Heft 18
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(Fortsetzung.)
Die Krokodilszähne hatten Fleischfetzen zurückgelassen, welche mit dem Messer entfernt werden mußten. Das konnte nur unter Schmerzen geschehen, infolge deren Lobo erwachte. Er sah sich im Kreise um.
»Weiße Männer und Sandeh!« sagte er, die Niam-niam an ihrer eigenartigen Haartracht erkennend. »Das sind keine Sklavenjäger!«
»Nein, wir sind keine,« beruhigte ihn Schwarz. »Du bist unter Freunden.«
»So - so ist Lobo nicht - gestorben?«
»Du lebst. Da draußen liegt das Ufer, von welchem aus du in das Wasser gesprungen bist.«
»Das ist ein - - ein Boot! Ja, ihr habt Lobo hereingezogen. Lobo besinnt sich jetzt. Ihr seid gute Leute. Aber wo ist Tolo?«
»Er wird auch gerettet sein, denn sie haben ihn sicher nicht gefunden.«
»Dann gleich, schnell zu den Bäumen gehen, wo er sich befindet!«
Er wollte aufspringen, aber die schmerzenden Wunden hinderten ihn daran; sie waren noch nicht einmal vollständig verbunden. Das Schicksal seines Gefährten bereitete ihm solche Sorge, daß er kaum beruhigt werden konnte; doch sah er ein, daß man nur sein Bestes wolle, und er sich fügen müsse. Während sein Verband vollends ausgeführt wurde, wobei er männlich die Schmerzen verbiß, mußte er erzählen, was geschehen war. Rührend war
In den oberen Nilgegenden werden selbst leichte Wunden, wenn sie eine Vernachlässigung finden, leicht lebensgefährlich. Das erhöht die Sterblichkeit dieser unter der Kriegs- und Mordlust ihrer Nachbarn leidenden Völker bedeutend.
es dabei, ihn von dem guten Schech über den Sternen, von dessen Sohn, der für die Menschen gestorben sei, und auch von sich selbst, daß er sich für seinen Freund dem Tode geweiht hätte, erzählen zu hören. Als er geendet hatte, sagte Schwarz:
»Also Abu el Mot ist nicht auf seiner Seribah, aber nach derselben unterwegs? Das macht mich für meinen Bruder bange. Und Abd el Mot ist auch schon aufgebrochen? Da steht die Seribah fast verwaist da!«
»Man läßt stets fünfzig Mann daselbst zurück,« bemerkte Lobo.
»Die können uns nicht bange machen. Wir haben nun nicht nötig, den Abend zu erwarten und können noch am Tage weiterfahren.«
»So will Lobo heraus aus eurem Boote. Er muß bei Tolo sein!«
»Du? Du kannst nicht heraus. Du vermagst ja nicht einmal zu stehen, viel weniger zu gehen. Du mußt dich äußerst ruhig verhalten, wenn die Wunden sich nicht entzünden und lebensgefährlich werden sollen. Darum werden wir dich bei uns behalten und erst dann entlassen, wenn du vollständig geheilt sein wirst.«
»Das ist unmöglich! Lobo muß bei Tolo sein. Wo ist dieser?«
»Beruhige dich! Er ist gerettet. Du sagst, daß der Subakh und Lubahnbaum da rechts am Ufer stehen. Dorthin sind eure Verfolger nicht zurückgekehrt. Wir werden nach ihm suchen.«
»Er muß gefunden werden, denn er soll nach Ombula eilen, um die Leute dort zu warnen, da Lobo nicht mehr gehen kann!«
»Ich werde das Ufer betreten, um zu sehen, ob die Sklavenjäger noch da sind,« erklärte der Steuermann.
»Wir gehen alle; wir rudern das Boot die kurze Strecke hin,« antwortete der »Vater des Storches«.
»Das wäre unvorsichtig. Das Boot darf erst dann landen, wenn wir wissen, daß die Araber fort sind. Ich begebe mich allein hinüber.«
»So müßtest du schwimmen und würdest von den Krokodilen erfaßt werden.«
»Nein. Ich mache mir aus Schilf und Rohr schnell ein Kelek1), auf welchem ich hinüberfahre. Das greift kein Krokodil an, wenn es nicht allzu klein ist. Ist es so groß, daß ich vollständig darauf Platz finde und kein Teil meines Körpers über den Rand weg in das Wasser ragt, so wird keins dieser Tiere sich um mich bekümmern.«
Er trieb mittels des Steuers das Boot etwas tiefer in das Schilfdickicht hinein und begann dann, Rohr für das Floß zu schneiden. Die Ruderer halfen ihm.
