KMG-Nachrichten 130 - Dezember 2001

Herausgegeben von Engelbert Botschen

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Nach Luzern

Der 16. Kongreß unserer Gesellschaft ist nun schon wieder über zwei Monate Vergangenheit. Trotzdem möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, nochmals unseren Schweizer Freunden recht herzlich für ihr Engagement vor und auch während des Kongresses zu danken. Ohne ihre tatkräftige Mithilfe wäre die Durchführung in dieser Form gar nicht möglich gewesen. Der Kongreß war nach Meinung der überwiegenden Anzahl der Teilnehmer ein erfolgreicher und gelungener: Es gab interessante Vorträge, eine turbulente Mitgliederversammlung – inklusive verbaler Attacken gegen Vorsitzenden und Geschäftsführer – und ein attraktives Rahmenprogramm. Für alle, die nicht teilnehmen konnten, wird in diesem Heft ausführlich darüber berichtet. Hauptergebnis der Mitgliederversammlung war – abgesehen von der notwendigen Satzungsänderung – die mehrheitliche Entscheidung der anwesenden Mitglieder für Plauen als Tagungsort unseres nächsten Kongresses.

Leider mußte die Buch-Auktion ausfallen. Aufgrund der Terrorakte vom 11. September saß unser Auktionator Thomas Grafenberg in den USA fest und konnte nicht mehr rechtzeitig zum Kongreß anreisen. Damit alle Büchersammler doch noch auf ihre Kosten kommen, wird die Auktion per Ferngebot nachgeholt. Näheres dazu in diesen Heft.

Einzig und allein das Wetter in der Schweiz ließ zu wünschen übrig. Doch wie heißt es im Sprichwort: "Wenn Engel reisen, weint der Himmel". Ich gebe zu, das Ganze etwas den Erfordernissen angepaßt zu haben, aber dem Vortrag von Rolf-Bernhard Essig über "Sprichwörter bei Karl May" konnte man entnehmen, daß es für den gleichen Tatbestand manchmal zwei sich widersprechende Sprichwörter gibt und man sich dann das Passende heraussuchen sollte. (Er hat das natürlich wesentlich eleganter ausgedrückt; ich habe mir erlaubt, den Diamanten etwas zu schleifen.)

Apropos geschliffener Diamant: Das vom Karl-May-Verlag ursprünglich für Herbst angekündigte Werk wird voraussichtlich erst im Frühjahr 2002 erscheinen. Dafür gab es zum Kongreß einen wunderschönen Band mit Ansichtskarten von fast allen Orten, in denen Karl May einmal weilte. Da wir einmal bei Publikationen sind, möchte ich damit gleich fortfahren: Rechtzeitig zum Kongreß wurde unser Reprint "Et in terra pax" fertig, ein Glanzlicht in der langen Reihe unserer Reprinteditionen, das ich jedem nur empfehlen kann. Bestellungen zum Subskriptionspreis sind noch bis 31. Dezember 2001 möglich. Anfang November wurde das Karl-May-Handbuch an die Vorbesteller ausgeliefert; ein weiteres Standardwerk für jeden, der sich ernsthaft mit Leben und Werk Karl Mays beschäftigt. Auch hier sind Vorbestellungen nur noch bis 31. Dezember möglich. Schließlich gingen nach einigen Anfangsschwierigkeiten auch die Arbeiten an unserem Jahrbuch zügig voran. Beim Schreiben dieser Zeilen befand es sich kurz vor der Drucklegung und dürfte so noch im Dezember alle Mitglieder erreichen.

Ein besonderes Ereignis fand im Oktober in Düsseldorf statt: Prof. Meredith McClain, unserer rührigen Botschafterin in Sachen Karl May in den USA, wurde die Lucius D. Clay Medaille für ihre Verdienste um die deutsch-amerikanische Verständigung überreicht. Am Rande der Veranstaltung konnte Erwin Müller bekanntgeben, daß der Antrag zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Meredith McClain positiv beschieden wurde. Dieses wird ihr in Houston/Texas überreicht werden. Liebe Meredith, herzlichen Glückwunsch zu diesen Auszeichnungen.

Gleichzeitig möchte ich Meredith McClain nachträglich zu ihrem 60. Geburtstag alles Gute, Glück und Gesundheit wünschen. Die gleichen Wünsche gehen an Dr. Christian Heermann, der im September seinen 65. Geburtstag feierte sowie an alle Mitglieder, die in den letzten drei Monaten ihren Geburtstag feiern konnten.

Zum Schluß ein paar Worte in eigener Sache: Kürzlich warf man mir vor, ich wäre während meiner "Geschäftszeit" Freitag nachmittags nicht zu erreichen. "Das müsse sich ändern!". Zerknirscht muß ich dazu anmerken, daß ich nebenbei auch noch beruflich tätig sein muß. Da kann es dann tatsächlich auch mal vorkommen, daß ich Freitags dienstlich unterwegs, oder, noch schlimmer, im Urlaub oder zu einem Kongreß der Karl-May-Gesellschaft bin. Ich bitte, das zu entschuldigen; auf alle Fälle habe ich aber einen technischen Mitarbeiter namens Anrufbeantworter, dem man eine Nachricht hinterlassen kann, eine e-mail Adresse, die wieder funktioniert und schließlich gibt es auch noch die Post, die sich freut, wenn sie einen Brief befördern darf.

Liebe Mitglieder, das Jahr neigt sich seinem Ende zu. Es war für die Karl-May-Gesellschaft ein erfolgreiches Jahr, für die zivilisierte Menschheit eins voller Schrecken. Ich wünsche uns allen, daß sich dieser Schrecken im kommenden Jahr nicht fortsetzt, daß Frieden und Vernunft das Zusammenleben der Menschen bestimmen mögen. Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

"Et in terra pax"

Ihr Hans Grunert (Geschäftsführer)

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Ulrich von Thüna

Et in terra gloria

Wer heutzutage sich im Berliner Regierungsviertel aufhält, kann leicht dort ein eigenartig weiss-rot gestreiftes Büchelchen sehen, das ein Handbuch der Bundestagsabgeordneten ist und einfach der Kürschner heisst. Dieser also immer noch lebendige Kürschner war vor mehr als 100 Jahren ein ausserordentlich erfolgreicher Herausgeber von Nachschlagewerken und Sammelwerken und auch, wie der Karl May Freund weiss, Herausgeber eines Sammelbandes über den Boxerkrieg und über China, der Mays "Et in terra pax" enthielt. Hier ist nun ein Faksimileband anzuzeigen, der zugleich den May Philologen wie den May Bibliophilen befriedigt und so schön ausgefallen ist, dass man kalauern möchte: "Et in terra gloria".

Die Niedermayrsche Kunstanstalt in Regensburg, auch sonst Druckerei fast aller Faksimiles der Gesellschaft, hat hier ein bis hin zum Vorsatzpapier im wahrsten Sinne farbiges Meisterstück vorgelegt und das, wie sagt man heute so schön, haptische Vergnügen am Band lässt den Rezensenten ausnahmsweise einmal den Hersteller an den Anfang dieser Zeilen setzen.

Der Originalband hat rund 700 Seiten, das Faksimile rund 540 Seiten. Nach einer Einleitung von Dieter Sudhoff (rund 30 Seiten) folgen Deckblätter aus der Lieferungsausgabe, dann heute noch aktuelle Beiträge aus dem ersten landeskundlichen und wissenschaftlich seriösen 1.Teil (rund 100 Seiten). Es folgen rund 60 Seiten Auszüge aus dem aktuell-militärischen Teil "Die Wirren 1900/1901", dann alle 30 Kunstbeilagen, die fast alle von einem mir unbekannten O.Gerlach und von dem seinerzeit hoch geschätzten Marinemaler Willy Stöwer stammen. Es schließt sich Mays Text "Et in terra pax" an sowie die Seiten dieses Textes, die in der zweiten Auflage andere Illustrationen enthielten. .Abschliessend folgen rund 80 Seiten mit literarischen Beiträgen, die, abgesehen von einigen Übersetzungen aus dem Chinesischen, nahezu alle grauenvoll schlecht und überheblich sind.

Über den May-Text selbst ist an dieser Stelle nichts zu sagen. Es kann auf den von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer herausgegebenen Band 6 der Karl-May-Studien verwiesen werden, der sich mit "Und Friede auf Erden!" beschäftigt und auch sozusagen als Vermächtnis eine noch von ihm selbst überarbeitete vergleichende Studie von Hatzig über das Verhältnis zwischen "Et in terra pax" und der Buchausgabe "Und Friede auf Erden!" enthält.

Hier ist vielmehr einzugehen auf die umfängliche Einleitung von Dieter Sudhoff "Hunnen und Gentlemen". Er analysiert sehr genau den Text Mays und dessen von Kürschners Zielsetzung abweichendes Konzept und verweist auch auf die Vorgängerarbeiten von Bartsch und (dem damals aus politischen Gründen ungenannt gebliebenen) Plaul in den Jahrbüchern 1972/73 und 1983. Natürlich stellt er das Werk in seinen zeitgeschichtlichen Zusammenhang, den des aktiven Strebens des Deutschen Reiches nach seinem Platz an der kolonialen Sonne. Nicht nur Deutschlands demokratische Entwicklung war zu spät gekommen, sondern auch sein Versuch, im Zeitalter des Imperialismus noch auf den Wagen kolonialer Eroberung aufzuspringen. Es ging um die Ausdehnung der Einflusszone der deutschen Wirtschaft, wie Sudhoff mit einem überaus eindeutigen Zitat von Helmuth von Moltke (Neffe des Berühmteren...) nachweist. Aber es ging auch um den ideologisch wie psychologisch bestimmten Wunsch nach Gleichstellung mit Großbritannien. Das wird besonders deutlich in einem Aufsatz eines Herrn von Beaulieu-Marconnay, der dankenswerterweise zu den abgedruckten Auszügen aus dem Originalwerk zählt. Er ist ein deutliches Dokument des weltpolitisch Zukurzgekommenen. Das galt auch für den Kaiser, auch wenn dieser nicht, wie Sudhoff schreibt, Erfinder des Schlagwortes von der "Gelben Gefahr" war. Der historische Wert des aktuell-militärischen Abschnitts relativiert sich übrigens ganz schnell, wenn man hier die hymnischen Ausführungen über den Grafen Waldersee und Wilhelm vergleicht mit den vernichtenden Urteilen des gleichen Waldersee über den Kaiser, wie nachzulesen im gerade erschienenen zweiten Band der Biographie von Wilhelm II von J.C.G.Röhl.

Sudhoff stellt den Kürschner-Band mit seinem ganz gegenläufig entworfenen Text von May in den grösseren Kontext ähnlicher Juvenilia und populärer Erzählungen Das von ihm zitierte Buch von Harder "Wider den gelben Drachen" ist in der Tat ganz besonders mieser und dummer Hurrapatriotismus. Um der Gerechtigkeit willen wäre immerhin auf die beiden China-Bände des seinerzeit populären und wie May auch von der Deutschen Verlagsanstalt verlegten Maximilian Kern "Das Auge des Fo" und "Unter der Klaue des Drachen" hinzuweisen, deren Chinesenbild sich nicht wesentlich von dem des "Blauroten Methusalem" unterscheidet und in denen einer der beiden positiven Helden sogar ein Franzose ist, was in der deutschen Jugendliteratur vor 1914 die absolute Ausnahme war. Auch der literarische Nationalismus war durchaus nicht nur auf Deutschland beschränkt, wenn er vielleicht auch hier besonders verkniffen und verkrampft anmutete. Englands Jugendliteratur der Zeit stand unter dem Zeichen "Imperialism and juvenile literature" (Titel eines Buches von Jeffrey Richards, 1989), in Frankreich gab es etwa den Schinken "Les boxers chinois ou les Mystères de la Chine sanglante" (1900) und der dort seinerzeit ähnlich wie May rezipierte Paul d’Ivoi beschäftigte sich in einem Buch damit, "die bösartigen, blutdurstigen Boxer zu bestrafen". (so Marc Soriano in "Guide de la littérature pour la jeunesse",1975). Welchen Platz übrigens das Kürschner-Werk in Deutschland einnahm, lässt sich daraus ablesen, dass in der sehr umfänglichen Bibliographie des objektiven China-Artikels des Grossen Meyer von 1908 der Titel gar nicht erscheint. Wobei wir natürlich wissen, dass die hohe Auflage des Bandes auf Kürschners vermutlich richtiger Einschätzung des deutschen Massenurteils über China basierte.

Ein schönes Buch von May, das uns sehr viel sagt auch über das Umfeld, in dem er publizierte. Und damit auch viel über ihn sagt.

Karl May: Et in terra pax. Hrsg. von Dieter Sudhoff im Auftrag der KMG. Reprint der Karl-May-Gesellschaft Hamburg, 542 Seiten, 2001. 150.- DM

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Et in terra pax oder Und Friede auf Erden!

Karl May nannte sein Werk ‚Reiseerzählung‘ und wehrte sich gegen die Bezeichnung ‚Roman‘. Und doch muss man es wohl als einen Zukunftsroman bezeichnen, denn heute - 100 Jahre nach seinem Aufenthalt auf der Rigi und nach den letzten Korrekturen an seiner schriftstellerischen Schöpfung - sind wir weiter entfernt vom Weltfrieden, als er es sich ausmalen konnte. Seine anerkannte und bewunderte Fantasie reichte nicht aus, sich einen Weltkrieg vorzustellen, und einen Terroranschlag wie den in den USA am 11.September dieses Jahres schon gar nicht. Bei ihm ging es in seinen frühen Werken um Kämpfe zwischen feindlichen Indianerstämmen, und so grausam und blutrünstig die historischen Fakten auch sein mögen, die er als Grundlage seiner Wild-West-Geschichten heranzog, sie waren überschaubar, begreifbar, vorstellbar. Er nutzte seine fast grenzenlose Fantasie, um daraus ein packendes und bewegendes Schicksal einzelner Protagonisten zu gestalten. Old Shatterhand, der Superheld als Deckname für Karl May, kämpft für Gerechtigkeit und eben auch für Frieden, aber mit einfachen Mittel, zwar auch mit einem Vielfach-Schnellfeuergewehr à la Henry, aber doch meistens mit Faust oder Messer, vor allem aber mit seiner List. Im späteren Leben, als pazifistische Gedanken in seinem Gemüt überwogen und er sich in seinem Alterwerk der ‚Menschheitsfrage‘ zuwandte, kam wieder seine Fantasie zum Tragen und manche Stellen in seinem Werk grenzen an den Rand der Lächerlichkeit, wenn er zum Beispiel in ‚Ardistan und Dschinnistan‘ ein Volk seine Kranken und Krüppel in den Krieg schicken lässt, ‚denn die Gesunden sind ja zu schade dafür‘, wenn er in ‚Winnetou IV‘ so etwas wie eine von Muskelkraft bewegte Flugmaschine kreisen lässt. Doch die schreckliche Realität hat den Fantasten May genau so überholt wie einen Utopisten Hans Dominik oder andere Zukunftsromanschreiber.

Und Friede auf Erden! Das Ausrufezeichen erscheint erst in der Buchausgabe von 1904 im Verlag Fehsenfeld/Freiburg. Der Wunsch nach Friede hatte sich in Karl May gefestigt. Als er die historischen Fakten des Boxeraufstandes in China 1901 erfuhr und von Joseph Kürschner für dessen den Einsatz deutscher Truppen glorifizierendes Sammelwerk ‚China‘ den Auftrag erhielt, einen Beitrag zu liefern, war ihm von Anfang an klar, dass er ‚sein kleines Stimmchen‘ - wie er es einmal beschrieb - nicht für den Krieg, sondern im Gegenteil für den Frieden einsetzen würde. Friede! Von den vielen Dingen, die sich Karl May herbeiträumte - persönliche Superkraft und weltweite Anerkennung - war doch dieser Wunsch der wichtigste. Karl May realisierte für sich das menschenmögliche, er schrieb seine Botschaft auf, um andere anzuregen. Bei seinem Aufenthalt auf der Rigi vollendete er vor genau 100 Jahren sein Werk ‚Et in terra pax‘. Die Karl-May-Gesellschaft ehrte ihren Namenspatron durch den Kongressort Luzern, in dessen Nähe dieser Schicksalsberg liegt, von dem die Friedensbotschaft ausging. Rechtzeitig zum Kongress wurde auch der Reprint des Kürschner-Sammelwerkes ‚China‘ fertig, der neben wunderschönen Illustrationen alle Beiträge umfasst, die der Band damals enthielt.

Die KMG pflegt die Tradition, stets einen Kongress-Ort mit direktem Bezug zu Karl May auszusuchen, hier ist dies in zweierlei Hinsicht bestens gelungen.Wir Karl-May-Freunde wissen uns einig mit allen friedensuchenden Menschen und hoffen, dass eines Tages Friede auf Erden herrschen möge, unser Kongress war ein Beitrag dazu. Dem neuen Reprint sei ein reger Verkauf gewünscht.

dSch

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Ulrich von Thüna

Das neue Jahrbuch

Das Jahrbuch 2001 ist nicht das gewohnte Jahrbuch. Wir wissen es aus dem Bericht von Hans Wollschläger in den Mitteilungen: Heuer ist es nur einem Thema gewidmet, genauer gesagt, das Jahrbuch ist eine Monographie (wenn ihr freilich auch der Literaturbericht und der Bericht des Schriftführers wie gewohnt beigefügt sind). Eine solche Ausnahme von der Regel ist gut, denn dass zeigt, dass Herausgeber und Redaktion nicht Sklaven der Regel sind.

Das Jahrbuch ist der gewichtigste Publikationsplatz, den die Gesellschaft zu vergeben hat, schreibt Wollschläger und deshalb beginnt man mit besonderen Erwartungen die Lektüre der rund 300 Seiten von Gabriele Wolffs "Ermittlungen in Sachen Frau Pollmer". Um die Statistik abzuschliessen - rund 600 Anmerkungen sorgen für belegte Gelehrsamkeit. Wollschläger hatte einmal Strindbergsche Qualitäten der Studie beigemessen und später im "Handbuch" gemeint, dass diese Schrift auf ihren Biographen als Lebenszeugnis warte wie ebenso als durchaus "psychologische" Zeichnung eines abgründigen Charakters. Abgründiger Charakter? Nicht nur Emma Pollmer, sondern auch Karl May! Auch bei Strindberg quälen und leiden beide.

Die Studie hat nun ihre Biographin gefunden und es war sicher gut, dass die Biographin Juristin ist. Aus der Staatsanwältin ist hier eine Anwältin geworden, die sich für ihren Mandanten May cum ira et studio einsetzt und deren erstes Ziel ist, diese Schrift nicht als irrelevant (Maschke) oder als bloss fiktionalen Text (Stolte) zu werten.

Gabriele Wolff ist gründlich. Sie schreibt, die Studie dürfe nicht oberflächlich gelesen werden, ein vorschnelles Urteil verbiete sich. Sie ist aber auch sorgfältig und konstatiert, dass Wahrheitsfindung im komplexen sozialen Nahbereich zu den schwierigsten Aufgaben gehört, die die Rekonstruktion eines Lebensverhalts aus Akten abverlangt.

Soviel zum Allgemeinen. Die Arbeit beginnt mit deutlicher Kritik an Maschkes Biographie von Emma Pollmer, die in der Tat durch die systematische Verweigerung der Einbeziehung der Studie sehr unbefriedigend bleibt. Auch Stolte wird kritisiert (das klang schon bei Wollschläger im Handbuch an) und mit einer gewissen Lust pickt sie, wo sie kann. Dabei argumentiert sie sorgfältig, aber eine intellektuelle Genugtuung bei ihren Korrekturen ist unverkennbar. Dabei regt sich dann gelegentlich der Widerspruchsgeist des Rezensenten. So sind etwa die von Stolte behaupteten Widersprüche zwischen Mays Angaben zu Emmas Lese- und Schreibkünsten und seinem späteren Zugeständnis, sie habe belesen gewirkt, durchaus diskutierbar. Der Widerspruch lässt sich im Gegensatz zu Wolff, die auf eine Einlassung Mays rekurriert, Emma habe ihre Briefe als Blendwerk geschrieben oder gar nicht selbst verfasst, ganz einfach und psychologisch stimmiger lösen. May war zuerst verliebt und sah deshalb Emma mit ganz anderen Augen als später im Ehealltag. Was nicht bedeutet, dass es keinen Widerspruch in den Ausführungen Mays gab.

Auch sonst wird der Leser nicht in Allem Gabriele Wolff folgen, was ganz natürlich ist, denn sie wird die letzte sein die ihren Text als sakrosankt emfpindet. So ist der Fund von Gabriele Wolff, dass ein Besuch einer Aufführung von Sudermanns "Heimat" auslösende Inspiration für das Schreiben der Studie sein könnte, für den Rezensenten doch fraglich, weil die dort gezeichnete Frauengestalt in ihrer kraftvollen und sympathischen Selbstverwirklichung das Gegenteil zu der von May entworfenen Dämonin Emma bildet.

Das sind freilich Quisquilien. Ich teile durchaus die Auffassung der Autorin, dass die wesentlichen Tatsachen der Studie sich als zutreffend nachweisen lassen, zumindest nicht zu widerlegen sind. Wobei die vorsichtige Juristin die emotional wertenden Passagen ausschliesst, die ihrerseits freilich nicht gerade selten sind.

Am Ende von Kapitel 4 fasst sie dann zusammen, dass in den ersten 30 Seiten der Studie alles, was folge, schon enthalten sei: Emmas dämonische, nicht domestizierbare Sexualität, ihre hypnotisch-suggestive Anziehungskraft unter dem Deckmantel kindlicher Fügsamkeit, ihr spiritistisches Umfeld, das Gift ihres Klatsches, geistige Anspruchslosigkeit und Desinteresse an der Arbeit ihres Mannes...

Die Autorin hat ihre "Ermittlungen" untergliedert in Themenbereiche wie Staatsgewalt, Eros, Geld, Klara, Scheidung usw. Die umfangreichsten Abschnitte gelten dem Eros, Klara und der Scheidung. Das ungewohnt grelle Licht auf dem Erotischen hat natürlich bisher in der May-Literatur zu Zurückhaltung oder auch Verlegenheit geführt. Das gilt begreiflicherweise auch für May selbst, der ja die Schrift nicht für die Öffentlichkeit bestimmte. Das ist verständliches Taktgefühl einerseits, andererseits für seine Zeit normal. Trotzdem ist die aus seiner psychologischen Notlage heraus verständliche Offenheit beachtlich, mit der er Emmas Sexualität (und naturgemäss verschlüsselt damit auch seine eigene) erkennen lässt, auch die lesbischen Züge Emmas und ihre Autoerotik im "Nackten Zimmer". Dahin kommt nach Mays Mitteilung auch Klara. Im Viktorianischen Zeitalter war dies ein wie heute existentes, aber tabuisiertes "Secret Life", um den Klassiker dieser Literatur zu zitieren. Die Dämonisierung von Sexualität – dämonisch ist eines seiner Lieblingsworte bei der Charakterisierung der Anziehungskraft seiner Frau - verweist deutlich auf das 19. Jahrhundert. May hat sich übrigens, wie interessante Forschungen von Wolff in seiner Bibliothek ergeben haben, mit der einschlägigern Fachliteratur seiner Zeit vertraut gemacht. Seine Kontakte zu dem Wiener Ethnologen und Sexualforscher Krauss sind ja bekannt. Wolff weist übrigens darauf hin, dass Mays Ausführungen zu Klara von diskreter Zurückhaltung geprägt sind, aber auch kritisch sind, unerwartet gegenüber einer Frau, mit der er glücklich verheiratet war zur Zeit der Abfassung der Studie.

