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Viertes Kapitel:

Im Herzen von China.



Am folgenden Morgen zog ich mich nach dem ersten Frühstücke, welches ich mit den beiden Englishmen eingenommen hatte, auf mein Zimmer zurück, um zu arbeiten. Ich brachte aber nichts fertig, weil meine Gedanken wieder und immer wieder zum gestrigen Abend an das Lager des Kranken zurückkehrten. Ich gab also nach längerem, resultatlosem Bemühen den vergeblichen Versuch auf und ging hinüber zu Raffley, fand ihn aber nicht daheim. Er hatte sich ein Pferd geben lassen, um einen Spazierritt zu machen. Das erfuhr ich von Omar, welcher seine Herberge im Korridore aufgeschlagen hatte, um, falls man ihn brauchen sollte, gleich bei der Hand zu sein.

»Ist der Governor mit?« fragte ich ihn.

»Nein,« antwortete der Sejjid. »Er sitzt in seinem Zimmer bei den Pflanzen, die ich mit ihm geholt habe.«

»Was für Pflanzen?«


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»Das weiß ich nicht, denn er hat es mir nicht gesagt.«

Ich klopfte bei dem Gentleman an, und als ich eintrat, saß er am Tische, auf dem ein großer, großer Haufen Ko-su lag, allerdings mit viel, viel Gras und allerlei Kräutern vermengt.

»Kommt, und helft mir!« sagte er sehr geschäftig. »Es ist ganz schrecklich von der Natur, daß sie nicht auf Ordnung hält! Läßt alles, ohne zu sortieren, bunt untereinander aufwachsen!«

»Ja. Und der Mensch pflückt nicht das, was er braucht, mit Wohlbedacht heraus,« lachte ich, »sondern er rauft alles, was ihm in die Hände kommt, heraus und trägt es heim, um da unter erschwerenden Umständen die Arbeit doch zu machen, die ihm draußen viel leichter geworden wäre. Das ist nicht nur hier, sondern auch im allgemeinen seine Weise!«

»Zankt nicht, sondern greift zu! Bin kein Theesucher, überhaupt kein Botaniker! Fünfmal mehr Gras als Ko-su-Pflanze! Kann gar nicht fertig werden!«

»Aber warum diese Arbeit, Sir?« fragte ich, indem ich mich zu ihm setzte, um ihm zu helfen. »Warum seid Ihr nicht mit John ausgeritten?«

»Hatte keine Zeit. Mußte dieses Gewächs holen. Traf die Lady hinter dem Haus, wo sie nach durchwachter Nacht für eine Viertelstunde im Freien war. Hat dabei in Eurem Buch gelesen und es dann heut früh unserm – – wollte sagen, diesem Tsi gegeben. Sie erzählte mir von ihm. Hochgebildeter junger Mann! Ausgezeichneter Arzt! Aber sagt ja niemandem etwas von diesen meinen Worten! Hat so ein sicheres, feines, vornehmes Wesen, dieser Mongole, und so ein Auge! Wäre ein ganz hübscher, lieber Kerl, wenn er nicht zu dieser Rasse gehörte! Bin also hinausgegangen, um für ihn dieses Ko-su zu holen, weil er es so notwendig braucht. Will ihm die Sache leichter machen. Kann ja weiter sonst nichts für ihn thun. Habe dem Sejjid befohlen, nichts davon zu sagen, und bitte auch Euch darum, Charley! Könnt es, wenn wir fertig sind, dem Doktor hintragen und ihm mitteilen, daß Ihr es geholt habt. Mag nichts mit dieser Sache zu thun haben!«

Der prächtige, alte Herr sagte das nicht etwa in zusammenhängender Rede, sondern in einzelnen Sätzen, deren Zwischenpausen er damit ausfüllte, Thee und Gras noch mehr zu verwirren und diese Arbeit als »Sortieren« zu bezeichnen. Die Folge davon war, daß ich mich zunächst über den schon bei Seite geschobenen Teil hermachen mußte, von dem er behauptete, ihn »ausgesucht« zu haben.

»Was habt Ihr für heut nach Tische vor?« fragte er mich.

»Noch nichts Bestimmtes,« erwiderte ich.

»Wollt Ihr mit mir fahren?«

»Wohin?«

»Hinunter zum Hafen. Will auf die »Yin«. Sagt aber nichts! Verstanden? Habe Euch ja schon Andeutung gemacht!«


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Er wollte wahrscheinlich das Bild in Johns Kajüte sehen. Sonderbarer Herr! Das hätte er ja schon längst thun können, ohne dabei überrascht zu werden. Ich sah keinen Grund für ihn, dies nicht ohne meine Anwesenheit zu thun. Ich ahnte wohl, daß in ihm etwas vorging, was er nur mit Widerstreben geschehen ließ: es begann eine Scheidung des Doppelwesens in ihm einzutreten; es war dem »Menschen« neben dem »absoluten Englishmen« nicht mehr wohl. Diesen »Menschen« zog es zu dem Bilde hin, und dieser »Mensch« wollte Tsi gern lieb gewinnen; aber der »Engländer« sträubte sich dagegen. Es war die unbewußte Sorge um sich selbst, welche den Inhaber dieser beiden Wesen veranlaßte, mich bei sich zu wünschen.

Als wir fertig waren, schickte er mich wirklich mit den Pflanzen fort und machte es mir zur strengen Pflicht, ja nicht zu verraten, daß er es sei, der sie geholt habe.

Tsi war soeben bei dem Kranken gewesen. Er nahm den Thee hin, ohne nach seiner Herkunft zu fragen, denn es beschäftigten ihn wichtigere Gedanken. Mein »Am Jenseits« lag aufgeschlagen auf seinem Tische.

»Denken Sie: Waller kann die zweiten vier Zeilen schon auswendig!« teilte er mir in frohem Tone mit. »Es ist für mich nicht etwa ein psychologisches Problem, vor dem ich stehe; ich bin vielmehr meiner Sache sehr gewiß, freue mich aber dennoch herzlich, daß meine Theorie, welche aber gerade das Gegenteil, nämlich die allerpraktischeste Praxis ist, schon einen, wenn auch nur leisen, Anfang ihrer Wirkung zeigt.«

Er wartete, bis ich mich gesetzt hatte, dann fuhr er, nach der Art geistig regsamer Menschen im Zimmer hin und her gehend, fort:

»Sie sind ein unbefangener Mann und werden also gewiß nicht über mich lächeln. Sprechen wir nicht über diese höchstgradige Dysenterie, mit der wir es in Beziehung auf den Körper zu thun haben. Sie ist allerdings die äußere Veranlassung zu der innern Katastrophe, welche da oben in den Bergen mit dem Brande des Tempels zum Ausbruche gekommen und jetzt noch in voller Wirkung ist. Nur bei einer so großen körperlichen Schwäche war es möglich, daß die irren Geistesregungen zur That werden konnten, ohne Widerstand zu finden. Kräftige Menschen und kräftige Völker geben sich weniger leicht als schwache dem geistigen Irrtum unterthan. Man gebe dem Individuum und man gebe dem Volke, was beiden zur materiellen Gesundheit nötig ist, so wird ihre Gedankenwelt wohl schwerlich einen Nährboden für schädliche Ideen bilden. Waller war, sagen wir, übergläubiger Christ. So lange er gesund war, machte ihn dieses Zuviel zwar zu einem Menschen, den man mit Vorsicht zu behandeln hatte, wurde aber von den Erwägungen seines Verstandes und günstigen Einflüssen von außen her davon abgehalten, direkt schädlich zu wirken. Mit dem Tode seiner von ihm so rührend herzlich geliebten Frau wurde es anders. Sie war,


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wie wir gestern hörten, sein Engel gewesen, der nun nicht mehr mahnend und schützend bei ihm stand. Es entwickelte sich infolge dieses schweren Verlustes in ihm eine innere Schwäche, welche ein anderer wohl als Gemütskrankheit bezeichnen würde, für mich aber ist es die Hilflosigkeit eines zur Waise gewordenen Mannes. Ohne Frau kann der Mann im Kampfe mit dem Leben wohl schwerlich Sieger sein, wenigstens innerlich. Sehen Sie doch die Völker, welche ihren Frauen nicht erlauben, an diesem Kampfe teilzunehmen, mahnend, ratend, sorgend, begeisternd, pflegend und tröstend, wie einst die Frauen der Germanen gegen den Feind bei ihren Männern standen! Sie werden zugeben, daß allen diesen Nationen die geistige Energie abhanden gekommen ist! Mit solchen Schwächlingen macht, wie bei uns, jeder Bonze und, wie in anderen Gegenden, jeder Fakir oder Derwisch, was er will! Bei solchen widerstandsunfähigen Völkern und Individuen gewinnt »der Hölle größtes Lieblingskind«, von welchem Waller gestern sprach, in einer Weise die Oberhand, daß wir uns über das dadurch herbeigeführte Hinschwinden nationaler Kraft ebenso wenig zu wundern brauchen, wie ich als Wallers Arzt es für unbegreiflich halte, daß er dem vorhin erwähnten Uebermaß erlegen ist. Sie hören, daß ich es liebe, meine Beobachtungen am einzelnen nur in der Weise zu machen, daß ich dabei den Blick auch forschend auf die Gesamtheit richte. Nur was wir im Großen hier erkannt haben, werden wir auch im Kleinen dort erkennen! Waller war nach dem Tode seiner Frau nicht nur ein verwaister Mann, sondern ein »Waisenmann« in dem Sinne, in welchem wir von einem Waisenkinde sprechen, also führerlos. Ich gebe zwar den guten Einfluß seiner Tochter zu, doch wird ein Mann sich von seinem Kinde nie in der Weise wie von seinem Weibe leiten lassen.«

»Ich gestehe aufrichtig,« bemerkte ich da, »daß ich ihm eine so innige Liebe zu seiner verstorbenen Frau kaum zugetraut hätte.«

Da blieb er vor mir stehen, sah mir lächelnd in das Gesicht, schüttelte den Kopf und antwortete:

»Kaum? Nicht? Sie alter Psychologe und Menschenkenner? Unglaublich! Er hing und hängt sogar mit ganz ungewöhnlicher Innigkeit an ihr; sie beherrschte ihn durch diese Liebe, denn er ist ein schwacher Mensch und fühlte ihr gegenüber, daß er es war.«

»Schwach?« fragte ich, um ihn anzuregen.

»Ja, schwach! Gerade Uebermenschen sind die schwächsten Menschen, und Waller fühlte sich in religiöser Beziehung als Uebermensch. Er dünkte sich, der allein seligmachende Missionar zu sein, und ahnte nicht, daß diese große Stärke nichts als nur seine größte Schwäche war. Wenn es wirklich einen Uebermenschen giebt, so ist er es nur, wenn und weil er nichts davon weiß. Und wenn Sie mir eine Religion bringen können, welche den Ausdruck


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»allein seligmachend« gar nicht kennt, so bin ich überzeugt, daß gerade sie und nur sie die allein seligmachende ist! Wallers Glaube konnte um so weniger der wahre, der richtige sein, je entschiedener und unausgesetzter er ihn als den einzig echten hinstellte. Es wirkte ein guter und ein böser Geist in ihm; der gute war seine Frau; sie verkörperte die religiöse Demut und Bescheidenheit, und darum wollte sie nicht mit ihm nach China gehen; der böse aber war der religiöse Hochmut, welcher ihm einflüsterte, daß er zum Seligmacher berufen sei. Als der Engel ihn verlassen hatte, gewann der andere die Oberhand. Zu ihm gesellte sich die Krankheit, welche unglücklicherweise besonders in ihrem spätern Stadium mit heftigem Fieber verbunden ist, und in einem solchen Fieberanfalle geschah es, daß seine unglückliche Idee von der Vernichtung heidnischer Tempel und Säulen zur Ausführung gebracht wurde. Dieses Fieber entschuldigt ihn in hohem Grade, doch nicht nur ihn allein. Bei jedem religiösen Wüten gegen Andersdenkende ist ein krankhafter, gereizter Zustand vorhanden, welcher entweder sich in kurzen, stoßweisen Angriffen Luft macht oder in einen stieren, gedankenlosen Haß übergeht, der sich durch nichts erweichen und erbitten läßt. Die Religionsgeschichte lehrt uns beiden Arten kennen. Die erste Art tritt episodisch auf und ist heilbar; die zweite aber frißt sich so tief in die Konstitution des Volkes und des Einzelnen ein, daß es gegen sie kein anderes Mittel giebt, als den Umgang mit solchen Kranken zu meiden. Sie sterben rettungslos an ihrem eigenen Hasse hin, und da er glücklicherweise nicht vererblich ist, so bleibt die Hoffnung, daß die nächste Generation vielleicht eine andere sein werde. Ich sage Ihnen jedenfalls Bekanntes; verzeihen Sie! Man wird so selten begriffen, daß man gern einmal eine Gelegenheit benützt, bei der man weiß, daß man Verständnis findet!«

»Sprechen Sie, lieber Freund!« antwortete ich. »Sie geben mir Gesichtspunkte, welche mir willkommen sind.«

»Nehmen Sie Dank! Ich nannte vorhin Waller einen schwachen Charakter. Der Glaube macht stark; der Hyperglaube aber macht nicht stark und auch nicht schwach, weil das letztere unnötig ist, denn er ist ein geradezu untrüglicher Beweis der vorhandenen geistigen Schwäche. Diese Schwäche ist so groß, daß sie träumt, sie habe Gott in allen Taschen und könne jede beliebige Quantität des Himmels an andere Menschen verteilen, natürlich gegen großen Dank und bewundernde Verehrung seitens der Empfänger! Denken Sie nicht, daß ich mich auf besonderes beziehe; ich spreche im allgemeinen. Wir haben in China Bonzen, welche derartig mit ihrem eigenen Oele gesalbt sind, daß man sie nicht fassen kann, obgleich man sie in ihrer ganzen, nackten Blöße sieht. Und meinen Sie auch nicht, daß ich mit dem Worte Bonzen etwa nur Geistliche bezeichne. Priester Gottes müssen sein; die Menschheit kann sie nimmermehr entbehren. Und je mehr sie in der


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Erkenntnis Gottes fortschreitet, desto größer wird die Zahl und auch der Einfluß dieser Priester werden. Heil und tausendmal Heil dem Volke, welches so viel wahre Gottespriester besitzt, wie es fromme Väter hat! Aber der Hyperglaube macht sich meist im Laienvolke breit und tritt grad dort am anspruchsvollsten auf, weil der Laie glaubt, wenn er nur selbst recht salbungsvoll zu sprechen und zu blicken wisse, so könne er den Priester ganz entbehren. Das ist die Laienfrömmigkeit, die sich über jedes Gotteshaus und Gotteswort erhaben dünkt und, wenn sie einmal guter Laune ist, in den selig atmenden Busen greift, um dem Himmel ein möglichst öffentliches Bakschisch anzubieten!«

Da konnte ich mich nicht halten; ich mußte ihn fragen:

»Wo nehmen Sie, grad Sie diese Gedanken her?«

»Von unsern Vätern!« antwortete er sehr ernst. »Sie haben von Generation zu Generation gedacht, und was sie dachten, wurde uns vererbt. Wissen Sie, was ein Gedanke ist? Wissen Sie, daß er ewig ist, daß er nie verschwinden kann, sondern sich von Geschlecht zu Geschlecht, von Kopf zu Kopf immer weiter entwickelt, immer klarer, immer wahrer, immer mächtiger wird, bis endlich seine Zeit kommt, in der ihm niemand widerstehen kann? Solche Gedanken haben wir, und solche Zeit ist jetzt! Grad weil wir ruhten und uns jahrhundertelang alljährlich einmal rund um die Sonne tragen ließen, ohne zu glauben, daß die übrigen Völker der Erde uns darum bewundern müßten, haben wir Muße gehabt, die Gedanken unserer Väter von Sohn zu Sohn, von Enkel zu Enkel immer mächtiger werden zu lassen. Es sind stille, liebe, hoffnungsfreudige Gedanken, noch nicht in Worte gekleidet und noch nicht in Thaten ausgedrückt; aber diese Worte und diese Thaten werden kommen, vielleicht von uns selbst, vielleicht von Fremden angeregt, und dann werden wir und dann werden auch die Fremden sehen, daß, was die Väter dachten, nicht auf die Söhne und Enkel übergehen kann, ohne den Segen der Vorfahren mitzubringen und uns zum Heil zu werden!«

Er hatte sehr ernst gesprochen. Jetzt nahm sein Gesicht einen freundlicheren Ausdruck an. Er zog seine Brieftasche heraus, öffnete sie und fragte:

»Glauben Sie, daß ich heut ein Kind gewesen bin?«

»Ein Kind? Wieso?«

»Kinder schreiben einander Albumblätter, welche sie dann im Alter mit kopfschüttelnder Rührung betrachten. Ich habe mir von Miß Waller eines schreiben lassen. Da, sehen Sie!«

Er hielt es mir hin. Es war meine Strophe.

»Ich konnte nicht anders,« fuhr er fort; »ich mußte mir diese Zeilen entweder selbst abschreiben oder abschreiben lassen, und zog natürlich das letztere vor. Es ist das selbstverständlich eine ganz persönliche Ansicht, ein ganz individuelles Gefühl, aber es ist mir, als sei in diesem Gedicht für die Völker eine Brücke allerschönster, allerbester


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und allersicherster Konstruktion enthalten, um einander besuchen zu gehen und liebe Geschenke nicht nur mitzubringen, sondern auch mit heimzunehmen. Es klingen aus ihm so sanfte, reine Töne, als wehe in ihm ein Hauch aus jenem unbekannten Lande herüber, von welchem uns ein süßes Märchen erzählt, daß dort der Völkerfriede wohne. Ich frage mich vergeblich, ob es von einem Manne oder von einer Frau verfaßt worden ist. Der geistige Aufbau läßt auf eine männliche Logik schließen, aber die Seele, welche aus ihm spricht, kann keine andere als nur eine weibliche sein.«

»Giebt es männliche und weibliche Seelen?« fragte ich.

»Ja, das wissen wir wohl noch nicht,« lachte er. »Man giebt ihnen wohl halb männliche, halb weibliche Züge, malt Flügel dazu und sagt dann, daß sie Engel seien. Machen wir also aus meiner Ungewißheit eine Gewißheit, indem wir sagen, ein Engel habe diese Strophe gedichtet und irgend einem guten Menschenkinde in die Feder gelegt! Dieser Engel hat uns Erdenbewohnern sagen wollen, wie wir miteinander zu verkehren haben, wenn unser Planet jenem unbekannten Lande gleichen soll. Liebe, nichts als Liebe! Warum machen nun grad diese Zeilen einen solchen Eindruck auf Waller, der doch keine andere Liebe kannte als nur die zu seiner Frau und Tochter?«

»Wohl weil die Verstorbene in ganz gleicher Weise zu ihm gesprochen hat,« erwiderte ich.

»Ja. Sie haben das Richtige getroffen. Das macht der warme, freundliche, überzeugende, weibliche Klang der Worte. Es spricht aus ihnen eine Güte, welche Mrs. Waller wohl auch in hohem Grade besessen hat. Darum nimmt er diese Worte hin, als seien sie von ihr zu ihm gesprochen. Bei ihrem Klange sieht er seinen Engel wieder vor sich stehen. Er fühlt sich frei vom Einflusse jenes andern, dem er als Gast des Heidentempels unterlegen ist. Er ahnt sich gerettet und in guter Hut. Fragen wir nicht, ob er wacht oder träumt, ob er etwas sieht und hört oder nicht. Forschen wir nicht, ob Hallucination oder Wirklichkeit. Man sagt, daß Sterbenden die Augen geöffnet seien, und er befindet sich ja heut noch unter der Pforte, an welcher die Gewißheit an die Stelle der Hoffnung tritt. Nehmen wir ihn genau so, wie er ist! Seine Gedanken werden denen des Gedichtes folgen. Was dahinter liegt, das ist für ihn vorüber; die Krankheit giebt seiner Seele eine Empfänglichkeit, eine Weichheit, welche jeden lieben, guten Eindruck haften läßt. Die Worte dieser acht Zeilen werden sich tief und unauslöschlich eingraben; der Sinn derselben wird ihm zum geistigen Eigentume, zum Wesen werden, und wenn er genesen ist, wird er ein ganz, ganz anderer sein, als er vorher war, obgleich mir leider und wahrscheinlich nur die Hälfte dieser Friedensworte zur Verfügung steht. Glauben Sie, daß meine Hoffnung sich erfüllen wird.«


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»Wenn man Sie so sprechen hört, muß man es glauben,« antwortete ich, indem ich aufstand, um zu gehen.

»Nun, dann nur noch einige Worte! Betrachten Sie die Heilung, welche ich hier beabsichtige, doch einmal als ein vorbildliches Experiment! Waller glaubte, Christ zu sein, und zwar ein so vortrefflicher, daß er sich berufen fühlte, in alle Welt zu gehen, um Heiden zu bekehren. Er war es aber nicht! Sein Christentum war ein selbst konstruiertes und bestand nur aus dieser leeren, öden Konstruktion, welcher Christi Geist und Christi Liebe fehlte. Er wurde nicht gesandt, sondern sendete sich selbst. Der Glaubensneid macht ihm den Missionserfolg zum Gegenstande der Konkurrenz, denn er wettete. Er fragte nicht, ob er willkommen sei; er drängte sich den »armen Heiden« auf, schon in Kairo meinem Vater und auch mir. Als seine erste Pflicht im fremden Lande galt ihm die Vernichtung alles dort religiös Bestehenden, und für die erste Pflicht der Andersgläubigen dort hielt er die jeder Pietät hohnsprechende Entehrung alles dessen, was ihnen seit Jahrtausenden lieb, teuer und heilig gewesen ist. Solche Forderungen aber kann nur der stellen, dem selbst nichts heilig ist, denn sonst müßte er wissen, daß sie unmöglich erfüllt werden können. Sie sind nichts anderes, als der Ausfluß eines Wahnes, der, wie bei ihm, von den Voreltern großgezogen worden ist, also einer Krankheit, die ihre Opfer nicht in dem Kranken selbst, sondern außerhalb desselben sucht. Dieses Leiden erreichte den höchsten Grad bei ihm, als er Undank und Zerstörung für empfangene Liebe gab. Die Gastfreundschaft ist, so lange die Erde steht, selbst dem wildesten, uncivilisiertesten Heiden heilig gewesen; sie hat alles, selbst das Leben aufzuopfern. Versündigungen gegen sie werden mit dem Tode bestraft und sind selbst von der Geschichte bis auf den heutigen Tag gebrandmarkt worden. Ich brauche also nicht besonders auszuführen, wie Waller gegen die Malaien gehandelt hat. Wie aber haben sie sich gerächt? Von den Thränen seiner unschuldigen Tochter gerührt, haben diese verachteten Heiden ihn freigegeben und ihm sogar sein Gepäck noch später nachgesandt! Das ist die Katastrophe, die äußere und auch die innere. Sie mußte kommen, wenn sein Wahn gebrochen werden sollte. Sie ist gekommen, zu seinem eigenen Heile, und ich hoffe, daß er nun nicht nur körperlich, sondern auch geistig und – – – geistlich genesen wird! Das ist die Monographie dieses einen Christen. Verstehen Sie, was ich mit ihr sagen will? Oder ist es notwendig, Ihnen an der Hand jedes einzelnen dieser meiner Sätze die gleichen Sünden der Gesamtheit, welcher er angehört, vor die Augen zu halten? Wünschen Sie vielleicht, besonders aufgezählt zu haben, wo, wann und wie oft diese Gesamtheit die Pflichten der Gastfreundschaft in ganz derselben Weise mit Füßen getreten hat und noch heut mit Füßen tritt?«

»Ich danke! Mag nichts hören! Adieu!«


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Ich ging, und zwar sehr schnell. Was wollte ich anderes machen? Und ich ging so weit wie möglich, fort vom Kratong, hinaus in die freie Luft! Es war mir zu Mute wie einem Schulknaben, der für andere die von ihnen verdienten Schläge bekommen hat und noch froh sein muß, wenn sie ihn dann in Ruhe lassen!

