Lieferung 12

Karl May

10. Februar 1883

Waldröschen
oder
Die Rächerjagd rund um die Erde.

Großer Enthüllungsroman
über die
Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft

von

Capitain Ramon Diaz de la Escosura.


// 265 //

»Eine gewisse Rosa, oder Rosaura, oder Rosetta, ich weiß den Namen nicht genau.«

»Ist eine Gräfin mit dabei?«

»Eine Gräfin? Alle Wetter, wäre denn diese Elvira eine Gräfin? Dazu ist sie zu dick!«

»Sie müssen das ja wissen!«

»Eigentlich, ja. Oder sollte dieser Alimpo eine Gräfin sein? Sie sprachen von einer Räuberbande; da ist es sehr leicht möglich, daß dieser Alimpo eine verkleidete Gräfin ist, die darauf ausgeht, mich zu heirathen und dann ganz gehörig auszurauben. Das wäre ja gräßlich! Donnerwetter!«

»Herr Oberförster, ich will nicht erwarten, daß Sie Ihren Scherz mit mir treiben wollen!« sagte der Polizist mit strenger Miene. »Ich müßte mir das unbedingt verbitten!«

»Keine Sorge, Männchen! Seit ich weiß, wer Sie sind, ist es mir wegen dieser verdammten Räuberbande ganz ernsthaft zu Muthe.«

»Hatten sie viele Effekten mit?«

»Ja.«

»Was alles?«

»Der Tausend, ich bin ihre Kammerzofe nicht, daß ich mich um solchen Krimskrams bekümmere! Uebrigens steht zwar hier, daß ich Ihnen Vorschub leisten soll, aber daß ich mir ein Verhör gefallen zu lassen habe, davon lese ich nichts. Ich werde mir da anders helfen. - Ludewig!«

Auf diesen Ruf trat der Jäger ein, der einen höchst unliebenswürdigen Blick auf den Commissar warf.

»Bitte einmal den Herrn Doktor Sternau zu mir. Sage ihm, daß ein Polizeier hier sei, der mit ihm zu reden habe. Aber schnell!«

»Zu Befehl, Herr Hauptmann!«

Als der Jäger verschwunden war, meinte der Commissar in strengem Tone:

»Herr Oberförster, ich muß sehr bitten, die Höflichkeit nicht aus dem Auge zu lassen!«

»Inwiefern thue ich dies denn?«

»Sie nennen mich einen Polizeier; ich bin jedoch Polizei-Commissarius!«

»Pah! Sie sind alle Polizeier, vom Polizeiminister an bis herab zum Nachtwächter und Schootenhüter. Zu welcher Sorte Sie gehören, das geht mich ganz und gar nichts an!«

»Sie sagen immer »Männchen« zu mir.«

»Das ist eine gutmeinende Zärtlichkeitsform. Oder soll ich Sie lieber »Weibchen« nennen, he? Ich sage auch »Männchen« deshalb, weil Sie nicht gerade ein Riese sind. Zu einem ordentlichen Manne gehört eine ganz andere Persönlichkeit. So eine werden Sie gleich sehen. Da, hier!«

Die Thür ging auf, und Sternau trat ein. Er begrüßte den Hauptmann mit einem freundlichen Händedruck, den Polizisten aber nur mit einem kalten Blicke.

»Sie ließen mich rufen, lieber Cousin,« sagte er.

»Ja, dieses »Männchen« will mit Ihnen sprechen.«

»Wer ist es?«


// 266 //

Der Hauptmann wollte antworten, der Polizist aber kam ihm schnell zuvor:

»Ich bin großherzoglich hessischer Polizei-Commissarius!«

»Können Sie sich als solchen legitimiren?«

»Ich habe es bereits gegen den Herrn Oberförster gethan.«

»Ist er es wirklich, Cousin?«

»Es scheint so,« antwortete dieser in einem sehr geringschätzenden Tone.

»Nun, was will der Herr von mir?«

»Sie sind der Doctor Sternau?« fragte der Commissar.

»Wollen Sie die Güte haben, Ihre Frage in der rechten Weise zu wiederholen, Herr Commissar!«

Bei diesen Worten richtete Sternau seine Gestalt hoch auf, und seine großen Augen lagen so fest auf dem Polizisten, daß dieser das fehlende Wort sofort ergänzte:

»Sie sind der Herr Doctor Sternau?«

»Ja, dieser bin ich.«

»Sie kommen aus Spanien?«

»Ja.«

»Sie wohnten da beim Grafen Rodriganda?«

»Ja.«

»Sie fesselten einen gewissen Gasparino Cortejo?«

»Ja.«

»Sie nahmen die Tochter des Grafen mit nach Deutschland?«

»Ja.«

»Sie erhielten die Unterstützung von Räubern, als Sie auf der Flucht ergriffen werden sollten?«

»Ja.«

»Sie entsprangen aus dem Gefängnisse von Barcelona?«

»Ja.«

»Diese Geständnisse genügen vollkommen. Sie sind mein Gefangener, Herr Sternau!«

»Ich füge mich!«

»Was?« frug der Hauptmann verwundert. »Sie fügen sich, Cousin?«

»Ja,« lächelte der Gefragte.