Wie bei Juristen üblich, kommt Gabrielle Wolff am Ende ihrer Ausführungen zu einer Schlussverfügung. Sie besagt, dass die Studie weder Prozessschrift noch Beleg für eine seelische Erkrankung des Verfassers sei, sondern ein Selbsterfahrungstext mit therapeutischer Zielsetzung, ein Seelenprotokoll.

Ein solcher Begriff ist allerdings kein juristischer Begriff und das weiss Gabriele Wolff sehr wohl. Denn sie hat sich nur des juristischen Werkzeugs bedient, auch einer leicht selbstironisch genutzten Terminologie, um aber dann doch in eine von rechtlichen Begriffen nicht abgedeckte Sphäre, nämlich die vertrackte Seelenwelt ihres Mandanten einzusteigen. Das setzt Kennerschaft vom Menschen voraus und Wissen, wie er funktioniert. Solches aber weiss ein Schriftsteller, so er denn sein Handwerk versteht, besser als ein "Nur"-Jurist.

Gabriele Wolff hat einen der schwierigsten May-Texte sorgfältig abgeklopft und versucht, seine innere und äussere Wahrheit festzuhalten. An dieser Stelle konnten nur knappe Bemerkungen gemacht werden, die dem Reichtum der Argumentation von Gabriele Wolff nur sehr unzureichend Rechnung tragen können. Mit ihrer Arbeit hat sie unsere Kenntnis von Karl May ganz wesentlich erweitert. Und sie hat hoffentlich den Anstoss gegeben zu einer endlich fälligen, gründlichen und sicher auch kontroversen Beschäftigung mit diesem Text.

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Erwin Müller

Jahrbuch oder Monographie

Eine Antwort auf Hans Wollschläger

Hans Wollschlägers Ausführungen über das Jahrbuch 2001 in den letzten Mitteilungen (Nr. 129, S. 4) fordern zum Widerspruch heraus. Nachdem ich mich bereits in der Vorstands- und Mitarbeitertagung am 31. März 2001 in Eisenach gegen die Absicht des diesjährigen geschäftsführenden JahrbuchHerausgebers ausgesprochen hatte (s. KMG-Nachrichten Nr. 129, S. 20), will ich meine dort vorgetragenen Argumente und Bedenken hier noch einmal zusammenfassen, damit alle Mitglieder das Pro und Contra dieser Auseinandersetzung abwägen können, um sich ein Urteil zu bilden.

1. Seit über drei Jahrzehnten beruht unser Jahrbuch auf einer von Claus Roxin entwickelten und bewährten, erfolgreichen und allgemein akzeptierten Konzeption, die ohne Not nicht hätte geändert werden dürfen. Nicht umsonst sprechen wir mit einem gewissen Stolz vom "Flaggschiff" unserer Gesellschaft, das in dieser Form ganz entscheidend zum hohen Ansehen der KMG in der literarisch interessierten Öffentlichkeit beigetragen hat.

2. Das Jahrbuch einer großen Literaturgesellschaft mit über 2.000 Mitgliedern, die ganz unterschiedliche Vorlieben und Interessen haben, lebt zweifellos von der Vielfalt und dem Abwechslungsreichtum seiner Beiträge, die von mehreren Autoren abgehandelt werden. Nur ein Thema und nur ein Autor widersprechen jedoch dieser Grundidee. Als goldene Regel hat sich in dieser Hinsicht folgender Ausspruch aus Goethes "Faust" bestens bewährt: "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen."

3. Zur Veröffentlichung von Monographien und größeren Forschungsarbeiten hatte der Vorstand erst vor wenigen Jahren eigens eine neue Publikationsreihe (Materialien zum Werk Karl Mays) geschaffen, in der bisher drei Titel erschienen sind, davon einer bereits in der zweiten Auflage. Warum konnte die Emma-Pollmer-Monographie von Gabriele Wolff nicht in dieser Reihe - und damit ohne jeden Zeitdruck, der jetzt beklagt wird - als eigenständiges Buch unter dem Namen der Autorin herausgegeben werden? Eine solche Lösung wäre für sie auch gewiß attraktiver gewesen.

4. Die Entscheidung von Hans Wollschläger hatte zur Folge, daß eine größere Zahl von Jahrbuch-Autoren, die ihre Beiträge bereits eingereicht hatten, auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden mußten. Dadurch wurde ein Aufsatz-Stau verursacht, den Herausgeber und Redaktion in den nächsten Jahren wie einen Berg vor sich herschieben werden.

5. Mit diesem Vorgang ist leider ein Präzedenzfall geschaffen worden, der uns in Zukunft vielleicht noch öfter Probleme dieser Art bescheren könnte. Die Verstimmung etlicher Autoren und der zu erwartende Ärger nicht weniger Mitglieder wären jedoch ohne weiteres zu vermeiden gewesen, wenn die Studie von Gabriele Wolff als eigenständige Publikation erschienen wäre. Jedenfalls bestand weder die zwingende Notwendigkeit noch gab es einen erkennbaren Grund, von der bisherigen Praxis abzuweichen. Zudem kann mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob es in der Kompetenz eines geschäftsführenden Herausgebers liegt, eine so weitreichende Entscheidung allein zu treffen - entgegen dem Rat vieler innerhalb und außerhalb des Vorstandes.

Hans Wollschlägers vorsorgliche Ankündigung, daß die Leser das Jahrbuch diesmal mit mindestens dreimonatiger Verspätung erhalten werden, ist ein zusätzlicher und unerfreulicher Nebeneffekt, der zu vermeiden gewesen wäre, wenn ... (s. oben!).

Abschließend möchte ich noch ausdrücklich feststellen, daß ich die Arbeit von Gabriele Wolff nicht kenne und daher auch nicht beurteilen kann, so daß meine Kritik in keiner Weise gegen die Autorin oder ihr Werk gerichtet ist.

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Zeitungs- und Zeitschriftenartikel-Archiv der KMG

Teil 2: 1913 - 1969

Geschafft: Bestandsliste online einsehbar! In Nr. 128 konnte man lesen: "Die Online-Recherche ist in Planung!" Das vorläufige Resultat ist unter http://sigbert.it-pc.de/ (auch von den KMG-Seiten aus erreichbar)zu besichtigen und zu benutzen.

Spart bitte nicht an euren Verbesserungsvorschlägen - wenns sein muss: auch Meckereien. Ganz wichtig: Liefert bitte Material: Wie bekannt: Kleine Mengen direkt zuschicken, bei größeren Mengen vorher Absprache.

Gute Kopien oder Originale schicken - Originale werden nach Wunsch natürlich auch zurückgeschickt. Und möglichst genaue bibliographische Angaben!

Teil 1 (bis 1912):

Wolfgang Sämmer, Sanderrothstraße 53a

97074 Würzburg - T: 0931- 7843448

Teil 2 (1913 bis 1969):

Sigbert Helle, Grundweg 5, 22850 Norderstedt - T: 040 528 11 92 / Fax: 089 2443 50737 - kmg-archiv@sigbert.de

Sigbert Helle

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Harald Eggebrecht

Empor, empor

In Luzern und auf der Rigi – der 16. Kongress der Karl-May- Gesellschaft

Wann es einen ergreift, das Karl-May-Fieber, kann niemand voraussagen. Aber wenn es so weit ist, dann packt es einen für eine schöne, meist unvergessliche Weile ganz. So auch Othmar Schoeck (1886–1947), einen der bedeutendsten Komponisten der Schweiz. Seine May-Lektüre enflammierte den Elfjährigen so sehr, dass er eine Oper "Der Schatz im Silbersee" komponierte, zu der der ältere Bruder Walter das Libretto verfasste. Old Shatterhand-Arien wie "Ich bin ein Mensch so gut wie ihr, aus Knochen Fleisch und Blut. Die Wildnis ist mein Aufenthalt, das macht mich zum berühmten Scout!" hätten gewiss kein Auge trocken gelassen. Eine Aufführung dieser kürzlich entdeckten Partitur, deren Musik von einigen Kennern, die schon Ausschnitte gehört haben, als überraschend kühn und gelungen bezeichnet wird, wäre wohl der Höhepunkt dieses Kongresses geworden.

Mays Dialoge eignen sich nämlich durchaus zur dramatischen Zurichtung. In der ehrwürdigen Luzerner Hofkirche wurde "Winnetous Tod" als nächtliches Melodram gegeben mit Orgelimprovisation und dem nobel gesungenen "Ave Maria" aus Mayscher Feder, ein sorgfältig gearbeiteter Chorsatz, dessen musikalische Reize groß genug sind, um auch harthörige Verächter von Liedertafeln zu faszinieren. Der sterbende Winnetou jedenfalls wollte von diesen traurig-süßen Klängen ins Jenseits geleitet werden. Die typische, dabei unnachahmliche Mixtur aus Sentimentalität, Weihe, Spannung und tieferer Bedeutung stellte sich ein und beeindruckte auch diejenigen, die immer wieder kopfschüttelnd staunen, wie es der sächsische Fantast geschafft hat, Unsterblichkeit zu erlangen mit seinen kruden Handlungen, seinen Riesenschlangenromanen und ihren deutschen Helden mit reinen deutschen Herzen.

Wieso ein Karl-May-Kongress in Luzern? Zwar hat Winnetou sogar in Dresden geweilt, doch weder Kara Ben Nemsi noch Old Shatterhand hatten je Abenteuer in der Schweiz zu bestehen. Aber ihr Erfinder besuchte auf der Höhe seines Ruhms als scheinbar weit gereister Schriftsteller dreimal die Schweiz, 1893, 1899 und 1901. Einmal mit seinem Freiburger Verleger Ernst Fehsenfeld, dann auf der Durchfahrt zur großen Orientreise, die May bis nach Sumatra brachte und mit einer Wirklichkeit konfrontierte, die die Unbekümmertheit seines Fantasierens durchbrach und ihm endgültig jene Pforten öffnete, durch die der Weg ins mystisch-symbolische Spätwerk führte. Sein letzter dreiwöchiger Aufenthalt im berühmten Nobelhotel auf der Rigi diente der Erholung und Vorbereitung auf die bitteren Kämpfe, die ihn in der Ebene erwarteten und bis zum Lebensende drangsalierten und zermürbten.

Kein Wunder, dass die Fahrt auf die Rigi zum hundertjährigen Jubiläum jenes Besuchs das i-Tüpfelchen der Tagung hätte sein sollen. Aber die Wolken hingen tief und ließen keinen Blick über die Berge oder zum Vierwaldstättersee hinunter zu. Dass May in jenen Tagen fleißig Gedichte klöppelte, in denen Berg und Tal nur so von "Sei mir gegrüßt" widerhallen und es ständig mit pseudokindlich-christlichem Augenaufschlag "empor, empor" geht, zeigt eine Broschüre, die Elmar Elbs, Hauptorganisator der Luzerner Tagung, zu den Schweiz-Besuchen Mays verfasst hat.

Dass diese Verse über biederes Reimeschmieden und schwer erträgliche Treuherzigkeit nicht hinauskommen, belegte der Bielefelder Germanist Wolfgang Braungart mühelos. Dass May in seinen Werken stets den Lehrer und Besserwisser herauskehrte, der sogar ausgewachsene Indianerhäuptlinge, gestandene Westmänner oder arabische Pferdezüchter abfragte, der Ahnungslosigkeit überführte, dann züchtigte oder ihnen großzügig vergab, führte Ulf Abraham aus Würzburg höchst vergnüglich vor. Darin noch übertroffen vom witzigen Vortrag Rolf-Bernhard Essigs (Bamberg), der nachwies, dass May als fröhlicher Schöpfer und Verdreher von Redewendungen, Sprichwörtern, Sentenzen und geflügelten Worten seinesgleichen sucht. Am Ende schlossen die Tagungsteilnehmer eine kleine Jubiläumstour ins Tessin auf den Spuren des Verehrten an. 2003 werden sich die Mayaner aus aller Welt in Plauen wieder versammeln.

Süddeutsche Zeitung vom Freitag, 5.10.2001

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Begrüssungsworte von Stadtrat Ruedi Meier, Sozialdirektor

Wo sind die Freunde, wo sind die Feinde?

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich weiss nicht mehr genau, wie und wann es dazu gekommen ist. Aber während meinerKindheit spielte ich schon sehr früh und dann über Jahre hinaus Indianer und Cowboy. Ich tat dies so intensiv und lange, dass sich mein Beziehungsumfeld die Frage nach einem Entwicklungsrückstand zu stellen begann.

Nun gut, mir gefiel‘s und meinen Spielkolleginnen und Spielkollegen auch. Und wenn ich mich heute umsehe und feststelle, welche Faszination die Welt des Wilden Westens verbreitet - bei glatzköpfigen Grossvätern, die krummbeinig mit Cowboy-Stiefeln und klimpernden Sporen die Strassen des 21. Jahrhunderts durchmessen, in Begleitung von mittlerweilen grauhaarigen Grossmüttern, hergerichtet als wunderschöne Squaws, so beschleicht mich ob dieser Erinnerung keine Scham. Im Gegenteil. Und wenn ich dann erfahre, dass es eine Karl-May-Gesellschaft gibt, die seit langem existiert, sich durch regelmässige Aktivitäten und Kongresse und breite Internationalität auszeichnet und über die emotionale Faszination hinaus mit rational-literaturwissenschaftlichem Ernst an die Sache rangeht, erst recht nicht mehr.

Aber zurück zur Kindheit, zu den Indianern und den Cowboys. Zweifellos war da am Anfang eine märchenhafte Faszination. Gut und böse spielte eine Rolle, gut war der Cowboy - ein Sieger, schlecht der Indianer - ein Verlierer. Aber schon bald kamen der ,,Lederstrumpf" und dann natürlich Karl May dazu. Aus mir Lesefaulpelz wurde eine Leseratte. Und damit differenzierte sich bei mir das Bild. Es gab nun böse Weisse - Männer mit Fäusten und Gewehren und Herren mit Zigarre und Schlips -, die mit allen möglichen, fiesen Tricks den Indianern ihr Land wegnehmen wollten und damit die amerikanische Urbevölkerung ihrer Lebensgrundlage beraubten. Und es gab gute Indianer, die ihre alten Rechte verteidigten, aber auch die Verständigung mit dem weissen Manne suchten. Die Freundschaft von Old Shatterhand und Winnetou prägte uns, und Karl Mays Sicht der Dinge - auch wenn es bei ihm nach wie vor viele Gute und Böse gab - vermittelte im Grund eine differenzierte und damit objektive Sicht auf dieses Kapitel der Geschichte. Die Aggressoren waren die europäischen Einwanderer und Unternehmungen, nicht die indianische Urbevölkerung. Diese Lektion ist mit Blick nach Westen - nebst den unzähligen interessanten Lesestunden für Millionen, die die Phantasie anregten und das Sprachvermögen förderten - Karl Mays grosses Verdienst und mir als Historiker und Politiker ein wichtiges Anliegen.

Aber bekanntlich gibt es auch einen Blick Karl Mays nach Osten. Ich kenne die Titel, ich habe die Bücher gelesen, ich liebe Hadschi Halef Omar so innig wie Sam Hawkens. Aber so genau vermag ich mich nicht mehr erinnern. Die Frage, welches Bild des Nahen und Mittleren Ostens das Werk Karl Mays im kollektiven Unterbewusstsein bei uns hinterlassen hat, scheint mir äusserst wichtig. Sollte sein Blick ähnlich vielfältig ausfallen wie jener auf die Auseinandersetzungen zwischen den Weissen und den Indianern, wäre dies sehr gut. Denn was wir heute und aus aktuellem und tragischem Anlass brauchen, ist eine äusserst differenzierte Sicht auf den islamischen geopolitischen Raum und die islamische Kultur insgesamt.

Sie sehen, ich schliesse meine Ausführungen quasi mit einem Auftrag bzw. einer Bitte an den Kongress.

Und nun heisse ich Sie im Namen der Stadt Luzern recht herzlich willkommen, danke Ihnen, dass Sie Luzern als Ihren Tagungsort ausgewählt haben und wünsche Ihnen einen erfolgreichen Kongress.

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Anja Tschakert

Kurzbericht von der Tagung

Diesen Bericht von der Tagung in Luzern fischten wir aus dem Internet. Die Autorin erlaubte uns, ihn für die Nachrichten zu verwenden. Wir bringen ihn auszugsweise.

Die Tagung begann zwar offiziell erst am Freitag nachmittag, das Karl-May-Programm der Karl-May-Freunde Schweiz aber schon am Donnerstag abend. Zum Anlaß des 100-jährigen Jubiläums "Karl May auf der Rigi" und "50 Jahre Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern" wurde in derselben eine kleine, aber nicht uninteressante Ausstellung von Mayensia eröffnet, die noch bis zum 15. Oktober zu sehen ist. Gleichzeitig wurde aber auch kräftig die Werbetrommel gerührt: Die Broschüre "100 Jahre Karl May in der Schweiz" und der Prachtband "Auf Karl Mays Fährte" von Gusky und Olbrich wurden vorgestellt, was vor allem den Karl-May-Verlag gefreut haben wird.

Am Freitag vormittag nahm ich an einem der angebotenen Stadtrundgänge teil, die mit Bravour und viel Sachkenntnis von Herrn Elbs Junior durchgeführt wurden. Luzern ist eine wirklich schöne Stadt, mit geschichtsträchtigen und ansehnlichen Gebäuden und Plätzen. Nur - die größte Dampfschiff-Flotte Europas hat Luzern nicht ... die Weiße Flotte auf der Elbe hat ein paar mehr zu bieten. Auch das "größte IMAX-Theater der Schweiz" konnte uns nicht so ganz beeindrucken, nachdem es sich um das einzige handelt.

Am Freitag ließ das Wetter sogar noch einige Stadt-Rundgänge und viele schöne Fotos zu. Pünktlich um 14 Uhr begann der offizielle Teil des Kongresses mit Einführungen von Elmar Elbs, Professor Wolff und Walter Ilmer, der, wie inzwischen zur Tradition geworden, die Moderation übernahm. Die beiden anschließenden Vorträge von Prof. Dr. Braungart und Frau Zahner über Lyrik und Erzähltheorie waren zwar sehr literaturwissenschaftlich gefärbt, nichts desto trotz aber recht kurzweilig anzuhören. Besonders gefreut hat mich - und viele andere auch, daß mit diesen beiden Vorträgen, wie auch mit denen am Sonntag vormittag, die jüngere Generation sich zu Wort meldete. Niemand kann behaupten, daß Karl May nur etwas für die "Alten" sei!

Der Videofilm von Maarten van Diggelen gab sich wieder einmal recht professionell von den Bildern her - die Tonqualität ließ jedoch sehr zu wünschen. Mit etwas weniger Rauschen und ausgeglichener Lautstärke wäre das ein wahrer Genuß gewesen. Die Auktion mußte leider ausfallen, da Thomas Grafenberg in Amerika festhing. Leider fehlte auch Meredith McClain im Publikum. So blieb uns noch etwas Zeit vor dem nächsten Highlight am Rande der Tagung, die wir im "Grande Café" des Hotels beim Abendessen verbrachten - angeregte Gespräche bei einem der vier "Karl-May-Menüs", die zu etwas günstigeren Preisen, aber nicht gerade magenfüllend, angeboten wurden.

Um 22 Uhr machten wir uns alle auf den Weg in die nahegelegene Hofkirche, wo mit viel Aufwand, Können und Liebe zum Detail die "Nocturne" aufgeführt wurde: Das Todesahnungs-Gespräch zwischen Winnetou und Old Shatterhand aus Winnetou III, ergreifend vorgetragen von den Sprechern Walter Bachmann und Peter Goetsch, das "Ave Maria" und "Vergiß mich nicht", gesungen von dem hervorragenden Ensemble Corund, ein Auszug aus "Et in Terra Pax", mit melodramatischer Orgel-Untermalung von Wolfgang Sieber, Texte und Gedichte gelesen von Paolo Brenni und Regula Jucker - ein einmaliges Erlebnis!

Die Mitgliederversammlung der KMG lief ziemlich geruhsam ab - bis die Sprache auf den nächsten Tagungsort kam. Herr Gusky fühlte sich vom neuen Vorstand grausam übergangen, da er für Naumburg schon diverse Vorbereitungen getroffen habe. Nachdem dieser Ort für die Tagung 2003 vom alten Vorstand praktisch beschlossene Sache gewesen sei - wovon der neue Vorstand allerdings scheinbar nichts gewußt habe - sei er vor der Stadt Naumburg nicht mehr glaubwürdig.

So, wie die Angelegenheit dann vom Vorstand dargestellt wurde, sei lediglich an die Stadt Naumburg (in der ich EIGENTLICH schon ganz gerne getagt hätte) ein Standard-Schreiben abgeschickt worden, daß erwogen werde, in Naumburg zu tagen, und daß Naumburg sich gerne schriftlich oder durch ein Mitglied der KMG bei der Mitglieder-Versammlung mündlich bewerben könne. Eine schriftliche Bewerbung lag dem Vorstand nicht vor. Die Bewerbung "im Namen der Stadt Naumburg" wurde auch nicht von Herrn Gusky abgegeben, sondern, um etwas Frieden zu stiften, von einem anderen KMG-Mitglied. Wie die Sache letztendlich tatsächlich abgelaufen ist, war für die Teilnehmer an der Mitglieder-Versammlung nicht nachvollziehbar. Allerdings hat Herr Gusky durch seinen cholerischen Auftritt bei vielen ärgerliche Reaktionen hervorgerufen und in die Tagung eine Mißstimmung gebracht, was nicht unerhebliche Auswirkungen auf die folgende Abstimmung hatte: mit großer Mehrheit wurde für Plauen als nächsten Tagungsort gestimmt.

Naumburg wäre schon schön gewesen ...

Es folgte, nach kurzer Mittagspause, der Abmarsch zur "Schifflände". Mit einem Raddampfer wurden wir zur Talstation der Rigi-Bahn geschippert. Noch hatten wir Hoffnung, daß auf der Rigi uns vielleicht doch ein bißchen Sonnenschein oder zumindest klare Sicht begrüßen werde ... Doch als wir auf dem königlichen Berg ankamen, hieß es: "Wie Sie sehen, sehen Sie NICHTS". Die Nebelsuppe beschränkte die Aussicht auf wenige Meter. Nur die ganz harten bestiegen auch noch den Aussichtsturm, um auch dort NICHTS zu sehen außer Nebel. Schade. Aber warum soll's uns besser gehen als Karl May seinerzeit? Wir hatten ja noch Glück, daß der vereinzelt in Klecksen auffindbare Alt-Schnee nicht noch "Nachwuchs" bekam ...

Am Sonntag wartete das Programm mit zwei weiteren Highlights auf: die Vorträge von Professor Dr. Abraham und Dr. Essig waren gehaltvoll und intelligent-witzig vorgetragen. Ein Genuß und ein würdiger Abschluß!

Das eigentliche Schlußwort von Professor Dr. Wolff wurde durch Herrn Ilmer vorweggenommen und damit fast abgewürgt ... bevor es Herr Elbs übernahm und an Herrn Gusky übergab. Irgendwie war dadurch das Ende des Kongresses recht abrupt und nicht stimmig. Schade.

Fazit:

Insgesamt war der Kongreß sehr schön, die Vorträge sehr gut recherchiert und hervorragend vorgetragen. Die Organisation der Schweizer Kollegen war überwiegend sehr gut - nur die Selbst-Beweihräucherung von Herrn Elbs empfand ich etwas störend.

