Der Gute Kamerad
3.Jahrgang, No. 21, Seite 321
Reprint Seite 136


oder

Kong-Kheou, das Ehrenwort.

Von K. May.

Verfasser von "Der Sohn des Bärenjägers", Geist der Llano estakata".

(Fortsetzung.)

Der Mijnheer hielt das andere Ende des Strickes und horchte. Da, wirklich, da hörte man unten einen ganz unbeschreiblichen Triller auf dem Fagott erschallen.

»Ziehen Sie, Mijnheer, ziehen Sie!« rief Turnerstick. »Er ist umgefallen. Er ist ohnmächtig!«

Der Dicke zog aus Leibeskräften.

»Het is zoo zwaar - er ist so schwer!« keuchte er.

»So helfe ich mit. Aber ziehen Sie nur, sonst erstickt er.«

Die beiden zogen fürchterlich. Ihre Gesichter wurden rot und immer röter, aber sie brachten den Verunglückten um keinen Zoll vorwärts. Da erschien in der Lukenöffnung erst das Fagott und dann der Gottfried selbst. Er hatte den Strick nicht mehr um den Leib und fragte im Tone der größten Verwunderung:

»Aber Mijnheer, wat ziehen Sie denn so entsetzlich? Wat echauffieren Sie Ihnen denn so außerordentlich?«

Der Dicke sah ihn verwundert an, ließ den Strick fallen, nahm die schottische Mütze ab, wischte sich den Schweiß von seinem Kahlkopfe und antwortete:

»Ik dacht, gij zijt daaraan!«

»Nein, ich hänge nicht mehr daran, sondern ich habe das andere Ende unten an einen Balken gebunden.«

»Nijlpaard!«

Er warf ihm dieses Wort mit einem zornigen Blick in das Gesicht und ging davon.

»Herr Ziegenkopf, ich habe auch mit gezogen!« rief Turnerstick. »Ich verbitte mir solche Jungenstreiche!«

»Jungenstreiche? Wieso?«

»Sie haben gesagt, daß wir sofort ziehen sollen, wenn Sie blasen!«

»Ja, dat ist meine Rede jewesen. Aberst habe ich denn jeblasen?«

»Ja, und wie!«

»Nein, sondern ich habe jetrillert. Dat ist wat janz anderes! Dat ist wat für een jeübtes musikalisches Jemüt. Mit dieses Trillern habe ich anjedeutet, daß meine Seele voller Jubel ist über dat, wat ich da unten jesehen habe. Jetrillert ist niemals jeblasen; merken Sie sich dat. Blasen kann mancher, auch den Kaffee; aberst trillern Sie ihn mich einmal!«

»Sie sind ein unverbesserlicher Schlingel! Was haben Sie denn gesehen?«

»Die janze Janitscharenmusik. Sie liegen kreuz und quer über- und durcheinander und wissen nicht, wohin ihre Jeistesjegenwart jeraten ist. Sie sind von die Stinktöpfe hypnotisiert worden.«

»Wirklich?«

»Wenn Sie es nicht glauben wollen, so jehen Sie jefälligst näher! Dann können Sie auch den Strick wieder vom Balken knüpfen, wofür er Ihnen sehr dankbar sein wird. Wegziehen haben Sie ihn doch nicht können.«

Das war eine Botschaft, welche man so gern hörte, daß man ihm den kleinen Streich gern verzieh. Kapitän Beadle kommandierte seine Leute hinab. Es war so, wie der Gottfried gesagt hatte. Die Chinesen lagen besinnungslos und halb erstickt im Raume, in welchem es noch jetzt eine Luft gab, welche zum Husten und Niesen reizte.

Zunächst wurde der Raum genau untersucht. Da standen die Kisten mit den Kanonen. Da hingen Waffen aller Art an den Wänden. Auf dem Boden lagen Strohmatten, welche die Lagerstellen gebildet hatten. Hinten gab es eine verschlossene Thüre, von welcher Liang-ssi sagte, daß sie zur Pulverkammer führe.

Eine etwas engere Luke führte noch tiefer hinab, in die mittlere Abteilung des Ballastraumes. Dorthin, so befahl Kapitän Beadle, sollten die Gefangenen geschafft werden, nach dem man ihnen alle Waffen und den Inhalt ihrer Taschen abgenommen hatte.