»Ich werde zunächst Ihre Effecten durchsuchen,« meinte der Commissar.

»Ich glaube nicht, daß der Herr Hauptmann als Besitzer dieses Hauses und mein Gastfreund Ihnen dieses gestatten wird.«

»Der Teufel soll mich holen, wenn ich es erlaube!« rief der Hauptmann sofort.

»Ich muß mir jede Widersetzlichkeit verbitten!« warnte der Polizist.

»Und ich mir jede Eigenmächtigkeit, oder Ueberschreitung Ihrer Befugnisse. Sie scheinen in einem außerordentlichen Vorurtheile gegen mich befangen zu sein, und ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich Sie zur Verantwortung ziehen werde!«

Diese Worte und der Ton, in welchem sie von Sternau gesprochen wurden, machten einen sichtlichen Eindruck auf den Commissar. Er verbeugte sich wenigstens sehr höflich und sagte:

»Ich habe nur meine Pflicht zu thun!«


// 267 //

»Untersuchen wir diese Pflicht einmal gewissenhaft!« sagte Sternau. »Sie haben dem Herrn Hauptmann gestern an dieser Stelle mitgetheilt, daß ich von Spanien aus steckbrieflich verfolgt werde. Wollen Sie die Güte haben, mir einen dieser Steckbriefe vorzuzeigen?«

»Ich - trage keinen bei mir,« antwortete der Gefragte zögernd.

»Haben Sie einen dieser Steckbriefe gelesen?«

»Ich - ich habe mich darüber hier nicht auszusprechen!«

»Gut! Ich sehe, wie die Sache liegt. Sie haben dem Herrn Hauptmann die Unwahrheit gesagt. Von einer steckbrieflichen Verfolgung ist gar keine Rede. Man weiß in Rodriganda, daß ich aus Mainz bin, und es ist der Wunsch ausgesprochen, Recherchen nach mir anzustellen. Wie Sie daraus meine Arretur und eine Haussuchung herleiten wollen, ist mir unverständlich. Was meine Person betrifft, so weigere ich mich gar nicht, mich Ihnen zur Verfügung zu stellen, natürlich unter dem Vorbehalte, daß Sie die Verantwortung Ihres Verhaltens tragen. Was jedoch das Uebrige betrifft, so muß ich mich gegen jede Haussuchung ernstlich verwahren. Dieses Haus birgt eine schwer geisteskranke Dame, die Gräfin Rodriganda, von der ich jede Störung oder gar Aufregung streng fernhalten muß. Ich bin Arzt und weiß zu vertreten, was ich sage. Nicht Sie, sondern der Staatsanwalt hat die Untersuchung zu führen, wenn eine solche für nöthig gehalten werden sollte; ich begleite Sie zu ihm; alles Weitere verbitte ich mir!«

»Und ich,« meinte der Hauptmann, »werde jeden niederschießen, der es wagt, ohne meine Erlaubniß in eines meiner Zimmer zu treten, gleichviel, ob er Commissar oder Gendarm ist!«

Der Polizist sah sich zwei Männern gegenüber, mit denen nicht zu scherzen war. Er beschloß, die Saiten nicht zu hoch zu spannen und fragte daher:

»Sie werden mich also zum Herrn Staatsanwalt begleiten?«

»Ja.«

»So bitte ich, mir nach meinem Wagen zu folgen!«

»Das werde ich allerdings nicht thun,« sagte Sternau. »Ich bin kein Raubmörder, welcher unter eine solche Bedeckung zu nehmen ist. Der Herr Hauptmann wird mir wohl einen Wagen zur Verfügung stellen. Sie können mir mit dem Ihrigen folgen, um mich nicht aus dem Auge zu verlieren.«

»Ja, Cousin, ich lasse sofort anspannen,« erklärte der Oberförster. »Ich fahre selbst mit. Der Staatsanwalt ist ein guter Bekannter von mir. Ich werde doch sehen, ob er uns fressen wird!«

So geschah es. Es wurde angespannt, und dann rollten die beiden Wagen auf der Straße nach Mainz dahin. Dort fuhren sie nach dem Gerichtsgebäude, wo der Commissar sich mit Sternau bei dem Staatsanwalte melden ließ. Der Hauptmann trat eigenmächtig mit ein.

Der Anwalt erhob sich bei dem Eintritte der drei Männer.

»Hier ist Sternau,« sagte der Commissar in dienstlichem Tone.

