Jahrgg. 16, Nummer 48, Seite 758
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Lopez Jordan

(El Sendador, Theil I.)

Reiseroman von Karl May.
45. Fortsetzung

»So!« sagte Jordan, indem er vom Stuhle aufstand. »Es ist geschehen. Wir sind einig, und nun geben Sie uns unsere Pistolen zurück!«

»Warum? Ist Ihnen denn gar so viel an dem Besitze dieser Waffen gelegen, Sennor! Ich möchte mir zunächst den Beweis erbitten, daß Sie Ihr Wort halten. Haben Sie also die Güte, uns unser sämtliches Eigentum ausfolgen zu lassen!«

»Das muß der General tun, an den alles abgegeben worden ist.«

»So erteile ich ihm die Erlaubnis, sich zu entfernen. Die andern Sennores aber bleiben hier. Zehn Minuten werden wohl genügen, alles herbeischaffen zu können. Beeilen Sie sich, General, sonst erwacht mein Mißtrauen von neuem. Und versuchen Sie keine Hinterlist! Sie würden das Leben Ihrer Kameraden aufs äußerste gefährden!« - Er gab mir keine laute Antwort, sondern nickte mir nur zu. Ich sah es ihm an, daß er keine Unehrlichkeit beabsichtigte, und ließ ihn hinaus, riegelte aber hinter ihm die Türe wieder zu. Die andern blieben still auf ihren Plätzen. Keiner sprach ein Wort. Sie fühlten sich geschlagen und an ihrer Ehre beleidigt; ich gebe auch gern zu, daß es eine Schande für sie war, daß sie unter solchen Verhältnissen und auf diese Weise gezwungen worden waren, alle meine Forderungen zu bewilligen. Nur der Rittmeister warf zuweilen einen nicht unfreundlichen Blick auf mich. Er war ein noch junger und sehr hübscher Mann, der in sei=


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nem Benehmen etwas Chevalereskes zeigte. Ich schien ihm keine Abneigung eingeflößt zu haben.

Ein wenig nach der angegebenen Zeit wurde angeklopft. Ich öffnete die Türe ein wenig, hielt den gespannten Revolver in der Hand und sah durch die Spalte hinaus. Der General stand draußen, hinter ihm einige Soldaten, welche unsere Gewehre und sonstigen Sachen trugen.

»Öffnen Sie immerhin ganz, Sennor!« sagte er. »Ich habe, wie Sie sich überzeugen können, beide Vorzimmer räumen lassen. Es ist keine Wache mehr da.«

Ich ließ ihn mit den Leuten hereintreten. Sie legten alles auf den Tisch. Als jeder sein Eigentum an sich genommen hatte, zeigte es sich, daß noch verschiedenes fehlte. Die Bolamänner hatten sich manches angeeignet und es nicht abgegeben. Der General ging, um die Leute vorzunehmen, und bald wurde alles Fehlende gebracht, so daß wir uns im vollen Besitze unserer Habe befanden  außer dem Gelde.

Das meinige hatte ich vollständig wieder erhalten, ebenso die andern, ausgenommen der Estanziero. Ihm fehlten dreitausend Papiertaler, welche dem General nicht ausgehändigt waren. Entweder irrte sich der Estanziero, oder der Major hatte die Summe für sich behalten. Der letztere stellte das sehr entschieden in Abrede. Der erstere behauptete, ganz genau zu wissen, wieviel er bei sich getragen hatte, doch erklärte er, um des Friedens willen verzichten zu wollen. Da aber sagte der Steuermann:

»Dreitausend Taler sind kein Pappenstiel. Sie dürfen nicht verzichten. Der Sennor Major mag mir die Hand darauf geben, daß er das Geld wirklich nicht hat.«

Er streckte Cadera seine breite Hand entgegen. Dieser war so unvorsichtig, die seinige hineinzulegen, und versicherte:

»Hier mein Ehrenwort, daß ich alles abgegeben habe.«

Kaum aber hatte er das gesagt, so schrie er laut auf vor Schmerz. Der Steuermann ließ die Hand nicht los; er hielt sie fest und immer fester.

»Cielo, cielo!« rief der Major. »Lassen Sie mich doch los!«

»Wo ist das Geld?« fragte der Steuermann ruhig, indem er die Hand immer fester drückte.

