Jahrgg. 16, Nummer 35, Seite 545
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Lopez Jordan

(El Sendador, Theil I.)

Reiseroman von Karl May.
32. Fortsetzung

»Und doch sagten Sie vorhin, daß Sie in der Hütte gewesen seien!«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe stets nur behauptet, daß ich früh fort und seitdem bis jetzt nicht wieder heimgekommen bin!«

»Besinnen Sie sich! Sie waren doch da, als Ihre Frau kurz vor der Dämmerung die Fische brachte! Sie haben diese Fische selbst in die Lache getan! Sie sagten uns das doch vorhin!«

»Sennor! - -«

»Nun, was? Verteidigen Sie sich!«

»Es war Scherz. Ich war nicht daheim. Ich habe keine Fische gesehen.«

»Ganz, wie Sie wollen! Ich mag Sie nicht zwingen, uns etwas zu sagen, was Sie uns verschweigen wollen. Aber dann müssen Sie auch klüger sein, als bisher und mir nicht alles sagen.«

»Was soll ich gesagt haben?«

»Daß der Major mit seinen Leuten da am Wasser liegt.«

»Davon habe ich nichts gesagt!«

»Pah! Ferner, daß diese Menschen heute abend bei Ihrer Hütte zu tun haben werden. Daß wir getötet werden sollen, Sie aber uns retten wollen, indem Sie uns von hier fortschaffen. Ist es nicht so?«

»Nein.«

»Mich mögen Sie immerhin belügen. Aber wollen Sie diese Unwahrheit auch dem guten Bruder Hilario gegenüber aufrecht erhalten?«

»Ich - ich - ich kann nicht anders!«

»Sie können anders, wenn Sie nur wollen«

»Nein. Ich - ich - ich weiß von nichts, von geradezu gar nichts.«

»Ist das wirklich, wirklich wahr? Es ist das nun meine letzte Frage. Von der Art und Weise, wie Sie antworten, hängt die Art und Weise ab, wie ich mich dann zu Ihnen verhalten werde.«

»Es ist - wirklich wahr.«

»Nun gut! Haben Sie schon einmal so ein Ding gesehen?«

Ich hielt ihm meinen Revolver hin.

»Ja, Sennor!«

»So nehmen Sie sich vor demselben in acht, Petro Aynas!«

»Wollen Sie mir drohen? Das wird der Bruder nicht dulden!«

»Er will es gerade so haben, denn Sie belügen ihn!«


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»Dann, Sennor, bedenken Sie, daß ich Ihren Revolver nicht zu fürchten brauche! Ich habe Waffen, welche noch gefährlicher sind als er!«

»Jetzt noch - - jetzt aber nicht mehr!«

Zwischen den beiden »Jetzt« griff ich ihm rasch in den alten Zeugfetzen, welcher ihm als Gürtel diente, riß ihm denselben ab und schleuderte ihn mitsamt dem Messer und dem kleinen Flaschenkürbis weit fort.

»Senn - -!«

Er wollte aufspringen und diesen lauten Ausruf ausstoßen; aber ich riß ihn neben mich nieder, kniete ihm auf die Brust und preßte ihm die Kehle zusammen.

»Um Gottes willen, Sie erwürgen ihn, Sennor!« sagte der Bruder, indem er meinen Arm faßte.

»Fällt mir nicht ein. Ihm geschieht kein Leid.«

»Ich garantiere Ihnen, daß er nichts Feindseliges unternimmt!«

»Ihr Wort in Ehren, Bruder, aber ich verlasse mich doch lieber auf mich selbst.«

»Ich verbürge mich für ihn!«

»Er hat Sie ja getäuscht. Wie können Sie da Bürge sein? Sie behaupteten, daß er Sie nie belügen werde, und doch hat er eine ganze, lange Reihe von Lügen aufgestellt!«

»Lassen Sie ihn wenigstens für einen Augenblick los!«

»Na, ja. Ich werde ihm nur erst die Hände zusammenbinden, und zwar auf dem Rücken. Oder vielmehr, Sennor mag dies tun.«

Während ich dem Indianer den Revolver vor die Nase hielt und ihm drohte, ihn augenblicklich zu erschießen, falls er einen lauten Schrei ausstoße, band ihm der Estanziero die Hände. Der liebe, aufrichtige Petro Aynas sagte kein Wort; er holte nur tief Atem. Er war im höchsten Grade eingeschüchtert. Nun lag er am Boden, blickte voller Angst im Kreise umher und bat endlich den Bruder mit fürsorglich gedämpfter Stimme:

»Retten Sie mich, Bruder! Der Germano ist schrecklich!«

»Woher weißt du denn, daß er ein Germano ist?«

»Man sagte es mir.«

»Wer denn?«

»Das darf ich nicht sagen.«

»Hast du es geschworen?«

»Nur versprochen.«

»Ein Versprechen, welches ein Unrecht enthält, darf man nicht halten.«


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»Aber dieser Germano ist ein Mörder, Dieb und Räuber!«

»Gewiß nicht!«

»Er will die Banda Oriental nach Brasilien verraten!«

»Das fällt ihm gar nicht ein. Willst du denen, welche dich in dieser Weise belogen haben, mehr glauben, als mir?«

»Sie machen mir keine Lügen, Bruder, das weiß ich. Aber vielleicht werden Sie selbst von ihm getäuscht?«

»Das ist nicht der Fall, Petro. Diesen Germano kenne ich noch genauer, als dich. Er will zu den Indianern, um ihnen Gutes zu tun und ihnen Geschenke zu bringen. Man hat dich grauenhaft belogen. Die Leute, welche dich vor ihm gewarnt haben, sie sind Diebe, Räuber und Mörder.«

»Sollte das wahr sein?«

»Ja. Nicht wahr, es sind Reiter?«

»Über fünfzig, mit noch mehr Pferden.«

»Diese Pferde haben sie gestern einem armen, alten Ranchero gestohlen und ihm dann dazu das Haus verbrannt.«

»Bruder, ist's möglich!«

»Es ist so, wie ich dir sage. Befinden sich nicht zwei Gefangene bei ihnen?«

»Mehrere!«

»Ah! Sollten noch andere dazugekommen sein?«

»Erst hatten sie nur zwei; die andern haben sie heute festgenommen.«

»So! Die beiden ersten sind der Bruder und Sohn dieses Sennor. welcher an meiner Seite sitzt. Man hat sie geraubt, um ein großes Lösegeld zu erpressen.«

Der Indianer schüttelte erstaunt den Kopf.

»Und diesen Germano wollten sie an einen Baum binden und erschießen, obgleich er ihnen nicht das geringste zu leid getan hatte. Diejenigen, denen du vertrautest, sind die Missetäter. Wir aber haben sie verfolgt, um ihnen ihre Gefangenen abzunehmen.«

»Sie wollen das tun? Sie selbst wollen dabei helfen?«

»Ja, Petro.«

»Dann glaube ich, daß dieser Germano ein guter, ehrlicher Mann ist, und daß auch die Gefangenen keine Missetäter sind. Sie, Bruder, werden keine Räuber und Mörder befreien wollen!«

»Nein, gewiß nicht. Jetzt also hast du Vertrauen zu uns?«

»Ja. Binden Sie mich los! Ich helfe Ihnen.«

»Willst du mir das versprechen? Willst du nichts gegen uns unternehmen?«

»Ich bin Ihr Freund und werde nur tun, was Sie wollen!«

»Dann sollen Sie wieder frei sein,« sagte ich jetzt zu ihm, indem ich mein Taschentuch von seinen Händen löste. Er richtete sich in sitzender Stellung auf, reichte mir die Hand und sagte:

»Ich danke Ihnen, Sennor! Ich habe auf Sie geschossen, und Sie haben mich fast erwürgt. Wir sind also quitt.«

»Noch nicht. Bei Ihnen war es Ernst, mich zu töten; ich aber hielt Ihnen die Kehle nur in der Absicht zu, Sie am Schreien zu verhindern; erwürgen wollte ich Sie nicht.«

»So vergeben Sie mir!«

»Gern, denn ich hoffe, daß Sie Ihren Fehler gut machen werden. Vor allen Dingen, gestehen Sie ein, daß der Major sich hier flußabwärts in der Nähe befindet?«

»In zehn Minuten ist man dort.«

»Hat er Wachen aufgestellt?«

»Ja.«

»Aber Patrouillen sendet er nicht aus?«

»Nein. Solange man uns nicht hört, wird keiner seiner Leute hierher kommen.«

»So sind wir also sicher, und Sie mögen uns erzählen, wie Sie dazu gekommen sind, der Beschützer dieser Menschen zu werden.«

»Ja, ich will alles erzählen, Sennor! Und da muß ich bei dem Manne anfangen, welcher vor ungefähr einer Woche bei mir war, um sich nach den Holzflößen zu erkundigen.«