»Schön,« meinte der Anwalt. »Ah, Herr Hauptmann, was giebt mir das Vergnügen, auch Sie mit zu sehen?«

»Ich komme mit, um Ihnen meinen Freund und Cousin, den Herrn Doctor Sternau etwas anders vorzustellen als nur mit den Worten: Hier ist Sternau.«


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Der Anwalt konnte ein verlegenes Lächeln nicht ganz verbergen. Er verbeugte sich vor dem Doctor und sagte in einem verbindlichen Tone:

»Ich gestehe aufrichtig, daß es mir lieb gewesen sein würde, Ihre Bekanntschaft an einem anderen Ort gemacht zu haben, hoffe jedoch, daß hier ein Mißverständniß vorliegt, welches sich leicht aufklären läßt.«

»Ich bin überzeugt davon, Herr Anwalt,« antwortete Sternau, »und bitte nur, diese Papiere und Documente einer freundlichen Durchsicht zu unterwerfen.«

Er zog sein Portefeuille und legte dem Beamten eine Reihe von Papieren vor. Dieser bat die beiden Herren, sich niederzusetzen, was sie auch thaten, und begann dann die Durchsicht. Seine Miene nahm von Minute zu Minute eine immer größere Spannung an; er warf zuweilen einen erstaunten oder forschenden Blick auf Sternau und sprang zuletzt gar plötzlich empor und rief:

»Aber, das ist ja ganz außerordentlich, und, Herr Doctor, Sie besitzen Empfehlungen und stehen unter Protectionen, denen sich Ihr ärgster Feind fügen müßte. Und das bin ich doch wahrlich nicht. Hier meine Hand. Lassen Sie uns Freunde sein, und beehren Sie mich mit der Erlaubniß, Ihnen in dieser wunderbaren Angelegenheit meine Hilfe anbieten zu dürfen!«

Sternau nahm die dargebotene Hand an und sagte:

»Ich wußte es, daß ich in Ihnen es mit einem Ehrenmanne zu thun hatte. Ja, lassen Sie uns Freunde sein, und versagen Sie mir Ihren Rath nicht, wenn ich dessen bedürfen sollte!«

Der Commissar stand ganz verblüfft dabei. Der Anwalt wandte sich jetzt streng an ihn:

»Herr, Sie haben da wieder einmal einen fürchterlichen Bock geschossen. Ihre Darstellung war ganz aus der Luft gegriffen. Ein Polizist, der seine Angaben aus dem Reiche einer überspannten Phantasie herholt, ist nicht an seinem Platze. Ich werde Ihnen lange Zeit nicht mehr glauben können. Gehen Sie, aber bitten Sie diese beiden Herren, welche Ehrenmänner sind, vorher um Verzeihung!«

Der wie mit Wasser Uebergossene trat näher und sagte:

»Verzeihen Sie mir, meine Herren!«

Sternau antwortete nur mit einem kalten, fast unmerklichen Neigen seines Kopfes, der wackere Oberförster aber konnte sich eine hörbare Genugthuung nicht versagen.

»Da haben Sie es, Männchen, was Sie für einen Pudel schießen! Halten Sie nun Ihre Haussuchung meinetwegen im Monde, aber um Gottes willen nicht bei mir!«

Der also Bestrafte trat ab, und der Staatsanwalt meinte:

»Ich bin begierig, heut noch ein Näheres über Ihre Erlebnisse in Spanien zu hören, Herr Doctor. Haben Sie vielleicht ein Viertelstündchen Zeit?«

»Wir stehen gern zur Verfügung, Herr Anwalt!«

»Schön! Das hier ist mein Amts- und Arbeitszimmer, aber daneben habe ich mein Privatkabinet. Da giebt es wohl auch eine Cigarre und ein Glas Wein. Bitte, treten Sie ein!«

Sein Gehilfe, welcher schreibend an einem Ecktische gesessen hatte, sprang empor und riß mit einer tiefen Verbeugung die Thür auf, welche er hinter ihnen wieder schloß.


// 269 //

Unterdessen war draußen in Rheinswalden der kleine Kurt aus dem Vorwerke nach dem Schlosse gekommen, um zu dem Hauptmann zu gehen. Er traf im Hofe den Jäger Ludewig.

»Guten Morgen, Ludewig. Ist der Herr Hauptmann in seinem Zimmer?« fragte er.

»Nein,« antwortete der Jäger kurz und ärgerlich.

»Wo ist er denn?«

»Arretirt!«

»Arretirt? Von wem denn?«

»Von einem Polizei-Commissar; er und der Herr Doctor Sternau.«

»Der Herr Doctor Sternau auch, den ich so gern habe! Was haben sie denn gemacht?«

»Nichts. Sie sind unschuldig dahier.«

»Warum läßt Du sie denn da arretiren?«

»Ich konnte nichts machen!«

»Nichts? Geh', Ludewig, Du bist ein Hasenfuß.«

»Sapperlot, Junge, das verstehst Du nicht!«

»Wann kommen sie denn wieder?«

»Weiß ich es? Es hat Leute gegeben, welche Jahre lang unschuldig eingesperrt worden sind.«

»Höre, Ludewig, wo stecken sie denn?«

»Bei dem Staatsanwalte, wie ich gehört habe dahier.«

»Und wo ist der?«

»Im Gerichtsgebäude.«

»Wo die vielen Gitter vor den Fenstern sind?«

»Ja.«

»Höre, Ludewig, ich werde sie herausholen aus dem Loche!«

»Unsinn dahier! Der Staatsanwalt würde Dich schön auslachen dahier!«

»Das soll ihm wohl vergehen! Ich nehme meine Flinte mit!«

»Da wirst Du gar nicht zu ihm gelassen. Deine Mama läßt Dich auch gar nicht fort.«

»So! Aber ich leide es nicht, daß man den Herrn Hauptmann einsperrt und den guten Herrn Sternau dazu! Also Du denkst, es kann sie Niemand aus dem Loche herausholen, he?«

»Niemand. Man muß dahier die Sache ruhig abwarten.«

»So warte!«

Er wollte gehen, aber Ludewig rief ihn zurück.