Auf dem Rückwege kam ich an das Hotel Rosenberg und setzte mich da auf die Veranda, um ein Glas Bier zu trinken, »Pilsener« aus Hamburg natürlich. Ich war noch nicht lange da, so kam ein Malaie welcher die Absicht hatte, vorüberzugehen. Er schien nach der Citadelle zu wollen. Er war jetzt anders gekleidet; ich erkannte ihn aber doch als den, welcher mit uns über die Auslieferung Wallers verhandelt hatte. Er trug ein kleines Paket in der Hand. Ich rief ihn an. Er kam zu mir her, und ich sah ihm an, daß er auch mich erkannte.

»Wo willst du hin?« fragte ich.

»Nach dem Kratong.«

»Zu wem?«

»Zum Tuwan. Ich will ihm dieses Buch bringen; er hat es in der Sänfte liegen lassen.«

Er hob das Päckchen empor, um es mir zu zeigen. Da kam mir ein Gedanke. Nichts konnte mir grad jetzt lieber sein, als das Erscheinen dieses Eingeborenen mit dem Buche. Es war dies übrigens wieder der Beweis einer fast beispiellosen Ehrlichkeit.

»Zeige es einmal her!« forderte ich ihn auf.

Er gab es mir. Es war in einige große Pflanzenblätter gewickelt und mit einer Bastschnur umwunden. Als ich es geöffnet hatte, sah ich, daß es das Neue Testament in englischer Sprache war. Ich hatte die zweite Strophe meines Gedichtes in dem Notizbuche stecken, nahm den Zettel heraus, schrieb mit Bleistift »1. Korinther 13« darauf und legte ihn an diese hier angegebene Stelle. Dann hüllte ich das Testament genau wieder so ein, wie es gewesen war, gab es dem Malaien wieder, ein Trinkgeld dazu, um seine Verschwiegenheit zu belohnen, und sagte:

»Der Tuwan ist krank; du wirst nach seiner Tochter fragen und das Buch ihr geben. Aber du wirst ihr nicht sagen, daß ich es geöffnet und etwas hineingelegt habe. Verstanden?«

»Ja,« nickte er, froh über das Trinkgeld.

»Du wirst überhaupt weder ihr noch einem andern Menschen sagen, daß du mich hier gesehen und mit mir gesprochen hast!«

»Ich schweige wie ein toter Baum, der keine Blätter hat!« versicherte er.

»Und du kommst, wenn du dort gewesen bist, wieder her. Ich muß wissen, ob du es ihr selbst hast geben können.«

»Werde ich auch den großen Sahib aus China treffen?«

»Ja.«


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»Ich will ihm sagen, daß wir das Geld nicht von Penang, sondern von Singapore holen werden.«

»Welches Geld?«

»Die fünfzigtausend Gulden für den Tuwan, die er auf den Zettel geschrieben hat.«

»Ja, sag es ihm. Aber auch er darf nicht wissen, daß du jetzt hier bei mir gewesen bist. Sag ja nichts davon!«

Er verbeugte sich und ging.

Welch ein Mann, dieser Tsi! Ich wußte, daß er den Missionar auch ohne Bezahlung freibekommen hätte; dann aber wäre den armen Malaien da oben kein Ersatz für den gehabten Schaden geleistet worden; er hatte also eine Anweisung geschrieben, diesen Umstand aber hochanständiger Weise ganz verschwiegen. Daß dies auf ganz ungewöhnliche Geldmittel schließen ließ, war mir Nebensache; desto mehr aber freute ich mich über die edle Gesinnung, welche aus diesem seinem Verhalten sprach. Und dieser Mann war – – – ein Chinese!

Der Malaie kam bald wieder und teilte mir mit, daß er beide, die Tochter des Tuwan und den Sahib aus China, getroffen habe und in Beziehung auf mich verschwiegen gewesen sei. Nun ging ich heim.

Zum Mittagessen stellte sich Tsi sehr verspätet ein, und als er kam, sah man ihm sofort an, daß ihn irgend etwas ungemein beschäftigte. Er bat um Entschuldigung, daß er nicht eher habe kommen können, und fügte auch den Grund hinzu:

»Miß Waller rief mich zu sich, und ich wurde von einer wunderbaren, kaum glaublichen Angelegenheit bei ihr festgehalten. Denken Sie sich: die zweite Strophe des Gedichtes hat sich eingestellt!«

Ich that natürlich sehr erstaunt. Er berichtete, wie es zugegangen war, daß Mary das von mir beschriebene Blatt gefunden hatte. Es war ihm von ihr in der ausführlichsten Weise erzählt worden.

»Ich bin ganz begeistert!« fuhr er fort. »Man könnte fast an ein Mirakel glauben! Das Buch ist unbedingt Wallers Testament, nicht etwa ein fremdes. Seine Tochter hat noch oben im Tempel darin gelesen, und zwar das berühmte »Kapitel der Liebe« im ersten Korintherbriefe. Sie hatte es ganz absichtlich aufgeschlagen, gedrängt von dem Gedankengange, daß die bei den braven Malaien gefundene Güte und Liebe sie verpflichte, ihrerseits dieselbe Liebe zu üben. Sie weiß genau, daß dieses Papier da nicht im Buche gewesen ist. Und nun, heut, liegt es grad bei diesem Kapitel, und nicht nur das, sondern es trägt auch die Aufschrift desselben! Es ist die Handschrift, das Versmaß, der Reim, der Geist, die Seele desselben Dichters, und doch hat sich außer Waller kein Europäer, kein Deutscher dort oben im Malaiendorf befunden. Ich frage, giebt es jemand, der eine Erklärung hat?«

»Ich nicht!« gestand der Governor aufrichtig.

John Raffley sah still vor sich nieder; ein leises Lä-


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cheln [Lächeln] spielte um seine Lippen. Dann hob er den Kopf, wobei sein Auge mich mit einem schnellen Blicke streifte, und sprach:

»Dieser Dichter scheint entweder allwissend und allgegenwärtig, vielleicht auch unsichtbar, auf alle Fälle aber ein außerordentlich pfiffiger Patron zu sein! Wenn es sich später fügt, daß man ihn kennen lernt, muß man ihm fleißig auf die Finger sehen!«

»Das sagen Sie natürlich scherzend,« fiel Tsi schnell ein. »Ich weiß, daß ich die Erklärung nicht zu finden vermag, und will mich darum nicht mit vergeblichen Gedanken quälen, sondern die Sache nehmen, wie sie ist. Und wie ist sie? Sie sollen es hören. Die Lady hat mir das Gedicht für Sie anvertraut.«

Er nahm es aus der Tasche und las es vor. Indem er das Blatt dann wieder zusammenfaltete, schien es, als ob sein Gesicht ein ganz anderes geworden sei. Es giebt seelische Feinheiten, zu deren Bezeichnung selbst das zarteste Wort noch zu plump sein würde. Es fehlt mir der Ausdruck für das, was als Reflex der Seele jetzt auf diesem Antlitz lag. Es war eine Klarheit, eine Innigkeit, ein Enthusiasmus, eine Glückessehnsucht; es war – – – er selbst, sein ganzes Wesen, Fühlen und Denken, aber verklärt, verschönt, vergeistigt durch die ihn erhebende Erkenntnis, in dem Verfasser dieser Verse einen Menschen entdeckt zu haben, der, obgleich ein Christ, doch in nicht mißzuverstehenden Worten alles das auszusprechen wagte, was von dem gegenwärtigen Christentume noch nicht ausgesprochen worden ist, obgleich die Menschheit schon seit ungemessener Zeit darauf gewartet hat.

»Ich bin so froh,« sagte er, »so herzlich froh über das, was ich Ihnen da vorgelesen habe. Wären doch wir es nicht allein, wir wenigen Personen, die es kennen lernen! Könnte es doch von jedem Munde zu jedem Ohre klingen! Möchte es doch nicht nur gehört, nein, auch verstanden und geachtet werden!«

Da antwortete John, nachdem er mir einen zwar nur kurzen, aber so liebevollen Blick zugeworfen hatte:

»Das ist freilich zu wünschen, und ich denke auch, daß wir nicht die einzigen sein werden, die es kennen lernen. Es hat schon mancher weit schlechtere Gedichte gemacht, als dieses ist, und dann sofort den Drucker aufgesucht, um sich für eine Auflage von Zweihundert zu verewigen. Aber dieses Gedicht hier hat kein Dilettant oder Amateur gemacht; darüber sind wir doch wohl alle einig – besonders unser Charley wird ganz dieser Meinung sein! – –; wir dürfen annehmen, daß das Dichten mit zum Berufe dieses unbekannten Verfassers gehört, und so versteht es sich ganz von selbst, daß er auch zum Drucker geht, aber nicht, um sich selbst zu verewigen, sondern um seinen Gedanken längere Dauer und größere Verbreitung zu geben. Wenn ich noch wetten dürfte, würde ich sofort tausend und auch noch mehr Pfund darauf setzen, daß es unbedingt in Druck erscheint. Ob ich wohl gewinnen würde, lieber Charley?«


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Ich zuckte die Achsel; mehr konnte ich einstweilen weder für ihn noch für mich und meine Reime thun.

Nach Tische erkundigte ich mich bei Tsi, ehe er ging, ob er mir nicht erlaube, Mary dadurch zu entlasten, daß ich, vielleicht für nächste Nacht, die Krankenwache übernehme. Er ging bereitwillig darauf ein und versprach mir, die Einwilligung der Lady zu erwirken.

Als er fort war, stellte John sich hoch und breit vor mich hin, sah mir mit listigem Augenzwinkern in das Gesicht und fragte mich:

»Es ist Euch doch wohl ein »Sihdi, welcher Gedichte machte«, bekannt, Charley?«

»Freilich!« lachte ich.

»Kann dieser Sihdi auch solche Reime machen, wie wir vorhin gehört haben?«

»Er hat sich vorgenommen, es zu versuchen.«

»Ihr wollt mir entweichen. Also gerade und glatt heraus: Hat dieser Sihdi jenes Gedicht gemacht?«

»Nein!« behauptete ich.

»Halloo! Ich kenne Euch als einen streng wahrheitsliebenden Mann; jetzt aber scheint Ihr doch eine Ausnahme machen zu wollen! Ich möchte diese Verse keinem andern als nur Euch zuschreiben!«

»Nehmt Herzensdank für die gute Meinung, die Ihr von mir habt, und laßt den Dichter da sein, wo er will! Wenn er sich nicht nennt, so thut er das jedenfalls aus Gründen, welche wir achten müssen. Warum also nach ihm forschen?«

»Well! Ihr habt in einem so bestimmten Tone »Nein!« gesagt, daß – – –«

»Bitte,« unterbrach ich ihn; »diese Antwort galt nicht Eurem Fragegedanken, sondern Eurer Ausdrucksweise. Ihr fragtet, ob dieser Sihdi jenes Gedicht »gemacht« habe. Es giebt freilich tausende und abertausende von Gedichten, welche »gemacht« worden sind; sie werden für Gedichte ausgegeben, sehen ihnen auch ähnlich, sind aber keine. Gedichte, wahre, wirkliche Gedichte werden nicht gemacht, wenigstens nicht hier bei uns; sie entstehen in jenen Sphären, aus denen die Inspiration auf Engelsflügeln niederschwebt, um dem nach oben lauschenden Poeten die Stirn zu küssen und ihm das Auge und das Ohr für eine Welt zu öffnen, die anderen verborgen bleibt. Der Dichter ist darum zugleich auch Seher. Das ist das untrügliche Erkennungszeichen. Wer nicht Seher ist, kann auch nicht Dichter sein! Schaut in die Heilige Schrift! Wie oft beginnen die Reden der Propheten: »Und ich sah« oder »Und ich hörte eine Stimme.« Sie waren Seher, und lest nun ihre Worte, so werdet Ihr erkennen, daß sie als Seher Dichter waren. Das eine ist nicht von dem andern zu trennen! Dem wahren Dichter kommt aus einer Welt, die mit der unsrigen zusammenhängt, auf leisen Schwingen schöngebor´ne Kunde; er nimmt sie auf; er giebt sie weiter fort, und wer sie hört, der wird von ihr berührt, als sei sie ein


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Gedicht aus Engelsmunde. Das ist die Poesie, die aus dem Himmel stammt; kein Geist, kein Mensch kann sie uns niederbringen; dort oben, wo das Meer des Lichtes flammt, muß jeder Strahl in goldnen Reimen schwingen. Und steigt er nieder, nimmt er Formen an, um sich dem Menschensinn zu offenbaren, und diese Formen, sie bestehen dann für unsere Nachwelt noch nach tausend Jahren!«

Raffley und der Governor standen da und sahen mich aus großen Augen an.

»Wißt Ihr nun, was ein Gedicht, und wißt Ihr nun, wer ein wahrer Dichter ist?« fragte ich.

Der »uncle« war still; der »nephew« aber antwortete, indem eine helle, reine Freude sein liebes Gesicht verschönte:

»Charley, sagt mir nun noch hundertmal oder tausendmal alles, was Ihr wollt, aber das Gedicht, von dem die Rede ist, wird doch mit keinem andern Namen, als mit dem Eurigen gedruckt! Teilt mir dann nur mit, in welchem Werk; es muß sofort in meine Bücherei!« – – –

Nach einiger Zeit holte mich der Governor ab, um die beabsichtigte Fahrt nach dem Hafen auszuführen. An Bord angekommen, that er, als ob er sich irgend etwas Vergessenes zu holen habe und bei dieser Gelegenheit den Nachmittagsthee gleich hier trinken wolle. Tom war an das Land gegangen, um Proviant einzukaufen, zu deren Transport er einige »Hands«*) mitgenommen hatte. Außerdem verritten einige andere ihren freien Tag, denn für den Seemann ist das Reiten selbst dann das schönste aller Vergnügen, wenn er aller hundert Schritte zehnmal vom Pferde fällt. So kam es, daß nur Bill mit zwei Matrosen und der weiblichen Bedienung anwesend war. Das freute den Gentleman, der um alles in der Welt nicht wissen lassen wollte, daß er es auf Raffleys Kajüte und das dort hängende Bild abgesehen hatte.

Er behandelte diese Angelegenheit so wichtig und so schwer, als ob sie eine ganz bedeutende Staatsaffaire sei. Der Grund dazu war mir unbekannt; ich fragte auch nicht nach ihm.

Als Bill für einige Zeit unten im Raume zu schaffen hatte, glaubte der Uncle sich nun unbeobachtet. Wir gingen in die Kajüte. Ehe wir aber eintraten, zeigte er hinauf nach dem Marmorkopfe und sagte:

»Das ist nur Kunst, nicht Wirklichkeit. Darauf gebe ich nichts. Ein gemaltes Bild aber muß ganz ähnlich sein, sonst ist es kein Porträt!«

Der liebe Alte schien weder ein Kenner noch ein Verehrer der Kunst zu sein. Seine Worte standen jedenfalls zu der erwähnten Wette in Beziehung; in welcher Weise, das konnte ich nicht erraten.

Dann öffneten wir die Thür, welche nicht verschlossen war, und gingen hinein. Er blieb zunächst vorn stehen


*) Leute.



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und schaute sich in einer Weise um, als ob er sich im Heiligtum einer ihm nicht bloß fremden, sondern auch unsympatischen Verehrung befinde. Hierauf näherte er sich langsam, Schritt um Schritt, beinahe ängstlich, dem Bilde und schaute es lange, lange an. Dann ging er, ohne ein Wort zu sagen, an mir vorüber, fort, zur Thür hinaus. Ich folgte ihm.

Man hatte nun den Thee serviert. Er deutete hin und sagte:

»Trinkt allein, Sir! Mir ist der Appetit vergangen. Ich habe jetzt mehr, viel mehr zu verdauen als Thee mit Toasts!«

Ich folgte dieser Weisung; er aber ging, bis ich fertig war, mit langen Schritten und gesenktem Kopfe auf dem Decke hin und her. Nun ließen wir uns an das Land setzen und stiegen wieder in den Wagen, um heimzufahren. Er hatte das alles wortlos gethan. Jetzt aber, als wir so eng nebeneinander saßen, ergriff er das Wort:

»Charley, mir ist ganz schlimm zu Mute. Ich habe diese große Wette schon beinahe halb verloren!« Hierauf machte er eine Pause; dann fragte er: »Sagt einmal, ist dieses Frauenzimmer schön?«

»Nein,« antwortete ich.

»Nicht?« fuhr er auf. Er deutete mit dem Zeigefinger nach der Stirn und sprach: »Nehmt doch einmal den Schlüssel; setzt ihn bei Euch hier an, und schließt Euch das vernünftige Verständnis auf! Wenn sie nicht schön ist, so giebt es überhaupt nichts Schönes! Ah, Ihr lacht. Es war also nur Scherz von Euch! Well! Denkt Euch, ich habe behauptet, daß eine Chinesin nicht schön sein könne! Es ging mir das ganz gegen unsern europäischen Strich! Und an dieser Behauptung hängt noch mehr, viel mehr! Der Marmorkopf hat mich irr gemacht. Ich glaube nämlich nicht an den Stein, sondern nur an die Farbe. Da komme ich nun an das gemalte Bild. Welche ein Schreck! Für solche Augen würde eine reiche Engländerin wenigstens fünfzigtausend Pfund geben, wenn sie sie hätte; für die Nase etwas weniger, aber für den Mund dafür gewiß hunderttausend und für das Haar ebenso viel. Dann der Hals, das Kinn, die Stirn, die Brauen – – – wenn ich summiere, so macht das wenigstens eine Million! Ihr seht, ich weiß zu rechnen!«

»Ich höre es,« lächelte ich, denn diese Art und Weise, eine Schönheit zu beurteilen, war mir neu und unterhaltend.

»Lacht nicht, Sir!« rief er unwillig. »Es steht mehr auf dem Spiele, als Ihr denkt! Dieser John Raffley, welcher ganz unglücklicherweise mein nephew ist, was mir Gelegenheit gegeben hat, ihn liebgewinnen zu müssen, hat wohl gewußt, was er sagte! Wenn er in dem Andern ebenso Recht hat, muß ich vor China die Flagge streichen, und das, das will und will ich eben nicht, denn ich bin – – bin – – – ja, was bin ich denn eigentlich? Noch Englishman?


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Pshaw! Dieser Tsi ist mir auch schon so in das Herz – – ach so, darf doch nichts sagen! Habe ihn ja gar nicht lieb! Aber habt Ihr ihn angesehen, als er von dem Gedichte sprach? Dieses Gesicht! Diese Augen! Es strahlte ja alles an ihm! Ist das etwa die Rückständigkeit, in Inferiorität, die Indolenz, welche wir seiner Rasse vorwerfen?«

Er sah mich bei diesen Worten so strafend an, als ob nicht er, sondern ich gegen Tsi gewettet hätte. Da aber fühlte er, daß er sich hatte hinreißen lassen, und lenkte schnell wieder ein:

»Pardon! Wollte natürlich nur sagen, daß er nicht ganz ohne alle Intelligenz ist. Ihr seid ja unbeteiligt; will aber doch lieber schweigen!«

Du armer Gouverneur, du ahnst wohl gar nicht, daß du dich in beiden Gefechten schon auf dem Rückzuge befindest!

Bei unserer Ankunft im Kratong erfuhr ich von Tsi, daß Mary in meinen Vorschlag eingewilligt hatte. Er freute sich darüber, daß ihr diese Ablösung erlaubte, die ganze Nacht zu schlafen, und machte mich mit meinen Obliegenheiten bekannt, obgleich er gewillt war, von Zeit zu Zeit im Krankenzimmer vorzusprechen. Die für die Handreichungen nötige Dienerschaft hatte vor der Thür zu schlafen und besaß für alles, was zu thun war, bereits die nötige Uebung. Das Ko-su hatte trotz der kurzen Zeit schon so wunderbar gewirkt, daß, wie er versicherte, ein Umbetten des Kranken während meiner Anwesenheit wahrscheinlich gar nicht nötig sein werde.

Ich trat meine Wache gleich nach dem Abendessen an. Mary war bei ihrem Vater. Er schlief. Sie hatte gelesen, und zwar in »Am Jenseits«. Sie schien sich mit Tsi in die Lektüre dieses Buches zu teilen. Als sie sich für meinen Wunsch, bei ihrem Vater zu bleiben, bedankt hatte, schob sie es mir hin und sagte:

»Ich lasse Ihnen diese Reiseerzählung hier, die ein – – – ach, Sie kennen ja den Namen des Verfassers schon; ich erinnere mich! Bitte, lesen Sie, und sagen Sie mir dann, was Sie über diese Enthüllungen denken! Denn Enthüllungen sind es auf jeden Fall; mögen sie hergekommen sein, woher sie wollen!«

Dann ging sie, und ich war mit dem Patienten allein. Zunächst hatte ich mich über die zu brauchenden Gegenstände zu orientieren; dann setzte ich mich hinaus auf den Balkon, sorgte aber dafür, daß mir nicht das geringste Geräusch im Zimmer entgehen konnte.

Es war schön sternenhell. Nächtlich sich erschließende Blumen sandten mir ihre Düfte zu. Die Bewohner des Kratongs hatten vom Gouverneur den Befehl erhalten, sich der möglichsten Ruhe zu befleißigen. Es war überall still. Ich habe die Sterne so gern, so lieb! Als ich am Beginn der jetzigen Reise in Genua, wohin sie mich begleitet hatte, von meiner Frau Abschied nahm, war ich mit der Guten übereingekommen, uns täglich abends durch den Himmels-


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wagen*) [Himmelswagen] Grüße zuzusenden. Dieses Versprechen haben wir treu gehalten, sie immerfort und ich, so lange ich konnte, denn im südlichen Teile des Roten Meeres verlor ich ihn aus den Augen. Aber es hat keinen einzigen Abend gegeben, an dem ich nicht auch beim Glanz der südlichen Sterne der lieben, reinen Seele gedachte, die mit der meinigen für immerdar so eng verbunden ist. Heut Abend auch! Ich saß hier nur fünf Grade vom Aequator entfernt; wie weit von der Heimat, und doch wie ihr so nahe! Die Heimat des Körpers ist das Grab; der übrige, edlere Teil des Menschen aber ist im Jenseits daheim, aus welchem er stammt. Irdische Orte können ihm, wenn er dort Liebe findet, vorübergehend zum Heime werden, welches er selbst aus der weitesten Ferne aufsuchen darf, so oft er will; sogar der sogenannte »Tod« kann ihm da keine Grenze setzen. Der Beweis lag hier als Kranker neben mir im Zimmer. Ich wußte mich trotz aller räumlichen Trennung auch hier in Kota Radscha mit meiner Frau vereint. Ich hatte ja alles, was ich dem Einflusse ihres Wesens auf das meinige verdanke, mitgenommen und brauchte nur und bloß an sie zu denken, um in diesem Gedanken einen mahnenden, warnenden, ermutigenden Stern für alle meine Schritte zu besitzen. Und der, welcher sich da drin in der Krankenstube befand, war scheinbar auch von seinem Weibe geschieden, ja, sie stand ihm, dem Denkgebrauch gemäß, sogar viel ferner, als mir meine Frau, denn man nannte sie tot; man hatte sie begraben. Und doch und doch hatte er gestern mit ihr gesprochen und konnte heute und jetzt und immer wieder mit ihr sprechen, wirklich mit ihr, denn in ihm lebte und wirkte ja noch alles, alles, was sie ihm gewesen war. Das Gedächtnis hält das Leben fest, so daß es nicht entfliehen kann, so lange dies Gedächtnis währt. Es giebt nicht nur ein Leben nach dem Tode, sondern auch ein Leben trotz des Todes!