Allerdings als Wermutstropfen: Die Schweiz ist und bleibt ein teueres Pflaster, und auch für die Freunde Karl Mays wurde da keine Ausnahme gemacht. Wer es wagte, am Kongreß teilzunehmen, hat für diese paar Tage, inklusive An- und Abreise, Ausflug auf die Rigi und Mahlzeiten in der Umgebung des Tagungshotels genausoviel ausgegeben wie für einen 14-tägigen Urlaub anderswo. Dabei sind die Schnäppchen, die man an den Büchertischen ergattern konnte, noch gar nicht mitgerechnet.

Für die Schweiz mag das Hotel und die Umgebung vielleicht nicht teuer gewesen sein, aber verglichen mit einem Mittelklassehotel einer vergleichbaren deutschen Stadt (von Größe und Bedeutung her) war es einfach nur geschmalzen.

Für diejenigen, die mit dem Auto angereist waren, kamen auch noch überteuerte Parkgebühren im Parkhaus (zwischen 24 und 28 Franken pro Tag!) oder ein 25-minütiger Fußmarsch (oder Busfahrt, Kosten einfach 2,20 Franken) noch dazu. Ich glaube, ich bin nicht allein mit meiner Meinung, daß ein Hotel mit dem Standort und der Größe des Tulip Inn zumindest ermäßigte Parkplätze in der Umgebung anbieten müßte.

Meiner Meinung nach war auch der Service und das Hotel selbst nicht den Preis wert: Beim Frühstück merkte man deutlich, daß das wenige Personal dem Ansturm von ca. 120 im Hotel übernachtenden Tagungsgästen nicht gewachsen war. Dabei finden hier und im Union-Hotel häufig Tagungen und Kongresse sowie sonstige große Veranstaltungen statt. Für mich sind deshalb die Engpässe beim Auffüllen des Buffets, das sich auf den Tischen stapelnde benutzte Geschirr und die z.T. langen Wartezeiten auf Kaffee und Tee nicht nachvollziehbar. Auch war das Umfang des Buffets der angeblichen Klasse des Hotels nicht angemessen.

Für behinderte Besucher / Rollstuhlfahrer ist weder das Tulip Inn noch das Union-Hotel, in dem gefrühstückt wurde, wegen Treppenstufen problemlos zugänglich, die Rezeption des Tulip Inn ist nur wenige Stunden am Tag besetzt, der Zugang dann nur über Umwege durch das Schwesterhotel Union möglich.

Die bereitgestellten Zimmer gehörten sehr verschiedenen Kategorien an, so wurde u.a. ein Zimmer, das ICH als Einzelzimmer angesehen hätte (1,40m-Bett, an der Wand stehend, ohne Nachtkästchen, eintüriger Schrank, ein Sessel, ein Stuhl, sehr schmaler Schreibtisch, sehr beengt) mit zwei Personen belegt, die hier auch ihren Urlaub verbrachten und insgesamt 14 Tage blieben. Für den gleichen Pauschalpreis, der nicht unbedingt günstig zu nennen ist, wie für die größeren Zimmer, nenne ich das nur eine Zumutung.

Aber alles in allem: Ich freue mich schon auf die nächste Tagung. Ich freue mich schon auf das Jahrbuch 2002, in dem die - zwar wegen der Reise auf die Rigi wenigen, aber sehr gehaltvollen und unterhaltsamen - Vorträge dieser Tagung enthalten sein werden. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen mit vielen guten Freunden und Treffen mit neuen Gesichtern. Ich freue mich schon auf gute Gespräche am Rande der nächsten Tagung. Ich freue mich ... auf Plauen.

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Nocturne in der Stiftskirche zu St. Leodegar im Hof, Luzern

Hier sollen ein paar Worte zu der Veranstaltung gesagt werden, die ausserhalb des offiziellen Tagungsprogramms angeboten wurde und am Freitag um 22:30 Uhr begann. Ein Nocturne ist - wie der Name sagt - eine Spätveranstaltung, manche mögen sich da schon zur Ruhe begeben haben; wer dieses Nocturne aber versäumte, ist um einen ganz besonderen Genuss gekommen. Etwa drei Minuten zu Fuss vom Kongresshotel in die hell angestrahlte Kirche und dann Eintauchen in eine andere Atmosphäre. Gedämpftes Licht, Stille, Andacht. In jeder Kirche herrscht feierliche Ruhe, lautes Sprechen verbietet die Sitte, und wenn Musik, dann weihevolle. Passt Karl May? Ja gewiss, und wie er passte. Die Konfession spielt keine Rolle, seine Gedanken treffen jeden nachdenklichen Menschen, seine Musik, die wir schon so oft hörten, entwickelt am Altar eine Faszination, der sich niemand entziehen kann. Seine Gedichte hören sich in einem solchen Gebäude anders an, auch diese wirken in die Tiefe in ungewohnter Kraft, sind Kunstwerke, wie gemacht für diese Hallen. Der Ablauf sah einen Dialog vor, wobei Winnetou seinem Blutsbruder seine Todesahnungen anvertraut. Zwei Sprecher brachten die Zuhörer zum Frösteln, sie und der gemischte Chor waren dezent schwarz gekleidet, man vergass dabei die Mikrofonhilfe. Und dann wuchtig und einfühlsam zugleich ein Auszug ‚Et in terra pax‘, ein Melodram für Sprechstimme und Orgel. Absolut perfekt arrangiert, dargeboten von Regula Jucker, der man die Theater-Erfahrung anmerkt, und als Meister am Instrument der Stiftsorganist Wolfgang Sieber. Hier sass jeder Ton, jedes Wort, jede Modulation war von unnachahmlicher Präzision, jede Pause, jeder Übergang absolut. Man musste schon ein ausgekochter Halunke sein, wem dieses Meisterwerk nicht auf die Seele wirkte. Nicht Trauer war das Ergebnis, Winnetou stirbt zwar, wir kennen die Szene, sondern Freude über die Grösse und Schönheit May-scher Empfindungen. Der Chorherr der Hofkirche sprach ebenfalls Worte mit ernstem, feierlichem Gehalt, gab seinen priesterlichen Segen. Dies war ein Geschenk der Schweizer Karl-May-Freunde an die KMG, eine grandiose Darbietung aller Beteiligten, die vorbereitet, geplant und aufgeführt haben. Schade, dass es sich hier um eine einmalige Angelegenheit handelte. Dank Euch allen aus tiefstem Herzen, liebe Freunde!

(Ein Bandaufnahme für CHF 20,- ist über H.Elbs erhältlich, elmarlotte@bluewin.ch)

dSch

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Markus Rudin, Basel

Auf den Spuren Karl Mays in der Schweiz

Sonntag, 23. September 2001

Eine gute Stunde nach dem Schlusswort von Prof. Wolff verstauten 50 KMG-Mitglieder ihr Gepäck im bereitstehenden Reisebus, chauffiert von Joseph Zempp. Ca. 13°°h begrüsste unsere charmante Reiseleiterin Regula Jucker die Reisegesellschaft und gab dem Chauffeur ein Zeichen zur Abfahrt nach Lugano.

Eine kleinere Reisegruppe unter der Leitung von Elmar Elbs fuhr mit der Bahn nach Lugano.

Am Vierwaldstättersee durch die bekannte Axenstrasse Richtung Gotthard fuhr uns der Chauffeur ohne Halt bis ins Hotel "Bellevue au Lac" in Lugano. Nach einem verregneten Stadtbummel trafen sich beide Reisegruppen wieder im Hotel.

Am Abend wurden die Karl May-Freunde durch den Hoteldirektor Charles Helbling begrüsst und dazu wurden Getränke und kleine Häppchen serviert. Die Dankesrede hielt Prof. Wolff.

Während dem Nachtessen, Polente mit Kaninchen, enthüllten Prof. Wolff und Charles Helbling die von Elmar Elbs kreierte Karl May-Gedenktafel unter grossem Applaus.

Um Mitternacht in der Hotelbar sangen Arthur Jucker, Elmar Elbs und Markus Rudin auf Wunsch von Hans Grunert das Lied "Vo Luzern gege Weggis zue".

Montag, 24. September 2001

Nach einem reichhaltigen Frühstück bestiegen wir in Lugano-Paradiso das Schiff nach Gandria. Gandria liegt am Fusse des Monte Brè und der Aufstieg zur Autostrasse konnte gleichzeitig mit der Dorfbesichtigung verbunden werden. Nachdem wir den Autobus wieder bestiegen hatten, fuhren wir durch den Zoll nach Italien. Die Reiseroute führte dem Luganersee entlang nach Menaggio am Comersee. Entlang dem Comersee fuhren wir weiter nach Gravedona zum Mittagessen. Da niemand von der Reisegesellschaft italienische Lira bei sich hatte, sprang Bankier Arthur Jucker mit einer Plastictüte voll Münzen und Noten ein. In Gravedona reichte die Zeit noch für einen kleinen Rundgang sowie zur Besichtigung der Ortskirche. Weiter führte die Reise über Chiavenna zum Maloyapass mit einer Höhe von 1815m über Meer. Dem Silsersee und dem Silvaplanersee entlang fuhren wir zu unserem Tagesziel St. Moritz. Unsere Reiseleiterin Regula Jucker verteilte die Reisegesellschaft auf die verschiedenen Hotels. Bis zum Nachtessen im Hotel Steinbock reichte die Zeit noch für einen Bummel in und um St. Moritz. Ich fand in der Buchhandlung die vom Karl-May-Verlag beanstandeten Bücher vom Omnibusverlag. Bei gemütlichen Plaudereien und Hirschpfeffer mit Spätzli beendeten wir unseren zweiten Reisetag.

Dienstag, 25. September 2001

Alle Hoffnung auf besseres Wetter hat sich bei einem noch verschlafenen Blick aus dem Fenster zerschlagen. Saichwätter sagen wir in der Schweiz. Dem Inn entlang fuhren wir nach Zuoz zu einem kleinen verregneten Rundgang. Der Chauffeur Joseph Zempp verblüffte uns mit seinen Fahrkünsten, waren die Gassen doch nur wenig breiter wie der Autobus. Die Fahrkünste wurden mehrmals mit Applaus belohnt. Die Reiseroute führte weiter nach Susch und über den Flüelapass mit einer Höhe von 2383m über Meer nach Davos. Über Klosters, Landquart und Sargans erreichten wir die Autobahn Richtung Zürich. Auf einer Autobahn- Raststätte hielten wir unsere Mittagspause ab, immer noch bei strömendem Regen. Dem Walensee entlang bis nach Pfäffikon am Zürichsee, weiter Richtung Schindellegi, Biberbrugg nach Einsiedeln. Während der Fahrt kommentierten Arthur und Regula Jucker mit vielen Details und Wissen die Reise. Nach Besichtigung der frisch renovierten Klosterkirche wurden wir von Bruder Gerold Zenoni im grossen Saal empfangen. Der Abt Georg Holzherr richtete sein Grusswort an die Karl-May-Freunde, Prof. Wolff dankte im Namen der Anwesenden.

Bestaunt wurde die im Kloster stattfindende Ikonenausstellung. In einem separaten Raum wurden die klösterlichen Karl-May-Schätze begutachtet und Bruder Zenoni musste viele Fragen beantworten. Der Höhepunkt war die Besichtigung der Stiftsbibliothek des Klosters.

Durch Initiative von Frau Botschen wurde eine geheime Sammelaktion durchgeführt und in der Stiftsbibliothek als passenden Rahmen wurden dem Reiseleiterehepaar Jucker die verdienten Präsente mit viel Applaus überreicht.

Nach dem Verlassen von Einsiedeln überraschte uns Petrus mit Sonnenschein, der uns bis Luzern den Heimweg zeigte. Als Trost für das missliche Wetter während dem Kongress und der Reise konnten wir auf dem letzten Teil der Reise noch den Rigi bewundern.

In Luzern ein grosses Abschiednehmen auf ein Wiedersehen in zwei Jahren in Plauen.

Der 16. KMG-Kongress in Luzern und auf der Rigi gehört der Vergangenheit an.

Trotz des mehr als garstigen Wetters, oder eventuell gerade deswegen wird der Kongress und die Reise "Auf den Spuren von Karl May in der Schweiz" allen in guter Erinnerung bleiben.

Vergessen wurde im Bericht die Bahnreisegruppe von Elmar Elbs, die in Einsiedeln wieder zu uns stiess und der Bahn treu blieb bis nach Luzern.

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Auf den Spuren Karl Mays in der Schweiz

23. bis 25. September 2001

Luzern - Lugano - St. Moritz - Einsiedeln - Luzern

Ein Reisebericht von Annelotte Pielenz

Sonntag, den 23. September 2001:

Um 13.30 Uhr bestiegen 50 Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft den Reisebus, der vor dem Tulip Inn Hotel in Luzern bereitstand. Die Tagung war vorüber, der Abschied von lieben Freunden, von denen man viele wahrscheinlich erst in zwei Jahren wiedersehen wird, war überstanden, und nun richteten sich unsere Gedanken erwartungsvoll auf die Erlebnisse, die vor uns lagen. Eins muß man sagen - der Schweizer Petrus hat offensichtlich nicht viel für Karl May und seine Freunde übrig. Ich kann mich nicht erinnern, in der Schweiz jemals so anhaltend schlechtes Wetter erlebt zu haben, wie in diesen Tagen.

Trotzdem genossen wir die Fahrt am Vierwaldstättersee entlang, auch wenn die Wolken tief hingen. Der See bot immer wieder schöne Ausblicke, die kurvenreiche Straße war ein Erlebnis, und wir stellten schon am Anfang der Fahrt fest, daß wir an Regula und Artur Jucker sehr kompetente Reiseleiter hatten, die unaufdringlich und mit viel Humor uns alles Wesentliche erklärten. Küßnacht, Weggis, Altdorf - wer denkt da nicht unwillkürlich an Wilhelm Tell und Schiller? Und manchem fiel auch gleich ein Zitat ein. Bei Vitznau ein düsterer Blick in Richtung Rigi, die wir wirklich in keiner guten Erinnerung hatten! Hinter Brunnen war ein Blick frei auf Seelisberg und den Schillerstein, dann kamen wir auf die berühmte Axenstraße mit den vielen überdachten Stellen. Zu unserer Freude schien plötzlich für einen Moment die Sonne und beleuchtete einige schneebedeckte Bergspitzen, die über dem Nebel auftauchten. Auf der gegenüberliegenden Seite war am Steilufer die Tellplatte zu sehen. Die Reuß begleitete uns bis zum Gotthard-Tunnel. 17 km ist er lang, und wir empfanden diese Durchfahrt wahrscheinlich alle als sehr unangenehm, weil uns die vielen Tunnelunglücke ins Gedächtnis kamen, die nun beim Schreiben dieses Berichtes leider auch für den Gotthard traurige Wirklichkeit geworden sind. Zudem war noch die Lüftung im Bus abgestellt, und wir atmeten auf, als wir endlich das Licht wieder erblickten. Leider war es ein sehr trübes Licht. Ich habe selber viele Male die Erfahrung gemacht, daß man aus dem Nebel in strahlenden Sonnenschein kommt, wenn man die Südseite der Alpen erreicht, aber heute begrüßte uns das Tessin mit noch trüberem Himmel. Doch das südliche Flair spürte man trotzdem - die Häuser sahen italienisch aus, neben den Kirchen aus grauem Naturstein reckten sich die schlanken Campanile in den Himmel, und der Ticino rauschte an unserer Straße entlang. Auch die Städte-namen klangen wie Musik - Faido, Airolo, Bellinzona. Durch den Nebel sahen wir wunderschöne Maronenbäume, die voller stacheliger Früchte hingen.

Gegen 16 Uhr waren wir in Lugano. Von oben herunter sahen wir auf den lieblichen See, der sich heute in graue Schleier hüllte. Wir waren gespannt auf unser Hotel, das Bellevue au Lac, in dem Karl May einst genächtigt und sein Gedicht ›San Salvatore‹ geschrieben haben soll. Das Hotel lag an der Seepromenade und übertraf alle unsere Erwartungen und tröstete uns darüber, daß man vom berühmten und oft gepriesenen San Salvatore nur die großen Zehen sah.

Im Hotel trafen wir auch wieder auf die kleinere Gruppe, die Herr Elbs mit der Bahn nach Lugano begleitet hatte.

Wir bezogen nur schnell unsere Zimmer mit Blick auf den See, dann trafen wir uns zum Stadtbummel. Leider regnete es, erst nur tröpfelnd, dann mit hartnäckigen Schauern, was das Vergnügen am Stadtbummel etwas dämpfte. Zusammen mit der Gruppe gingen wir die Seepromenade entlang, dann trennten sich die Grüppchen und schlenderten auf eigene Faust durch den Ort. Da gab es allerlei zu sehen - sehr schöne Läden, alte Kirchen, kleine Gäßchen, am Ufer die nachgebaute Fassade einer Kirche aus Rom, die ganz aus kleinen Holzplättchen gebildet war und sehr attraktiv direkt am Wasser stand. Aber bald wurde es uns zu naß, und wir kehrten ins Hotel zurück, um uns für den feierlichen Abendempfang umzuziehen.

Um 19 Uhr gab es uns - und Karl May - zu Ehren einen ›Apero‹, einen Empfang mit Aperitif im Hotel-Foyer. Kellner luden Platten mit köstlichem Knabberzeug auf kleinen Tischchen ab, eine verheißungsvoll aussehende Bowlenschüssel wurde bereitgestellt, und dann trat der stattliche Besitzer des Hotels, Herr Charles Helbling, vor die Gruppe und begrüßte uns mit einigen freundlichen Worten und erzählte vom Aufenthalt Karl Mays Ende März 1899 in diesem Hotel.

Anschließend begann das festliche Abendessen in dem sehr schönen Speiseraum. Es gab Salatbüffet, dann Polenta mit Kaninchenbraten (was der Hobble-Frank über ›Lapin‹ zu sagen hat, kann man nachlesen im Schatz im Silbersee, Union, Seite 284). Den Abschluß bildete ein ›Überraschungsei‹, eine leckere Süßspeise. Zwischen Hauptgang und Nachtisch erzählte uns Frau Jucker witzig und interessant von ihren frühen Erfahrungen mit Karl May, ihrer Enttäuschung über die ›Enthüllung‹, daß er nie wirklich gereist sei, und ihrer Erleichterung, als der Vater ihr erzählte, daß Karl May, wenn vielleicht auch nicht nach Amerika, dann doch nach Lugano gereist sei und in diesem Hotel, das dem Großvater gehört hat, nachweislich übernachtete.

Nach dem Abendessen hatte Herr Elbs eine Überraschung angekündigt. Mit Herrn Professor Wolff zusammen enthüllte er eine Gedenktafel im Andenken an den Aufenthalt Karl Mays in Lugano: eine stilisiertes Karl-May-Porträt mit einem aufgeschlagenen grünen Band und dazu das von ihm grafisch sehr geschmackvoll gestaltete Gedicht ›San Salvatore‹.

Wir saßen noch lange in netter Gesellschaft zusammen, bis wir uns müde und zufrieden in unsere Prunkgemächer zurückzogen.

Montag, den 24. September

Der erste Blick beim Aufwachen ging aus dem Fenster - aber ach! Nebel und Wolken, aber man konnte wenigstens einen Teil des San Salvatore sehen und am anderen Ufer den Monte Bré ausmachen, aber nach einem sonnigen Tessiner Tag sah es nicht aus. Nach dem Frühstück marschierten wir quer über die Straße zur Schiffslände und bestiegen die ›Paradiso‹ nach Gandria. Die Teilnehmer, die sich das Berg- und Talgelände Gandrias nicht zutrauten, stiegen in den Bus und erwarteten uns in Gandria. Das kleine Schiffchen fuhr uns kreuz und quer über den See. Eben vor Gandria winkte uns - zu unserem Erstaunen! ein Pärchen vergnügt zu, das augenscheinlich gerade ein Bad im See genommen hatte. Brrr! Aber Herr Jucker versicherte uns, daß das Wasser sicher 23° habe, was wir erstaunlich fanden. Gandria ist ein kleiner, romantisch direkt am relativ steilen Ufer gelegener Ort, der zur Hochsaison von Touristen überflutet ist. Schmale Gäßchen ziehen sich in verschiedenen Terrassen durch das Dorf, man muß immer entweder steil nach oben oder nach unten. Schwer haben es Zulieferer oder Hausfrauen, die ihren Einkauf nach Hause schaffen müssen, denn viele Häuser sind mit dem Auto nicht erreichbar, und die Waren müssen in Kiepen auf dem Rücken befördert werden. Heute waren wir so ziemlich die einzigen Touristen, wir standen in einem kleinen Grüppchen ganz allein hoch über dem See, der in dieser Stimmung einen unwahrscheinlichen Frieden ausströmte. Ganz still war es, keine Autos, kein Menschengewimmel, nur Himmel, See, Berge und wir - ein wunderschöner, verzauberter, unvergeßlicher Augenblick!

Beim Bummeln durch die Gäßchen kamen wir an einer kleinen Kirche aus dem 17. Jahrhundert vorüber. Sie war geöffnet, und wir traten kurz ein in das schlichte Gotteshaus. Wunderschöner Blumenschmuck zierte den Altar, und an einer Seitenkapelle fanden wir einen Opferkerzentisch mit elektrischen Kerzen, das mußte ich natürlich ausprobieren! Tatsächlich, steckte man einen Franken in den Geldschlitz, leuchtete eine der großen Kerzen auf! Wie lange sie wohl brannte? Leider konnten wir das nicht abwarten, wir mußten den Hang hinaufklettern, um den Bus nicht zu verpassen. Als wir noch da oben standen und warteten, kam ein Sonnenstrahl heraus und leuchtete auf den San Salvatore, wenn auch nicht ganz so wie im Gedicht Karl Mays:

Von goldnem Sonnenglanz belichtet,
Liegt weiß die Stadt am blauen See,
Ein Märchen, von Gott selbst gedichtet,
Und seine Güte ist die Fee.
Grünsammt'ne Matten zu den Füßen,
Stehn eng die Bergeswächter da.
Gebenedeit von dir, der süßen
Kapelle Salvatoria.

Nun fuhren wir lange am schönen Ufer des Luganer Sees entlang. Nach kurzer Fahrt mußten wir durch den italienischen Zoll, aber wir sahen wohl Vertrauen erweckend aus, denn weder wurde unser Paß verlangt noch wurden wir nach Schmuggelware durchsucht. Wir bewunderten unseren Fahrer, der mit großer Geschicklichkeit die schmale, kurvenreiche Straße meisterte, sich auch nicht vom Gegenverkehr beirren ließ, obgleich wir manchmal die Luft anhielten, wenn ein Lastwagen uns in einer Kurve entgegenkam. Aber es gab wenig Verkehr hier, und unsere Nerven wurden nicht sehr strapaziert. Nachdem wir den See verlassen hatten, fuhren wir ›über Land‹ durch kleine, schlichte Dörfer und Städte bis an den Comer See. In Gravedona, einem malerischen Ort am See, machten wir Mittagspause. In einer kleinen Bodega mit Blick auf den See war für uns der Tisch gedeckt. Es war gemütlich und anheimelnd in dem hellen Raum mit den langen Tischen. Es gäbe nur ein ›einfaches Mahl‹, hieß es, aber die leckere Pasta Bolognese, der grüne Salat und das Stück Rum-Zitronenkuchen waren ausnehmend wohlschmeckend und reichlich. Auf dem Tisch standen echte italienische Keramikkrüge mit Wasser und köstlichem weißen Landwein, von dem jeder nach Belieben nehmen konnte und der bis zum letzten Tropfen ausgetrunken wurde! Bevor wir wieder den Bus bestiegen, hatten wir noch Zeit für die Besichtigung eines Kirchenkomplexes am See, dessen Ursprung im 5. Jahrhundert lag: ›St. Maria del Tiglio‹ - die ›Maria zur Linde‹.