»Höre, mache keine Dummheiten! Es sollte mich dauern, denn ich bin Dir Dank schuldig.«

»Dank? Wofür?«

»Daß Du dem Herrn Hauptmann sein Ehrenwort abverlangt hast wegen der Waldina.«

»Das habe ich gern gethan.«

»Gut, so will ich Dir auch einmal ein Ehrenwort abverlangen.«

»Welches?«


// 270 //

»Daß Du wegen den Gefangenen keine Dummheiten machst!«

»Das gebe ich Dir, Ludewig. Hier meine Hand; ich mache ganz sicher keine Dummheiten!«

»Schön, mein Junge. Nun kann ich ruhig sein dahier!«

Kurt ging. Er kehrte nach dem Vorwerke zurück und hielt unterwegs ein kleines Selbstgespräch:

»Ich kann das Ehrenwort schon geben, denn es sind ja keine Dummheiten, die ich machen will. Ich werde mir mein Pferdchen satteln lassen und nach Mainz reiten. Das Gebäude, wo die vielen Gitter sind, weiß ich ganz gut. Und wenn ich die Flinte nicht mitnehmen darf, so nehme ich den Revolver mit. Wie gut, daß ich ihn gestern geschenkt bekommen habe, und wie gut, daß mir der Ludewig noch gestern gezeigt hat, wie man damit schießt! Er ist geladen. Ich schieße diesen Staatsanwalt todt, wenn er sie nicht sogleich freiläßt!«

Er ging zunächst in seine Wohnung, um sich zu vergewissern, daß ihm die Mutter nicht hinderlich sein könne. Sie hatte in der Küche zu thun. Er setzte das grüne Hütchen auf und ging in den Stall. Dort stand das kleine schottische Bergpferdchen, welches ihm der Hauptmann geschenkt hatte. Es war kaum größer als ein tüchtiger Ziegenbock und lief ihm nach wie ein Hund. Die Magd war im Stalle.

»Höre, Pauline,« sagte er, »bist Du mir gut?«

»Das versteht sich!« antwortete das Mädchen.

»So sattele mir einmal den Hans!«

»Wo willst Du hin?«

»Ich soll mit dem Ludewig ausreiten.«

»Weiß es die Mama?«

»Ja, aber sie hat keine Zeit.«

»Gut, so will ich es machen.«

Der sonst so ehrliche Knabe hielt es für keine Sünde, in dieser hochwichtigen Angelegenheit einmal eine Lüge zu sagen. Es galt doch, ein gutes, tapferes Werk zu vollbringen. Die Magd sattelte das Pferdchen und führte es ihm vor die Thür. Den Revolver hatte er bereits vorher in der Stube zu sich gesteckt. Er stieg auf, nahm die Zügel in die Hand und trabte von dannen.

Es war ein gar niedlicher Anblick, den kleinen Kavalleristen zu sehen, und Mancher, der ihm auf der Straße begegnete, blieb stehen, um ihm erstaunt nachzusehen. In der Stadt aber gab es noch mehr Leben und also auch mehr Bewunderer, und er wurde ordentlich stolz, als er so viele Blicke auf sich gerichtet sah.

Vor dem Gerichtsgebäude hielt er an und stieg ab. Er band den Zügel seines Pferdchens an den Blindklopfer des einen Thorflügels und trat ein.

Im Flur traf er einen Mann, der eine Uniform trug; es war einer der Schließer.

»Wo ist der Staatsanwalt?« fragte er ihn beherzt.

»Was willst Du denn bei ihm, Kleiner?«

»Ich habe ihm etwas zu sagen,« antwortete er klug.

»Wohl einen Auftrag?«

»Ja.«

»Hier zur Treppe empor und in das Anmeldezimmer; da sagst Du es noch einmal.«


// 271 //

Kurt stieg die Treppe empor und öffnete die Thür. In der Anmeldestube saßen viele Leute, welche auf ihre Abfertigung warteten, und hinter dem Gitter saß der Amtswachtmeister, der zufälliger Weise den Knaben eintreten sah.

»Was willst Du?« fragte auch er.

»Ich will zum Staatsanwalt.«

»Du, Junge!« sagte der Beamte verwundert. »Was willst Du denn bei dem Herrn?«

»Ich habe einen Auftrag.«

»Ach so! Ist es nothwendig?«

»Sehr.«

Der Wachtmeister glaubte, es handele sich um eine Familienangelegenheit, und ging, den Knaben anzumelden. Diesem wurde es in der düstern Stube doch ein Wenig bange, aber er dachte daran, daß er den Herrn Hauptmann und den Herrn Doctor Sternau ja lieb habe, und daß er sie Beide aus dem Loche holen wolle; das frischte seinen bereits sinkenden Muth wieder auf.

