Das knappe Jahr bei der Neuen Rheinischen Zeitung (von Juni 1848 bis Mai 1849) ist zweifellos die literarisch fruchtbarste Phase in Weerths Leben; sie in möglichst vielfältigen Aspekten auszuleuchten, waren 14 Weerth-Spezialisten in Detmold zusammengetroffen.
Hinführend äußerte sich Fritz Wahrenburg über Weerths Feuilletons vor seiner Zeit als Redakteur der NRhZ. Der nächste thematische Block mit Referaten von Florian Vaßen, Michael Vogt, Norbert Otto Eke und Bernd Füllner widmete sich dem zu dieser Zeit besonders engen Zusammenhang von Politik und Literatur, der zwei Aspekte bereithält: Welchen Einfluß übt die Literatur auf die Politik aus, und umgekehrt: Welche literarischen Formen, welche ästhetischen Entwicklungen werden von den politischen Verhältnissen, etwa der Zensur, beeinflußt oder gar neu hervorgebracht.
Am zweiten Tag unterzog zunächst Jürgen-Wolfgang Goette Weerths Briefe aus dem Revolutionsjahr einer kritischen Würdigung - mit dem Ergebnis, daß das Verfassen eigener Feuilletons und die praktische Redaktionsarbeit dem vielbeschäftigten Autor wenig Gelegenheit zum Briefeschreiben ließ. Inge Rippmannund Nikolaus Gatter stellten zu einzelnen Feuilleton-Texten Überlegungen an, wobei Frau Rippmann interpretatorisch an Weerths letztes Feuilleton, die Proklamation an die Frauen', heranging und zu dem überraschenden Ergebnis gelangte, daß der nachgerade frauenbewegt' anmutenden Überschrift ein Artikel folgt, der eher die traditionelle Verteilung der Geschlechterrollen fortschreibt. Gatters Beitrag zur Publikationsgeschichte von Heines Empfehlungsschreiben für Ferdinand Lassalle, die in der Neuen Rheinischen Zeitung ihren Anfang nahm, war, dem Thema entsprechend, editionsgeschichtlich orientiert. Der irische Weerth-Forscher Eoin Bourke klärte über die sozialpolitischen und sozialtheoretischen Grundannahmen auf, die Weerth sich während seines ersten Englandaufenthalts zueigen gemacht hatte und die in weiterentwickelter Form auch seine Arbeit bei der NRhZ bestimmten.
Die Diskussionen wurden von Jost Hermand, Detlev Kopp, Rainer Rosenberg und Hartwig Suhrbier geleitet; die Organisation oblag Erika Brokmann.
In der Abschlußdiskussion herrschte Übereinstimmung darüber, daß 1. die Editionslage der Weerthschen Texte noch immer sehr zu wünschen übriglasse und eine Neuausgabe seiner Werke nach modernen editionsphilologischen Maßstäben dringend erforderlich sei. Ziel weiterer Weerth-Forschung müsse 2. sein, die Gedichte und Feuilletons innerhalb der jeweiligen Gattungskontexte stärker zur Geltung zu bringen, so daß der Autor stärker als bisher im literarischen Kanon vertreten ist.
Glanzlicht der Tagung war eine - von der ALG geförderte -Abendveranstaltung, bei der Weerth-Texte gesprochen und gesungen wurden: gesprochen von Mitgliedern des Deutschen Seminars und der Studiobühne der Universität Freiburg im Breisgau, gesungen von Karin Füllner, am Klavier begleitet von Helmut Götzinger.
Michael Vogt