Dreizehntes Kapitel

Nach ruhig in tiefem Schlafe vollbrachter Nacht erwachten der Trapper und seine Freunde neugestärkt im Sonnenscheine. Grizzlys Wunde schmerzte weniger, und auch das Fieber hatte nachgelassen. Puck hatte sich mehrmals in der Nacht leise erhoben und nach seinem Oheim gesehen, ihn zugedeckt mit der wollenen Decke, um ihn vor der Nachtluft zu schützen, und sich erst wieder hingelegt, wenn ihn dessen gleichmäßiges Atmen überzeugte, daß er ruhig schlief.
    Die Cheyennes waren sämtlich munter und hielten ihre Pferde bereit. Einige von ihnen brachten den Weißen gebratenes Büffelfleisch, das allen trefflich mundete.
    Cayugas nahte, in Begleitung des Konstablers, der mit seinen Leuten unweit gelagert hatte, wandte sich an den Trapper und sagte: "Die Kiowas werden die Cheyennes angreifen; wollen die weißen Freunde mit uns fechten?"
    "Was meine Doppelbüchse nützen kann, Junge, soll euch zu teil werden, zu Pferde kann ich nicht kämpfen."
    "Es ist gut, der Graue Bär ist ein gewaltiger Schütze, seine Büchse wird zu thun bekommen. Und der Medizinmann?"
    "Wenn des Oheims Büchse knallt, Cayugas, das weißt du wohl, läßt meine sich auch hören."
    "Will euch was sagen, werter Sir", ließ Bill Stone sich vernehmen, "wißt wohl, bin ein friedlicher Mann, habe nichts mit Streit zu thun, kommt mir aber einer von den Schuften der Kiowas zu nahe, soll er sich in acht nehmen, sage weiter nichts."
    Auch die Arkansasmänner erklärten sich bereit, sich am Gefecht zu beteiligen, sobald es nötig wäre.
    Walpole sagte: "Ich habe Dark Cloud schon meine Unterstützung zugesagt, wenn er angegriffen wird."
    "Die Weißen sind große Schützen", äußerste Cayugas, "sie sollen die Kiowas vor die Büchse bekommen. Die Dunkle Wolke läßt die weißen Freunde bitten, hinter diesem Hügel sich versteckt zu halten, und wenn die Feinde nahen, zu schießen."
    "Gut", sagte der Trapper, "ich verstehe, so soll es sein; locke sie hierher, Cayugas, und sie werden zwanzig der besten Büchsen knallen hören, welche je in der Prairie von den Händen tapferer Leute geführt wurden."
    Cayugas entfernte sich.
    "Ihr werdet etwas zu sehen bekommen", wandte sich Grizzly an seine Begleiter. "Dark Cloud ist der größte Reiterführer der Steppe, und diese Roten sind die besten Reiter der Welt."
    Sie begaben sich sämtlich auf den Rücken des Hügels vor ihnen und blickten von dort hinab. Die Cheyennekrieger hatten zum größeren Teile die Hügelkette überschritten und hielten in einzelnen Trupps vor dieser in der Ebene. Ein Drittel ihrer Streitmacht blieb als Reserve hinter den Erdanschwellungen, welche von dünnem Buschwerk gekrönt waren, zurück. In der Mitte, auf deren höchstem Punkte, hielt Dark Cloud auf dem Rosse und überblickte die Prairie, und um ihn hielten einige seiner erfahrensten Krieger.
    Die Cheyennes, die etwa tausend Mann stark sein mochten, erwarteten lautlos die Befehle des Führers.
    Die Schlacht konnte beginnen, der strategische Aufmarsch war vollzogen.
    Es war ein malerischer Anblick, die federngeschmückten Kriegerscharen mit den langen Lanzen auf schönen, kräftigen Rossen halten zu sehen, bereit zum Kampfe.
    Die Stellung war überaus klug gewählt, denn von den Hügeln herab konnte aus gedeckter Stellung auch ein scharfes Feuergefecht von Fußkämpfern geführt werden.
