Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 1, Seite 1
Reprint Seite 41


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

Mein lieber, guter Kamerad, hast du vielleicht den » b l a u r o t e n   M e t h u s a l e m « gekannt? Ganz gewiß, nämlich wenn du in der betreffenden Universitätsstadt geboren bist oder, wenn auch nur für einige Tage, als Gast dort geweilt hast. Er war das lebendige Wahrzeichen der dortigen Alma mater. Niemand konnte an ihm vorüber sehen, und wer ihn einmal erblickt hatte, dem war es unmöglich, ihn jemals wieder zu vergessen.

Er wohnte seit wer weiß wie vielen Semestern in der Humboldtstraße und studierte - ja, wer konnte das wohl sagen! Wem es eingefallen wäre, ihn danach zu fragen, dem hätte er mit der Klinge geantwortet, und er war als der beste Schläger bekannt und gefürchtet.

Zur ganz bestimmten Minute trat er aus dem Hause, in dessen Parterre der chinesische Theehändler Ye-Kin-Li einen prächtig eingerichteten Verkaufsladen besaß, schritt, gefolgt von seinem Wichsier, die Straße entlang, bog rechts in das Pfeffergäßchen ein und verschwand dort in der Thüre des »Geldbriefträgers von Ninive«. So nämlich nannten die Studenten dieses viel besuchte Bierlokal. Genau zu einer ebenso bestimmten Minute verließ er dasselbe, um nach seiner Wohnung zurückzukehren.

Das geschah täglich dreimal: Vormittags, Nachmittags und des Abends, und zwar mit solcher Regelmäßigkeit, daß die Anwohner der Humboldtstraße und des Pfeffergäßchens es sich angewöhnt hatten, ihre stehen gebliebenen oder falsch gehenden Uhren nach ihm zu richten.

Eines Tages aber warteten sie vergeblich auf sein Erscheinen. Man wunderte sich; man schüttelte den Kopf. Als er auch am nächsten Tage nicht erschien, begann man, bedenklich zu werden. Am dritten Tage beschloß man, seine Wirtin zu interviewen, und erfuhr auf diesem Wege, daß er die Miete auf zwei Jahre vorausbezahlt habe und dann verschwunden sei. Wohin? Das war nicht zu erfahren. Erst später sprach es sich herum, daß er den Sohn der Wirtin mitgenommen habe. Diese mußte das Ziel der Reise kennen, und da sie sich nicht ein darauf bezügliches Wort entlocken ließ, so handelte es sich jedenfalls um ein Geheimnis, dessen Enthüllung man der Zukunft überlassen mußte.

An jenem Vormittage, an welchem der »blaurote Methusalem« zum letztenmal im »Geldbriefträger von Ninive« gesehen worden war, hatte er selbst keine Ahnung davon gehabt, daß er am Nachmittage nicht wiederkommen und sogar für viele Monate sich fern von hier befinden werde.

Wie gewöhnlich schritt er in gravitätischer, bärenhafter Langsamkeit die Humboldtstraße zurück und ergötzte sich im stillen über die Aufmerksamkeit, welche er heute wie stets erregte. Seine Erscheinung war freilich auffallend genug.

Er war von hoher, breiter, wahrhaft hünenartiger Gestalt und trug sein Hektoliterbäuchlein mit dem Anstande eines chinesischen Mandarinen erster Klasse. Sein Gesicht war von einem dunklen, wohlgepflegten Vollbarte eingerahmt und zeigte die Fülle und Farbe eines braven Germanen, der sich darüber freut, daß die deutschen Biere längst ihren Triumphzug um die Erde vollendet haben. Quer über dieses Gesicht zog sich eine breite Narbe, die Nase in zwei ungleiche Hälften teilend - aber was für eine Nase! Ursprünglich war sie wohl das gewesen, was man eine Habichtsnase nennt; nach und nach aber hatte die Schärfe ihres Schnittes sich gemildert, um einer Fülle zu weichen, die von Semester zu Semester bedenklicher geworden war. Dazu war eine Färbung getreten, welche mit der Zeit alle zwischen dem lieblichen Fleischrot und einein tiefen Rotblau liegenden Nuancen durchlaufen hatte. Der Besitzer dieser Nase behauptete freilich, daß die Säbelwunde an dieser Färbung schuld sei; seine Corpsbrüder hingegen waren anderer Meinung. O Jugend, bewahre dich vor ähnlichem Ungefähr!