Nun ging es weiter Richtung Maloja Pass. Der nächste größere Ort, den wir durchfahren, ist Chiavenna. Dann beginnt schon bald die Paßstraße. Nun bin ich wirklich traurig, daß wir so im Nebel fahren, denn die Fahrt nach Maloja ist bei gutem Wetter ein wunderbares Erlebnis. Aber auch noch so können wir uns an den stolzen Bäumen am Weg freuen, die steilen Kurven bewundern und uns vorstellen, wie man hier wohl mit Pferd und Wagen oder der Postkutsche hinauf- und hinunterfuhr - wie zum Beispiel Goethe.

Hin und wieder wurde uns ein Blick in die Schluchten und auf die Berge gegönnt, aber es war zu diesig, um einen Blick auf das Bergell-Städtchen Soglio zu erhaschen, auch sah man nichts von den herrlichen Eßkastanienhainen, die sich die Hänge hinunter ziehen. Nach einigen atemberaubend engen und steilen Kurven waren wir plötzlich auf der Paßhöhe in 1815 m. Hier ist man an der Wasserscheide zwischen Schwarzem Meer und Adria. Vorbei ging es an einem pompösen schloßähnlichen Bau, dem ›Maloja-Palace‹, , das sich einst samt Burgruine ›Belvedere‹ ein belgischer Graf hat bauen lassen, um hier die europäische Aristokratie zu empfangen. Auf dem Friedhof des Ortes Maloja liegt der bekannte Engadiner Maler Giovanni Segantini (1858-1899) begraben. Nun sind wir im Ober-engadin, einer Hochfläche in ca. 1800 m Höhe. Eine lange Seenplatte zieht sich hin bis St. Moritz: der Silser See, an dem Sils liegt, in dem Friedrich Nietzsche von 1881-1888 gewohnt hat. Am Ufer gegenüber liegt der Ortsteil Sils-Maria. Von dort geht das Fextal in die Berge hinein, wo der Inn entspringt, der uns von hier an neben der Straße begleiten wird. Der Silvaplana-See ist ziemlich groß und im Sommer ein Paradies für Surfer. Über Silvaplana geht es nach Champfèr, und dann liegt St. Moritz vor uns. Der Ort besteht aus den Ortsteilen St. Moritz Bad unten am See, wo der Inn in den St. Moritzer See fließt, und dem ›Dorf‹, das sich am Hang hinaufzieht. St. Moritz ist kein besonders attraktiver Ort. Neben schönen alten Bauten wie zum Beispiel dem ›Palace-Hotel‹ oder dem ›Carlton‹ sieht man scheußliche moderne Wohnsilos zwischen alten Häusern im ›Engadiner Stil‹. Vielleicht drückte auch das Wetter aufs Gemüt, daß wir uns St. Moritz etwas kritisch näherten.

Gegen 14.30 Uhr waren wir schon am Hotel ›Steinbock‹, wo die meisten unserer Gruppe ihre Zimmer bezogen; einige wurden zum ›La Margna‹ geschickt, und der Rest, darunter wir, mußten den Berg hinauf ins Kleinhotel ›Languard‹. Wir waren erst etwas enttäuscht, daß wir nicht im Hotel wohnen konnten, wo es das Abendessen gab, aber als wir dann, liebevoll begleitet und betreut von Herrn Jucker, unser Zimmer sahen, waren wir total ausgesöhnt. Uns blieb beinahe die Luft weg - so ein schönes Zimmer hatten wir nur selten in unserem Leben gehabt, und schon im ersten Moment bedauerten wir zutiefst, daß es nur für eine Nacht war! Zwei große Panoramafenster ließen uns auf den See und auf den Rosatsch schauen - jedenfalls auf das, was von ihm zu sehen war. Manchmal leuchtete ein Schneefeld vom Corvatsch herüber, und auch der schönste Berg der Gegend, La Margna, zeigte sich kurz. So schön wie der Blick war das ganze Zimmer - sehr groß, mit Sitzecke, Schreibtisch, großen Schränken, alles mit Holz vertäfelt. Sehr vergnügt genossen wir die Aussicht und machten uns dann auf den Weg zu einem Bummel durch St. Moritz. Bei ›Hanselmann‹ tranken wir Kaffee, aber da ist es auch nicht mehr wie früher, weder der Kuchen, noch der Kaffee noch die Bedienung! Wir liefen durch die Einkaufsstraßen, die merkwürdig verlassen wirkten, man merkte, daß die Saison vorbei ist und erst wieder mit den Skifahrern auflebt. Wir sahen den ›Schiefen Turm‹, der zwar fast so schief steht wie der von Pisa, aber nicht so bekannt ist. Auch den Turm des Segantini-Museums konnten wir sehen, aber heute ist Montag und geschlossen, schade. Dann gingen wir zum See hinunter und zum ›Bad‹, besuchten die alte, ehemalige Englische Kirche, einen neugotischen Bau vom Ende des 19. Jahr-hunderts, der von innen sehr hübsch modernisiert worden war, und machten uns dann bei Nieselregen und Windböen auf den Heimweg.

Um 19 Uhr gab es ein Essen im ›Steinbock‹. Es war schön für uns gedeckt in dem Terrassenraum mit Blick auf den See, leider war es jetzt stockdunkel. Uns wurde Hirschgulasch mit Beilagen serviert, was uns sehr gut schmeckte, und man konnte sich noch eine zweite Portion nachgeben lassen! Spät war es, als wir uns auf den Weg bergauf zum ›Languard‹ machten, um noch kurz den Luxus unseres schönen Zimmers zu genießen.

Dienstag, den 25. September

Ein Blick aus dem Fenster zeigte uns, daß das Wetter auch heute kein Einsehen mit uns hatte, also nahmen wir es mit Fassung. Der Wetterbericht hatte Schnee auf dem Julier-Paß gemeldet, es wurde umdisponiert, und wir fuhren statt dessen ein Stück durchs Unterengadin und dann über den Flüela-Paß. Bei leichtem Regen fuhren wir vorüber an Celerina und Samedan, wo man den Flugplatz so vergrößert hat, daß die Reichen mit ihrem Privatjet dort landen können! Weiter ging es, immer am Inn entlang, vorüber an Madulein, wo es ein großes Internat gibt, und dann nach Zuoz. Hier machten wir einen kurzen Besichtigungs-Halt, denn Zuoz ist ein besonders typischer Engadiner Ort mit wunderschönen alten Häusern, die mit Sgraffiti, einer speziellen Dekorationstechnik der Renaissancezeit, verziert sind. Das gotische Pfarrhaus und die Kirche stammen aus dem 16. Jahrhundert. Besonders gefiel uns das Plantahaus am Marktplatz mit seiner schönen Außentreppe und dem vielen Blumenschmuck, das der Stammsitz der mächtigen Patrizierfamilie Planta war. Am Rande des Ortes gibt es ein Mädchenlyzeum, das sich mit seinen großen, etwas verfallenen Gebäuden am Hang hinzieht. Leider regnete es noch immer, so stiegen wir gern wieder in den Bus.

Nun ging es in schmalen Kehren zum Flüela-Pass hinauf, und wieder bedauerten wir, daß wir keine Sicht hatten. Hin und wieder leuchteten Schneegipfel auf, aber das so eindrucksvolle Alpenpano-rama blieb ziemlich verhüllt. Auf 2.383 m Paßhöhe hielten wir zu einem kurzen Fotostop, dann ging es hinunter ins Tal Richtung Davos. Früher war Davos ein berühmter Luftkurort für Tuberkulosekranke, aber auch heute hat es noch einen guten Namen, besonders als Wintersportort. Immer weiter hinunter ging es nach Klosters, wo Prinz Charles mit seiner Familie regelmäßig Urlaub macht. In Küblis ist der Endpunkt der mit 23 km längsten Skipiste, die am Weißhorn beginnt. Wir fahren an der Landquart entlang, die in den Rhein mündet und sich durch eine enge Schlucht an der Straße quetscht. Dann kommen wir ins breite Rheintal, an Maienfeld vorüber - hier ist ›Heidiland‹, in dieser Gegend hat Johanna Spyri ihre Geschichte um das Schweizermädchen spielen lassen.

Rechts geht nun der Weg nach Liechtenstein, und auch der Rhein biegt ab. Am Walensee fahren wir vorüber, und dann gibt es Mittag in der sehr schönen Raststätte ›Marché‹. Frisch gestärkt machen wir uns nun auf zum letzten Punkt unserer Reise, nach Einsiedeln, wo wir wieder mit der Gruppe von Herrn Elbs, die aus Lugano kam, zusammentrafen. Leider regnet es wieder in Strippen, als wir dort aussteigen, so flüchten wir uns schnell in die große Klosterkirche.

Einsiedeln wurde im Jahre 934 von einigen Mönchen als Benediktinerkloster gegründet. Der jetzige Bau, den wir bewundern dürfen, ist der sechste, spätes Barock, mit seinen verspielten Formen und dem Farbenreichtum schon zum Rokoko hindeutend. Hier ist alles Gold, was glänzt, verrät uns das Faltblatt. Und es glänzt uns vieles entgegen, an der bemalten Decke, dem reich geschmückten Altar, der Weihnachtskuppel, die über unseren Köpfen die Geburt des Herrn darstellt. Frappierend ist der dreidimensionale Eindruck, den das Chorgitter vermittelt - die Perspektive ist ungewöhnlich und sehr dekorativ.

Die Gnadenkapelle im vorderen Teil des Kirchenschiffs beherbergt die ›Schwarze Madonna‹, das Hauptziel aller Wallfahrer, und wenn die Schwärze etwas nachließ, halfen die Mönche mit etwas Farbe nach. An der Wand am Eingang hängen Votivtafeln aus vielen Jahrhunderten, mit denen sich die Gläubigen für Errettung aus Not und Krankheit bei der Madonna bedankten, in oft rührend naiven Malereien.

Nun aber ist es Zeit für den Besuch bei Bruder Gerold, der uns zur Besichtigung der Klosterbibliothek eingeladen hat. Erst einmal werden wir von ihm und später auch vom Abt des Klosters begrüßt. In einem Saal liegen auf einem langenTisch die Karl-May-Schätze des Klosters aus, für uns ›Insider‹ nicht besonders aufregend, außer vielleicht die sehr schön erhaltenen Marienkalender, die manche mit begehrlichen Augen bewunderten. Dann wurden wir durch das Internatsgebäude zur Klosterbibliothek geführt. Ha, da lacht das Herz eines jeden Büchernarren! In dem barocken Raum waren bis unter die Decke die Bücherregale gefüllt mit Folianten aller Größen und aller Zeiten. Wie gern hätten wir ein wenig geblättert, aber das war leider, auch verständlicherweise, verboten! Aber wir hörten von Bruder Gerold allerlei Geschichten über berühmte Besucher wie James Fenimore Cooper oder Hans Christian Andersen, Goethe natürlich, die hier gestanden und dieselben Bücher bewundert haben.

Nun aber heißt es Abschiednehmen. Nach einigen freundlichen Worten von Bruder Gerold und Herrn Professor Wolff und der Übergabe eines Dankgeschenks an unsere beiden Reisebegleiter, Frau und Herrn Jucker, machten wir uns auf zum letzten Teil der Reise. Es hatte aufgehört zu regnen, und so konnten wir uns noch am Blick auf den Vierwaldstättersee erfreuen und sogar ein bißchen von der Rigi sehen. Der Kreis hat sich geschlossen, Luzern hat uns wieder! Wir wurden noch zum Hotel ›Alpha‹ gefahren, wo wir unsere letzte Nacht in der Schweiz verbrachten, dann ging es wieder heim.

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Botschafterin der KMG in den USA:

Meredith McClain

Sie kam aus Lubbock und ahnte nicht, welche Bedeutung ihre Heimat für viele deutsche Leser besaß. Ahnungslos fügte sie bei Ihrer Vorstellung im alten Kontinent hinzu:

"Das liegt im Llano Estacado!"

So etwa begann ihre Bekanntschaft mit Karl May. Heute aber ist sie die Botschafterin der KMG in den USA. Sie war aber auch stets eine Botschafterin der USA in Deutschland, indem sie den Kontakt ihrer jungen Mitbürger mit Deutschland vermittelte. Davon ist viel in der nachstehenden Laudatio zu lesen.

Und sie lud uns von der KMG in den Llano ein - und viele andere noch. Wir erlebten Karl Mays Traum von der neuen Welt in der heutigen Wirklichkeit des amerikanischen Südwestens. >Die erfolgreichste Veranstaltung der KMG<, so nannte ich zum Erstaunen des KMG-Vorstandes die Winnetour I (1995). Aber Meredith McClain ist nicht nur "a Marvel", sie schafft auch Wunder! [ebo]

Wenn wir hier nun mit einem Geburtstagsglückwunsch einen weiteren Schwerpunkt zu unserem bekanntesten Mitglied in den USA beginnen, dann ist das kein Zufall. Karl May, durch den wir alle uns schließlich kennengelernt haben, glaubte ohnehin nicht an den Zufall.

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Engelbert Botschen

Meredith McClain zum 60. Geburtstag

 

In diesem Jahr, liebe Meredith, vereinen sich Deine Freunde in Deutschland und staatliche und private Institutionen, um Dir für ein Werk zu danken, das unser Leben und unsere Erfahrung bereichert hat. Noch oft denke ich an den Kongreß in Dresden 1993, auf dem Du Dich mit einem faszinierenden Vortrag über Deinen Weg zu Karl May - und natürlich über den Llano Estacado vorstelltest. Und dann ludest Du uns ein, Dich und Dein Land zu besuchen. Die erste Winnetour wurde geboren: 1995 waren wir mit 44 Gästen aus Deutschland bei Dir in Lubbock, erlebten unvergeßliche Tage bei Deinen Freunden und fuhren mit Dir durch den Südwesten (Texas und New Mexico). Wir erlebten Karl Mays Traum, besuchten das Mescalero-Reservat und das Pueblo Taos zum erstenmal, waren in Santa Fe und Albuquerque.

Weitere Reisen mit Dir folgten, an der viele Mitglieder der KMG teilnahmen. Wir kletterten mit Dir durch die Carlsbad Caverns, wanderten durch die Gipswüste White Sands und den Big Bend National Park, fuhren über den Rio Grande nach Mexico und besuchten schließlich auch das sagenhafte Pueblo Acoma; wir trafen Dich aber auch in Bad Segeberg oder in Old Texas Town in Berlin.

Im vergangenen Jahr konntest Du in der Texas Tech University Lubbock zusammen mit der KMG das erste interkontinentale Symposium über Karl May abhalten. So wurdest Du in knapp einem Jahrzehnt zur Botschafterin der KMG in den Vereinigten Staaten. Aber ich will nicht vorwegnehmen, was auf den folgenden Seiten zu und von Dir gesagt wird.

Wir danken Dir für Deine Freundschaft.

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Meredith McClain in Düsseldorf geehrt

Lucius D. Clay-Medaille für Prof. Dr. Meredith McClain

Wer in den KMG-Nachrichten 128 die Seite 15 aufmerksam gelesen hat, weiss schon, dass am 6. Oktober 2001 eine besondere Ehrung für unser Mitglied aus Texas vorgesehen war. Die Ereignisse vom 11. September in N.Y. und Washington D.C. machten erschreckend deutlich, dass Wasser, also der Pazifische Ozean zwischen Düsseldorf und Lubbock/Tx., keine Balken hat. Würde der Flugverkehr bis Anfang Oktober wieder normal abgewickelt werden können? An Lucius Clay, Organisator der Luftbrücke von Berlin, wurde in diesen Tagen oft gedacht. Die nach ihm benannte Medaille ist die höchste Auszeichnung der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft, sie wird seit 1980 verliehen an eine Persönlichkeit, die einen herausragenden Beitrag zur Vertiefung der deutsch-amerikanischen Freundschaft geleistet hat. Und der 6. Oktober ist ein Tag von historischer Bedeutung, an diesem Tag im Jahre 1683 legte mit der "Concord" die "deutsche Mayflower" in Philadelphia an und brachte als erste grössere deutsche Gruppe Mennoniten aus Krefeld, in den nächsten 300 Jahren folgten mehr als sieben Millionen deutsche Siedler. Seit 1983 wird der 6. Oktober zum Deutsch-Amerikanischen (Feier-) Tag.

Der Radschlägersaal der ‚Rheinterrasse‘ in Düsseldorf war feierlicher Ort für die Begrüßung durch Bruni Pütz, die Präsidentin der Dt.-Am.Clubs e.V., Ursel Giesecke, Präsidentin des Dt.-Am. Freundeskreis Niederrhein e.V. und für Grussworte von US-Botschafter Daniel R. Coats, General Carlton W. Fulford jr. (Deputy Commander in Chief) und Düsseldorfs OB Joachim Erwin. Die Laudatio hielt Frau Dr. Maria von Katte aus Wust, dem kleinen Örtchen zwischen Tangermünde und Rathenow, wo Prof. McClain nach dem Mauerfall mit Sprachkursen begann und bald eine kulturelle Hochburg schuf. Immer wieder kreuzt Karl May in McClains Leben auf, man lese im Jb-KMG 1994 den amüsanten Bericht ihres May-Werdeganges nach. Und das war denn auch ein bedeutsamer Teil der Laudatio: Ihre Aktivität für May und seine Welt, für die vielen Fäden, die sie über den grossen Teich hinweg spann; wer sie persönlich kennt, spürt ihre unglaubliche Energie, die Intensität ihrer Bemühungen um Verständigung ohne Sprachbarrieren. In ihrer Dankesrede beeindruckte sie durch ihr Bekenntnis, jungen Menschen Achtung vor Fremden beibringen zu wollen und aus Fremden dann Freunde zu machen. Viele Schüler und Austauschstudenten waren im Saal anwesend, der Berufs-Botschafter Coats nannte sie ‚junge Botschafter‘ in der Völkerfreundschaft, ganz im Sinne von Mayschen Friedensgedanken. ‚Tragt Euer Evangelium hinaus ...‘, das kann nach den Terrorattacken doch nur heissen, sich noch enger an Freunde in aller Welt anzuschliessen, z.B. in Dt.-Am. Clubs, wozu Präsidentin Pütz aufrief, und Fremdsprachen lernen.

dSch

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Laudatio auf Meredith McClain

anläßlich der Verleihung der Lucius D. Clay Medaille

durch den Verband der Deutsch-Amerikanischen Clubs e.V.

am 6. Oktober 2001 in Düsseldorf

Laudatorin: Dr. Maria von Katte, Wust

Freunde Amerikas - und das heißt noch immer: der Neuen Welt -, Freunde unseres Landes,
liebe Laudanda Meredith McClain,

wie ging es eigentlich los? Ich meine, mit der Freundschaft damals. Für einige von Ihnen sind die Jahre nach 1945 noch erlebte Geschichte. Ob Sie Heranwachsende oder Kinder gewesen sind, Sie erinnern sich an zerbombte und ausgebrannte Häuser, an Flucht und Vertreibung, an Einquartierung, an fehlende Geschwister, an ferne Väter und an verzweifelte Mütter, an eine sowjetische, eine amerikanische, eine britische und eine französische Zone, an Care-Pakete und an ausländische Soldaten, die Schokolade verteilten. Heute, 56 Jahre danach, sind die Jahre bis zu Gründung der Bundesrepublik im Sommer 1949 historisch immer noch nicht voll erschlossen. Sogar die Erinnerungen deutscher Politiker sind in dieser Hinsicht wenig aufschlußreich, da die Schwierigkeiten, vielleicht auch Fragwürdigkeiten des Anfangs meist ausgespart blieben und der Fortgang umso stärker beleuchtet wurde. Es handelte sich um einen deutschlandintern und international vielschichtigen Prozeß mit verschiedenen Interessenrichtungen, und manches Rätsel einer politischen Entscheidung aus den Anfangsjahren wird sich wahrscheinlich nicht mehr lösen lassen.

Einen Mythos haben wir aber klar bewahrt, nämlich den des Armeegenerals Lucius DuBignon Clay, geboren 1897 und gestorben 1978. Vier bewegte Jahre hindurch residierte Clay in Berlin und in Frankfurt und er gilt als einer der Gründerväter der Bundesrepublik. John McCloy, der sich zu Beginn für seine Verwendung eingesetzt hatte und später sein Nachfolger im Amt des Hochkommissars wurde, hat den General als Prokonsul für Deutschland bezeichnet. Es herrschte überwiegend die Ansicht, daß Clay Deutschland mit "wohlwollendem Despotismus" aus der totalen Niederlage zu Demokratie und Wohlstand geführt habe. Für diese Seite hat er als "Vater der Luftbrücke" während der Berlinkrise die Westsektoren der Stadt und damit auch Westdeutschland, ja viellleicht ganz Westeuropa, vor dem Zugriff der Sowjets bewahrt. Seine Kritiker hingegen weisen ihm eine Hauptrolle beim Ausbruch des Kalten Krieges zu, und sie halten ihn verantwortlich für die "Restauration" in Westdeutschland, für dessen "verhinderte Neuordnung" und mißglückte Entnazifizierung.

(Hier und im folgenden: Wolfgang Krieger, General Lucius D. Clay und die amerikanische Deutschlandpolitik 1945-1949. 2. Aufl., Stuttgart 1988.)

Angesichts der in höchstem Maße schwierigen Aufgabe, die Clay damals gestellt war, traten seine ungewöhnlichen Fähigkeiten hervor und kamen zur Geltung: Er besaß Scharfsinn, und er besaß Klugheit, er hatte eine glänzende Art, schwierige Fragen direkt anzugehen, er besaß die seltene Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge darlegen zu können und verfügte dabei über ein enormes Fakten- und Zahlengedächtnis. All dies beeindruckte den amerikanischen Kongreß und seine Verhandlungspartner in Europa gleichermaßen, seine politischen Gegner ebenso wie die Journalisten. Seine Intelligenz und sein Charme ließen kaum jemanden unbeeindruckt. Hierüber gibt es zahllose schriftliche und mündliche Zeugnisse.

Deutschland war für Clay kein ganz unbekanntes Land gewesen. Er war zum ersten Mal 1918 mit Europa in Berührung gekommen, als er zum Abschluß seiner Kadettenausbildung in West-Point mit 21 Jahren die europäischen Schlachtfelder bereiste. 1926 hatte er eine private Reise nach Deutschland gemacht und es 1934 noch einmal in offizieller Mission besucht. Seine Eindrücke von damals mögen auch nach Kriegsende noch eine Hilfe gewesen sein, indem sich Veränderung und Kontinuität in Deutschland leichter abschätzen ließen.

Die Luftbrücke nach Berlin während der Blockade von 1948/49 hat Clays Mythos begründet. Er selbst bewunderte den erbitterten Widerstand der Berliner in ihrer Abgeschnittenheit und beschwor seine Regierung, als sie noch geteilter Meinung über die möglichen Maßnahmen war, vielleicht einmal zu erwägen, daß "diese 4,5 Millionen Deutschen menschliche Wesen sein könnten, die ihr Land lieben". Wenige Politiker - deutsche eingeschlossen - waren bei der Westberliner Bevölkerung so populär wie Lucius Clay und später John McCloy.