»Aber wenn sie noch da sind, kannst du leicht gesehen werden, und dann bist du verloren, denn entweder töten sie dich, oder sie machen dich zum Sklaven und führen dich fort,« warnte Schwarz.
»Sie werden keins von beiden thun,« antwortete der mutige Knabe. »Ich verstehe es, sie zu beobachten, ohne daß sie mich bemerken.«
Die Neger entwickelten eine große Fertigkeit im schnellen Flechten einer hinlänglich großen und dicken Matte, unter welche starke Schilfbündel befestigt wurden, die mehr als nur einen Menschen getragen hätten. Der junge Steuermann bestieg dieses Floß; er nahm ein Ruder mit, um es lenken zu können.
Er vermied es, aufwärts nach der Spitze des Schilffeldes zu rudern. Dort war Lobo in das Wasser gesprungen, und es stand zu erwarten, daß die Sklavenjäger, falls sie noch anwesend waren, ihre Aufmerksamkeit auf diese Stelle gerichtet hielten. Er gebrauchte vielmehr das Ruder einstweilen nur als Steuer. Auf dem Floße kniend, ließ er dasselbe geräuschlos abwärts gleiten, bis er eine Stelle erreichte, welche frei vom Schilfe war und ihm erlaubte, das Floß an das Ufer zu treiben.
Die Zurückbleibenden waren nicht ohne Sorge um ihn. Sie hätten sein Wagnis lieber selbst unternommen, mußten sich aber sagen, daß es für ihn nicht so groß sei, wie es für sie gewesen wäre. Im Falle eines Angriffs konnte er sich viel mehr auf ihre Hilfe, als sie sich auf diejenige ihrer afrikanischen Begleiter verlassen. Schwarz sagte in deutscher Sprache zu dem Grauen:
»Ein wackerer, kleiner Kerl! Beim geringsten Zeichen, daß ihm ein Unfall droht, heben wir den Anker und eilen ihm zur Hilfe!«
»Das versteht sich ganz von selbst,« stimmte der Genosse bei. »Der Junge ist mir ebenso lieb g'worden wie dir. Er hat so was Appartes, so was Vornehmes an sich. Möcht' wissen, was für ein Landsmann er ist. Ein Niam-niam g'wiß nit. Dazu passen seine G'sichtszüg' und auch die Hautfarben nit.«
»Auch ich werde nicht klug. Einmal möchte ich ihn für einen Mulatten, das andre Mal für einen Somali halten. Wenn ich ihn nach seiner Abkunft gefragt habe, wußte er mir stets auszuweichen.«
»Mir auch. Nit mal die Niam-niam, bei denen er doch wie ein Stammesgenosse lebt, wissen zu sagen, wo seine Heimat liegt. Er scheint sich also auch ihnen gegenüber in das G'heimnis g'hüllt zu haben. Aber daß sie ihn Abd es Sir2) nennen, das läßt vermuten, daß sie seine Abkunft für eine arabische halten.«
»Dann wäre er also Mulatte, denn ein reiner Araber ist er nicht. Mir scheint, er hat Schreckliches erlebt. Er lacht nie; höchstens sieht man einmal ein kurzes, leises Lächeln auf seinen Lippen. Hast du ihn jemals spielen und tollen sehen wie andre seinesgleichen bei den Niam-niam?«
»Nie.«
»Ich auch nicht. Der finstere Ernst, den er stets zeigt, läßt vermuten, daß er die Erinnerung eines tragischen Ereignisses, unter welchem seine junge Seele schwer gelitten haben muß, in sich bewahrt. Den wenigen religiösen Übungen nach, die man bei ihm beobachtet, ist er Mohammedaner. Hast du ihn einmal beten hören?«
»Im Gebet gesehen hab' ich ihn bereits, g'hört aber noch nit. Er betet nit zu den vorg'schriebenen Zeiten, sondern nur dann, wann er meint, nit g'sehen und beobachtet zu werden.«
»Ich habe ihn zweimal belauscht. Er betete die Fathha; hinter den beiden Worten Weltenherr und Allerbarmer fügte er die gar nicht in diese Sure gehörenden Ausdrücke 'Mir itakam3) und Sabit el meglis4) hinzu. Das deutet darauf, daß er sich mit einer Rache trägt.«
»Das hab' auch ich schon gedacht. Wann er glaubt allein zu sein, so brütet er finster vor sich hin und ballt und dreht dabei die Fäust', als ob er einen da hätt', den er erwürgen wollt'. Dabei verdreht er die Augen und knirscht mit den Zähnen, daß man schier meinen möcht', er - - - halt, schau mal! Da kommens g'flogen! Kennst sie auch bereits?«
Er war aufgesprungen, und deutete erregt auf eine Vogelschar, welche quer über den Fluß geflogen kam. Indem er mit den Augen dem Fluge derselben folgte, bewegte sich auch seine lange Nase von der rechten nach der linken Wange, als
1) Floß.