»Zu welchem Zwecke tat er das?«

»Das wußte ich nicht. Er fragte, ob ich die Ufer des Flusses genau kenne, und als ich das bejahte, erkundigte er sich, ob es hier eine Stelle gebe, welche einsam liege und an welcher doch zuweilen die Flöße anlegen.«


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»Gibt es eine solche?«

»Ja. Unterhalb derselben ist der Strom sehr reißend, so daß das Flößen gefährlich wird. Man darf nur bei vollem Tageslichte und mit frischen Kräften dort fahren. Darum pflegen die Flößer vor dem Einbruch des Abends ihre Flöße dort anzulegen, nämlich oberhalb der gefährlichen Strömung, um den Morgen abzuwarten.«

»Ist die Anlegestelle weit von hier?«

»Nein. Sie befindet sich eben da, wo jetzt die Reiter lagern, vielleicht zehn Minuten abwärts von hier.«

»Hat diese Stelle einen Namen?«

»Ja. Es liegt eine Halbinsel da, welche man die Peninsula del Jacaré [*) Alligatorhalbinsel] nennt.«

»Nicht del cocodilo?«

»Nein. Diese letztere Halbinsel liegt da vor uns.«

»Hm! So muß eine Verwechslung stattgefunden haben, denn wir hörten, daß die Reiter an der Peninsula del cocodilo lagern würden.«

»Der Ihnen das sagte, hat Krokodil mit Alligator verwechselt.«

»Sonderbar, daß diese beiden Halbinseln, welche so ähnliche Namen haben, so nahe bei einander liegen!«

»Die Peninsula del Jacaré geht sehr seicht in das Wasser, und dort halten sich in einer Bucht zahlreiche Alligatoren auf. Die schmale Halbinsel hier aber hat die Gestalt eines Krokodiles; daher ihr Name.«

»Aber ein Geheimnis birgt diese Halbinsel doch und Sie wissen es.«

»Wie kommen Sie zu dieser Meinung?«

»Ich habe gehört, daß Sie von dieser Insel nicht gern sprechen.«

»Das ist wahr. Ich habe meine Gründe dazu, die aber niemanden etwas angehen.«

»Ich habe auch nicht die Absicht, in dieses Geheimnis einzudringen. Wir interessieren uns nur für die Halbinsel del Jacaré. Sie haben wohl heute erst erfahren, welchen Zweck jener Mann mit seiner Erkundigung verfolgte?«

»Ja, erst heute.«

»Ist inzwischen etwas geschehen?«

»Nein. Aber heute früh kam der Mann wieder, und zwar zu Pferde. Sein Tier war ermüdet und ganz abgehetzt. Er ließ es im Walde fressen und setzte sich am Ufer der Halbinsel nieder und beobachtete die Schiffe und Flöße, welche hier vorüber kamen.«

»Was sagte er?«

»Er sagte, daß Latorre eine Schar seiner Reiter senden werde, welche hier über den Fluß wollen. Sie hätten sehr gefährliche Gefangene bei sich, und ich solle mit Achtung geben, daß dieselben nicht entfliehen könnten.«

»Gingen Sie darauf ein?«

»Nein, denn mich interessierte die Sache ja gar nicht. Ich legte mich in meiner Hütte nieder, um den ganzen Nachmittag zu schlafen. Am späten Nachmittag aber kam einer, mich zum Major Cadera zu holen. Dieser lagerte mit seinen Reitern auf der Halbinsel. Er bot mir ein Goldstück, wenn ich mit dafür sorgen wolle, daß die beiden Gefangenen, welche er bei sich hatte, nicht entfliehen könnten. Und darauf ging ich ein, denn ein Goldstück ist viel, sehr viel für mich.«

»Aber das konnte Sie doch nicht veranlassen, auf mich zu schießen!«

»Das nicht, aber ein anderes. Er erzählte mir nämlich, einer seiner Leute habe mehrere Räuber belauscht, welche von der Peninsula del cocodilo gesprochen und den Entschluß gefaßt hätten, dieselbe zu untersuchen.«

»Haben Sie eine solche Untersuchung zu befürchten?«

»Unter Umständen, ja.«

»Sie haben ein Geheimnis dort. Der Fluß bildet die Grenze. Sind Sie vielleicht Pascher?«