Die ursprüngliche Bundesrepublik Deutschland besitzt keinen eigenen Gründungsmythos. Sie hat sich nicht selbst erschaffen, sondern dies geschah in enger Anlehnung an die Siegermächte. Sicherlich hat die Deutsche Demokratische Republik hier einen Vorteil gehabt, in dem die kommunistischen Opfer vor und während der Nazizeit das Fundament eines Gründungsmythos bildeten. In mancher staatlichen Neugründung stecke ein Opferstein, so schrieb Fontane, fast eineinhalb Jahrhunderte zurückblickend, im Falle Preußens. In der gelernten Demokratie der Bundesrepublik haben die Besiegten dem beliebten General immerhin hohe Ehrungen zuteil werden lassen, wie sie in der gesamten Weltgeschichte nur selten zu verzeichnen sind.

In seinen 1950 veröffentlichten Memoiren Decision in Germany schrieb Clay am Schluß: "65 Millionen Menschen können nicht über die Jahre hinweg gegen ihren Willen voneinander getrennt gehalten werden". Daß dies sehr wohl möglich ist, wissen wir heute besser, obwohl die amerikanische Deutschlandpolitik die Teilung Deutschlands nicht anstrebte, über lange Zeit auch keinen Weststaat. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß Clay aus Atlanta in Georgia stammte und daß die Erfahrungen des Amerikanischen Bürgerkriegs in seiner Familie noch lebendig waren. Sein Vater hatte sich als liberaler U.S. Senator für die grundlegenden Rechte der Bundesstaaten eingesetzt. An der Spitze der Militärregierung in Deutschland stehend, soll der Sohn Lucius gesagt haben: Wir sind keine "carpet baggers" - ein Hinweis auf die zweifelhaften Besatzer aus den Nordstaaten, als sie sich der zerstörten und gedemütigten Südstaaten bemächtigten. Den Ausschlag für die Zweiteilung Deutschlands gaben nicht politische Präferenzen, sondern letzten Endes die sicherheitspolitischen Belange der Vereinigten Staaten.

Mit dem Fall der Mauer zwischen beiden deutschen Staaten im Herbst 1989 und mit dem folgenden Truppenabzug ist die von den USA in den ersten Nachkriegsjahren angestrebte Entwicklung nach einer Verspätung von 40 Jahren zu ihrem Ende gelangt. Meredith McClain, die im Krieg geboren wurde und somit die Generation nach Clay verkörpert, hat 1990 nicht einen Moment gezögert, sich mit der Kraft ihrer ganzen Persönlichkeit für die neue Situation in Deutschland einzusetzen, indem sie sich besonders dem östlichen Teil zuwandte. Wo lagen die Beweggründe für sie?

Meredith McClain ist die Tochter eines Rechtsanwalts und demokratischen Politikers von Texas. Während ihrer Jugend in Georgetown wurde eine enge Verbindung und geistiger Austausch mit einer deutschen Familie gepflegt, die die Erfahrung eines Konzentrationslagers hinter sich hatte. Eine ebenfalls aus Deutschland stammende Dame vermittelte dem jungen Mädchen und ihrem Bruder die ersten Deutschkenntnisse, worauf die Eltern Wert legten.

Ihre erste längere Erfahrung mit dem fremden Kontinent machte Meredith McClain während ihres Studiums. Sie studierte damals Querflöte am Oberlin College in Ohio. Gleichzeitig hatte sie Deutsch belegt, denn sie plante, das akademische Jahr 1963/64 am Mozarteum in Salzburg zu verbringen. Die formbegabte und von Musik überbordende Stadt in barock geprägter Landschaft war also ihr erster Eindruck von der Puppenstube des alten Europa. Sie ergänzte diesen Eindruck 1966/67 im gegensätzlich gearteten Berlin, wo sie an der Freien Universität Germanistik studierte und zugleich bei Karl-Heinz Zöller Flötenstunden nahm. Die geteilte Stadt hat die Studentin zu einer Zeit bewußt beschäftigt und unbewußt geprägt, als sich die fortschrittliche deutsche Jugend gegen die USA, gegen den Imperialismus und gegen den Kapitalismus bekannte. Sie lernte, sich mit der Meinung anderer auseinanderzusetzen, und zwar in zwei unterschiedlichen deutschen Gesellschaftssystemen gleichzeitig.

Meredith McClain wandte sich zwar der Germanistik als Berufsziel zu, aber die Musik blieb ihre heimliche Berufung. Sie besaß eine besondere Gabe des Hinhörens und Aufgreifens, die entscheidend ist für jede Form des Zusammenspiels, sei es in der Musik oder in der Politik. Hören, aufgreifen, umsetzen - in diesem Dreitakt verfuhr sie auch nach dem Fall der Mauer. Mit angeborenem diplomatischen Geschick, mit Liebenswürdigkeit und Zielbewußtsein ging sie jetzt auf die von der Freiheit geblendeten und auch durch sie verunsicherten Menschen zu und schuf, selber verläßlich, zuverlässige Verbindungen. Endeckerfreude, vielleicht sogar auch Lust am Abenteuer, praktische Phantasie und Beharrlichkeit hielten sich bei ihren Unternehmungen die Waage.

Meredith McClain hat sich von Anfang an in der Sommerschule Wust für englische Sprache, Literatur, Theater und Musik, die seit 1991 im Norden Sachsen-Anhalts stattfindet, mit Leib und Seele persönlich engagiert. Ein inoffizieller deutsch-amerikanischer Freundeskreis, im Kern aus nur drei Personen bestehend, hatte die Schule in absoluter Ehrenamtlichkeit und als Privatinitiative ins Leben gerufen, einfach aus der Situation der neuen Bundesländer heraus und ohne sich an irgendeinem Vorbild zu orientieren, was es in dieser Form auch gar nicht gibt.

In Wust habe ich Meredith McClain kennengelernt, und hier liegt der Grund, weshalb ich um die ehrenvolle Aufgabe ihrer Würdigung gebeten worden bin. Sie hatte schon während der Vorbereitungen sofort verstanden, worum es in Ostdeutschland ging und erhielt dann enormen Zulauf von den Vertrauen und Selbstvertrauen suchenden jüngeren und damals auch noch älteren Teilnehmern. Kaum einer von ihnen hatte Gelegenheit gehabt, einem lebendigen Amerikaner zu begegnen. Ab 1993 leitete sie sowohl die Sprachkurse als auch die Kammermusik. Wo sie als Schulleiterin oder als Künstlerin auftrat, fielen ihr die Sympathien der Menschen zu, weil sie persönlich von ihr angesprochen wurden.

Sie schlug einen überzeugenden Ton an, und daß dieser die Musik macht, das wußte niemand besser, als die humorvolle und schlagfertige Diplomatin McClain mit ihrer frappierenden Sprechsicherheit. Treffend sprach sie immer geradeaus - so umwerfend direkt sind bei uns wohl nur die Bayern - und dabei rrrollte sie nicht nur das R, sie ent-rollte es geradezu, und wer ließe sich von so etwas nicht einwickeln! Mit einem Wort, sie war zu jener Zeit eine charmante und herausfordernde Botschafterin ihres Landes, nicht nur von Texas, sondern von Amerika, und eine solche Offensive ist seit dem Kriegsende in Deutschland vielleicht niemals wichtiger gewesen als in diesen ersten Jahren der Vereinigung, in denen die deutsche Nachkriegsgeschichte zuendeging.

Meredith McClains Einsatz unmittelbar nach der Wende geschah an wenig bekannten Orten, überwiegend in Sachsen-Anhalt und im Grunde noch unterhalb der Ebene offizieller Wahrnehmung, obwohl das regionale Echo überwältigend war. Der Verzicht auf ein Honorar war ihr und den anderen Dozenten - nebenbei gesagt - selbstverständlich. Menschen und Orte begriff sie aus ihrer eigenen Qualität heraus. So schloß sie in Wust und in umliegenden Dörfern und Städten enge Freundschaften und sie entdeckte den architektonischen Reiz der für Deutschland einzigartigen romanischen Backsteinkirchen, die für die Gegend zwischen Havel und Elbe bezeichnend sind. Mit Phantasie und Energie plante sie Konzerte in den kleineren und größeren Kirchen der Umgebung, die sie vor hingebungsvollem Publikum wiedererweckte.

In dem aus deutscher Sicht - wenn auch nicht aus amerikanischer Gesamtperspektive - abgelegenen Ort Wust im Elbhavelwinkel, der nur einmal, im Jahr 1730, die Bühne der Geschichte betreten hat, konnte Meredith McClain uneingeschränkt wirken. Sie tat es mit jener Passion, die wir mit vorbildlichem ehrenamtlichen Engagement in einer alten Demokratie verbinden. Hierzu gehört nicht nur, daß man etwas bringt, sondern daß man auch möglichst viel aufnimmt. Vielleicht steht dies sogar am Anfang der Entscheidung, sich für ein Land und für dessen Jugend einsetzen zu wollen. Es gehört in den Zusammenhang des Hinhörens, wodurch sich der Charakter eines Landes dem Besucher erschließt.

Meredith McClain bewog ihre Universität in Lubbock, das Intensivprogramm für die deutsche Sprache künftig in Wust abhalten zu lassen und setzte dabei voraus, daß die Umgebung und die menschlichen Begegnungen in Wust intensiver und nachhaltiger wirken würden als zum Beispiel der Aufenthalt in einer Stadt wie Wien, wo die Kurse bisher stattgefunden hatten. Das hat sich in der Tat bewahrheitet, denn eine Reihe von den Teilnehmern dieser Deutschkurse kamen später als Englischdozenten an die Sommerschule für englische Sprache, Literatur, Theater und Musik nach Wust zurück. Sie wurden von ihrer Universität in Lubbock dabei unterstützt und einmal von deren Präsidenten Haragan und seiner Frau dort besucht.

Ihr Interesse an Karl May brachte Meredith McClain ebenfalls aus Deutschland mit. Als die an den klassischen Autoren geschulte Germanistin, die über Hölderlins Sprachrhythmus promoviert hatte, zur Erläuterung ihrer Heimat einmal vom Llano Estacado erzählte, stellte sie mit Verwunderung fest, daß dieser Landstrich ihren Zuhörern bekannt war. Auf ihre Frage, woher dies käme, wurde sie auf Karl May und dessen Erzählung Der Geist des Llano Estacado verwiesen. Nun war es an ihr zu fragen, wer denn dieser Karl May sei, und sie hörte mit Staunen, daß er einer der beliebtesten JugendSchriftsteller Deutschlands gewesen sei. Nach Lubbock zurückgekehrt, beschloß sie, sich mit diesem ungemein erfolgreichen Autor trivialer und überwiegend virtueller Reiseerzählungen aus dem Wilden Westen und aus dem Orient zu befassen.

Es ist immer lehrreich zu erfahren, wie andere einen sehen, gleich, ob als Einzelne oder in der Mehrzahl, denn wir erkennen uns selbst dadurch wie in einem Spiegel, vielleicht sogar verfremdet durch mehrfache Spiegelungen. "Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen", dieses Motto stellte Theodor Fontane 1861 seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg voran, zu denen ihn England, vor allem aber das geliebte Schottland, angeregt hatten. Meredith McClain begann also, sich mit dem Schriftsteller Karl May zu befassen und zugleich mit ihrer eigenen, im fernen Sachsen von ihm gemalten Heimat, die Generationen von jungen Deutschen in ihrer Vorstellung von Amerika geprägt hatte. Fast jeder zweite Deutsche hat eine mehr oder weniger starke Karl May-Vergangenheit aufzuweisen. Auch ich fieberte, versteckt auf einem Baum im Park des Wieblinger Internats, das ich übrigens dank einer Spendenoffensive von Mrs. McCloy besuchen durfte, auch ich fieberte also mit den edlen Helden im Kampf gegen das Böse - und ließ dabei die kostbaren Flötenstunden sausen.

Literarhistorisch gesehen, befand sich Meredith McClain mit ihrem Interesse in bester Gesellschaft. Hermann Hesse, Heimito von Doderer, Wladimir Nabokov, Peter Handke, Hans Wollschläger, Günter Grass, Erich Loest und am stärksten und eindeutigsten Arno Schmidt haben sich mit dem Phänomen Karl May befaßt, weil sowohl sein Werk als auch seine Person sie fesselte und immer wieder anregte. Mays unbestreitbares Schreibtalent, seine Phantasie, sein unerträgliches und verhängnisvolles Geltungsbedürfnis, sein glückloses Leben und nicht zuletzt seine ungeheure Wirkung auf die vom Alter unabhängige ewig jugendliche Vorstellungskraft - ich denke hierbei auch an das vergreiste Kind im späteren Leser Adolf Hitler - dies alles interessierte die genannten Autoren, weil sie ein originelles Sensorium für Zeitströmungen besaßen und hier einen der vielen Schlüssel zu einer Epoche gefunden zu haben meinten.

Bis heute kann kein gerechtes literarisches Urteil über Karl May gefällt werden, denn wir besitzen keine wirklich zuverlässige Werkausgabe geschweige denn eine Briefausgabe. Wer sich ernstlich mit dem Autor befassen will, muß auf die zum Teil schwer erreichbaren Erstveröffentlichungen in Zeitschriften zurückgreifen. Die Einlieferungen des weitgehend wehrlosen Lohnschreibers May - besonders dann, wenn er wieder einmal einsaß oder eingesessen hatte, und es waren zusammengerechnet acht Jahre - wurden allerdings von seinen frei schaltenden Verlegern auch verfälscht, um sie dem Zeitgeschmack anzupassen, und dies geschah natürlich durch Stilabsenkung. Ein kluger Lektor in einem seriösen Verlag hätte manches Eingelieferte sogar heben können. Aber Erfolg in materieller Not kann leichtsinnig machen. May war der Sohn eines armen Webers mit vierzehn Kindern, seine Mutter war Hebamme. Als erfolgreicher Autor mußte May später für seine mangelnde Vorsicht und vielleicht auch mangelnde Prinzipienfestigkeit in der Zeit seiner literarischen Anfänge mit einem von seinen Gegnern bewußt geführten Angriff auf sein künstlerisches und sein persönliches Ansehen bezahlen. Als Künstler erhielt er erst gegen Ende seines Lebens Anerkennung, sie beruhte hauptsächlich auf zwei seiner letzten Bücher, Im Reiche des Silbernen Löwen und Ardistan und Dschinnistan.

Meredith McClain hat sich als Literaturhistorikerin in einer für sie bezeichnenden Weise mit Karl May befaßt. Sie sah den Autor vom Ort der Hochebene des Llano Estacado aus und verglich deren Wirklichkeit mit der phantastischen Gestalt, die der Autor ihr im fernen Leipzig gegeben hatte. Sie forschte nach seinen Quellen und hatte dabei beständig die anhänglichen, aber doch einseitig geprägten Leser Karl Mays vor Augen. So wuchs das Bedürfnis, diese mit der Realität vertraut zu machen. Wir können diesen Wunsch vielleicht noch besser verstehen, wenn wir uns den umgekehrten Fall vorstellen: Für viele Amerikaner bleibt die Begegnung mit dem Matterhorn in Disneyland wahrscheinlich die einzige mit dem alten Europa. Würde nicht doch der eine oder andere von Ihnen den Wunsch haben, diesen von einer Illusion erfüllten Menschen die Wirklichkeit einmal vor Augen zu führen, wenn die Gelegenheit dazu vor Ihrer Tür läge?

Meredith McClain gründete also die "Winnetours" für deutsche Besucher in Texas, die von ihr persönlich betreut wurden, sie organisierte einen großen Karl May-Kongreß in Lubbock, sie brachte eine Ausstellung über den Llano Estacado nach Deutschland und hielt Vorträge über die Phantasiewelt Karl Mays und die Wirklichkeit von Texas sowie über die ersten deutschen Siedler dort. Es soll hier aber keine Aufzählung ihrer akademischen und außerakademischen Unternehmungen erfolgen, sondern nur deren Linie gezeigt werden.

Im Grunde geht es ihr immer um die Begegnung zwischen Menschen und um die Vermittlung zwischen ihnen. Dabei spielen Orte eine wichtige Rolle, und auf diese Weise weitet sich der Horizont, und Geschichte wird greifbar. Als ihr die Zeit reif erschien, begann sie auch mit dem Austausch von Musikgruppen. Sowohl ihre Universität in Lubbock als auch die Universitäten und Institutionen in Deutschland, allen voran die Fachhochschule in Wilhelmshaven, aber auch die Pädagogische Hochschule in Weingarten, das Deutsch-Amerikanische Institut in Saarbrücken, die Bezirksverwaltung von Steglitz, die Checkpoint Charlie-Stiftung, und schließlich die Musikkapelle Markt-Erckheim, sie alle betrachteten die Zusammenarbeit und den Austausch unter der Initiative von Meredith McClain als einen großen Gewinn.

Begabt mit einem feinen Ohr und mit einem scharfen Auge für Menschen sowie für deren Heimathintergrund, verfolgte Meredith McClain die Vision der gegenseitigen Vermittlung mit sicherem Gespür und großer Hartnäckigkeit. Ich war Zeuge, wie sie als Leiterin der Kurse in Wust selbst im Chaos des großen Andrangs der ersten Tage ihre unüberhörbaren Akkorde schlug. Liebe Meredith, Sie stehen in einer Reihe stattlicher Medaillenträger aus den obersten Rängen von Politik und Diplomatie - keine leichte Hypothek! Sie befinden sich - wieder einmal - in hervorragender Gesellschaft - auch darin haben Sie eine glückliche Hand, nicht zuletzt, weil Sie furchtlos sind. Die Auszeichnung 2001 scheint mir außerdem in eine neue Richtung zu weisen, dorthin nämlich, wo die von außen weniger sichtbaren und doch höchst wirkungsvollen Verdienste zu finden sind: Als Pädagogin haben sie nach 1989 das Gebot der Stunde erkannt und die angebotene Aufgabe in Ostdeutschland ergriffen, denn nichts war damals wichtiger als die Begegnung und der Austausch zwischen Menschen auf beiden Seiten der ehemaligen Trennlinie. Beides hat zu unvergeßlichen Höhepunkten geführt.

Aber wovon sprechen wir eigentlich? Gehört nicht auch dieses Kapitel schon zur Geschichte der Freundschaft zwischen Amerika und Deutschland genau wie das vorhergehende aus der Epoche des Kalten Krieges? Sind wir nicht in eine neue, ebenso gefährliche Epoche eingetreten, indem uns die seit langem angelegte Entwicklung mit der ständig erwähnten Globalisierung - vielleicht auch dank ihrer - schlagartig eingeholt hat? Was wir in den letzten zwölf Jahren gesät haben, muß jetzt unvorgesehen früh schon Früchte tragen, um einer stärker werdenden Auseinandersetzung entgegenwirken zu können. 3000 überwiegend junge Teilnehmer aus den neuen Bundesländern haben zum Beispiel die Sommerschule in Wust durchlaufen, bei der sie mit 250 auf hinreißende Weise wirkenden Dozenten aus den USA und aus Großbritannien zusammentrafen. Viele von ihnen sind durch diese Begegnungen sichtbar geprägt worden, und daß dies in Zukunft tragen möge, das ist unsere Hoffnung.

Es geht um nichts Geringeres als um die Entwicklung einer neuen Welt, von der der Fortbestand unserer alt gewordenen Zivilisation abhängen wird. Im Grunde blicken wir auch heute, wie schon vor Jahrhunderten, erwartungsvoll nach Westen. In den vergangenen zwölf Jahren haben wir unsere Wertvorstellungen der nächsten Generation zu vermitteln versucht. Den nachdenklichen und unerwartet stark herausgeforderten jungen Menschen, die hier unter den Gästen sind, möchte man in Anlehnung an die bewährten Worte eines erfahrenen Mannes sagen: Prüft diese Werte ganau, und was Ihr an Gutem behaltet, das verwendet mit Weitsicht!

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Erwin Müller

Ehre, dem Ehre gebührt

Noch eine Auszeichnung für Meredith McClain

Als gegen Ende der Winnetour 2000 einige KMG-Senioren beieinander saßen, um Bilanz der ereignisreichen Tage in Texas und New Mexico zu ziehen und überlegten, wie der unermüdlichen Organisatorin des KarlMay-Symposiums an der Universität Lubbock und der anschließenden Rundreise in angemessener Weise gedankt werden könnte, wurde plötzlich die Idee geboren, sie für das Bundesverdienstkreuz vorzuschlagen. Gleich nach der Heimkehr schrieb ich daher einen Brief an Bundespräsident Johannes Rau, in dem ich die großen Verdienste von Prof. Dr. Meredith McClain um die deutsch-amerikanische Verständigung und Freundschaft darstellte, die sich in zahlreichen und vielfältigen transatlantischen Aktivitäten niedergeschlagen haben, und regte an, sie hierfür mit dem Bundesverdienstkreuz zu würdigen. Bereits nach kurzer Zeit wurde mir vom Bundespräsidialamt mitgeteilt, daß der Ordensvorschlag wohlwollend aufgenommen wurde, aber noch vom Auswärtigen Amt geprüft werden müsse, da Frau McClain Ausländerin sei. Nach der Rückkehr vom kürzlich stattgefundenen KMG-Kongreß in Luzern fand ich dann zu meiner großen Freude ein Schreiben des Auswärtigen Amtes mit folgender Nachricht vor:

Sehr geehrter Herr Müller, mit Bezug auf Ihr Schreiben vom 12. Oktober 2000 kann ich Ihnen heute mitteilen, daß der Herr Bundespräsident Ihrer Anregung entsprochen und Frau Prof. McClain auf Vorschlag des Bundesministers des Auswärtigen am 2.9.2001 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen hat. Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Houston/Texas ist gebeten worden, Frau Prof. McClain die Verleihungsurkunde und den Orden im Auftrag des Herrn Bundespräsidenten zu überreichen.

Nach der Ehrung mit der "General Lucius D. Clay Medaille" am 6. Oktober in Düsseldorf, über die an anderer Stelle dieses Heftes berichtet wird, hat unser prominentestes Mitglied in den USA damit eine weitere hohe Auszeichnung erhalten. Darüber freuen sich die vielen Freundinnen und Freunde von Meredith McClain ganz außerordentlich und gratulieren ihr darüber hinaus auch noch besonders herzlich zum 60. Geburtstag, den sie am 13. November in Lubbock feiern konnte.

Ad multos annos!

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Martin Lowsky

‚Karl May – Chronik seines Lebens’ ist erschienen

Eine Buchempfehlung:

May gehört nun auch zu den großen Schriftstellern, die, wie Mörike, Heine oder Wieland, durch eine Chronik ihres Lebens erfasst sind. Autor dieses Werkes ist der Ingenieur und (nicht nur mit May beschäftigte) Literaturforscher Volker Griese. Das Buch ist in der Taschenbuchreihe des Verlages ‚Husum’ erschienen, in der auch Karl Mays ‚Weihnachtsgeschichten’, herausgegeben von Gerd Eversberg, präsent sind.

Der erste Eindruck: Diese Chronik, die mit dem 25. Februar 1842, Mays Geburtstag, beginnt und mit dem 3. April 1912, dem Tag der Beisetzung, endet, ist bewunderungswürdig engschrittig. In manchen Phasen, in Mays Renommierjahren 1897/98 oder während der späten Prozesse, ist es streckenweise so, dass Griese Tag um Tag Mays Vita dokumentiert.

Vorläufer für Volker Grieses Werk sind die große Orientreise-Dokumentation von Bartsch/Wollschläger, Grieses eigene Publikationen als Leiter des Autographenarchivs der Karl-May-Gesellschaft (KMG) und vor allem das Sonderheft 104 der KMG, in dem Griese eine erste May-Chronologie, konzentriert auf die Reisen, geliefert hatte. Diese Chronologie hat er nun wesentlich erweitert. Halten wir fest: Sein Werk ist ein Resümee der biographischen Forschung geworden. Es bezieht seine Informationen aus Hunderten von Aufsätzen, Büchern, Briefen und Dokumenten.