Was war das? Hatte es sich nicht im Zimmer geregt? Ich ging leise hin und schaute hinein. Die Lampe war verhangen wie gestern. Das Gesicht des Kranken lag in tiefer Dämmerung, doch konnte ich die Züge unterscheiden. Er flüsterte leise vor sich hin. Ich trat vollends hinein und setzte mich. Das Flüstern wurde vernehmbarer und deutlicher; ich konnte erst einzelne Worte und dann ganze Sätze verstehen. Für mich waren sie ohne Zusammenhang, wohl aber nicht für ihn; ich kann sie übergehen. Aber dann sprach er laut und deutlich:

»Gebt, was ihr bringt, doch bringt nur Liebe mit; das andre alles sei daheim geblieben.«

Er hatte diese Zeilen, die ihm von Mary vorgesagt worden waren, also wirklich festgehalten. Nach kurzer Zeit fuhr er fort:

»Du stehst bei mir; ich sehe dich im Licht, wie ich dich nie vorher so licht gesehn. Bist du die Liebe? Bist du dies


*) auch »großer Bär«.



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Gedicht? Was ist mit dir, was ist mit mir geschehn? Hab ich an dich, die Liebe, denn gedacht, als meine Seele noch am Eifer hing? O sag, wer hat dich zum Gedicht gemacht, grad als ich mich so schwer an dir verging?«

Er schloß in leisem, klagendem Tone, langsam und ruhig sprechend; nun aber fuhr er hastig fort:

»Wer drückte Petri Schwert mir in die Hand, vor welchem nur der Knecht den Nacken beugt? Wer machte es in ihr zum Feuerbrand, der gegen meinen eigenen Glauben zeugt? Wer gab mir aus der Heimat alles mit, was christlich heißt und doch nicht christlich ist – – –? Wars der etwa, der an dem Kreuze litt – – – –? [«]

Er hob die dürre, skelettartige Hand empor, als ob er eine Vision vor sich habe, und schloß, schwer und wieder langsam sprechend:

»Sag mir, o Christus, sag, ob du es bist!«

Die Hand blieb einige Zeit erhoben; dann sank sie ruckweise, wie zögernd, nieder. Ueber seine soeben noch erregten Züge glitt ein helles, warmes Lächeln; er schüttelte, wenn auch nur schwach, doch bemerkbar den Kopf und sprach, sich selbst beantwortend:

»Grad weil sie einst für euch den Tod erlitt,

Lebt sie durch euch, um weiter fortzulieben.«

Hier legte er, genau wie gestern, die Hände zusammen und sprach in frohem Tone weiter:

»O nein, o nein; so weit der Himmel reicht, erklingt noch heut dein großes Liebeswort, und jeder Tag, der aus dem Morgen steigt, verkündet es der Menschheit weiterfort. Du hast gelebt – – zu unserer Seligkeit; Du hast geliebt – – geliebt die ganze Welt; im Leben der Geringste deiner Zeit, bist du im Lieben ewig, ewig Held!«

Trotz seiner großen Schwäche hatte er seine Stimme zum Tone der Begeisterung erhoben. Das schien ihn angegriffen zu haben; er schloß die Augen, welche er offen gehabt hatte, und lag längere Zeit ohne Wort und Bewegung da. Dann sah ich, daß er die Hand erhob und sie bewegte, als ob er jemand zu sich herwinke. Dabei sagte er:

»Gieb mir die Hand! Ich will dein eigen sein; du hast mich früher ja so oft geführt. Ich handle falsch, ich gehe irr allein; das hab ich, als du fehltest, ja gespürt. Du gingst zwar fort, in jenes Christenland, wo auch die selgen Heiden Christen sind, doch ist dir ja der Weg zu mir bekannt; o komm, o komm, du lichtes Himmelskind!«

Es war sein Engel, der ihm in Gestalt seiner Frau vorschwebte. Er sprach zu ihr, in kurzen, abgebrochenen Sätzen und so leise, daß ich nichts verstehen konnte. In den Zwischenpausen lauschte er, als ob er eine Antwort höre. War es die Hand dieses Engels, welche alle Spuren der Qual, des Leides aus dem armen, eingefallenen Gesicht strich? Es lag so rührend ergeben, so zufrieden lächelnd, fast selbst wie eine Vision, auf dem hellen, weichen Kissen! Nach längerer Zeit verstand ich wieder, was er sagte: ein bittendes Wort:


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»O, falte mir die Hände jetzt, du selbst, denn ich will beten! Ich habe sein Gebot verletzt und will nun zu ihm treten.«

Ich sah gespannt zu ihm hin. Seine Hände näherten sich einander; sie falteten sich, aber nicht, als ob er dies selbst thue, sondern als ob sie ihm, Finger um Finger, von einer mir unsichtbaren Person zusammengelegt würden. Dann flüsterte er:

»Ich danke dir; es ist geschehn; du gabst mir frommes Zeichen und sollst, um beten mich zu sehn, mit mir zum Himmel steigen!«

Nach diesen Worten war es mir, als müsse ich das Flügelrauschen derer vernehmen, welche, von mir ungesehen, herbeischwebten, um sein Gebet in Empfang zu nehmen und dorthin zu tragen, wo alle Gebete der Menschenkinder zum Herzen des Vaters klingen, um in demselben für ewig aufbewahrt zu werden. Auch ich faltete meine Hände, denn es war ein heiliger Augenblick, so unwiderstehlich ergreifend, daß gewiß auch jeder andere an meiner Stelle ganz dasselbe gethan hätte, was zu unterlassen mir unmöglich war.

»Amen!« erklang es nach einiger Zeit. Er fügte noch ein zweites, lauteres »Amen!« hinzu, und dann – – – habe ich nie in meinem Leben ein Gesicht gesehen, auf welchem der innere Friede sich schöner und deutlicher ausgedrückt hätte als auf dem seinigen.

So lag er die ganze Nacht, und nur zuweilen deutete eine ruhige, tiefe Bewegung an, daß er nicht tot, sondern lebend sei.

Tsi kam wiederholt, um nach ihm zu sehen. Beim letzten Male, gegen Morgen, sagte er:

»Das war heut Nacht nicht Apathie, sondern kräftigende Ruhe des Leibes und der Seele. Ich habe nicht daran gezweifelt, daß er zu retten sei, und hätte ich dennoch irgend ein Bedenken gehabt, so wäre es nun gehoben. Wir haben die Infektion zurückgeschlagen; die Kräftigung wird allerdings nur langsam, sehr langsam vor sich gehen, wobei es sich herausstellen wird, wie weit vor Anwendung des Ko-su die Zerstörung der Schleimhäute stattgefunden hat. Hoffentlich gelingt es trotz der Schwere des Falles der Natur, diese Verluste zu ersetzen.«

»Wann wird er wohl transportabel sein?«

»Ich möchte ihn gern so bald wie möglich nach der See haben. Ich weiß von Miß Mary, daß er, wie ja auch sie, von der Seekrankheit nicht ergriffen wird, und es giebt also in dieser Beziehung kein Hindernis. Auch ist es von hier bis hinunter zum Hafen ja gar nicht weit, und wenn er in liegender Stellung vorsichtig hinuntergetragen wird, sind ungünstige Folgen schwerlich zu erwarten. Aber das sind keine Gründe zu einer Eile, welche gar nicht nötig ist. Man muß, besonders der Arzt, gern vorsichtig sein. Wird gewünscht, daß ich eine Frist angebe, so darf sie keineswegs kürzer als eine Woche sein. Bis zur völligen Genesung aber werden Monate vergehen.«


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Als ich diesen Bescheid am folgenden Vormittage den beiden Engländern mitteilte, freuten sie sich über die Zuversichtlichkeit des Arztes. Sie wurden während der angegebenen Zeit nicht gebraucht, und es gab niemand, der von ihnen fordern konnte, während dieser Frist hier in Kota Radscha zu bleiben. Sie beschlossen also, inzwischen hinüber nach den Nikobaren-Inseln zu dampfen, und forderten mich auf, mitzugehen. Ich sprach mit Tsi und auch mit Mary darüber, und beide waren der Meinung, daß ich mich ganz ohne alle Sorge um sie den Gentlemen anschließen könne.

Ich wollte natürlich den Sejjid mitnehmen, nicht darum, weil ich ihn während dieser Spazierfahrt zu meiner persönlichen Bedienung brauchte, sondern damit er möglichst viel sehen und nützliche Erfahrungen mit heimbringen möge. Ich wollte ihn nicht ausnützen, sondern in ihm den Grund zu einer bessern Zukunft legen. Aber als ich ihm sagte, was ich beabsichtigte und daß er sich mit einzuschiffen habe, bat er mich, bleiben zu dürfen. Nach dem Grunde dieses Wunsches gefragt, antwortete er:

»Wir reisen doch nach China, Sihdi, und da habe ich mich um die Sprache dieses Landes zu bekümmern, wozu ich aber unterwegs auf dem Schiffe wohl keine Gelegenheit finde. Hier in Kota Radscha giebt es einige chinesische Kulis, welche englisch sprechen, und wenn ich während dieser Woche mit ihnen verkehre, kann ich ihnen zeigen, daß es außer der deinigen und der meinigen keine weitere, ganz vollkommene Sprache giebt.«

Ich hatte nichts dagegen. Es war ja kein Unglück, wenn zu dem babylonischen Gewirr in seinem Kopfe, aus welchem er aber gegebenen Falls stets das Nötige herauszufinden wußte, auch noch ein Beitrag kam, der auf »ing« und »eng« zu enden hat.

Raffley pflegte das, was er sich einmal vorgenommen hatte, auch stets so bald wie möglich auszuführen. Darum dampften wir schon am Nachmittage von Uleh-leh fort. Er, der ebenso gütig wie umsichtig war, hatte, bevor wir Kota Radscha verließen, dafür gesorgt, daß den zurückgelassenen Freunden nichts von dem fehlte, was sie voraussichtlich nötig hatten. Ich war schon früher sehr oft in der Lage gewesen, ihn in dieser Beziehung im stillen mit einer liebevoll besorgten Mutter zu vergleichen.

Wir hatten damals, als wir auf Ceylon mit einander bekannt geworden waren, auf seiner Yacht »Swallow« eine Fahrt nach den Nikobaren unternommen und dort so Interessantes erlebt, daß der Wunsch, diese Erinnerungen bei der jetzigen Gelegenheit wieder aufzufrischen, ein ganz selbstverständlicher war. Da sich aber auf diesem Ausfluge nichts ereignete, was sich auf die vorliegende Erzählung bezieht, will ich nur erwähnen, daß wir, sehr von ihm befriedigt, am achten Tage wieder nach Uleh-leh zurückkehrten.

Dieses Mal gab es auf der Landungsbrücke und den


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in ihrer Nähe liegenden Straßen mehr Leben als bei unserer ersten Ankunft. Es lagen mehrere Dampfer im Hafen, von denen einer Passagiere gelandet hatte und dafür andere zur Reise nach Batavia an Bord nahm.

Oben in Kota Radscha angekommen, fanden wir unsere Wohnungen genau noch so vor, wie wir sie verlassen hatten. Sie waren für uns reserviert geblieben. Mary, welche ich sogleich besuchte, sah wohl, ja sogar heiter aus. Ihre Wangen hatten wieder Rundung und Farbe bekommen, und ihre Augen zeigten den früheren, lieben Glanz, den die Sorge um das Leben des Vaters hatte verschwinden lassen. Sie teilte mir voller Freude mit, daß nichts im Wege stehe, ihn nach der »Yin« zu bringen; nur müsse Doktor Tsi vorher von Raffley die Erlaubnis erhalten, an Bord zu gehen, um für die sachgemäße Einrichtung der betreffenden Koje zu sorgen.

»Vater ißt jetzt gern,« sage sie, »zwar nur wenig auf einmal, aber oft. Außerdem schläft er Tag und Nacht fast immerfort.«

»Spricht er auch noch in der geheimnisvollen Weise wie an den beiden ersten Tagen?«

»Ja. Ich wollte ihm so gern die zweite Strophe des Gedichtes in derselben Weise geben, wie die zweiten vier Zeilen der ersten; aber der Arzt hat mich gebeten, es noch nicht zu thun. Er meint, daß der Geist ganz ebenso wie der Körper jetzt noch zu schonen sei.«

»Für diesen Arzt können Sie Gott gar nicht genug danken, liebe Freundin!«

»Ich weiß es, und ich thue es auch, so oft und so innig, wie ich kann!« antwortete sie. »Er übt auch auf Vater einen mir ganz unerklärlichen Einfluß aus; er braucht nur zu wollen, so schläft der Kranke ein, oder er wacht auf, oder er bekommt Appetit zum Essen; es ist höchst sonderbar! Er braucht ihm nur die Hand auf die Stirn zu leben, so wirkt sie beruhigend, erfreuend, wie ein Segen! Glauben Sie das?«

»Ja. Es ist vielen Menschen eine geheimnisvolle Kraft gegeben. Sie wirkt durch die Berührung, durch den Blick, die Stimme, ja sogar durch Briefe, also durch geschriebene Zeilen in die Ferne. Sie wirkt zwar auch, ohne daß der Besitzer dieser Kraft es weiß, aber ist er sich ihrer bewußt, so vermag er sie durch seinen Willen ganz wunderbar zu steigern. Diese Kraft wirkt bei guten Menschen gut, bei bösen aber schädlich. Man hat sie nicht beachtet oder gar an ihr gezweifelt; aber heutigen Tages giebt es keinen gebildeten, vorurteilsfreien Menschen mehr, der sie verneint, zumal jedermann selbst im alltäglichen Leben sich von ihrem Dasein und ihrer Wirkung überzeugen kann. Man giebt ihr die verschiedensten Namen, von denen aber bisher kein einziger das Richtige getroffen hat. Wo ist dieser Doktor Tsi? Ich muß ihn doch begrüßen!«

»Er ist draußen unter den Bäumen mit dem Sejjid beschäftigt, Ko-su-Pflanzen zu trocknen. Dies muß im


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Schatten geschehen, weil sie im direkten Sonnenstrahle ihre Heilkraft verlieren würden. Es war nötig, einen Vorrat anzusammeln, der nicht nur für die Seereise, sondern für die ganze Kur ausreicht. Wir wissen ja nicht, ob die Pflanze da, wo wir landen werden, zu finden ist.«

Als ich hinauskam und um die Ecke des Gebäudes bog, sah ich die beiden Genannten bei der angegebenen Beschäftigung. Sie schienen sich in sehr heiterer Laune zu befinden, denn sie lachten einander eben jetzt so laut und herzlich an, daß ich beinahe, ohne den Grund dieser Lustigkeit zu kennen, mitgelacht hätte. Da sah mich Omar und rief mir, noch immer lachend, zu:

»Wie schön, daß du endlich, endlich wiederkommst, Sihdi! Denke dir, ich habe inzwischen fast die ganze, ganze chinesische Sprache gelernt; wir haben nur dann in einer anderen gesprochen, wenn diese Sprache nicht wußte, was arabisch, deutsch oder englisch war. Dann wird diese ihre Unwissenheit, wie du soeben siehst, von uns beiden ausgelacht!«

Tsi hatte, teils zu seiner Unterhaltung, teils auch aus Interesse für Omars Eigenheiten, allerdings mit ihm Chinesisch getrieben und in ihm einen in hohem Grade amüsanten Schüler gefunden. Auch er wunderte sich, wie er mir später sagte, über das außerordentliche Wortgedächtnis des Arabers, beklagte aber ebenso die unformale Weise, in welcher da alles aufgestapelt wurde. In hohem Grade zutreffend, fügte er die Bemerkung bei:

»Ganz wie der Islam, seine Religion! Ein lieber, guter Mensch, im tiefsten Grunde ernst gestimmt, doch äußerlich stets heiter. Für das Hohe, Edle ungemein empfänglich, und doch stets mit dem Kleinen, Gewöhnlichen beschäftigt. Im Kopfe eine erstaunliche Fülle von Ausdrücken, von Worten, deren Sinn und Geist er aber nicht begreift. Fromm von Geburt – ich betone das ganz besonders –, religiös durch die Gewohnheit, würde er sehr leicht für den einzig wahren Glauben zu gewinnen sein, wenn dieser nicht in abendländisch enge, faltenlose Formen gekleidet wäre. Und wenn ich mich nicht irre, so befindet sich der Sejjid bei Ihnen auf dem rechten Weg dazu. Es sproßt und treibt in ihm. Stören Sie das nicht! Leben Sie ihm, wie bisher, das, was er werden soll, durch Ihr eigenes Beispiel vor! Er wird mit Ihnen bis an das Ende der Erde gehen, wenn Sie nicht von ihm verlangen, die Fäden, welche ihn mit seiner materiellen und geistigen Heimat verbinden, pietätlos zu vernichten. Ein derartiges Verlangen fordert, was unmöglich ist! Auch der Europäer weiß, daß der Mensch ein Kind seiner Scholle ist, nicht nur der Acker-, sondern auch der intellektuellen Flur, welche seiner Jugend Nahrung gab. Kann man, ohne ihn zu töten, ihm das nehmen, was diese Nahrung aus ihm machte? Nein! Nie! Jedermann ist davon überzeugt, sogar Eure Buchstabengläubigen, aber freilich nur dann, wenn es sich um ihr eigenes, liebes Ich han-


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delt. [handelt] Sie verlangen den Mord aller Individualität, natürlich aller anderen, nur nicht der ihrigen! Gehen Sie doch hin in alle Welt, mein Freund, und sehen Sie die Zerstörungen, welche diese Forderung angerichtet hat! – – – Verzeihung! Ich bin auf untergegangene oder dem Untergange nahe Völkerindividualitäten gekommen und wollte doch nur von Ihrem Sejjid Omar, dem Muhammedaner, sprechen. Es war mir zu verführerisch, an seinem Beispiel nachzuweisen, daß es eben nur des stummen Beispiels, nicht aber der Aggressivität bedarf, um aus einem sogenannten Ungläubigen das zu machen, was Omar unbedingt werden wird, wenn Sie nicht den unverzeihlichen Fehler begehen, seine Eigenart zur Gegenwehr zu zwingen!«

Wie fleißig mußte dieser Chinese während seiner Studienzeit in Europa gewesen sein; wie herrliche Gaben waren ihm verliehen, und mit welchem Vorbedacht und welcher Treue war diesen Studien daheim von seiten seines Vaters, seiner Erzieher vorgearbeitet worden! Vielleicht hatte das Schicksal den Händen dieses jungen Mannes Aufgaben anvertraut, welche nur auf dem Wege, den es ihn führte, zu lösen sind. Die Vorsehung pflegt sich stets im stillen den rechten Mann heranzuziehen, um dann, wenn ihre Zeit gekommen ist, mit ihm am rechten Orte hervorzutreten.

Er fuhr im Laufe des Nachmittags mit Raffley hinunter nach der »Yin«, um dort Wallers Ankunft vorzubereiten, für welche aber erst der folgende Morgen bestimmt wurde.

Da wir hörten, daß der holländische Gouverneur am nächsten Tage nicht in Kota Radscha sein werde, so machten wir ihm noch heute unsere feierliche Dank- und Abschiedsvisite, bei welcher wir aber bald herausfühlten, daß dem einfachen, wackeren Mijnheer ein herzlicher Händedruck ohne alle Feierlichkeit viel lieber gewesen wäre. Den materiellen Dank, so was man Bezahlung zu nennen


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pflegt, in klingenden Münzen auszusprechen, das überließen wir John Raffley, weil er nicht nur das beste Talent, sondern auch mehr »Talente«*) als wir anderen dazu besaß. In welcher Weise er dieser silbernen oder gar goldenen Verpflichtung nachgekommen war, das sahen wir, als wir am Morgen den Kratong verließen. Die ganze, allerdings nicht sehr imponierende Heeresmacht desselben hatte Aufstellung genommen, und auf jedem einzelnen Gesichte war mit größter Deutlichkeit der wehmütige Gedanke zu lesen: Wenn doch öfters so ein Dysenteriekranker mit solchen Begleitern käme! Die Dysenterie ist leider immer da; aber solche Lords, die sieht man wohl nicht wieder!

Das beste und tiefste Verständnis für dieses Bedauern schien mein Sejjid Omar zu empfinden. Er ging von Mann zu Mann, um jedem die Hand zu drücken, und that dies mit hoch aufgerichteter Gestalt und einem so herablassenden Mäcenaslächeln, als ob er sein ganzes, bei mir angesammeltes Diensteinkommen unter sie verteilt habe.

Wir hatte eine leichte Sänfte konstruiert, welche so lang war, daß der Kranke ausgestreckt in ihr liegen konnte. Acht Träger wechselten einander ab. So brachten wir ihn bequem und leicht bis auf den Landesteg, und da die See so ruhig war, wie wir nur wünschen konnten, ging auch die Einschiffung in einer Weise von statten, von welcher Waller nicht im geringsten angegriffen wurde.

An Bord angekommen, sah ich nun, was Raffley und Tsi mir noch gar nicht gesagt hatten. Nämlich John, der liebe, liebe, prächtige Mensch, hatte dem Kranken seine eigene Kajüte überlassen. Sie war ausgeräumt und in ein Pflegezimmer verwandelt worden, wie man es sich besser, bequemer und gesünder gar nicht denken konnte. Nur das Porträt mit seinem duftenden Blumenrahmen war geblieben, eine Aufmerksamkeit oder vielmehr ein


*) In Griechenland und Rom eine Geldsumme von 4-5000 Mark.



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Opfer, dessen Größe nur mit der Herzensgüte Raffleys zu vergleichen war. Wo dieser wohnte, sah ich jetzt noch nicht; wir anderen aber hatte alle dieselben Räume wieder, in denen wir vorher untergebracht gewesen waren.

Als Tsi sich in Penang zu uns gesellt hatte, war nicht daran zu denken gewesen, daß er für eine längere Zeit der Gast der »Yin« sein werde. Er verlor kein Wort darüber, ob seine Bereitwilligkeit ihm Störungen bringe oder gar ihm Opfer auferlege, und bat nur darum, daß wir wieder drüben anlegen möchten, damit er für kurze Zeit an das Land gehen könne, um Briefe auf die Post zu geben und seine dortigen Angelegenheiten zu ordnen. Dieser Wunsch wurde ihm natürlich erfüllt; dann gingen wir sofort nach Singapore, wo eine reichliche Menge Masut, welches in Penang nicht zu haben gewesen war, für die Feuerung aufgenommen wurde. Hierauf ging es auf der Hongkong-Linie dem geheimnisvollen Norden zu.