    Die Späher der Cheyennes gaben Zeichen mit den erhobenen Lanzen und zogen sich auf die Hauptstellen zurück.
    "Sie kommen", sagte der Trapper.
    Alle Blicke suchten den Feind in der Ferne. Endlich gewahrten sie ihn; in langer, dunkler Linie kamen die Kiowas und Kaws angeritten.
    Die Cheyennes hielten bewegungslos; die Führer der einzelnen Haufen wandten ihre Blicke zuweilen nach dem Hügel, wo Dark Cloud hielt.
    "Wir Cayugas' Vater auch kämpfen, Oheim?" fragte Paul.
    "Vorerst gewiß nicht", sagte der. "Er führt von dort die Schlacht vermittelst eines Stückes Spiegelglas."
    "Wie?" Paul erstaunte über die Antwort.
    "Er leitet seine Reiter durch ein Zeichen, welches er mit einem glänzenden Spiegel giebt, und bewahrt seine das Schlachtfeld überragende Stellung, um dies mit Vorteil thun zu können. Diese Zeichen sind nur seinen Kriegern verständlich und werden überaus geheim gehalten, du wirst sehen, wie er seine Linie lenkt."
    "Wunderbar."
    "Es giebt keine gewaltigeren Reiter, als diese Steppenindianer, und geradezu staunenswert ist es, wie sie den Zeichen des Häuptlings folgen."
    Die Kiowas kamen, noch immer in langer Linie, näher, und hielten in etwa einer Meile Entfernung an.
    Die Cheyennes regten sich nicht.
    Die Kiowas, welche an Zahl ihre Gegner übertrafen, sandten jetzt drei Haufen, welche sich aus der Linie gebildet hatten, vor, während noch eine starke Reserve zurückblieb.
    "Ah", meinte Walpole, "Krähenfeder ist weniger unvorsichtig, als ich glaubte, er wird wohl wissen, mit wem er zu kämpfen hat."
    Bill, der durch sein Glas die Bewegungen der Reiterscharen verfolgte, sagte: "Da kämpfen drei Weiße gegen uns."
    "Wo?" fragte der Konstabler begierig.
    Der Büchsenmacher bezeichnete den Haufen, in welchem er sie gewahrt hatte, und reichte Walpole das Glas, daß dieser durchschaue. Der richtete es auf die bezeichnete Stelle und gab es nach eifrigem Gebrauche Bill zurück.
    "Es sind die Galgenvögel, welche ich suche; hoffentlich fasse ich sie", murmelte er. Von jetzt ab folgte er den Vorgängen unten mit viel größerer Aufmerksamkeit, als bisher.
    Die Kiowas kamen näher.
    Jetzt hob Dark Cloud zum erstenmal die rechte Hand, in welcher er ein weithin leuchtendes Stück Spiegelglas hielt.
    Die Cheyennes sprangen von den Pferden, die Pferde legten sich nieder, und aus dem Grase entluden sich die Büchsen, mit welchen sämtliche Krieger bewaffnet waren.
    Dieser so unerwarteten Bewegung gegenüber, welche ihnen bei dem ziemlich gut gezielten Feuer Leute kostete, schwenkten die drei Haufen der Kiowas nach links ab und vereinigten sich.
    Kaum war dies geschehen, als sie einer Windsbraut gleich heranrasten.
    Dark Cloud bewegte den Arm, und mit unvergleichlicher Schnelligkeit sprangen seine Krieger in den Sattel und jagten den Feinden entgegen.
    Eine Bewegung mit dem Spiegelglase nach der Rückseite der Hügel, und vierhundert der dort aufgestellten Reiter sprengten nach dem rechten Flügel. Unter wildem Geschrei trafen dort die Kiowas und Cheyennes zusammen, und ein wildes Durcheinanderwogen von Rossen, malerischen Kriegergestalten, langen Lanzen bot sich den Blicken der Zuschauer. Inmitten des heißesten Kampfes brausten die zweihundert Cheyennes der Reserve um den Hügel herum und fielen den Kiowas mit eingelegten Lanzen in den Rücken.