2) Sohn des Geheimnisses.
3) Herr der Rache.
4) Oberster des Gerichtes.
ob sie für sich ebenso diese genaue Beobachtung machen wolle.
»Ja, ich kenne sie,« antwortete Schwarz. »Es sind Bienenfresser, Merops caeruleo cephalus. Herrliche Vögel! Siehst du ihr prachtvolles Gefieder in der Sonne wie lauter Smaragde und Rubine funkeln?«
»Natürlich schau ich das gerade so wie du. Weißt auch ihren hiesigen Namen?«
»Ja. Man nennt sie Dschurull.«
»Warum?«
»Weil ihre Stimme gerade wie diese zwei Silben klingt.«
»Hast recht; bist kein übler Vogelkenner. Jetzt sinds weg, in die Bäum' hinein.« Er setzte sich wieder nieder, wobei seine Nase sich in ihre ordnungsmäßige Lage zurückbegab, und fuhr fort: »In Europa gibt's nur a einzige Art des Bienenfressers, Merops apiaster, mit weißer Stirn, blauem Augenstreif, blaugelbem Kinn, meerblauer Brust und grünblauen Handschwingen. Ich thu mich gerade für diese Vögerl außerordentlich verinteressieren, weil so a Merops der erste Vogel war, den ich 'zeichnet und dann wieder auf den Rücken g'malt erhalten hab.«
»So? Von wem?«
»Vom Professor'n der Naturg'schichten. Ich hatt' mir von ihm a Buch ausg'borgt, in dem ein Bienenfresser in Holzschnitt abg'bildet war. Es hat mich verdrossen, daß er so schwarz ausg'schaut hat; darum nahm ich schnell den Malkasten her und hab' das Bild so bunt ang'strichen, daß dabei die Farben fast ausgang'n sind. Nachher hat der Professor das entdeckt und mich mit in seine Stub' g'nommen, wo er mir mit dem Lineal den Merops so nachhaltig auf den Rücken koloriert hat, daß mir darüber das G'sicht und G'hör vergangen ist. Dieses Konterfei konnt' ich zwar nicht sehen, weil's eben auf dem Rücken war, aber so grün und blau wie der Merops ist's sicher g'wesen, und g'fühlt hab' ich's noch wochenlang. Dieser Professor hat überhaupt einen g'heimen Blitz auf mich g'habt, weil ich ihn immer nach Dingen g'fragt hab', die er nit beantworten konnt'. Dafür hat er mich dann im Examen tüchtig ausg'wischt. Hab' ich's dir vielleicht schon verzählt?«
»Nein,« antwortete Schwarz sehr ernst.
»Nun, ich sprech gar nie davon, dir aber kann ich's schon mal sagen. Das war, als ich in der Quart' g'sessen bin. Weil's Examen 'geben hat, hab' ich ein reines Chemisetten umg'bunden und dazu den neuen, schönen Schlips um den Hals, denn ich hab' denkt, daß es mir, so trefflich herausg'putzt, gar nit fehlen kann. Aber es ist halt anders kommen. Nämlich als ich an die Reihe kam und deshalb aufg'standen bin, um die Frag' in schuldiger Ehrfurcht entgegen zu nehmen, was hat der Professorn da g'sagt?«
»Nun, was?«
»Warum die Vögel Federn haben, hat er mich g'fragt.«
»Das war freilich für dich eine heikle Sache. Was hast du geantwortet?«
»Was ich für eine Antworten geben hab'? Nun, zunächst hab' ich die Augen zug'drückt und g'wartet, ob mir vielleichten ein Einfall kommen will, und sodann, als keiner 'kommen ist, hab' ich - - -«
»Abd es Sirr!« rief in diesem Augenblick einer der Ruderer, den Grauen unterbrechend, indem er mit der Hand flußaufwärts deutete.
Der Steuerer kehrte zurück. Er hatte sein Floß am Ufer aufwärts geschafft und kam nun auf demselben um die Spitze des Schilffeldes und auf das Boot zu getrieben. Als er dasselbe erreicht und sich hineingeschwungen hatte, meldete er:
»Der Wald ist leer; ich habe keinen Feind gesehen.«
»Auch Tolo nicht?« fragte Lobo besorgt.