Da trat der Wachtmeister wieder ein.

»Hier herein, Kleiner!« sagte er.

Kurt trat in dasselbe Zimmer, von dem der Staatsanwalt gesagt hatte, daß es sein Arbeitszimmer sei. Der Beamte war aus der Nebenstube herein gekommen, und sein Gehilfe saß schreibend am Tische.

»Was bringst Du mir, mein Sohn?« fragte der Anwalt.

Bei dem aus Gewohnheit scharfen und durchdringenden Blicke des Fragenden sank der Muth des Knaben abermals ein Wenig, aber er erinnerte sich herzhaft an sein Vorhaben und antwortete:

»Bist Du der Staatsanwalt?«

»Ja, der bin ich.«

»Da bist Du ein sehr böser Mann!«

Durch diese offene Erklärung hob sich die Energie des Kleinen um ein Bedeutendes. Der Anwalt erstaunte und fragte:

»Warum?«

»Weil Du die Leute in die Gefängnißlöcher steckst.«

»Was geht das Dich an!«

Bei diesen scharfen Worten fühlte der Knabe einen Zorn, der ihm seine ganze Kraft wiedergab.

»Mich, mich geht das sehr viel an, denn Du hast Zwei eingesteckt, die ich sehr lieb habe!«

»Wer ist es denn?«

»Der Herr Hauptmann und der gute Onkel Sternau.«

»Ah!« dehnte der Beamte. »Wer bist Du?«

»Ich bin der Kurt Helmers.«

»Woher?«

»Aus Rheinswalden.«

»Und was willst Du?«

»Ich leide es nicht, daß sie in dem Loche stecken!«

»Ah, Du willst wohl gar mit mir zanken?«


// 272 //

»Ja. Aber vorher will ich ganz artig sein und Dich bitten, sie frei zu lassen. Sie haben nichts Böses gethan.«

»Und wenn ich sie nun trotzdem nicht frei gebe?«

»O, so werde ich Dich zwingen!«

»Wodurch?«

»Wenn Du sie nicht auf der Stelle frei giebst, so erschieße ich Dich, ja, so erschieße ich Dich!«

»Junge, Du bist des Teufels!«

»Nein, ich bin nur muthig!«

»Aber, wenn Du mich erschießest, so wird man auch Dich einstecken!«

»Das schadet nichts, denn dann hast Du doch Deinen Lohn, und ich bin bei ihnen im Gefängnisse.«

»Und womit willst Du mich denn erschießen?«

»Mit diesem Revolver.«

Er griff in die Tasche und zog ihn heraus.

»Wahrhaftig, dieser Knabe macht Ernst!« rief der Staatsanwalt.

»O, Du dachtest wohl, ich mache Spaß? Da kennst Du mich schlecht; ich erschieße Dich wirklich!«

»Ist er denn geladen?«

»Das versteht sich! Also, ich frage Dich zum letzten Male: Willst Du sie freigeben oder nicht?«

Der Gehilfe war aufgesprungen, um ein mögliches Unglück zu verhüten, der Anwalt jedoch warf ihm einen beruhigenden Blick zu, sich nicht in diese interessante Sache zu mengen, und sagte jetzt:

»Nun, ich beginne wirklich, mich vor Dir zu fürchten. Wirst Du mir aber auch nichts thun, wenn ich sie loslasse?«

»Nein, dann thue ich Dir gar nichts, ja, ich werde mich sogar noch schön bei Dir bedanken.«

»Das ist ganz schön und prächtig von Dir, und weil Du so ein wackerer Kerl bist, so werde ich Deinen Wunsch erfüllen und sie frei geben.«

»Aber gleich, sofort!«

»Natürlich!«

»Kann ich mich auch darauf verlassen?«

»Das versteht sich!«

Da steckte Kurt mit stolzer und befriedigter Miene das Mordwerkzeug ein und sagte:

»Ich wußte es doch, daß man sich fürchten würde. Nun soll der Ludewig nur noch einmal sagen, daß es eine Dummheit ist, in die Stadt zu gehen und den Staatsanwalt todtzuschießen!«

»Hat er das gesagt?«

»Ja, dieser Esel!«

»Na, es fehlte nicht viel, so hätte er Recht gehabt. Aber der Herr Hauptmann und der Onkel Sternau sind mit ihrer Gefangenschaft ja ganz zufrieden gewesen. Es hat ihnen ganz prächtig gefallen.«

»Das glaube ich nicht!«


// 273 //

»Sie haben es ganz gut gehabt. Soll ich Dir einmal zeigen, wo sie waren und was sie thaten?«

»Ja, ich bitte Dich!«

»So komm'!«

Er führte ihn in das Kabinet. Die beiden Männer waren nicht wenig verwundert, als sie ihn sahen, und auch er zog ein höchst eigenthümliches Gesicht, als er sie bei Wein und Cigarren sitzen sah.

