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Erstes Kapitel: Bloody-fox

Zwei Männer kamen am Wasser dahergeritten, ein Weißer und ein Neger. Der erstere war sehr eigentümlich gekleidet. Er trug indianische Schuhe und Lederhosen, dazu einen einst dunkelblau gewesenen, jetzt aber sehr verschossenen Frack, mit Patten, hohen Achselpuffen und blank geputzten Messingknöpfen. Die langen Schöße hingen flügelartig rechts und links an den Seiten des Pferdes hernieder. Auf dem Kopfe saß ein riesiger, schwarzer Amazonenhut, welchen eine gelb gefärbte, unechte Straußenfeder schmückte. Bewaffnet war der kleine schmächtige Mann mit einer Doppelbüchse, welche ihm über die Schulter hing, mit einer Messer und zwei Revolvern, die er im Gürtel trug. An dem letzteren hingen mehrere Beutel, wohl zur Aufnahme der Munition und allerhand notwendiger Kleinigkeiten bestimmt; jetzt aber schienen sie ziemlich leer zu sein.

Der Schwarze war eine riesige, breitschulterige Figur. Auch er trug Mokassins und dazu indianische Leggins von jener Art, welche aus zwei voneinander getrennten Hosenbeinen bestehen, so daß man eigentlich Haut gegen Haut auf dem Pferde sitzt. Das ist aber freilich nur dann von Vorteil, wenn man ohne Sattel reitet. Zu dieser Bekleidung des Unterkörpers wollte freilich diejenige des Oberkörpers nicht recht passen, denn sie bestand aus dem Waffenrocke eines französischen Dragoneroffiziers. Dieses Kleidungsstück war wohl bei der französischen Invasion nach Mexiko gekommen und hatte sich dann auf unbekannten Umwegen auf den Leib des Schwarzen verirrt. Der Rock war dem herkulischen Neger viel zu kurz und viel zu eng; er konnte nicht zugeknöpft werden, und darum konnte man die breite, nackte Brust des Reiters sehen, welcher wohl deshalb kein Hemd trug, weil es im Westen keine Wäscherinnen und Plätterinnen gibt. Dafür aber hatte er ein großes, rot und weiß kariertes Tuch um seinen Hals gebunden und vom zu einer riesigen Schleife zusammengezipfelt. Der Kopf war unbedeckt, damit man die unzähligen kleinen, fettglänzenden Löckchen, die er sich anfrisiert hatte, sehen und bewundern könne. Bewaffnet war der Mann auch mit einem Doppelgewehre, außerdem mit einem Messer, einem irgendwo entdeckten Bajonette und einer Reiterpistole, deren Geburtsjahr jedenfalls auf Anno Tobak zu setzen war.

Beritten waren beide gut. Es war den Pferden anzusehen, daß heute ein weiter Weg hinter ihnen liege, und doch


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schritten sie noch so munter und kräftig aus, als ob sie ihre Reiter kaum stundenlang getragen hätten.

Die Ufer des Baches waren saftig grün bewachsen, doch nur in einer gewissen Breite. Ueber dieselbe hinaus gab es dürre Yuccas, fleischige Ajaren und vertrocknetes Bärengras, dessen wohl 15 Fuß hohe Stengel verblüht waren.

»Schlechte Gegend!« sagte der Weiße. »Im Norden hatten wir es besser. Nicht wahr, Bob?«

» Yes,« antwortete der Gefragte. »Massa Frank haben recht. Hier es Masser Bob nicht sehr gefallen. Wenn nur bald an Helmers Home kommen, denn Masser Bob haben Hunger wie ein Walfisch, welcher Haus verschlingt.«

»Der Walfisch kann kein Haus verschlingen,« erklärte Frank dem Schwarzen, »denn seine Gurgel ist zu eng dazu.«

»Mag Gurgel aufmachen, wie Masser Bob sie aufmacht, wenn er ißt! Wie weit es noch sein bis Helmers Home?«

»Das weiß ich nicht genau. Nach der Beschreibung, welche uns heute früh gemacht wurde, müssen wir bald am Ziele sein. Schau, kommt dort nicht ein Reiter?«

Er deutete nach rechts über das Wasser hinüber. Bob hielt sein Pferd an, legte die Hand über die Augen, um sie gegen die im Westen tiefstehende Sonne zu beschatten, öffnete nach seiner Weise den Mund sehr weit, um noch besser sehen zu können, und antwortete nach einer Weile:

»Ja, es sein ein Reiter, ein kleiner Mann, auf großem Pferd. Er kommen hierher zu Masser Bob und Massa Frank.«

Der Reiter, von welchem die Rede war, kam in scharfem Trabe herbei, hielt aber nicht auf die beiden zu, sondern schien ihnen vorn quer über ihre Richtung kommen zu wollen. Er that gar nicht so, als ob er sie sehe.

»Sonderbarer Kerl!« brummte Frank. »Hier im wilden Westen ist man doch froh, einen Menschen zu sehen; diesem scheint aber gar nichts an unserer Begegnung zu liegen. Entweder ist er ein Menschenfeind, oder hat er kein gutes Gewissen.«

»Soll Masser Bob ihn einmal rufen?«

»Ja, rufe ihn. Deine Elefantentrompete wird er eher hören, als mein Zephyrsäuseln.«

Bob hielt beide Hände hohl an den Mund und schrie aus vollem Halse:

»Hallo, hallo! Halt, warten! Warum ausreißen vor Masser Bob!«

Der Neger hatte allerdings eine Stimme, welche ganz geeignet war, einen Scheintoten in das Leben zurückzubringen. Der Reiter parierte sein Pferd. Die beiden beeilten sich, ihn zu erreichen.

Als sie in seine Nähe gelangten, erkannten sie, daß sie keinen Mann von kleiner Statur, sondern einen kaum dem Knabenalter entwachsenen Jüngling vor sich hatten. Er war genau so wie die bekannten kalifornischen Cow-boys ganz in Büffelkuhleder gekleidet, und zwar in der Weise, daß alle Nähte mit Fransen versehen waren. Auf dem Kopfe trug er einen breitkrempigen Sombrero. Eine breite, rotwollene Schärpe umschlang statt des Gürtels seine Hüften und hing an seiner linken Seite herab. In dieser Schärpe steckten ein Bowiemesser und zwei mit Silber ausgelegte Pistolen. Quer vor sich auf den Knieen hielt er eine schwere, doppelläufige Kentuckybüchse, und vorn zu beiden Seiten des Sattels waren nach mexikanischer Weise Schutzleder angebracht, um die Beine zu bedecken und vor Pfeilschüssen oder Lanzenstößen zu bewahren.

Sein Gesicht war von der Sonne tief gebräunt und trotz seiner Jugend von Wind und Wetter gegerbt. Von der linken Seite der Stirn ging ihm eine blutrote, zwei Finger breite Wulst quer bis auf das rechte Auge herab. Das gab ihm ein äußerst kriegerisches Aussehen. Ueberhaupt machte er keineswegs den Eindruck eines jungen, unerwachsenen und unerfahrenen Menschen. Die schwere Büchse so leicht in der Hand, als ob sie ein Federkiel sei, das dunkle Auge groß und voll auf die beiden gerichtet, saß er stolz und fest wie ein Alter auf dem Pferde, welches sich unter ihm nicht bewegen zu können schien.

»Good day, my boy!« grüßte Frank. »Bist du in dieser Gegend bekannt?«

»Very well,« antwortete er, indem er ein leises, ironisches Lächeln sehen ließ, wohl darüber, daß der Frager ihn du genannt hatte.

»Kennst du Helmers Home?«

»Ay!«

»Wie lange reitet man noch bis hin?«

»Je langsamer, desto länger.«

»Zounds! Du scheinst sehr kurz angebunden zu sein, mein Junge!«

»Weil ich kein Mormonenpfarrer bin.«

»Ach so! Dann entschuldige! Du zürnst mir wohl, daß ich dich du genannt habe?«

»Fällt mir nicht ein! Mit der Anrede mag es ein jeder halten, wie er will, nur muß er sich dann auch die meinige gefallen lassen.«

»Schön! So sind wir also einig. Du gefällst mir sehr. Hier ist meine Hand. Nenne mich auch du und antworte mir nun aber, wie es sich schickt und gehört. Ich bin hier fremd und muß nach Helmers Home. Hoffentlich zeigst du mir nicht einen falschen Weg.«

Er reichte dem Jünglinge die Hand hinüber. Dieser drückte sie ihm, überflog Frack und Amazonenhut mit einem lächelnden Blicke und antwortete:

»Ein Schuft, wer andere in die Irre führt! Ich habe es an mir erfahren! Ich reite soeben nach Helmers Home. Wenn ihr mir folgen wollt, so kommt!«

Er setzte sein Pferd wieder in Bewegung und die beiden folgten ihm, vom Bache abbiegend, so daß der Ritt nunmehr nach Süd gerichtet war.

»Wir wären dem Wasser gefolgt,« bemerkte Frank.

»Es hätte euch auch zu dem alten Helmers geführt,« antwortete der Knabe, »aber in einem sehr weiten Bogen. Anstatt in drei Viertelstunden wäret ihr in zwei Stunden bei ihm angekommen.«

»So ist es ja sehr gut, daß wir dich getroffen haben. Kennst du den Besitzer dieses Settlements?«

»Sogar sehr gut.«

»Was ist er für ein Mann?«

Die beiden Reiter hatten ihren jungen Wegweiser in die Mitte genommen. Er warf einen forschenden Blick auf sie und antwortete:

»Wenn ihr kein gutes Gewissen habt, so geht nicht zu ihm, sondern kehrt lieber um.«

»Warum?«

»Er hat ein sehr scharfes Auge für jede Schuftigkeit und hält sehr streng auf ein reines Haus.«

»Das gefällt mir von dem Manne. Wir haben also nichts von ihm zu befürchten.«

»Wenn ihr brave Kerls seid, nein. Dann ist er ganz im Gegenteile euch zu jedem Dienste erbötig.«

»Ich höre, daß er einen Store führt?«

»Ja, aber nicht um des Gewinnes halber, sondern nur um den Westmännern, welche bei ihm verkehren, gefällig zu sein. Er führt in seinem Laden alles, was ein Jäger braucht, und er verkauft es zum billigstmöglichen Preise. Aber einer, der ihm nicht gefällt, wird selbst für teures Geld nichts von ihm erhalten.«


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»So ist er ein Original?«

»Nein, aber er bemüht sich auf alle Weise, jenes Gelichter von sich fern zu halten, welches den Westen unsicher macht. Ich brauche ihn euch gar nicht zu beschreiben. Ihr werdet ihn schon kennen lernen. Nur eins will ich euch noch von ihm sagen, was ihr freilich nicht verstehen und worüber ihr sogar wohl lachen werdet: Er ist ein Deutscher von echtem Schrot und Korn. Damit ist alles gesagt.«

Frank stand in den Bügeln auf und rief:

»Was? Das soll ich nicht verstehen? Darüber soll ich sogar lachen? Was fällt dir ein! Ich freue mich sogar königlich darüber, hier am Rande der Llano estakata einen Landsmann zu finden.«

Das Gesicht des Führers war ein sehr ernstes; selbst sein zweimaliges Lächeln war so gewesen, als ob er wirklich zu lachen gar nicht verstehe. Jetzt blickte er mit milden, freundlichen Augen zu Frank herüber und fragte:

»Wie? Ein Deutscher bist du? Ist's wahr?«

»Jawohl! Natürlich! Siehst du mir das denn nicht sofort an?«

»Nein! Du sprichst das Englische nicht wie ein Deutscher und hast ganz genau das Aussehen eines Yankee-Onkels, welcher von seinen sämtlichen Neffen zum Fenster hinausgeworfen worden ist.«

»Heavens! Was fällt dir ein! Ich bin ein Deutscher durch und durch, und wer das nicht glaubt, dem renne ich die Flinte durch den Leib!«

»Dazu genügt das Messer auch. Aber wenn es so ist, so wird der alte Helmers sich freuen, denn er stammt auch von drüben herüber.«

»Aus Deutschland?«

»Ja, und er hält gar große Stücke auf sein Vaterland und seine Muttersprache.«

»Das glaube ich! Ein Deutscher kann beide nie vergessen. Nun freue ich mich doppelt, nach Helmers Home zu kommen. Eigentlich konnte ich mir denken, daß er ein Deutscher ist. Ein Yankee hätte sein Settlement Helmers Range oder so ähnlich genannt; aber Helmers Home, dieses Namens wird sich nur ein Deutscher bedienen. Wohnst du in seiner Nähe?«

»Nein! Ich habe weder eine Range noch eine Home als mein Eigentum. Ich bin wie der Vogel in der Luft oder wie das Tier im Walde.«

»Also ein armer Teufel?«

»Ja!«

»Trotz deiner Jugend! Hast du keine Eltern?«

»Keinen einzigen Verwandten.«

»Aber einen Namen besitzest du!«

»Ja freilich. Man nennt mich Bloody-fox.«

»Bloody-fox? Das deutet auf ein blutiges Ereignis.«

»Ja, meine Eltern wurden mit der ganzen Familie und der sämtlichen Gesellschaft ermordet, drin in der Llano estakata; nur ich allein bin übrig geblieben. Man fand mich mit klaffendem Schädel. Ich war ungefähr acht Jahre alt.«

»Herrgott! Dann bist du wirklich das, was ich sagte, ein armer Teufel. Man überfiel euch, um euch auszurauben?«

»Ja, natürlich.«

»So rettetest du nichts als das Leben, deinen Namen und die schreckliche Erinnerung!«

»Nicht einmal das. Helmers fand mich im Kaktus liegen, nahm mich auf das Pferd und brachte mich heim zu sich. Ich habe monatelang im Fieber gelegen, und als ich erwachte wußte ich nichts mehr, gar nichts mehr. Ich hatte selbst meinen Namen vergessen, und ich kann mich selbst heute noch nicht auf denselben besinnen. Nur der Augenblick des Ueberfalls ist mir klar im Gedächtnisse geblieben. Ich wäre glücklicher, wenn auch das mir entschwunden wäre, denn dann würde nicht das heiße Verlangen nach Rache mich wieder und immer wieder durch die schreckliche Wüste peitschen.«

»Und warum hat man dir den Namen Bloody-fox gegeben?«

»Weil ich über und über mit Blut bedeckt gewesen bin und während meiner Fieberphantasien oft den Namen Fuchs genannt habe. Man hat daraus schließen zu müssen geglaubt, daß er der meinige sei.«

»So wären deine Eltern also Deutsche gewesen?«

»Jedenfalls. Denn ich verstand, als ich wieder zu mir kam, kein englisches und auch kein deutsches Wort. Ich konnte mich überhaupt gar keiner Sprache bedienen. Aber während ich das Englische eben langsam lernte, wie einer, der es noch nicht kann, wurde mir das Deutsche so schnell, ja so plötzlich geläufig, daß ich es unbedingt schon vorher gesprochen haben mußte. Helmers ist mir wie ein Vater gewesen. Er wohnte damals noch nicht in seinem jetzigen Settlement. Aber es hat mich nicht bei ihm gelitten. Ich habe hinaus gemußt in die Wildnis wie der Falke, dem die Geier die Alten zerrissen haben, und der nun um die blutige Stätte kreisen muß, bis es ihm gelingt, auf die Mörder zu stoßen. Sein scharfes Auge muß und wird sie entdecken. Mögen sie hundertmal stärker sein als er, und mag er sein Leben geben müssen, er wird es gern verlieren, denn sein Tod wird auch der ihrige sein!«

Er knirschte hörbar mit den Zähnen und nahm sein Pferd so scharf in die Zügel, daß es hoch empor stieg.

»So hast du die Schmarre auf der Stirn von damals her?« fragte Frank.

»Ja,« antwortete er finster. »Doch, sprechen wir nicht weiter davon! Es regt mich zu sehr auf, und dann müßt ihr gewärtig sein, ich stürme von euch fort und lasse euch allein nach Helmers Home reiten.«

»Ja, sprechen wir lieber von dem Besitzer desselben. Was ist er denn drüben im alten Lande gewesen?«

»Forstbeamter. Ich glaube, Oberförster.«

»Wie - wa - wa - was!« rief Frank. »Ich auch!«

Bloody-fox machte eine Bewegung der Ueberraschung, betrachtete sich den Sprecher abermals genau und sagte dann:

»Du auch? Das ist ja ein höchst erfreuliches Zusammentreffen!«

»Ja, ich habe ganz dieselbe Karriere gehabt. Aber wenn er die schöne Anstellung eines Oberförsters gehabt hat, warum hat er sie denn aufgegeben?«

»Aus Aerger. Ich glaube, die betreffende Waldung befand sich im Privatbesitz, und sein Patron war ein stolzer, rücksichtsloser und jähzorniger Herr. Beide sind auf- und auseinander geraten, und Helmers hat ein schlechtes Zeugnis erhalten, so daß er keine Wiederanstellung fand. Da ist er denn so weit wie möglich fortgegangen. Siehst du da drüben das Rot- und Schwarzeichengehölz?«

»Ja!« antwortete Frank, indem er in die angegebene Richtung blickte.

»Dort treffen wir wieder auf den Bach, und hinter dem Walde beginnen Helmers Felder. Bisher hast du mich ausgefragt; nun will einmal ich einige Erkundigungen aussprechen. Wird nicht dieser brave Neger Sliding-Bob genannt?«

Da that Bob im Sattel einen Sprung, als ob er sich vom Pferde schnellen wolle.

»Ah! oh!« rief er. »Warum schimpfen Massa Bloody-fox gut, brav Masser Bob?«

»Nicht schimpfen und nicht beleidigen will ich dich,« antwortete der Jüngling. »Ich glaube, ich bin ein Freund von dir.«

»Warum da nennen Masser Bob grad so, wie haben Indianer ihn genannt, weil


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Masser Bob damals immer rutschen von Pferd herab! Jetzt aber Masser Bob reiten wie ein Teufel!«

Um zu zeigen, daß er die Wahrheit gesagt habe, gab er seinem Pferde die Sporen und galoppierte davon, gerade auf das erwähnte Gehölz zu. Auch Frank war über die Frage des jungen Mannes erstaunt.

