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Nachwort

Obgleich ich schon früher einmal erklärt habe, daß ich kein Verteidiger des Epiloges bin, sehe ich mich hier doch zu einigen Bemerkungen veranlaßt, welche ich unmöglich im Texte des Buches bringen konnte; sie betreffen den brieflichen Verkehr mit mir.

»Hochgeehrter Herr Doktor! Geehrter Kara Ben Nemsi! Lieber Old Shatterhand! Ich bin ein eifriger Bewunderer von Ihnen und schreibe Ihnen, weil, wer ein Buch von Ihnen gelesen hat, gar nicht anders kann, er muß sich hinsetzen und Ihnen schreiben etc. etc. etc. etc.« So oder so ähnlich beginnen die meisten Briefe, welche ich empfange. Es gewährt mir eine beglückende Genugthuung, solche Zuschriften zu erhalten, und wenn mir, wie so oft, ein Leser schreibt, daß er durch meine Bücher ein braver Mensch geworden und auf den Weg des Guten und der Pflicht zurückgeführt worden sei, so freue ich mich darüber, aufrichtig gestanden, mehr als über das Honorar, welches mir diese Werke einbringen. Aber diese Korrespondenz hat auch ihre oft recht unangenehmen Schattenseiten.


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Die eingehenden derartigen Briefe zählen nicht nach Hunderten, sondern nach Tausenden; dennoch bin ich gern bereit, jeden einzeln zu beantworten und die dadurch hervorgerufenen Zeitverluste nicht zu rechnen, obgleich die Summe derselben im Lauf des Jahres eine so bedeutende ist, daß sie die Arbeitszeit von Monaten in sich schließt; aber ich bitte, mich nicht zu drängen, wenn die Antwort nicht umgehend erfolgt. Weil man nur Briefe von meiner Hand haben will, muß ich diesen Briefwechsel selbst bewältigen, und da ich als Reiseschriftsteller nicht stets zu Hause bin und ich die Beantwortung von Zuschriften doch unmöglich zu meiner Hauptarbeit machen kann, kommt es vor, daß sich ganze hohe Stöße von Briefen anhäufen, die ich nur nach und nach, und ganz in der Reihenfolge, wie sie eingegangen sind, erledigen kann.

Da ist dann der seltsame Umstand zu bemerken, daß fast jeder, der mir schreibt, irgend einen Grund zu haben glaubt, bevorzugt werden zu müssen; jeder und jede hält sich für denjenigen oder diejenige, dem oder der ich s o f o r t zu antworten habe, und wenn dies nicht geschieht, so werde ich mit Mahnungen und Vorwürfen bombardiert, daß mir angst und bange werden möchte. Viele, sehr viele sogar, sind auch nicht mit e i n e m Briefe zufrieden; sie wünschen in einen längeren, womöglich lebenslangen schriftlichen Verkehr mit mir zu treten, und senden mir, meist in wöchentlichen Zwischenräumen, Briefe, welche fünf, sechs und noch mehr Bogen füllen. Ich pflege da meine Zuflucht zu Schillers »Laß genug sein des grausamen Spieles!« zu nehmen, doch immer ohne Erfolg. Es sei darum dieser Stoßseufzer hiermit einmal öffentlich ausgehaucht. Wollte ich diese Wünsche erfüllen und mit so vielen, mir ja ganz herzlieben Leuten in


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regelmäßigen Briefwechsel treten, so könnte ich keine Manuskripte mehr schreiben, und sie bekämen nichts mehr von mir zu lesen. Also, ich will gern jedes Schreiben beantworten, wenn auch nicht umgehend, aber zu einem förmlichen Briefverkehr kann ich mich unmöglich verbindlich machen.

