen Grunde sammeln sie sich? Gut. - Die Dunkle Wolke ist mit Cayugas zufrieden."
    Ein Lächeln freudigen Stolzes zog bei diesem Lobspruch über des Jünglings Gesicht.
    Die Weißen, welche langsam nachgeritten kamen, erschienen vor dem obersten Häuptling der Cheyennes.
    "Mein alter Freund Grizzly ist willkommen", sagte dieser und reichte dem Trapper die Rechte.
    "Weiß das, Dark Cloud; sind alte Freunde. Darfst auf den jungen Häuptling der Cheyennes stolz sein, ist ein tapferer und edler Junge."
    Trotz der würdevollen Selbstbeherrschung des Häuptlings zeigte sich hierbei doch in seinem Auge ein freudiges Aufleuchten. Er begrüßte dann Puck und ließ sich die Begleiter des Trappers vorstellen. Freundlich weilte sein Auge auf Paul, von dessen Schicksal er durch Cayugas unterrichtet worden war, und äußerte: "Es ist gut, daß die Junge Tanne den Wölfen der Prairie entkommen ist."
    Alle hieß er darauf willkommen an den Feuern der Cheyennes.
    Cayugas erfuhr hier von dem Unterführer der von ihm in die Steppe geführten Abteilung, welche sich den Kiowas glücklich entzogen und dem Häuptling wieder angeschlossen hatte, wie er die Gefangenen habe ihrem Schicksal überlassen müssen. Mit Bedauern hatte das schon der Anführer der Grenzreiter, der so eifrig nach den Banditen spähte, hören müssen.
    Walpole suchte, als er von der Ankunft der Weißen erfuhr, diese auf und begrüßte den ihm wohlbekannten Trapper herzlich und wünschte ihm Glück zu seiner Rettung. Ein großes Interesse hatte für ihn auch Paul Osborne, den er nach allem fragte, was seine Gefangennahme anging. Höchlichst erstaunt aber war er über die ihm vertraulich gemachten Mitteilungen Browns.
    "Nun", sagte der Beamte endlich, "am besten wäre es, die Kiowas hätten die Schufte niedergemacht, sparten dem Henker die Stricke. Also Mister James Osborne vom Arkansas? Wunderbar."
    Brown bat ihm, nichts von diesem vor Pauls Ohren verlauten zu lassen, und der Beamte versprach das.
    Unsre Freunde ließen sich am Feuer nieder und wurden von den Cheyennes gastfreundlich bewirtet.
    Deren Häuptlinge aber traten zusammen, vernahmen die Nachrichten, welche Cayugas mitgebracht hatte, und hielten Kriegsrat.
    Von den Kaws hatten sie in ihrem Rücken jetzt nichts mehr zu fürchten, aber der Frontangriff drohte von den vereinigten Stämmen, und es galt, diesen zurückzuweisen, in einer Stellung, welche den Übergang über den Verdigris deckte; die Dörfer der Cheyennes mußten geschützt werden vor feindlichem Überfall.
    Als Resultat der Beratung machten die Cheyennes noch am selben Abend eine Bewegung nach vorwärts und lagerten an einer Reihe niedriger Hügel, deren Gipfel sie sofort mit Schützen besetzten, während weit vorgesandte Reiter vor Überraschung durch den Feind sicherten.