»Alle Wetter, Kurt! Was willst Du hier?« fragte der Hauptmann.

»Euch frei machen,« antwortete er kurz.

»Frei machen? Bist Du bei Troste!«

»Ja. Ich habe den Herrn Staatsanwalt gezwungen, Euch sofort aus dem Gefängniß zu entlassen.«

»Kerl, ich glaube gar, Du hast hinter unserem Rücken eine schauderhafte Eselei begangen!«

»Ist es eine Eselei, wenn man den Staatsanwalt todtschießt, wenn er nicht gehorchen will?«

Da sprang der Hauptmann erschrocken auf und ließ sich von dem Staatsanwalt den Vorgang erzählen.

»Herrgott, Junge, Du bist ja ganz und gar von Sinnen!« rief er dann. »Wir sind ja gar keine Gefangenen gewesen! Was konntest Du in Deiner Dummheit für Unheil anrichten! Ich werde Dich viel, viel kürzer in die Zügel nehmen müssen!«

»Zürnen Sie ihm nicht, Herr Hauptmann,« bat der Staatsanwalt. »Der Vorgang hat allerdings seine bedenklichen Punkte, aber« - fügte er lächelnd hinzu - »Sie glauben doch nicht, daß mein Leben in Gefahr gewesen ist! Wir haben es hier mit einer groß angelegten Menschenseele zu thun, und nur die Erziehung hat es in der Hand, was aus ihr wird, ein großer Verbrecher, oder eine im Guten gewaltig hervorragende Existenz. Nehmen Sie die Verantwortung dafür nicht leicht, so werden Sie einmal Freude erleben!«

Der Hauptmann nickte.

»Sie sprechen ganz dieselben Gedanken aus, welche ich selbst schon oft gehabt habe. Ich bin kinderlos und werde mir alle Mühe geben, diesen Baum so wachsen zu lassen, wie es ihm bei seiner ungeheuren Triebkraft zukommt. So hat also unsere interessante Unterhaltung durch diese kleine Episode einen ebenso interessanten Abschluß gefunden. Wir werden uns empfehlen müssen, denn ich sehe es dem Doktor an, daß er sich sehnt, seine ebenso schwere wie folgereiche Kur zu beginnen.«

»Werden Sie ihr das geheimnißvolle und fürchterliche Mittel heute noch geben?« fragte der Anwalt den Arzt.

»Ja. Ich darf nicht länger zögern.«

»Ah, ich wünschte wohl, dabei zu sein.«

»Sie würden die Wirkung nicht abwarten können.«

»Aber ich würde die Kranke heute sehen und dann später aus ihrem Befinden die Wirkung dieses Speichelgiftes beurtheilen können.«

»Wenn Sie Muse genug haben, uns zu begleiten, so würde es mir lieb sein, einen solchen Zeugen später aufweisen zu können.«


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»Ja, Herr Anwalt, begleiten Sie uns!« bat auch der Hauptmann. »Sie wissen, daß Sie mir stets ein hoch willkommener Gast sind.«

»Nun wohl, ich fahre mit!« sagte dieser. »Vielleicht ist es Ihnen später von Vortheil, wenn ich ein Protokoll aufnehme, in welchem die von Ihnen angegebenen Thatsachen ihre amtliche Bestätigung finden.«

Er gab für seine Abwesenheit dem Gehilfen einige Instructionen, und dann brachen sie auf. Sie fuhren per Wagen, Kurt aber bestieg sein Pferdchen wieder, um in Gedanken nach Hause zu reiten. Er war sich sehr im Unklaren, ob er heute eine Klugheit oder eine große Dummheit begangen habe. Nach reiflicher Ueberlegung kam er zu der Ansicht, daß das Letztere der Fall sei, und nun begann er, sich unendlich zu schämen.

Als er nach Hause kam und von seinem Pferdchen stieg, trat die Mutter aus der Thür.

»Kurt, komm' einmal her!« gebot sie in einem sehr strengen Tone.

Er gehorchte in gedrückter Haltung diesem Befehle.

»Kurt, Du bist ein Lügner!« klang es ihm hart entgegen.

»Ja, Mama,« antwortete er kleinlaut und aufrichtig.

Er fühlte sich innerlich so vernichtet, daß ihm die Thränen in die Augen traten. Bei seinem offenen Geständnisse wurde der Blick der Mutter milder, und ihre Stimme klang weniger hart, als sie sagte:

»Glaubst Du etwa, daß ich einen Lügner lieb haben kann? Ich habe sehr um Dich geweint!«

Da schlang er die Arme, so hoch er empor langen konnte, um sie und rief unter lautem Schluchzen:

»Mama, ich habe mich schon lange recht sehr geschämt; ich thue es gewiß nicht wieder, ich verspreche es Dir!«

»Aber warum hast Du denn die Magd belogen?«

»Weil Ihr es nicht wissen solltet, wohin ich ritt.«

»Und wo bist Du gewesen?«

»Beim Staatsanwalt im Gefängnisse.«

»Mein Gott, ist's möglich! Was hast Du denn dort gewollt?«

»O, ich steckte auch den Revolver ein; ich wollte den Staatsanwalt erschießen, wenn er den Herrn Hauptmann und den Onkel Sternau nicht frei ließ.«