»Du kennst Bob?« sagte er. »Das ist doch beinahe unmöglich!«

»O nein! Ich kenne auch dich.«

»Das wäre! Wie heiße ich denn?«

»Hobble-Frank.«

»Good lack! Das ist richtig! Aber, Boy, wer hat dir das gesagt? Ich bin doch all mein Lebtag noch nicht hier in dieser Gegend gewesen.«

»O,« lächelte der Jüngling, »man wird doch einen so berühmten Westmann kennen, wie du bist.«

Frank blies sich auf, daß ihm der Frack zu eng werden wollte, und sagte:

»Ich? berühmt? Auch das weißt du schon?«

»Ja!«

»Wer hat es dir gesagt?«

»Ein früherer Bekannter von mir, Jakob Pfefferkorn, welcher gewöhnlich nur der >dicke Jemmy< genannt wird.«

»Alle Wetter! Mein Spezial! Wo hast du den getroffen?«

»Vor einigen Tagen eben am Washita Fork. Er erzählte mir, daß ihr euch verabredet habt, euch hier in Helmers Home zu treffen.«

»Das ist richtig. Kommt er denn?«

»Ja! Ich bin eher aufgebrochen und komme direkt von oben herunter. Er wird jedenfalls bald nachfolgen.«

»Das ist herrlich; das ist prächtig! Also er hat dir von uns erzählt?«

»Er hat mir eueren ganzen Zug nach dem Yellowstone berichtet. Als du mir vorhin sagtest, daß du auch Forstmann gewesen seist, wußte ich sogleich, wen ich vor mir habe.«

»So wirst du mir nun glauben, daß ich ein guter Deutscher bin?«

»Nicht nur das bist du, sondern ein guter, herzensbraver Kerl überhaupt,« lächelte der junge Mann.

»So hat der Dicke mich also nicht schlecht gemacht?«

»Ist ihm gar nicht eingefallen! Wie könnte er seinen braven Frank verleumden!«

»Ja, weißt du, wir haben uns zuweilen ganz außerordentlich über Dinge gestritten, welche zu begreifen eine Gymnasialbildung nicht ganz hinreichend ist. Er hat aber glücklicherweise eingesehen, daß wir einander überlegen sind, und so kann es nun auf der ganzen Welt keine besseren Freunde, als uns, geben. - Aber da ist Bob, und da ist das Gehölz. Wie nun weiter?«

»Ueber den Bach hinüber und zwischen den Bäumen hindurch; das ist die genaue Richtung. Reiter, wie Bob einer ist, brauchen keinen gebahnten Weg.«

»Ja, richtig!« stimmte der Neger stolz bei. »Massa Bloody-fox haben sehen, daß Masser Bob reiten wie ein Indianer. Masser Bob machen mit durch dick und dünn.«

Sie setzten über das Wasser, ritten durch das Wäldchen, woran kein Unterholz sie hinderte, und kamen dann zwischen eingezäunten Mais-, Hafer- und Kartoffelfeldern hindurch.

Hier gab es stellenweise den fruchtbaren, schwarzen Sandboden des texanischen Hügellandes, welcher reiche Ernten gibt. Das Wasser des Baches erhöhte den Wert des Settlementes und floß ganz nahe an dem Wohnhause vorüber, hinter welchem sich die Stallungen und Wirtschaftsgebäude befanden.

(Fortsetzung folgt.)


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Das Haus war aus Stein gebaut, lang, tief und ohne Oberstock, doch enthielten die Giebelseiten je zwei kleine Dachstuben. Vor der Thüre standen vier riesige Postoaks mit bis zur Spitze kerzengeraden Stämmen, von welchen weitschattende Aeste ausgingen, unter denen mehrere einfache Tische und Bänke angebracht waren. Man sah es auf den ersten Blick, daß rechts vom Eingange der Wohnraum, und links von demselben der von Bloody-fox erwähnte Laden lag.

An einem der Tische saß ein ältlicher Mann, welcher, die Tabakspfeife im Munde, den drei Ankömmlingen forschend entgegenblickte. Er war von hoher, derber Gestalt, wetterhart im Gesicht, welches ein dichter Vollbart umrahmte, ein echter Westmann, dessen Händen es anzusehen war, daß sie wenig geruht, aber viel geschafft und gearbeitet hatten.

Als er den Führer der beiden Fremden erkannte, stand er auf und rief ihm bereits von weitem entgegen:

»Welcome, Bloody-fox! Lässest du dich endlich wieder einmal sehen? Es gibt Neuigkeiten.«

»Von woher?« fragte der Jüngling.

»Von da drüben.«

Er deutete mit der Hand nach Westen.

»Was für welche? Gute?«

»Leider nicht. Es hat wahrscheinlich wieder einmal Hyänen in den Plains gegeben.«

Die Llano estakata wird nämlich von dem englisch sprechenden Amerikaner Staked Plain genannt. Beide Bezeichnungen haben aber ganz denselben wörtlichen Sinn.

Diese Nachricht schien den jungen Mann förmlich zu elektrisieren. Er schwang sich aus dem Sattel, trat schnell auf den Mann zu und sagte:

»Das mußt du mir sofort erzählen!«

»Es ist wenig genug und läßt sich sehr bald sagen. Vorher aber wirst du doch so höflich sein,


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diesen beiden Gentlemen mitzuteilen, wer ich bin.«

»Das ist ebenso bald gesagt. Du bist Master Helmers, der Besitzer dieser Farm, und diese Herren sind gute Freunde von mir, Master Hobble-Frank und Masser Sliding-Bob, die dich aufsuchen wollen, um vielleicht etwas von dir zu kaufen.«

Helmers betrachtete die beiden Genannten und bemerkte:

»Will sie erst kennen lernen, ehe ich mit ihnen handle. Habe sie noch nie gesehen.«

»Du kannst sie ruhig bei dir aufnehmen; ich habe sie ja meine Freunde genannt.«

»Im Ernste oder aus Höflichkeit?«

»In vollem Ernste.«

»Nun, dann sind sie mir willkommen.«

Er streckte Frank und auch dem Neger die Hand entgegen und lud sie ein, sich niederzusetzen.

»Erst die Pferde, Sir,« sagte Frank. »Ihr wißt ja, was die erste Pflicht eines Westmanns ist.«

»Wohl! Aus eurer Sorge für die Tiere ersehe ich, daß ihr brave Bursche seid. Wann wollt ihr wieder fort?«

»Wir sind vielleicht gezwungen, einige Tage hier zu bleiben, da wir gute Kameraden erwarten.«

»So führt die Pferde hinter das Haus, und ruft nach Herkules, dem Neger. Der wird euch in allem gern zu Diensten sein.«

Die beiden folgten dieser Aufforderung. Helmers blickte ihnen kopfschüttelnd nach und sagte zu Bloody-fox:

»Sonderbare Kerle hast du mir da gebracht! Einen französischen Rittmeister mit schwarzer Haut und einen Gentleman von vor fünfzig Jahren mit ostrich-feather-hat. Das fällt selbst hier im fernen Westen auf«

»Laß dich nicht irre machen, Alter! Ich will dir nur einen einzigen Namen nennen; dann wirst du ihnen trauen. Sie sind gute Bekannte von Old Shatterhand, den sie hier erwarten.«

»Was? Wirklich?« rief der Farmer. »Old Shatterhand will nach Helmers Home kommen?«

»Ja, gewiß!«

»Von wem hast du das? Von den beiden?«

»Nein, sondern von dem dicken Jemmy Pfefferkorn.«

»Auch den hast du getroffen? Ich bin ihm nur zweimal begegnet, möchte ihn aber gern einmal wiedersehen.«

»Das wirst du bald. Er kommt auch hierher. Er gehört zu der Gesellschaft, welche die beiden bei dir erwarten.«

Helmers sog schnell einigemal an seiner Pfeife, die ihm ausgehen wollte; dann rief er, indem sein Gesicht vor Freude glänzte:

»Welch eine Nachricht! Old Shatterhand und der dicke Jemmy! Das ist eine Freude und eine Ehre, die ich zu würdigen weiß. Ich muß nun gleich zu meinem alten Bärbchen laufen, um ihr mitzuteilen, daß ---«

»Halt!« unterbrach Bloody-fox den Farmer, indem er ihn, der forteilen wollte, am Arme festhielt, »erst will ich hören, was sich dort auf den Plains begeben hat!«

»Ein Verbrechen natürlich,« antwortete Helmers, indem er sich wieder zu ihm wandte. »Wie lange warst du nicht bei mir?«

»Fast zwei Wochen.«

»So hast du auch die vier Familien nicht bei mir gesehen, welche über die Llano wollten. Sie sind seit über einer Woche fort von hier, aber nicht drüben angekommen. Burton, der Trader, ist von drüben herüber. Sie müßten ihm begegnet sein.«

»Sind die Pfähle in Ordnung gewesen?«

»Eben nicht. Hätte er die Wüste nicht seit zwanzig Jahren so genau kennen gelernt, so wäre er verloren.«

»Wo ist er hin?«

»Er liegt eben in der kleinen Stube, um sich auszuruhen.

Er war bei seiner Ankunft halb verschmachtet, hat aber trotzdem nichts genossen, um nur gleich schlafen zu können.«

»Ich muß zu ihm. Ich muß ihn trotz seiner Müdigkeit wecken. Er muß mir erzählen!«

Der junge Mann eilte ganz erregt fort und verschwand im Eingange des Hauses. Der Farmer setzte sich wieder nieder und rauchte seine Pfeife weiter. Mit der Verwunderung über die Eilfertigkeit des Jünglings fand er sich durch ein leichtes Kopfschütteln ab; dann nahm seine Miene den Ausdruck behaglicher Genugthuung an. Der Grund derselben war sehr leicht aus den Worten zu erkennen, welche er vor sich hin murmelte:

»Der dicke Jemmy! Hm - - -! Und gar Old Shatterhand! Hm - - -! Und solche Männer bringen nur tüchtige Kerls mit! Hm - - -! Es wird eine ganze Gesellschaft kommen! Hm - - -! Aber ich wollte es doch meinem Bärbchen sagen, daß - - -«

Er sprang auf, um die erfreuliche Neuigkeit seiner Frau mitzuteilen, blieb aber doch stehen, denn soeben kam Frank um die Ecke des Hauses auf ihn zu.

»Nun, Master, habt Ihr den Neger gefunden?« fragte ihn Helmers.

»Ja,« antwortete Frank. »Bob ist bei ihm, und so kann ich ihnen die Pferde überlassen. Ich muß vor allen Dingen wieder zu Euch, um Euch zu sagen, wie sehr ich mich freue, daß ich einen Kollegen gefunden habe.«

Er sprach englisch. Es war überhaupt bisher alles in englischer Sprache gesprochen worden.

»Einen Kollegen?« fragte der Farmer. »Wo denn?«

»Hier! Euch meine ich natürlich.«

»Mich? Wieso?«

»Nun, Bloody-fox hat mir gesagt, daß Ihr Oberförster gewesen seid.«

»Das ist richtig.«

»So sind wir also Kollegen, denn auch ich bin ein jünger der Forstwissenschaft gewesen.«

»Ah! Wo denn, mein Lieber?«

»In Deutschland, in Sachsen sogar.«

»Was! In Sachsen? So sind Sie ein Deutscher? Warum sprechen Sie da englisch! Bedienen Sie sich doch Ihrer schönen Muttersprache!«

Dies sagte Helmers deutsch, und sofort fiel Hobble-Frank ein:

»Mit größtem Vergnügen, Herr Oberförschter! Wenn es sich um meine angeschtammte Mutterschprache handelt, dann mache ich keene Schperrenzien, sondern gehe off der Schtelle mit droff ein. Sie werden es sofort der Reenheit oder der Reinheet meines syntaxischen Ausdruckes anhören, daß ich in derjenigen Gegend Deutschlands existiert habe, in welcher bekanntlich das gelenkigste und hochgeläutertste Deutsch geschprochen wird, nämlich in Moritzburg, bei der Residenzschtadt Dresden, wissen Sie, wo das Schloß mit dem Bildnisse Augusts des Schtarken und den berühmten Karpfenteichen sich befindet. Ich begrüße Sie also im Namen der edlen Forschtkultur und hoffe, Sie sehen es sofort ein, daß Sie es in mir mit eenem hervorragenden ingenium magnum sine mixtura Clementius zu thun haben!«

Sonderbar! Wenn Frank sich des Englischen bediente, so war er ein ganz verständiges und bescheidenes Männchen; aber sobald er begann, sich deutsch auszu-


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drücken, erwachte die Erkenntnis seiner Selbstherrlichkeit in ihm.

Helmers wußte zunächst nicht, was er denken solle. Er drückte ihm die so freundlich dargebotene Hand, gab keine direkte Antwort, lud den Herrn »Kollegen« ein, sich niederzusetzen, und versuchte, dadurch Zeit zu gewinnen, daß er sich in das Haus begab, um eine Erfrischung herbeizuholen. Als er zurückkehrte, hatte er zwei Flaschen und zwei Biergläser in der Hand.

»Sapperment, das ist günstig!« rief Frank. »Bier! Ja, das laß ich mir gefallen! Beim edlen Gerschtenschtoff öffnen sich am leichtesten die Schleusen männlicher Beredsamkeet. Wird denn hier in Texas ooch schon welches gebraut?«

»Sehr viel sogar. Sie müssen wissen, daß es in Texas vielleicht über vierzigtausend Deutsche gibt, und wo der Deutsche hinkommt, da wird sicherlich gebraut.«

»Ja, Hopfen und Malz, Gott erhalt's! Brauen Sie die liebe Gottesgabe selber?«

»Nein! Ich lasse mir, so oft es paßt, einen Vorrat aus Coleman City kommen. Prosit, Herr Frank!«

Er hatte die Gläser gefüllt und stieß mit Frank an. Dieser aber meinte:

»Bitte, Herr Oberförschter, genieren und fürchten Sie sich nich! Ich bin een höchst leutseliger Mensch; darum brauchen Sie mich nich Herr Frank zu titulieren. Sagen Sie ganz eenfach immer nur Herr Kollege! Da kommen wir beede gleich am besten weg. Ich habe die fürschtlich epidemische Hofetikette niemals nich recht leiden gekonnt. Ihr Bier is nich übel. Warum wollen wir uns also den Appetit oder vielmehr den Trinketit mit überschpannten und off die Schpitze geschraubten Neujahrschgratulationen verderben. Meenen Sie nich ooch?«

»Ganz recht!« nickte Helmers lachend. »Sie sind der Mann, der mir gefallen kann.«

»Natürlich! Etwas herablassend und liberal muß jeder sein, der den richtigen, intelligenten Verschtand sich angebildet hat. Was mich betrifft, so is mir das bei meiner fachmännischen Begabung gar nich schwer gefallen; aber wo haben denn Sie eegentlich schtudiert?«

»In Tharandt.«

»Hab' mir's gleich gedacht, denn Tharandt is der Alba Vater für die Forschtpraktikanten der ganzen Welt.«

»Wollten Sie etwa sagen, Alma mater?«

»Nee, ganz und gar nich. Versuchen Sie es nich etwa, mir an meinem klassisch hebräischen Latein herumzumäkeln, wie früher der dicke Jemmy es zu seinem eegenen Schaden that? Wenn Sie das thun, da könnte unser schönes, penetrantes Verhältnis sehr leicht eene schlimme Wendung nehmen. Unsereener is ja Koryphäe und darf also so etwas nich dulden. Wo schteckt denn eegentlich unser guter Bloody-fox?«

»Er ist zu einem Gast von mir gegangen, um eine Erkundigung einzuziehen. Wo haben Sie ihn getroffen?«

»Draußen am Bache, ungefähr eene Schtunde von hier.«

»Ich dachte, Sie wären längere Zeit beisammen gewesen.«

»Das is nich im mindesten nötig. Ich habe so etwas anziehend Sympathetisches an mir, daß ich immer sehr schnell mit aller Welt befreundet werde. Der Psycholog nennt das die Sympolik der Geschmacks- und der Gefühlsorgane, was leider nich jedermann gegeben is. Der junge Mann hat mir bereits seinen ganzen Lebenslauf off das geheimnisvollste anvertraut. Ich widme ihm die ganze Teilnahme meines öffentlichen Herzens und hoffe, daß unsere junge Bekanntschaft für ihn eene wirkliche Kalospinthechromohelene des Glückes werde. Wissen Sie nichts Näheres über ihn?«

»Wenn er Ihnen seinen ganzen Lebenslauf erzählt hat, nein.«

»Wovon lebt er denn eigentlich?«

»Hm! Er bringt mir zuweilen einige Nuggets. Daraus schließe ich, daß er irgendwo einen kleinen Goldfund gemacht habe.«

»Das will ich ihm gönnen, zumal er een Deutscher zu sein scheint. Es muß schrecklich sein, nich zu wissen, unter dem wievielsten Aequator die erschte Lebenswiege der betreffenden Persönlichkeet geschtanden hat. Wir zwee beede, Sie und ich, kennen dieses hippokratische Leiden freilich nich. Wir wissen glücklicherweise, wohin sich unsere heimatsvolle Sehnsucht zu richten hat, nämlich nach Deutschland - - >dahin, dahin<, wie Galilei so schön in seinem Mingnonliede singt.«

»Sie meinen wohl Goethe?«

»Nee, ganz und gar nich! Ich weeß gar wohl zwischen Goethe und Galilei zu unterscheiden. Goethe gehört eener ganz anderen höhern Volksschule an. Er hätte solche gefühlvolle Reime gar nich fertig gebracht. Galilei aber mit seinem Fernrohre und seiner Sehnsucht nach elegischen Kometen hat das richtige Tirolerheimweh getroffen, indem er dichtete:

»Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Ums Schindeldach die jungen Schtörche ziehn? Der Loobfrosch flötet abends im Geschträuch, Und Lunas Bild schtrahlt aus dem nahen Teich. Dort ist's gemütlich, drum dorthin Schteht mir die Nase und schteht mir der Sinn!«

Er hatte sich von seinem Sitze erhoben, die Verse deklamiert und mit Gesten begleitet. Jetzt sah er den Farmer erwartungsvoll an. Dieser mußte sich die größte Mühe geben, ernsthaft zu bleiben. Da er kein anerkennendes Wort sagte, fragte Frank verdrießlich:

»Es scheint, daß die Poesie keenen Eindruck off Sie macht. Haben Sie denn gar so een nüchternes Temperament?«

»Nein, nein! Ich schwieg nur aus Verwunderung darüber, daß Sie die Worte des Dichters so genau und so lange Zeit behalten können.«

»Das is weiter nichts. Was ich lese, das merk' ich mir. Und habe ich's ja vergessen, so verbessere ich's. Off diese Weise kann der Applaus gar nich ausbleiben.«

»So sind Sie ja ein geborener Dichter!«

»Ja, viel wird nicht daran fehlen!«

»So beneide ich Sie. Ich habe einmal zwei volle Tage lang meinen Kopf gemartert, um zwei Reime zu einem Geburtstagsgedichte fertig zu bringen - vergebens; ich konnte nicht Heureka! rufen.«

»Hören Sie, gebrauchen Sie das Wort nich falsch! Es is eene arabische Beschwörungsformel und bedeutet off deutsch: Der Teufel is los! Mit solchen Zaubereien muß man sehr vorsichtig sein, denn man weeß ja gar nich, was daraus entschtehen kann. Denken Sie nur daran, wie es dem berühmten Dschengischan mit seinen dreihundert Schpartanern ergangen is!«

»Wie denn?« fragte der Farmer, neugierig, was jetzt kommen werde.