»Ich habe es nicht, wirklich nicht!«

»Du hast es, Spitzbube! Ich drücke dir die Hand zu Kleister, wenn du es nicht gestehst!«

»Qué dolor, qué termento!« zeterte Cadera, indem er mit beiden Füßen sprang. »Ich habe nichts, ich - ich - ich!«

»Lassen Sie ihn los!« gebot der General. »Wir können so etwas unmöglich - -«

Er kam nicht weiter denn der Steuermann unterbrach ihn rauh:

»Schweigen Sie! Ich weiß, woran ich bin! Diesem Kerl ist der Spitzbube nur zu deutlich an die Stirne geschrieben. Passen Sie auf; er wird es sogleich gestehen!«

Ein abermals verstärkter Druck seiner gewaltigen Faust; der Major tat einen Luftsprung und schrie:

»Ich - Ich - - o Himmel, ja doch, ja!«

»Wo hast du das Geld?« fragte Larsen, ohne loszulassen.

»Im Hute hier!«

»Heraus damit, aber gleich!«

Cadera hatte einen andern Hut auf als früher. Er riß ihn vom Kopfe. Er konnte ihn mit der schmerzenden Hand gar nicht halten, die ein bräunlich blaues Aussehen bekommen hatte.

»Unter dem Schweißleder!« sagte er. »Nehmt es heraus!«

Larsen zog das Geld hervor, zeigte es dem Generale und sagte:

»Nun, wer hatte recht, Sennor, Sie oder ich? Lassen Sie sich auch solche Hände wachsen wie die meinigen, dann können Sie jeden Dieb zum Geständnisse bewegen! Dieser famose Herr Major wird eine Zeit lang glauben, er habe hundert Finger an der Hand, die alle zerquetscht sind, hoffentlich aber maust er nicht mehr mit ihnen!«

Der Estanziero steckt sein Geld ein. Der »Generalissimo«, welcher sich während der letzten Szene, obgleich dieselbe jedenfalls für ihn sehr peinlich gewesen war, ganz ruhig verhalten hatte, trat jetzt mit der Frage zu mir:


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»Sind Sie nun zufrieden gestellt, Sennor?«

»Vollständig. Und ich hoffe, daß der geschlossene Friede ein dauernder sein wird.«

»Das wird von jetzt an nur auf Sie ankommen. Wir werden unser Wort halten; nun liegt es an Ihnen, das Ihrige zu Ehren zu bringen. Ich gehe jetzt, um in eigener Person für Ihr Unterkommen zu sorgen, da Sie mein Gast sind.«

»Bitte, Sennor, ich werde mich keinesfalls von meinen Gefährten trennen und bitte Sie also, Ihre Anweisung dahin zu erteilen, daß wir beisammen bleiben.«

»Ganz wie Sie wollen. Im übrigen weise ich Sie an den Rittmeister hier, welchen ich mit der Sorge für Sie betrauen werde.«

Er ging. Die andern folgten, auch Cadera, welcher uns keines Blickes würdigte, aber gewiß unter Haß und Scham auf Rache sann. Nur der Rittmeister blieb für einige Augenblicke zurück. Er wendete sich mit mir von den andern ab und sagte in unterdrücktem Tone:

»Sennor, man ist ganz unverantwortlich verfahren, und zwar nicht nur gegen Sie und Ihre Begleiter. Ich habe mich der hiesigen Angelegenheit angeschlossen, weil ich glaubte, in derselben einer guten Sache zu dienen; aber Sie haben mir die Augen geöffnet. Ich bin Ihnen dankbar dafür. Indem ich Sie bitte, aus dem Bisherigen nicht ein Urteil über mich zu fällen, stelle ich mich Ihnen zur Verfügung, bin dabei aber von Ihrer Diskretion überzeugt. Meines Bleibens wird hier nicht mehr lange sein; jedenfalls aber können Sie auf mich rechnen.«

»Meinen Dank, Sennor,« antwortete ich. »Es freut mich aufrichtig, hier einen Mann zu finden, welcher sich mit seinem Urteile auf die Seite der gerechten Sache stellt. Ich konnte das, nach dem, was wir erfahren haben, wohl kaum erwarten. Die hier anwesenden Truppen scheinen sich ja nur aus Bravos und Brisanten rekrutiert zu haben?«