»Das ist ja der reine Wahnsinn!« rief sie erschrocken. »Hast Du mit dem Staatsanwalt gesprochen?«

»Ja.«

»Und ihm mit dem Revolver gedroht?«

»Ja.«

Da schlug sie vor Entsetzen die Hände zusammen und rief:

»Jesus Maria, wie wird das gehen! Du machst ja uns Alle unglücklich, Du schrecklicher Junge! Was hat der Staatsanwalt denn geantwortet? Es ist ein helles Wunder, daß er Dich nicht sofort eingesteckt hat!«

»O, er war gar nicht böse. Er lachte ein klein Wenig und sagte, daß er aus Angst die beiden Gefangenen freilassen werde.«

»Und dann?«


// 275 //

»Dann führte er mich in eine Stube, da saßen sie, rauchten Cigarren und tranken Wein mit ihm.«

»So sind sie gar nicht gefangen gewesen?«

»Nein. Ach, Mama, ich schäme mich schrecklich! Ich bin ein ganz fürchterlicher Dummhut gewesen!«

Das klang so aus tiefstem Herzensgrunde heraus, und dabei lief ihm eine solche Thränenfluth über die vollen, rosigen Wangen, daß sie nicht anders konnte, sie mußte ihn beruhigen. Er war ja ihr Liebling!

»Na, tröste Dich nur! Ich werde zu den Herren gehen und für Dich um Verzeihung bitten; sie sind ja da; ich sah sie vorhin kommen.«

»Mama, ich gehe mit!« sagte er entschlossen.

»Warum?«

»Ich muß um Verzeihung bitten, nicht Du, und ich habe es ja noch gar nicht gethan.«

Da beugte sie sich zu ihm hernieder, nahm ihn in ihre Arme und küßte ihn. Ihr Herz jubelte hoch empor. Sie war eine einfache, ungelehrte Frau, aber sie fühlte, was für ein herrliches Zeichen dieser Entschluß des Knaben war; sie fühlte, daß sie in ihm einen Schatz besaß, für den viele Andere Millionen gegeben hätten. Für diese Kinderseele war der Irrthum nur ein Weg zur inneren Reinigung.

»Ja, Du sollst mitgehen,« sagte sie. »Aber Du machst es auch ganz gewiß nicht wieder?«

»Niemals, Mama; glaube es mir!«

»So will ich Dir auch gleich eine recht große Freude machen. Ich habe einen Brief erhalten, einen lieben, guten Brief. Rathe einmal, von wem!«

Da sprang der Knabe vor Freuden empor, schlug die Hände zusammen und rief:

»Vom Papa!«

»Ja. Ich hätte gar nicht gewußt, daß Du fort warst, aber ich suchte Dich, um von dem Briefe es Dir zu sagen. Aber das Beste kommt noch. Rathe einmal, was er uns schreibt, Kurt!«

»O, er schreibt am Ende gar, daß er kommen will! Habe ich richtig gerathen, liebe Mama?«

»Ja, mein Sohn, er kommt!« rief sie mit seliger Freude in ihrem guten Angesichte.

»Juchhei, der Vater kommt, juchhei!«

Mit diesem Rufe tanzte der junge im Hofe umher und war nicht eher wieder zu beruhigen, als bis ihn die Mutter aufforderte, um sogleich mit nach dem Schlosse zur Abbitte zu gehen.

Als sie hinüber kamen, konnten sie leider nicht vorgelassen werden, sondern mußten unverrichteter Sache zurückkehren, da die Herrschaften nicht gestört sein wollten, die sich alle in der Krankenstube befanden. Diese war das schönste Zimmer des Schlosses, geräumig und sehr bequem ausgestattet. Es hatte Platz für Viele, und das war in diesem Augenblicke auch sehr nothwendig, denn es befanden sich da außer der Kranken und ihrem Arzte der Hauptmann, der Staatsanwalt, Frau und Fräulein Sternau und Alimpo mit seiner Elvira.

Auch der unter seinen Aktenstücken weniger empfänglich gewordene Anwalt


// 276 //

hatte sich, als er eintrat, durch den Anblick der Gräfin außerordentlich erschüttert gefühlt. Sie lag vor dem Sopha und betete. Sie merkte Nichts von dem Eintritte so vieler Menschen, und man ließ sie gewähren. Jetzt saß der Anwalt am Tische und nahm das Protokoll auf. Er empfand für diesen Fall eine Theilnahme, wie noch nie, und ein zwingendes, seelisches Bedürfniß, hier aus allen Kräften Hilfe zu spenden.

Als er das Protokoll vorgelesen, unterzeichnet und dem Arzte übergeben hatte, zog dieser eine kleine Phiole hervor, deren Inhalt er genau gegen das Licht betrachtete.

»Dies ist das Gift?« fragte der Anwalt.