Ich nenne ihn geheimnisvoll, weil er es für uns war. Außer Raffley wußte niemand, wohin wir gingen, und dieser zeigte, gegen seine sonstige offene Art, keine Geneigtheit, uns Auskunft zu erteilen. Als Mary Waller zwei Tage, nachdem wir Singapore verlassen hatten, bei Tafel eine hierauf bezügliche Frage an ihn richtete, antwortete er:

»Bitte, Mylady, lassen Sie das für einstweilen noch mein Geheimnis bleiben! Ich werde gewiß dafür sorgen, daß jeder von uns sein besonderes Ziel erreicht; vorher aber haben wir ein gemeinschaftliches, für welches wir hier wie von einer gütigen Fee zusammengeführt worden sind. Folgen wir ihr mit dem Vertrauen, auf welches solche höhere Wesen Anspruch haben!«

Sein Wunsch wurde natürlich beachtet und dieses Thema also nicht wieder als Gesprächsgegenstand behandelt. Umsomehr wendete sich unsere Aufmerksamkeit dem Befinden des Kranken zu, welches uns ganz selbstverständlich im höchsten Grade interessierte, zumal es sich dabei um ganz eigenartige, rätselhafte Zustände handelte. Nur der junge Arzt schien die Lösung dieser Rätsel zu kennen. Er war so froh, sie in seine Hand gelegt zu sehen, so heiter, so zuversichtlich; er kam mir fast wie eine glückliche Mutter vor, welche mit unendlicher Liebe das körperliche und geistige Werden ihres Kindes überwacht. Sein Vertrauen teilte sich auch Mary mit. Beide waren in der Pflege des Vaters eng vereint; sie schienen unzertrennbar zusammen zu gehören, und der Gedanke, daß sie einander früher nicht gekannt hatten, wollte mir mit jedem Tage fremder werden. Man spricht von Seelen, welche sich, und seien sie räumlich noch so weit getrennt, ganz unbedingt auf Erden finden müssen, von Wesen, welche einst vereinigt waren und sich wieder zu vereinigen haben. Wer kann wohl sagen, ob das ein Aberglaube sei?

Es ist gewißlich wahr, daß um Genesende sich eine


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Atmosphäre bildet, welche ethisch reinigend und veredelnd wirkt. Es gab an Bord, selbst unter der Schiffsbemannung, keinen einzigen rohen Menschen, und doch fühlte jeder von uns in sich das Streben, recht lieb und gut zu sein, als ob er es bisher noch nicht gewesen wäre. Ich sah einmal ein Gemälde, welches einen Rekonvalescenten zeigte, hinter dem, von ihm und seiner Umgebung ungesehen, ein Engel stand, welcher sie alle segnete. Der Künstler hatte es verstanden, der von mir erwähnten Erfahrung so, wie die wahre Kunst es will, Gestalt zu geben. Eine solche segnende Engelshand schien auch über uns zu walten. Wir sahen sie nicht, aber ein jeder wußte, daß der warme, weiche und allen bemerkbare Hauch der Liebe und des Friedens von der Stelle ausging, an welcher der Kranke in seinen Visionen mit seinem Engel verkehrte.

Für das Leben des Patienten war, wie Tsi versicherte, nichts mehr zu befürchten, wenn auch die große, körperliche Schwäche nur langsam beseitigt werden konnte. Es galt da nur, sich in Geduld zu fügen. Ungleich anders war es mit seiner Psyche beschaffen. Sie befand sich, wenn er wachte, in unausgesetzter Thätigkeit und schien auch während des Schlafes ohne Unterbrechung beschäftigt zu sein. Man sah das an dem sich sehr oft verändernden Ausdrucke seines Gesichtes und an gewissen Körper- oder Gliederbewegungen, welche keine unwillkürlichen waren. Er öffnete die Augen, ohne einen bestimmten Gegenstand anzusehen, und schloß sie wieder, indem er froh lächelte, als ob ihm etwas Freundliches erschienen sei. Er bewegte die Lippen; man sah, daß er etwas sagte; aber es war kein Laut zu hören. Oder er sprach Viertelstunden lang leise vor sich hin und sah während der Pausen ganz so aus, als ob ihm Antwort werde. Aber so laut und vernehmlich wie in Kota Radscha hatte er hier auf dem Schiffe noch nicht im Schlafe gesprochen. Als ich Tsi hierüber fragte, antwortete er:

»Es wird ganz gewiß wieder geschehen, sobald er die zweite Strophe des Gedichtes kennen lernt. Er arbeitet jetzt noch an dem Inhalte der ersten; ich höre das aus seinen Reden, wenn er wacht. Man darf ihm nichts Neues geben, bevor das Alte ihm vollständig klar geworden ist. In der Entwicklung einer Psyche darf es keine dunklen Punkte geben. Darum habe ich Miß Mary gebeten, jetzt noch zu warten. Er beschäftigt sich jetzt noch mit der letzten Zeile der ersten Strophe, also mit dem Gedanken, daß Christus nicht gestorben ist, sondern in jedem wahren Christen weiterlebt und weiterliebt. Das hat er, wie ja auch Ihre ganze Christenheit, bis jetzt noch nicht begriffen. Doch arbeitet es fort und fort in ihm, und ich kann jeden Augenblick eine Aeußerung erwarten, welche mir sagt, daß er dieses Wort verstanden hat. Dann lasse ich die nächste Strophe wirken. Ist das nicht im höchsten Grade interessant?«


[Sp. 249]

»O, mehr als interessant; ich bin erstaunt!« antwortete ich der Wahrheit gemäß. »Welche eine schwere, fremdartige und mir fast unbegreifliche Aufgabe haben Sie sich da gestellt!«

Er schüttelte den Kopf und erwiderte lächelnd:

»Sie ist nichts von alledem. Fremdartig kann sie nur dem Christusfremden sein. Nicht unbegreiflich, sondern die einzig richtige und allein erklärliche ist sie für einen jeden, der die Krankheit kennt, um welche es sich handelt. Und schwer? Sie ist sogar sehr leicht! Wissen Sie noch, was ich Ihnen von der Behandlung des einzelnen und der Gesamtheit sagte? Ich kenne das Leiden dieser Gesamtheit und weiß genau, auf welchem Wege es zu heben ist. Dieser einzelne leidet an ganz demselben Uebel; was folgt hieraus? Ich werde ihn herstellen; er wird dann das in Wirklichkeit sein, was er früher nur zum Schein gewesen ist. Und ist er nicht mehr krank, so habe ich an dem einzelnen gezeigt, auf welchem Wege die Gesamtheit auch gesunden kann.«

Ich muß bemerken, daß Waller im wachen Zustande sich vollständig geistig normal zeigte. Von einer epileptischen Anlage war nicht die geringste Spur vorhanden. Ganz im Gegenteile war sogar das, was Professor Garden damals in Colombo in theologischer Beziehung »erbliche Belastung« genannt hatte, im Verschwinden begriffen. Er war jedenfalls geistig gesünder und freier als früher, und so hatte wohl gewiß jeder Unbefangene anzunehmen, daß die Visionen, welche ihm während des Schlafes kamen, ihm geistige Kraft und Freiheit brachten, indem sie diese Belastung von ihm nahmen. Ich saß, wenn er nicht schlief, oft stundenlang bei ihm und sprach mit ihm in jener leichten, schonenden Weise, wie man mit Kranken spricht. Da hörte ich nie auch nur ein einziges Wort aus seinem Munde, welches mich zu der Annahme berechtigt hätte, daß seine Denkkraft angegriffen sei.

So oft es geschah, daß ich mich mit ihm unterhielt; auf seine Visionen bezog er sich auch nicht ein einziges Mal, und ebenso wenig erwähnte er das Gedicht. Darum überraschte es mich, daß er am Tage vor unserer Ankunft in Hongkong ganz plötzlich davon zu sprechen begann. Wir waren allein, und er teilte mir mit, daß Mary ihm erzählt habe, auf welche eigentümliche Weise ihr die zweite Hälfte der ersten Strophe zugekommen sei. Und nun sagte er, daß er allein mir gestehen wolle, welchen nachhaltigen Eindruck diese vier Zeilen auf ihn gemacht hätten. Nun gab ein Wort das andere. Ich hütete mich natürlich, ihm merken zu lassen, daß es meine Absicht sei, ihm das, was er noch nicht begriffen hatte, zu erklären. Sein Eifer wuchs, und mit ihm die Spannung, welche er meinen Antworten entgegenbrachte. Sein bleiches, eingesunkenes Gesicht rötete sich, und seine tiefliegenden Augen begannen begeistert zu glänzen. Und da, endlich, endlich kam ihm das Verständnis! Er sah mich mit einem langen, großen


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Blicke an; dann sanken seine Lider herab; er holte tief, tief Atem, faltete die Hände und sagte:

»Das, das also war Christi Liebe! Und das, das ist sie noch! Das wird sie sein in alle, alle Ewigkeit! O, was war ich für ein Thor!«

Nun lag und war er still. Sein Atem ging ruhig und leise. Ein frohes Lächeln spielte um seine Lippen. Ich wartete noch eine Weile, dann entfernte ich mich, von Herzen froh darüber, Tsi mitteilen zu können, daß sein Wunsch in Erfüllung gegangen sei. Am Abende erfuhr ich von ihm, daß er Mary erlaubt habe, ihrem Vater die zweite Strophe zu geben.

Während der Nacht hatten wir eine sehr unruhige See, und als wir am nächsten Tage Hongkong erreichten, waren wir sehr zufrieden damit, daß Raffley hier nur für ganz kurze Zeit Anker werfen wollte, um frischen Proviant einzunehmen. Es regnete. Die Berge, welche die Bucht umschließen, waren verhüllt. Was wir sahen, war so specifisch europäisch, so nüchtern und so kalt, daß niemand Sehnsucht fühlte, an das Land zu gehen. Dschunken und Sampans hatten wir schon genug gesehen. Hongkong ist eine englische Schöpfung und zeigt sich von außer her, zumal bei solchem Wetter, so sehr als frostige Lady, daß auch wir ihr gegenüber kalt blieben und nach einigen Stunden ohne Bedauern Abschied von ihr nahmen. Raffley hatte einige Depeschen an das Land besorgt. Auch von Tsi war dem Boten eine mitgegeben worden. Wohin sie telegraphiert hatten, das hielten beide gleich geheim. Tsi wahrscheinlich an seinen Vater, dessen Stand und Namen er nicht wissen lassen wollte. Niemand fragte, wohin es von hier aus ging, und Raffley sagte nichts. Der Kompaß aber ließ uns sehen, daß wir nach der Fokien-Straße dampften.

Der Regen hörte, als ob er uns nur Hongkong habe verleiden wollen, sehr bald wieder auf, und im Laufe des Nachmittags beruhigte sich die See, so daß wir nach der bewegten Nacht einen schönen, stillen Abend hatten. Als wir nach dem Supper von Tische aufstanden, gesellte sich Tsi zu mir, um mich zu fragen:

»Wollen Sie mit mir heut bei dem Kranken bleiben? Ich habe der Lady gesagt, daß sie schlafen soll. Er hat gestern Abend das Gedicht bekommen. Bei dem Seegange während der Nacht und der Unruhe des heutigen Tages war eine Wirkung nicht zu erwarten; nun aber ist es nicht nur möglich, sondern in Folge seiner geistigen Regsamkeit sogar sehr wahrscheinlich, daß sie eintritt. Ob bald, ob spät, kann man nicht sagen. Sie müßten also bereit sein, unter Umständen die ganze Nacht zu opfern.«

Ich erklärte mich selbstverständlich sofort einverstanden; er hätte mir ja gar keine dankeswertere Aufmerksamkeit erweisen können! So brachten wir also den übrigen Teil des Abends bei Mary und ihrem Vater zu, welcher zwar wach war, aber äußerst wenig sprach. Wir sahen,


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daß er seine Aufmerksamkeit nach innen gerichtet hatte. Sehr oft ruhte sein Auge mit ganz eigenem Ausdrucke auf dem Porträt der schönen Chinesin, welches in seinem duftenden Blumenrahmen ihm grad gegenüberhing. Wir wußten, daß es einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hatte, obgleich von ihm kein hierauf bezügliches Wort gesagt worden war. Später schlief er ein. Mary sagte uns gute Nacht. Wir legten den Schleier über das elektrische Licht und setzten uns hinaus vor die offenstehende Thür, durch welche wir den Raum fast ganz überblicken konnten.

Auch die andern alle, außer dem Steurer und der Deckwache, waren schlafen gegangen. Der erst vor kurzem aufgestiegene Mond warf den Schatten der Kajüte quer über das Deck und schaute durch die breiten Glasscheiben in das Innere derselben. Sein Schein fiel auf die Füße des Schläfers und rückte langsam an der still ruhenden Gestalt desselben empor. Der auf dem Lichte liegende Schleier konnte die Glasglocke nicht ganz bedecken; es gab da, wo sie gehalten wurde, eine Lücke, durch welche das Licht hinüber auf das Bild der Chinesin fiel und es fast wie ein lebendes Wesen plastisch hell aus dem umgebenden Schatten hervortreten ließ. Das sah so unirdisch aus. Ich dachte unwillkürlich an die Fee, von welcher Raffley zu Mary gesprochen hatte. Tsi schien denselben Eindruck wie ich zu empfinden. Seine Augen hingen an dem Innern der Kajüte, und er flüsterte mir zu:

»Wie das Geheimnis bannt! Ist es Körper, oder ist es Seele? Es scheint, daß hier ein Ort der Offenbarung sei! Der Mond sucht nach dem Angesicht des Kranken. Man sollte ahnen, daß dieses süße, weiche Licht ihm Botschaft bringen wolle!«

Ich antwortete nicht, konnte aber auch den Blick nicht von dieser Scene wenden. Das Bild sah lächelnd auf den Schlummernden nieder und schien die Lippen zu bewegen. Der Schein des Mondes schmiegte sich weiter und weiter an seiner Gestalt empor. Jetzt legte er sich ihm schon auf die Brust; dann berührte er das Kinn, den Mund; er kam bis an das Auge, und nun geschah, was Tsi erwartet hatte: der Kranke begann zu sprechen, erst flüsternd und für uns nicht verständlich; dann aber, als der Mond das ganze Gesicht, auch Stirn und Haar beschien, hörten wir deutlich, was er sagte:

»Sei mir gegrüßt, du lieber Himmelsstrahl, in dem mein Engel zu mir niedersteigt; leg dich verklärend um die Erdenqual, wenn sterbend sie das Haupt am Kreuze neigt! Sei mir gegrüßt! Laß mich im Glauben sehn, daß jene Liebe, welche alles litt, nachdem die Kreuzigung an ihr geschehn, im neuen Leibe vor die Jünger tritt!«

Als er hierauf schwieg, sagte Tsi leise zu mir:

»Ich vermutete ganz richtig: das Mondlicht hat ihm die Vision gebracht. Wahrscheinlich bringt er jetzt nur das Gedicht.«

Diese Voraussage bewahrheitete sich. Nach einiger


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Zeit fuhr Waller langsam und jedes Wort betonend, in den beiden Zeilen fort:

»Tragt euer Evangelium hinaus,

Indem ihrs lebt und lehrt an jedem Orte!«

Hierauf flüsterte er wieder wie vorher. Wir hörten nur den Namen Jesus deutlich. Dann erhob er die Stimme wieder und sprach:

»Er ging durchs Land, wie nur die Liebe geht, die keinen Hader um den Himmel kennt, weil jede Kerze, die am Altar steht, wie alle andern nur nach oben brennt. Er brachte sich der ganzen Menschheit dar, nicht einem auserwählten Volk allein, und weil sein Reich nicht von der Erde war, kann es auch jetzt nicht von der Erde sein!«

Tsi griff nach meiner Hand und drückte sie; ich verstand ihn, obgleich er dazu schwieg. Jetzt wendete der Kranke sein Gesicht dem Fenster zu, durch welches der Strahl des Mondes fiel, so daß es fast tagesdeutlich vor unsern Augen lag. Er lächelte wie einer, der etwas unendlich Liebes schaut, indem er sich von neuem hören ließ:

»Er kam und ging wie dieses milde Licht, willkommen, gern gesehn an jedem Ort; ein Evangelium sein Angesicht, sprach er als Vorbild sein Erlösungswort. O du, der selbst den Schächer nicht verwarf, den Mörder, der an deiner Seite hing, wo ist ein Mensch, von dem ich sagen darf, er sei für deinen Himmel zu gering?!«

Es war so unbeschreiblich, ihn zu hören. Nie waren mir Menschenworte so tief wie diese in das Herz gedrungen. Das nun folgende längere Schweigen ließ uns ihren Eindruck ganz und voll empfinden. Dann erklang es wieder langsam und recitierend:

»Und alle Welt sei euer Gotteshaus,

In welchem ihr erklingt als Liebensworte.«

Er wartete hier gar nicht, sondern fügte in einer Weise, als ob er nun etwas sehr Wichtiges zu sagen habe, sofort hinzu:

»Wer war´s, der sich in Herrlichkeit und Pracht den Tempel der Unendlichkeit gebaut, wo Stern an Stern die Größe und die Macht des Schöpfers in dem Glanz von Sonnen schaut? Wer war´s, der auf die Erde niederfuhr auf Allmachtsflügeln am Beginn der Zeit, in jeden Wurm zu legen eine Spur der Weltensehnsucht nach der Ewigkeit? Wer war´s, wer ist´s, nach dem dies Sehnen bangt in jedes Menschen, jedes Heiden Brust, in der das Herz dorthin zurückverlangt, wo es sich in der Heimat einst gewußt?«

Schön früher hatte ich es bemerkt, und jetzt hörte ich es wieder, daß er immer einen kleinen Teil des Gedichtes und dann die Erklärung hierauf brachte. Was er soeben gesagt hatte, bezog sich auf »alle Welt sei euer Gotteshaus.« Von dem, was nun kam, war anzunehmen, daß es sich auf »In welchem ihr erklingt als Liebesworte« beziehen werde. Und richtig; er fuhr fort:

»Der Priester trägt die Liebe wohl hinaus; was aber


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ist es, was der andre bringt? Du lieber Mann, bleib immerhin zu Haus, weil deine Liebe doch im Haß verklingt! Du glaubst an deine heilge Mission, jedoch die Welt da draußen traut ihr nicht. Vergeblich klingt dein Wort in Christi Ton, weil eure That in anderm Tone spricht!«

Das klang so schwer, so gewichtig, so vorwurfsvoll, so strafend. Nun war er still, lange, lange Zeit. Eben wollte der Streifen des Mondlichtes, welcher immer weiterstieg, sein Gesicht verlassen; da sahen wir, daß er die Augen öffnete. Sie richteten sich auf das Bild der Chinesin, welches ihm, wie schon bemerkt, gegenüberhing. Er streckte die Arme schnell, als ob er sie fassen wolle, nach ihr aus, zog sie langsam, langsam wieder zurück, breitete sie dann nach beiden Seiten aus, als ob er eine weite, unbegrenzte Fläche bezeichnen wolle, und sagte dann:

»Es liegt die Welt ringsum im Morgengraun; die Neben wallen, um emporzusteigen. Mein Auge ist bereit, dich anzuschaun; o wolle deine Herrlichkeit mir zeigen! Wo kommst du her? Ich höre dein Gewand. Es rauscht so glückverheißend aus der Ferne, und dieses Rauschen ist mir wohlbekannt: du streifst mit deines Schleiers Saum die Sterne.«

Das, was er jetzt gesprochen hatte, bezog sich jedenfalls nicht auf das Gedicht und seinen Inhalt, sondern auf etwas ganz anderes. Es tauchte ein neues Gesicht vor ihm auf, welches wahrscheinlich durch den Anblick des jetzt in so eigenartiger Schönheit und Beleuchtung hervortretenden Bildes eingeleitet worden war. Wir hörten seine Worte weiter:

»Ein süßer Duft bereitet deinen Schritt; schon höre ringsum ich die Glocken schlagen. In meinem Herzen tönt die Stunde mit, und deine Zeit beginnt, in mir zu tagen. Vielleicht trittst du jetzt nur in meine Welt, und ich bin es allein, der dich empfindet, doch ist die Uhr für andre auch gestellt, sobald dein Licht die Dämmrung überwindet. – – – So wie ich wartete auf dieses Licht, so wartet auch das ganze Volk der Erde. Ich ahne dich; du nahst mir im Gedicht. O, daß dies Bildnis doch verstanden werde! Nun bist du da; du schaust mich lächelnd an, als seist du mir schon irgendwo begegnet, und ich, ich sinne zwar vergeblich, wann, doch hast du mich im Himmel einst gesegnet.«

Als er hier innehielt, fragte mich Tsi in flüsterndem Tone:

»Wissen Sie, wovon er spricht? Seine Augen ruhen auf dieser wunderbar schönen, geheimnisvollen »Yin« und dieser Name ist das chinesische Wort für »Güte«. Er spricht mit der Güte, welche zu uns niedersteigen muß, wenn uns geholfen werden soll. Doch, hören Sie!«

Der Kranke fuhr fort:

»O, segne mich nun hier zum zweiten Mal und mit mir alle, die auf Erden wandeln, damit wir, wie der Vater uns befahl, als seine Kinder an einander handeln. Du bringst die Liebe, die von oben quillt, für alle Kreatur


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zu uns hernieder. Es strahlt die Seele mir aus deinem Bild; die Güte ist´s; o nimm sie mir nicht wieder!«

Er hatte die letzten Sätze mit erhobener, fast sehr lauter Stimme gesprochen. Nun war er still. Wir warteten zwar, aber nach längerer Zeit legte er sich, dem Mondschein abgewendet, auf die Seite. Nun war anzunehmen, daß er nicht mehr sprechen, sondern schlafen werde. Wir blieben aber sitzen, doch ohne mit einander zu reden. Es ging dem Chinesen wohl grad so wie mir: der Eindruck dessen, was wir gesehen und gehört hatten, war so tief und gab auch ihm so viel zu denken und innerlich zu ordnen, daß er sich nicht selbst durch laute Worte stören wollte. Ich zog meinen Stuhl aus und legte mich lang auf denselben nieder; wir hatten ja ausgemacht, die ganze Nacht wach zu bleiben.