»Leider haben Sie recht. Ich mußte das schon bald nach meiner Ankunft hier bemerken und fragte mich in Folge dessen, ob es sich mit meiner Ehre vertrage, auf solcher Seite zu kämpfen. Nach allem, was ich nun gesehen und gehört habe, kann ich nur wünschen, so bald wie möglich von hier fortzukommen. Doch wird das außerordentlich schwierig sein. Ich bin in Jordans Absichten eingeweiht, in Folge dessen er mich wohl mit Gewalt zurückhalten würde.«

»So entfernen Sie sich heimlich.«

»Das würde sich unter irgendeinem Vorwande tun lassen; aber ich bin überzeugt, daß ich schnell die Verfolger hinter mir haben würde.«

»Pah! Es wird hier zwar sehr viel Pulver verschossen; erfunden aber wurde es anderswo. Wurden Sie von Jordan vereidigt?«

»Nein.«

»So sind Sie also nicht gebunden. Haben Sie wirklich die Absicht, sich zu entfernen, so kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein.«

»Sie?« fragte er mit einem Lächeln des Erstaunens. »Sie befinden sich doch selbst in einer Lage, in welcher Sie der Hilfe bedürfen, Sennor!«

»Wohl schwerlich. Da wir uns wieder im Besitz unserer Waffen befinden, werden wir uns schon selbst zu helfen wissen. Jordan muß uns gehen lassen. Vielleicht finden Sie dabei die Gelegenheit, sich uns heimlich anzuschließen.«

»Nun, wollen sehen. Jedenfalls aber können Sie überzeugt sein, daß ich auf Ihrer Seite stehe und es möglichst verhüten werde, daß Sie von neuem in Gefahr gebracht werden. Jetzt muß ich fort, damit man nicht aus meinem Verweilen bei Ihnen schließt, daß ich gesonnen bin, mich Ihrer anzunehmen.«

Er ging, kehrte aber sehr bald zurück, um uns nach der für uns bestimmten Wohnung zu bringen. Diese lag in einem Nebengebäude, so daß wir über den Hof gehen mußten, welcher voller Menschen war, die uns mit neugierig feindseligen Blicken betrachteten. Einige wollten sich an uns drängen; sie schienen die Absicht zu haben, sich an uns zu vergreifen; der Rittmeister wies sie aber in strengem Tone zurück.


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Das Gebäude war mehr Schuppen als Haus. Es bestand aus Bretterwänden mit schmalen Luftlöchern und einem Dache aus demselben Material. Der vollständig leere Raum war so groß, daß ich den Rittmeister bitten konnte, unsere Pferde bei uns haben zu dürfen. Er erfüllte diesen Wunsch und ließ die Tiere bringen, erhielt aber dafür, wie wir später erfuhren, einen scharfen Verweis, aus welchem wir schließen konnten, daß man doch noch Hintergedanken gegen uns hege. Daß wir die Pferde bei uns hatten, erhöhte natürlich unsere Sicherheit und erleichterte unsere Flucht, falls wir zu derselben gezwungen sein sollten.

Hier blieben wir nun ganz für uns, und niemand schien sich um uns zu kümmern, bis nach eingebrochener Dunkelheit uns der Rittmeister zwei Lampen schickte, welche mit Stutenfett gespeist wurden. Auch Fleisch, an welchem wir uns satt essen konnten, wurde uns gebracht.

Draußen brannten zahlreiche Feuer, und wir konnten durch die Luftlöcher das halb wilde Treiben sehen, welches sich um dieselben gruppierte.

Es wurde später und immer später. Die Feuer verlöschten, und eine Trommel gab das Zeichen zum Schlaf. Auch wir waren müde. Wir mußten uns auf den nackten Boden legen und trafen zu unserer Sicherheit die Vorkehrung, daß nach der Reihe einer von uns wachte.

Spät in der Nacht wurde ich geweckt. Der Rittmeister hatte sich unbemerkt herbei geschlichen und leise klopfend Einlaß begehrt. Unsere Lampen waren erloschen. Kein Mensch sah, daß ich ihm öffnete und ihn einließ.