Das mußte aber schnell geschehen, damit sie nicht vorher wieder zum Bewußtsein kommen konnten. Es wurden Laternen angebrannt und dann ließ man die Piraten, einen nach dem andern, die untere Lukentreppe hinabgleiten, wo sie in Empfang genommen und in den feuchten Sand gelegt wurden.

Als das geschehen war, wurde die Luke verschlossen. Nur die im Boden angebrachten kleinen Luftlöcher blieben offen. Die zehn Chinesen, welche noch oben an Deck angebunden waren, blieben da. Sie sollten auch weiter die Segel bedienen, bis die »Schui-heu« oder vielmehr der »Hai-lung« den Hafen erreichte.

»Wollt Ihr uns nicht ins Schlepptau nehmen?« fragte Turnerstick den Kapitän des Kriegsschiffes.

»Wozu? Das Ueberholen des Taues macht Mühe und erfordert Zeit. Wenn Ihr das Kommando der Dschunke übernehmt, so weiß ich sie in den besten Händen. Leute zur Bedienung der Segel habt Ihr genug und außerdem lasse ich Euch für unvorhergesehene Fälle einige meiner Burschen da. Ich dampfe Euch voran und werde Eure Ankunft melden.«

»Schön! Da gibt's wohl einen Empfang?«

»Gewiß! Der 'Hai-lung' muß mit der nötigen Feierlichkeit eingebracht werden. Alle ehrlichen Leute werden sich darüber freuen, daß er endlich ausgesegelt hat. Und zumal wenn man erfährt, daß er von nur fünf Personen gewonnen wurde, so stehe ich nicht dafür, daß man Euch nicht eine Ehrenpforte baut.«

»Pah! Fünf Männer! Ihr seid doch noch dazugekommen!«

»Habe aber nichts thun können als eine kleine Handreichung, welche Eure Verdienste nicht im mindesten zu schmälern vermag. Die Prisengelder fallen natürlich Euch zu.«

»Ich brauche sie nicht.«

»So werden Eure Freunde klüger denken.«

»Auch ich verzichte,« meinte der Methusalem.

»Ik ook,« stimmte der Dicke bei.

»Ich ebenso,« lachte Richard.

»Aberst ich nicht!« sagte Gottfried von Bouillon. »Dem Verdienste seine Kronen, und wenn es keine Kronen sein können, so nehme ich es ebenso jern in Silber und sonstige Scheidemünze. Wer hat dat Schiff jenommen? Ich, denn ich bin's jewesen, der den Balken anjebunden hat. Darum will ich mein Teil vom Prisenjelde haben, zumal ich als Wichsier und Pfeifenräumer mit meine Oboe nicht auf Rosen jebettet bin. Ich will nun endlich auch mal für meine Zukunft Sorje tragen. Habe ich mich zu Lande nichts sparen können, so soll mich wenigstens zur See jeholfen werden.«

»Sehr schön!« lachte der Methusalem. »Ich trete dir meinen Anteil ab.«

»Ik ook,« erklärte der Dicke, welcher zu gutmütig war, als daß er an den Strick gedacht hätte, an welchem er sich vorhin vergeblich abgemüht hatte.

»So mag er alles nehmen!« rief Turnerstick. »Eine Landratte, ein Fagotttrillerer und Prisengelder! So etwas ist noch nie dagewesen!«

»Oho! Ich selbst bin auch noch nicht dajewesen, bin also ein Unikum! Sollte mich die olle Dschunke jenug einbringen, so kaufe ich mich auch eine Wasserpipe und suche mir einen Jottfried den Zweiten. Dann rauche ich mit dem Methusalem voran, und hinter mich trägt Bouillon second die Hukahs alle beide.«