»Ich könnte ja oder auch nein sagen. um Sie irre zu führen. Ich höre, daß Sie unsre Verhältnisse nicht kennen, und will Ihnen nur sagen, daß man auf der Halbinsel etwas finden könnte, dessen Verlust mir sehr schaden würde.«


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»Wie konnte der Major davon wissen?«

»Das frage ich mich auch. Vielleicht habe ich gegen seinen ersten Boten ein Wort fallen lassen, ein unvorsichtiges Wort, aus welchem er auf das Übrige geschlossen hat.«

»Sollte denn ich mit zu den Räubern gehören?«

»Sie sollten der Anführer sein und mein ganzes Geheimnis kennen. Der Major beschrieb Sie mir so genau, daß ich Sie selbst beim Mondenscheine erkennen mußte. Er sagte mir, daß einer Ihrer Leute wahrscheinlich als Bruder verkleidet sei. Wie viele Männer Sie mitbringen würden, das wisse er nicht, sicher aber sei, daß Sie, wenn Sie überhaupt kämen, morgen oder übermorgen hier eintreffen würden.«

»Wie klug! Er hatte mit der Möglichkeit zu rechnen, daß wir ihn verfolgen würden und ersann das Märchen, um Sie auf uns zu hetzen.«

»Das ist wohl wahrscheinlich. Heute abend nun strich ich hier am Flusse auf und ab, gleich vom Beginn der Dunkelheit an, von einer Halbinsel zur andern. Ich hatte mit auf die Gefangenen aufzupassen und dachte auch an die Räuber, welche zu mir kommen wollten. Drüben, jenseits des Sumpfes, blieb ich einmal stehen und schaute herüber nach dem Cocodilo. Da sah ich Sie sitzen. Der Mond schien in Ihr Versteck, ich konnte acht Männer zählen und erkannte auch den Germano, welcher der Anführer der Bande war, die mich berauben und sogar die Banda Oriental an Brasilien verraten wollte.«

»Solchen Unsinn haben Sie sich vormachen lassen!«

»Ich glaubte es, Sennor.«

»So sind Sie wohl ein sehr loyaler Untertan?«

»Nur wie jeder andere auch. Wo es mir wohl geht, da bleibe ich.«

»Oder hassen Sie Brasilien?«

»Sehr! Ich habe schlimme Zeiten dort verlebt.«

»Haben Sie das gegen den Major erwähnt?«

»Ja, denn er fragte mich, zu welcher Partei ich gehöre.«

»Der Schlaukopf. Er hat sich Ihren Haß zu Nutzen gemacht und Ihnen den ganz heidenmäßigen Bären aufgebunden, daß ich ein brasilianischer Agent sei. Weiter! Also, sie sahen uns sitzen?«

»Ja. Ich sagte mir, daß Sie in dem Besitze meines Geheimnisses seien, welches Sie mir entreißen wollten. Waren Sie tot, so hatte ich nichts zu befürchten. Ich steckte einen Pfeil in das Rohr, legte auf Sie an und schoß. Ich hatte auf Ihr Gesicht gezielt, aber die Entfernung nicht genau berechnet; sie war zu groß; darum senkte sich der Pfeil und traf Sie an der Brust.«

»Was ein Glück für mich und auch für Sie ist, denn ehe ich gestorben wäre, hätte meine Kugel Sie getroffen.«

»Das war unmöglich. Sie wußten ja nicht, wo ich mich befand?«

»Das wußte ich genau. Sie befanden sich in der Richtung, aus welcher der Pfeil gekommen war. Er steckte fest im Leder und zeigte die Richtung an. Schauen Sie hinüber, jenseits des Sumpfes! Sehen Sie den schmalen Busch, welcher sich aus dem Schilf erhebt?«

»Ja.«

»Nach diesem Busch hätte ich meine zwei Büchsenkugeln gesandt.«

»Dios! Dahinter steckte ich!«

»Sehen Sie! Ich hätte auf die halbe Höhe des Busches gezielt, denn ich nahm an, daß Sie dort knieen würden, um den Erfolg Ihres Pfeilschusses zu beobachten.«

»Das ist richtig. Sennor, Sie hätten mich gerade in den Kopf getroffen! Es ist wahr, Sie sind ein entsetzlicher Mann!«

»Sagte das der Major?«

»Ja. Er riet mir die äußerste Vorsicht an, denn Sie seien ein wahrer Teufel.«

»Er freilich konnte keinen Engel in mir finden. Die Hauptsache ist, daß Sie mich nicht verwundet haben.«