Ich habe soeben gesagt »jedes Schreiben«, muß aber selbst da bitten, einige Ausnahmen machen zu dürfen. Ich werden nämlich von Autographen- und Briefmarkensammlern in einer Weise heimgesucht, welche oft rührend naiv, meist aber mehr als dieses ist. Bitten mich doch z. B. Gesang- und Turnvereine etc. etc. um mein Autogramm, und kürzlich wurden für ein Gymnasium nicht weniger als 89 Stück verlangt. Gegen derartige Anstürme kann ich mich nur dadurch retten, daß ich solche Briefe einfach dem Papierkorbe übergebe. Ganz dasselbe muß auch mit Zuschriften geschehen, deren Verfasser nur mit den Anfangsbuchstaben unterzeichnen und mir zumuten, die Antwort poste restante zu adressieren. Grad in solchen Briefen werden mir gewöhnlich sehr intime Bitten vorgetragen, und wenn man da Hilfe durch Rat und That von mir verlangt, sollte man doch auch das Vertrauen zu mir haben, mich wissen zu lassen, wem ich helfen soll. 

Dabei komme ich auf die gewiß interessante Bemerkung, daß ich unter hundert Briefen kaum zwei oder drei mit vollständiger Unterschrift erhalte; der Stand ist fast niemals angegeben. Ist es schon ärgerlich, wenn man den Namen, den doch jeder, welcher eine Antwort haben will, deutlich schreiben sollte, mühsam entziffern muß, so ist es geradezu peinlich, den Stand dessen nicht zu kennen, dessen Wünsche man erfüllen soll, denn Wünsche haben sie alle, alle, die mir schreiben. Ich habe keine Zeit gehabt, mich zum handwerksmäßigen Graphologen


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auszubilden, und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, würde es mir nur in wenigen Ausnahmefällen möglich sein, aus der Schrift mit Sicherheit auf den Stand des Verfassers zu schließen.

Und nun zu meiner letzten Bitte. Es giebt so viele Leserinnen und Leser, welche, wie ich gewöhnlich höre, »nicht in Dresden gewesen sein wollen, ohne ihren Old Shatterhand etc. etc. persönlich kennen gelernt zu haben«. Infolge dieser Besuche, die ich täglich zu empfangen habe und welche besonders zur Ferienzeit meine Glocke in Bewegung setzen, kann ich nur des Nachts arbeiten, denn die akademischen zehn Minuten, welche ein solcher Besuch zu dauern hat, werden gewöhnlich zu Stunden ausgedehnt, während welcher Zeit ich alle möglichen und unmöglichen Fragen zu beantworten habe. Dazu kommt, daß ich z. B. in der ersten Hälfte des laufenden Jahres nur einen, einen einzigen Fall verzeichnen kann, daß sich ein Leser vorher bei mir angemeldet hat. Man fühlt sich eben als Glied der gemütlichen Familie, deren litterarischer Papa zu sein ich die Ehre haben, und welcher Sohn oder welche Tochter hat erst anzufragen, ob der Besuch dem Papa paßt oder ob er überhaupt zu Hause ist! Er hat eben da zu sein - punktum!

Es geschieht häufig, daß Herrschaften sich wochenlang in Dresden und Umgebung befinden und dann erst ganz kurz vor der Abreise zu mir kommen. Bin ich dann zufälligerweise nicht da, so ist die Enttäuschung groß, und man beklagt sich darüber, daß ich grad jetzt, vor fünf Minuten, auf den dummen Gedanken gekommen bin, fortzulaufen, ohne zu sagen, wann ich wiederkommen werde. Diese guten Leutchen haben eine ganze Woche Zeit gehabt, sich mit Hilfe einer Postkarte, also durch ein Opfer von fünf Pfennigen, zu vergewissern, ob und


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wann ich zu sprechen bin; nun ärgern sie sich. Und ich? Nun, ich als guter Papa ärgere mich pflichtschuldigst auch, daß meine Kinder mich nicht angetroffen haben, und bitte hier an dieser Stelle dringend, die kleine Mühe nicht zu scheuen, sondern vorkommenden Falles sich und mir den Gefallen zu thun, durch einige anfragende oder benachrichtigende Worte dafür zu sorgen, daß der Besuch kein vergeblicher wird!

Endlich sei mir auf zahlreiche Anfragen die Bemerkung erlaubt, daß Photographieen von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi bei Herrn Photograph Adolf Nunwarz in Linz-Urfahr, Oberösterreich, zu haben sind.-

R a d e b e u l - D r e s d e n,

Villa »Shatterhand«.

Dr. Karl May.


Einführung zu "Im Lande des Mahdi"


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