»Er lag mit ihnen hinter dem Engpaß von Gibraltar, den die Tscherkessen erschtürmen wollten. Weil er so wenig Leute hatte, ließ er die berühmte Hexe von Endor kommen, um ihm zu helfen. Er setzte sich mit ihr und seinen Schpartanern um den Kessel herum, in welchen allerlee Kräuter und Elefantenfüße geworfen wurden. Jedenfalls is da een Versehen vorgekommen, denn plötzlich zerschprang der Kessel und Dschengischan flog mit sämtlichen Schpartanern in die Luft. Er war der Höchste von allen und sah bei dieser Gelegenheet, daß die Erde sich unter ihm um ihre Achse drehte. Da rief er off hebräisch aus: 0 sancta Com-


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plicius, zu deutsch: Und sie bewegt sich doch!«

Da konnte Helmers sich nicht mehr halten. Er sprang empor und stieß ein schallendes Gelächter aus. Daß der Hobble-Frank in seinem Fracke und dem Amazonenhute diesen Gallimathias mit solchem Ernste vorbrachte, war gar zu spaßhaft.

»Was lachen Sie denn?« fragte Frank beleidigt. »Glooben Sie denn etwa, weil ich Ihr Kollege bin, können Sie mir ungeschtraft - - -«

Er wurde glücklicherweise unterbrochen, sonst hätte er eine donnernde Philippika losgelassen. Bloody-fox trat nämlich jetzt wieder aus dem Hause und kam auf die beiden zu. Er blickte dem Hobble-Frank in das vor Zorn hochrote Gesicht und fragte:

»Was gibt es denn? Worüber räsonnierest du?«

Er sprach deutsch, weil er hörte, daß Frank sich derselben Sprache bediente. Dieser antwortete:

»Worüber ich zürne? Darüber, daß dieser mein Kollege mich auslacht. Und warum lacht er mich aus? Weil er nichts von der sekundären Weltgeschichte verschteht. Ich gebe mir die schönste antike Mühe, ihm die antediluvianischen Konschtellationen der tscherkessischen Kriegsgeschichte zu erklären, aber er hat nich den mindesten Sinn für das Verhältnis zwischen der Taktik und Schtrategie des Mittelalters.«

»Taktik? Strategie?« fragte der junge Mann ganz verblüfft.

»Jawohl! Natürlich! Kennst du es?«

»Nein!«

»So will ich es dir erklären. Die richtige Taktik schteht zur richtigen Schtrategie grad in demselben Verhältnisse wie die Geometrie zur Archimetik, nämlich Radius mal Radius minus ix is gleich dem Quadrate der Hippodromuse mit zwee Kathedern im Lehrzimmer der Obersekunda. Kannst du das begreifen?«

»Nein,« antwortete Bloody-fox, sehr der Wahrheit gemäß.

»Das kann ich mir freilich denken, denn zu solchen genialen Schpekulationen gehört een angeborener Menschenverstand und sodann eene fleißige Ausbildung der internationalen Seelenkräfte. Wem's weder angeboren noch anerzogen is, der kann es eben nich begreifen. Du geschtehst das wenigstens ein und bleibst ernst dabei. Der Kollege aber kapiert es nich und lacht mich aus. Was soll ich von ihm denken? Er kennt mich nich. Ich bin geboren nach dem alten griechischen Sprichworte inter sacrum et saxum stat = im heiligen Staate Sachsen, und bin nich gewöhnt, über mich lachen zu lassen. Ueberlege dir die Sache und ---«

»Schön! Ich werde es mir sehr gern überlegen,« unterbrach ihn Bloody-fox. »Jetzt aber habe ich keine Zeit dazu. Ich kann jetzt nur an die armen Menschen denken, welche in der Llano estakata ermordet worden sind.«

Er hatte wohl von dem dicken Jemmy genug erfahren, um zu wissen, wie der Hobble-Frank zu behandeln sei. Darum hütete er sich, demselben zu widersprechen und brachte einen Gegenstand zur Sprache, welcher ihn interessieren und von der Strafpredigt abbringen mußte. Er erreichte seine Absicht, denn Frank vergaß sofort seinen Zorn und fragte:

»Menschen sind ermordet worden? In der Llano? Wann denn?«

»Das weiß man nicht. Sie sind vor über acht Tagen von hier fort, aber nicht jenseits der Wüste angekommen. Folglich sind sie zu Grunde gegangen.«

»Vielleicht doch nicht. Sie werden wohl in anderer Richtung geritten sein, als sie ursprünglich beabsichtigt haben.«

»Eben das ist es ja, was ich befürchte. Von hier aus ist es nur in einer einzigen Richtung möglich, über die gefährlichen Plains zu gelangen. Diese Strecke ist ebenso gefährlich wie zum Beispiele die Sahara oder die Wüste Gobi. Es gibt in der Llano estakata keine Brunnen, keine Oasen und auch keine Kamele, welche viele Tage lang zu dürsten vermögen. Das macht diese Strecke so fürchterlich, obgleich sie kleiner ist als die große afrikanische oder asiatische Wüste. Es gibt keinen gebahnten Weg. Darum hat man die Richtung, in welcher der Ritt allein möglich ist, mit Pfählen abgesteckt, wovon die Wüste ihren Namen erhalten hat. Wer über diese Pfähle hinausgerät, der ist verloren; er muß den Tod des Verschmachtens sterben. Hitze und Durst verzehren ihm das Hirn; er verliert die Fähigkeit des Denkens und reitet so lange im Kreise herum, bis sein Pferd unter ihm zusammenbricht und er dann nicht weiter kann.«

»So darf er nicht den abgesteckten Weg verlassen, meinst du wohl?« fragte Helmers, welcher sah, daß Frank den Kopf schüttelte.

»Ja, das wollte ich sagen,« antwortete dieser.

(Fortsetzung folgt.)


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»Diese Vorsicht beobachtet auch jedermann. Es gibt nur sehr, sehr wenige, welche die Llano so genau kennen, daß sie sich auch ohne Pfähle zurecht zu finden vermögen. Aber wie nun, wenn von schlechten Menschen die Pfähle falsch gesteckt werden?«

»Das wäre ja teuflisch!«

»Gewiß, aber dennoch kommt es vor. Es gibt Verbrecherbanden, deren Mitglieder die Pfähle aus der Erde ziehen und in falscher Richtung wieder befestigen. Wer ihnen nun folgt, der ist verloren. Die Pfähle hören plötzlich auf; er befindet sich inmitten des Verderbens und kann keine Rettung finden.«

»So reitet er längs der Pfähle zurück!«

»Dazu ist's zu spät, denn er befindet sich bereits so tief in der Estakata, daß er das Grasland nicht mehr zu erreichen vermag, bevor er verschmachtet. Die Räuber brauchen ihn gar nicht zu töten. Sie warten einfach, bis er verschmachtet ist, und rauben dann seinen Leichnam aus. So ist es bereits oft geschehen.«

»Aber kann man sie denn nicht unschädlich machen?«

Eben, als Helmers antworten wollte, wurde seine Aufmerksamkeit durch einen sich langsam nähernden Mann in Anspruch genommen, dessen Ankunft erst jetzt, als er um die Ecke des Hauses trat, bemerkt wurde. Er war durchaus in schwarzes Tuch gekleidet und trug ein kleines Päckchen in der Hand. Seine lange Gestalt war sehr schmal und engbrüstig, sein Gesicht hager und spitz. Der hohe Chapeau claque, welcher ihm tief im Nacken saß, gab ihm, zumal er eine Brille trug, im Verein mit dem dunklen Anzuge das Aussehen eines Geistlichen.

Er trat mit eigentümlich schleichenden Schritten näher, griff leicht an den Rand seines Hutes und grüßte:

»Good day, Mesch'schurs! Komme ich vielleicht hier richtig zu John Helmers, Esquire?«

Helmers betrachtete sich den Mann mit einem Blicke, aus welchem zu ersehen war, daß er kein großes Wohlgefallen an ihm fand, und antwortete:

»Helmers heiße ich, ja, aber den Es-


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quire könnt Ihr getrost weglassen. Ich bin weder Friedensrichter, noch liebe ich überhaupt dergleichen Titulaturen. Das sind doch nur faule Aepfel, mit denen sich ein Gentleman nicht gern bewerfen läßt. Da Ihr meinen Namen kennt, so darf ich vielleicht auch den Eurigen erfahren?«

»Warum nicht, Sir! Ich heiße Tobias Preisegott Burton und bin Missionar der Heiligen des jüngsten Tages.« -

Er sagte das in einem sehr selbstbewußten und salbungsvollen Tone, welcher aber keineswegs den beabsichtigten Eindruck auf den Farmer machte, denn dieser meinte achselzuckend:

»Ein Mormone seid Ihr also? Das ist keineswegs eine Empfehlung für Euch. Ihr nennt Euch die Heiligen der letzten Tage. Das ist anspruchsvoll und überhebend, und da ich ein sehr bescheidenes Menschenkind bin und für Eure Selbstgerechtigkeit nicht den mindesten Sinn habe, so wird es am besten sein, Ihr schleicht in Euren frommen Missionsstiefeln sogleich weiter. Ich dulde keinen Proselytenmacher hier im Settlement.«

Das war sehr deutlich, ja sogar beleidigend gesprochen. Burton aber behielt seine verbindliche Miene bei, griff abermals höflich an den Hut und antwortete:

»Ihr irrt, Master, wenn Ihr meint, daß ich beabsichtige, die Bewohner dieser gesegneten Farm zu bekehren. Ich spreche bei Euch nur vor, um mich auszuruhen und meinen Hunger und Durst zu stillen.«

»So! Na, wenn Ihr nur das wollt, so sollt Ihr haben, was Euch nötig ist, vorausgesetzt natürlich, daß Ihr bezahlen könnt. Hoffentlich habt Ihr Geld bei Euch!«

Er überflog die Gestalt des Fremden abermals mit einem scharfen, prüfenden Blicke und zog dann ein Gesicht, als ob er etwas nichts weniger als Angenehmes gesehen habe. Der Mormone erhob den Blick gen Himmel, räusperte sich einigemal und erklärte:

»Zwar bin ich keineswegs übermäßig mit Schätzen dieser sündigen Welt versehen, aber Essen, Trinken und ein Nachtlager kann ich doch bezahlen. Freilich hatte ich nicht auf eine solche Ausgabe gerechnet, da mir gesagt wurde, daß das Haus John Helmers ein außerordentlich gastliches sei.«

»Ah? Von wem habt Ihr das denn erfahren?«

»Ich hörte es in Taylorsville, von woher ich komme.«

»Da ist Euch die Wahrheit gesagt worden; aber man scheint vergessen zu haben, hinzuzufügen, daß ich unentgeltliche Gastfreundschaft nur an solchen Leuten übe, welche mir willkommen sind.«

»So ist das bei mir wohl nicht der Fall?«

»Nein, gar nicht.«

»Aber ich habe Euch doch nichts gethan!«

»Möglich! Doch wenn ich Euch genau betrachte, ist es mir, als ob mir von Euch nur Uebles geschehen könne. Nehmt es mir nicht übel, Sir! Ich bin ein aufrichtiger Kerl und pflege einem jeden genau nur das zu sagen, was ich von ihm denke. Ihr habt ein Gesicht - - ein Gesicht - - hm, wenn man es erblickt, so juckt es einem in der Hand. Man pflegt das ein - ein - ein Ohrfeigengesicht zu nennen.«

Selbst jetzt that der Mormone nicht, als ob er sich beleidigt fühle. Er griff zum drittenmal an den Hut und sagte in mildem Tone:

»Es ist in diesem Leben das Schicksal der Gerechten, verkannt zu werden. Ich bin nicht schuld an meinem Gesichte. Wenn es Euch nicht gefällt, so ist das nicht meine, sondern Eure Sache.«

»So! Aber sagen braucht Ihr es Euch nicht zu lassen. Wenn jemand mir so aufrichtig mitteilte, daß mein Gesicht ihm nicht gefalle, so würde er im nächsten Augenblicke meine Faust in dem seinigen fühlen. Es gehört ein großer Mangel an Ehrgefühl oder - wie Ihr vielleicht meint - eine noch größere Verschlagenheit dazu, so etwas ruhig hinzunehmen. Uebrigens will ich Euch sagen, daß ich gegen Euer Gesicht an und für sich eigentlich gar nichts habe, sondern nur die Art und Weise, wie Ihr es in der Welt herumtragt, die behagt mir nicht. Und sodann kommt es mir ganz so vor, als ob es gar nicht Euer wirkliches Gesicht sei. Ich vermute sehr, daß Ihr eine ganz andere Miene aufsteckt, wenn Ihr Euch mit Euch allein befindet. Uebrigens will mir auch noch anderes an Euch nicht recht gefallen.«

»Darf ich bitten, mir zu sagen, was Ihr meint?«

»Ich sage es Euch, auch ohne daß Ihr mich darum bittet. ich habe nämlich sehr viel dagegen, daß Ihr aus Taylorsville kommt.«

»Warum? Habt Ihr Feinde dort?«

»Keinen einzigen. Aber sagt mir doch einmal, wohin Ihr wollt?«

»Hinauf nach Preston am Red River.«

»Hm! Da geht wohl der nächste Weg hier bei mir vorüber?«

»Nein, aber ich hörte so viel Liebes und Gutes von Euch, daß es mich im Herzen verlangt hat, Euch kennen zu lernen.«

»Das wünscht ja nicht, Master Burton, denn es könnte Euch nicht gut bekommen! Kommt Ihr denn zu Fuß hierher?«

»Ja.«

»Ihr seid nicht im Besitze Eures Pferdes?«

Meines Pferdes? Ich habe keines.«

Oho! Versucht doch ja nicht, mir das weiszumachen! Ihr habt das Tier hier irgendwo versteckt, und ich vermute sehr, daß es kein ganz ehrenhafter Grund ist, der Euch dazu veranlaßt hat. Hier reitet jeder Mann, jede Frau und jedes Kind. Ohne Pferd gibt es in dieser Gegend kein Fortkommen. Ein Fremder, welcher sein Pferd versteckt und dann leugnet, eins zu besitzen, führt sicherlich nichts Gutes im Schilde.«

Der Mormone schlug die Hände beteuernd zusammen und rief:

»Aber, Master Helmers, ich schwöre Euch zu, daß ich wirklich kein Roß besitze. Ich gehe auf den Füßen der Demut durch das Land und habe noch nie in einem Sattel gesessen.«

Da erhob sich Helmers von der Bank, trat zu dem Manne hin, legte ihm die Hand schwer auf die Achsel und sagte:

»Mann, das sagt Ihr mir, wirklich mir, der ich so lange Jahre hier an der Grenze lebe? Meint Ihr denn, ich sei blind?«

»Ich sehe ja, daß Ihr Euch die Wolle von den inneren Seiten Eurer Hose geritten habt. Ich sehe die Sporenlöcher in Euren Stiefeln, und - - -«

»Das ist kein Beweis, Sir!« fiel der Mormone ihm in die Rede. »Ich habe die Stiefeln alt gekauft; die Löcher waren bereits darin.«

»So! Wie lange Zeit tragt Ihr sie denn nun bereits?«

Seit zwei Monaten.«

»Dann wären die Löcher längst mit Staub oder Schmutz gefüllt. Oder macht Ihr Euch etwa das Vergnügen, sie täglich neu auszubohren? Es hat in letzter Nacht geregnet; eine so weite Fußwanderung hätte Eure Stiefel über und über beschmutzt. Daß sie so sauber sind, wie ich sehe, ist ein sicherer Beweis, daß Ihr geritten seid. Uebrigens duftet Ihr nach Pferd, und da, da schaut einmal her! Wenn Ihr wieder einmal die Sporen in die Hosentasche steckt,


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so sorgt dafür, daß nicht ein Rad davon außen am Saume hängen bleibt!«

Er deutete auf das messingene Sporenrad, welches aus der Tasche hervorsah.

»Diese Sporen habe ich gestern gefunden,« verteidigte sich der Mormone.

»So hättet Ihr sie lieber liegen lassen sollen, da Ihr sie ja doch nicht braucht. Uebrigens braucht es mich ja gar nichts anzugehen, ob Ihr reitet oder mit Schusters Fregatte segelt. Meinetwegen könnt Ihr auf Schlittschuhen durch die Welt laufen. Wenn Ihr bezahlen könnt, so sollt Ihr Essen und Trinken haben; dann aber macht Euch wieder fort. Ueber die Nacht kann ich Euch nicht behalten. Ich nehme nur Leute, welche keinen Verdacht erregen, bei mir auf.«

Er trat an das offene Fenster, sagte einige halblaute Worte hinein und kehrte dann wieder an seinen Platz zurück, wo er sich niederließ und sich scheinbar gar nicht weiter um den Fremden bekümmerte.

Dieser setzte sich an den nächsten Tisch, legte sein Bündel auf denselben, faltete kopfschüttelnd die Hände und senkte ergeben das Haupt, ruhig wartend, was man ihm bringen werde. Er hatte ganz das Aussehen eines Mannes, welchem ein unverdienter Schmerz bereitet worden war.

Hobble-Frank hatte der kurzen Unterhaltung mit Interesse zugehört; jetzt nun, da sie beendet war, beachtete er den Mormonen nicht weiter. Ganz anders aber verhielt sich Bloody-fox.

Dieser hatte gleich beim Erscheinen des Fremden die Augen weit geöffnet und dann den Blick nicht wieder von ihm gewendet. Er hatte sich nicht niedergesetzt gehabt und war willens gewesen, die Farm zu verlassen; sein Pferd stand ja noch neben ihm. Jetzt griff er sich nach der Stirn, als ob er sich vergeblich bemühe, sich auf etwas zu besinnen. Dann ließ er die Hand sinken und nahm langsam dem Farmer gegenüber Platz, so daß er den Mormonen genau beobachten konnte. Er gab sich Mühe, sich nichts merken zu lassen; aber ein scharfer Beobachter hätte dennoch bemerken können, daß er innerlich in ganz ungewöhnlicher Weise beschäftigt sei.

Da trat eine ältliche, wohlbeleibte Frau aus der Thür. Sie brachte Brot und ein gewaltiges Stück gebratene Rindslende herbei.