»Wollen sehen, was sich thun läßt,« nickte Kapitän Beadle. »Wir haben es hier mit einem Falle zu thun, welcher allerdings ohnegleichen ist; aber vielleicht erhalten Sie doch eine Gratifikation. Ich werde mir später Ihre Adresse ausbitten, denn ich beabsichtige sehr, einige fröhliche Tage mit meinem braven Turnerstick in Hongkong zu verleben, und hoffe dann auch die Herren, welche mir jetzt geradezu ein Rätsel sind, näher kennen zu lernen. Der Wind lebt auf, Turnerstick. Ihr habt die Brassen durchschnitten. Das war sehr gewagt. Splißt sie baldigst wieder zusammen. Ihr dürft die schweren Segel nicht so hängen lassen. Kommt eine Bö, so seid Ihr samt der Dschunke verloren.«

»Keine Sorge, Sir! Turnerstick weiß stets, was er zu thun hat.«

»Das mag sein. Also ich verlasse Euch nun. Sobald wir uns wiedersehen, werdet Ihr mir erzählen, auf welche Weise Ihr es so plötzlich zum Generalmajor gebracht habt. Im übrigen gratuliere ich den Herren allen. Das war ein Stück, von welchem man sich noch lange Zeit und nicht bloß hier erzählen wird. Seht auch nun bald nach den beiden Männern, welche unten im Kielraume in dem Kasten stecken. Und nun, auf Wiedersehen!«

Er reichte Turnerstick die Hand, auch den anderen, wie er es bereits vorhin gethan hatte, und verließ das Schiff auf dem Wege, auf welchem er gekommen war, nachdem er vorher einem Seekadetten befohlen hatte, mit zwanzig Mann zurückzubleiben und Turnersticks Anweisungen genau zu befolgen.

Dann gab das Orlogschiff wieder Dampf und setzte sich in Bewegung. Mit lautem Hurra grüßte die Mannschaft desselben herüber; dann warf der scharfe Kiel die Fluten vor sich auf. Das kurze, den fünf Helden so interessante Intermezzo war vorüber.

Jetzt ließ Turnerstick die zehn Chinesen wieder losbinden, damit sie die Brassen durch Splissungen wiederherstellen sollten. Sie hatten gesehen, was vorgegangen war, und wußten, daß ein Widerstand jetzt Wahnsinn gewesen wäre. Man konnte sehen, daß sie geradezu mit Zittern und Zagen gehorchten.

Die Segel wurden wieder voll gebraßt; der Kapitän beorderte den jungen Kadetten an das Steuer und befragte ihn um die Höhe des Ortes, was diesem nicht wenig schmeichelte; dann setzte sich auch die Dschunke in Bewegung.

Als sie volle und stete Fahrt genommen hatte, kam Turnerstick auf das Mitteldeck herab, beorderte einige der Marineleute als Wachen in das Unterdeck und sagte dann, daß es Zeit sei, nach den beiden Männern im Kasten zu sehen. Es wurden Laternen angebrannt, worauf er mit dem Methusalem, Gottfried, Richard und Liang-ssi hinabstieg. Dabei wurde der letztere von Degenfeld gefragt, ob er nicht wisse, wer die Personen seien.

»Nein,« antwortete er. »Ich habe nicht geahnt, daß sich Leute da unten befinden, bin auch nie in den vorderen Kielraum gekommen, da das den Matrosen verboten war.«

Als sie unten anlangten, konnten sie mit Hilfe der Laternen die Oertlichkeit deutlich erkennen. Der Raum war niedrig und nach dem Kiele zu sehr schmal, erweiterte sich aber nach der anderen Seite hin. Er war so hoch mit feuchtem, dumpfig riechendem Sande angefüllt, daß man nicht aufrecht stehen konnte. Links von der Treppe standen die Stinktöpfe, von denen wohl noch über sechzig vorhanden waren. Man sah, daß sie erst mit Sand überdeckt worden waren, jedenfalls um von dem das Schiff im Hafen besichtigenden Beamten nicht bemerkt zu werden. Rechts war die Scheidewand, welche diesen Ort von dem Mittelkielraume trennte. An derselben stand der betreffende Kasten. Er war aus hartem Holze gefertigt, oben mit kleinen Luftlöchern versehen, nicht viel über zwei Ellen lang, ebenso tief und nicht ganz so hoch. Die Decke bildete zugleich die Thür, welche mit einem sehr starken Querriegel verschlossen war. Wenn sich zwei Personen in diesem Behältnisse befanden, so hatten sie jedenfalls große Pein zu erleiden, da sie zu einer gebückten, sitzenden Stellung gezwungen waren und sich kaum bewegen konnten.