    Darauf wendeten diese und jagten zurück. Die Cheyennes verfolgten sie. Doch eine Bewegung des Spiegels, welchen Dark Cloud in der Hand hielt, ließ sie halten und dann langsam zurückreiten. Reiterlose Pferde liefen umher, und verwundete und sterbende Kämpfer deckten den Boden.
    Der erste wuchtige Angriff der Kiowas war abgeschlagen. Sie hatten herbe Verluste erlitten, doch sammelten sie sich rückwärts zu neuem Vorstoß. In großer Aufregung folgten die Weißen den Wechselfällen dieses mörderischen Kampfes.
    In voller Bewunderung äußerte der Trapper: "Dark Cloud ist ein Meister, und nur ein solch anerkannter Führer kann diese wilde Herde", er meinte die Cheyennekrieger, "in siegreichem Vordringen aufhalten und zum Zurückgehen durch eine Bewegung seiner Hand bringen. Aber es ist richtig; seine Reiter wären bei weiterem Vordringen von den viel zahlreicheren Kiowas erdrückt worden. Nur in dieser meisterhaft gewählten Stellung konnte Dark Cloud den Kampf aufnehmen."
    Erst in der Entwicklung des Gefechtes hatte sich gezeigt, daß die Feinde mit stärkerer Übermacht auftraten, als die Führer der Cheyennes vermutet hatten.
    Es war klar, daß noch ein hartes Ringen in Aussicht stand.
    Mit Besorgnis gewahrten die auf dem Hügel, an der linken Flanke der Aufstellung der Cheyennes weilenden Weißen mit einemmal, daß von Westen her Reitergeschwader heranjagten.
    Man richtete die vorhandenen Gläser dorthin, und Grizzly sowohl als Walker, der Konstabler und Puck erklärten nach aufmerksamer Prüfung, daß dies die Kaws seien, die sich anschickten in die Schlacht einzugreifen, während man angenommen hatte, daß sie sich bereits mit den Kiowas vereinigt hätten. Dadurch wurde die Übermacht des Feindes noch größer.
    "Sie haben erst ihre Pferde suchen müssen, die der Panther verscheucht hatte", sagte Puck und lachte.
    Dark Cloud hatte sein Auge dem neu auftauchenden Feinde zugewandt.
    "Jetzt, Kinder, werden wir zu thun bekommen", sagte der Trapper, "da kommen unsre Freunde, die Kaws."
    Dark Cloud führte mit seinem Spiegelglas verschiedene Bewegungen aus, und mit staunenswertem Verständnis und sklavischem Gehorsam folgten die Scharen unten den so gegebenen Anordnungen.
    Eine Reiterabteilung bewegte sich nach rechts und nahm Aufstellung da, wo die kleine Hügelkette endete, die andre stieg ab und ließ sich im Zentrum der Stellung im Grase nieder.
    "Aha", sagte Grizzly, "Dark Cloud will's mit der Büchse versuchen."
    Gleichzeitig stiegen zu den Weißen hundert mit Büchsen bewaffnete Krieger von der Reserve herauf und nahmen zu beiden Seiten gedeckte Stellungen ein, während die andern unten in geschlossener Formation zu Pferde blieben.
    Ein Blick auf die Kiowas lehrte, daß sie zu neuem Angriff vorrückten.
    In drei starken Geschwadern zogen sie heran, und die eine suchte augenscheinlich die am rechten Flügel aufgestellten Cheyennereiter zu umgehen.
    Es war ein prachtvoller Anblick, als die Kiowas, die lange Lanze schwingend, in vollem Rosseslaufe herankamen.
    Aber die Aufmerksamkeit des Trappers und seiner Freunde wurde durch die bereits nahen Geschwader der Kaws, deren Angriff unzweifelhaft dem Hügel galt, in Anspruch genommen.
    "Jetzt wird's ernst", sagte Grizzly.