»Nein; aber wir werden nun nach ihm suchen und ihn gewiß finden. Ich ging bis vor die Bäume hinaus und sah Reiter, welche sich über die Chala1) entfernten.«
»In welcher Richtung?« fragte Schwarz.
»Zwischen Süd und West.«
»So sind sie fort. Hoffentlich befindet sich Tolo nicht als Gefangener bei ihnen. Wir wollen sofort an das Ufer und nach ihm forschen.«
Der Anker wurde aufgewunden und das Boot an das Land gerudert. Lobo konnte nicht den Führer machen, da ihn seine Wunde am Gehen verhinderte. Er blieb also bei den beiden Schwarzen, welche zur Bewachung des Fahrzeuges zurückgelassen wurden, beschrieb aber den Ort, an welchem der Subakh- und der Lubahnbaum stand, so genau, daß die Suchenden nicht fehlgehen konnten.
Schwarz hatte sein Fernrohr mitgenommen. Er führte seine Begleiter zunächst bis an den Rand des Waldes, um sich zu überzeugen, daß der Steuermann richtig beobachtet habe. Er kam noch zeitig genug, um die abziehende Sklavenjägerschar durch die Gläser zu erkennen. Dann wurden die beiden Bäume aufgesucht.
Es war im Walde kein Laut zu hören; nur vom jenseitigen Ufer klang das »Nuk-nuk, kur-nuk« eines Pfauenkranichs herüber. Doch als sie die erwähnten Bäume erreichten, hörten sie ein leises, leises Wimmern in der Luft. Es kam aus den dichten Zweigen, deren Belaubung die Gestalt des Obensitzenden nicht zu erkennen erlaubte.
»Tolo, bist du da oben?« fragte Schwarz.
Es erfolgte keine Antwort, doch wurde das Wimmern lauter. Da die Wiederholung der Frage denselben Erfolg hatte, schwang Schwarz sich auf den untersten Ast und kletterte dann weiter hinauf. Er sah den Schwarzen über sich sitzen, die Arme krampfhaft um den Stamm geschlungen.
»Wir suchen dich; komm herab!« rief er ihm zu.
Der arme Mensch schrie wie in höchster Todesgefahr auf und antwortete:
»Tolo tot machen, immer Tolo tot machen, aber nur Lobo leben lassen. Lobo ist gut, hat Tolo retten wollen!«
»Ihr seid beide gerettet. Komm herab; es geschieht dir nichts. Wir sind deine Freunde und werden dich beschützen.«
»Das ist nicht wahr. Du bist weiß; du bist ein Araber, ein Sklavenjäger; du gehörst zu Abd el Mot!«
»Nein, ich bin sogar sein Feind. Ich meine es gut mit dir; ich will dich retten. Komm mit mir herab!«
»Tolo kann nicht klettern; Tolo ist jetzt viel zu schwach dazu.«
»So werden wir dir helfen.«
Der Schwarze war durch die Anstrengung der Flucht und die darauf folgende große Angst um seinen Freund so ermattet, daß er sich wirklich kaum mehr festzuhalten vermochte. Schwarz rief zwei Niam-niam zu sich herauf und dann gelang es der vereinten Kraft der drei Männer, den armen Menschen vom Baume auf die Erde zu schaffen.
Er sah noch immer nicht ein, daß er gerettet sei. Er wollte es trotz aller Versicherung nicht glauben und wimmerte unaufhörlich fort. Er konnte kaum gehen und mußte unterstützt werden, als man jetzt zu dem Boote zurückkehrte. Am Ufer angekommen, sah er Lobo auf der Ruder-
1) Steppe, Gelände, welches Grün erzeugt.
bank liegen. Einen lauten Schrei der Freude ausstoßend, brach er bewußtlos zusammen. Er mußte in den Kahn getragen werden.
Lobo war außer sich vor Entzücken, als er sah, daß sein Freund gerettet sei. Zugleich aber verursachte ihm die Bewußtlosigkeit desselben große Sorge. Die beiden Deutschen beruhigten ihn durch die Versicherung, daß Tolo bald wieder erwachen werde.