»Verzeihung, Sennor, daß ich nicht früher kam!« sagte er. »Man hatte draußen Wächter gestellt, um zu erfahren, was bei Ihnen geschehe. Um die Aufmerksamkeit nicht auf mich zu lenken und überhaupt keinen Argwohn zu erregen, blieb ich fern. Der Kerl, welcher die Türe im Auge behalten soll, hat sich jetzt niedergelegt und schläft.«

»So könnten wir fliehen, wenn wir wollten!«

»O nein. Der Huftritt Ihrer Pferde würde Sie sofort verraten, und dann wären alle hinter Ihnen her.«

»Nun, ich habe auch keineswegs die Absicht, mich heimlich davon zu machen. Ich will offen und am Tage diesen Ort verlassen. Haben Sie etwas über unsere Abreise in Erfahrung gebracht?«

»Ja. Ich bin zum ersten Male in meinem Leben Horcher gewesen und habe gehört, welche Instruktion der Major erhalten hat.«


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»Also bleibt es dabei, daß er es ist, welcher uns nach Buenos Ayres begleitet?«

»Ja. Er bekommt so viele Begleiter mit, wie Sie haben. Da er die Pferde nur bis zum Flusse braucht, muß ich mit einigen Reitern mit, um die Pferde zurück zu bringen und dabei die Nachricht, daß Sie glücklich und richtig auf einem Flosse untergebracht worden sind.«

»Also abermals per Floß?«

»Aus Vorsicht. Es gehen ja auch Dampfer vorüber, deren jeder bereit wäre, Sie aufzunehmen; aber da gibt es zahlreiche Menschen an Bord, während Sie sich auf einem Flosse allein befinden und von keiner Seite Störung haben.«

»Ich verstehe. Jordan befürchtet, daß wir auf einem Dampfer uns in den Schutz anderer begeben würden.«

»Mag sein. Er hat dem Major schriftliche Vollmacht gegeben, in seinem Namen zu unterzeichnen und das Geschäft abzuschließen. Das Schiff soll dann den Parana hinauf gehen, bis zu einer Stelle, welche zwischen Jordan und dem Major verabredet worden ist, und dort die Ladung an die Leute abgeben, welche Sie dort am Ufer treffen werden.«

»Welche Stelle ist das?«

»Ich weiß es nicht. Sie sprachen darüber so leise, daß ich es nicht verstehen konnte. Aber ich warne Sie. Bleiben Sie an Bord und gehen Sie nicht an das Ufer, weil der Major die Weisung hat, sich Ihrer zu bemächtigen, nämlich sobald sich alles in seinen Händen befindet und der Verrat an Ihnen für Jordan keine Verluste mehr zur Folge haben kann.«

»Das habe ich erwartet. Bekommen wird der Major mich keinesfalls, viel eher aber kann es geschehen, daß er in meine Hände fällt. Wo befindet sich Jordan?«

»Noch hier.«

»So wird er uns zu sich kommen lassen, ehe er uns entläßt?«

»Jedenfalls. Er wird Sie dabei wohl mit großer Freundlichkeit behandeln. Sie dürfen ihm jedoch nicht trauen.«

»Ich habe kein Vertrauen mitgebracht, und das, was hier geschehen ist, war keineswegs geeignet, mein Mißtrauen zu zerstreuen. Haben Sie in Beziehung auf Ihre Person einen Plan gefaßt?«

»Gefaßt noch nicht, wenigstens keinen festen, sichern Plan. Doch bin ich entschlossen, zu verschwinden, sobald sich mir eine passende, nicht allzu gefährliche Gelegenheit dazu bietet.«

»Nach meiner Ansicht ist dieselbe da. Sie fahren mit uns.«

»Das ist unmöglich!«

»O nein. Man darf überhaupt das Wort "unmöglich" nicht bei jeder Schwierigkeit in Anwendung bringen.«

»So bitte ich, mir zu sagen, in welcher Weise dieser Plan in Ausführung gebracht werden könnte!«

»Gern. Aber ich müßte wissen, daß ich mich auf Sie verlassen kann, daß Sie es wirklich aufrichtig mit uns meinen«

»Das tue ich ja. Ich Rebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich Ihnen freundlich gesinnt bin, keine Hinterlist beabsichtige und sehr froh sein würde, wenn es mir gelänge, von hier zu entkommen!«

»Ich habe hier in Beziehung auf das Ehrenwort keine aufmunternden Erfahrungen gemacht, will aber trotzdem Ihrer