»Jetzt will ich selbst mal mit ihnen reden,« meinte Turnerstick. »Wenn die Kerls vom Ho-tschang zu dieser Strafe verurteilt wurden, so sind sie zehnfach gefährliche Subjekte, mit denen man nicht vorsichtig genug sein kann. Da muß einer mit ihnen reden, welcher Haare auf den Zähnen hat und die Sprache sehr genau versteht.«

»Es sind keine Piraten,« entgegnete der Methusalem. »Sie haben uns ja vorhin gesagt, wer sie sind.«

»Ja, gesagt haben sie es; aber ich bin nicht so dumm, es zu glauben. Also mal los mit unserer Sprachwissenschaft! Haben ihre zehn Kameraden beim Segelbrassen mich so ausgezeichnet verstanden, so werden wohl auch diese sofort bemerken, daß sie es mit einem tüchtigen Sprachkenner zu thun haben.«

Er klopfte an den Kasten und fragte: »Hallo, halling, hallung! Wer ist da dring im Kastong?«

Zwei Seufzer und ein kratzendes Geräusch waren die Antwort.

»Nun, köngt ihr nicht antworting? Wer ist da in dem Hühnerkäfing?«

»Ngot kieu schin tsa!« lautete die flehende Antwort.

»Was sagen sie? Wie heißt das?«

»Heda, helft uns! heißt es,« antwortete der Methusalem.

»Unsinn! Aus welcher mongolischen Provinz sind denn diese Kerls, daß sie mich nicht verstehen und mir da einen Dialekt bringen, bei welchem man Zahnschmerzen bekommen kann!«

»Ja, der Dialekt ist schauderhaft,« stimmte Degenfeld bei, um die armen Teufel nicht länger schmachten zu lassen. »Ich will sehen, ob ich besser mit demselben vorkomme.«

»Möglich, da Ihr Chinesisch auch nicht mehr wert ist als dasjenige dieser Leute!«

Der Blaurote handelte zunächst anstatt zu sprechen. Er zog den Riegel fort und schlug den Deckel des Kastens zurück. Zunächst wurden nur zwei rasierte Schädel sichtbar. Die dunkeln Haarstummeln auf der Mitte derselben bewiesen, daß sich da Zöpfe befunden hatten, welche aber abgeschnitten worden waren, bei den Chinesen eine ebenso große Schändung wie bei einem Indianer, dem man die Skalplocke raubt.

Die beiden Männer blickten nach oben. Ihre Gesichtszüge waren wegen des dick darauf haftenden Schmutzes nicht zu erkennen. Sie wollten sich erheben, um aus dem Kasten zu steigen, fielen aber zurück. Die Einsperrung in diesen entsetzlichen Kasten hatte sie des Gebrauches ihrer Glieder beraubt. Degenfeld griff in den Kasten, hob sie nacheinander aus demselben und setzte sie in den Sand. Sie waren ganz der Kleider beraubt. Der eine von ihnen starrte vor Schmutz, der andere sah reinlicher aus, doch verbreiteten beide einen Geruch, welcher kaum auszuhalten war.

»Mok put, ni-men put kian - nicht wahr, ihr seid keine Piraten?« fragte der Methusalem in mitleidigem Tone.

»Yu, yu - nein, nein!« antworteten sie sofort im Tone des Abscheues und der eine fügte hinzu: »Tsa-men put tsche fam-fu-suk-tsi - wir gehören nicht zu diesem Gesindel!«

»Ni-teng kuan-fu - ihr seid Mandarinen?«

»Tsche, tsche, ta kuan-fu - ja, ja, hohe Mandarinen. Ngo ho-po-so, tsche tong-tschi tsai Kuang-tschéu-fu - ich bin Ho-po-so und dieser ist Tong-tschi in Kanton.«

»Ngo ko ni-tschai yen - ich werde eure Aussage prüfen!«

»Tsa-men ko tsän - wir werden die Prüfung bestehen.«

Das sagte der Mann in so zuversichtlichem Tone, daß Degenfeld ihm nun geglaubt hätte, wenn er vorher noch zweifelhaft gewesen wäre. Er setzte seine Fragen fort, um zu erfahren, auf welche Weise diese beiden Beamten auf die Dschunke und dann in den schrecklichen Kasten gekommen seien, und erfuhr da folgendes:

Der Tong-tschi hatte auf einer Kriegsdschunke nach Kam-hia-tschin gewollt, einer kleinen Stadt an der Hong-hai-Bai, und war da von der Piratendschunke überfallen worden. Die Seeräuber hatten die Mannschaft des Kriegsschiffes durch Stinktöpfe überwältigt. Auch der Tong-tschi war betäubt worden. Als er erwachte, befand er sich in diesem Kasten. Wie lange er da gesteckt habe, wußte er nicht genau. Es war hier dunkel und er konnte die Zeit nur nach dem Knallen des Feuerwerkes bemessen, welches bei jedem Sonnenuntergange auf jedem Schiffe abgebrannt zu werden pflegt. Nach dieser Rechnung war er schon über eine Woche hier. Es war ihm unmöglich, seine Beine auszustrecken.

Da er nach europäischen Begriffen Inspekteur der in der Provinz Kuang-tung stehenden Militärmacht war, wozu auch die Marine gehört, so waren ihm die Piraten ganz besonders feindlich gesinnt. Er hatte ihnen ein bedeutendes Lösegeld geboten; der Ho-tschang aber hatte ihm geantwortet, daß er die Sonne niemals wiedersehen und hier in diesem Kasten langsam sterben werde. Man hatte ihm täglich nur einen Schluck Wasser und dazu nur wenige, halb faule Früchte gebracht. Da er sich, seiner Schätzung nach, schon über eine Woche hier befand, so war er so abgemattet, daß er nur mit Anstrengung sprechen konnte. Als ganz besonderen Schimpf hatte man ihn seines Zopfes beraubt.

Der Ho-po-so befand sich erst seit vorgestern in der Gewalt der Piraten. Er schien ein sehr pflichttreuer Mann zu sein, denn er erzählte, daß er ganz allein, und zwar am Abende, die »Königin des Wassers« bestiegen habe, um nach deren Papieren und sonstigen Verhältnissen zu fragen. Die Mandarinen pflegen sonst ihres Amtes nur mit dem gewohnten Gepränge zu warten. Niemand außer ihm wußte, daß er auf diese Dschunke gegangen sei. Ueber diesen Umstand hatte er eine unvorsichtige Bemerkung gemacht und war dann sofort festgenommen worden.

Sein Amt brachte es mit sich, jedes unredliche Treiben zur See mit der Strenge des Gesetzes zu verfolgen. Da verstand es sich von selbst, daß die Piraten ihn haßten. Sie hörten, daß niemand von seiner Anwesenheit auf der Dschunke wisse, und daß man ihn also auch nicht auf derselben suchen werde. Darum hatten sie kein Bedenken, sich des Unvorsichtigen zu bemächtigen, ihn seines Zopfes und seiner Kleider zu berauben und zu dem Tong-tschi in den Kasten zu stecken. Er sollte mit diesem das gleiche Schicksal erfahren.

Eine solche Behandlung zweier Menschen darf nicht allzu sehr wunder nehmen. Unter den schlechten Eigenschaften des ungebildeten Chinesen steht neben der Feigheit die Grausamkeit obenan. Er ist im stande, ein Huhn lebendig zu rupfen und zu braten, und zwar die Beine zuerst, damit diese stark anschwellen und einen knusperigen Leckerbissen geben. Dieselbe Gefühllosigkeit hat er auch dem Menschen gegenüber, sobald es sich um seinen Vorteil oder um eine That der Feindschaft handelt. Gegen seine Angehörigen aber zeigt er eine desto größere Milde.

Der Ho-po-so vermochte seine Glieder noch leidlich zu bewegen. Er konnte, wenn auch mit Anstrengung, an das Deck steigen, während sein Leidensgefährte getragen werden mußte. Das geschah selbstverständlich erst dann, als man die nötigen Kleidungsstücke für sie herbeigeschafft hatte. Ihre eigenen Anzüge waren vernichtet worden. Sie mußten sich mit den gewöhnlichen Gewändern begnügen, die man in den Kajüten der Dschunke fand.


(Fortsetzung folgt.)



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