Dies geschah allerdings in sehr kurzer Zeit; der Schwarze erwachte, aber die Besinnung war ihm nicht zurückgekehrt. Er wand sich hin und her, stöhnte und wimmerte, und bat unausgesetzt um Gnade für seinen Freund Lobo. Die Gefangenschaft, die Anstrengung der Flucht und die Aufregung während der Verfolgung hatten ihn so angegriffen, daß seine Kräfte nun zu Ende waren. Der Arzneikasten mußte wieder geöffnet werden; der Neger erhielt ein beruhigendes Mittel, worauf er in Schlaf verfiel. Er wurde neben Lobo gebettet, welcher die Ruderbank verlassen mußte, und in der Mitte des Bootes einen Lagerplatz erhielt.
Jetzt wurde über das, was vorzunehmen sei, eine Beratung gehalten. Lobo drang darauf, daß ein Bote zu den Bewohnern des Dorfes Ombula gesendet werde, um diese vor den Sklavenjägern zu warnen. Er selbst konnte nicht gehen, Tolo ebensowenig. Von den Niam-niam wollte sich keiner dazu verstehen, den gefährlichen Auftrag zu übernehmen, sie kannten den Weg nach Ombula nicht und hatten überhaupt keine Lust, das Risiko zu übernehmen, unterwegs in Gefangenschaft und Sklaverei zu geraten. So blieben nur die beiden Deutschen übrig. Abd es Sirr, der »Sohn des Geheimnisses«, hörte den Verhandlungen zu, ohne ein Wort zu sagen. Er war überhaupt ein schweigsamer Mensch, und pflegte nur dann zu sprechen, wenn er gefragt wurde, oder wenn er es für nötig hielt.
»Was ist da zu thun?« fragte Schwarz in deutscher Sprache. »Die Sorge für unsre eigene Sicherheit verbietet, uns mit dieser Angelegenheit zu befassen; aber die Menschen- und Christenpflicht gebietet das Gegenteil. Sollen wir ein ganzes großes Dorf, welches wir retten können, der Vernichtung anheimfallen lassen? Was sagst du dazu, Doktor?«
Die Nase des Grauen stieg mit ihrer Spitze in die Höhe, als ob sie mit ihren beiden weiten Löchern den Sprecher zornig anblicken wolle; die Augenbrauen zogen sich finster zusammen, und dann erklang es im unwilligsten Tone:
»Weißt, wannst mich in dera Wildnis nochmal Doktor schimpfst, so hau ich dir a Backpfeifen ins Fenster, daß alle Scheiben entzwei gehen, du Malefizbub, du! Ich sag' Sepp zu dir, folglich hast du mich Naz zu nennen, und wann dir das nit g'fallt, so kannst gehen, wohin d' willst! Verstanden?«
»Entschuldige noch dieses Mal; es soll nicht wieder geschehen!« lachte Schwarz.
»Das will ich mir ausg'beten haben. Man muß jedem seine Ehr' geben; aber unter Freunden bedarf es keiner Titel und Komplimenten. Oder willst die Brüderschaft, die wir g'macht haben, etwa wieder aufheben?«
»Das kann mir nicht einfallen!«
»Schön! Wärst auch übel dabei wegkommen, denn ich hätt' dich von nun an nicht wiederum Sie, sondern blos nur Er genannt. Und was nun dieses Ombula betrifft, so werd' ich mal nachschauen, ob ich es auf dera Karten find'. Ich weiß nur, daß es im Gebiet der Belandaneger liegt.«
Er zog eine alte, vielgebrauchte und abgegriffene Karte aus der Tasche, faltete sie auseinander, breitete sie auf seine Kniee aus und begann sie zu studieren, wobei sich seine Nase so eifrig von einer Seite nach der andern bewegte, als ob sie die Absicht habe, den Ort noch eher zu entdecken, als der Name desselben von den Augen erblickt wurde.
»Steht nicht da,« sagte Pfotenhauer nach einer Weile, indem er die Karte wieder zusammenlegte und in die Tasche steckte. »Die Belanda wohnen zwischen den Bongo und den Niam-niam, also südwestlich von hier, wohl gegen die Pambisaberge hin; aber wo das Dorf Ombula steht, davon find' ich auf dera Karten nix und in meinem Kopf noch viel weniger.«
»Pambisa!« rief Lobo, welcher zwar kein Wort der deutschen Rede verstanden, aber diesen Namen herausgehört hatte. »Dort ist Ombula.«
»Also dort?« antwortete Schwarz. »Wie weit von hier?«
»Drei Tagereisen von der Seribah Omm et Timsah.«
»Also zwei und eine halbe von hier aus. Eine Warnung unsrerseits würde zu spät kommen. Die Sklavenjäger haben Reittiere, wir aber nicht. Wollte einer von uns diesen Weg machen, so müßte er gehen, und sie würden also vor ihm dort sein.«