Die Chronik ist auf dem neuesten Forschungsstand. Etwa wird Mays Aufenthalt im November 1908 in Radebeul dokumentiert (die Rückkehr aus Amerika war überraschend früh, wie Dieter Sudhoff und Lothar Schmid unlängst dargelegt haben), der Zeitraum Dezember 1910 bis Mai 1911, Monate voller quälend-ergebnisarmer Gerichtsvernehmungen für den erkrankten May (recherchiert kürzlich von Hans-Dieter Steinmetz), wird aufgeschlüsselt, und die Details neu entdeckter Briefe, z. B. der Kontakt mit dem Verlag Manz am 9. September 1907 in Regensburg, sind erfasst.

Griese bietet zwei Register, eines für Personen, eines für Orte, zusammen 800 Einträge umfassend. Der Leser hat damit alle Möglichkeiten der Querverbindungen zwischen den Daten. Hingegen ist das Verzeichnis der benutzten Literatur schmal, da Griese die Jahrbuchreihe der KMG, die Serie der ‚Karl-May-Haus-Informationen’ und vieles andere nur pauschal anführt. Die Chronik nennt also nicht die Belege zu den einzelnen Angaben. Das kann angesichts der Materialmenge auch nicht anders sein; die Fontane-Chronik von Christian Grawe im Reclam-Verlag verfährt ebenso. Freilich stehen damit den stichfest abgesicherten Erkenntnissen die – wenigen – nur von May unscharf angedeuteten Begebenheiten (etwa der kindliche Aufbruch in Richtung Spanien 1855) unterschiedslos zur Seite.

Das Buch ist eine Arbeit großen Fleißes, doch noch mehr ist das Geschick des Autors zu bewundern, mit dem er die vielen Daten und Ereignisse komprimiert und auf den Punkt gebracht hat. Bei allem Reichtum an Fakten beherrscht Griese auch einen guten Stil.

Volker Grieses Chronik ist ein wichtiger, hervorragend gelungener Beitrag zur Karl-May-Forschung.

Volker Griese: Karl May – Chronik seines Lebens. Husum: Verlag ‚Husum’ 2001. 170 S. DM 19,80 / Euro 10,12

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Ich bin ein Cowboy

Von Meredith McClain, unserer Karl-May-Freundin in Lubbock, bekamen wir mitgeteilt, was "The Economist"/Boston am 24. May 2001 unter dieser Überschrift schrieb:

Modern Germany‘s favourite author will come as a surprise

WHEN American GIs poured into Germany in 1945, they were astonished to discover that German children, after 12 years of Nazi rule, could be found decked-out in buckskins and feathers and playing ,,Indians". Every spring in Radebeul, a quiet Dresden suburb, tens of thousands of grown-ups do the same.

The explanation for both these phenomena is Karl May (1842—1912), a Saxon weaver‘ s son, jailbird, self-described linguist-and the man who single-handedly invented the wild west for generations of Europeans. Long before the Lone Ranger, May was giving unruly cowboys what-for, befriending Winnetou, a great Apache warrior, and generally bringing peace and order to the frontier.

Though he is virtually unknown to the English-speaking world, May is possibly the most-read German author of all time: his bocks have sold an estimated 100m copies to date. The Germans have a saying: ,,We know Goethe, but we read Karl May". Albert Einstein spent his entire adolescence under May‘s spell; Hermann Hesse, who called May‘s work ,,fiction as wish-fulfilment", was a life-long fan. In Germany today, Winnetou is synonymous with ,,Indian", and hundreds of ,,Indianer" clubs meet at weekends to practice tribal ceremonies in traditional costume.

No matter that May wrote his most famous ,,travelogues" (there were close to 80 in all) without ever leaving Saxony. Born into poverty in the small village of Hohenstein-Ernstthal, he spent much of his early adulthood engaged in petty fraud and impersonation-good training for his subsequent writing career. May‘s extended sojourns in jail, meanwhile, gave the voracious reader plenty of time to absorb just about everything he could get his hands on concerning strange peoples in faraway lands.

Having found his calling, the young masquerader churned out a number of

first-person accounts of Arabian adventures, with considerable success. But it was the 2,000-page ,,Winnetou" series, completed in 1893, that turned May into a rootin‘-tootin‘, sure-shootin‘ sensation. Picking up where Buffalo Bill Cody‘s 1889 German tour left off, he came up with the ingenious idea of presenting a western adventure in which a German novice, Old Shatterhand, out-lassos, out-hunts, out-shoots and finally out-wits Yankees and Indians alike. Throw in the hero‘s great alliance with Winnetou, the stoical ,,red gentleman", and May had created both a patriotic epic and a popular monument to the Native American race.

With the smell of success in his nostrils, May was unstoppable. He put it about that his narrator-hero‘s exploits were actually his own, even showing off a look of hair taken from bis ,,blood brother" Winnetou. He posed for photographs with ,,Silver Nail" and ,,Bear Killer", the rifles he said he and the Apache had used in the west. At his Villa Shatterhand in Radebeul, he surrounded himself with big game skins, Indian scalps, peace pipes, carpets, Arabian tea sets

and other exotica. He set himself up on the German lecture circuit as the learned Herr Doktor May.

For a time even May‘s publisher was taken in-some scholars have suggested that May himself was too. By tbe turn of tbe century, however, these role-playing antics had begun to take their toll, and the author spent much of the last decade of his life squabbling over publication rights and narrowly avoiding scandal. In 1908, the beleaguered May finally travelled to America. But he was destined to remain a true greenhorn: he made it no farther west than Buffalo, New York.

Karl May‘s version of the American west bears little relation to any historical reality-which no doubt accounts for much of its charm. It remains irresistible to readers from all walks of life. Although Klaus Mann, Thomas‘s son and an author in his own right, accused May of being a mentor for the Führer (Hitler reread May after seizing power in 1933), movie adaptations shot in Yugoslavia in rhe 1960s and starring a Frenchman, Pierre Brice, as Winnetou, created a huge new following in West Germany. For its part, the East German government rehabilitated the formerly ,,chauvinist" author in tbe early 1980s and reopened the Villa Sbatterhand to May fans from all over tbe Eastern block. May‘s most famous books have now been translated into more than 30 languages (fewer, admittedly, than the 1,200 the author himself claimed to have mastered) . There is a museum devoted to May and his Indians in Lithuania. Not long ago, a Nicaraguan revolutionary, Tomas Borge, claimed that May‘s western stories had inspired him in his political struggles.

So deeply rooted is the Karl May legacy today that the Native American Assotiation of Germany, a small group started by Native American soldiers stationed in Europe during the cold war, has recently launched a campaign to re-educate Germans in the facts of Native American history. But they have an uphill battle against Old Shatterhand and Winnetou, who, like the west itself, were legends almost before they appeared in print. As a seasoned frontiersman tells the newly arrived Shatterhand at the beginning of one of his Great Plains adventures, ,,It‘s amazing what they make you people learn over there."

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Presseecho auf Kongress in Luzern

Der Anzeiger Luzern vom 21.9.2001 schreibt: Wann sehe ich Dich wieder, Winnetou? Der lange, freundlich gehaltene Artikel informiert über Karl Mays Leben und fügt an: < Es verblieb den Nachgeborenen, sein Ansehen zu rehabilitieren. Schon bald nach seinem Tode galten seine Werke zumindest verkaufstechnisch wieder etwas, ein paar Untersuchungen ebneten die Bahn. Doch dem Schriftsteller Arno Schmidt mit seiner polternden Art blieb es vorbehalten, Karl May als möglichen Grossdichter ins Gespräch auch der Literaturwissenschaft zu rücken. Als Folge und Reaktion davon wurde 1969 die Karl-May-Gesellschaft gegründet, die vor allem mit ihren Jahrbüchern May als Untersuchungsgegenstand vermehrt der seriösen Forschung schmackhaft zu machen vermochte. In ihrem Umfeld wird der Forschung endlich auch eine nicht veränderte Fassung der Texte Karl Mays bereit gestellt.>

Neue Luzerner Zeitung 22.9.2001: Die Karl-May-Freunde sind kein antiquierter Literaturclub. Die Sonderausstellung in der Zentral- und Hochschulbibliothek mit dem Titel ‚Durch die Wüste und auf die Rigi‘ und die Vernissage am 20.9.2001 für die Teilnehmer des Kongresses ist dem Blatt einen 1/3-seitenlangen Bericht wert.

Die Schweizerische Katholische Wochenzeitung vom 21. und 28.9.2001 ist eine echte Überraschung, sie fragt: Wie katholisch war Karl May? Die KMG-ler kennen die Hintergründe und die echte Religionszugehörigkeit, der Autor Michael Rudloff wohl auch, er berichtet auf einer ganzen Seite und als Schluss in der nächsten Ausgabe über die Christliche Grundhaltung Mays, die Marienkalendergeschichten, freut sich über die Tatsache (?), dass Karl May vom katholischen Eheverständnis überzeugt war, lobt seine Wertschätzung für Maria, den wohltuenden Einfluss des Katecheten Kochta und den Schutzengeldienst. Zum Schluss heisst es: <Abschliessend kann festgehalten werden, dass auch die mystischen Spätwerke Mays wie z.B. "Ardistan und Dschinnistan" durchaus Sympathie für den Katholizismus erkennen lassen. Der "überkonfessionelle" Christ May stand dem Katholizismus lediglich dort kritisch gegenüber, wo dieser im Gewande der Machtpolitik auftrat... So kann denn der Protestant May durchaus als "katholischer" Schriftsteller bezeichnet werden.>

Anmerkung: Diese conclusio verwundert in einem katholischen Blatt nicht; man möchte da nur fragen, warum der Vatikan noch überlegen musste, ob seine Werke auf den Index gehören oder doch lieber nicht. Siehe N-KMG 125 Seite 11 und 12. dSch

Wieder die Neue Luzerner Zeitung vom 21.9.2001: Rost an der Silberbüchse. Eine ganze Seite, zur Hälfte mit einer Farbbildcollage P.Brice und Bully Herbig gefüllt, gibt keine Aufklärung zu dieser Titelformulierung. Diese Sätze vielleicht: <Karl Mays Bücher mögen allmählich an Bedeutung verlieren. Seine Helden hingegen leben. Wenn auch bisweilen in skurrilen Formen>

In moderaten Tönen wird durchaus wohlwollend über die Schweizer Freunde berichtet, über die zum Markenzeichen gehörenden Dialoge über 50 bis 60% der Texte, Mays homoerotischen Tendenzen in seinen Büchern, die Filmparodie ‚Der Schuh des Manitu‘, und dann kommt man auf die Rigi zu sprechen: < ...zurück zur Rigi: Karl May hat diese nicht nur in Gedichten verewigt (...), sondern nutzte sie auch für einen Gag im Western-Roman "Der schwarze Mustang": Der skurrile Westmann Hobble-Frank will dem "Ich"-Erzähler weismachen, dass der Rigi seine Hände in Unschuld gewaschen habe. Worauf ihm Shatterhand, ganz der allwissende Held, darlegt, dass da wohl eine Verwechslung von zwei Schweizer Bergen vorliege.>

Die Weltwoche Nr. 39 vom 27.9.2001 erklärt ungeniert, aber doch in Gänsefüssen: «Das ist doch eher was für Männer» Der Schreiber dieser Zeilen weilte unter den Kongressteilnehmern, sass wohl aber am falschen Tisch oder hatte eine vorgebildete Meinung. Betont mokant erspät er überall Frauen in gefütterten Jacken, ‚Silbersee‘-Plakate und verklemmte Männerbündelei, erkennt spontan, May wirkte plötzlich wie Kinderspielzeug aus einer anderen Epoche, wie Holztrottinette mit Vollgummirädern. Dem Ausflug auf die Rigi, dem Vortrag von W.Ilmer und dem gemütlichen Beisammensein gewinnt er alles in allem eine distanzierte, sich überlegen fühlende Perspektive ab. Na gut, wer in der Jugend im mattgrünen Schein der Radioskala bis morgens um vier durch die Wüste galoppierte, ist wohl auch heute noch nicht ganz ausgeschlafen. Christof Schuler ist Autor und lebt in Zürich heisst es als Unterschrift lapidar. Sei’s drum.

Der Einsiedler Anzeiger vom 28.9.2001 berichtet von der Fahrt der Kongressteilnehmer, die von Luzern noch eine Rundreise machten und das Kloster Einsiedeln besuchten. Winnetou bei Manitou heisst es dazu, und als Vorsteher des Klosters begrüsst der Abt Georg Holzherr die literarisch interessierten Gäste aus Deutschland und der Schweiz, natürlich wird der "Einsiedler Marienkalender" gewürdigt. Die Stiftskirche wurde besichtigt, und dann endet der Artikel mit den Worten: <May, der Protestant, fühlte sich ja zum katholischen Kultus sehr hingezogen. Hier begegnete Winnetou gleichsam Manitou.>

Der Einsiedler Anzeiger vom 21.9.2001, also eine Woche zuvor, schreibt Spurensuche in der Waldstatt. Hier wird auf den bevorstehende Kongress hingewiesen, die KMG-Gründung erwähnt, und dass sich May in Einsiedeln rasieren liess. Nun ja, ein Einsiedler ist er zum Glück nicht geworden und der Bart ist wohl nachgewachsen, siehe die Fotos von Schießer/Nunwarz in Linz.

Es folgen allgemeine Pressenotizen:

Morgenpost am Sonntag - Zeitung für Sachsen 24.6.2001 - Leben auf Karl Mays Fährte. Mit dem Bildband begibt man sich quasi mit dem grossen Abenteuerschriftsteller auf Reisen: von Radebeul bis nach Damaskus oder an die Niagarafälle. Jeweils ein extra Text widmet sich seiner Orientreise 1899/1900 und der USA-Reise 1908. Unter anderem ist dort auch die erste Ansichtskarte abgedruckt, die Karl May von Bord an den Chefredakteur der Sächsischen Volkszeitung Philipp Rauer schichte.

Sächsische Zeitung 20.7.2001 - Shatterhand am Marterpfahl. Band 83 der May-Werke erschienen. 1899 beginnen die Presseattacken gegen den Volksschriftsteller. 1901 fängt eine Prozesslawine an, die sich bis zu seinem Tode und teilweise darüberhinaus erstreckte. "Ich hänge am Marterpfahl und alle Welt schlägt auf mich ein" sagt May selbt über diese Zeit.

Die Welt 21.7.2001 - Schatzkästlein der Bundesrepublik: Die Karl-May-Filmmusiken. "Wilder Westen - heisser Orient" heisst eine voluminöse Box, die auf acht CDs alle Karl-May-Filmmusiken der Jahre 1936 bis 1968 sammelt. (Bear Family Records, Nr. 16413). Ein prächtiges Begleitbuch zeigt noch einmal die Erfolgsgeschichte der Filme.

Sächsische Zeitung 15.6.2001 - Museumsleute sorgen für Bekanntheitsgrad. Die Stadt Radebeul wird auch in den USA immer bekannter. Grund ist das Karl-May-Museum, für das sich die Fachwelt zunehmend interessiert. Die reiche Fantasie eines verhinderten Schulmeisters erweist sich als Segen für die Stadt Radebeul. Mit seinem Namen geht auch der Name der Stadt in die Welt. Eine Wechselwirkung, die Radebeul gut tut.

Sächsische Zeitung 27.9.2001 - Karl-May-Stadt nicht spruchreif. Radebeul erhält in nächster Zeit keine Ortsbegrüssungsschilder. Das sagt Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos). Vorgesehen war auf Initiative der AG Stadtmarkierung, an den Stadteingängen Schilder mit dem Hinweis aufzustellen, dass dort die Karl-May-Stadt Radebeul beginnt. Für Bert Wendsche wäre das voreilig. Erst müsse man sich über die Leitbilder der Stadt verständigen.

Luxemburger Wort 21.6.2001 - Bei Karl May in Radebeul. <eine ganze Seite widmet dieses Blatt der Erlebnisfahrt eines Emil Angel nach Radebeul, die üblichen Fotos von Haus aussen/innen und Garten fehlen nicht, im Stil einer Ausflugsschilderung geht der Journalist durch Museum, Friedhof und Saloon >

Segeberger Zeitung 21.8.2001 - Besucherzahlen wie zuletzt bei Pierre Brice. Karl-May-Spiele erwarten 200000. Zuschauer. Damit scheint sicher: Die Spiele werden ihre 50. Saison mit einem satten Plus abschliessen.

Freie Presse 17.7.2001 - Zum Denkmaltag lockt Schloss Osterstein. Am 9.September "feudale Ruine" im Blickpunkt. Denkmaltage sind in Zwickau von Beginn an zu Grossereignissen, zu einer Mischung aus Wallfahrt und Volksfest, geworden. Keine Stadt feiert so intensiv. Die Veranstalter rechnen mit einem Riesenansturm auf Schloss Osterstein.

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Ein ›gutes Wort für jeden Tag‹ fand Klaus W. Hain am 12.10.2001 in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" - Ruhrgebiet/Essen.

Salam Alaikum

Als das Fernsehen noch nicht sonderlich verbreitet war, machte das Bücherlesen genauso viel Spaß. Damals war es Karl May, der uns mit seinen abenteuerlichen Kara-Ben-Nemsi-Geschichten in die fremde Welt des Orients entführte. So lernten wir das wilde Kurdistan und das Land zwischen Bagdad und Stambul kennen.

Einige arabische Wortfetzen sind hängen geblieben. Wie etwa der "Effendi". Nun werden wir mit arabischen Begriffen wie "Heiliger Krieg" und "Gotteskrieger" überhäuft. Sie gehen ins Mark und erzeugen furchbare Bilder. Bei Karl May kam oft das sanfte "Salam Alaikum" vor - ein schöner Gruß und eine aktuelle Botschaft zugleich: "Friede sei mit euch". (gez.: ni)

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Leserbriefe

Hans Höber, Solingen

... Wieder einmal bin ich von einer KMG-Tagung bzw. einem KMG-Kongreß gut gestimmt und auch bereichert heimgekehrt. Diesmal aus Luzern, einer schönen Stadt mit herrlichem Panorama. Die Schweizer KMG-Freunde hatten gut organisiert und sich viel einfallen lassen. Interessante Vorträge, Ausflug per Schiff und Zahnradbahn zur Rigi, sowie gemütliches Beisammensein bei Speis und Trank füllten die Tage. Allen, die für das Gelingen des Kongresses gearbeitet haben, sei herzlich gedankt!

Im Jahre 1974 hatte ich in einer Broschüre den Hinweis auf eine Karl-May-Gesellschaft gefunden. Über den Hansa Verlag erfuhr ich die Adresse. Herr Alfred Schneider schrieb mir freundlich zurück. Ich wurde Mitglied. Ein Jahr später - 1975 - nahm ich erstmals an einer Tagung der KMG in Gelsenkirchen teil. Von da an ist es mir gelungen, alle Kongresse zu besuchen.

Wenn ich mich frage, welcher Kongreß herausragt, so fällt mir Berlin 1981 ein. Hier paßte für mich alles besonders gut zusammen. Ich wohnte sehr schön, morgens spazierte ich durch einen Park zum Veranstaltungs-Zentrum, alles war super. Der Schriftsteller Erich Loest las aus seinem Karl-May-Roman "Swallow, mein wackerer Mustang".

Hier muß ich kurz auf die politische Situation eingehen. In diesen Jahren herrschte der kalte Krieg. Herr Loest hatte viele Jahre aus politischen Gründen in Bautzen "gesessen". Nach weiteren Querelen war ihm eine Ausreise gestattet worden. Seine Familie mußte zurückbleiben. Ob er selbst wieder eine Einreise erhalten würde, ließen die Machthaber der DDR offen. Nach der Lesung ... konnten Fragen gestellt werden. Nun meldete sich ein Herr aus dem Zuhörer-Kreis. Er meinte, man möge Herrn Loest keine Fragen stellen, deren Beantwortung ihn bei seiner Rückkehr in die DDR in Schwierigkeiten bringen könnte. Erwartungsvoll schauten alle zum Podium. Herr Loest sprach zwei Worte: "Fragen Sie" - und blieb keine Antwort schuldig.

Vor fünf Jahren las Herr Loest in meiner Heimatstadt. Ich sprach ihn auf die KMG-Tagung von 1981 an. Spontan antworte er: "Berlin war guuut". Als ich ihn an die kleine Episode erinnerte, meinte er fast nachdenklich: "Immer frech, der Loest". ...

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Buchbesprechung

Eckehard Koch, Essen:

Karl May: Abenteuer-Geschichten. Hrsg., bearb. u. kommentiert von Siegfried C. Augustin u. Walter Hansen. - München: Langen Müller in d. F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, 2001.

Der sehr schön aufgemachte Band - im Klappentext heißt es: "Bereits Karl Mays frühe Erzählungen zeichnen sich aus durch seine erzählende Kraft und Phantasie, dramatische Begebenheiten nehmen vor unserem inneren Auge plastisch Gestalt an" - enthält Mays Erzählungen Tui-Fanua, Ein Phi-Phob, Ibn El'amm, Leilet, Der Gitano, Saiwa tjalem, Zum ersten Mal an Bord, Der erste Elk, Eine Seehundsjagd. Walter Hansen, der früher Redakteuer und Ressortchef bei großen Tageszeitungen war und seit 1970 als freier Schriftsteller lebt, zahlreiche Auszeichnungen und Buchpreise erhielt, verfaßte ein Vorwort für den Band. Augustin, wie Hansen bekanntes Mitglied der KMG, Universitätsprofessor, Buchautor und Herausgeber zahlreicher Werke der Reise- und Abenteuerliteratur, hat dem Werk ein Nachwort beigegeben. Die Mayschen Originalerzählungen wurden in die neue deutsche Rechtschreibung übertragen und mit erklärenden Fußnoten versehen. Insgesamt ist so ein Kompendium Mayscher Frühwerke entstanden, das sich hervorragend als Geschenk eignet und auch für den May-Freund und -Kenner eine wertvolle Ergänzung der eigenen Sammlung darstellt.

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1851: J. F. Cooper gestorben

Erinnerungen an Lederstrumpf

Zwei junge Frauen, die zarte blonde Alice, und ihre mulattische Halbschwester, die leidenschaftliche Cora, sind zusammen mit einem englischen Offizier auf dem Weg zu ihrem Vater, dem Kommandanten des belagerten Forts Henry. Der Irokese Magua führt sie in die Irre. Doch mit Hilfe von Lederstumpf und Chin-gachgook, dem letzten Mohikaner, geht alles einigermaßen gut aus. Die feine Alice bekommt den englischen Offizier zum Mann, das ungebärdige Halbblut Cora aber muß sterben. Das war James Fenimore Cooper seiner konservativen Sittenstrenge schuldig.

Es ist bei Cooper wie bei Karl May: Man weiß immer ganz genau, wer die Guten und wer die Bösen sind. Auch die Indianer werden eingeteilt in die hiemtückischen Irokesen einerseits, die edlen Mohikaner vom Stamme der Delawaren andererseits. Ein realistisches Bild der amerikanischen Ureinwohner zeichnete Cooper damit nicht, obwohl er es selbst immer wieder behauptete. Es ging ihm doch mehr um das romanhafte Geschehen vor dem historischen Hintergrund der Kämpfe zwischen Engländern und Franzosen um die Vorherrschaft in Nordamerika.