    Von unten herauf tönte das gellende Angriffsgeheul der Kiowas, der Schlachtruf der Cheyennes und starkes Büchsenfeuer.
    Neben dem Trapper lag ein alter, markiger Krieger im Grase, diesen fragte er: "Wird mein Bruder seine Leute alle auf einmal feuern lassen?"
    "Sie schießen in zwei Abteilungen."
    "Gut. Erst schießen die Cheyennes, dann die Weißen."
    Die Kaws hielten in etwa dreihundert Schritt Entfernung und stellten sich in Linie in zwei Gliedern auf.
    Dann begannen sie zu schießen, und ein hier und da ertönender Schmerzensruf zeigte, daß sie auch getroffen hatten. Doch kein Schuß fiel von den Cheyennes.
    Zur Überraschung derer, welche indianische Taktik nicht kannten, lösten sich die Linien der Kaws in einen ziemlich weit ausgedehnten Halbkreis auf, dessen Zentrum die Stellung der Weißen war.
    "Jetzt kommen sie", rief der Trapper, "kein Schuß eher, als ich es sage, Kinder."
    Aus dem Zentrum und vom rechten Flügel tönte ununterbrochen Kampflärm.
    Die Kaws setzten sich in Bewegung zu konzentrischem Angriff.
    Als sie in rasendem Rosseslauf unter wildem Geschrei auf etwa sechzig Schritte genaht waren, rief der Häuptling, der neben Grizzly lag: "Feuer!"
    Fünfzig Büchsen entluden sich, Reiter, Pferde stürzten und wälzten sich am Boden. Schmerzensrufe ertönten, aber weiter sausten die Reiter.
    "Feuer!" klang es zum zweitenmal, den Lärm übertönend. Wiederum krachten fünfzig Büchsen der Cheyennes, wieder stürzten Rosse und Menschen, aber auch das brachte die vor Wut halb wahnsinnigen Roten, welche Rache für die Verluste am Gehölz nehmen wollten, nicht zum Stehen, sie sprengten herauf: "Feuer!" schrie der Trapper, "Feuer!" der Konstabler, und die Büchsen der Weißen entluden sich mit grauenhaftem Erfolge.
    Auch Brown und Paul hatten geschossen.
    Gleich einem höllischen Knäuel wälzten sich Pferde und Menschen durch und über einander, aber die Nachfolgenden setzten über die Gefallenen hinweg.
    Alle, Cheyennes und die Weißen, erhoben sich, um den Tomahawk, das Messer, die umgekehrte Büchse in der Hand, ihr Leben wenigstens teuer zu verkaufen.
    Höllisches Geschrei, das Schnaufen der Pferde, Wehlaute mischten sich durcheinander, die langen Lanzen der Kaws stachen alles Erreichbare vor sich nieder.
    Mit Todesverachtung kämpften die Cheyennes mit Messer und Beil. Schon sind die ungestümen Reiter vor den Weißen. Walpole und seine Polizeireiter haben die Säbel gezogen, nachdem sie auch ihre Pistolen abgefeuert hatten.
    Stone braucht Messer und Büchse, ebenso die Arkansasmänner. Nathan Wild sucht Brown und Paul zu decken. Wie ein Rasender ficht Puck, Pfeil auf Pfeil von seinem Bogen absendend.
    Hoch ragt des Trappers gewaltige Gestalt über alle hinweg und sein grauer Bart flattert im Winde. Einem Riesen der Vorzeit gleich, schwingt er die lange, schwere Büchse mit furchtbarer Kraft ums Haupt, alles was sie trifft, zerschmetternd. Er steht fast allein im Feindesgedränge. In todbringender Wut dringen die Roten auf ihn ein, - er fällt - auf seine Brust richtet sich die Lanze des Häuptlings, da stürzt mit einem Sprunge, wie ihn der Löwe in Todesangst thut, Puck vor ihn und empfängt den tödlichen Stoß in die unbewehrte Brust.