»Das ist meine Frau,« erklärte Helmers dem Hobble-Frank in deutscher Sprache, während er mit dem Mormonen englisch gesprochen hatte. »Sie versteht ebensogut deutsch wie ich.«

»Das freut mich ungeheuer,« meinte Frank, indem er ihr die Hand reichte. »Es is gar lange Zeit her, daß ich zum letzten Male mit eener Lady mich um die deutsche Muttersprache herumbewegte. Seien Sie mir also hoch willkommen und gebenedeiet, meine scharmante Frau Helmers. Hat Ihre Wiege sich vielleicht ooch im Vater Rheine oder in der Schwester Elbe geschaukelt?«

»Wenn auch das nicht,« antwortete sie lächelnd. »Man pflegt selbst drüben in der Heimat die Wiegen nicht in das Wasser zu stellen. Aber eine geborene Deutsche bin ich doch.«

»Na, das mit dem Rheine und der Elbe war natürlich nich so wörtlich gemeent. Sie müssen das als een poetisch humanes Metafferbeischpiel nehmen. Ich hab meinen erschten wonnevollen Atemzug in der Nähe von Elbflorenz gethan, was der mathematische Geograph nämlich Dresden nennt. Da is es bei den dortigen Kunstschätzen keen Wunder nich, wenn unsereener sich gewöhnt hat, in der höheren lyrischen Ausdrucksweise zu schweben. Wenn Schiller im >Gange nach der Hammerschmiede< so schön singt, >der Menschheit Würde ist euch in alle beeden Hände gegeben<, so sind wir Sachsen ganz besonders gemeent, denn uns hat das Herz des Dichters gehört, weil seine Frau, eene gewisse geborene Barbara Uttmann, ooch eene née Sächsin war. Trotzdem achte ich jede andere Deutsche ebenso, und so bitte ich Sie herzlich, Ihre gastlichen Flügel um mein freundliches Individuum zu schlagen. Den Dank, Dame, vergesse ich nich - -was sich übrigens bei meinem exquisiten Kulturschtandpunkte ganz von selbst verschteht.«

Die gute Frau wußte wirklich nicht, was sie dem eigentümlichen Kerlchen antworten sollte. Sie sah ihren Mann fragend an, und dieser kam ihr in ihrer Verlegenheit zu Hilfe, indem er ihr erklärte:

»Dieser Herr ist ein sehr lieber Kollege von mir, ein brav geschulter Forstmann, welcher drüben sicher eine gute Karriere gemacht hätte.«

»Ganz gewiß!« fiel Frank schnell ein. »Die höhere, intensive Forschtwissenschaft war die Leiter, off welcher ich mit Armen und Beenen emporgeklimmt wäre, wenn mich nich mein Fatum hinten angepackt und herüber nach Amerika gezogen hätte. Ich habe es glücklicherweise nich zu bereuen, daß ich der Schtimme des Schicksales mein musikalisches Gehör geschenkt habe. Ich bin von den zwölf Musen emporgehoben worden off diejenige Zinne der subtellurischen Gesittung, off welcher dem Eingeweihten alles Niedrige wurscht und schnuppe is. Von diesem Standpunkte aus konschtatiere ich, daß die Frauen es sind, die uns den himmlischen Ambrosius im Neckar kredenzen, mit welchem Bilde ich mich natürlich off Ihr Bier und Ihre gebratene Lende beziehe. Darum wollen wir sofort die Klinge ziehen und uns der freundlichen Gaben erbarmen, welche wir Ihrer liebenswürdigen Loyalität zu verdanken haben. Ich hoffe, wir werden uns schnell kennen lernen, meine ergebenste Frau Helmers!«

»Das bin ich überzeugt!« nickte sie ihm zu.

»Jawohl, natürlich! Hochgebildete Leute werden von ihrem angeborenen Inschtinkte sofort zusammengeführt. Was unter den Wolken liegt, das kümmert uns nichts. Uebrigens ist mein Bier jetzt alle; könnte ich noch eens bekommen?«

Sie nahm sein Glas, um ihm das Gewünschte zu holen. Bei dieser Gelegenheit brachte sie für den Mormonen Brot, Käse, Wasser und ein kleines Gläschen voll Brandy mit. Er begann sein frugales


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Mahl, ohne sich darüber zu beschweren, daß er kein Fleisch erhalten hatte.

Da kam Bob der Neger herbei.

»Masser Bob sein fertig mit Pferden,« meldete er. »Masser Bob auch mit essen und trinken!«

Da fiel sein Blick auf den »Heiligen der letzten Tage«. Er blieb stehen, fixierte den Mann einige Augenblicke und rief dann:

»Was sehen Masser Bob! Wer hier sitzen! Das sein Massa Weller, der Dieb, welcher haben gestohlen Massa Baumann all sein viel Geld!«

Der Mormone fuhr von seinem Sitze auf und starrte den Schwarzen erschrocken an.

»Was sagst du?« fragte Frank, indem er auch aufsprang. »Dieser Mann soll jener Weller sein?«

»Ja, er es sein. Masser Bob ihn ganz genau kennen. Masser Bob ihn haben damals sehr gut ansehen.«

»Lack-a-day! Das würde ja eine allerliebste Begegnung sein! Was sagt denn Ihr dazu, Master Tobias Preisegott Burton?«

Der Mormone hatte seinen augenblicklichen Schreck überwunden. Er machte eine verächtliche Armbewegung gegen den Neger und antwortete:

»Dieser Schwarze ist wohl nicht recht bei Sinnen? Ich verstehe ihn nicht. Ich weiß nicht, was er will!«

»Seine Worte waren doch deutlich genug. Er nannte Euch Weller und sagte, daß Ihr seinen Herrn, einen gewissen Baumann, bestohlen hättet.«

»Ich heiße nicht Weller«

»Vielleicht habt Ihr einmal so geheißen?«

»Ich heiße jetzt und hieß auch zu aller Zeit Burton. Der Nigger scheint mich mit irgend jemand zu verwechseln.«

Da trat Bob drohend auf ihn zu und rief:

»Was sein Masser Bob? Masser Bob sein ein Neger, aber kein damned Nigger. Masser Bob sein ein coloured Gentleman. Wenn Massa Weller noch einmal sagen Nigger, so Masser Bob ihn schlagen nieder mit Faust, wie Massa Old Shatterhand es ihm hat zeigen!«

Da stellte sich Helmers zwischen die beiden und sagte:

»Bob, keine Thätlichkeit! Du klagst diesen Mann eines Diebstahles an. Kannst du Beweise bringen?«

»Ja, Bob Beweise bringen. Massa Frank auch wissen, daß Massa Baumann sein bestohlen worden. Er können Zeuge sein.«

»Ist das wahr, Master Frank?«

»Ja,« antwortete der Gefragte. »Ich kann es bezeugen.«

»Wie ist es denn bei dem Diebstahle zugegangen?«

»In folgender Weise: Mein Gefährte Baumann, welcher von denen, die ihn kennen, kurzweg >der Bärenjäger < genannt wird, hatte droben in der Nähe des Platte River einen Store angelegt, und ich war sein Gefährte und Kompagnon. Das Geschäft ging anfangs sehr gut, da es viel von den Goldgräbern besucht wurde, welche sich damals in den Black Hills zusammengezogen hatten. Wir nahmen viel Geld ein, und es lag oft eine bedeutende Menge von Münzen und Nuggets bei uns verborgen. Eines Tages mußte ich eine Rundtour zu den Diggers unternehmen, um Schulden einzutreiben. Als ich am dritten Tage zurückkehrte, hörte ich, daß Baumann indessen bestohlen worden sei. Er hatte sich mit Bob allein befunden und einen Fremden über Nacht behalten, dessen Name Weller gewesen war. Am anderen Morgen war mit diesem das ganze Geld verschwunden gewesen, und die Verfolgung hatte nichts genützt, weil durch ein inzwischen eingetretenes Gewitter die Fährte des Diebes verwischt worden war. Es hat sich bisher keine Spur des Mannes finden lassen, obgleich wir während der Zeit, welche indessen vergangen ist, uns oft nach diesem guten Master Weller erkundigt haben. Jetzt behauptet Bob, ihn in diesem Heiligen des jüngsten Tages zu erkennen, und ich möchte nicht annehmen, daß er sich irrt. Bob hat offene Augen und ein sehr gutes Personengedächtnis. Er versicherte damals, sich den Menschen so genau angesehen zu haben, daß er ihn selbst unter einer Verkleidung sofort erkennen werde. Das, Master Helmers, ist es, was ich in dieser Angelegenheit zu sagen habe.«

»Also Ihr selbst habt den Dieb damals nicht gesehen?« »Nein.«

»So seid Ihr freilich nicht imstande, dem Neger zu bezeugen, daß wir den Dieb wirklich vor uns haben. Bob steht mit seiner Behauptung allein. Was da zu machen ist, werdet Ihr ebensogut wissen, wie ich.«

»Masser Bob es genau wissen, was zu machen sein!« rief der Neger. »Masser Bob schlagen den Spitzbuben tot. Masser Bob sich nicht irren, sondern ihn sehr gut erkennen.«


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Er wollte Helmers zur Seite schieben, um an den Mormonen zu kommen; der Farmer aber hielt ihn zurück und sagte:

»Halt! Das wäre eine Gewaltthätigkeit, welche ich auf meinem Grund und Boden nicht dulden kann.«

»Gut, dann Masser Bob warten, bis Spitzbube sein fort von Grund und Boden; dann aber ihn aufknüpfen am nächsten Baum. Masser Bob hier sitzen und gut aufpassen, wenn fortgehen der Dieb; er ihn sicherlich nicht aus den Augen lassen!«

Er setzte sich nieder, doch so, daß er den Mormonen im Auge hatte. Man sah ihm an, daß es ihm mit seiner Drohung völlig Ernst sei. Burton musterte mit ängstlichem Blicke die riesige Gestalt des Negers und wendete sich dann an Helmers:

»Sir, ich bin wirklich unschuldig. Dieser schwarze Master verkennt mich ganz und gar, und ich hoffe, daß ich mich auf Euren Schutz verlassen kann.«

»Verlaßt Euch nicht zu sehr auf mich,« lautete die Antwort. »Es sind keine genügende Beweise erbracht, und mich geht der Diebstahl überhaupt nichts an, weil ich keinerlei amtliche Eigenschaft besitze. Infolgedessen könnt Ihr ruhig sein, solange Ihr Euch hier befindet. Ich habe Euch aber bereits gesagt, daß Ihr Euch baldigst von dannen machen sollt. Was dann geschieht, das ist mir gleichgültig. Ich kann Master Bob das Recht nicht bestreiten, diese Angelegenheit unter vier Augen mit Euch zu ordnen. Zu Eurer ganz besonderen Beruhigung will ich gern noch versichern, daß ich nicht vor Entsetzen in Ohnmacht fallen werde, falls ich Euch morgen unter irgend einem Baume begegnen sollte, dessen stärkster Ast Euch zwischen Hals und Binde geraten ist.«

Damit war die Sache für einstweilen abgethan. Der Mormone wendete sich seinem Mahle wieder zu, aber er aß möglichst langsam und mit bedeutenden Pausen, um die ihm gewährleistete Sicherheit möglichst lange zu genießen. Bobs rollende Augen ließen kaum einen Augenblick von ihm, und Bloody-fox, welcher sich äußerlich ganz passiv verhalten hatte, fixierte ihn noch ebenso wie vorher. Der junge Mann mußte ein ganz eigenartiges Interesse an dem angeblichen Mormonen finden.

(Fortsetzung folgt.)


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Jetzt war jeder mit dem Essen und mit seinen eigenen Gedanken so beschäftigt, daß die Unterhaltung vollständig stockte. Und als später Frank das vorher abgebrochene Gespräch über die Llano estakata wieder in Fluß bringen wollte, wurde er durch das abermalige Erscheinen eines Ankömmlings daran verhindert.

»Euer Haus scheint ein sehr besuchtes zu sein, Master Helmers,« sagte er. »Dort kommt schon wieder ein Horsemann, der es auf Euch abgesehen hat.«

Der Wirt wendete sich rückwärts, um nach dem Reiter zu sehen. Als er denselben erkannte, sagte er in lebhaftem Tone:

»Das ist einer, den ich stets willkommen heiße, ein tüchtiger Kerl, auf den man sich in jeder Beziehung verlassen kann.«

»Wohl ein Trader, wie es scheint, der bei Euch seine verkauften Waren erneuern will?«

»Meint Ihr das, weil er zu beiden Seiten des Sattels so große Taschen hängen hat?«

»Ja.«

»So irrt Ihr Euch. Er ist kein Händler, sondern einer unserer vorzüglichsten Scouts, den Ihr kennen lernen müßt.«

»Vielleicht ist mir sein Name bekannt.«

»Wie er eigentlich heißt, weiß ich nicht. Man nennt ihn allgemein den Juggle-Fred, und er hat noch nie etwas gegen diesen Namen eingewendet.«

»Ein eigentümlicher Name ! Warum hat er denselben erhalten?«

»Weil er Hunderte von Kunststücken zu machen versteht, über welche man in das größte Erstaunen geraten kann. Die dazu gehörigen Apparate führt er eben in den Euch auffälligen Taschen bei sich.«

»Also ein reisender Taschenspieler, welcher bei Gelegenheit den Führer und Pfadfinder macht?«

»Grad umgekehrt: Ein ausgezeichneter Fährtenläufer, welcher seine Gesellschaft gelegentlich mit Kunststücken unterhält. Wer ihm eine Bezahlung für die letzteren bieten wollte, würde ihn außerordentlich beleidigen. Er scheint mit berühmten Prestidigitateurs gereist zu sein und ist auch der deutschen Sprache vollständig


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mächtig. Warum er nach dem Westen gekommen ist und auch da verbleibt, während er anderswo durch seine Fingerfertigkeit ein steinreicher Mann werden könnte, das weiß ich nicht, geht mich auch nichts an, doch bin ich überzeugt, daß Ihr Euer Wohlgefallen an ihm haben werdet.«

»Das ist sehr wahrscheinlich, weil er des Deutschen mächtig ist. Sagt ihm nur gleich, daß er sich dieser Sprache hier bedienen kann!«

»Natürlich erfährt er das sofort. Seht ihn Euch nur genau an, besonders seine Augen, welche verschiedene Farben haben. Er ist two-eyed

Derjenige, über welchen diese Bemerkungen gemacht wurden, war jetzt nahe herangekommen. Er hielt, nur noch eine kurze Strecke von dem Hause entfernt, sein Pferd an und rief:

»Hallo, alter Lodging-uncle, hast du noch Raum für einen armen Needy-wretch, der seine Zeche nicht bezahlen kann?«

»Für dich ist zu jeder Zeit Platz vorhanden,« antwortete Helmers. »Komm nur heran; steige vom Ziegenbock herab, und mache es dir bequem. Du wirst dich in angenehmer Gesellschaft befinden.«

Der einstige Taschenspieler überflog die Anwesenden mit prüfendem Blicke und meinte:

»Will es hoffen! Unseren Bloody-fox kenne ich bereits. Der Schwarze macht mir keine Sorge. Der andere kleine Gentleman im Frack und Ladieshut scheint auch kein übler Kerl zu sein. Und der dritte dort, der in den Käse beißt, als ob er eine Igelhaut verzehren müsse, nun, hm, den werde ich wohl noch kennen lernen.«

Es war doch eigentümlich, daß auch dieser Mann sofort ein Mißtrauen gegen den Mormonen äußerte. Er trieb sein Pferd vollends heran und sprang aus dem Sattel. Indem er den Wirt wie einen alten Freund mit beiden entgegengestreckten Händen auf das herzlichste begrüßte, konnte Frank ihn genau betrachten.

Dieser Juggle-Fred war eine selbst hier im fernen Westen auffallende Erscheinung. Das erste, was man an ihm bemerkte, war ein bedeutender Höcker, welcher seine sonst wohlgegliederte Gestalt verunzierte. Sein Körper war von mittlerer Größe und sehr kräftig gebaut, nicht kurzleibig, engbrüstig und langarmig, wie es bei den meisten Buckeligen der Fall zu sein pflegt. Sein rundes, volles, glatt rasiertes Gesicht war tief gebräunt, aber auf der linken Seite arg zerrissen, als ob da einmal eine fürchterliche Wunde kunstwidrig zusammengeflickt worden sei. Und sonderbarerweise waren seine Augen ganz auffallend verschieden gefärbt, denn das linke war vom schönsten Himmelblau, während das rechte die tiefste Schwärze zeigte.

Er trug hohe Büffelkalbstiefel von braunem Leder mit großräderigen mexikanischen Sporen, schwarze Lederhose mit eben solcher Weste und darüber ein blusenartiges Wams von starkem, blauem Tuchstoffe. Um seine Lenden war ein breiter Ledergürtel geschnallt, welcher einer sogen. Geldkatze glich und neben den Patronen, dem Messer und einem Revolver, von bedeutendem Kaliber, allerhand Kleinigkeiten enthielt, deren ein Westmann so notwendig bedarf. Weit über die Stirn herein, so daß man diese gar nicht sehen konnte, saß eine ziemlich neue Bibermütze, von welcher der präparierte Schwanz des betreffenden Tieres hinten bis über den Nacken hernieder hing. Hätte der Mann den Höcker nicht gehabt, so wäre seine Erscheinung eine kräftig angenehme, ja vielleicht eine imponierende gewesen.

Sein Pferd war von Helmers scherzhafterweise als Ziegenbock bezeichnet worden, und dieser Vergleich konnte nicht ein ganz grundloser genannt werden. Das Tier war eine außerordentlich hochbeinige und scheinbar sehr abgetriebene Kreatur. An dem nackten Schwanzstummel, welchen es jetzt tief gesenkt hielt, saßen nur noch einige wenige kurze Haare, die eine außerordentliche Anhänglichkeit für die Stelle haben mußten, welcher sie vor langen Jahren entsprossen waren. Ob das Roß einst ein Rappe, ein Brauner oder ein Fuchs gewesen sei, das vermochte man jetzt nicht mehr zu bestimmen, denn sein Körper war an vielen Stellen vollständig kahl, und da, wo Haare noch vorhanden waren, zeigten sie ein so unbestimmtes Grau, als ob der alte Hengst bereits zur Zeit der Völkerwanderung von irgend einem Sueven oder Gepiden geritten worden sei. Von einer Mähne war keine Spur vorhanden. Der unverhältnismäßig große Kopf hing so weit nieder, daß das Maul beinahe die Erde berührte, und schien die langen, dicken und kahlen Eselsohren kaum tragen zu können, welche wie riesige Lederfutterale sich liebevoll bis an die Unterkiefer schmiegten. Dazu hielt das Tier die Augen geschlossen, als ob es schlafe, und wie es so bewegungslos da stand, war es ein unübertreffliches Bild der Dummheit und bemitleidenswertesten physischen Vermögenslosigkeit.

Nachdem der Besitzer dieses Pferdes dem Wirte die Hände gedrückt hatte, fragte er:

»Also Platz hast du für mich? Ob aber auch ein Essen?«

»Natürlich! Setze dich nur her! Hier ist noch Fleisch genug für dich.«

»Danke! Habe mir gestern den Magen verdorben. Rind ist mir heute zu schwer. Ein junges Huhn wäre mir lieber. Kannst du eins schaffen?«

»Warum nicht. Schau her! Da laufen die Backhühnchen in Masse herum.«

Er deutete auf zwei Völkchen junger Hühner, welche unter dem Schutze ihrer mütterlichen Glucken in der Nähe der Tische umhertrippelten, um die herabfallenden Brocken aufzupicken.