Cooper schrieb den Roman vom "letzten Mohikaner" als Lebemann in Paris. Doch kannte er sich an den Schauplätzen seiner Handlungen - ganz im Gegensatz zum Sachsen Karl May - sehr wohl aus. Coo-perstown am Otsegosee im Bundesstaat New York, wo Cooper am 14. September 1851 starb, war eine Gründung seines Vaters Willliam, eines reichen Farmers.

Den jungen James Fenimore trieb Abenteuerlust zunächst auf See. Als Midshipman war er bei der Navy, der er später ein kenntnisreiches Geschichtswerk widmete. 1826-1833 bereiste er Europa. Zurückgekehrt schrieb er die gelehrte Abhandlung "Der amerikanische Demokrat". Darin verteidigt er zwar die republikanische Staatsform, wendet sich aber gegen die Herrschaft der Massen.

Auch in seinen vielen Romanen, die ihn bald weltberühmt machten, ist Cooper der Propagandist seiner elitären Anschauungen. Die ewigen Normen der Sitten- und Naturgesetze übergträgt er auf den edlen Wilden und den hochmoralischen Weißen - personifiziert in Chingachgook und Lederstrumpf.

Da haben auch Frauen nichts zu suchen. Judith liebt Lederstrumpf, aber der lehnt es ab, sie zu heiraten. Für die Liebe ist im rauen Leben des Trappers kein Platz. Es ist eine schlichte, männliche, sittenstrenge, allerdings auch ziemlich utopische Welt, die Cooper im wilden "Westen", an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis sucht. Vom amerikanischen Traum versteht man mehr, wenn man James Fenimore Cooper gelesen hat. Mit Karl May wird man ihn dann nicht mehr vergleichen wollen. - Ralf Lehmann - (Aus: Westdeutsche Allgemeine 15. September 2001.)

Eckehard Koch, unser Mitglied aus Essen, teilt uns mit:

Am 13. 9. 01 habe ich im Theodor-Heuss-Gymnasium in Kettwig zwei Schulstunden im Religionsunterricht in der 13. Klasse mit dem Thema "Religion der nordamerikanischen Indianer, Medizinmänner, Schamanen" bestritten. Dabei habe ich viele Bezüge zu May (z.B. Medizinbeutel) hergestellt. Die Schüler kannten May, aber hauptsächlich von den Filmen her (den "Schuh des Manitu" hatten alle - ca. 15 - gesehen), gelesen hatten sie May kaum. Nur einer kannte die Tecumseh-Erzählungen von Fritz Steuben. Es kamen viele Nachfragen zur Geschichte und heutigen Situation der Indianer - für mich eine schöne Erfahrung.

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Manfred Raub

Karl May und die Botanik

Die fromme Legende berichtet uns: Als die Jungfrau Maria noch auf Erden wandelte und das Jesuskind stillte, fielen ein paar Tropen ihrer Muttermilch zur Erde. Aus ihnen entsproß die Mariendistel (Silybum marianum Adanson).

Die milchweißen Adern der Blätter dieser Distelart, die zur Familie der Korbblütler (Compositae) gehört, gaben der ein- bis mehrjährigen Arznei-Pflanze ihren Namen. Sie wächst in den Monaten Juni bis September auf Schuttfluren, in Deutschland findet man sie allerdings selten [Quelle: Fitter-Blamey: Pareys Blumenbuch. - Hamburg, Berlin: Parey, 1974, S.244].

Bei Karl May begegnet uns die Mariendistel im Band 5: "Durch das Land der Skipetaren" (Fehsenfeld S. 29ff):

Nach der Inspektion der Hütte des Mübarek begegnen Kara Ben Nemsi und Halef der Pflanzensucherin Nebatja, die sie vor dem Kodscha Bascha warnt, den sie beim Mübarek »beim Mondschein sehr deutlich gesehen, und ... in dunkler Nacht an der Stimme erkannt« habe. Auf die Frage » ... Bist du so oft hier oben gewesen?« bekommt Kara Ben Nemsi zur Antwort »Oft, ... Ich liebe die Nacht. ... Auch giebt es Pflanzen, die man nur des Nachts suchen darf. ... Wie es Pflanzen giebt, welche nur des Nachts duften, giebt es überhaupt solche, die nur des Nachts wachen; am Tage aber schlafen sie. Und hier oben giebt es solche Nachtfreundinnen, bei denen ich dann sitze, um mit ihnen zu sprechen und auf ihre Antwort zu lauschen. In der letzten Zeit war mir das schwer gemacht. Heute aber hast du meinen Feind entlarvt; er befindet sich in Gefangenschaft, und da bin ich nun gleich heraufgegangen, um mir nach Mitternacht einen König zu holen.« ...

»Wie ist der Name dieser Pflanze?« fragte ich neugierig. »Es ist die Hadsch Marrjam. Wie schade, daß du sie nicht kennst!« »Ich kenne sie; aber ich habe nicht gewußt, daß sie einen König hat.« »Nur wenige Menschen wissen es, ... Das Volk wächst gern auf unfruchtbaren Stellen, an Bergen, Felsenbrüchen und öden Halden. Es steht stets im Kreise, ... und ganz genau im Mittelpunkt dieses Kreises steht der König.«

Das war mir freilich neu. Hadsch Marrjam heißt ›Kreuz Mariens‹, und ganz dieselbe Pflanze wächst auch in Deutschland und wird im Volk Marienkreuzdistel genannt. Wie sonderbar, daß der Name auf den Höhen des Erzgebirges gerade so lautet, wie am Babuna- oder Plaschkawitzagebirg in der Türkei!

Die Frau fuhr in ihrem Lieblingsthema fort: »Diese Distel ist sehr dürr und spröd; sie wird nicht hoch und hat einen dünnen Stengel; aber der König ist breit und wird alle Jahre breiter. Sein Stengel ... kann so breit wie zwei Hände werden und trägt oben einen langen, schmalen Distelkopf, auf dessen dunkeln Grund eine helle Zickzackschlange gezeichnet ist. Diese Schlange leuchtet des Nachts.« ... »Die gewöhnliche Hadsch Marrjam heilt, als Thee getrunken, die Lungensucht, falls diese nicht gar zu alt geworden ist. ... Von dem König aber sagt man, daß er den Lungensüchtigen noch vom Grab wegnähme.«

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Karl-May-Splitter

Ivan Ivanji, jugoslawischer Schriftsteller, Übersetzer und Journalist, beschreibt in einer Gastkolumne für Neues Deutschland vom 19.8.2001 die derzeitigen Zustände in Mazedonien mit dem aussichtslosen Vorhaben von 3500 NATO-Soldaten, die Waffen der albanischen Guerilla einzusammeln und empfiehlt für die Deutschen unter ihnen:

Karl May hat in seinen Romanen "In den Schluchten des Balkan" und "Durch das Land der Skipetaren" seinen deutschen Übermenschen Kara Ben Nemsi, eine Variante von Old Shatterhand, dort in Aktion geschildert, wo die deutsche Regierung ihre Soldaten hinschicken will. Vielleicht sollte ihnen Minister Scharping diese beiden Bücher in den Tornister stecken, sie werden die Tugenden des Helden von Karl May brauchen, um bestehen zu können.

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Auch deutsche Emigranten hatten ihren Karl May im Gepäck. - Matthias Feuser schickte uns einen Auszug aus der Autobiographie des Nobelpreisträgers Carl Djerassi, des "Vaters der Antibabypille", die in deutscher Übersetzung unter dem Titel »Die Mutter der Pille« 1999 bei Haffmans erschienen ist. Djerassi, geboren 1923 in Wien, emigrierte 1939 nach Amerika. Wir zitieren S. 117/118:

Ich saß auf dem Balkon und war wunschlos glücklich. Das war 1954, in der Zeit vor dem Aufkommen des Düsenflugzeugs, und wir hatten die lange Reise von Peru zurück nach Michigan in Panama City unterbrochen. Anstatt jedoch die Stadt und die Kanalschleusen zu erkunden, saß ich auf dem Hotelbalkon und wartete darauf, daß Montezuma (oder sein Inka-Pendant Atahualpa) aufhörte, Rache an meiner Frau zu nehmen. Ich war rundum zufrieden, weil ich mir endlich den Wunschtraum meiner Wiener Kindertage erfüllt hatte, als ich über die Inka in Peru gelesen und mich gefragt hatte, ob es wirklich einen See mit dem unanständigen Namen Titicaca gab. Ich hatte es geschafft, Cuzco und die Inka-Ruinen von Machu Picchu zu besuchen, mit dem Zug durch den Altiplano nach Puno auf der peruanischen Seite des Titicacasees zu reisen und mit dem Nachtdampfer über den See in die bolivianische Stadt Guaqui zu fahren - und all das unter dem Deckmantel akademischer Forschungsarbeit, ohne zugeben zu müssen, daß mein Interesse an Südamerika der frühen Beschäftigung mit Karl May entsprang.

Nur wenige Amerikaner können sich vorstellen, welche Wirkung Karl Mays Abenteuerromane auf Generationen von deutschen und österreichischen Buben hatten. (Nach letzten Berechnungen sind über fünfzig Millionen Exemplare seiner Bücher im Druck erschienen.) Die haarsträubenden Abenteuer spielten unter nord- und südamerikanischen Indianern, an Schauplätzen, die May nie besucht hatte, aber nichtsdestoweniger packend und bis in alle Einzelheiten beschrieb. Tatsächlich war es ein immer wieder auftretendes Detail in Karl Mays Landschaft - nämlich der Riesenkaktus - , das mir den beruflichen Vorwand für diese Reise geliefert hatte. Da ich einige Jahre zuvor ein Forschungsprogramm gestartet hatte, um die chemische Zusammensetzung von Riesenkakteen zu untersuchen, für die Mexiko bei weitem die größte Fundgrube darstellte, verkündete ich meinen Studenten, daß wir der Vollständigkeit halber auch südamerikanische Exemplare untersuchen würden. Und es war auch kein purer Zufall, daß die Arten, die ich für die Studie auswähhlte, in der Nähe von Cuzco und auf der bolivianischen Seite des Titicacasees wuchsen. [sis]

Die Frage, auf die sich die folgende Antwort bezieht, stammt aus dem Jahre 1965, und sicher haben die neueren Erkenntnisse inzwischen auch den Karl-May-Verlag erreicht. [sis]

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Jürgen Pinnow

Nochmals zum Namen Winnetou

Auf die Anfrage von Detlef Knappe, Wintermoor (KMG-N 129, S. 30) »Was bedeutet der Name Winnetou? wird dort auf "Weißer Büffel" und "Vintu - Indianer" hingewiesen. Beide Deutungen haben sich als unztreffend erwiesen. Leider wird nicht erwähnt, daß es zu diesem Thema ein Sonderheft der KMG gibt (Jürgen Pinnow: Neues zu Inn-nu-woh, Winnetou und anderen indianischen Eigennamen. KMG-S 95/1992 mit einer Nachlese 1993). Ferner existiert ein kurzer Artikel "Winnetou und kein Ende" vom selben Autor (M-KMG, 28. Jg, Nr. 107/1996, S. 33-34).

Hier noch einmal in aller Kürze der jetzige Stand der Forschung:

  1. May hat die Namen Inn-nu-woh und Winnetou nicht einfach aus seiner Phantasie gebildet.
  2. Er verwendete sprachliche Quellen, die allerdings unzuverlässig waren. Daraus stellte er die Namen zusammen.
  3. Beide Namen hatten eine, und zwar ein und dieselbe Bedeutung.
  4. Wäre diese alltäglich gewesen, wie etwa "Weißer Büffel", hätte May sie angegeben. Aber May verschwieg die Bedeutung beharrlich. Bei der Wichtigkeit der Namen konnte er sie nicht vergessen haben. Als man ihn drängte, sie anzugeben, nannte er "Brennendes Wasser", was zweifellos unzutreffend war.
  5. Das Verschweigen mußte einen sehr triftigen Grund haben. Als solcher kommt eigentlich nur einer in Frage: Er hätte durch die Nennung stark an Glaubwürdigkeit verloren.
  6. Die Bedeutung "Der Indianer" wäre ein solcher Grund gewesen. Aber diese Bedeutung kommt aus zeitlichen Gründen nicht in Frage.
  7. So bleibt als eheste Bedeutung nur "Großer Geist" (plus-minus = Gott) übrig, und Inn-nu-woh läßt sich so aus dem Irokesischen deuten, Winnetou aus dem algonkinischen Manitou.
  8. Winnetou als "Großer Geist" hätte ihm niemand abgenommen. Deshalb das beharrliche Schweigen. Auf eine Deutung ad hoc etwa "Vom Großen Geist gegeben" o. dgl. (vgl. den Namen Theodor) kam May nicht.

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Kein Grund zum Weinen

Letzte Worte berühmter Menschen auf dem Sterbebett

Mit dieser Überschrift wird in der Westfalenpost vom 11.4.2001 ein »Lexikon der letzten Worte« (Hrsg. Werner Fuld) im Eichborn Verlag angekündigt, in dem auch Karl May zitiert wird:

...Der Schriftsteller Karl May blieb auch im Sterben seiner eigenen Abenteuer-Phantasie treu: "Sieg, großer Sieg! Ich sehe alles rosenrot!" rief er 1912 im tödlichen Fieberwahn - und verschied. (Artikel auf KM-Zitat reduziert. sis) [Mitgeteilt von Steffen Rinkefeil, Menden]

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Dietrich Schober

Heilkunst der Indianer

Vor einiger Zeit erstand ich dieses Buch (ISBN 3-8289-1856-5) aus dem Bechtermünz-Verlag (Lizenz Weltbild Augsburg) mit dem Untertitel ‚Geheime Kräfte der Natur - Nutzen und Anwendung‘ - der Verfasser ist Thomas Grethlein. Die Inhaltsübersicht beginnt mit der Einführung ‚Lieben Sie Karl May?‘. Wer sich da angesprochen fühlt, mag hier die Einleitung dieses liebevoll gestalteten Buches lesen:

<Wahrscheinlich haben Sie diese Frage im vorliegenden Buch nicht erwartet. Lassen Sie die Falten, welche Ihre Stirn jetzt umwölken, wieder glatt werden. In der Zwischenzeit erlaube ich mir, meinen eigenen Eindruck zu erzählen.

Als Bub von zehn oder zwölf Jahren las ich Karl May leidenschaftlich gern. Über einige, mir trocken erscheinende Abschnitte altväterlicher Weltverbesserung blätterte ich hinweg. Von den geschilderten Indianerabenteuern aber war ich hingerissen. Irgendwann las ich dann andere Bücher, Winnetou und seine Gefährten ruhten in der Ecke. Viel später, als Erwachsener von etwa 40 Jahren, griff ich mehr zufällig beim Ordnen von Bücherregalen wieder nach einem Band der geliebten Jugendlektüre. Ich war enttäuscht! Sicherlich - die Geschichten mögen auch heute noch ein entsprechend empfindsames Herz schneller schlagen lassen. Ich selbst konnte jedoch wenig damit anfangen.

Natürlich - man wird älter und abgeklärter, vielleicht auch stumpfer. Das aber war es nicht. Auch heute lese ich zum Zeitvertreib gerne spannende Geschichten oder Romane unterschiedlicher Art.

In der Zwischenzeit habe ich viel über lndianer Nordamerikas, ihre Kultur, ihre Religion und Denkweise kennengelernt. Und zwar weniger durch Bücher, sondern in direktem Kontakt mit den Vertretern ihrer Völker vor Ort. Karl May ist bis heute berühmt für seine sorgfältigen Erkundungen indianischen Lebens. Er war aber Kind seiner Zeit und besuchte einzelne, von Weißen völlig beeinflußte Indianerstämme erst nach Entstehung seiner Bücher. Damals - um 1900 - stand es um die Sache der Indianer in Nordamerika sehr schlecht.

Auch heute bleibt das Leben der ,,edlen Rothäute" weit von angemessenen Verhältnissen entfernt - wenigstens überwiegend. Aber ihr Bewußtsein hat sich fort-, besser gesagt zurückentwickelt.

Vorbei sind die Tage, da berühmte Häuptlinge und Schamanen läppische Wildwest-Shows für eine Handvoll Dollars aufpeppten. Die Rückbesinnung auf die Tage vor der Ankunft der weißen Vergewaltiger gab einigen Indianern das wieder, was wir aus europäischer Sicht fälschlich Stolz nennen: Es ist ihr Selbstverständnis und damit die Grundlage eines Lebens, das sie sich in Jahrtausenden erkämpft haben. Diese Entwicklung zurück zur überzeugenden Tradition ist noch nicht beendet. Aber ich verstehe gut, daß schon jetzt die Distanz gegenüber den Weißen gewachsen ist. Die Distanz, nicht das Mißtrauen. Die Zerstörung der indianischen Lebensgrundlagen — Büffelherden, Ackerland, Aufdrängen von Alkohol, Ausnützen ohne jede Rücksicht auf die Traditionen — liegt ja erst etwa 100 Jahre zurück.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Großeltern über die Zeit vor 100 Jahren erzählten, von heute an zurückgerechnet. Das alles ist also gar nicht so lange her. Für die Indianer handelt es sich nicht nur um Erinnerung, sondern um Erleiden. Jede Familie kennt da ihre eigenen Geschichten in den Erzählungen der Väter, bis in unsere Tage. Indianer haben im Zweiten Weltkrieg Entscheidendes für ihre Nation USA geleistet. Es gibt ein eigenes Buch über die herausragende Tapferkeit von Navajokriegern in dieser Zeit. Andere Stämme standen da nicht nach. Aber nach dem Krieg wurde das weithin von einer zusehends moderneren Gesellschaft vergessen.

Blieb überhaupt etwas? Das schon. Aber es ist nicht einfach zu finden. Meine Reisen in Indianergebieten seit fast zwei Jahrzehnten, der Kontakt mit der Bevölkerung dort und die Auseinandersetzung mit ihrer Überlieferung in Wort, Bild und Schrift haben mir ein reichhaltiges Erbe gezeigt. Auch heute ist Vorsicht geboten. Innerhalb von 20 Jahren wandelte sich Santa Fe etwa von einem Ort lebendiger indianischer Tradition zu einem vornehmlich oberflächlichen Touristikmarkt mit indianischer Staffage.

Manche Kunstgegenstände geben dort durchaus noch den Geist der Alten wieder. Aber der Zugriff von New-Age-Bewegungen drückt vieles nieder.

Es wird noch ausführlich begründet, warum diese weißen Ersatzreligionen mit indianischem Denken unvereinbar sind. Auf der anderen Seite zeigen meine Erfahrungen, daß die Begegnung mit der indianischen Welt uns nicht nur Mund und Nase aufsperren läßt. Gewiß - die Unterschiede zwischen den Kulturen sind erheblich. Manches von Indianern Erfahrene erscheint wie eine sinnvolle Ergänzung zu einer Konsumgesellschaft, die bei der Sinnfrage nach Inhalten ihres Lebens giert und jede Ausbeutung ihrer Grundlagen zuläßt, die Antwort aber oft verfehlt.

Gerade die ,,Medizin" eignet sich, die Brücke zwischen den beiden Weltkriegen zu schlagen. Dabei hat jeder Indianer einen weiten Begriff von "Medizin". Heilkunst ist hier nur ein, wenn auch bedeutender Gesichtspunkt. Um dies besser zu verstehen, will ich von der Medizin allgemein zur Medizinheilkunst kommen. Diese läßt sich auch bei uns ganz praktisch anwenden. Der Hintergrund unseres Daseins, andere sagen der Sinn des Lebens, scheint mehr eine philosophische Frage als ein medizinisches Thema darzustellen.

Aber gerade unsere Zeit betont zu Recht den klaren Zusammenhang zwischen Selbstverständnis (Wo stehe ich in dieser WeIt?) und dessen Störung. Die zeigt sich dann in Krankheiten, die wir psychosomatisch nennen. Der Zweifel an der eigenen RoIle im Leben verursacht ein Ungleichgeht. Das kann krank machen, fröhlich macht es keinesfalls.

Diese ,,weiß" formulierten Sätze können Indianer in ihrem Denken nachvollziehen.

Ausgeglichenheit und Balance stellen für sie Grundlagen soliden Lebens dar.

Deshalb richtet sich indianische Medizin zunächst auf die Stabilisierung der Lebensverhältnisse aus. Sie beugt also vor. Ähnlich bemühen sich ja hierzulande Ärzte und Krankenkassen um Prophylaxe, was nichts anderes als Vorbeugen meint. Medizin im indianischen Verständnis umfaßt aber noch viel mehr.

Karl May gab seinen Lesern zu deren Freude ein romantisch verklärendes Bild von Winnetous Brüdern. Mit der Wirklichkeit hatte das (fast) nichts zu tun. Auch wir müssen uns dem Thema vorsichtig nähern.

Leiden wir heute noch gezwungenermaßen Hunger? Bedeutet ein Rascheln im Gebüsch beim Spaziergang tödliche Bedrohung durch eine Diamondback-Klapperschlange? Wir können uns indianisches Leben also vorstellen, es aber nicht nachempfinden. Das beweisen die eben genannten zwei Beispiele.

Trotzdem sind viele Menschen neugierig geworden. Gerade weil die Indianer mit ihrer Lebenserfahrung und Weisheit so brutal mit den Errungenschaften unserer Zivilisation verdrängt wurden, interessieren sie wieder. Viele Zeitgenossen sehen ein, daß Computerdaten und Terminhetze keine gute Lebensgrundlage bilden. Sehnsüchte entstehen.

Und weil Karl May nicht mehr sehr modern ist, blickt man auf durchaus vielfältige, faszinierende Angebote: Verbindungen östlicher Mystik, die auch keiner so recht kennt, mit indianischer Weisheit. Überlebenstraining im Indianergebiet. Wen das zu sehr anstrengt, der kann sich wenigstens mit Symbolen der eingeborenen Amerikaner behängen. Damit ist er auch "in". Dieser laute Weg bedeutet nur Leben mit ein paar Kriegsfarben im Gesicht. Das macht noch keine Indianer. Und vermittelt auch kein Verständnis für sie. Dieses Verständnis können wir vielleicht erlernen. Sicher nicht jeder. Manchem wird es jedoch bei Fragen zum eigenen Leben helfen. Allgemein in der Betrachtung der Dinge, konkret als Medizin bei einer Krankheit.

Für alle, die Neues für ihr Leben kennenlernen wollen, habe ich dieses Buch geschrieben.

Nicht als Gebrauchsanweisung zum kurzfristigen Nachschlagen, wie eine Fünfminutenpause möglichst entspannend genutzt wird. Aber doch ganz entscheidend mit praktischen Hinweisen, wie wir indianische Weisheit und Lebenskraft in unseren Alltag hineintragen können. Und das bedeutet mehr als einige heilkundliche Notizen. Indianer sehen immer den ganzen Menschen in seiner Umwelt. Natürlich werden Sie dabei auch Behandlungsmethoden erfahren, die Sie bei Erkrankungen anwenden können. Das war ja mein erster Berührungspunkt mit den Indianern, als ich zu meinem Erstaunen sah, daß in offiziellen amerikanischen Lehrbüchern noch Indianerrezepte empfohlen wurden.

Nach und nach verstand ich besser, wie hinter dieser medizinischen Hilfe eine ganze Lebensordnung stand. Diese stellt die Natur in den Mittelpunkt. Sie nimmt sich sanft zurück, wenn die Zeiten es erfordern, so wie die Natur im Herbst einschläft, um im nächsten Jahr wieder zu erwachen. Sie zeigt aber auch Härte, wenn es gilt, gegen Unwetter oder Krankheiten anzukämpfen. Das Buch kann nur Anregungen bieten, diese aber kommen mit Beispielen zur Anwendung hier. Auch bildlich soll der Zusammenhang zwischen allgemeinem Leben und Medizin, der Übergang von Gesundheit und Krankheit wiedergegeben werden.