    Gellende Rufe, untermischt mit Wehgeheul, scharfes Büchsenfeuer klingen von unten herauf, und die Kaws wenden, jagen in schreckenvoller Flucht zurück, den Hügel mit Sterbenden und Toten bedeckt hinter sich lassend.
    Im letzten Augenblicke hat die Reserve todesmutig eingegriffen, ist Cayugas, der Krähenfeder nach hartem Kampfe zurückgeworfen und getötet hat, dem linken, von den Kaws so hart bedrängten Flügel zu Hilfe gekommen.
    Die Kiowas sind mit furchtbaren Verlusten unter dem verheerenden Büchsenfeuer der Cheyennes überall gewichen; im letzten Augenblick hatte sich Dark Cloud in die Schlacht gestürzt. Die weite Prairie zeigte nur Leichen von Menschen und Pferden - flüchtende und verfolgende Indianer. Der Tag ist nach blutigem Ringen für die Cheyennes gewonnen, die Feinde sind total geschlagen.

***


    Wenig war die Sonne weiter gerückt. Hinter der Hügelreihe, welche den Cheyennes zum Stützpunkte gedient hatte, sitzen, gebunden, umgeben von den Polizeireitern, Mr. James Osborne, Jim und Ben, die im Kampfe gefangen genommen wurden.
    Der Konstabler hatte seine Aufgabe nicht aus dem Auge verloren. Sobald die Kaws und Kiowas sich zur Flucht wandten, war er mit dem Reste seiner Mannschaft - drei der Leute waren gefallen - auf den Pferden und setzte seinem Wild nach. Es gelang ihm, die drei flüchtenden Verbrecher einzuholen und festzuhalten.
    Zu seinem Erstaunen erkannte er auch in Osborne einen lang gesuchten Verbrecher, nach welchem die Gerechtigkeit seit Jahren eifrig fahndete.
    Jetzt saßen sie als Gefangene da.
    Osborne, bleich, erschöpft, Jim trotzig, roh wie immer, Ben war schwer verwundet.
    Vor den Gefangenen stand, trotz dem Lanzenstich, den er ins Bein erhalten hatte, hoch aufgerichtet, auf seine Büchse gelehnt, der Trapper, neben ihm Brown und der sehr bleiche Paul, der mit Entsetzen seinen Oheim in Gesellschaft der Banditen gefesselt vor sich sah.
    "Kennst du mich, James?" klang des Trappers Stimme gleich der Posaune des Weltgerichts in Mr. Osbornes Ohr.
    Osborne warf einen Blick auf den Trapper und sank mit dem Ausruf: "Edward, mein Bruder!" zurück. Dem Entsetzen des Jünglings gesellte sich maßloses Staunen bei diesen Worten.
    "Ja, dein Bruder, den du Schlange gegen den Erstgeborenen, den guten, edlen John hetztest, ihm mit giftiger Rede vormalend, wie er uns um unser Erbteil betrogen habe, mich durch deine aufhetzenden Lügen zu so wilder Wut treibend, daß ich dem Bruder, gleich Kain, mit dem Messer in der Hand gegenüberstand. Gott hat damals verhütet, daß ich zum Brudermörder ward. Aber gleich Kain stürzte ich hinaus, in die weite Welt, Verzweiflung im Herzen, gejagt von den Furien des Gewissens, ein verlorener, mit sich selbst zerfallener Mensch. Das war dein Werk. Spät erst erfuhr ich, daß du mich auch der Brandstiftung beschuldigtest, die du verursacht hast. Die Hand Gottes hat dich endlich erreicht. Gegen dich schreit das Blut des Erstgeborenen Johns, des kleinen Henry, der dir damals im Wege stand, um in den Besitz von Woodhouse zu gelangen, wie jetzt Paul. Ja, ich fürchte, du hast deine Hand auch gegen unsern gütigen John, den Vater dieses Knaben erhoben und ihn mit Gift hinweggeräumt. Diesen Knaben", er legte die Hand auf des bleich und zitternd dastehenden Pauls Schulter, "hat Gott durch mich von deiner Mörderfaust gerettet. Durch dich, James, bin ich einst namenlos elend, bin ich zum heimatlosen Flüchtling auf Erden geworden, aber ich verzeihe dir, denn Gott hat es gefügt, daß ich in aufrichtiger Reue den Frieden meines Herzens wiederfand. Auch Paul wird dir vergeben, daß du nach seinem Leben strebtest. Was du aber sonst auf deinem Gewissen hast, mußt du hier mit der irdischen Gerechtigkeit und dann vor dem höchsten Richter verantworten. - Wir beide haben auf dieser Welt nichts mehr miteinander zu thun, fahre hin und möge Gott dir gnädig sein."