Es herrschte tiefe Stille um uns her. Die leisen, regelmäßigen Pulse der Maschine konnten nicht als Unterbrechung dieses Schweigens gelten. Da hörte ich ein Geräusch, wie wenn ein Zündholz, welches nicht Feuer fangen will, wiederholt schnell angestrichen wird. Das klang von der anderen Seite der Kajüte her. War etwa jemand dort, ohne daß wir es gewußt hatten? Dann wurde mir ein feiner Tabaksgeruch von der leise wehenden Nachtluft zugetragen. Ich bin Kenner und roch sogleich, daß es Cumana war, den der Governor ausschließlich rauchte. Ich stand also auf und ging hinüber. Richtig, da saß er auf dem Klappsitze, der an der Holzwand angebracht war! Er hatte alles sehen und hören können, weil das Fenster hier auf der Leeseite offen stand. Seit wann war er da? Wir hatten ihn nicht kommen sehen, weil unsere Aufmerksamkeit nach dem Innern der Kajüte gerichtet gewesen war, und da wir hier an Bord fast alle Schiffsschuhe mit Gummisohlen trugen, waren seine


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Schritte nicht zu hören gewesen. Als er mich bemerkte, winkte er mir zu, nicht laut zu werden, und sagte in flüsterndem Tone:

»Wollte schlafen gehen; aber Ihr Buch vom Jenseits kam mir in die Hände. Habe darin gelesen. Diese Gedanken! Wo kommen die Ihnen nur her? Haben mich heraus auf das Deck getrieben. Da sah ich Sie im Mondschein sitzen und eifrig in die Kajüte schauen. Was gab es da? Ich ging also hierher. War das etwa indiskret?«

»Nein,« antwortete ich. »Was haben Sie gehört, Mylord?«

»Alles, alles, von den Worten an »Tragt euer Evangelium hinaus.« Auch gesehen habe ich alles. Wunderbare Scene! Hat mich tief gepackt! Weiß gar nicht, was ich darüber denken oder gar sagen soll! Erst Ihr Buch, in welchem Sie beschreiben, was in der Sterbestunde vor sich geht, und dann diese Worte des Kranken, die aber nicht im mindesten krankhaft klingen! Wenn er nie in seinem Leben Missionar war und es auch später niemals sein sollte, in dieser Stunde aber ist er es gewesen, wenigstens für mich; das können Sie mir glauben, und das werden Sie auch sehen. Wird er vielleicht wieder sprechen?«

»Wahrscheinlich nicht.«

»Well! So habe ich hier auf nichts mehr zu warten. Muß mit mir aufs reine kommen. Habe viel, viel zu verwalten und zu verantworten gehabt, bis aber auch einer von den Christen gewesen, deren Thaten in einem anderen Tone als dem der Liebe sprechen. Habe sogar diesen Prachtmenschen, den Tsi, verachten wollen! Pfui!«

Er that ein paar kräftige Züge aus der Pfeife und spuckte aus, es so unentschieden lassend, ob diese Interjektion sich auf den Tabak beziehen oder eine Censur für ihn selbst sein sollte. Dann stand er auf und begann, in langsamen Schritten zwischen Bug und Stern auf und ab zu gehen.

Wie froh war ich über ihn! Diese tiefe Ergriffenheit! Und diese Aufrichtigkeit, mit welcher er sie eingestand; er hätte mir gar keine größere Freude machen können! Wer von solchen Dingen bloß hört oder liest, darf ja nicht denken, daß er zu einem Urteile fähig sei. Und wenn er dennoch kritisiert, so gleicht er jenem Eskimo, der nie seine Schneeeinöde verlassen und nie eine Kirche gesehen hatte, sich aber doch für klug genug hielt, über den Glocken- und Orgelklang zu lachen, als er davon sprechen hörte. –

Waller schlief während der ganzen Nacht ohne Unterbrechung weiter, und als am Morgen Mary kam, überließ ich es Tsi, auf ihre Fragen Antwort zu erteilen, denn der Governor nahm mich in Beschlag. Er interessierte sich ganz plötzlich sehr für psychologische Probleme und gab sich dabei so lernbereit, so mild und weich, wie ich es vorher für gar nicht möglich gehalten hätte.

Die Fahrt verlief äußerlich ereignislos, wenn ich die


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Begegnungen mit anderen Schiffen nicht als Ereignisse bezeichnen will. Dieser Mangel wurde aber mehr als vollständig durch das ausgeglichen, was sich zu inneren, seelischen Begebenheiten entwickelte. Ich bin überzeugt, es gab da unter uns nicht einen Einzigen, der sich den Wandlungen hätte entziehen können, welche mit Waller schon damals auf dem Dschebel Mokattam begonnen und jedem [jeden], der mit ihm in nähere Beziehung gekommen war, mit in ihren Bereich gezogen hatten. Er fuhr von Amerika nach China; aber während diese große räumliche Bewegung vor sich ging, machte er innerlich eine Reise, welche von viel größerer Weite und Bedeutung war, denn sie führte ihn in eine solche Ferne, daß es ihm geradezu unmöglich wurde, an den Punkt, von dem sie ausgegangen war, jemals im Leben wieder zurückzukehren. Er hatte eine ihm jetzt vollständig entschwundene geistige Welt für immer verlassen und befand sich jetzt unterwegs nach einer anderen, neuen, besseren und schöneren, und ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß wir auch auf diesem geistigen Wege seine Gefährten waren, die an allen seinen Seelenäußerungen den innigsten Anteil nahmen. Ich kann also über unsere Fahrt keine sogenannten »Reiseabenteuer« berichten, an welcher sich doch nur die Oberflächlichkeit ergötzt; wer aber einen Sinn für die unendlich gestalten- und ereignisreiche Seelenwelt des Menschen hat und ein Verständnis für die Tiefe besitzt, in welcher die äußeren Vorgänge des Menschen- und des Völkerlebens geboren werden, der wird nicht mißvergnügt, sondern ganz im Gegenteile mit mir einverstanden darüber sein, daß ich ihn in diese Tiefe führe, anstatt ihn für einen Leser zu halten, der nur nach der Kost der Unverständigen verlangt.

Da gab es denn am dritten Tage, nachdem wir Hongkong verlassen hatten, ein Ereignis, welches ich in psychologischer Beziehung recht wohl ein »Abenteuer« nennen könnte. Wir hatten auf dem Deck gefrühstückt. Mary war auch dabei gewesen, dann aber zu ihrem Vater gegangen. Nun kam sie eiligst zurück und teilte Tsi in ängstlichem Tone mit:

»Ich bin bestürzt; ich habe einen Fehler begangen. Ich hatte in »Am Jenseits« gelesen und ließ das Buch, als das Zeichen zum Speisen gegeben wurde, auf dem Stuhle neben Vater liegen; ich glaubte, daß er schlafe. Als ich jetzt bei ihm eintrat, wachte er und hatte das Buch in der Hand. Er las. Denken Sie, er las in einem Buche des Verfassers, gegen den er stets gesprochen hat, weil er ihn nie verstand! Ich bat ihn um das Buch; er schüttelte nur den Kopf. Ich wiederholte meine Bitte zum zweiten und zum dritten Male. Da sah er mich so eigentümlich an und sagte: »Es ist mit mir etwas geschehn; ich weiß nicht, was, doch aber es geschah. Nun such ich hier und ahne, daß ich es finden werde. Laß mir das Buch! Ich lese grad von »El Mizan«, der Wage der Gerechtigkeit. Ich will wissen, was zwischen


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Tod und Leben für mich läge, wenn ich jetzt sterben würde!« Er war dabei so ernst, sein Blick so tief. Das beängstigte mich, und ich eilte hierher, um zu fragen, ob er nicht jetzt noch zu schwach ist, dieses Buch zu lesen.«

Da lächelte Tsi sie fröhlich an und antwortete:

»Haben Sie keine Sorge, Mylady! Er hat, als er im Arm des Todes lag, an dieser entsetzlichen Wage der Gerechtigkeit gestanden, und grad ihr Anblick ists gewesen, der ihn von seinem [seinen] frühern Irrtümern befreite. Sein Geist hat jenen entscheidenden Augenblick nicht behalten können; das quält ihn, ohne daß er davon redet. Wenn er nun in dem Buche wiederfindet, was seinem Gedächtnisse verloren gegangen ist, wird er innerlich klar und ruhig werden. Sie haben also nichts zu befürchten, sondern nur Gutes zu erwarten.«

Das klang so bestimmt, so überzeugt, daß es ihr unmöglich war, sich weiter zu ängstigen. Und dann, als wir vom Frühstückstische aufgestanden waren und ich mir mit dem Governor auf dem Deck Bewegung machte, sagte dieser:

»Ich will aufrichtig gegen Euch sein, Sir. Noch bis vor kurzem wäre es mir sehr, sehr schwer geworden, einzugestehen, daß ich diesen Chinesen verkannt habe. Nach der wundersamen Scene aber dort in der Kajüte giebt es für mich keine rückständigen Menschen und Nationen mehr. Und von dieser Eurer »Wage der Gerechtigkeit« habe ich gelernt, einzusehen, daß ich den Wert der denkenden Geschöpfe bisher mit vollständig falschem Maß gemessen habe. Dieser Tsi ist mir über, vielleicht in jeder Beziehung außer der Geburt, und das will ja nichts sagen, wenigstens hier. Welche Klarheit und Sicherheit in seinem ganzen Wesen, in jedem seiner Worte! Ich alter Graukopf kann noch von ihm lernen. Und seine Landsmännin, die »Yin«, das Bild in der Kajüte! Habe Sie gesehen, wie es im Lichte zu leben und jedes Wort des Kranzen zu verstehen schien? Ich habe da begonnen, die wahre Kunst zu begreifen und denke nun auch über den Marmorkopf ganz anders. Diese »Yin« ist mir in den letzten Tagen so lieb geworden, daß es ein Verlust für mich wäre, wenn sie nur als Kunstwerk existierte, ohne auch als Original vor mir stehen zu können. So! Das mußte und wollte ich sagen, zunächst nur Euch. Verratet mich aber nicht. Werde schon selbst sprechen, wenn meine Zeit gekommen ist!«

Von jetzt an hatte Waller, wenn man zu ihm kam und er nicht schlief, das Buch stets in der Hand, und es war ihm anzusehen, daß er es nur ungern aus derselben legte.

Was meinen Sejjid Omar betrifft, so war er auf der Jacht ganz wie daheim. Jedermann hatte ihn gern, und jedermann erfreute sich seiner Gegenliebe. Es gab für ihn in Beziehung auf meine Person so viel wie nichts zu thun, und das war recht gut, denn er gefiel sich während dieser Fahrt darin, seine Aufmerksamkeit zwischen mir und Tsi und Mary Waller zu teilen. Von Tsi bekam er noch immer Unterricht im Chinesischen; er saß stunden-


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lang [stundenlang] allein, um mit lauter Stimme hunderte von auswendiggelernten Wörtern herzusagen, versäumte aber keine Gelegenheit, mir zu wiederholen, daß es nur zwei wirkliche, vollendete Sprachen gebe, die arabische und die deutsche, und daß die chinesische eigentlich gar keine Worte, sondern nur ganz verkehrte Redensarten habe. Und was die Lady betrifft, so widmete er ihr seine unausgesetzte Dienstwilligkeit in einer Weise, welche der Verehrung glich. Das war der Einfluß edler Weiblichkeit auf einen Araber, welcher in der Anschauung aufgewachsen war, daß die Frau nichts weiter als nur des Mannes Dienerin sei.

Als wir uns Shanghai näherten, trat selbstverständlich die Frage an uns heran, ob und wie lange wir in diesem Hafen bleiben würden. Keiner wollte sie an Raffley richten, aber grad darum, weil wir keine Antwort auf sie wußten, beschäftigte sie uns um so mehr. Tsi mußte dabei nicht nur an sich, sondern auch an seinen Patienten denken, und in dieser Beziehung war es sogar seine Pflicht, zu wissen, wohin die Reise ging. Er wendete sich mit seinen Sorgen an mich, dessen Freundschaft mit Raffley auf Vermittlung rechnen ließ, und teilte mir im Vertrauen mit, daß er einen Ort kenne, welcher wie kein zweiter zur Aufnahme eines solchen, oder vielmehr dieses Kranken geeignet sei.

»Dort und nur dort allein,« sagte er, »würde Waller alles, aber auch alles finden, was für ihn nötig ist, wenn er nicht nur körperlich gesunden, sondern auch seelisch den wünschenswerten Abschluß seiner jetzigen Entwicklung erreichen soll. Aus diesem Grunde muß ich wünschen, daß nicht Raffley, sondern ich es wäre, welcher über das Ziel unserer Fahrt zu bestimmen hat.«

Es schien ihm nicht ganz leicht zu werden, weiter zu sprechen; er fuhr erst nach einigem Zögern fort:

»Ich sehe ein, daß ich aufrichtig sein und mein Geheimnis endlich vor Ihnen lüften muß, zumal Sie wohl von allem Anfang an geahnt haben, daß mein Vater etwas mehr ist, als er sich gegen Fremde merken ließ. Doch, wenn ich Ihnen nun die Wahrheit sage, so denken Sie ja nicht, daß ich mit ihr prunken will. Grad die Prahlerei ist das, was uns am fernsten liegt, und was ich Ihnen sage, würden Sie ja ohnehin erfahren.«

Wir saßen mit einander allein. Niemand hörte uns. Ich gestehe, daß ich gespannt auf die endliche Lösung dieses Rätsels war. Er begann sie mit den Worten:

»Kaiser Hoang-ti, welcher fast dreitausend Jahre vor Ihrer Zeitrechnung lebte und den Grund zu unserm Staatswesen legte, gab seinen Kindern Namen, welche auf ihre Nachkommen übergehen sollten und noch heute von keinem andern getragen werden dürfen. Der Name des Sohnes, von welchem ich abstamme, war Ki. Sie sehen, daß ich mich in Beziehung auf das, was Sie Adel nennen, vor keinem Europäer zu verbergen habe. Mein Stamm-


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baum [Stammbaum] hat nicht eine einzige Lücke, und auf keinem von allen diesen Namen ruht selbst nach den gegenwärtigen und europäischen Ehrbegriffen die geringste Schande. Mein Vater heißt Ki Tai Schin. Den Ehrennamen Tai Schin hat er direkt vom Kaiser bekommen. Er ist Mandarin der ersten Klasse und Ritter der »Gelben Flagge«. Solche Ritter giebt es im ganzen, großen Reiche nur fünf, und mit diesem allerhöchsten Rang ist das Recht über Leben und Tod verbunden. Ich erhielt, auch vom Kaiser, den Namen Ki Ti Weng, doch bitte ich, mich immerhin wie bisher Tsi zu nennen. Wir sind reich; ich kenne Raffleys Vermögen nicht, aber ein Vergleich sogar mit diesem Herrn würde sicher zu unsern Gunsten ausfallen. So, das als Einleitung. Ich mußte es sagen, obgleich es so sehr unbescheiden klingt.«

Es gilt zu den Namen zu bemerken, daß Tai Schin so viel wie »Große Pflichttreue« oder »Große Humanität« heißt. Vom Kaiser selbst gegeben, war das gewiß ein vielsagender Ehrennamen. Und Ti Weng heißt »Jüngerer Greis«. Nach der chinesischen Bedeutung dieses Wortes Greis, welche auf Wissen, Können und Erfahrung zielt, konnte Tsi mit dieser großen Auszeichnung wohl mehr als nur zufrieden sein. Der junge Mann war aber nichts weniger als eingebildet stolz. Er sprach weiter:

»Als ich in Frankreich war, lernte mein Vater in Peking einen Engländer Namens Blackstone kennen, den ich also nie gesehen habe, obgleich die beiden sich außerordentlich nahegetreten sind und trotz des Altersunterschiedes einander Brüder nennen. Dieser Blackstone muß ein selten begabter Mann sein, reich, human, thatkräftig, für hohe Ziele opferwillig, kurz von den edelsten Gesinnungen beseelt. Ich stelle mir ihn wie unsern Raffley vor. Wie es gekommen ist, das möchte ich nicht ausführlich beschreiben, aber Vater war und ist voller Begeisterung für diesen Europäer. Jeder der beiden liebt sein Vaterland von ganzem Herzen, und während Vater der Ueberzeugung ist, daß China zwar das volle Recht besitzt, sich dem Abendlande zu verschließen, aber doch klug daran thue, seine Eigenart im friedlichen Völkerverkehre zur Geltung zu bringen, wird von Blackstone der christlich lieben Anschauung das Wort gesprochen, daß für den Westen im Osten noch ungeahnte Schätze liegen, die man sich aber nicht mit dem Schwerte zu erobern, sondern in freundlicher und redlicher Weise einzutauschen habe. In diesen zwei Männern kommen also Morgen- und Abendland einander in der Weise entgegen, wie es von der wahren Intelligenz, der wahren Humanität und dem wahren Christentum befohlen wird. Sie faßten den Entschluß, diese Harmonie der Gesinnung in die That, diese Theorie in die Praxis umzusetzen, und erwarben an der chinesischen Küste eine Landstrecke, welche groß genug und in jeder Beziehung geeignet war, diesem Zwecke zu dienen. Ich weiß nicht alles, was sie da geschaffen haben, obgleich


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Vater mir so viel davon erzählt hat, denn er ist ja bis kürzlich fast zwei Jahre lang von dort abwesend gewesen und also über das Neueste selbst noch nicht genau unterrichtet.«

»So ist er wohl jetzt wieder dort?« erkundigte ich mich.

»Ja.«

»Und Blackstone auch?«

»Dieser nicht. Er hat Vater geschrieben, daß er nach England müsse, aber bald zurückkehren werde. Das war vor schon längerer Zeit, so daß er also bald wieder zu erwarten ist. Ich verzichte jetzt auch deshalb darauf, Ihnen Näheres mitzuteilen, weil, wenn sich mein Wunsch erfüllt, Sie ja alles mit eigenen Augen sehen werden. Nur bitte ich, wenn Blackstone kommt, zu ihm ja nicht von dem geheimnisvollen Zeichen Pu zu sprechen, denn er weiß noch nichts davon. Vater betrachtet ihn, wie gesagt, als jüngeren Bruder, hat ihm aber über dieses Geheimnis noch nichts mitgeteilt, damit er die ihm nötige Unbefangenheit nicht verlieren möge. Sie aber haben nun gehört, was ich Ihnen sagen wollte. Meinen Sie, bei Raffley erwirken zu können, daß er mir den Patienten überläßt?«

»Ich werde es versuchen,« antwortete ich. »Ob ich es erreiche, kann ich freilich nicht sagen. Ich darf ihm natürlich mitteilen, wer und was Sie sind?«

»Ich bitte sogar darum. Dieses Inkognito ist unter den jetzigen Verhältnissen doch nicht länger festzuhalten.«

Es war dann nach dem Abendessen. Raffley kam mit irgend einer Frage zu mir in meine Kabine. Da nahm ich die Gelegenheit wahr und trug ihm vor, was ich von Tsi gehört hatte. Die Wirkung war ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Er machte zunächst ein sehr erstauntes Gesicht; dann lächelte er im höchsten Grade vergnügt; hierauf wurde er wieder ernst, doch war es ein glücklicher Ernst, und als ich fertig war, nickte er befriedigt vor sich hin und sagte:

»Wer hätte das gedacht! Also dieser Tsi ist dieser Ki Ti Weng, auf welchen wir so große Hoffnungen setzen!«

»Wie? Sie haben schon von Ki Ti Weng gehört?« fragte ich überrascht.

»Gehört? Hm! Charley, hören Sie, was ich Ihnen jetzt sage!«

Er trat vor mich hin, legte mir seine beiden Hände auf die Achseln und fuhr fort, indem er die Worte gewichtig auseinander zog:

»Dieser – – Blackstone – – bin – – nämlich – – ich – – ! Ich habe mich nach einem meiner Schlösser, Blackstone Castle, so genannt!«

Natürlich war die Reihe, sich zu wundern, nun an mir, und dies that ich so gründlich, daß er lachend ausrief:

»Glauben Sie es getrost; es ist die volle reine


[Sp. 261]

Wahrheit! Ich werde Ihnen erzählen, wie das so gekommen ist. Aber kommen Sie heraus aus dieser Koje! Wir müssen draußen unter dem freien Himmel sein und die Sterne über uns haben, wenn ich Ihnen berichte, wo, wann und wir mir der Stern meines Lebens aufgegangen ist.«

Wir setzten uns hinaus aufs offene Deck, und da begann er, zu erzählen. Es war eine Liebesgeschichte, aber was für eine! Seelentief, heilig ernst, die Vereinigung zweier, für einander bestimmter Wesen zu einem einzig einen! Nun das Schweigen einmal gebrochen war, sprach er so selig gern und darum so ausführlich von ihr. Er war kein Mann der Phantasie; man hörte jedem Worte an, daß er nicht übertrieb. Was für ein herrliches Weib mußte diese Yin sein, deren Einwirkung ihn so vertieft und so veredelt hatte! Ich muß natürlich kürzer sein, als er es war.

Ihr Vater war droben in Hla-Ssa, der Hauptstadt von Tibet, wo der Dalai-Lama thront, Gouverneur des Kaiserreiches China gewesen. Dort wurde sie geboren, und daher kam es, daß ihre Füße nicht zu chinesischen Klumpfüßchen verunstaltet worden waren. Ihr Vater gehörte auch der adeligen Familie der Ki an. Er starb in Tibet. Sie kam mit ihrer Mutter nach Peking zu einem sehr wohlhabenden Bruder der letzteren, welcher ohne Frau und Kinder war und sein Leben nur im Studium der buddhistischen und konfuzianischen Lehren verbrachte. Er gewann das schöne, ganz eigen geartete Kind lieb und beschäftigte sich so viel mit demselben, daß es sich nach und nach in ihn einlebte und an seiner geistigen Thätigkeit den größten Anteil nahm. Das Mädchen lernte lesen und schreiben, bei Chinesinnen eine große Seltenheit, wurde in die Gedankenwelt des Oheims eingeführt und von diesem als Erbin nicht nur seines Vermögens, sondern auch seiner Seelenwelt betrachtet. So wuchs sie heran, immer schöner werdend, doch nicht begehrend, als nur für die Mutter und den Oheim leben zu dürfen. Dieser ahnte in seiner Bescheidenheit gar nicht, daß er ein berühmter Gelehrter war, den sogar Ausländer aufsuchten, um ihn kennen zu lernen. Er war der englischen Sprache mächtig und brachte seine Mußestunden gern damit zu, auch seine Nichte in dieselbe einzuführen. So kam es, daß sie europäische Bücher lesen lernte und vom Onkel die Erlaubnis erhielt, mit den Frauen der abendländischen Gesandtschaft zu verkehren. Was bei einem Manne die ganz gewisse Folge gewesen wäre, nämlich ein innerlicher Zwist zwischen der heimischen und der fremden Anschauung, das wurde bei Yin zum freundlichen Streben beider, in ihr zu einer vollen, friedlich klaren Harmonie zusammenzuklingen. Und wie es ganz gewiß wahr ist, daß die Seele die plastische Entwicklung des Körpers beeinflußt, so wurde es je länger desto schwerer, aus den Gesichtszügen dieses Mädchens die mongolische


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Abstammung zu folgern. Und grad diese Durchgeistigung des einen von dem andern war es, wodurch Raffley sofort und für immer gefesselt worden war, als er sie bei dem Besuche einer englischen Familie zum ersten Male gesehen und gesprochen hatte. Ein so ungewöhnlicher Mann wie er konnte allerdings auch nur durch ein so seltenes Wesen wie sie zu dem Entschlusse bewogen werden, alles an das große Glück zu setzen, sie sein Eigen nennen zu dürfen. Indem er in dieser Weise von ihr sprach, sagte er:

»Ich fühlte es, als ich sie kennen lernte, doch klar ist es mir erst nach und nach geworden, daß in ihr die Vereinigung zweier Ideale Gestalt und Leben gewonnen hat. Wird die Erde jemals ein einig einziges Schönheitsideal besitzen? Ich weiß es nicht. Aber meine Yin ist es, nach der ich es meiseln [meißeln] oder malen würde, wenn ich Künstler wäre! Und ich meine das nicht nur in körperlicher Beziehung. Die Summe aller seelischen Vorzüge kann nichts anderes als nur Güte sein, und Yin ist ganz unfähig, etwas anderes zu sein, als nur die Güte selbst. Ich habe um sie gedient, wie Jakob einst um seine Rahel diente, zwar nicht so lange, aber mit derselben Opferwilligkeit. Sie liebte mich, doch ihr Oheim weigerte sich, sie der Gefahr auszusetzen, sich von einem abendländischen Edelmanne, dessen Verwandte sie nicht anerkennen würden, später vielleicht verlassen zu sehen. Da lernte ich Ki Tai Schin kennen und verkehrte täglich mit ihm, doch ohne ihm auch nur ein einziges Wort über Yin zu sagen. Ich hatte früher die mongolische Rasse tief unterschätzt, wie fast jeder Europäer es thut, doch war es der Liebe gelungen, mir die Augen zu öffnen. Yin lebte in mir. Das gewann mir die Freundschaft dieses so hochgebildeten und weitblickenden Mandarinen. Er erfuhr den eigentlichen Grund meines Handelns nicht, aber wir wurden mit einander einig, das Werk zu schaffen, von welchem Ihnen sein Sohn berichtet hat.«

Raffley hatte sich diesem Werke mit größtem Eifer hingegeben, doch erst als es zu einem überzeugenden Beweise gediehen war, hatte der Oheim ihn benachrichtigt, daß er ihn nun auch persönlich näher kennen lernen wolle. Um diese Zeit was es, daß Fu, wie ich ihn noch nennen will, seine große Studienreise in das Ausland unternahm, um am Schlusse derselben seinen Sohn aus dem Abendlande heimzuführen. Raffley, der sich seiner hocharistokratischen Familie wegen Blackstone nannte, sah endlich seinen Herzenswunsch erfüllt: Yin wurde sein; Mutter und Oheim verließen mit ihr Peking, um sich an Raffleys Arbeit zu bethätigen. In dieser ersten Zeit des Glückes wurde die Jacht gebaut, welche natürlich gar nicht anders als nur Yin heißen konnte. Aber einem Charakter wie Raffley konnte ein verheimlichtes Glück kein ganzes, kein volles sein. Er war unendlich stolz auf den Schatz, den er erworben hatte, und wollte ihn von


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seinen Verwandten anerkannt sehen. Er war es dieser Frau schuldig, daß sie von den Seinen so geehrt und so geachtet wurde, wie sie es verdiente. Darum ging er nach England. Er fand dort nichts als Widerstand. John Raffley, und eine Chinesin, pfui! Es hatte da Scenen gegeben, welche er nicht beschrieb, sondern nur ahnen ließ. Aber da war ganz unerwartet ein glückverheißender Umstand eingetreten: der Governor wettete ebenso gern wie Raffley selbst und hatte während einer derartigen Scene eine Wette vorgeschlagen, welche von allen Beteiligten acceptiert worden war. Er wollte mit nach China gehen, um diese Yin zu sehen. Gefiel sie ihm, so sollte sie anerkannt und als vollständig ebenbürtig betrachtet werden; gefiel sie ihm aber nicht, so hatte Raffley auf alles zu verzichten, was er war und was er besaß. Diese Bedingungen wurden amtlich festgestellt, beglaubigt und von allen dabei interessierten Personen unterzeichnet. Dann trat Raffley mit dem Governor die Rückfahrt an, vollständig überzeugt, daß er gewinnen werde. Der alte Gentleman aber forderte, daß unterwegs niemals von Yin gesprochen werden dürfe, weil dies sein Urteil im voraus beeinflussen könne, und Raffley weigerte sich nicht, auch hierzu seine Einwilligung zu erteilen.