»Schön!« nickte Fred. »Ich bitte um eins. Deine Housewife mag es mir vorrichten.«

»Dazu hat sie keine Zeit. So ein Ding zu rupfen, ist nicht nach ihrem Geschmacke. Und die Mägde sind in die Maisfelder gegangen.«

»Wer spricht denn vom Rupfen! Das mute ich niemand zu.«

»Soll das Huhn etwa mit den Federn gebraten oder gebacken werden?«

»Mann, was denkst du von mir! Kennst du mich so schlecht, daß ich dir wie ein Mann vorkomme, welcher nicht weiß, wie man einem Huhne die Federn nimmt? Wenn aber du es noch nicht wissen solltest, so will ich es dir zeigen.«

Er nahm sein Doppelgewehr vom Sattelknopfe, wo er es hängen hatte, legte auf eins der Hühnchen an und drückte ab. Als der Schuß krachte, bewegte sein Pferd nicht einmal eins der geschlossenen Augenlieder. Es schien so stocktaub zu sein, daß es selbst einen in solcher Nähe abgegebenen Schuß nicht hören konnte.

Das Huhn war tot zusammengebrochen. Der Mann hob es auf und zeigte es vor. Es hatte zu aller Erstaunen nicht eine einzige Feder mehr und konnte sofort ausgenommen und gebacken werden.

»All devils!«
lachte Helmers. »Dieses Mal hast du mich doch überrumpelt. Konnte es mir doch denken, daß es wieder auf eines deiner Kunststücke abgesehen war. Aber wie hast du das denn angefangen?«

»Mit dem Fernrohre.«

»Unsinn! Hast ja mit der Büchse geschossen.«

»Allerdings. Aber vorher habe ich Euch aus der Ferne durch mein Taschenteleskop beobachtet und auch das junge Hühnervolk


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bemerkt. Natürlich traf ich sogleich Vorbereitung, mich als Tausendkünstler bei Deinen heutigen Gästen einzuführen.«

»Darf man diese Vorbereitung kennen lernen?«

»Warum nicht? Es ist ja nur Spielerei. Lade einen tüchtigen Schuß grobe Iron-filings anstatt der Kugel oder des Schrotes, und ziele so, daß die Ladung den Vogel von hinten nach vorn überfliegt, so werden die Federn, falls sie nicht bereits zu stark sind, vollständig abrasiert und abgesengt. Du siehst, man braucht nicht die schwarze und weiße Magie studiert zu haben, um ein sogenannter Zauberkünstler zu sein. Uebrigens galt es nur, mich mit Effekt bei diesen Gentlemen hier einzuführen; das Hühnchen mag ich nicht. Ich halte mich lieber auch an Deinen Lendenbraten. Hoffentlich ist es erlaubt, mich mit herzusetzen?«

»Natürlich! Diese beiden Gentlemen sind Freunde von mir, gute Bekannte von Old Shatterhand, den sie hier erwarten!«

»Old Shatterhand?« fuhr der Juggle-Fred auf. »Ist das wahr?«

»Ja. Auch der dicke Jemmy will kommen.«

»Heigh-day! Das ist ja eine Nachricht, wie man sie gar nicht besser hören kann! Habe diesen Old Shatterhand längst einmal zu sehen gewünscht, wenn auch nur so von weitem, denn gegen den muß unsereiner in der Ferne bleiben. Daß dieser Wunsch mir jetzt erfüllt werden kann, ist mir lieber, als ob ich eine Goldbonanza entdeckt hätte. Es freut mich unendlich, daß ich grad zur richtigen Zeit hierher gekommen bin.«

»Ebenso wird es Dich freuen, wenn du erfährst, daß dieser Sir ein Deutscher ist. Er heißt Frank und ist ein Kollege von ---«

»Frank?« unterbrach ihn der Zauberkünstler. »Etwa gar der Hobble-Frank?«

»Sapperment!« rief da der kleine Sachse. »Sie kennen also meinen Namen? Wie is das eegentlich die Möglichkeit?«

Er hatte deutsch gesprochen; darum antwortete der Juggle-Fred in derselben Sprache:

»Darüber brauchen Sie sich gar nicht zu wundern. Früher waren andere Zeiten; da geschahen gute und schlimme Heldenthaten in Menge hier im fernen Westen, und bei den mangelhaften Verbindungen, welche es gab, kam die Kunde davon nur sehr langsam vorwärts. Aber jetzt, wenn einmal etwas Hervorragendes geleistet wird, fliegt die Nachricht davon im Nu von den Seen bis Mexiko und vom alten Frisco bis nach New York. Ihr kühner Zug nach dem Yellowstonepark ist bereits weit bekannt, und Ihre Namen sind es natürlich auch. In jedem Fort, in jedem Settlement, an jedem Lagerfeuer, an welchem wenigstens zwei bei einander saßen, wurde von Ihrem Ritte und den einzelnen Personen, welche an demselben teilnahmen, erzählt, und so dürfen Sie sich nicht wundern, daß ich Ihren Namen kenne. Ein Fallensteller, welcher hoch droben am Spotted-Tail-Wasser mit Moh-aw, dem Sohne Tokvi-teys, gesprochen hatte und jetzt tief herab nach Fort Arbukle gekommen war, hat allen, die er traf, und zuletzt auch mir die Geschichte so ausführlich erzählt, wie er sie selbst gehört hatte.«

»Hören Sie,« meinte Hobble-Frank, »wer weeß, was da alles vom Spotted-Tail-Wasser bis zum Fort Arbukle an die Geschichte gehängt worden is. Da wird aus eener Maus een Eisbär, aus eenem Regenwurm eene Riesenschlange und aus eenem bescheidenen Biberjäger zuletzt gar een hoch berühmter Hobble-Frank. Ich will's ja gern zugeben, daß mir die reenen Herkulesse und Minotaurusse gewesen sind, aberst mehr, als wahr is, das laß ich mir nich gern nachsagen. Den Helden ziert die Tugend der rückhaltlosesten Bescheidenheit. Darum muß ich alles hinzugefügte offs schtrengste von mir abweisen und mich mit dem Krönungsmantel meiner eegenen persönlichen Würde und Vorzüglichkeet begnügen. Wenn man das nich thäte, so getraute es sich zuguterletzt keen Mensch mehr mit unsereenem zu schprechen und zu reden. Darum habe ich den Beschluß gefaßt, so herablassend und populär wie möglich zu sein, und ich hoffe, daß Sie das bei meinen berühmten Kenntnissen und Begebenheeten doppelt anerkennen werden. Weiter will ich an dieser Schtelle und zu dieser Schtunde gar nichts sagen, denn schon Nebukadnezar, welcher der Gott des Donners bei den alten Deutschen war, hat gesagt: Reden is bloß Silber, Schweigen aber is een Fufzigmarkschein!«

Fred machte ein ziemlich verblüfftes Gesicht und blickte Helmers fragend an. Dieser raunte ihm die erklärenden Worte »ein liebenswürdiges Original« zu, worauf der Jugglemann nun wußte, wie er sich zu verhalten habe. Darum sagte er, indem er die treuherzigste und unbefangenste Miene zeigte:

»Es bedarf gar keiner Erklärung von Ihrer Seite. Ich habe bereits von dem erwähnten Berichterstatter vernommen, welch ein Ausbund von Bescheidenheit Sie sind. Das stellt natürlich Ihre Vorzüge in ein dreifach helles Licht und verzehnfacht mein Vergnügen, Sie hier kennen zu lernen. Ich wünsche von ganzem Herzen, als Freund von Ihnen an- und aufgenommen zu werden. Bitte, geben Sie mir Ihre Hand!«

Der streckte Frank die Hand entgegen. Dieser aber zog die seinige schnell zurück und antwortete:

»Halt, mein Bester, nich gar zu eilig! Was die Freundschaft betrifft, so nehme ich sie sehr ernst, denn sie is dasjenige der tragischen Temperamente, off welchem das erhabene Wohlbefinden der chemisch sophistischen Geistesbeziehungen aller irdischen Harmonie beruht. Ich habe da sehre trübe Erfahrungen gemacht und werde mich in Zukunft nur erst nach langer und eingehender Prüfung mit eener Seele vereinigen, die sich mit der wahren und wirklichen Bildung zusammengeschmolzen hat. Die Halbbildung verursacht doch nur unreenes Blut. Wenn ich mir eenmal een Möbelmang koofe, so muß es ooch von echtem Nußboom sein. Und grad so is es in Beziehung off das seelisch animalische Gebiet der freundschaftlichen Depressionen. Ehe wir nun uns also Schmollis und Vizudit nennen, muß ich Sie erscht genauer kennen lernen.«

»Ganz wie Sie wollen, Master Frank! Ich gebe Ihnen im allgemeinen sehr recht, zweifle aber auch keinen Augenblick daran,


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daß wir uns recht bald innig zugethan sein werden.«

»Das möchte ich vielleicht ooch glooben, denn ich habe da von Herrn Helmers erfahren, daß Sie een weitgereister und kunstsinniger Mann sind. Sie sollen ja der reenste Bosco sein!«

»Bosco? Haben Sie von diesem Künstler gehört?«

»Nur gehört? Gesehen habe ich ihn sogar und mit ihm gesprochen!«

»Ah! Wo denn?«

»Nun, Sie wissen vielleicht, daß er in der Nähe von Dresden gewohnt hat, wo er dann bei seinem Tode ooch gestorben is. Dort kannte ihn jedermann. Er kam ooch zuweilen nach Moritzburg, um sich die dortigen Ledertapeten und Hirschgeweihe im Jagdschlosse anzusehen. Wissen Sie, es gibt dort Geweihe von 24 bis 50 Enden und sogar eenen gradezu menschtrösen Sechsundsechzigender. Nachher pflegte er schtets im Gasthofe á la Quarte zu schpeisen. Ich war ooch oft da, weil ich dort mit dem Schulmeester, dem Nachtwächter und dem Hausknechte unser akademisch-linguistisch-phänomentales Kränzchen abhielt. Wir waren vier durschtige Geister, die nach Höherem schtrebten und Verlangen trugen, aus den halluzinatorischen Rhomboiden des Alltaglebens in eene lichtere Vivisektion empor zu schweben. Dort nun traf ich ooch eenmal mit dem berühmten Bosco zusammen. Er saß vorn und ich hinten, aberst unsere Regenschirme schtanden höchst vertraulich nebeneinander. Ich ging eher fort als er und vergriff mich falsch, denn ich kriegte seinen seidenen Parapluie in die Hand und ließ dafür meinen scharlachwollenen mit blauer Kante liegen. Er bemerkte es noch zur richtigen Zeit und rief mir zu: »Dummkopf, machen Sie doch die Augen auf! Meinen Sie etwa, daß ich Ihr feuerrotes Vizinaldach nach Dresden schleppen soll!« Ich wechselte natürlich die Verwechselung sofort wieder um, sagte eenige entschuldigende, geistreiche Worte, machte ihm eene tiefe, höfliche Referende und schwenkte mich befriedigt zur Thüre hinaus. Dem Laien mögen seine Worte vielleicht nich grad übermäßig höflich vorkommen; der Eingeweihte aberst weeß sehr genau, daß so een großer Geist nur in geflügelten Worten schpricht, an welche een intermeetierend sensitiverer Maßschtab gelegt werden muß. Sie als gebildeter Erdenbürger und geographisch politischer Schutzverwandter werden das begreifen und mir das Testimonikum pauperenzia geben, daß ich mit dem allergrößten Rechte schtolz off diese Abendunterhaltung mit dem großen Künstler sein kann.«

»Gewiß, das bestätige ich,« nickte der Juggle-Fred.

»Schön! ich danke Ihnen! Aus dieser Ihrer einschtimmigen Bereitwilligkeet zur Befestigung meiner angeschtammten Ehre und Remuneration ersehe ich mit scharfem Blicke, daß die Natur Sie ooch mit eenigen Gaben bedacht hat, welche noch zur schönsten Entwickelung kommen können, wenn Sie sich entschließen wollen, die westgotisch-byzantinische Loofbahn zu betreten, welche ich mit siegreichen Schritten zurückgelegt habe. Wenn Ihr geistiges Ahnungsvermögen vielleicht eenmal in eener philosophischen Attitüde schtecken bleiben sollte, so wenden Sie sich nur getrost an mich; ich werde Ihnen mit Vergnügen beischpringen und Sie sofort von der niederträchtigen Philomele befreien.«

»Philomele? Wieso?«

»Wissen Sie nich was Philomele is?«

»O doch. Es ist der dichterische Name für die Nachtigall.«

»Nachtigall? Sind Sie denn bei Troste! Was hat denn die Nachtigall mit der Hölle zu thun? Philomele war der Höllenhund, welchen der Cerberus zwischen seinen Beenen totgedrückt hat.«

»Ach so!« meinte Fred, welcher sich anstrengen mußte, sein Lachen zu verbeißen. »Und wer war denn der Cerberus?«

»Das wissen Sie ooch nich? Nun, da können Sie von mir freilich gewaltig profitieren. Der Cerberus war eener von den beeden Dioskuren, welche die Schutzpockenimpfung erfunden haben. Der andere Dioskur war derjenige, welcher nach der Schlacht an der Alma sagte: >Jedem ein Ei, aber dem braven Silbermann zwei, denn er hat die Ziehharmonika erfunden!< Solche Oogenblicke aus der vergangenen Weltgeschichte ---«

»Sie meinen wohl nicht die Ziehharmonika,« fiel Fred ein. »Silbermann war ein Orgelbauer, welcher in Frauenstein in Sachsen geboren wurde.«

»Ganz richtig, ganz richtig! Aber eben weil er Orgelbauer war, is es ihm so leicht geworden, die Ziehharmonika zu erfinden. Er hat die erschte zu Napoleon gebracht, um sie ihm zu schenken; der aber hat ihn mit derselbigen schtolz wie een dummer Schpanier abgewiesen. Schpäter aber mußte er es bitter bereuen. Er wurde in der Völkerschlacht bei Cannä gefangen und von den Engländern nach der Felseninsel St. Helena geschafft. Unterwegs sagte er zum alten Derfflinger, der ihm alleene treu geblieben war: >Als ich Silbermann mit seiner Ziehharmonika aus Kalkutta wies, habe ich meine Kaiserkrone weggeworfen.< «

(Fortsetzung folgt.)


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Jetzt konnte Fred sich nicht länger halten. Er brach in ein schallendes Gelächter aus, und Helmers fiel herzlich in dasselbe ein.

»Was gibt es denn zu lachen?« fragte Hobble-Frank, halb erstaunt und halb zornig.

»Sie sind ja der reine Konfusionsrat!« antwortete Fred.

»O bitte sehr! Es heeßt Kommissionsrat. Aberst der bin ich nich. Ich mache überhaupt nie eenen Anspruch auf Titulaturen, die mir nich gehören.«

»Das meine ich nicht. Ich wollte nur sagen, daß Sie die entgegengesetztesten Daten und Personen der Weltgeschichte miteinander verwechseln.«

»Was? Ich? Wie? Verwechseln? Wieso denn? Wollen Sie die Gewogenheet haben, mir das zu beweisen?«

»Sehr gern. Fulton, der Schöpfer der heutigen Dampfschiffahrt, hatte Napoleon seine Erfindung angeboten, war aber von demselben nicht berücksichtigt worden. Darum sagte später der Kaiser, als er dieses Fehlers gedachte: >Als ich Fulton aus den Tuilerien wies, habe ich meine Kaiserkrone weggeworfen.< Silbermann aber hat gar nicht zur damaligen Zeit gelebt.«

»So! Ach so! Meenen Sie! Wie schön Sie sich das zurecht gelegt haben! Aber mir, dem Hobble-Frank, dürfen Sie mit solchem Krimskrams nich kommen. Ich habe meine Weltgeschichte fest im Sacke! Nich mal mit eenem halben Ooge darf sie mir herausgucken. Es is ganz unmöglich, daß ich mich irren kann. Das mögen Sie sich für alle Zukunft merken, wenn wir wirklich gute Freunde werden wollen. Eene Blamage dulde ich nich, denn das geht mir gegen den Schtrich. Ich weeß ganz genau, daß die Weltgeschichte das Allerhöchste is, was die Menschheit zu leisten vermag, und schtimme dem alten Solon bei, der die Chladnischen Klangfiguren entdeckt hat und noch schterbend ausrief: >Die Weltgeschichte is das Oberappellationsgericht mit drei Advokaten!< Darum habe ich mich mit dem eisernsten Fleiß grad off die Weltgeschichte gelegt. Ich habe den Leuniß gelesen und den Robinson, Pierer's Konversationslexikon und den Kladderadatsch, Sohrs Atlas und den alten Schäfer Thomas. Off diese Weise bin ich erscht mit Verschtand so langsam um die Weltgeschichte herumgegangen und habe mich nachher so successive hineingeschlichen, bis ich endlich grad im Mittelpunkte schtecken blieb. Ihr aber wollt mit allen Beenen zugleich und off eenmal hineinschpringen und bleibt infolgedessen schon am Rande kleben. Die Weltgeschichte muß sehr pfiffig angepackt werden. Sie darf gar nichts merken, daß man sich groß mit ihr abgeben will, sonst wird sie scheu und wirft eenen aus dem Sattel. Ich hab's richtig angefaßt und sitze fest. Ihr aber liegt unten und denkt trotzdem, wunder was Ihr leisten könnt. Und was den Silbermann betrifft, so bin ich als geborener und anhänglicher Sachse sein Landsmann


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und muß also am allerbesten wissen, wie es sich mit seiner Ziehharmonika verhalten hat. Und mit Fulton dürfen Sie mir erst recht nich kommen. Den kenne ich inwendig und ooch auswendig. Er is der Dichter des schönen Abendliedes von der goldenen Abendsonne, welches drüben in Deutschland jedes Schulkind singen lernt. Der erste Vers lautet:

>Wer hat dich, du schöner Wald, Offgebaut so schön?
Nie kann, wenn die Büchse knallt, Deinen Glanz ich sehn!<

Und jetzt nach diesem Alibibeweise werden Sie so rechtlich denkend sein, mir zuzugeben, daß ich Sie in den Wissenschaften überflügelt habe und Ihnen ganz besonders in der Weltgeschichte überlegen bin. Nich?«

»Ja, wir geben es zu,« lachte Fred. »Sogar in der Dichtkunst sind Sie unser Meister. Sie haben es in derselben, wie ich eben hörte, so weit gebracht, die Anfänge dreier Volkslieder in einer einzigen Strophe zu bringen.«