    Stumm und totenbleich lauschte James Osborne den furchtbaren Anklagen, welche sein heldenhafter Bruder mit der Unerbittlichkeit des Richters ihm entgegen schleuderte; er fand nicht Antwort und schlug verzweifelnd die gefesselten Hände vor das Gesicht.
    Der Trapper, der lang verschollene Edward Osborne, wandte sich mit Brown und Paul, welcher von den entsetzlichen Enthüllungen, wie sie die Worte des Trappers brachten, auf das tiefste erschreckt war, zum Gehen, als Ben, der einen Schuß in die Brust bekommen hatte, leise und bittend sagte: "Master Paul."
    Der Jüngling wandte sich zu ihm.
    "Ich habe oft an Gottes Gerechtigkeit und Güte gezweifelt", fuhr Ben mit schwacher Stimme fort, "seitdem ich gesehen habe, daß er euch gerettet hat, zweifle ich nicht mehr. Ich freue mich, daß ihr davon gekommen seid und ich nicht euern Tod auf dem Gewissen habe. Meine Stunden sind gezählt, ich werde bald vor dem Allgerechten stehen und wollte, ich könnte es mit reinem Herzen; seid gütig, Master Paul, und verzeiht mir."
    "Es ist euch längst verziehen, auch der Vater im Himmel wird barmherzig sein."
    Er und Brown führten den Trapper davon. Jim, ein bereits rechtskräftig zum Tode verurteilter Mörder, wurde am Abend erschossen, und Ben starb in der Nacht an seiner Wunde. Auf dem Transport nach den Staaten entsprang James Osborne den Polizeireitern und hat irgendwo sein Ende gefunden. Man hat nichts mehr von ihm gehört.

***

Auf dem Hügel, der den heißen Kampf gegen die Kaws gesehen hatte, lag, auf wollenen Decken gebettet, Puck, und der Todesengel stand zu seinen Häupten; der Lanzenstich, den er für seinen Oheim empfangen hatte, war tödlich. Walpole hatte ihn verbunden, aber gleich gesagt, daß sein Leben nur noch nach Stunden zählen könne.
    Um sein Sterbelager saßen Cayugas, der Trapper, Paul, Bill Stone, Walker, Wild und andre. Cayugas still und ernst, während Edward Osborne und Paul die Thränen heiß über die Wangen rannen.
    Bill Stone, der zwei Wunden empfangen hatte, sagte: "Ich wollte mein ganzes Eigentum darum geben, wenn ich den kleinen Mann wieder gesund machen könnte; ist ein Fakt."
    Puck sah sehr bleich aus, aber der nahende Tod verschönte seine Züge. Er lag still und ruhig mit sanftem Gesichtsausdruck da. Dann schlug er die gesenkten Lider auf, und die schönen Augen richteten sich mit dem Ausdruck der innigsten Liebe auf den Trapper.
    "Nicht weinen, Oheim, du machst mir das Sterben schwer." - Nach einer Pause fuhr er fort: "Du bist der einzige, der Puck geliebt hat, auf der weiten Welt, und ich bin glücklich, o so glücklich, daß ich mein Leben für dich geben konnte."
    "Herzensjunge, Herzenskind", stöhnte der Trapper im tiefsten Schmerze, und Pauls Thränen flossen reichlicher.
    Nach einer Weile feierlichen Schweigens fragte Puck: "Komme ich in den Himmel, Oheim?"