Mag dem nun aber sein, wie es wolle; dieser Nase und der Anzahl seiner Semester hatte er den Namen der »blaurote Methusalem« zu verdanken.

Er trug einen blausamtenen Schnürenrock, eine rote Weste, weiße Lederhosen und hohe, lacklederne Stulpenstiefel, an denen ungeheure Sporen klirrten, welche mexikanischen Ursprunges waren und deren Räder einen Durchmesser von drittehalb Zoll besaßen. Auf den lang herabwallenden, dichten Locken saß ein rotgoldenes Cerevis.

Die Hände trug er weltverächtlich in den Hosentaschen. Zwischen den Zähnen hielt er das Mundstück einer persischen Wasserpfeife, deren Rauch er in dicken Schwaden von sich stieß.

Vor ihm her schritt gewichtig ein riesiger Neufundländer, welcher das zwei Liter fassende Stammglas seines Herrn im Maule trug.

Hinter dem letzteren folgte der Wichsier, in der linken Hand die Wasserpfeife tragend, deren Kopf wenigstens ein Pfund Knaster faßte. Ihr vier Ellen langer Gummischlauch führte nach dem Munde des qualmenden Studenten. In der rechten Hand, geschultert wie ein Schießgewehr, hielt der Wichsier einen langen, dünnen Gegenstand, in welcher die Begegnenden zu ihrem Erstaunen eine - - Oboe erkannten.

Dieser Pfeifen- und Oboenträger schien, ganz ebenso wie sein Herr, ein Original zu sein. Er hatte eines jener Gesichter, deren Alter sich nicht bestimmen läßt. Es war von unzähligen kleinen Runzeln und Furchen durchzogen, so daß von eigentlichen Zügen keine Rede sein konnte. Sah man ihn in stolzem Ernste, nur auf seinen Herrn achtend, hinter diesem herschreiten, so war man versucht, ihn weit über vierzig Jahre alt zu halten. Fand man jedoch privatim die Gelegenheit, das listige Blinzeln seiner kleinen Aeuglein zu beobachten, seine gewandten Bewegungen zu bemerken und sich von seiner stets schlagfertigen geistigen Munterkeit zu überzeugen, so schätzte man ihn nicht viel über zwanzig Jahre. Auf darauf bezügliche Fragen antwortete er nie. Er hielt sein Alter ebenso wie die Semester seines Herrn und Gebieters in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt.

Seine lange schmale Gestalt war fast genau so gekleidet wie der »Methusalem«, nur daß ihm anstatt des Cerevis eine weißleinene schirmlose Mütze, wie Köche und Konditoren sie tragen, auf dem kurz geschorenen Haupte saß.

So schritten sie die Humboldtstraße entlang, voran der Hund, dann der Herr und hinter diesem der Wichsier, einer gerade so würdevoll und gemessen wie der andere. Lächelnd blickte man ihnen nach.

Eben als sie in den Flur des heimatlichen Hauses einbiegen wollten, wurde die Thür des chinesischen Ladens geöffnet und der Besitzer trat heraus, in die weite, originelle Tracht des »himmlischen Reiches« gekleidet. Er hatte mit dem Studenten Freundschaft geschlossen, von ihm sich in der deutschen Sprache, die er, als er sich hier niederließ, nur gebrochen sprach, unterrichten lassen und ihm dafür so viel vom Chinesischen beigebracht, daß der »Methusalem« desselben recht leidlich mächtig war.

»Tsching!« grüßte der Theehändler, indem er sich verneigte.