»O, das is gar nich schwer. Bei mir kommen die Jamben eben nur so gesäuselt. Ich gloobe nich, daß ich mich in Beziehung off die Künste und Wissenschaften vor eenem anderen zu verstecken brauche. Ich habe sogar schon off dem Kamme geblasen. Doch will ich mich nich etwa überheben. Das sind angeborene Vorzüge, off welche sich een bescheidener Charakter nichts einbildet, und darum nehme ich es Ihnen ooch gar nich etwa übel, wenn Sie sich mal von Ihrem Irrtume hinreißen lassen, zu denken, daß Sie gescheiter sind, als ich es bin. Da habe ich gern Nachsicht, denn ich weeß doch, wer ich bin, und denke im Schtillen bei mir: Ubi bene, ibi patria, zu deutsch: Ohne Beene kann man nich aus dem Vaterlande. Und da ich so glücklich aus dem meinigen gekommen bin, so muß ich doch also een Kerl sein, der, sozusagen, Arme und Beene, Hände und Füße hat.«

»Ja, das sind Sie, und das haben Sie. Am allermeisten aber gefällt mir an Ihnen, daß Sie meinen Lehrmeister gekannt haben.«

»Bosco? Er is Ihr Meester gewesen?«

»Ja, obgleich dieser Ausdruck etwas nach Handwerk klingt. Ich habe mehreren seiner berühmten Kollegen assistiert und mit ihnen fast ganz Europa und Nordamerika bereist.«

»Und was sind Sie denn vorher gewesen?«

»Erst besuchte ich das Gymnasium, wo ich - - -«

»O weh!« fiel Frank ihm in die Rede. »Das is keene Empfehlung für Sie.«

»Warum?«

»Weil ich eene schtarke Idiosympathie gegen alles habe, was Gymnasiast gewesen is. Diese Leute überheben sich. Sie glooben nich, daß een Forschtbeamter ooch een Koryphäus werden kann. Ich habe das schon wiederholt erfahren. Natürlich aberst is es mir schtets kinderleicht geworden, diese Leute zu überzeugen, daß ich der Mann bin, mit Gigantenschritten über sie hinwegzuschteigen. Also so eene kleene Art von Schtudium haben Sie ooch durchgemacht?«

»Ja. Vom Gymnasium weg widmete ich mich auf den Rat meiner Gönner hin der Malerei und besuchte die Akademie. Ich hatte recht gute Anlagen, aber leider keine Ausdauer. Ich ermüdete und stieg von der wirklichen Kunst zu einer sogenannten herab - ich wurde Kunstreiter.«

»O wehe! Da können Sie mir freilich leid thun!«

»Ja, ja,« nickte der Juggle-Fred ernst. »Ich war ein flotter Kerl, aber ohne Kraft und inneren Halt. Mit einem Worte, ich war leichtsinnig. Tausend und tausend Male habe ich es bereut. Was könnte ich heute sein, wenn ich es fest gewollt hätte!«

»Nun, die Begabung haben Sie wohl noch heute. Fangen Sie wieder an!«

»Jetzt? Wo die jugendliche Elastizität verloren gegangen ist? Uebrigens habe ich hier eine Aufgabe zu lösen, welche mich im Westen festhält.«

»Darf man erfahren, welche Aufgabe das ist?«

»Ich spreche nie davon und will Ihnen nur sagen, daß ich eine Person finden will und finden muß, nach welcher ich bisher vergeblich gesucht habe.«

»So könnte es Ihnen nur Nutzen bringen, wenn Sie mir sagen wollten, von welcher Person Sie reden.«

»Das ist mein Geheimnis.«

»Schade, sehr schade! Ich werde in den nächsten Tagen mit Leuten zusammenkommen, welche fast jeden Winkel des Westens kennen. Von ihnen könnten Sie Rat und That erwarten. Ich denke dabei natürlich an Old Shatterhand, an den dicken Jemmy, den langen Davy, an Winnetou, welcher ---«

»Winnetou?« fiel Fred ein. »Meinen Sie den berühmten Apachenhäuptling?«

»Ja!«

»Ach richtig! Den müssen Sie ja auch kennen, weil er sich an jenem gefährlichen Ritte beteiligt hat. Also auch mit ihm treffen Sie zusammen?«

»Gewiß!«

»Wo?«

»Das hat er nur mit Old Shatterhand besprochen. Vermutlich aber wird es jenseits der Llano estakata sein.«

»Hm! Dann hoffe auch ich, ihn zu sehen. Ich will nämlich über die Staked Plains.«

»Allein?«

»Nein! ich bin von einer Gesellschaft engagiert, welche ich hinüber und dann noch bis El Paso führen soll.«

»So sind es keine Westmänner, da sie eines Führers bedürfen?« fragte Helmers.

»Nein. Es sind Yankees, welche hinüber wollen, um drüben in Arizona ein gutes Geschäft zu machen.«

»Doch nicht etwa in Diamanten?«

»Ja, grad in dieser Ware. Sie scheinen bedeutende Summen bei sich zu führen, um die Steine an Ort und Stelle billig einzukaufen.«

Helmers schüttelte den Kopf und fragte dann:

»Glaubst du denn an diese Diamantenfunde?«

»Warum nicht?«

»Hm! Ich meinerseits halte die ganze Geschichte für einen riesigen Humbug.«

Er hatte ganz recht. Zu jener Zeit tauchten plötzlich Gerüchte auf, daß in Arizona Diamantfelder entdeckt worden seien. Es wurden Namen von Personen genannt, welche durch glückliche Funde in wenigen Tagen steinreich geworden seien. Man zeigte auch Diamanten, wirkliche und zum Teil sehr kostbare Diamanten vor, welche dort gefunden worden sein sollten. Dieses Gerücht ging durch die ganze Breite des Kontinentes im Laufe einiger Wochen, ja einiger Tage. Die Diggers von Kalifornien und der nördlichen Distrikte verließen ihre einträglichen Diggins und eilten nach Arizona. Aber schon hatte sich die Spekulation des Feldes bemächtigt. Es waren in aller Eile Gesellschaften gebildet worden, welchen Millionen zur Verfügung standen. Die Diamantfelder sollten angekauft werden, damit man die Ausbeute derselben im großen betreiben könne. Kein Klaim sollte abgegeben werden. Agenten flogen hin und her, mit Demantproben in der Hand, welche man an den betreffenden Stellen nur so aufgelesen haben wollte. Sie schürten aus allen Kräften, und in kürzester Zeit wurde das Diamantfieber hochgradiger, als das Goldfieber es jemals gewesen war.


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Vorsichtige Leute aber hielten ihre Taschen zu, und der Rückschlag, welchen sie vorhersagten, trat auch sehr bald ein. Der ganze, große Schwindel war von einigen wenigen, aber höchst »smarten« Yankees in Szene gesetzt worden. Sie waren aufgetaucht, ohne daß man sie kannte und sie verschwanden wieder, ohne daß man sie inzwischen kennen gelernt hatte. Mit ihnen waren natürlich auch die Millionen verschwunden. Die Aktionäre fluchten vergeblich. Die meisten leugneten, Aktien besessen zu haben; sie wollten sich nicht auch noch auslachen lassen. Die so schnell berühmt gewordenen Diamantfelder lagen wieder öde wie vorher, und die ge- und enttäuschten Goldgräber kehrten nach ihren Diggins zurück, um dort zu finden, daß sich indessen andere da eingenistet hatten, welche klüger gewesen waren als sie. Damit war die Sache zu Ende, und niemand sprach mehr von ihr.

Es war kurz nach Beginn dieses Diamantfiebers, daß die bisher geschilderten Szenen sich vor der Thüre von Helmers Home abspielten. Der Farmer gehörte zu denen, welche dem Gerüchte keinen Glauben schenkten. Der Juggle-Fred hingegen meinte:

»Ich will jetzt noch nicht an der Wahrheit zweifeln. Hat man anderswo Diamanten gefunden, warum sollten nicht auch in Arizona welche liegen. Mich freilich gehen sie nichts an. Ich habe anderes zu thun. Was sagen denn Sie dazu, Master Frank? Das Urteil eines Mannes von Ihrem Scharfsinne, Ihren Erfahrungen und Kenntnissen kann uns nur maßgebend sein.«

Hobble-Frank antwortete geschmeichelt:

»Es freut mich, daß Sie sich vertrauensvoll an mich wenden, denn bei mir sind Sie an die eegentlich richtige Schmiede gekommen. Bei dieser Gelegenheet könnte ich prächtig mit meinen mineralogisch idealen Kenntnissen glänzen. Ich könnte Ihnen entwickeln, wie der Diamant aus Luft, Kreide, Kochsalz und Glas entschteht, wodurch er nämlich durchsichtig wird, aberst ich weeß, daß Sie zu wenig Vorschtudien gemacht haben, um meinen eleganten, provisorischen Konschtruktionen folgen zu können. Ihr Geist is nich genug an solche plastische Schpektralmethoden gewöhnt und könnte leicht Halluzinationen an den Oogen und Ohren bekommen. Ich könnte Ihnen ooch sagen, wie der Diamant geschliffen wird, indem man nämlich von alten Zündholzschachteln das Sandpapier abreißt und ihn damit nach und nach abreibt; aber ooch das erfordert eene unmangelhafte Behendigkeit des Begriffsvermögens. Darum will ich ohne alle Umschweife den Ochsen an den Hörnern aus dem Schtalle ziehen, aus welchem Gleichnisse Sie ersehen werden, daß Sie dasjenige, was Sie wissen wollen, gleich hören werden. Ich bin nämlich der Ansicht, daß es um den Diamant freilich eene ganz schöne Sache is; aber es gibt außer ihm noch andere Sachen, die ebenso hübsch sind. Im Oogenblicke des Heeßhungers is mir eene geräucherte thüringer Servelatwurscht lieber als der größte Diamant. Und habe ich Durscht, so kann ich ihn mit keenem Brillanten löschen. Und kann der Mensch etwa mehr, als sich satt essen und satt trinken? Ich bin mit mir und mit meinem Schicksale leidlich gut zufrieden. Ich brauche keene Edelschteene nich. Oder sollte ich sie etwan zum Schtaate an meinen Amazonenhut hängen? Da habe ich eene Feder droff, und die genügt vollschtändig. Also, wenn ich wüßte, daß ich drüben in Arizona eenen Edelschteen finden thäte, so groß wie ungefähr das Heedelberger Faß oder wenigstens wie een ausgewachsener Kürbis von drei Zentnern Schwere, da ginge ich hinüber und holte mir ihn. Kleener aberst möchte ich ihn schon gar nich haben; das wäre mir viel zu deschpektierlich. Nun aberst gar nich zu wissen, ob man überhaupt was findet, und wenn man eenen findet, so is es een Knirps, so groß wie een Mohnkörnchen, nee und nein, da bringt mich keen Mensch nach die Diamantfelder. Also eenen, welcher drei Zentner wiegt, oder gar nichts; das is so meine unmaßgebliche Meenung und jeder vernünftige Mensch wird mir da freudig beistimmen. Wir sind Deutsche und brauchen keene Diamanten, denn een jeder von uns hat eenen Edelschteen in seiner Brust, nämlich das treue, deutsche Herz, von welchem der Dichter sagt:

>Kein Demant ist, der diesem gleicht, So weit der liebe Himmel reicht.<

Und wer von Ihnen mir da widerschprechen will, der mag es doch mal versuchen; ich aber rate ihm nich dazu, weil er seine Gliedmaßen hier in der Gegend hübsch langsam zusammenlesen müßte.«

»Brav gesprochen!« rief Helmers, indem er dem kleinen Sachsen die Hand reichte. »Es ist wohl ganz undenkbar, daß ich jemals wieder in das Vaterland zurückkehren werde. Ich bekomme es niemals wieder zu sehen, aber mein Herz fliegt stündlich hinüber. Ihr habt sehr recht mit dem Edelsteine, und darum soll es uns gar nicht einfallen, uns um die Diamanten zu bekümmern, welche in Arizona gefunden worden sein sollen. Deine Gesellschaft, Fred, welche du hinüberführen sollst, wird wohl nicht die besten Geschäfte machen. Es wäre jedenfalls besser gewesen, wenn diese Leute mit ihrem vielen Gelde zu Hause geblieben wären. Sie können es sehr leicht los werden, ohne einen einzigen Diamanten dafür zu erhalten. Kluge Kerls scheinen es überhaupt nicht zu sein.«

»Warum?«

»Weil sie es sich merken lassen, daß sie bedeutende Mittel bei sich führen. Das ist stets und überall nicht wohlgethan, hier aber noch dümmer als anderswo.«

»Also die Leute wollen nachkommen? Wann werden sie hier eintreffen?«

»Morgen nach Mittag, wie ich vermute. Sie hatten noch zwei Packpferde zu kaufen, wozu wenigstens ein halber Tag gehört. Darum bin ich vorausgeritten, um die Zeit bis morgen lieber bei dir zuzubringen.,«

»Daran hast du sehr wohlgethan, alter Freund. Wie viel Personen sind es denn?«

»Es sind ihrer sechs, von denen einige ein etwas grünes Aussehen und Benehmen haben, was mir aber natürlich sehr gleichgültig ist. Sie scheinen aus New Orleans zu kommen und sich einzubilden, daß sie mit Millionen wieder dorthin zurückkehren werden. Sie benehmen sich etwas übermütig, doch geht mich das nichts an. Sie bezahlen mich, und alles übrige kann mir sehr gleichgültig sein.«

»Werden sie denn den Weg zu mir finden?«

»Sicher, denn ich habe ihnen denselben so genau beschrieben, daß sie gar nicht irren können. Ah, Bob, was gibt es?«

Diese letztere Frage galt dem Neger.

(Fortsetzung folgt.)


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Der Tag hatte sich nämlich indessen zur Rüste geneigt, und die Dämmerung, welche in jenen Gegenden eine außerordentlich kurze ist, war hereingebrochen. Es war bereits so düster, daß man nicht mehr sehr weit zu sehen vermochte. Bob und Bloody-Fox hatten trotz des sehr anregenden Gespräches den Mormonen stets im Auge behalten. Dieser war bemüht gewesen, sich so zu stellen, als ob er gar nicht auf das Gespräch achte, und da die anderen wohl der Meinung waren, daß ein Mormone, dessen ganzes Wesen ihn als Yankee erschienen ließ, die deutsche Sprache wenig oder gar nicht verstehe, so hatten sie so laut gesprochen, daß es ihm möglich war, jedes Wort zu verstehen.

Zu den Ueberschwenglichkeiten des Hobble-Frank hatte er keine Miene verzogen, und das war ganz geeignet, den Glauben


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zu verstärken, daß er überhaupt nichts verstehe. Aber sobald die Rede auf die Diamantfelder gekommen war, war er auf seiner Bank langsam und unmerklich näher gerückt. Und als dann der Juggle-Fred von den sechs Männern sprach, welche er durch die Llano estakata führen sollte, hatten seine Züge den Ausdruck großer Spannung angenommen. Bei der Bemerkung, daß diese sechs viel Geld bei sich zu führen schienen, hatte ein Lächeln der Befriedigung um seine dünnen Lippen gespielt, was aber wegen der eingetretenen Dämmerung nicht zu bemerken gewesen war.

Zuweilen hatte er den Kopf erhoben, als ob er horche, und seinen Blick ungeduldig nach der Gegend gerichtet, aus welcher er gekommen war. Er wußte, daß er sich so ziemlich als einen Gefangenen zu betrachten habe, denn die Augen des Negers blieben beständig auf ihn gerichtet. Auch daß der Bloody-Fox ihn scharf fixierte, bemerkte er. Es wurde ihm von Minute zu Minute unheimlicher. Er mußte an die Drohung des Negers denken, und er traute dem Schwarzen die Ausführung derselben zu.

Jetzt nun, da es fast dunkel geworden war, schien es ihm möglich zu sein, sich schnell auf und davon machen zu können, was später sicher viel schwieriger auszuführen war, da Bob wohl bei völliger Dunkelheit irgend eine Maßregel ergreifen werde, welche geeignet war, ihn nicht entkommen zu lassen. Darum langte er jetzt nach dem Päckchen, welches er mitgebracht hatte, und zog es allmählich zu sich heran. Er wollte dann plötzlich aufspringen und mit schnellen Sprüngen um die Ecke des Hauses biegen. War er einmal hinter dem dort stehenden Gesträuch verschwunden, so hatte er irgend welche Verfolger wohl kaum mehr zu fürchten.

Aber er hatte sich in Bob verrechnet. Dieser war wie die meisten Neger, welche einen einmal gefaßten Entschluß mit größter Beharrlichkeit zu verfolgen pflegen. Der Schwarze hatte wohl bemerkt, daß der Mormone sich des Päckchens zu versichern strebte und erhob sich, eben als der letztere aufspringen wollte, so schnell von seinem Sitze, daß er Helmers fast umgerissen hätte. Daher die Frage des Wirtes an ihn, was es denn gebe. Bob antwortete:

»Masser Bob haben sehen, daß Dieb fort wollen. Greifen schon nach Paket. Wollen schnell entspringen. Masser Bob aber ihn auf anderem Grund und Boden niederschlagen, darum mit ihm gehen und ihn nicht aus den Augen lassen.«

Er setzte sich auf das äußerste Ende der Bank, so daß er sich, obgleich der Mormone am anderen Tische saß, ganz nahe bei demselben befand.

»Laß den Kerl lieber laufen!« mahnte der Wirt. »Er ist es vielleicht gar nicht wert, daß du so auf ihn achtest.«

»Massa Helmers haben recht. Er es nicht wert sein, aber Geld es wert sein, welches er haben gestohlen. Er nicht fortkommen, ganz gewiß nicht ohne Begleitung von Masser Bob!«

»Wer ist denn eigentlich dieser Kerl?« fragte der Juggle-Fred leise. »Er hat mir gleich im ersten Augenblick nicht gefallen. Er hat ganz das Aussehen eines Wolfes, welcher im Schafskleide umherläuft. Als ich ihn erblickte, war es mir ganz so, als ob ich diese scharfe, spitze Physiognomie schon einmal gesehen haben müsse, und zwar unter Umständen, ,welche nicht günstig für ihn sprechen.«

Helmers erklärte ihm, weshalb Bob es so nachhaltig auf den Verdächtigen abgesehen habe, und fügte hinzu:

»Auch Bloody-Fox scheint sich mehr, als er merken lassen will, mit dem Manne zu beschäftigen. Oder nicht?«

»Well!« antwortete der junge Mann. »Dieser Heilige der letzten Tage hat mir etwas gethan, und zwar etwas sehr Schlimmes.«

»Wirklich? Was denn? Warum stellst du ihn nicht zur Rede?«

»Weil ich nicht weiß, was es gewesen ist.«

»Das wäre doch sonderbar. Wenn du so überzeugt bist, daß er dir etwas so Böses zugefügt hat, so mußt du doch auch wissen, was es ist.«

»Eben das kann ich nicht sagen. Ich habe mir fast das Gehirn zermartert, um mich zu erinnern, aber vergebens. Es ist mir, als ob ich das Entsetzliche geträumt und die Einzelheiten des Traumes wieder vergessen habe. Und wegen einer solchen unbestimmten, nebelhaften Ahnung kann ich mich doch nicht an den Kerl machen.«

»Das begreife ich nicht. Was ich weiß, das pflege ich zu wissen. Von nebelhaften Ahnungen ist bei mir niemals die Rede. Uebrigens ist es dunkel geworden. Gehen wir hinein in die Stube?«

»Nein, denn das Haus ist diesem Kerl verboten, und ich muß ihn beobachten. Darum bleibe ich hier. Vielleicht fällt es mir doch noch ein, was ich mit ihm auszugleichen habe.«

»So will ich wenigstens für genügende Beleuchtung sorgen, damit er sich nicht dennoch davonschleichen kann.«

Er ging in das Haus zurück und kehrte bald mit zwei Lampen wieder. Diese bestanden sehr einfach aus blechernen Petroleumkannen, aus deren Oeffnungen ein starker Docht hervorsah. Glascylinder und Schirm gab es nicht dabei. Dennoch reichten die beiden dunkel lodernden und stark qualmenden Flammen vollständig aus, den Platz vor der Thür zu erleuchten.