Das also war die »große Wette«, von welcher der Governor einige Male vertraulich zu mir gesprochen hatte, und darum war diese schöne Yin für ihn ein »Gespenst«, vor welchem er sich scheute. Je näher er China gekommen war, desto mehr hatte sich in ihm die Befürchtung vergrößert, daß er einer Niederlage entgegengehe.

Als Raffley mir das alles erzählt hatte, ging er mit mir zu Tsi und teilte ihm mit, daß und aus welchem Grunde ihr beider Reiseziel dasselbe sei. Das Erstaunen des Chinesen war ebenso groß wie seine Freude. Hatte er mir doch so richtig ahnend gesagt, daß er sich diesen Blackstone ganz wie Raffley vorstelle. Nun war mit einem Male alles glatt und klar geworden, und es sollte für Tsi noch eine ganz besondere Genugthuung geben, denn zufällig näherte sich uns jetzt der Governor, zu welchem Raffley sagte:

»Soeben hat es sich herausgestellt, daß Doktor Tsi sich inkognito bei uns befindet. Er heißt Ki Ti Weng und ist der Sohn meines Freundes Ki Tai Schin, von dem ich Euch so viel berichtet habe.«

Tsi verbeugte sich höflich. Der Governor stand zunächst kerzengerade und rührte sich nicht. Dann fragte er:

»Der Sohn des Mandarinen mit dem viertausendsechshundert Jahre alten Adel?«

»Ja.«

»So wartet einen Augenblick!«

Er drehte sich um und eilte fort. Nach kaum einer Minute war er wieder da, schob Raffley eine Anzahl Goldstücke in die Hand und sagte dann, sich mit einer Verbeugung an Tsi wendend:


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»Die Ehre gebietet mir, aufrichtig zu sein, Sir. Ich war Euch nicht hold und wettete um zwanzig Pfund, daß ich Euch nicht liebgewinnen würde. Das war sehr voreilig von mir, denn Ihr seid ein Mann, dem ich alle Achtung zolle. Hier zahle ich die verlorene Summe und bitte um die Erlaubnis, Euch nicht bloß achten sondern auch liebhaben zu dürfen. So! Das ist vom Herzen herunter! Habe Euch nämlich längst schon heimlich lieb, wollte es nur nicht eingestehen. Kommt, gebt mir Euren Arm! Wollen miteinander promenieren gehen!«

Er zog den Arm des Arztes unter den seinen und ging mit ihm fort.

»Alter, echter Gentleman!« sagte Raffley gerührt. »Wenn es nur nicht so schwer wäre, die alten, eingewurzelten Vorurteile zu überwinden! Ich bin aber trotzdem überzeugt, daß er schon in den nächsten Tagen auch mit meiner herrlichen Yin genau so Arm in Arm promenieren gehen wird.«

In Shanghai blieben wir einen ganzen Tag, denn es gab für alle Gesunden das Bedürfnis, sich einmal eine anhaltendere Bewegung zu machen, als an Bord möglich war. Es gelang mir, zwei gute Pferde aufzutreiben, um mit meinem Sejjid Omar, der sich sehr darüber freute, einen Ritt über den schattigen »Bund« und durch die jenseits des chinesischen Stadtteiles liegenden Avenuen zu machen. Dann begleitete ich Raffley durch die Läden, in denen er noch Gegenstände für die Geliebte suchte. Es hatte aber den Anschein, als ob ihm nichts ihrer recht würdig sei, obgleich er mir im Tone des Glückes anvertraute, daß sie die Einfachheit liebe und auch gar nicht nötig


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habe, sich zu schmücken, da sie selbst die köstlichste Perle sei, die man sich nur denken könne.

Am Abende besuchten wir mit Mary Waller den berühmten, wunderbar illuminierten Garten von Chang Su Ho. Tsi hielt es für notwendig, der Lady diese Abwechslung zu bieten, zumal das Befinden ihres Vaters es ihr jetzt erlaubte, sich für einige Stunden von ihm zu beurlauben. Für morgen war der erste Versuch, das Lager zu verlassen, für ihn festgesetzt, doch hatte er gebeten, daß dies nicht am Tage, sondern abends geschehen möge, weil er so lange Zeit den Sternenhimmel nicht mehr gesehen habe. Dieser Wunsch war, wenigstens mir, recht wohl begreiflich.

Wir hatten uns in dem erwähnten Garten für uns allein gesetzt und betrachteten mit regem Interesse das vielgestaltete Leben, welches in der prachtvollen künstlichen Beleuchtung vor uns auf- und niederwogte. Da sprang Tsi plötzlich auf und eilte einem kleinen, schmächtigen Chinesen nach, welcher an uns vorübergegangen war, ohne von uns beachtet worden zu sein. Er hielt ihn fest und sprach zu ihm, ohne ihn vorher in der landesüblichen, umständlichen Weise begrüßt zu haben; der Kleine schien also ein näherer Bekannter von ihm zu sein. Dann führte er ihn uns zu, und ich sah zu meiner Ueberraschung, daß es Fang, mein Bekannter von Point de Galle her war. Er stellte ihn uns unter Aufzählung aller Titel und Würden vor und fügte hinzu, daß dieser Mandarin des roten Blumenknopfes früher sein Lehrer gewesen und einer der berühmtesten Aerzte Chinas sei. Ich streckte den lieben Kleinen nach europäischem Brauche meine beiden Hände hin, um ihn willkommen zu heißen, wodurch die andern erfuhren, daß wir uns schon kannten. Er nahm selbstverständlich bei uns Platz, und da stellte es sich bald heraus, daß er in der Absicht, zu Tsis Vater zu reisen, hier in Shanghai nach einer Schiffsgelegenheit dorthin gesucht


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hatte. Raffley beeilte sich, ihn einzuladen, mit uns zu fahren, und es wurde bereitwilligst angenommen.

Im Laufe der Unterhaltung fielen zwischen Fang und Tsi einige Aeußerungen, aus denen ich entnehmen zu dürfen glaubte, daß sie in Beziehung auf das geheimnisvolle »Pu« einander nahe standen. Dann kam die Rede auf unsern Patienten. Tsi begann zu erzählen. Fang hörte mit größtem Interesse, welches sich oft zur Spannung steigerte, zu und unterbrach den Bericht hier und da mit Erkundigungen, welche verrieten, daß er sich hier auf einem Gebiete befinde, auf dem er vielleicht noch heimischer als sein einstiger Schüler sei. Er hielt uns, als Tsi zu Ende war, über das Thema »Vision« ein Privatissimum, welches selbst einem europäischen Gelehrten ersten Ranges Bewunderung abgenötigt hätte, stimmte der bisherigen Behandlung Wallers in jeder Beziehung vollständig bei und versicherte uns, daß die abendländische Wissenschaft hier vor einem Felde stehe, welches die Geringschätzung, mit der man es bis heut behandelt habe, nichts weniger als verdiene. Nach einiger Zeit verabschiedete er sich für einstweilen von uns, um sein Gepäck zu besorgen, und als wir dann an Bord ankamen, war er schon da und erzählte uns in heiterer Weise, daß mein Sejjid Omar ihn sogleich erkannt und eine wunderbare chinesische Rede vom Stapel gelassen habe.

Am folgenden Vormittage nahmen wir Anker auf und gingen bei prächtigstem Wetter mit vollem Dampf weiter. Indem wir uns von der Tschisu-Linie weit nach Westen hielten, entfernten wir uns von dem Kurse europäischer Fahrzeuge und bekamen nur dann und wann ein chinesisches zu sehen. Auch an Bord schien es weniger Leben als sonst zu geben. Mary war bei ihrem Vater. Tsi saß, wenn er sich nicht mit dem Kranken beschäftigte, mit Fang beisammen; sie hatte ja einander viel zu berichten. Raffley beschäftigte sich mit dem Ordnen der Geschenke, welche er nach unserer Ankunft zu verteilen hatte, und der Governor war heut von einer Nervosität, welche ihn fast ungenießbar machte. Ich versuchte einige Male, ein Gespräch mit ihm zu beginnen; er hielt mir aber nicht Stand. Das war wohl freilich zu begreifen, weil die Entscheidung nun so nahe lag. Bei einem dieser Versuche sah er mich wie ratlos an und sagte:

»Wißt Ihr, Sir, was morgen geschieht, schon morgen? O, diese Yin! Ich wünsche sie ins Pfefferland und freue mich doch fast wie ein Kind auf sie! Ist das nicht verrückt? Werde ich gewinnen oder verlieren? Pshaw! Ich brauche ja nur fest zu behaupten, daß sie mir nicht gefällt, so habe ich den Sieg! Aber erstens wäre das eine Lüge, weil mir doch schon ihr Bild gefällt. Zweitens liegt mir dieser alte, liebe John am Herzen. Sollen wir ihn um alles, alles bringen, weil er so klug ist, wirklich glücklich sein zu wollen? Und drittens, hm, drittens kommt mir diese ganze Wette so unsinnig vor, daß ich mich gar nicht begreife. Wie ein vernünftiger Mensch nur wetten kann!«


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Das klang grad aus seinem Munde so sonderbar, daß ich ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. Er sah das und fuhr schnell und fast zornig fort:

»Lacht nur, Sir, immer lacht! Wer hat denn diesen Hieb gegen John und mich geführt? Ihr! Jede Wette ging verloren, nur die Eurige nicht. Und Waller wird die seinige auch bezahlen müssen! Nun treibt mich heut die Ungewißheit hin und her, und ich kann mir nicht einmal mit einer Wette Luft machen! Und wenn ich könnte, so würde ich es doch nicht thun, denn ich – – ich – – – ich wette nie in meinem Leben mehr! Hört Ihr es? Nie! Und daran seid Ihr schuld, Ihr fataler, schrecklicher – – guter, lieber Mensch!«

Er drehte sich auf den Hacken um und ließ mich stehen. Der Kampf des Menschen mit sich selbst ist der schwerste, den es giebt. Es gelingt nur wenigen, ihn bis zum Ende und siegreich durchzuführen.

Am Abende wurde bei Yins Kajüte für Waller ein weicher, bequemer Sitz bereitet. Tsi und Mary waren bei ihm. Ich stieg mit Fang auf das Verdeck dieser Kajüte, von wo aus wir den Kranken nahe unter uns hatten. Als ihn die beiden geführt brachten, gab er sich Mühe, stark zu sein; aber sie mußten ihn doch mehr tragen oder halten, als daß sie ihn leiteten, und als er den Sitz erreichte, sank er vollständig ermattet auf denselben nieder und schloß die Augen. Sie nahmen in seiner Nähe Platz.

Erst nach längerer Zeit öffnete er die Augen wieder und richtete sie zum Firmament empor. Er sagte nichts; seine Seele war mit sich selbst beschäftigt. In dieser Stille verging eine lange, lange Zeit. Da kam der Mond im Osten aus der See gestiegen. Der Kranke wurde zunächst unruhig; dann lag er wieder still. Und plötzlich, so unerwartet und so laut, daß wir fast erschraken, ertönte seine Stimme:

»Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein;

Laßt ihren Puls durch alle Länder schlagen;

Dann wird ein Paradies die Erde sein,

Denn ihr habt ihr den Himmel zugetragen!«

Wir konnten ihn nur sehen, wenn wir uns von oben vorbeugten, und da wir befürchteten, ihn dadurch zu stören, so wurde es von jetzt an unterlassen. Wie vermieden jedes, auch das geringste Geräusch, und so hörten wir, daß er vor sich hinflüsterte. Dann wurde seine Stimme wieder laut:

»Steigt nieder, die ihr jetzt am Himmel strahlt, zu der, die euch nur aus der Ferne kennt, zur Welt des Scheins, der mit dem Lichte prahlt, obgleich sie nichts als nur geborgtes brennt! Steig nieder, heiliger Stern von Ephrata, der du der Stern der wahren Liebe bist; erscheine, wie´s in jener Nacht geschah, und zeige uns wie dort den wahren Christ!«

Ich sah den Sprechenden nicht, und dadurch bekam das, was er sagte, einen ganz eigenartigen, unbeschreiblichen Klang für mich. Es kam wie aus großer Tiefe oder weiter Ferne, ein Ruf, wie aus der Zeit des Alten Testamentes. Nun fuhr er fort:


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»Wo ist die Liebe, die am ersten Tag der Menschheit Christi arm geworden war, die ohne Dünkel in der Krippe lag und Demut übte stets und immerdar? Wo ist die Liebe, die zum Jünger kam und ihm nur dann die Seligkeit verhieß, wenn er das Kreuz geduldig auf sich nahm und alle Erdengüter von sich stieß? Wo ist die Liebe, welche der geliebt, der jede ihrer Gaben so verstand, daß alles, alles, was die Rechte giebt, verborgen bleibt der andern, linken Hand? Wo ist die Liebe, die sich willig bot, als Opferlamm, trotz aller Qual und Pein, durch einen unerhörten Martertod für Freund und Feind ein ewges Heil zu sein?«

Es war ein schwer ernster Ton, in welchem er diese vier Fragen ausgesprochen hatte, ein Grave, welches gar nicht gewichtiger erklingen konnte. Dann hörten wir ihn in eindringlich mahnender Weise weitersprechen:

»Sie ist von Ewigkeit zu Ewigkeit; sie ehrt den Staub und glänzt im Alpenfirn. Sie trägt den Raum; sie wohnt in jeder Zeit; warum verschließt sich ihr das Menschenhirn? Es schlägt ihr Puls, wenn auch ihm unbewußt, weil er des Herzens Stimme nicht versteht, sogar in jedes Egoisten Brust, in der ein Odem auf und niedergeht. Gieb ihr doch Raum, du armes Menschenkind, den Raum, den ihr das erste Ostern gab; glaub an die Engel, die gekommen sind; sie nehmen gern den Stein dir von dem Grab!«

Wie wunderbar das zu hören war! Nicht wie eine Rede, noch weniger wie eine Deklamation. Es schien gar keiner Schallwellen und gar keines Ohres zu bedürfen, um das Herz zu erreichen. Es wirkte unmittelbar; kein Sträuben half dagegen. Hierauf erhob er seine Stimme wieder:

»Kling weit hinaus, so weit das Wort nur klingt, du frohe Botschaft, daß der wahre Christ von Herzen gern das größte Opfer bringt, weil es für ihn ja doch kein Opfer ist. Kling weit hinaus, so weit die Erde reicht, du Wort des Heiles, das auch uns bekehrt, und wer als Jünger seinem Meister gleicht, durch den seist du der Heidenwelt beschert. Kling weit hinaus, und wo du auch ertönst, sei Evangelium für jedermann. Wenn du die Völker einigst und versöhnst, bricht für uns Christi Reich des Friedens an!«

Er hatte die letzten Sätze immer langsamer und langsamer gesprochen; nun war er still. Nach längerer Zeit hörten wir, daß er nach seiner Kajüte verlangte. Ich stieg schnell hinab, um Tsi zu helfen, ihn dorthin zu bringen. Er war sehr schwach zum Gehen, doch leicht wie ein Kind. Als sein Lager ihn aufgenommen hatte, schien er vor Ermüdung sofort einzuschlafen. Tsi aber sagte Mary und mir, er glaube, daß der Kranke höchst wahrscheinlich noch etwas zu sagen habe. Die Besprechung des Gedichtes Zeile für Zeile sei allerdings beendet; aber weil derselben die Erscheinung von Marys Mutter vorangegangen sei, dürfe man fast mit Sicherheit erwarten, daß er sie auch nun zum Schlusse wieder sehen werde. Diese Bemerkung mochte auf meinem Gesichte eine, wenn auch unausgesprochene, aber doch sehr deutlich lesbare Frage hervorgebracht haben, denn er fügte, indem er dabei lächelte, hinzu:


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»Sie wundern sich über die Sicherheit, mit welcher ich das wahrscheinlich Kommende voraussage? Hätten Sie eine Ahnung von der strengen, unfehlbaren Logik, mit welcher sich diese für Sie so geheimnisvollen psychischen Thatsachen entwickeln, so würden Sie nicht staunen. Die Ereignisse auf diesem Gebiete geschehen nach wenigstens ebenso unerschütterlichen Gesetzen wie die Vorkommnisse der nicht metaphysischen Welt. Miß Mary mag hier bleiben und sich still verhalten; wir beide aber nehmen wieder draußen vor der Thür Platz, wo wir am letzten Male gesessen haben. Sie werden bald hören, daß ich mit meinen Vermutungen das Richtige getroffen habe.«

Bei unserer vorigen Beobachtung Wallers war es früher am Abende gewesen als heut; aber auch die Mondzeit war unterdessen vorgeschritten, und so kam es, daß die Verhältnisse fast genau dieselben waren: der sanfte, weiche Schein des Lichtes fiel durch die großen Glasscheiben auf das Lager und stieg an der Gestalt des Ruhenden langsam empor. Als er das Gesicht erreicht hatte, begann Waller, sich zu bewegen. Er sprach jetzt nur ein einziges Wort; es war der Name seiner Frau. Dann lag er wieder still; es war, als ob er lausche. Hierauf wurde er abermals unruhig und wendete unter leisem Flüstern sein Gesicht hin und her, bis es, dem Mondscheine zugewendet, liegen blieb. Und nun begann er laut und deutlich:

»Du kamst zu mir und gabst mir Augenlicht, in eure liebe, reine Welt zu schauen. Ich sah der Wahrheit in das Angesicht und will der Herrlichen mich anvertrauen. Wem sie gelehrt, die Täuschung zu besiegen, der soll dem Schein nicht wieder unterliegen. – – – – Du kamst zu mir, warst einem Engel gleich, der Liebe brachte und um Liebe bat; es hat ja immer nur das Himmelreich für unser Erdenreich den besten Rat. Es wollte sich mir im Gedichte zeigen, um durch dasselbe in mein Herz zu steigen. – – – Nun ist es da. Es ist die Seligkeit, die schon in diesem Leben mit gehört. O würde doch der Mensch nicht durch die Zeit und das, was sie ihm vortäuscht, so bethört! Er würde kühn sich an das Ewge wagen und dann als Preis den Himmel in sich tragen!«

Hatte ich schon einmal solche Worte gehört? Niemals in meinem ganzen Leben! Sich an das Ewige wagen! Ist das vielleicht so verwegen, wie es klingt? Nein; wir sollen es sogar! Aber wir sollen nicht nur an des Ewige denken, sondern auch für die Ewigkeit leben, denn – – wir leben ja schon in der Ewigkeit. Zeit wird ja nur der winzige Teil von ihr genannt, in welchem der Mensch nach seinen Erdenstunden zählt. – Waller hatte hier innegehalten. Nun sprach er im Tone der Liebe weiter:

»Gieb mir die Hand, wie du sie mir gereicht, als du, mein Weib und Engel, zu mir kamst. Es hatte sich mir schon der Tod gezeigt, grad als du mich in deine Führung nahmst. Ich bin ihm nur durch dich, durch dich entgangen, und hab nun jenes Leben angefangen. – – – – Wie


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dank ich dir! Nun bist du himmlisch mein, die du nur irdisch einst die Meine warst. Laß mich ein Schüler jener Liebe sein, als deren Strahl du dich mir offenbarst. Ich will ihr frei und ohne Falsch gehorchen und sie mir nicht auf andrer Namen borgen.«

Er hatte seine beiden Hände ausgestreckt, dem Mondesstrahle entgegen, und sie dann so ineinander gelegt, als ob er zwischen ihnen die Hand einer unsichtbaren Person festhalte. Jetzt machte er eine Bewegung, als ob er diese Hand wieder freigebe, und ließ die letzten Worte folgen, denen er am Schlusse einen schweren Nachdruck gab:

»Du lächelst froh, indem du von mir gehst. Die Hände faltend, schaust du himmelan. Ich höre, was du uns von dort erflehst; es ist die Seligkeit für jedermann. Was macht zum Himmelreich denn schon die Erde? Ein einzger Hirt und eine einzge Herde!«

Das war das Ende seines heutigen Gesichtes. Er wendete sich nach einiger Zeit nach den andern Seite, und Tsi war überzeugt, daß er nun nicht wieder sprechen werde. Mary kam dann heraus zu uns. Auch sie war tief ergriffen. Wir sprachen noch lange über das, was wir gehört hatten. Kein Wort aber fiel darüber, ob der Zustand, in welchem Waller diese Visionen hatte, für ihn vielleicht gefährlich sei. Wir waren überzeugt, daß Tsi in diesem Falle unbedingt Einhalt gethan hätte. Einer andern Frage aber mußte ich Worte geben:

»Glauben Sie, daß Mr. Waller weiß, was er spricht?«

»Alles, alles weiß er, jedes Wort,« antwortete der Arzt. »Haben Sie es ihm nicht angehört, daß er während des Sprechens überlegt? Er bekommt das, was wir von ihm hören, zunächst nicht etwa für uns, sondern für sich selbst. Er hört es, wie wir hören, wenn gesprochen wird; er könnte es schweigend entgegennehmen; aber er spricht es laut und deutlich aus, weil es ihm dadurch leichter wird, es sich zu eigen zu machen. Er prägt es seinem Gedächtnisse ein, und wenn er es auch nicht wörtlich behält, so nimmt er doch ganz gewiß wenigstens den Sinn aus dem visionären Zustande mit herüber in das körperliche Leben. Hier bewegt und entwickelt er es sich weiter. Er kann sich dieser Einwirkung des Jenseits nicht entziehen; sie ist für ihn maßgebender und glaubwürdiger, als die Meinungen aller irdischen Autoritäten, und so kommt es, daß seine Ansichten ganz andere werden, als sie früher gewesen sind. Er wird das, was man nicht hier, in dieser Welt der Irrsale, sondern dort in jenem Reich klar gewordener Geister einen Christen nennt.«

»Geister? Vielleicht auch Seelen?« fragte Mary. »Glauben Sie, daß sie den Menschen sagen können, was meinem Vater gesagt worden ist? Sie befinden sich doch in der Ewigkeit; wir aber sind noch hier auf der Erde!«

»Ewigkeit und Erde schließen einander doch nicht aus,« erklärte Tsi. »Die Ewigkeit ist vor uns, hinter uns, neben und rund um uns. Wir befinden uns in ihr. Unsere Erde


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ist eines der winzigen, ununterbrochen im Kreise rinnenden Körnchen der nie sich erschöpfenden, nie sich leerenden Sanduhr der Ewigkeit. Es ist einer der größten und unverzeihlichsten Gewohnheitsirrtümer, anzunehmen, daß die Ewigkeit für uns erst nach unserm Tode beginne. Wir leben in ihr und gehören zu ihr, wie die von Ihnen erwähnten Geister und Seelen zu ihr gehören. Wenn Ihr Glaube diese Seelen in die Ewigkeit versetzt, in welcher Sie sich doch in Wirklichkeit schon selbst auch befinden, so sagt er doch weiter nichts, als daß sie hier bei Ihnen geblieben sind. Und ist dies der Fall, so ist es doch ganz selbstverständlich, daß diese Geister nicht nur auf uns wirken können, sondern sogar auf uns wirken müssen, besonders da es für sie keine körperlichen und räumlichen Verhältnisse giebt, durch welche sie daran gehindert werden. Für uns Chinesen ist das etwas so unendlich Selbstverständliches, daß wir mit unsern nur scheinbar Abgeschiedenen in der lieben, dankbaren Weise verkehren, welcher Sie so unberechtigter Weise die Bezeichnung Ahnenkultus gegeben haben. Ich sage Ihnen, daß es für andere von unermeßlichem Vorteile sein würde, wenn auch ihnen endlich die Erkenntnis käme, daß sie durch ihren Unglauben in dieser Beziehung zu einer lieblosen Entfremdung mit denen geführt werden, welche sich in diesem Leben für uns opferten und sich auch in jenem weiter für uns opfern, ohne daß wir es ihnen hier danken konnten, es ihnen also nun dort danken sollen! Sie sind da; sie sind hier bei uns; ich schwöre es Ihnen zu! Nun denken Sie sich ihr Herzeleid, ihre Trauer darüber, daß Sie sie von sich verstoßen und nichts von ihnen wissen wollen, und zwar nur aus dem ganz unzureichenden Grunde, daß Ihre materiellen Sinne nicht fein genug sind, das Geistige zu schauen, zu empfinden! Es sind bittere Schmerzen, welche Sie dadurch den teuren Wesen bereiten, welche Ihnen hier in der Zeit nahe gestanden haben und auch hier in der Ewigkeit nahe bleiben sollen. Giebt es denn für Euch doch sonst so klugen Menschen kein Mittel, Euch von dieser geistigen Kurzsichtigkeit zu befreien und den zur Seligkeit Bestimmten diese Seligkeit nicht länger zu vergällen?«

Der sonst so ruhige, junge Gelehrte war erregt geworden; er stand auf und entfernte sich. Darum verabschiedete auch ich mich bald von Mary, um schlafen zu gehen, war aber überzeugt, daß der zur Ruhe gehörige, innere Augenschluß sich heut verzögern werde. Da kam Raffley die zur Kommandobrücke führenden Stufen herunter und auf mich zu.

»Bitte, mir zwei Worte zu erlauben, lieber Charley,« sagte er. Indem er meinen Arm in den seinen zog, um mit mir hin und her zu gehen, fuhr er fort: »Ki-tsching liegt nämlich nur noch diese Nacht und einige Stunden von uns entfernt, uns – – –«

»Ki-tsching?« unterbrach ich ihn. »Wie Sie diese Worte betonen, heißen sie »hoffen« und »vollenden«. Der Name dieser Ihrer Besitzung bedeutet also ein Land, in welchem


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die Hoffnung begonnen hat, was die Zukunft vollenden soll?«

»Ja, genau so ist es. Uebrigens legen wir nicht am Festlande, sondern zunächst an der den Hafen beschützenden Insel Ocama an.«

»Ocama? Wahrscheinlich ein zweites Macao, nur daß die Silben anders geordnet sind. Darf ich vermuten, daß dies eine sinnbildliche Bedeutung hat?«

»Eine symbolische und zugleich auch eine erklärende. Ihnen aber brauche ich über die Bedeutung dieses Namens ja wohl nichts mehr zu sagen. Sie verstehen sie auch ohne Worte. Auf Ocama liegt das frühere chinesische Sommerhaus Ihres Bekannten Fu, wo meine Yin uns erwartet. Ich habe ihr von Hongkong aus telegraphiert, während auch unser Tsi, ohne daß ich davon wußte, seinem Vater von dort aus eine Depesche sandte. Dieser letztere ist bei Yin, und beide wissen, daß wir morgen kommen. Nun muß ich eine Frage an Sie richten: Wie lange wollen Sie sich noch hinter Ihrem Vornamen verstecken? Ich möchte das gern wissen. Es giebt zwischen Yin und mir kein Geheimnis, keine Lüge, nicht die geringste Unwahrheit. Keine Rücksicht kann uns bestimmen, einander etwas zu verbergen. Yin hat das so gewünscht, und ich stimmte ihr von ganzem Herzen bei. Es wäre mir also höchst peinlich, ihr nicht Ihren wahren Namen sagen zu dürfen, oder sie veranlassen zu müssen, ihn zu verschweigen. Was sagen Sie dazu?«

»Ich sage, daß die Gründe, welche mich bestimmten, meinen Namen zu verschweigen, für diese Gegend hier wegfallen. Heben wir also dieses Geheimnis auf!«

»Und – – und – – – hm, ich bringe die Sache doch wieder, obgleich Sie mich mit ihr zurückgewiesen haben. Sagen Sie mir aufrichtig: Sind Sie der Verfasser des Gedichtes oder nicht?«

»Ich bin es.«

»Habe es doch gewußt! Hätte um alles in der Welt gewettet! Ja so, das darf ich ja nicht mehr und bin Ihnen dankbar dafür. Jemehr ich über diese Leidenschaft nachdenke, desto mehr sehe ich ein, daß ich ihr viele, große und ganz unnötige Opfer gebracht habe. Wollen Sie Ihr Incognito selbst lüften, oder soll ich es thun?«

»Ich ziehe das letztere vor. Aber bitte, thun Sie das in der Weise, daß jede Befangenheit mir gegenüber ausgeschlossen ist. Ich will kein einziges Wort darüber zu hören oder zu sagen haben, auch über das Gedicht nicht. Wie es sich mit diesem letzteren verhält, das sollen Sie jetzt hören, um es den Beteiligten erzählen zu können.«

Ich teilte ihm die betreffenden Umstände mit und wußte dann diese Angelegenheit bei Raffley in den besten Händen.

Wie ich vorausgesehen hatte, schlief ich heut sehr spät ein und infolgedessen am andern Morgen um so länger. Ich kam zum Frühstücke zu spät und sah Tsi und Mary sofort


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an, daß Raffley mit ihnen von mir gesprochen hatte. Sie waren aber beide tapfer genug, genau so zu thun, als ob sie mich nie anders als bei meinem richtigen Namen genannt hätten. Dagegen machte der alte Governor auf mich den Eindruck der Beklommenheit. Er genoß fast nichts und sprach nur dann, wenn eine Frage direkt an ihn gerichtet wurde. Er mochte fühlen, daß mir dies auffiel, denn nach dem Frühstücke zog er mich mit sich fort, und als wir allein miteinander waren, sagte er:

»Hört, Sir, wie es scheint, sehr Ihr mir an, daß ich mich in einer höchst bedenklichen Verfassung befinde. Bin wie ein Schulknabe, der ins Examen muß, aber nichts gelernt hat und darum weiß, daß er sitzenbleiben wird! Habe die ganze Nacht nicht geschlafen; kann weder essen noch trinken. Mir ist, als ob ich etwas Großes und Schweres verbrochen hätte, was mir nur diese Yin verzeihen könne! Habe ich mich etwa an ihr versündigt? Oder vielleicht an China im allgemeinen? Ich sage Euch, daß mir scheint, ich habe kein gutes Gewissen! Fatal, höchst fatal! Ich fühle, diese Yin macht mir mehr zu schaffen, als mir ganz Indien samt Ceylon zu schaffen gemacht hat! Und dabei kenne ich sie noch nicht! Vielleicht aber ist grad diesem Umstande diese innerliche Unsicherheit zuzuschreiben! Ich weiß ja gar nicht, wie ich sie zu nehmen habe, wie ich sie begrüßen und was ich thun und sagen soll! Fühle ich etwa als Vertreter meiner Nation diese sonderbare gelbe Angst vor der früher so verachteten und unterschätzten gelben Rasse? Habt Ihr eine Ahnung, wie mir zu Mute ist?«

»Beinahe!« antwortete ich.

»Nun, wie denn ungefähr?«

»Wie einem braven weißen Gentleman, der einen ebenso braven gelben Gentleman nur dieser andern Farbe wegen nicht als Gentleman behandelt hat und nun wegen der unausbleiblichen Folgen in Besorgnis ist. Oder, da Ihr von Eurer Nation sprecht, es ist Euch zu Mute wie einer Volksseele, welche die vor Gott ganz ebenso berechtigte Seele eines andern Volkes in diesen Rechten schwer gekränkt und geschädigt hat und hierauf befürchtet, von dieser Seele vor Gottes Gericht gezogen zu werden.«

Er sah mir einige Augenblicke starr in das Gesicht und sagte dann:

»Getroffen, ganz genau getroffen! Ja, so sieht es in meinem Innern aus! Ich gebe das aufrichtig zu, denn Ihr wißt, daß ich nie eine Lüge sage. Jene stürmische Familiensitzung mit ihrem zornigen Schlusse, der unvorsichtigen Wette, wie gern möchte ich sie ungeschehen machen! John kannte seine Yin; er wußte, was er that. Ich aber, der total Unwissende, überhob mich in meinem National- und Familienhochmute, seinen und unsern ganzen Besitz von einer frivolen, dreisten Wette abhängig zu machen. Genau ebenso stellt auch die bewaffnete Hand das Wohl der Völker auf das Spiel und bezahlt mit Menschenblut, was ihr der Friede ganz umsonst und doppelt geben würde. Wenn


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die Nationen glauben, Wetten mit oder gegeneinander eingehen zu müssen, so sollten sie es doch in anderer Weise und um andere Preise thun. Wo sind heut alle die Gewinne, um deretwillen Jahrtausende hindurch mit Blut gewettet wurde? Wer wird in wieder tausend Jahren die Länder besitzen, um welche die Gegenwart mit blutigen Waffen wettet? Sind solche Gewinne derartige Einsätze wert? Giebt es denn nicht bleibende Gewinne, welche durch Einsätze zu erlangen sind, die weder Angst noch Sorge oder Schmerz bereiten? Ich sage Euch, Sir, es wird auch um dieses China viel Blut, sehr viel Blut fließen, und wenn es geflossen ist, wird es umsonst vergossen worden sein, weil »alles, was das Schwert erwirbt, auch durch das Schwert im Kriege stirbt«. Die Wette, welche ich mit John eingegangen bin, ist keine blutige, aber der Hochmut hat sie mir diktiert, und darum denke ich, daß ich sie wohl verlieren werde. Er aber hat all sein Hab und Gut für seine Liebe eingesetzt, und selbst wenn er verlöre, würde er der Gewinnende sein, weil es für die Liebe, die er niemals verlieren kann, ja doch kein Opfer giebt. Ich ging natürlich diese Wette in der Absicht und in der Ueberzeugung ein, daß ich sie gewinnen werde. Jetzt fühle ich diese Ueberzeugung als eine Schuld, welche ich abzutragen habe, und was die Absicht betrifft, so will ich Euch gestehen, daß ich sie als Bezahlung dieser meiner Schuld betrachte. Ich gebe sie hin! Und warum? Aus Liebe, denkt Euch doch nur, aus Liebe! Und wo kommt diese Liebe so plötzlich bei mir her? Dort aus der Kajüte, in welcher das Bild hängt und wo der Kranke mit seinem Engel sprach. Die Frau, welche ich früher als »Gespenst« bezeichnete, ist mir so vertraut geworden, obgleich ich sie nur erst im Bilde kenne. Ich befürchte, daß ich, wenn sie nun persönlich vor mir steht, diesen unsern guten John sogar um sie beneiden werde, und das wird mich um die eindrucksvolle Haltung bringen, welche ich meiner Nationalität, meinem hohen Stande und meiner persönlichen Würde schuldig bin. Kurz und gut, ich habe aus verschiedenen Gründen Angst vor dieser Yin und befinde mich ihr gegenüber in der Lage eines kleinen, unerfahrenen Bürgers, der vor irgend einer fürstlichen Dame zu erscheinen hat und schon im voraus überzeugt ist, daß er sich gründlich falsch benehmen werde. Wenn sie mich etwa in der Weise begrüßt, in welcher ich sie gleich beim ersten Zusammentreffen mit meinen Blicken niederschmettern wollte, so fahre ich mit dem allernächsten Schiffe heim und warne jeden Englishman, sich fernerhin für das zu halten, für was er sich bisher gehalten hat! – So, das ist es, was ich Euch sagen wollte, Sir. Und nun bitte ich Euch, nehmt Euch, wenn wir ihr vorgestellt werden, ein wenig meiner an, damit sie meine Verlegenheit nicht allzusehr bemerkt! Ich möchte nämlich so sehr gern haben, daß sie mich für ihrer Achtung würdig hält!«

Ich versprach es ihm, obwohl ich wußte, daß ich nicht dazu kommen würde, dieses Versprechen zu halten. Er


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wußte gar nicht, daß seine Worte die geistig und seelisch ereignisreiche Geschichte einer innern Umwandlung enthielten, welche sich bei ihm äußerlich friedlich vollzogen hatte, während sie bei andern Menschen wie auch bei Völkern nur unter langen und schweren Kämpfen vor sich geht. Darum stand zu erwarten, daß auch die nun folgenden und letzten Töne in freundlicher Harmonie erklingen würden.

Bald darauf erfuhren wir, daß die Insel in kurzer Zeit zu sehen sein werde, und machten uns also zum Landen bereit. Meine Sejjid Omar brachte meine und seine Sachen mit Fangs Gepäck herbeigetragen. Dann ging er zu Mary, um auch ihr und ihrem Vater seine Hilfe anzubieten. Raffley stand oben auf der Brücke, um die Einfahrt selbst zu leiten. Bill führte das Steuer, und Tom machte sich mit dem Salutgeschütze zu schaffen, um unsere Grüße, die aus dem Herzen kamen, mit ehernem Mund zu bestätigen.

Auch Waller verlangte herauf auf das freie Deck. Ich machte in der Nähe der Barriere einen Sitz für ihn zurecht; dann wurde er, auf Omar gestützt, von Mary und Tsi herbeigeleitet. Ich hatte heut noch nicht mit ihm gesprochen und gab ihm also meinen Morgengruß. Er antwortete nicht mit Worten, doch sobald er sich gesetzt hatte, ergriff er meine Hand, zog mich nahe an den Stuhl heran und sprach:

»Ihr wollt, daß wir schweigen; eins aber muß ich Euch doch sagen dürfen! Ich habe Euch verkannt, weil ich nicht wußte, daß Eure Reiseerzählungen vor allen Dingen symbolisch zu nehmen sind. Ich ahnte nicht, was es unter der bewegten Oberfläche dieser Werke für eine stille, heilige Ruhe giebt, und was für liebe, reine Gestalten in ihr wohnen. Ich bitte Euch, mir zu verzeihen! Werdet Ihr auch über die jetzige Reise etwas drucken lassen?«

»Höchst wahrscheinlich,« antwortete ich.

»So ahnt mir, daß Ihr hier noch tiefer als sonst steigen werdet. Die Gedanken, welche Ihr für Eure Leser von dort in die Höhe bringt, sind wohl keinem andern so gut wie mir bekannt. Wenn ich sie später lese, würde es mich freuen, wenn Ihr ihnen den Titel: »Et in terra pax« gegeben hättet! Es ist der einzig richtige für den tieferen Zweck, den diese Reise für uns alle hatte. Das Ziel ist in Sicht gekommen. Habe ich einen Gruß von ihm verdient?«

Da ertönte von der Insel ein lauter Böllerschuß zu uns herüber; ein zweiter folgte und diesem ein dritter. Tom antwortete ebenso oft aus seinem Rohre.

Es gab selbstverständlich bei uns kein Auge, welches nicht nach der Küste gerichtet war. Sie hatte sich in schönes Grün gekleidet. Das Innere wurde uns von Büschen verhüllt, aus denen die Wipfel hoher Bäume ragten. Es gab da einen kleinen, freien Platz, auf welchem wir einige Chinesen neben dem Böller stehen sahen, aus welchem sie uns salutiert hatten. Sie riefen und winkten uns lebhaft zu. Später öffnete sich zuweilen das Gebüsch, um uns die dahinter liegenden, vollgrasigen Wiesen und wohlbebauten


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Felder zu zeigen. Weiter vorn, uns zur Rechten, stieg das Land zu einer bewaldeten Höhe empor, auf welcher das chinesisch konstruierte Dach eines sehr ansehnlichen Gebäudes aus dunklen Blätterkronen ragte. Waller deutete mit der Hand nach diesem Hause und sagte:

»Das wird die Wohnung des chinesischen Aristokraten sein, den ich in Kairo bekehren wollte. Dort hielt ich mich für einen großen Mandarinen der westlichen Civilisation und ihn für einen geistig armen Sohn der östlichen Inferiorität. Wie habe ich mich in mir und wie in ihm geirrt! Während ich auf dem Wege hierher immer kleiner geworden bin, ist er vor mir immer höher emporgewachsen. Der Osten wird immer größer und bedeutender, je mehr man sich ihm nähert! Und selbst wenn dieser Fu nichts weiter als der Vater seines Sohnes wäre, dem ich weit mehr als nur mein leibliches Leben zu verdanken habe, so hätte ich in diesem Einzelfalle von ihm nicht weniger empfangen, als was im geschichtlich Großen und Ganzen das Abend- von dem Morgenlande empfing!«

Bei diesen Worten Wallers glühte ein freudiges Rot über Marys Gesicht. Ihr Auge suchte unwillkürlich nach Tsi. Er war aber nicht zu sehen, sondern nach seiner Koje gegangen, um, wie wir später sahen, den europäischen Anzug mit seinem chinesischen zu vertauschen.

Die Matrosen unserer »Yin« hatten schon am frühen Morgen die Paradeleinen hervorgeholt und Wimpel an Wimpel gereiht, um die Jacht zur Einfahrt zu schmücken. Diese Leinen hingen jetzt noch leer vom Top herunter, doch bedurfte es nur eines Wortes von Raffley, um sie in Zeit von einer Minute aufzuholen.

Ocama hat eine dem Festlande zugekehrte Bucht mit klarem, tiefem und fast stets ruhigem Hafenwasser. Als wir uns dem südlichen Vorsprunge dieser Bucht näherten, begann das Ufer, sich zu beleben. Wir sahen zwischen dem Gebüsch in Blumengärten Häuser liegen, so nett und sauber, jedes von ihnen eine eigenartige, besondere chinesische Individualität; das Auge konnte sich wirklich immer von dem einen auf das andere hinwegfreuen. Diese Häuser mehrten sich, und als wir in einem weit ausgeholten Halbkreise um die südliche Zunge bogen, entwickelte sich vor uns ein Landschaftsbild, welches, besonders bei dem heutigen schönen, klaren Wetter, selbst das verwöhnte Auge eines Weit- und Vielgereisten befriedigen mußte.

Man denke sich einen halbmondförmigen Busen, von dessen beiden äußeren Enden an das Land sich sanft aber höher und immer höher erhebt, um, immer von Gärten oder parkähnlichem Gehölz begleitet, in der Mitte einen vom Wasser zurücktretenden Berg zu bilden, an dessen Lehne die mit Pflanzengrün und Blumen geschmückten Häuser des Ortes aufwärtssteigen. Und hoch über ihnen ein hellglänzendes, weißes Landhaus, dessen nur halb chinesischer Stil vermuten läßt, daß sein Erbauer verstanden habe, auch europäischen Gedanken Form zu geben.


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Dieses hoch- und langgestreckte, vielräumige Haus gehörte Fu; dort wurden wir erwartet. Sein Dach, welches wir schon vorhin gesehen hatten, wurde, wie landesüblich, aus mehreren geschwungenen und einander tragenden Abteilungen gebildet. Es trat, so weit es reichte, so über die Front des Hauses heraus, daß es allen in das Freie gehenden Söllern und Balkonen mehr als hinreichend Schutz zu bieten vermochte. Wir hatten alle die Gläser vorgenommen und da hinaufgerichtet. Darum war es uns möglich, eine weißgekleidete Frauengestalt zu bemerken, welche auf dem am höchsten gelegenen Balkone stand und, sobald wir in Sicht kamen, sich weit über das Geländer beugend, mit einem Tuche winkte.