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Versicherung Glauben schenken, da ich Sie für einen Ehrenmann halte.«

»Tun Sie das, Sennor! Sie werden sich nicht in mir täuschen.«

»So sagen Sie mir zunächst, ob Ihre Habseligkeiten einen bedeutenden Raum einnehmen!«

»Ganz und gar nicht. Man lebt hier wie im Felde. Ich habe mir nichts Überflüssiges angeschafft. Mein ganzer Besitz besteht in meinem Pferde, meinen Waffen, zwei Anzügen und einem kleinen Vorrate an Wäsche.«

»Das würde doch ein Paket ergeben, welches Mißtrauen erregte, falls Sie es bei sich führen wollten. Können Sie den zweiten Anzug und die Wäsche nicht heimlich zu uns bringen?«

»Ich denke es.«

»So tun Sie es! Wir nehmen die Sachen zu uns. Sie müssen uns ja begleiten und werden da auf unser Floß kommen.«

»Geht das? Ich soll wieder zurück.«

»Pah! Sie sollen; aber ob Sie auch wollen, ob Sie es tun, das ist eine ganz andere Sache.«

»Was würde der Major dazu sagen?«

»Den überlassen Sie mir. Ich werde ihm die Sache so plausibel machen, daß er sich fügen wird oder fügen muß.«

»Er ist mein Vorgesetzter!«

»Nur so lange, als Sie ihn als solchen gelten lassen. Wir stehen auf Ihrer Seite, und Sie haben selbst gesehen, wie ich mit Cadera umgesprungen bin. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie freikommen werden.«

Er schwieg eine kleine Weile und sagte dann:

»Es ist ein großes Wagnis!«

»Gar nicht, Sennor! Bedenken Sie, was ich gewagt habe, inmitten einer solchen Menge von Feinden! Es ist gelungen. Es fällt mir also nicht ein, mich vor den wenigen Leuten zu fürchten, welche man uns mitgeben wird.«

»Es kann sehr leicht zum Kampfe kommen!«

»Das bezweifle ich stark. Ihre Leute wissen, daß wir ihnen in Beziehung auf unsre Waffen überlegen sind. Übrigens ziehe ich natürlich die List der Gewalt vor. Das versteht sich ganz von selbst.«

»Nun gut! Sie sprechen in einer so Vertrauen erweckenden Ruhe und mit solcher Überlegung, daß ich mich auf Sie verlassen und das Wagnis unternehmen will. Ich werde Ihnen meine Sachen heimlich bringen. Innerhalb einer Viertelstunde bin ich wieder da.«

Er schlich sich davon und brachte in der angegebenen Zeit die Gegenstände. Auf eine Fortsetzung der Unterredung verzichteten wir. Es gab nichts zu besprechen, da wir ja nicht im voraus wußten, wie das Ereignis sich gestalten werde. Auch konnte der Posten leicht aufwachen, und wenn er dann den Rittmeister von uns kommen sah, so war zu vermuten, daß er dies melden werde.

Wir schliefen weiter, bis draußen das rege Lagerleben erwachte. Die Leute ritten ihre Pferde zur Tränke und brannten Feuer an, um sich das Fleisch zu braten, aus welchem ausschließlich ihre täglichen drei Mahlzeiten bestanden.

War ich der Ansicht gewesen, daß Jordan uns zu sich kommen lassen werde, so hatte ich mich geirrt; er kam in Begleitung des Generals zu uns, höchst wahrscheinlich, um seinen Leuten unterwegs nicht Gelegenheit zu Feindseligkeiten gegen uns zu geben.

»Ich will Ihnen mitteilen,« sagte er, » daß Sie jetzt Essen bekommen und dann aufbrechen werden,« sagte er. »Sie sehen, daß ich mein Wort halte.«

»Das ist selbstverständlich!« antwortete ich. »Wir haben also vollste Freiheit wieder und dürfen keine weiteren Feindseligkeiten erwarten?«

»Nein. Wir sind Verbündete. Nach dem aber, was geschehen ist, dürfen Sie nicht erwarten, daß ich Ihnen den Major ohne alle Begleitung mitgebe.«

»Ihr ganzes Heer mag ihn begleiten; ich habe nichts dagegen!«

(Fortsetzung folgt.)
(Inhaltsverzeichnis)