Eben als der Wirt die Lampen an zwei Baumäste gehängt hatte, ließen sich Schritte hören, welche sich von daher näherten, wo die Maisfelder lagen.


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»Meine Hands kommen heim,« sagte Helmers.

Unter »Hand« versteht der Amerikaner jede männliche oder weibliche Person, welche sich in seinem Dienst befindet. Er hatte sich geirrt. Als der Nahende in den Lichtkreis trat, sah man, daß er ein Fremder sei.

Er war ein langer, starker, vollbärtiger Kerl, vollständig mexikanisch gekleidet, doch ohne Sporen, was hier auffallen mußte. Aus seinem Gürtel blickten die Griffe eines Messers und zweier Pistolen hervor, und in der Hand trug er eine schwere, mit silbernen Ringen verzierte Büchse. Als seine dunklen Augen mit scharfem, stechendem Blicke über die einzelnen Personen der Gruppe flogen, machte er den Eindruck eines physisch starken, aber auch rohen Menschen, von welchem man zarte Regungen nicht erwarten dürfe.

Als sein Blick über das Gesicht des Mormonen streifte, zuckte er auf eine eigentümliche Weise mit der Wimper. Niemand als nur der Mormone bemerkte das. Es war jedenfalls ein Zeichen, welches diesem letzteren galt.

»Buenas tardes, Sennores!« grüßte er. »Ein Abend bei bengalischer Beleuchtung? Der Besitzer dieser Hacienda scheint ein poetisch angelegter Mann zu sein. Erlaubt, daß ich mich für eine Viertelstunde bei Euch ausruhe, und gebt mir einen Schluck zu trinken, wenn überhaupt hier etwas zu bekommen ist.«

Er hatte in jenem spanisch-englischen Mischmasch gesprochen, dessen man sich an der mexikanischen Grenze häufig zu bedienen pflegt.

»Setzt Euch nieder, Sennor!« antwortete Helmers in demselben Jargon. »Was wollt Ihr trinken? Ein Bier oder einen Schnaps?«

»Bleibt mir mit Eurem Bier vom Leibe! Ich mag von solcher deutschen Brühe nichts wissen. Gebt mir einen kräftigen Schnaps, aber nicht zu wenig. Verstanden?«

Seine Haltung und sein Ton waren diejenigen eines Mannes, welcher nicht gewohnt war, mit sich scherzen zu lassen. Er trat ganz so auf, als ob er hier zu gebieten habe. Helmers stand auf, um das Verlangte zu holen und deutete auf die Bank, wo er dem Fremden Platz gemacht hatte. Dieser aber schüttelte den Kopf und sagte:

»Danke, Sennor! Hier sitzen schon viere. Will lieber dem Caballero Gesellschaft leisten, welcher da so einsam sitzt. Bin die weite Savanne gewohnt und habe es nicht gern, so eng bei einander zu kleben.«

Er lehnte sein Gewehr an den Stamm des Baumes und setzte sich zu dem Mormonen, den er mit einem leichten Griffe an den breiten Rand seines Sombrero grüßte. Der Heilige des jüngsten Tages erwiderte den Gruß in ganz derselben Weise. Beide thaten, als ob sie einander vollständig fremd seien.

Helmers war in das Haus getreten. Die anderen verschmähten aus natürlicher Höflichkeit, ihre Blicke in auffälliger Weise auf den Fremden zu richten. Das gab demselben die willkommene Gelegenheit, dem Mormonen zuzuraunen:

»Warum kommst du nicht? Du weißt doch, daß wir Nachricht haben wollen.«

Er sprach dabei das reinste Yankee-Englisch.

»Man läßt mich nicht fort,« antwortete der Gefragte.

»Wer denn?«

»Dieser verdammte Nigger da.«

»Der kein Auge von dir verwendet? Was hat er denn?«

»Er behauptet, daß ich seinem Herrn Geld gestohlen habe, und will mich lynchen.«

»Mit dem ersteren kann er das Richtige getroffen haben; das letztere aber mag er sich aus dem Sinne schlagen, falls er es nicht riskieren will, daß wir ihm mit unseren Peitschen sein schwarzes Fell blutrot färben. Gibt es etwas Neues hier?«

»Ja. Sechs Diamond-boys wollen mit bedeutenden Summen über die Llano.«

»Alle Teufel! Sollen uns willkommen


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sein! Werden ihnen 'mal in die Taschen gucken. Bei der letzten, armseligen Gesellschaft war ja gar nichts zu finden. Doch still! Helmers kommt.«

Der Genannte kehrte mit einem Bierglase voll Schnaps zurück. Er stellte es vor den Fremden und sagte:

»Da, wohl bekomme es, Sennor! Habt heut' wohl einen weiten Ritt hinter Euch?«

»Ritt?« antwortete der Mann, indem er fast den halben Inhalt des Glases hinuntergoß. »Habt Ihr keine Augen? Oder vielmehr, habt Ihr zu viele Augen, so daß Ihr seht, was gar nicht vorhanden ist? Wer reitet, muß doch ein Pferd haben!«

»Gewiß.«

»Nun, wo ist denn das meinige?«

»Jedenfalls da, wo Ihr es gelassen habt.«

»Válgame Dios! Ich werde doch wohl mein Pferd nicht 30 Meilen weit zurücklassen, um bei Euch einen Brandy zu trinken, der nicht für den Teufel taugt!«

»Laßt ihn im Glase, wenn er Euch nicht schmeckt! Uebrigens besinne ich mich nicht, von 30 Meilen gesprochen zu haben. So wie Ihr hier vor mir sitzt, seid Ihr ein Mann, der jedenfalls ein Pferd hat. Wo es steht, das ist nicht meine Sache, sondern die Eurige.«

»Das denke ich auch. Ihr habt Euch überhaupt um mich nicht zu bekümmern. Verstanden!«

»Wollt Ihr mir das Recht bestreiten, mich um diejenigen zu bekümmern, welche hier auf meiner einsamen Farm einkehren?«

»Fürchtet Ihr Euch etwa vor mir?«

»Pah! Ich möchte denjenigen Menschen sehen, vor welchem John Helmers sich fürchtet!«

»Das ist mir lieb, denn ich möchte Euch nur fragen, ob ich in Eurem Hause für diese Nacht ein Lager bekommen kann.«

Er warf bei diesen Worten einen lauernden Blick auf Helmers. Dieser antwortete:

»Für Euch ist kein Platz vorhanden.«

»Caracho! Warum nicht?«

»Weil Ihr selbst gesagt habt, daß ich mich nicht um Euch zu bekümmern habe.«

»Aber ich kann doch nicht noch in der Nacht bis zu Eurem nächsten Nachbar laufen, bei welchem ich erst morgen mittag ankommen würde!«

»So schlaft im Freien! Der Abend ist mild, die Erde weich und der Himmel die vornehmste Bettdecke, welche es nur geben kann.«

»So weist Ihr mich wirklich fort?«

»Ja, Sennor. Wer mein Gast sein will, muß sich einer größeren Höflichkeit befleißigen, als Ihr uns gezeigt habt.«

»Soll ich Euch etwa, um in irgend einem Winkel schlafen zu dürfen, zur Begleitung der Guitarre oder Mandoline ansingen? Doch, ganz wie Ihr wollt! Ich brauche Eure Gastfreundschaft nicht und finde überall einen Platz, an welchem ich vor dem Einschlafen darüber nachdenken kann, wie ich mit Euch reden werde, wenn wir uns einmal anderswo begegnen sollten.«

»Da vergeßt aber ja nicht, bei dieser Gelegenheit auch mit an das zu denken, was ich Euch darauf antworten würde!«

»Soll das eine Drohung sein, Sennor?«

Der Fremde erhob sich bei diesen Worten und richtete seine hohe, breite Gestalt gebieterisch dem Wirte gegenüber auf.

»O nein,« lächelte dieser furchtlos. »Solange ich nicht zum Gegenteile gezwungen werde, bin ich ein sehr friedlicher Mann.«

»Das will ich Euch auch geraten haben. Ihr wohnt hier beinahe am Rande der Llano des Todes. Da erfordert die Vorsicht, daß Ihr mit den Leuten möglichst Frieden haltet, sonst könnte der Geist der Llano estakata einmal ganz unerwartet den Weg zu Euch finden.«

»Kennt Ihr ihn etwa?«

»Habe ihn noch nicht gesehen. Aber man weiß ja, daß er am liebsten aufgeblasenen Leuten erscheint, um sie in das Jenseits zu befördern.«

»Ich will Euch nicht widersprechen. Vielleicht sind alle diejenigen, welche man, vom >Geiste< durch einen Schuß in die Stirn getötet, in der Llano gefunden hat, einst aufgeblasene Wichte gewesen. Aber eigentümlich ist es doch, daß diese Kerls alle Räuber und Mörder gewesen sind.«

»Meint Ihr?« fragte der Mann in höhnischem Tone. »Könnt Ihr das beweisen?«

»So leidlich. Man hat ohne eine einzige Ausnahme bei diesen Leuten stets Gegenstände gefunden, welche früher solchen gehörten, die in der Llano ermordet und ausgeraubt worden waren. Das ist doch Beweis genug.«

»Wenn das so ist, so will ich Euch freundschaftlich warnen: Macht ja nicht einmal hier auf Eurer abgelegenen Farm einen Menschen kalt, sonst könntet Ihr auch einmal mit einem Loche in der Stirn gefunden werden.«

»Sennor!« fuhr Helmers auf. »Sagt noch ein solches Wort, so schlage ich Euch nieder. Ich bin kein Mörder, sondern ein ehrlicher Mann. Viel eher könnte man denjenigen einer solchen That für fähig halten, der sein Pferd versteckt, um die Meinung zu erwecken, daß man es nicht mit einem Bravo, sondern mit einem armen, ungefährlichen Manne zu thun habe.«

»Gilt das etwa mir?« zischte der Fremde.

»Wenn Ihr es Euch annehmen wollt, so habe ich nichts dagegen. Ihr seid heut bereits der zweite, der mir vorlügt, kein Pferd zu besitzen. Der erste ist dieser Heilige der letzten Tage. Vielleicht stehen eure beiden Pferde bei einander. Vielleicht stehen auch noch andere Pferde und auch noch Reiter dabei, um auf eure Rückkehr zu warten. Ich sage Euch, daß ich in dieser Nacht mein Haus bewachen und morgen mit Tagesanbruch die Umgegend säubern werde. Da wird es sich höchst wahrscheinlich zeigen, daß Ihr sehr gut beritten seid!«

Der Fremde ballte beide Fäuste, erhob die rechte zum Schlage, trat um einen Schritt näher an Helmers heran und schrie:

»Mensch, willst du etwa sagen, daß ich ein Bravo sei? Sage es mir deutlich, wenn du Mut hast; dann erschlage ich -«

Er wurde unterbrochen.

Bloody-fox hatte diesem Manne weniger Aufmerksamkeit geschenkt als dessen Gewehre. Als der Fremde sich erhoben hatte und dem Baume nun den Rücken zukehrte, stand der Jüngling auf und trat an den Stamm, um das Gewehr genau zu betrachten. Sein bisher gleichgültiges Gesicht nahm einen ganz anderen Ausdruck an. Seine Augen leuchteten, und ein Zug eiserner, gnadenloser Entschlossenheit legten sich um seinen Mund. Er wendete sich zu dem Fremden und legte demselben, ihn in der Rede unterbrechend, die Hand auf die Achsel.

»Was willst du, Junge?« fragte der Mann.

»Ich will dir an Helmers' Stelle Antwort geben,« antwortete Bloody-fox in ruhigem Tone. »Ja, du bist ein Bravo, ein Räuber, ein Mörder. Nimm dich vor dem Geiste der Llano in acht, den wir den Avenging-ghost nennen, weil er jeden Mord mit einer Kugel durch die Stirn an dem Mörder zu rächen pflegt.«

(Fortsetzung folgt.)


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Der Riese trat mehrere Schritte zurück, maß den Jüngling mit einem erstaunt verächtlichen Blicke und lachte dann höhnisch auf:

»Knabe, Bursche, Junge, bist du toll? Ich zerdrücke dich doch mit einem einzigen Griffe meiner Hände zu Brei!«

»Das wirst du bleiben lassen! Bloody-fox ist nicht so leicht zu zermalmen. Du hast geglaubt, Männern gegenüber unverschämt sein zu können. Nun kommt ein Knabe, um dir zu beweisen, daß du gerad' so wenig zu fürchten bist wie ein toter Mensch. Betrachte dich von diesem Augenblicke an als Leiche! Die Mörder der Llano werden vom Avenging-ghost mit dem Tode bestraft. Du bist ein Mörder, und da der Geist nicht anwesend ist, werde ich seine Stelle vertreten. Bete deine letzten drei Pasternoster und Ave Marias; du hast vor dem ewigen Richter zu erscheinen!«

Diese Worte des jungen Mannes, welcher noch ein halber Knabe war, machten einen außerordentlichen Eindruck auf die Anwesenden. Er kam ihnen ganz anders vor als vorher. Sein Auftreten war noch mehr als dasjenige eines erwachsenen Mannes. Er stand da, stolz aufgerichtet, mit drohend erhobenem Arme, blitzenden Augen und einem unerschütterlichen Entschluß in den festen Zügen - ein Bote der Gerechtigkeit, ein Vollstrecker des gerechten Strafgerichtes.

Der Fremde war, trotzdem er den Jüngling fast um Kopfeslänge überragte, bleich geworden. Doch faßte er sich schnell, stieß ein lautes Gelächter aus und rief:

»Wahrhaftig, er ist verrückt! Ein Floh will einen Löwen verschlingen! So etwas hat noch niemand gehört! Mensch, beweise es doch einmal, daß ich ein Mörder bin!«

»Spotte nicht! Was ich sage, das geschieht, darauf kannst du dich verlassen! Wem gehört das Gewehr, welches da am Stamme des Baumes lehnt?«

»Natürlich mir.«

»Seit wann ist es dein Eigentum?«

»Seit über zwanzig Jahren.«

Trotz seines vorigen Gelächters und seiner geringschätzigen Worte machte die jetzige Haltung des Knaben einen solchen Eindruck auf den starken Mann, daß ihm gar nicht der Gedanke kam, ihm die Antwort zu verweigern.

»Kannst du das beweisen?« fragte Bloody-fox weiter.

»Kerl, wie soll ich das beweisen? Kannst du etwa den Beweis des Gegenteils erbringen?«

»Ja. Diese Büchse gehörte dem Sennor Rodriguez Pinto auf der Estanzia del Meriso drüben bei Cedar Grove. Er war vor zwei Jahren mit seinem Weibe, seiner Tochter und drei Vaqueros hüben in Caddo-Farm auf Besuch gewesen. Er verabschiedete sich dort, kehrte aber niemals heim. Kurze Zeit darauf fand man die sechs Leichen in der Llano estakata, und die Spuren im Boden verrieten, daß die Pfähle versteckt, also in falsche Richtung geordnet worden waren. Diese Büchse war die seinige; er trug sie damals bei sich. Hättest du behauptet, sie während der angegebenen Zeit von irgend wem gekauft zu haben, so wäre die Sache zu untersuchen. Da du aber behauptest, sie bereits zwanzig Jahre zu besitzen, so hast du sie nicht von dem Schuldigen gekauft, sondern bist selbst der Mörder und als solcher dem Gesetze der Llano estakata verfallen.«

»Hund!« knirschte der Fremde. »Soll ich dich zermalmen! Dieses Gewehr ist mein Eigentum. Beweise es doch, daß es diesem Haziendero gehört hat!«

»Sogleich!«

Er nahm das Gewehr vom Stamme des Baumes weg und drückte an einer der kleinen Silberplatten, welche in den unteren Teil des Kolbens eingelegt waren. Sie sprang auf und unter ihr zeigte sich ein zweites Plättchen mit dem vollständigen Namen, den er vorher genannt hatte.

»Schaut her!« sagte er, das Gewehr den anderen zeigend. »Hier ist der unumstößliche Beweis, daß dieses Gewehr Eigentum des Haziendero war. Er hat es mir einigemale geborgt; daher kenne ich es so genau. Es ist höchst gefährlich für einen Mörder, einen geraubten Gegenstand, dessen Eigentümlichkeiten ihm unbekannt sind, mit sich umherzutragen. Ich will euch nicht fragen, ob ihr diesen Mann für den Mörder haltet. Ich selbst, ich halte ihn für denselben, und das genügt. Seine Augenblicke sind gezählt.«

»Die deinigen auch!« schrie der Fremde, indem er auf ihn einsprang, um ihm das Gewehr zu entreißen.

Aber Bloody-fox trat blitzschnell einige Schritte zurück, schlug die Büchse auf ihn an und gebot:

»Stehen bleiben, sonst trifft dich die Kugel. Ich weiß genau, wie man mit solchen Leuten umzuspringen hat. Hobble-Frank, Juggle-Fred, legt auf ihn an, und wenn er sich bewegt, so schießt ihr ihn sofort nieder!«

Die beiden Genannten hatten im Nu ihre Gewehre erhoben und auf den Fremden gerichtet. Es handelte sich hier um das Prairiegesetz, welches nur einen einzigen, aber vollständig genügenden Paragraphen hat; da gibt es für einen braven Westmann kein Zaudern.

Der Fremde sah, daß Ernst gemacht wurde. Es handelte sich um sein Leben; darum stand er bewegungslos.