»Ich bin jetzt ganz glücklich darüber. Wie erschrak ich, als ich dann den Pfiff hörte, welchen nur meine Freunde kennen. Es befand sich einer von ihnen bei Ihnen, und Sie konnten also doch wohl nicht in feindlicher Absicht hierher gekommen sein.«

»So sind wir also einig und haben Frieden geschlossen. Nun zu der Hauptsache. Sie sprachen von Gefangenen, welche der Major hier gemacht hat. Was sind das für Leute?«


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»Die acht Personen des Floßes, welches am Nachmittag an der Halbinsel anlegte, um morgen weiter zu fahren.«

»Es wundert mich, daß er Gewalt gebraucht hat. Hätte er sie bezahlt, so hätten sie ihm wohl gern seinen Willen getan.«

»Es handelt sich nicht um die Bezahlung, sondern um die Zeit. Er weiß noch nicht, wann er hinüber kann, ob morgen oder erst später. Er erwartet jemand, bis dahin sollen die Flößer warten. Sie weigerten sich aber, dies zu tun, weil sie da den hohen Lohn nicht bekommen, welchen die Fremden ihnen versprochen haben.«

»Fremde sind bei ihnen?«

»Zwei.«

»Aus welchem Lande sind sie?«

»Ich weiß es nicht. Sie sprechen ein Mischmasch von Spanisch und einer andern Sprache, welche ich nicht verstehe.«

»Wie sind sie gekleidet?«

»Blau, fast wie Seeleute. Der eine hat einen Hut mit einer so breiten Krempe, wie ich noch keine gesehen habe. Gerade dieser hat sich so giftig gegen den Major benommen, daß dieser höchst zornig auf ihn geworden ist. Beide haben sich gewehrt wie die Elefanten und konnten nur durch die große Übermacht überwunden werden. Viele der Reiter haben Beulen und Flecke davon getragen.«

»Brave Kerls! Wir machen sie frei.«

»Das ist unmöglich!«

»Pah! Zwei alte und acht neue Gefangene, macht zehn. Wir sind acht Mann, das ergibt in Summa achtzehn Mann, wobei Sie noch nicht gerechnet sind.«

»Ich helfe mit, Sennor!«

»So sind es neunzehn gegen fünfzig, immerhin kein ganz schlimmes Verhältnis. Übrigens sollen Sie das Goldstück, welches der Major Ihnen geboten hat, nicht einbüßen, denn -«

»Ja, er soll es nicht einbüßen,« fiel der Estanziero ein. »Wenn es uns wirklich gelingt, meinen Bruder und meinen Sohn zu befreien, so zahle ich zehn Goldstücke an Petro Aynas.«

»Ist's wahr, Sennor?« fragte der Indianer, vor Freude viel lauter, als die notwendige Vorsicht es gestattete.

»Ja, ich zahle Ihnen sogar zwanzig!«

»Welch ein Glück! Halten Sie aber auch Wort?«

»Ich versichere es auf meine Ehre.«

»Dann bin ich mit hundert Freuden bereit, bei der Befreiung mitzuwirken! Sennor, nehmen Sie meine Hilfe an?«

Diese Frage war an mich gerichtet. Darum antwortete ich:

»Ja; aber ich stelle die Bedingung, daß Sie genau nach meiner Weisung handeln.«

»Natürlich! Ich werde nichts, gar nichts tun, was Sie nicht wollen.«

»Gut. Vielleicht müssen Sie die Hauptrolle übernehmen. Wollen Sie uns nun den Ort beschreiben, an welchem die Gefangenen sich befinden! Ist die Halbinsel lang und breit?«

»Zweihundert Schritte breit und vielleicht doppelt so lang.«

»Mit Bäumen besetzt?«

»Nur mit Bäumen. Sträucher gibt es nicht mehr, denn die Flößer, welche hier seit Jahren übernachteten, haben das Unterholz entfernt, um guten Platz zu erhalten.«

»Wie sind die Posten aufgestellt?«

»Da, wo die Halbinsel an das Ufer stößt, stehen vier Soldaten, je fünfzig Schritte aus einander. Sie sperren also die Halbinsel von dem Lande ab. Es kann niemand hindurch, zumal beim Mondenscheine. Höchstens könnte meine Daya es fertig bringen, sich auf die Peninsula zu schleichen. Sie versteht das wie eine Schlange.«

(Fortsetzung folgt.)
(Inhaltsverzeichnis)