»Tsching tsching, mein lieber Ye-Kin-Li!« antwortete der Student in seinem tiefen Bierbasse. »Wollen Sie ausgehen?«

»'s sche tsche, Tschu - ja, Herr. Auf die Polizei.«

»Zur Polizei? Was haben Sie denn mit den Herren dort zu thun? Haben Sie einen verlorenen Hausschlüssel gefunden? Oder sollen Sie wegen gefälschten Thees in Strafe genommen werden?«

Der Chinese ließ seinen Zopf zärtlich durch die Hände gleiten, zog die haarlosen Brauen empor und antwortete in verbindlichem Tone:

»Es gefällt Ihnen, zu scherzen! Ye-Kin-Li wird niemals Strafe zahlen, denn alle Waren sind echt, rein und spottbillig. Ich habe einen Brief aus der Heimat erhalten, den ich abgeben soll. Da der Name des Empfängers nicht im Adreßbuche steht, so muß ich mich im Einwohneramt erkundigen.«

»Dessen bedarf es nicht, mein Verehrtester. Das zuverlässigste Adreßbuch ist hier vorhanden« - er deutete nach seiner Stirn - »ich bin nicht umsonst Methusalem genannt. Viele wurden geboren, und viele starben; Tausende kamen als grüne Füchse und gingen fort als bleiche Philister; ich allein blieb stehen als Fels im fliegenden Sande, und ihre Namen sind eingetragen in den noch ungedruckten Annalen meines Genius. Wie lautet denn die Adresse?«

»So!«

Der Theehändler zog einen Brief aus seinem weiten Aermel und zeigte denselben hin.

Die Chinesen benutzen bekanntlich die Aermel als Taschen. Der Brief trug weder Marke noch Stempel; er war also jedenfalls als Einlage nach Deutschland gelangt. Die nicht mit Feder, sondern mit Pinsel geschriebene Adresse lautete:

»Dem Volksschullehrer Joseph Ferdinand Stein oder dessen Verwandten, früher wohnhaft Obergasse 12 parterre.«

Der Student blickte nachdenklich und kopfschüttelnd auf das Papier.

»Hm!« sagte er. »Der Mann ist also nicht im Adreßbuche zu finden?«

»Nein.«

»Auch ich weiß, daß kein Lehrer dieses Namens hier angestellt ist. Wahrscheinlich ist der Adressat verstorben und - ah! Heureka! Vielleicht ist meine Wirtin seine Witwe! Vertrauen Sie mir den Brief auf einige Augenblicke an, lieber Freund! Ich reite im Galopp hinauf und bringe Ihnen dann per Extrazug Bescheid.«

Er eilte davon, ins Haus hinein. Hund und Wichsier waren mit ihm stehen geblieben. Beide waren auf diesen plötzlichen Aufbruch ihres Herrn nicht gefaßt gewesen. Der Neufundländer sprang rasch zur Seite; der Wichsier aber war weniger geistesgegenwärtig. Der »Methusalem« hatte während der Unterredung den Pfeifenschlauch ergriffen und nun beim Forteilen die Spitze desselben wieder in den Mund gesteckt. Wäre der Wichsier sofort nachgesprungen, so hätte er das folgende Unglück vermieden, so aber zögerte er einen Augenblick, der Schlauch wurde angespannt und ihm dadurch die Wasserpfeife aus der Hand gerissen. Er wollte, um sie zu retten, nach ihr greifen, gab dadurch aber ihrem Falle eine solche Richtung, daß sie auf den Neufundländer flog und dann zur Erde stürzte, wo das Wasserbassin in Scherben zerbrach. Der Kopf hatte seinen glühenden Inhalt auf den Kopf des Hundes ergossen; der übrige Teil wurde von dem eilfertigen Studenten mit bis zur halben Treppe gerissen. Dann bemerkte der letztere, daß hinter ihm nicht alles in Ordnung sei. Er blieb stehen und drehte sich um.

Das sah er, daß er nur den Schlauch mit dem Fuße der Pfeife im Besitze hatte. Der Hund heulte laut, denn seine Kopfhaare begannen zu glimmen, und der Wichsier war über ihn weggestürzt und lag mit der Oboe an der Erde. Dabei stand der Chinese, schlug die Hände zusammen und rief erschrocken:

»O Nieou-nieou-nieou! Chi-tchin! Chi-nieou!«

Das alles machte einen so drolligen Eindruck, daß der Student gar nicht an den Verlust der teuren Pfeife dachte, sondern lächelnd von der Treppe herabrief:

»Aber, Gottfried von Bouillon, was hast du da angerichtet!«

Der Wichsier des »Methusalem« wurde nämlich aus später zu erwähnenden Gründen von sämtlichen Studenten » G o t t f r i e d   v o n   B o u i l l o n « genannt. Er sprang von der Erde auf und antwortete mehr zornig als verlegen:

»Wat ich anjerichtet hab'? Als wie ich? Da hört mir Allens off, Allens, und die Umdrehung der Erde dazu! Wer hat mich denn die wässerige Hukah aus der Hand jerissen und mir mit samt der Oboe parterre jebracht, so daß sogar der Pelz des Neufundländers in sechs Scheunenbrände jeraten ist? Da jeht man in aller Würde und Feierlichkeit von Jott Bachussen zu seine heimischen Penaten, und kaum ist man in das Ostium jetreten, so steht ein Mann des Zopfes da und schreit einen mit Nieou an! Wat hat des zu bedeuten?«

Diese zornige Frage war an den Chinesen gerichtet. An dessen Stelle antwortete der Student:

»Nieou heißt zu deutsch Ochse. Dreimal hintereinander bedeutet es also dreifacher Wiederkäuer.«

»Schön! Und Chi-tchin?«

»Ein Tölpel, ein langsamer Sancho Pansa.«

»Noch schöner! Herr Ye-Kin-Li, Sie wollten sich soeben zur Polizei bejeben; det haben Sie nicht nötig, denn ich werde Ihnen hinführen lassen. Sie werden arretiert. Vorher aber will ich Sie zeigen, wie ein musikalisch approbierter Europäer auf solche Beleidigungen mit seinem Lieblingsinstrumente antwortet.«

Er hob die Oboe vom Boden auf, fällte sie wie ein Gewehr und drang dann mit derselben auf den Chinesen ein. Dieser war keineswegs ein Held und hielt es für das beste, das Hasenpanier zu ergreifen. Er floh in seinen Laden und riegelte die Thür desselben hinter sich zu.

»So, da ist er mit jütiges Verschwinden hinter seine Coulissen retiriert,« lachte Gottfried von Bouillon. »Ich habe jesiegt, verzichte aber darauf, Viktoria schießen zu lassen und werde mir lieber bemühen, diese Überreste einer seligen Verjangenheit einem glücklichen Verjessensein entjegenzuführen.«

Er suchte die Scherben zusammen. Sein Herr warf ihm den Wasserschlauch zu und ging nach oben, um bei seiner Wirtin einzutreten.

Diese bewohnte ein Stübchen, an welches ein kleines Schlafgemach stieß. Die anderen Räume ihrer Wohnung hatte sie an den Studenten vermietet, um dadurch ihre dürftige Lage ein wenig zu verbessern. Sie war die Witwe eines Lehrers und bezog eine sehr kärgliche Pension, welche nicht einmal für Salz und Brot ausreichte. Darum mußte sie manche Nacht hindurch am Nähtischchen oder Stickrahmen sitzen, um die Not von sich und ihren drei Kindern fern zu halten.

Erst von dem Tage an, an welchem der »Methusalem« zu ihr gezogen war, hatte ihre gedrückte Lage eine Aenderung zum Besseren erfahren. Die vorherigen Mieter waren keine guten Zahler gewesen und hatten der braven Frau manche schwere Sorge bereitet; er aber war reich und besaß ein sehr gutes Herz. Er bezahlte nicht nur seine Miete sehr regelmäßig, sondern ließ seiner Wirtin auch sonst manche unerwartete Einnahme zufließen. Er hatte gar bald eine herzliche Zuneigung zu den wohlgesitteten Kindern gefaßt, hörte es gern, wenn sie ihn in zutraulicher Weise Onkel nannten und schien sich im stillen die Aufgabe gestellt zu haben, wie ein wirklicher Verwandter für ihr Wohlergehen Sorge zu tragen.

Richard, der älteste Sohn der Witwe, war ein sehr begabter Knabe. Seine Lehrer liebten ihn und rieten seiner Mutter, ihn studieren zu lassen. Leider aber war sie dazu zu arm. Das stimmte sie traurig. Sie wußte sehr wohl, daß das Handwerk einen goldenen Boden habe, doch empfand ihre Mutterliebe es mit stillem Kummer, daß sie dem Knaben nicht eine seinen Anlagen entsprechende Erziehung und Zukunft bieten könne.