»Yin, meine Yin!« rief Raffley auf der Kommandobrücke. »Hoch die Wimpel! Alle Grüße auf! Tom, sage ihr, daß wir sie sehen!«

Die Jacht stand im Nu in ihrem wallenden und wehenden Paradeschmuck; das Geschütz ließ seine Stimme hören, und vom Landungsplatze her ertönte auch nach jedem unserer Schüsse einer. Dort lagen mehrere große Dschunken, welche bewiesen, daß die Insel auch mit dem entfernteren Festlande in Beziehung stand. Zahlreiche Boote bewegten sich hin und her, von denen aus uns laut und freudig zugerufen wurde. Der ganze, hohe Uferdamm, an welchem wir anlegen mußten, stand voller Menschen, deren Stimmen uns entgegenschallten. Welche Liebe hatte der früher so kalte, steife Englishman sich hier doch zu erwerben gewußt! Gongs wurden geschlagen; alle möglichen andern chinesischen Instrumente ertönten. Die Häuser waren beflaggt oder sonstwie bunt behangen, und in den Lüften schwebten vielgestaltete Drachen, die entweder durch ihre Form oder irgend ein angehängtes Zeichen der Freude über die Rückkehr Raffleys Ausdruck geben sollten. Dieser aber schien für alle diese Ovationen jetzt weder Augen noch Ohren zu haben. Sein Blick blieb hinauf nach dem Balkon gerichtet, bis die Jacht den Damm erreichte und sich mit Hilfe der vorhandenen Taue und Ringe längsseits an ihn legte. Da kam Tsi aus seiner Koje. Er war, wie bereits erwähnt, jetzt chinesisch gekleidet, und ich darf wohl sagen, daß er uns allen in dieser Tracht noch besser gefiel, als in der europäischen. Sie ließ ihn »bedeutender« erscheinen. Es hat gewiß gute Gründe, daß der Orient gern faltige Gewänder trägt.

Grad da, wo wir die Barriere zu öffnen hatten, standen im Hintergrunde die für uns bestimmten Gepäck- und Sänftenträger, vor ihnen die Beamten des Ortes, welche dem Heimkehrenden ihren Respekt erweisen wollten, und ihnen ganz voran kein anderer als – – – Fu, der, allerdings unter einem andern Namen, auch im Auslande weitbekannte Mandarin allerhöchsten Ranges, welcher aber heut und hier so einfach wie ein ganz gewöhnlicher Chinese gekleidet war. Er schien die Begrüßung mit dem Freunde kaum erwarten zu können, denn die Landebrücke lag noch


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gar nicht fest, so kam er herüber auf das Deck und eilte auf den ebenso schnell von oben herabsteigenden Raffley zu. Noch ehe er ihn erreicht hatte, rief er aus:

»Endlich, endlich, du Verschwiegener, du Geheimnisvoller! Wie unbeschreiblich hast du mich mit deinem Glück überrascht, von dem ich gar nichts wußte!«

Sie schlangen die Arme um einander und küßten sich wie Brüder, welchen nichts schmerzlicher ist als von einander getrennt zu sein. Dann kam er zu mir, zog auch mich an sich und berührte mit den Lippen meine beiden Wangen. Mary küßte er die Hände, ihrem Vater wiederholt die Stirn; dem Sejjid schüttelte er wie einem ihm Gleichstehenden herzhaft die Hand, und Fang wurde in chinesischer Weise aber mit ganz derselben Herzlichkeit begrüßt. Dann erst ging er zu seinem Sohne. Der Governor hatte sich in seiner innerlichen Beklommenheit etwas abseits gehalten; nun aber brachte Raffley den Mandarinen zu ihm hin und stellte ihn diesem nur mit den zwei Worten »Mein Onkel« vor. Der alte Herr schickte sich an, eine tiefe, ceremonielle Verbeugung zu machen, kam aber nicht dazu, sie auszuführen, denn Fu legte seine Arme schnell auch um ihn, küßte ihm die beiden Wangen, schob ihn dann etwas von sich ab, betrachtete ihn in wohlgelungener, neckischer Weise und sagte dann:

»Ein echter Raffley, well! China freut sich, Old England endlich, endlich hier zu sehen, weil es sicher weiß, daß es in Liebe kommt!« Und sich zu Raffley wendend, fügte er hinzu: »Nun aber alle schnell hinauf zu deiner – – nein, zu unserer Yin! Doch vorher muß ich dir, mein Freund und Bruder, sagen, daß dir die reinste, schönste Seele Chinas angehört. Dein Herz hat sich von uns unendlich mehr geholt, als du dir mit der Waffe des Krieges jemals hättest erobern können!«

Auf einen Wink von ihm wurden die Sänften herbeigebracht. Einige waren für zwei Personen. Der Governor zog mich zu einer derselben hin, schob mich hinein und kam mir dann nachgestiegen. Die Kulis liefen mit uns sofort von dannen. Da holte der Gentleman tief, tief Atem und sagte, indem er den Kopf schüttelte:

»Sir, ich bin ganz irr an mir! Wahrscheinlich deshalb, weil ich es früher an China gewesen bin! Was für ein Mensch, dieser Fu! Wollte ihn durch meine Würde niederschmettern; machte aber gar kein langes Federlesen mit mir! Sagt mir da erst, daß ich ein echter Raffley sei, und küßt mir trotz dieser Echtheit sofort beide Wangen! Das kommt mir zwar etwas summarisch vor, ist aber höchst wahrscheinlich imponierend! Und was hat er von dieser Yin gesagt? Sir, wenn sie wirklich die schönste, reinste Seele Chinas ist, so ist John der aller-, allerklügste Englishman, den es jemals gegeben hat und noch geben wird! Sein Herz! Well! Habe auch ein Herz! Jeder Engländer hat eins! Lassen wir von diesem Augenblick an nur die Herzen sprechen!«


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So schnell unsere Träger liefen, die von Fu waren doch noch schneller gewesen, denn dieser stand, als wir oben ausstiegen, schon unter dem Thore, um uns als Wirt die Honneurs zu machen. Der Governor schien während dieses kurzen Weges seine Zurückhaltung vollständig aufgegeben zu haben, denn er nahm den Mandarinen vertraulich beim Arme und sagte:

»Mylord, ich bin England, und dieser etwas jüngere Gentleman ist Deutschland. Wir kommen zu Euch, um China mit aller uns möglichen Liebe und Güte zu erobern, aufrichtig und ohne Falsch. Wir wollen in diesem schönen Friedenswerke uns aus allen Kräften beistehen und so innig Hand in Hand miteinander gehen, daß wir Euch bitten, uns keine getrennten Wohnungen anzuweisen. Quartiert uns, wenn es möglich ist, derartig zu einander, wie der »unbewaffnete Friede« es erfordert, in dem wir mit uns, mit Euch und mit allen Menschen zu leben gesonnen sind!«

Es war ein eigenartiges, frohes und doch tiefgerührtes Lächeln, welches, als er antwortete, das Gesicht des hochgestellten Mannes noch sympathischer machte, als es so schon war.

»Wie gern erfülle ich diesen Wunsch! Ihr sollt in meinem eigenen Flügel wohnen, damit ich Euch das wirklich sein kann, was ich, Euch zu sein, gesonnen bin. Dies Haus, dies Dach wird Euch gehören, so lange es mir selbst gehört! Und wo die Liebe Raum für Euch und mich besitzt, muß sie des treuen Dieners auch gedenken, welcher bewiesen hat, was Freundlichkeit und Güte selbst über Afrika vermögen. Also auch Sejjid Omar sei Euch zugesellt. Dann« – – hier machte er eine unnachahmliche, umfassende Bewegung mit der Hand – – »dann ist die ganze »alte Welt« vereinigt und bereit« – – jetzt deutete er auf den Weg zurück, wo soeben die beiden Sänften Wallers und Marys erschienen – – »nun auch die »neue« zu empfangen, um sich an ihrer Seite wieder jung zu leben!«

Die Art und Weise, in welcher er das gesagt hatte, läßt sich wohl nur durch die Wirkung deutlich machen, die es hervorbrachte. Nämlich der Governor faßte ihn hüben und drüben an, zog ihn an sich, gab ihm einen, zwei, drei herzhafte Küsse und rief, so freudig animiert, wie wohl noch niemals, aus:

»Das soll nicht nur ein Wort sein, sondern ein Kontrakt, den keiner von uns brechen darf und keiner brechen wird! Das ist ein Tag, wie ich so schön noch keinen je erlebte!«

Fu konnte uns, weil Wallers eben anlangten, nicht selbst geleiten. Er erteilte den wartenden Dieners den betreffenden Befehl, und so waren wir schon nach kurzem in diesem zimmerreichen Hause so vortrefflich eingerichtet, wie der erste und zweite Teil der »alten Welt« es sich im dritten nur wünschen können. Dann saßen wir auf dem schönsten, chinesischen Seidenpolster des ganz liebreich und gesprächig gewordenen Gentleman und warteten der Dinge, die nun kommen sollten. Es war für uns selbstverständlich, daß man uns zur Vorstellung bei Yin abholen werde.


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Der Englishman dachte gar nicht mehr daran, auch nur das geringste zu sagen oder zu thun, um seine »große Wette« zu gewinnen. Aber von seiner Befangenheit war er trotzdem noch nicht frei. Er hatte vor Yin noch immer das, was er Angst zu nennen beliebte, und wenn der Ausdruck auch etwas zu kräftig ist, so will ich ihn doch brauchen: er fürchtete sich vor ihr.

»Wenn ich etwas zu ihr zu sagen habe und nicht weiß, was, so fallt nur gleich ein, Charley!« bat er mich, denn seit wir zusammenwohnten, war ihm mein Vorname geläufig geworden. »Das ist von heut an Deutschlands Pflicht!« fügte er scherzend hinzu. »Dafür komme ich Euch ein anderes Mal ebenso gern zur Hilfe! Horch!«

Es klopfte an die Thür. Als wir nicht sofort antworteten, wurde sie um einen schmalen Spalt geöffnet, und eine süße, unendlich wohllautende Frauenstimme fragte:

»Verzeihung! Wohnt hier mein Onkel Governor?«

Der Genannte fuhr von seinem Sitze auf und flüsterte mir, indem sein Gesicht die Farbe verlor, in für ihn schrecklicher Ahnung zu:

»Mein – – mein – – mein Onkel Governor?! Der bin ich wohl! Aber – – aber dieser – – John Raffley hat doch keine solche – – solche Stimme! Sollte – –?«

Ich antwortete ihm nicht, sondern ging zur Thür und schob sie vollends auf. Ja, sie war es – – Yin! Sie kam allein; niemand begleitete sie. War sie so schön, wie ihr Porträt uns hatte erwarten lassen? Was soll ich sagen! Das kam so schnell, so unerwartet. Ich sah eine weißgekleidete, engelgleiche Frauengestalt, eine Rose im Haar und ein kleines, duftendes Veilchenbouquet an der Brust, welche nach einem kurzen Blick auf mich an mir vorüber in das Zimmer trat und dann so vor mir stehen blieb, daß ich nur die schöngezeichnete Wangenlinie ihres Profils sehen konnte.

»Ja, du bist es, mein lieber, lieber Onkel!« rief sie jubelnd aus. »Ich kenne dich aus dem Album meines John! Komm, lege mir die Hände auf das Haupt, uns sei mir gut! Ich weiß von ihm, daß du so gerne gütig bist!«

Sie glitt vor ihm nieder, faltete die Hände und schaute bittend zu ihm auf. Er stand zunächst bewegungslos. Die Farbe kam und ging auf seinen Wangen. Ich sah, daß er zitterte. Sein weitgeöffnetes Auge war auf sie wie auf eine wunderbare, überirdische Erscheinung gerichtet. Dann bewegte er die Hände; sie bebten. Indem sie sich langsam auf den Kopf der Knieenden niedersenkten, hob er den seinen empor, schlug die Augen wie zum Himmel auf und sagte, indem er mit den hervorbrechenden Thränen kämpfte:

»Mein Herr und Gott – – – das habe ich nicht verdient! Ich war so schlimm, so bös zu ihr, und sie bringt solche, solche, solche Liebe! Mein Segen ist nichts wert, wenn du nicht selbst ihn giebst. O sende ihn ihr tausendfach und tausendfältig zu und – – –«

Mehr hörte ich nicht, denn ich schlich mich hinaus, schloß


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möglichst unhörbar die Thür und ging dann fort; wohin, das war mir gleich, nur nicht nach meinem Zimmer, weil dies ja neben dem des Governors lag. Ich hatte den Korridor noch nicht zur Hälfte durchschritten, da kam Raffley, als ob er Eile habe. Als er mich sah, fragte er:

»Ihr seid es Charley? Habt Ihr vielleicht Yin gesehen?«

»Ja, soeben,« antwortete ich.

»Wo?«

»Sie ist beim Onkel.«

Er schien erschrecken zu wollen, wechselte aber rasch den Ausdruck seines Gesichtes, über welches ein warmes, frohes Lächeln ging.

»Gut! Da es einmal nicht so geschehen soll, wie ich es wollte! Gott lasse es gelingen! Der Frauen Gefühl ist so unerforschlich richtig, und meine Yin muß immer, immer siegen! Kommt Charley! Habe Euch sehr Interessantes mitzuteilen.«

Er führte mich die Treppe hinab und nach der Rückseite des Landhauses, an welches sich hier ein sehr großer, schöner und verständnisvoll gepflegter Blumengarten schloß. Da hing ein seinen Arm in den meinigen, ging eine Weile schweigend neben mir her und sagte dann, gänzlich unvermittelt:

»Sie sind verlobt!«

Nun sah er mir in das Gesicht, als ob er erwarte, daß ich erstaunend neugierig fragen werde, wer?

»Mary und Tsi?« antwortete ich.

Jetzt erstaunte er an meiner Stelle.

»Was – – wie – – – warum – – –! Ja, natürlich diese beiden. Aber wer hat Euch das denn schon gesagt?’

»Niemand. Ich vermute es. Ich habe ja schon längst gewußt, daß – – – daß China und die Vereinigten Staaten einander innig lieben.«

Da blieb er stehen, zog meinen Arm wieder an sich und rief auf:

»China und die Ver – – – Ver – – –? Ah, jetzt verstehe ich! Schriftstellernder Schalk! Weltreisender Volksseelenforscher! Alles personificierender oder symbolisierender Bücherschreiber! Jede Eurer Gestalten, die edelste wie die gewöhnlichste, ist ja die Individualisierung und also die Lösung irgend eines menschen- oder völkerpsychologischen Problems! Charley, Charley, wer Euch nur oberflächlich liest, der ahnt gar nicht, wie sehr man es vermeiden sollte, Euch auf Euern Wanderungen zu begegnen. Habt Ihr etwa die Absicht, auch über die jetzige Reise ein Buch zu schreiben?«

»Ja. Ich habe das Waller schon gesagt.«

»Und Ihr werdet das, was Ihr ihm gesagt habt, halten?«

»Gewiß.«

»So versprecht auch mir etwas, was Ihr aber ebenso gewiß auch halten werdet! Gebt mir Eure Hand darauf!


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Ihr wißt, daß ich nichts von Euch verlange, was nicht seine guten, wohl erwogenen Gründe hat.«

»Hier ist sie. Ich vertraue Euch und werde mein Versprechen halten.«

»Gut! Schreibt über diese Reise, was und wie Ihr wollt; aber in vielleicht einer Stunde werden wir alle droben im Ahnensaale zusammenkommen, und genau vor dem Glockenschlage dieser Stunde habt Ihr unter diese Erzählung den letzten, schließenden Strich zu machen. Das bitte ich Euch; das heißt, ein Raffley bittet Euch! Das ist abgethan, und nun wird Euch Euer alter, guter John etwas weniger Strenges sagen. Kommt!«

Er führte mich nach einem offenen, von japanischem Hopfen umrankten Gartenhäuschen. Als wir im Innern desselben Platz genommen hatten, ließ er zunächst ein halblautes, vergnügtes Lachen hören und sagte dann:

»Also Ihr habt es auch gemerkt? Ich ebenso! Nun nimmt meine herrliche Yin diese liebe, gute Mary heut gleich als Schwester bei sich auf, nennt sich sofort mit ihr du und tritt ihr bestes Zimmer an den Kranken ab, um ihn so recht aus Herzensgrunde mit pflegen und gesund machen zu können. Nach einiger Zeit hört sie von ihrem Raume aus die laute, eigenartig sprechende Stimme Wallers. Sie glaubt, daß er vielleicht etwas bedürfe, und geht zu ihm. Da steht mein alter, unvergleichlicher Fu neben dem Kranken; Mary und Tsi knieen, glücklich weinend, mit vereinigten Händen vor diesen beiden und – – – nun, da hat Yin eben die Thür schnell wieder zugemacht und sich entfernt, irgend wohin, um nicht indiskret zu sein, und dann, wie ich von Euch weiß, zum Onkel Governor. Das sagte mir Fu, welcher zu mir kam, um mir mit Vaterstolz und Vaterglück die Verlobung mitzuteilen. Dann wollte ich Yin suchen und traf dabei auf Euch. So! Ich habe es Euch gesagt, und nun ist es Eure Pflicht, noch vor der Versammlung den Verlobten und ihren Vätern zu gratulieren. Wie werden sich Yins Mutter und deren Bruder freuen, wenn sie erfahren, daß ihr Liebling eine so liebenswerte, gute und dabei hochgebildete Schwester mitbringt! Ihr werdet, mein Charley, diese beiden braven Menschenkinder drüben auf dem Festlande kennen lernen, denn sie sind nicht mit hier. Aber – – – was – – – schaut, wen sieht man dort?«

Da, wohin er mit der Hand deutete, lenkte soeben der Governor in einen Seitenpfad des Gartens ein, an seiner Seite Yin, welche an seinem Arme hing und ihm liebevoll in das Gesicht blickte.

»Was habe ich gesagt?« jubelte Raffley. » »Bin überzeugt, daß er auch mit meiner herrlichen Yin bald genau so Arm in Arm promenieren gehen wird!« So lauten meine damaligen Worte, welche schon jetzt, da wir kaum angekommen sind, in Erfüllung gehen. Dieses Häuschen hier ist ihr Lieblingsplatz; sie bringt ihn sicher her. Kommt, wollen gehen! Ich gönne diesem mehr als vortrefflichen


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»dear uncle« von ganzem Herzen gern die Seligkeit, sich an der Seite dieser mir – hört! – mir gehörenden, fleckenlosen Seele nun vollends frei von dem zu machen, was ihn, ohne daß er mir es eingestehen wollte, bis hierher belastet hat!«

Wir entfernten uns. Ich suchte, Raffleys Rat befolgend, zunächst Wallers auf. Fu und Tsi waren dort; dadurch wurde mir der Weg zu ihnen erspart. Es wurde mir gar keine Zeit gelassen, meine wohlgesetzte Gratulation anzubringen; man eilte, natürlich außer Waller, auf mich zu wie auf ein zugehöriges Familienglied, welches auf einen Teil der bei solchen Veranlassungen nicht zurückzuhaltenden Zärtlichkeiten wohlberechtigten Anspruch hat. Ich durfte in acht strahlende Augen sehen und bin überzeugt, daß auch die meinigen nicht ohne Licht und Glanz gewesen sind. Wohl dem, dessen Herz die Befähigung besitzt, mitfühlen zu können; er ist trotz allem eigenen Mangel an sogenanntem Glücke doch tausendmal glücklicher als jeder andere, der sich zwar für glücklich hält, aber es doch nicht ist, weil er jede Teilnahme geizig von sich weist.

Wir gedachten der Zeit, an welcher grad wir Fünf, so eng vereint wie jetzt, am Fuße der Pyramiden beieinander gesessen hatten. Wir waren äußerlich noch die Alten, aber wie vieles, wie vieles war in uns neu geworden, und nicht nur neu, sondern auch besser und schöner, reiner, klarer und – – – wahrer! Da konnte ich nicht anders, ich mußte Mary fragen:

»Wissen Sie noch, daß Sie damals auf dem Dschebel Mokattam die Frage aufwarfen, was der Abendländer dem Bewohner des Ostens mitzubringen habe? Sie beantworteten sich selbst: »Ich bringe ihnen meine Liebe, meine ganze, ganze, volle Liebe!« Ihre tiefe, warme Altstimme hatte Ihnen den Weg zu meinem Herzen schon gebahnt; mit diesen Worten aber sind Sie mir in dasselbe eingedrungen, und – – – ich halte Sie dort fest und gebe Sie nicht wieder her!«

Tsi warf mir einen verständnisinnigen Blick zu. Seine


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Seele war wohl auch zunächst durch dieses wohltönende Mittel von der ihrigen angezogen worden. Die ewige Weisheit gab den Seelen für ihre irdische Entwicklungsstufe ja nur darum den Körper, weil hier ohne ihn die eine Psyche unmöglich auf die andere wirken könnte.

Mary errötete, sagte aber nichts. Da griff Fu nach ihrem kleinen Händchen, nahm es zwischen seine beiden Hände und sagte:

»Diese Stimme ist auch mir in das Herz geklungen, und dieser Liebe habe auch ich nicht widerstreben können. Das Haus, in dem wir uns befinden, ist Euch nur durch sie geöffnet worden, und wer zu uns kommt, um bei uns bleiben zu wollen, der hat zunächst bei dem Herzen von China anzuklopfen. Ihr alle seid, weil ihr uns liebt, von diesem Herzen aufgenommen worden und also da angelangt, wo ihr für euer ferneres Wirken Kraft und Unterstützung findet.«

Und sich an mich besonders wendend, fuhr er fort:

»Ich hörte von Mary und ihrem Vater, daß Sie Ihrem Buche den Titel »Et in terra pax« geben wollen, weil er es wünscht. Ich bitte, über das Kapitel, welches von diesem meinem Hause handelt, »Im Herzen von China« schreiben zu wollen! Geographisch gemeint, sind Sie demselben zwar noch sehr, sehr fern; aber jenes große, weite, unermeßlich reiche, Euch bisher unbekannte und darum Euch verschlossene Herz, welches unsern nationalen Pulsschlag regelt, das ist Euch hier auf meinem Ocama geöffnet worden. Dieser Puls hat nun auch Euch ergriffen, und darum meine ich, daß diese Ueberschrift die Wahrheit sagt.«

Da wurden die Thürvorhänge auseinander geschoben. Wir hatten nicht bemerkt, daß Raffley und Yin angeklopft und dann hinter ihnen gestanden hatten. Jetzt traten sie herbei, und John sagte, halb scherzend und halb ernst:

»Es wird und muß die Ueberschrift des letzten Kapitels sein, denn wir kommen, Euch nach dem Ahnensaale abzuholen, und damit ist das Buch jetzt nun zu Ende![«]

1 Gesticktes Brust- und Rückenschild. 2 Eseltreiber. 3 Christ. 4 »mein Herr.« 5 Wunder Gottes! 6 So wird in Aegypten der Fez genannt. 7 Allah sei Dank! 8 »See ohne Wasser« 9 Advokat, Verteidiger. 10 Dorfschulze. 11 Gerichtsversammlung. 12 Dolmetscher. 13 »Herein!« 14 Muhammedanischer Rosenkranz. 15 Herz des Ostens. 16 Götzendiener. 17 Insekten. 18 Villen, Wohnhäuser. 19 Omar, der Unwissende. 20 Ladenbesitzer, Handelsmann. 21 Engländer. 22 Ungefähr unser »Doktor«. 23 Der Optimus, der Beste. 24 Kollegium der Litteratur. 25 Wörtlich: Große Messer. 26 Versammlung der Blinden. 27 Vorläufer, Stallbediensteter. 28 »Heil, heil!« der chinesische Gruß. 29 Chinesisches Seidenzeug. 30 In Indien sagt man Tiffin anstatt lunch oder luncheon. 31 Malaiisches Boot. 32 Dame, Herrin. 33 Beratung der Häuptlinge. 34 Malaiisches Dorf. 35 Feuer. 36 Tempel. 37 Diamanten. 38 Herr. 39 Malaiischer Dolch. 40 Bei diesen Malaien »Herr« mit militärischen Würden. 41 Sänfte. 42 Himmel. 43 Leute. 44 auch »großer Bär«. 45 In Griechenland und Rom eine Geldsumme von 4-5000 Mark.

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Einführung zu "Et in terra pax / Und Friede auf Erden!"


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