    "Ja, ja, Kind", schluchzte dieser, "wenn einer in den Himmel kommt, dann bist du es." Der Sterbende lächelte glückselig.
    "Und du kommst auch zu mir in den Himmel?"
    "Ich hoffe es, Kind, ich hoffe es. Gott wird mir ein gnädiger Richter sein."
    "Ich werde ihn bitten, daß er dich bald zu mir kommen läßt, was soll ich ohne dich?"
    Der Trapper nickte: "Bitte ihn nur, Kind, ich bin bereit zu gehen."
    Kein Auge blieb trocken bei diesen Äußerungen des sterbenden Jünglings, selbst der stoische Indianer konnte seine Rührung nicht ganz verbergen.
    Puck schien zu schlafen, dann schlug er die Augen wieder auf und sagte: "Im Himmel muß es schön sein. Horch - die Engel singen, sie singen von der ewigen Heimat." Die Augenlider sanken nieder und leise - leise, wie aus weiter Ferne, klang es von den Lippen des Sterbenden - "Home, sweet home" - und mit dem letzten, kaum hörbar verhallenden Tone stieg seine Seele aufwärts zum ewigen Vater.
    Man bereitete ihm auf dem Hügel, auf dem er für seinen Oheim die Todeswunde empfangen, die letzte Ruhestätte. Alle Weißen und die Häuptlinge der Cheyennes standen um das schlichte Grab. Als es geschlossen war, sagte aus tiefstem Herzen der Trapper: "Nie schlug in eines Menschen Brust ein edleres Herz, als in der dieses armen Jünglings. Die Seele hat die rauhe Hülle abgestreift, um hinaufzuschweben in ewiger Schöne zum Throne Gottes. Was sterblich an ihm war, ruht im Schoße seiner Mutter, der Prairie, in unsern Herzen aber wird er fortleben, solange sie noch schlagen. Auf Wiedersehen, mein Herzensjunge - drüben."
    Der furchtbare Angriff, den die Sioux unter ihrem Häuptling Joseph im Jahre 1860 auf die Ansiedlungen am obern Missouri machten, der tausenden von Menschen den Tod brachte, wurde endlich unter starkem Aufgebot militärischer Macht niedergeschlagen. Die Kiowas erholten sich von ihrer Niederlage im "Blutigen Grund" nicht wieder.

***

Längst wohnt Paul Osborne wieder in Woodhouse am Arkansas; der alte Brown ist sein Vormund, und die schwarzen Gentlemen und Ladies tragen ihren jungen Herrn auf den Händen. Bill Stone, der Mann des Friedens, hat sich mit Hilfe Pauls in Monmouth als Büchsenmacher niedergelassen und macht ein glänzendes Geschäft. Einige Meilen von Woodhouse, in einer einsamen Savanne, haust der "Grizzly" genannte ehemalige Trapper. Seinen wirklichen Namen kennt man nicht. Die Steppe war öde für ihn geworden, als ihm der Sohn seines Herzens fehlte, und er siedelte sich in der Nähe der ehemaligen Heimat, in der Nähe seines Neffen an. Oftmals sucht Paul, der mit großer Liebe an ihm hängt, ihn auf, und hie und da kommt der Alte auch nach Woodhouse. Und dann erinnern sie sich gemeinsamer Abenteuer in der fernen Steppe am Verdigris und Ohsonta und denken des Jünglings, in dessen unscheinbarer Hülle ein solch reines, edles Herz schlug, um dort für ewig still zu stehen.
    Unter einer Traueresche, deren Zweige im schattigen Teile des Gartens tief herniederhängen, hat Paul einen einfachen Obelisk aus dunklem Granit errichten lassen, der in goldenen Buchstaben die Inschrift trägt: "Dem Kinde der Prairie."
    Manchmal sah man im Abendscheine den alten Trapper sinnend vor dem Steine stehen, und seine Augen waren feucht, wenn er sich langsam hinwegwandte, um sein abgelegenes Heim aufzusuchen.