Bloody-fox senkte jetzt das Gewehr, da die beiden anderen Büchsen den Mann auf seiner Stelle hielten, und sagte:

»Ich habe dir dein Urteil gesprochen, und es wird sofort vollstreckt werden.«

»Mit welchem Rechte?« fragte der Fremde mit vor Grimm bebender Stimme. »Ich bin unschuldig. Und selbst wenn ich schuldig wäre, brauche ich es mir nicht gefallen zu lassen, von solchen hergelaufenen Leuten gelyncht zu werden, am allerwenigsten aber von einem Kinde, wie du bist.«

»Ich werde dir zeigen, daß ich kein Kind bin. Ich will dich nicht töten, wie ein Henker den Delinquenten tötet. Du sollst Auge in Auge mir gegenüberstehen,


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jeder mit seinem Gewehre in der Hand. Deine Kugel soll ebensogut mich treffen können, wie dich die meinige treffen wird. Es soll kein Mord, sondern ein ehrlicher Kugelwechsel sein. Wir setzen Leben gegen Leben, obgleich ich dich sofort niederschießen könnte, da du dich in meiner Hand befindest.«

Der junge Mann stand in aufrechter, selbstbewußter Haltung vor dem Fremden. Sein Ton war ernst und bestimmt, und doch klangen seine Worte so gelassen, als sei ein solcher Zweikampf auf Leben und Tod etwas ganz Einfaches und Alltägliches. Er imponierte allen Anwesenden, den einzigen ausgenommen, an den seine Worte gerichtet waren. Oder ließ dieser den Eindruck nicht merken, welchen das Verhalten seines Gegners auf ihn hervorbrachte? Er schlug ein lautes, höhnisches Gelächter auf und antwortete:

»Seit wann führen denn hier an der Grenze unreife Knaben das große Wort? Denke nicht etwa, daß ich mich wegen deines Mutes oder deiner Umsicht in deiner Hand befinde! Wenn diese Männer nicht da gewesen wären, um ihre Läufe auf mich zu richten, hätte ich dich bereits abgewürgt, wie man einem fürwitzigen Sparrow den Kopf abdreht. Bist du wirklich so verrückt, dich mit mir messen zu wollen, so habe ich nichts dagegen. Mache dich aber ja darauf gefaßt, heute dein letztes Wort gesprochen zu haben! Meine Kugel hat noch nie gefehlt. Du kannst auf Gift wetten, daß sie auch dir den Weg zur Hölle zeigen wird! Aber ich halte dich und die anderen bei dem, was dein großes Maul gesprochen hat. Ich verlange einen ehrlichen Kampf und dann ein freies und offenes Feld für den Sieger!«

»Du sollst beides haben,« antwortete Bloody-fox.

»Hast du mich auch recht verstanden? Wenn du von meiner Kugel gefallen bist, darf ich gehen, wohin es mir beliebt, und keiner hat das Recht, mich zurückzuhalten!«

»Oho!« rief da Helmers. »So haben wir nicht gewettet. Selbst wenn du Glück im Schusse haben solltest, sind wohl noch einige Gentlemen da, welche dann ein Wort mit dir zu sprechen haben. Ihnen wirst du Rede stehen müssen.«

»Nein, so nicht!« fiel Bloody-fox ein. »Der Mann gehört mir. Ihr habt kein Recht an ihm. Ich allein bin es, der ihn herausgefordert hat, und ich habe ihm mein Wort gegeben, daß der Kampf ein ehrlicher sein werde. Dieses Versprechen müßt Ihr halten, wenn ich falle. Es soll nach meinem Tode nicht heißen, daß mein Versprechen keinen Wert gehabt habe.«

»Aber, Boy, bedenke doch - - -!«

»Es ist nichts, gar nichts zu bedenken!«

»Soll dich ein notorischer Schuft ungestraft niederschießen können?«

»Wenn es ihm gelingt, ja, denn es ist mein Wille gewesen, mich mit ihm zu schießen. Es ist wahr, er gehört unbedingt zu den Staked Plain Vultures und sollte eigentlich ohne langes Gerede mit Knütteln erschlagen werden. Aber so eine Henkerei widerstrebt mir, und wenn ich ihn eines anderen und besseren Todes würdige, so muß diese außerordentliche Vergünstigung auch nach meinem Tode Wirkung haben. Ihr versprecht mir also jetzt mit Wort und Handschlag, daß er sich ungehindert entfernen kann, falls er mich erschießt!«

»Wenn du nicht anders willst, so müssen wir es thun; aber du gehst mit dem Vorwurf von der Erde, durch deine ungerechtfertigte Milde dafür gesorgt zu haben, daß dieser Schurke sein Handwerk auch fernerhin betreiben kann!«

»Nun, was das betrifft, so bin ich sehr, sehr ruhig. Er hat gesagt, daß seine Kugel niemals fehle. Wollen sehen, ob die meinige wohl im Laufe steckt, um ein Loch nur in die Luft zu machen. Sage also, Kerl, auf welche Distanz wir uns schießen wollen!«

»Fünfzig Schritte,« antwortete der Fremde, an welchen die letztere Aufforderung gerichtet war.

»Fünfzig!« lachte Bloody-fox. »Das ist nicht allzu nahe. Du scheinst deine Haut ganz außerordentlich lieb zu haben. Aber es soll dir doch nichts nützen. Weißt du, ich will dir die freundschaftliche Mitteilung machen, daß ich ganz genau so wie der Avenging-ghost zu zielen pflege, nämlich nach der Stirn. Nimm also die deinige in acht! Ich befürchte, du wirst an dem heutigen gesegneten Tage einige Lot Blei durch den Verstand bekommen. Ob du das vertragen wirst, das ist nicht meine Sache, sondern die deinige.«

»Immer schneide auf, Knabe!« knirschte sein Gegner. »Ich habe erhalten, was ich wünschte, das Versprechen des ungehinderten Weges. Machen wir die Sache kurz. Gib mir mein Gewehr!«

»Wenn die Vorbereitungen getroffen sind, sollst du es haben, eher nicht, denn es ist dir nicht zu trauen. Der Wirt mag die Distanz abmessen, fünfzig Schritte. Haben wir Posto gefaßt, so mag Bob sich mit der einen Lampe zu dir, Hobble-Frank sich mit der anderen zu mir stellen, damit wir beide einander genau sehen können und ein sicheres Ziel haben. Dann gibt Juggle-Fred dir dein Gewehr in die Hand, Helmers mir das meinige. Helmers kommandiert, und von diesem Augenblick an können wir beide ganz beliebig schießen, jeder zwei Kugeln, denn unsere Gewehre sind doppelläufig.«

»Avancieren wir dabei?« fragte der Fremde.

»Nein! Du hast die Distanz bestimmt, und dabei hat es zu bleiben. Wer seinen Platz verläßt, bevor die Kugeln gewechselt worden sind, der wird von dem, welcher ihm das Licht hält, niedergeschossen. Zu diesem Zwecke werden Bob und Frank ihre gespannten Pistolen oder Revolver bereit halten.

Erschossen wird auch derjenige von uns beiden, dem es einfallen sollte, sich zu entfernen, bevor sein Gegner die beiden Schüsse abgefeuert hat.«

»Schön! So sein sehr schön!« rief Bob. »Masser Bob sofort geben Schuft eine Kugel, wenn er wollen laufen!«

Er zog die Waffe aus dem Gürtel und zeigte sie unter drohendem Grinsen dem Fremden.

Die anderen erklärten sich mit den Bedingungen Bloody-fox' einverstanden, und die Vorbereitungen wurden sofort getroffen. Sie waren damit alle so beschäftigt, daß es keinem einfiel, auf den frommen Tobias Preisegott Burton besonders acht zu geben. Diesem schien die Szene jetzt ganz gut zu behagen. Er rückte langsam von seinem Platze nach der Ecke der Bank und zog die Füße unter dem Tische hervor, so daß er am passenden Augenblicke die Beine sofort zur Flucht benutzen konnte.

Jetzt hatten die beiden Gegner ihre Plätze eingenommen, fünfzig Schritte voneinander entfernt. Neben dem Fremden stand der Neger, in der Linken die Lampe und in der Rechten die Reiterpistole, welche er schußbereit hielt. Bei Bloody-fox stand Hobble-Frank mit seiner Lampe und in der anderen Hand den Revolver, nur der Form wegen, da es sich voraussehen ließ, daß er nicht in die Lage kommen werde, ihn gegen den jungen, ehrlichen Mann zu gebrauchen.

Helmers und Juggle-Fred hielten die beiden geladenen Gewehre bereit. Es war selbst für diese kampfgewohnten Leute ein


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Augenblick höchster Spannung. Die beiden im Luftzuge wehenden Flammen beleuchteten mit rußigrotem, flackerndem Scheine die beiden Gruppen. Die Männer standen still, und doch schien es bei dem unruhigen Lichte, als ob sie sich unausgesetzt bewegten. Es war unter diesen Umständen sehr schwer, ein ruhiges Ziel zu nehmen, besonders da die Beleuchtung nicht zureichend war, die Kimme des Visieres oder gar das noch weiter vom Auge entfernte Korn zu erkennen.

Bloody-fox stand in einer so unbefangenen, ja harmlosen Haltung da, als ob es sich um eine Partie Kricket handle. Sein Gegner aber befand sich in anderer Stimmung. Juggle-Fred, welcher ihm das Gewehr zu überreichen hatte und also nahe bei ihm stand, sah das gehässige Leuchten seiner Augen und das ungeduldige Zittern seiner Hände.

»Seid ihr fertig?« fragte jetzt Helmers.

»Ja,« antworteten beide, wobei der Fremde bereits die Hand nach seiner Büchse ausstreckte.

Er hatte jedenfalls die Absicht, Bloody-fox, wenn auch nur um eine halbe Sekunde, mit dem Schusse zuvorzukommen.

»Hat einer von euch für den Fall seines Todes noch eine Bestimmung zu treffen?« erkundigte sich Helmers noch.

»Der Teufel hole deine Neugierde!« rief der aufgeregte Fremde.

»Nein,« antwortete der Jüngling desto ruhiger. »Ich sehe es diesem Kerl an, daß er mich nur infolge eines Zufalles treffen würde. Er zittert ja, In diesem Falle würdest du in meiner Satteltasche finden, was zu wissen dir nötig ist. Und nun mach, daß wir zu Ende kommen!«

»Na, denn also hin mit den Büchsen! Gebt Feuer!«

Er reichte Bloody-fox das Gewehr hin. Der junge Mann nahm es gleichmütig hin und wiegte es in der rechten Hand, als ob er die Schwere desselben taxieren wolle. Er that gar nicht so, als ob sein Leben an einem kurzen Augenblicke hänge.

Der andere hatte seine Büchse dem Juggle-Fred fast aus der Hand gerissen. Er gab seine linke Seite vor, um ein möglichst schmales Ziel zu bieten, und legte an. Sein Schuß krachte.

»Halloo! Dash!« brüllte der Neger. »Masser Bloody-fox sein nicht troffen! Oh fortune! Oh bleasure! Oh delight

Er sprang mit gleichen Beinen in die Luft, tanzte um seine eigene Achse und gebärdete sich vor Freude wie ein Besessener.

»Willst du Ruhe halten, Kerl!« donnerte Helmers ihn an. »Wer soll denn da zielen, wenn du die Lampe in dieser Weise schwingst!«

Bob sah augenblicklich ein, daß sein Verhalten grad demjenigen, dem er den Sieg wünschte, zum Schaden gereiche. Er stand plötzlich kerzengerade und rief:

»Masser Bob jetzt still halten! Masser Bob nicht zucken! Massa Bloody-fox schnell schießen!«

Aber der andere hatte sein Gewehr nicht von der Wange genommen. Er drückte ab - auch dieser Schuß ging fehl, obgleich Bloody-fox noch immer so da stand wie vorher, ihm die ganze Breite seines Körpers bietend und die Büchse in der Rechten wiegend.

»Thousand devils!« fluchte der Fremde.

Er stand einige Augenblicke ganz starr vor Betroffenheit. Dann stieß er noch ein Kraftwort aus, welches nicht wiedergegeben werden kann, und that einen Sprung zur Seite, um zu entfliehen.

»Stop!« rief der Neger. »Ich schießen!«

Man hörte die That zu gleicher Zeit mit dem Worte. Er drückte ab. Aber nicht sein Schuß allein war gefallen.

Der kurze Augenblick, während dessen sein Gegner vor Schreck unbeweglich gewesen war, hatte Bloody-fox genügt, sein Gewehr empor zu nehmen. Er drückte so schnell ab, als ob er gar nicht zu zielen brauchte, drehte sich dann auf dem Absatze um, griff in den Munitionsbeutel, um der Gewohnheit jener Gegend gemäß den abgeschossenen Lauf sofort wieder zu laden und sagte:

»Er hat es! Geh hin, Frank! Du wirst mitten in seiner Stirn das Loch sehen.«

(Fortsetzung folgt.)


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Er kehrte dem Platze, an welchem sein Gegner gestanden hatte, den Rücken zu, und seine Stimme klang so ruhig, als ob er soeben etwas ganz Alltägliches verrichtet habe.

Frank und Helmers eilten nach der Stelle, an welcher der Fremde niedergestürzt war. Bloody-fox folgte ihnen langsam, nachdem er geladen hatte.

Dort ertönte die triumphierende Stimme des Negers:

»Oh courage! Oh bravery! Oh valour! Masser Bob hat totschießen all ganz Spitzbuben! Hier liegen der Mann und sich nicht bewegen von der Stelle. Sehen Massa Helmers und Massa Frank, daß Old Bob ihn haben treffen in die Stirn? Es sein ein Loch vorn hinein und hinten wieder heraus! Oh, Masser Bob sein ein tapfer Westmann. Er überwinden tausend Feinde mit Leichtigkeit.«

»Ja, du bist ein außerordentlich guter Schütze!« nickte Helmers, welcher bei dem Toten niedergekniet war und denselben untersuchte. Wohin hast du denn eigentlich gezielt?«

»Masser Bob zielen genau nach Stirn und ihn auch dort treffen. Oh, masser Bob to be a giant, a hero: masser Bob to be invincibe, to be unconquerable and impregnable!«

»Schweig, Schwarzer! Du bist weder ein Held noch ein Riese oder gar ein Unüberwindlicher. Du hast gar nichts gethan, was ein Beweis von Mut sein könnte. Du hast auf einen Fliehenden geschossen und dazu gehört gar nichts. Uebrigens ist es dir gar nicht eingefallen, deine alte Haubitze auf die Stirn dieses Mannes zu halten. Da, schau seine Hose an! Was erblickst du da?«

Bob leuchtete nieder und betrachtete die Stelle, auf welche Helmers deutete.

»Das sein ein Loch, ein Riß,« antwortete er.

»Ja, ein Riß, welchen deine Kugel gemacht hat. Du hast durch das Hosenbein geschossen und willst nach der Stirn


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gezielt haben! Schäme dich! Und dabei betrug die Entfernung keine sechs Schritte!«

»Oh, oh! Masser Bob sich nicht schämen müssen! Masser Bob haben treffen in Stirn. Aber Massa Bloody-fox auch schießen und treffen nur in Hose. Masser Bob haben schießen ausgezeichnet, viel besser als Massa Bloody-fox!«

»Ja, das kennen wir! Aber welch ein Schuß! Bloody-fox, das macht dir wirklich keiner nach! Ich habe dich gar nicht zielen sehen!«

»Ich kenne mein Gewehr,« antwortete der junge Mann bescheiden, »und wußte, daß es genau so kommen werde, denn der Kerl war zu erregt. Er zitterte. Das ist allemal eine Dummheit, zumal wenn das Leben an nur zwei Schüssen hängt.«

Der Mann war tot. Das runde, scharfrandige Loch saß ihm mitten auf der Stirn. Die Kugel war hinten herausgegangen.

»Genau so, wie der Geist der Llano estakata schießen soll,« meinte Juggle-Fred in bewunderndem Tone. »Wahrhaftig, das ist ein Meisterschuß! Der Kerl hat seinen Lohn empfangen. Was thun wir mit seiner Leiche?«

»Meine Leute mögen sie einscharren,« antwortete Helmers. »Einen Getöteten vor sich zu haben, ist kein erfreulicher Anblick, denn selbst der ärgste Schurke bleibt doch immerhin ein Mensch; aber Gerechtigkeit muß sein, und wo das Gesetz keine Macht hat, da ist man eben gezwungen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Und hier ist zudem von einem Orte der Lynchjustiz gar keine Rede, denn Bloody-fox hat ihm die gleichen Chancen gelassen. Es ist bewiesen, daß er ein Mörder ist, Gott sei seiner Seele gnädig! Und nun wollen wir --- was ist's? Was gibt es denn?«

Bob hatte nämlich einen lauten Ruf ausgestoßen. Er war der einzige, dessen Augen jetzt nicht auf den Toten gerichtet gewesen waren.

»Heigh-ho!« antwortete der Schwarze. »Massa Helmers einmal dorthin sehen!«

Er streckte den Arm nach der Gegend aus, in welcher die Tische und Bänke standen. Dort war es jetzt finster, da die beiden Lampenträger sich hier bei der Gruppe befanden.

»Warum? Was ist dort?«

»Nichts, gar nichts sein dort. Wenn Massa Helmers und alle anderen Massas hinsehen, dann sie gar nichts sehen, denn er sein fort.«

»Egad! Der Mormone ist entflohen!« antwortete Helmers, indem er von der Leiche emporsprang. »Schnell nach! Sehen wir, ob wir ihn erwischen!«

Die Gruppe löste sich augenblicklich auf. Jeder rannte nach der Richtung, in welche ihn der Zufall oder die momentane Vermutung trieb. Nur einer blieb zurück - - Bloody-fox. Er stand bewegungslos und horchte in das Dunkel des Abends hinaus. So blieb er, bis die Männer wiederkehrten, um, wie vorauszusehen gewesen war, zu melden, daß sie keine Spur des Gesuchten bemerkt oder gefunden hätten.

»Well, dachte es mir!« nickte er. »Wir sind dumm gewesen.

Vielleicht ist dieser fromme Mormone ein noch viel gefährlicherer Mensch, als der Tote hier jemals gewesen ist. Ich habe ihn gesehen, weiß aber nicht wo, werde aber dafür sorgen, daß ich ihn wiedersehe und zwar sehr bald! Good evening, Mesch'schurs!«

Er hob das Gewehr auf, welches dem Toten entfallen war, und schritt zu seinem Pferde.

»Willst du fort?« fragte Helmers.

»Yes. Ich wollte ja schon längst weiter und habe mit diesem Fremden hier wohl eine kostbare Zeit versäumt. Die Büchse nehme ich mit, um sie den Erben des rechtmäßigen Besitzers zuzustellen.«

»Wann sehe ich dich wieder?«

»Wann es nötig ist. Nicht eher und nicht später.«

Er stieg auf und trabte davon, ohne jemand die Hand gereicht zu haben.

»Ein sonderbarer junger Mensch,« meinte der Juggle-Fred, indem er den Kopf schüttelte.

»Lassen wir ihn!« antwortete Helmers. »Er weiß stets, was er thut. ja, er ist jung, aber er nimmt es mit manchem Alten auf, und ich bin überzeugt, daß er über kurz oder lang diesen Master Tobias Preisegott Burton und vielleicht auch noch andere beim Kragen hat!« --


Kapitel 2


Einführung zu "Der Geist des Llano estakado"


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