Deshalb will ich nicht in (herkömmlichen) Kapiteln vom Sinnverständnis indianischen Lebens über die Nutzung (über)natürlicher Kräfte zur medizinischen Behandlung kommen.

Ich habe dafür den Begriff Mesa gewählt.

Das spanische Wort mesa bedeutet Tisch. Im südwestlichen Indianerland der USA - einer Hochebene, etwa 2000 m über NN - ragen bewaldete Hügel mit Plateaubildung in einer Seite in die Landschaft. Die andere Seite fällt typisch steil ab, was von weitem wie ein aufgestellter Tisch erscheint. Seit Jahrhunderten leben hier Indianer inmitten heiliger Stätten. Die Mesas mit ihren Bauten, Wohnstätten und Feldern haben unterschiedliche Bedeutung. Alle zusamnen aber bilden eine Landschaft, aus der auch Medizin kommt.

Als eine Art Reiseführer will ich mit Ihnen die Hügel von der schräg ansteigenden Seite angehen. Zunächst werden wir nur Einzelheiten sehen. Der Überblick fehlt noch — klar, wir sind in waldiger Gegend. Mit Erreichen des Plateaus wird die Luft klarer. Schließlich stehen wir am Rand des "Tisches", wo der Berg steiler abfällt. Jetzt kann der Blick schweifen, wir sehen alles in gegebenem, natürlichem Zusammenhang. Dieses Vorgehen erscheint mir dem Thema angemessen, weil auch die Form der indianischen Welt entnommen ist.

Überspringen Sie also keine Kapitel, sondern lassen Sie sich über die Mesas führen.>

Das Buch führt den Leser durch die Kapitel Mesa-das Land, Mesa-die Kraft, Mesa-die Heilkunst, Mesa-das Erbe bis zu Mesa-der Verfall. Der Autor Thomas Grethlein bemüht sich in sympathischer Art um Verständnis für die Indianer und kann sein Bedauern nicht unterdrücken, dass der rote Mann von den Bleichgesichtern so schlecht behandelt wurde. Dabei können wir Hochzivilisierten von den Medizinmännern viel lernen, wie in den einzelnen Kapiteln geschildert wird.

Dann auf Seite 116 lesen wir:

<Am Anfang Karl May - am Ende Karl May

...So wollte dieses Buch ohne zu viele Einzelheiten und -namen einen Einblick geben und Interesse wecken. Vielleicht sogar so weit, daß der eine oder andere Leser den praktischen Teil selbst erkunden möchte. Aber auch der, dem das nicht so liegt oder der Schwierigkeiten gerade bei der praktischen Verwirklichung hat, blickte in eine Welt, die sich wohl ihrem Ende zuneigt. Der Kreis schließt sich: Wir sind wieder bei Karl May.

Als der Apachenhäuptling Winnetou stirbt, läßt ihn Karl May sich zum Christentum bekennen. Bei allen günstigen Beschreibungen durch diesen Autor geht es auch bei ihm nicht ohne die entscheidende Prägung durch den (überlegenen) Weißen. Wer hier an längst zurückliegende Tage von Kolonialherrentum denkt und alles auf die beschränkte Sicht Mays als Zeitgenosse des 19. Jahrhunderts lenkt, der schätzt die Lage falsch ein. In unseren Tagen wiederholt sich das, was Winnetou symbolisch auf die ,,richtige" Seite trieb.

Von dieser pessimistischen Sicht aus sind die Casinos, in denen Indianer Weiße kontrollieren, gar nicht so schlecht. Sie zeigen wenigstens klare Gegebenheiten in einer Zeit, da Pseudoreligionen der Modernen die indianische Welt mit Füßen treten, sich aber zunehmend durchsetzen...>

In letzter Zeit haben wir von mehreren Ausstellungen über Indianer gelesen, haben wiederholt den Spiegel der Kritik vor unsere May-Augen gehalten bekommen ("So waren die Indianer gar nicht"), dem kann man als ehrliche Haut nur zustimmen; wie aber sind sie wirklich?

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Dietrich Schober

Die Indianer Nordamerikas

ie Oktober-Ausgabe von "GEO EPOCHE Das Magazin für Geschichte" Nr. 4/2000 hat diesen anspruchsvollen Titel, während die grosse Ausstellung im Völkerkundemuseum zu Berlin-Dahlem einfach nur "Indianer Nordamerikas" heisst. Also alle sind gemeint, über die auf 180 Seiten Hochglanzpapier berichtet werden soll? So eng darf man es nicht sehen, im Editorial wird die Linie festgelegt: < ...Knapp 400 Jahre dauerte der Kampf, dann war er entschieden. Von diesen 400 Jahren werden wir Ihnen erzählen: von Feldherren, die den Widerstand anführten; von Indianerkönigen, denen die ersten Siedler wie Bettler vorkamen; von Häuptlingen, die es lange verstanden, die Europäer gegeneinander auszuspielen. Wir werden Ihnen den Alltag der 500 Stämme Nordamerikas vorstellen und die Geister, die ihren Kosmos bevölkerten...> Und auf Seite 6 finden wir im ‚Forum - Merkwürdiges aus der Welt der Indianer‘: "Winnetou, Old Shatterhand und andere Neurosen". Hier der Text:

< Im Jahre 1896 macht der berühmte deutsche Schriftsteller Karl May seinen Fans ein Geständnis. Der Sachse sagt sinngemäß: Liebe Leser, in Wirklichkeit bin ich gar kein Schriftsteller. Ich erfinde nichts. Diese Wahnsinnsabenteuer aus meinen Büchern - die habe ich alle selber erlebt! In Dresden hat sich Karl May ein Gewehr machen lassen - das zeigt er jetzt herum und behauptet, es sei Winnetous Silberbüchse. Karl May, der Lehrer aus Hohenstein-Ernstthal, der wegen Betrügereien sieben Jahre im Gefängnis gesessen hat. Jetzt behauptet er plötzlich, er sei Old Shatterhand. Ist der Mann verrückt?

,,Moment mal - die Silberbüchse ist doch zusammen mit Winnetou ins Grab gelegt worden, oder?", überlegt damals vielleicht der eine oder andere Fan, der sich auskennt. Dann antwortet Karl May: Stimmt genau. Wie ich an das Gewehr trotzdem herangekommen bin, erzähle ich später einmal in einem anderen Buch. Karl May führt bei seinen Lesungen außerdem die Narben aus seinen angeblichen Kämpfen vor, er knöpft das Hemd auf und hebt Tische hoch, um seine Kraft zu beweisen. May erklärt, dass in Amerika eine Indianerarmee von 35000 Mann auf seine Befehle höre und dass er demnächst dem deutschen Kaiser seinen Henrystutzen vorführen werde. Originalton May: ,,Derselbe wird in der gesamten deutschen Armee eingeführt werden, und kein Volk der Erde wird dann je den Deutschen widerstehen können."

Weltauflage: mehr als 80 Millionen. Karl May spielt als Erfolgsautor in der gleichen Liga wie Mao Zedong oder Stephen King. Und die Forschung hat sich weitgehend darauf geeinigt, dass er nicht gerade verrückt war, aber mindestens neurotisch. Und zwar so neurotisch, wie ein Mensch nur neurotisch sein kann. In seinem Arbeitszimmer führt er laute Gespräche mit Winnetou, lacht und weint. May behauptet, er sei als Kind jahrelang blind gewesen, er erfindet sich einen Doktortitel (,,Dr. Heilig") und rechnet penibel vor, dass er 22-mal in Amerika gewesen sei und 38 Sprachen beherrsche, in Wort und Schrift, ,,Lappländisch will ich nicht mitzählen". Warum zum Teufel will er denn ausgerechnet von allen Sprachen der Welt das Lappländische nicht mitzählen? Rätselhafter Karl May. In Wahrheit schreibt er seine indianischen Zitate meistens aus ,,Pierers Universal-Lexikon" ab, einem seinerzeit weit verbreiteten Werk. Dort werden exotische Sprachen vorgestellt - und zwar dadurch, dass das Vaterunser und die Zahlen von eins bis zehn in der jeweiligen Sprache abgedruckt sind. Deshalb gibt es in Karl Mays Schriften bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen Indianer, der das Vaterunser betet - oder der zählt. Manchmal geht das auch ein wenig durcheinander. Kaum spitzen sich im Buch die Ereignisse zu, fallen irgendwo Rothäute auf die Knie - in der Savanne, im Gebirge, bei jedem Wetter und beten oder zählen auf, sagen wir: Hottentottisch (ja wirklich!).

Karl May schreibt unendlich viel - Ideen und Geschichten, es strömt nur so aus ihm heraus. Bis heute ist immer noch etwas davon übrig. Im Herbst 2000 erscheint wieder einmal ein neuer Band von ihm, ,,Abdahn Effendi, 480 Seiten, Nummer 81 der Gesammelten Werke. Er enthält fünf Novellen und ein Theaterstück sowie das Drama "Babel und Bibel". Weil er so viel produziert und nicht groß dabei nachdenkt, sind Karl Mays Schriften wunderbar ergiebig für psychologische Deutungsversuche. Dass unerfüllte homoerotische Wünsche ihn peinigen, kriegen sogar Laien schnell mit. Frauen findet er aber auch interessant. Der Schriftsteller Arno Schmidt, einer der ganz großen May-Forscher, hat sich die Mühe gemacht, Karl Mays Landschaftsbeschreibungen zu analysieren und die beschriebene Landschaft aufzumalen. Es kommt dabei das Bild einer auf dem Rücken liegenden nackten Frau heraus, einer Frau mit gespreizten Beinen und hochgestellten Knien. Karl May ist demnach der einzige Autor der Weltliteratur, der Pornografie verfasst hat, die Kinder ohne weiteres lesen dürfen.

Karl Mays berühmteste Fans waren wahrscheinlich der Dichter Carl Zuckmayer und der Philosoph Ernst Bloch. Zuckmayer nannte seine eigene Tochter Winnetou. Ob es wirklich ein so tolles Gefühl für ein Mädchen ist, Winnetou Zuckmayer zu heißen? Und Bloch benannte einen seiner Essaybände ,,Durch die Wüste"- nach Band 1 von Mays "Gesammelten Werken". Aber Bloch tat noch viel mehr. In der ,,Frankfurter Zeitung" veröffentlichte er am 31. März 1929 unter dem Titel ,,Die Silberbüchse Winnetous" eine Hymne auf Karl May - ausgerechnet in der ,,Frankfurter Zeitung", die Karl May zu dessen Lebzeiten immer wieder verspottet und geschmäht hat. In Blochs Aufsatz steht der wohl ziemlich endgültige Satz: Karl May ist einer der besten deutschen Erzähler, und er wäre vielleicht der beste schlechthin, wäre er kein armer, verwirrter Prolet gewesen.">

Zu diesem Thema und zu den Indianern ist schon viel besseres Material veröffentlicht worden, z.B. S-KMG 108 (Winnetou und der letzte Mohikaner) oder S-KMG 117 (Romantik und Tragik der Indianer), man schaue sich auch den grossen Bild-und Textband aus dem Bechtermünz-Verlag an, dessen Titelbild "Buffalo Bull’s Back Fat", Häuptling der Schwarzfussindianer, Ölgemälde von George Catlin 1832, auch die Titelseite von GEO bildet, ansonsten Karl May nicht erwähnt. ‚Der grosse Bildatlas INDIANER - Die Ureinwohner Nordamerikas, Geschichte, Kulturen, Völker und Stämme‘. Oder man besuche (wieder) einmal das Museum in Radebeul.

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Helmut S. Ruppert

Karl May

Ein christlicher Schriftsteller

Winnetous Vater - Er hat nie einen Schauplatz seiner Abenteuer selbst besucht. Dennoch begeistert Karl May bis heute seine Leser:

Winnetou tot! Der edelste aller Apatschen niedergestreckt durch die heimtückische Kugel seines Mörders. Selbst sein treuer Blutsbruder "Scharlih Shatterhand" war nicht in der Lage, das Übel abzuwenden. Aber immerhin starb der Häuptling in seinen Armen mit dem Bekenntnis auf den Lippen: "Ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ."

Für viele jugendliche Leser war das Sicherheit genug, daß Winnetou - den sie für eine historisch-reale Persönlichkeit hielten - fraglos als guter Katholik in den Himmel aufgefahren sein müsse.

Nottaufe für den sterbenden Winnetou

Während ersteres noch zu Lebzeiten des sächsischen Bestsellerautors Karl May auch von erwachsenen Lesern angenommen wurde, teilten diese Heilsgewißheit für den Apatschen offenbar nicht alle. So schrieb eine Gräfin aus Cabuna in Slawonien an den phantasiebegabten Vielschreiber in seiner Radebeuler "Villa Shatterhand", sie gräme sich doch sehr, daß dieser edle Winnetou als sündiger Heide dahingefahren sei. Seine, Karl Mays alias Old Shatterhands, "Christenpflicht" wäre es doch gewesen, dem Bekenntnis seines Blutsbruders unverzüglich die Nottaufe folgen zu lassen. Der Dichter konnte die Besorgte beruhigen: Genau das habe er getan. Er habe es jedoch nicht erwähnt, um sich nicht "Angriffen von protestantischer Seite auszusetzen".

Der "katholische Volksschriftsteller Karl May", der sein Dichterleben lang darauf bestand, all das in über 80 dickleibigen Bänden Erzählte unter seinen "Kampfnamen" Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi erlebt zu haben, hatte freilich auch hierbei um der guten Sache Willen geschwindelt: Katholisch war er nicht, sondern lutherisch getauft. Das hängte er nicht an die große Glocke, sondern erfreute sich lieber der Sympathiebekundung aus der katholischen Welt. Mehr noch: Er tat alles, um seinen Ruf als "mit Leib und Seele katholisch Gesinnter" aufzupolieren. Den Wiener Domkapitular Graf Arnold zur Lippe nannte er seinen Freund; für ein Benediktinerstift spendete er 1905 ein Marienfenster; und einer seiner ersten Verleger war der Regensburger Friedrich Pustet. Für dessen "Deutschen Hausschatz", das damals führende Familienblatt des deutschen Katholizismus, verfaßte er fromme "Marienkalendergeschichten" - für einen Protestanten um die vorige Jahrhundertwende wahrlich ungewöhnlich.

Allerdings waren es Katholiken, die zu Karl Mays schärfsten Gegnern zählten. Hielt sich der Reformkatholik und Literaturfreund Carl Muth lediglich bei Mays Stil und Sprache auf, denen er "literarische Geschmacksverirrung" vorwarf, so fuhren andere schwerere Geschütze auf. Der Chefredakteur der katholischen "Kölnischen Volkszeitung", Hermann Cardauns, warnte die Öffentlichkeit vor dem "verwerflichen Jugendverderber Karl May", dessen "Reiseerlebnisse" gar nicht auf Selbsterlebtem beruhten, sondern der sich das alles am Schreibtisch ausgedacht und somit "erlogen" habe.

Der Geschmähte reagierte ebenso ungeschickt wie kopflos: Doch, er habe dies alles persönlich erlebt; er sei Old Shatterhand, und Winnetou sei in seiner Gegenwart am 2. September 1874 erschossen worden. Cardauns schob nach. Da könne man sehen, was für ein unverbesserlicher Betrüger dieser May sei, aber das passe ins Bild.

Ein Schwerverbrecher und Zuchthäusler

Schließlich sei er schon als junger Mensch ein Schwerverbrecher und Zuchthäusler gewesen. Das saß. Mays unglückliche Jugend, seine Vergehen und Strafen, die längst vergessen schienen, hatten ihn eingeholt. Auch mit jahrelangen Prozessen zur Wiederherstellung seiner Ehre gelang es dem ins Zwielicht der öffentlichen Meinung Gezerrten nicht, seinen lädierten Ruf wieder aufzupolieren.

May war der Sproß einer bitterarmen Weberfamilie in dem Dorf Hohenstein-Ernstthal und war auf Grund von Mangelernährung die ersten fünf Jahre seines Lebens blind. Insgesamt über sieben Jahre mußte er später in verschiedenen Gefängnissen, Arbeits- und Zuchthäusern absitzen. Es waren harte Strafen für vergleichsweise harmlose Betrügereien und Eigentumsdelikte gewesen. Die bittere Zeit hinter Gittern hat ihn geprägt: sein Welt- und Menschenbild und seine Träume sowie die Überzeugung, daß letztlich das Gute über das Böse siegen müssen.

Hier liegt wohl auch der Schlüssel zu seinem monumentalen Werk, in dem Fiktion und Wirklichkeit, Traum und Realität ineinander übergehen. Am Ende konnte das niemand mehr so recht unterscheiden. In den Jahren der Kerkerhaft entdeckte Karl May seinen Glauben wieder neu. Der katholische Gefängnisseelsorger Johannes Kochta, der den Häftling durch Güte und Vorbild bestach, hatte daran entscheidenden Anteil.

Und just auf diesen Glauben ritt ein anderer katholischer Geistlicher zu einem Zeitpunkt scharfe Attacken, als der Schriftstellerruhm Karl Mays schon beinahe seinen Höhepunkt erreicht hatte. Der Dresdener Paul Rentschka griff in der "Germania", dem Blatt der katholischen Zentrumspartei, und von der Kanzel herab mit zwei Hauptargumenten scharf an: Erstens gebe Karl May fälschlicherweise vor, katholisch zu sein; und zweitens spreche aus seinem Werk ein Ungeist, der an die Stelle des klaren Bekenntnisses einen schwammigen Humanismus setze und eine Glaubensvermischung auf eine Art Weltfriedensreligion hin.

Möglicherweise kam aus dieser Ecke auch die anonyme Denunziation Karl Mays bei der römischen Glaubenskongregation, die - freilich vergeblich - forderte, das Werk Karl Mays auf den erst 1967 abgeschafften "Index" der damals für Katholiken verbotenen Bücher zu setzen.

Bekenntnis zu einem persönlichen Gott

"Wahrheiten" auch in anderen Religionen zu sehen, das konnte damals für ein solches Verdikt schon reichen. Daß Karl May ein "christlicher Schriftsteller" war, wird heute von niemandem mehr ernsthaft in Zweifel gezogen. Der Christenglaube war für ihn der wahre Glaube. Das Bekenntnis zu einem persönlichen Gott als dem Herrn der diesseitigen und jenseitigen Wirklichkeit durchzieht sein gesamtes Werk.

Genauso war er überzeugt von der Verstrickung des Menschen ins Böse und der Erlösung durch Christus zur ewigen Existenz im Himmel. Zum formulierten Glauben gehört bei Karl May die Tat. Getreu der Bergpredigt, die er mehrfach zitiert, versucht sein Old Shattterhand konsequent Feindesliebe zu praktizieren und überzeugt durch dieses Vorbild letztlich seinen Blutsbruder Winnetou.

[Ungekürzt. ganzseitiger Artikel mit Bildern. Aus: Unsere Kirche, evangel. Kirchenzeitung für den Kirchenkreis Vlotho Nr. 34 vom 19. August 2001]

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Drittes Karl-May-Treffen in Österreich

Im Jahr 2002 ist ein weiteres Treffen in Gross Enzersdorf bei Wien geplant, Tagungsort ist das Hotel am Sachsengang (Tel. 0043-0-2249/2901-0), Termin: 22. bis 24.3.2002. Wer sich im Internet informieren möchte, klickt diese Adresse an: http://karlmay.cool.am Für alle anderen hier eine Übersicht über das Programm: Am Freitag Auktionen und eine Movie-night, Samstag Sammlerbörse, literarischer Frühschoppen, Diashow über die Filmdrehorte bei Rijeka, Diavortrag über die letzten 10 Jahre Freilichtbühnen, Vortrag Prof. Dr. Brauneder über Fantasie und Realität im Werk Karl Mays, Vortrag Erich Hammerler über das Filmkostüm Winnetous, Talkrunde mit Marie Versini, Martin Böttcher, Sigi Hold, Erwin Halletz und Miha Baloh, dann der Jubiläumsfestvortrag "Ein Schatz im Silbersee" - 40 Jahre Winnetou in Cinemascope - von Raimund Fritz, Filmredakteur; am Sonntag im Filmtheater der grosse Karl-May-Kinosonntag mit "Unter Geiern" und "Winnetou I". Noch eins sei verraten: Walther Ilmer und Miha Baloh werden während der Gala-Veranstaltung mit dem Crystal Eagle ausgezeichnet. Kurzentschlossene Anmelder wählen Tel. 0043-1-2700383 (Erich Hammerler, Andreas-Hofer-Str. 1/12, A-1210 Wien)

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Die Westernstadt 'Old Texas Town' in den Mühlen der Industrie

Die alte Town ist vielen Karl-May-Freunden ein Begriff, wurde hier doch z.B. die Einladung zum Karl May Symposium in Lubbock vom damaligen Präsidenten der Texas Tech University, Prof. Dr. Harragan, an Prof. Dr. Wolff als Vertreter der KMG überbracht. Die Berliner May Freunde trafen sich hier häufig und auch die Radebeuler Museumsfreunde waren hier zu Gast. Die Stadt war groß, mehrere Museen, ein Fort mit Paradeplatz, eine Cantina für den Tequiladurst und sogar ein Bergwerk konnte besichtigt werden.

Warum war, konnte usw. ?

Berlin braucht eine neue Mehrzweckhalle, zumindest haben die Investoren es den verschiedensten Politikern der Stadt so weis gemacht. Siemens hängte sich rein, war es doch eine gute Möglichkeit, ungenutztes Gelände (waren ja nur Laubenpieper und 'ne komische Westernstadt darauf) los zu werden. Immerhin war dieses Gelände eigentlich kein Bauland, aber für eine neue Riesenhalle wollte die Stadt auch ihre Opfer bringen. Dazwischen erhoben sich die Stimmchen der Westernfreunde, unzählige Unterschriften wurden gesammelt, Einwände hervorgebracht, mit den verschiedensten Politkern und auch den Investoren diskutiert, aber was ist geblieben?

Das Gelände von Old Texas Town wird arg beschnitten, von ehemals über 14.000 qm bleibt weniger als die Hälfte: keine Cantina mehr, kein Bergwerk, kein Indianermuseum, kein Blockhaus, kein Fort, und noch so einiges, was weg muss.

Aber das Gute: die Stadt bleibt leben.

Am 6.Oktober marschierte die 1st US-Infanterie zum letzten Mal während einer öffentlichen Veranstaltung in das Fort, um die Texasfahne einzuholen. 'Helm ab zum Gebet', das vertonte Gebet ertönte an dieser Stelle zum letzten Mal. Ben Destrey und seine Mitglieder wollen das Fort an anderer Stelle des verkleinerten Geländes wiederaufbauen, ebenso soll eine zweite Häuserreihe parallel zur Mainstreet entstehen.

Aber während Großinvestoren bei Baugenehmigungen es etwas leichter haben, muss dieser Verein seinen nächsten schweren Gang antreten. Berlin hatte so eine Halle garantiert nicht nötig, zeugen die leeren Ränge in der Max-Schmeling-Halle, das nicht überzeugenkönnende Konzept des SEZ und andere Bauvorhaben doch genug von solchen Riesenvorhaben.

Berlin hat aber so ein Kleinod wie diese Westernstadt bitter nötig. Und alle Karl May Freunde finden dort immer Freundschaft und nicht nur den Platz an der Theke.

Ab März 2002: jeden ersten Freitag und den darauffolgenden Samstag im Monat

Berlin-Haselhorst, Paulsternstrasse, Kolonie Sonneneck, Tel.: 030 / 3822444

Thomas Grafenberg

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