Da war eines Abends der »Methusalem« zu ihr gekommen und hatte sich mit ihr über dieses Thema in seiner kurzen, bestimmten Weise ausgesprochen. Sie hatte seinen Antrag, obgleich derselbe sie mit Entzücken erfüllte, bescheiden abgelehnt; er aber hatte das vertrauliche Gespräch zum Schlusse gebracht, indem er in entschiedenem Tone erklärte:

»Meine liebe Frau Stein, Sie werden bemerkt habe, daß ich nicht gern von mir und meinen Verhältnissen spreche; heute will ich einmal von dieser Gepflogenheit abweichen. Mein Vater war ein reicher Brauer. Er hatte den Ehrgeiz, sich eines gelehrten und berühmten Sohnes rühmen zu wollen. Ich sträubte mich dagegen, denn ich wollte nichts anderes werden, als was auch er geworden war, ein Brauer. Mein Sträuben half nichts. Ich mußte Faba, die Bohne, deklinieren, obgleich mir der Hopfen über alle Bohnen ging. Ueber das Weitere will ich schweigen. Der Vater verwandelte seine Brauerei in ein Aktienunternehmen und hinterließ mir ein bedeutendes Vermögen. Ich aber habe es nur bis zum bemoosten Haupte gebracht, das heißt, zu einem akademischen Schlachtenbummler, welcher dem wirklichen Streiter verächtlich erscheint. Ich beginne nun nachgerade die ganze Leere dieses zwecklosen Daseins schmerzlich zu empfinden. Ich schäme mich meiner selbst. Ich will nicht länger ein unnützes Mitglied der menschlichen Gesellschaft sein. Ich will Thaten thun, und meine erste That soll darin bestehen, daß ich in Ihrem Sohne Ersatz biete für meine verlorene Studienzeit. Er soll studieren, und ich zahle für ihn. Das ist das Wenigste, was ich thun kann. Und das darf Sie nicht bedrücken, denn nicht Sie werden mir dadurch etwas schuldig, sondern ich tilge eine Schuld, welche mir schwer auf dem Herzen liegt. Es ist meine Ueberzeugung, daß Sie kein Recht besitzen, mich mit meinem Antrage abzuweisen. Indem Sie Ihren Sohn glücklich machen, leisten Sie mir einen hohen Dienst, den ich Ihnen niemals vergessen werde. Also sagen Sie ja; schlagen Sie ein, und damit mag die Sache beschlossen und genehmigt sein!«

Seit jener Zeit besuchte Richard das Gymnasium und der »Methusalem« wachte über ihn, wie eine Henne über ihr einziges Küchlein wacht. Dieses Küchlein war jetzt siebzehn Jahre alt geworden und gab sich alle Mühe, die Hoffnungen der Mutter und des »Onkel Methusalem« zu erfüllen.

Als der letztere jetzt eintrat mit dem Briefe aus China in der Hand, fiel sein Blick auf ein Bild stillen Familienfleißes. Frau Stein war mit einer Plätterei beschäftigt. Der Gymnasiast saß tief auf eine Landkarte gebeugt, deren Linien er mit der Spitze seines Bleistiftes folgte. Seine jüngere Schwester war an der Nähmaschine beschäftigt, welche der Student ihr am letzten Weihnachtsfeste beschert hatte, und der kleine sechsjährige Walther saß mäuschenstill hinter dem Ofen und mühte sich ganz ebenso mit einem Christgeschenke ab. Er hatte sich nämlich heimlich des Wichsapparates bemächtigt, um seinem ledernen Hanswurste die Stiefel blank zu machen. Das kostete ihm gar sauren Schweiß, und weil er sich die perlenden Tropfen nicht mit der Hand, sondern mit der Bürste abwischte, so hatte er bald den ganzen Inhalt der Wichsschachtel im Gesichte kleben.

Der »Methusalem« nahm sich kaum Zeit, zu grüßen.

»Frau Stein,« fragte er, »haben Sie früher einmal Obergasse zwölf parterre, gewohnt?«

»Ja,« antwortete sie.

»Hieß Ihr Mann Joseph Ferdinand?«

»Ja.«


(Fortsetzung folgt.)



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