»Ja. Sie werden es sehen, wenn ich es verdünne.«

»Ich meine immer, daß Sie dieses unheimliche Mittel nur unter Beisein der hervorragendsten Irrenärzte in Anwendung bringen sollten.«

»Sie zweifeln an mir? Ich bin überzeugt, daß diese Männer alle sich gegen die Anwendung eines so heroischen Mittels aussprechen würden. Sie würden es vorziehen, die Kranke feig im Wahnsinne verkümmern zu lassen.«

»Nein, so war meine Bemerkung ja nicht gemeint! Ich wünschte nur, daß Sie vor diesen wissenschaftlichen Kapazitäten bewiesen, daß Sie ihnen allen überlegen sind. Wenn ich Sie so ruhig vor mir stehen sehe, so ist es mir, als könnte man Ihnen tausend Leben anvertrauen.«

»O, glauben Sie mir,« sagte Sternau mit leise vibrirender Stimme, »daß diese Ruhe mir nicht leicht wird. Ich sehe das köstlichste Gut, welches ich besitze, in die Nacht des Wahnsinns verfallen; ich wende ein Mittel an, welches allein nur helfen kann und mit dem ich selbst noch niemals operirte. Es steht hier nicht eine einfache Heilung, sondern es steht die Gewinnung eines großen Prozesses, die Bestrafung bestialischer Verbrecher, es steht mein ganzes, ganzes Heil und Glück auf dem Spiele. Meine Seele bebt und zittert, aber mein Körper muß ruhig und still sein, wie es dem Arzte ziemt. Ich vertraue nicht mir, sondern der Wissenschaft und der Hilfe Gottes!«

Da streckte der Anwalt, dem eine Thräne im Auge stand, ihm die Hand entgegen.

»Herr Doktor,« sagte er, »ich wünsche Ihnen das Gelingen ebenso herzlich, als wenn ich mich an Ihrer eigenen Stelle befände!«

»Ich auch!« meinte der Oberförster. »Guckt mich alten Kerl nur nicht an, denn ich muß mich schämen. Da läuft mir das Wasser aus den Augen wie einem Schuljungen, der geprügelt worden ist. Wenn die Gräfin nicht geheilt wird, so renne ich nach Spanien und sprenge beim Teufel dieses ganze Rodriganda in die Luft!«

Der derbe Alte wischte sich die Thränen aus dem Barte, sie flossen aber immer wieder nach.

»Nun, laßt uns jetzt beginnen!« sagte Sternau.

Dies waren einfache Worte, aber sie brachten eine große Wirkung hervor. Frau Sternau und Helene eilten weinend auf die Kranke zu und schlossen sie in die Arme; der Oberförster schluchzte nun doppelt laut und zum Erbarmen; Alimpo


// 277 //

faßte seine Elvira bei der Hand, indem sie Beide um die Wette weinten, und sogar der Anwalt nahm sein Taschentuch zur Hand.

Nur Sternau selbst blieb scheinbar ruhig. Er mußte eine fast übermenschliche Selbstbeherrschung besitzen, denn als er jetzt einen Porzellanlöffel mit Wasser füllte, zitterten seine Hände nicht um die Breite des hundertsten Theiles eines Haares. Nachdem er aus der Phiole zwei Tropfen hinzugegossen hatte, zeigte der den Löffel herum. Das Wasser war vollständig farb- und geruchlos geblieben.

»Haltet sie!« bat er.

Seine Mutter und Schwester knieten zu beiden Seiten der Kranken nieder und richteten ihr den Kopf empor. Sternau näherte den Löffel dem Munde der Kranken, zog ihn aber plötzlich zurück und verhüllte mit der freien Hand sein Angesicht. Ein einziges, kurzes, aber fürchterliches Schluchzen erschütterte seinen mächtigen Körper wie ein Erdbeben; es war ein Laut, so tief stöhnend, so gewaltig, daß die Andern augenblicklich in ein erneutes Weinen ausbrachen. Der gewaltsam zurückgehaltene und nun mit einem einzigen, desto kräftigeren Stoße hervorbrechende Schmerz dieses starken Mannes erschütterte die Herzen mehr, als alle vorhergehenden Thränen und Klagen.

»Herr Gott,« rief er, »es wird mir fast zu viel! Gieb mir Kraft, Kraft, Kraft!«

Dieser Ruf war ein Gebet, wie es inbrünstiger nicht zum Himmel geschickt werden konnte, und Gott schien Erbarmen zu haben, denn der gewaltige Mann raffte sich zusammen und trat zum zweiten Male näher. Kaum berührte der Löffel die Lippen der Kranken, so öffnete sie mechanisch den Mund, nahm die verhängnißvolle Flüssigkeit bis auf den letzten Tropfen und verschluckte sie. Sternau trat zurück; ein tiefer, mächtiger Seufzer hob seine Brust; er legte den Löffel auf den Tisch und faltete die Hände.

»Vater im Himmel, entweder gieb Gelingen oder laß mich sterben!«

»Mein Sohn, mein guter, lieber Sohn!« schluchzte seine Mutter, indem sie die Arme um ihn legte. »Der Allmächtige wird Erbarmen haben. Vertrauen wir auf seine Güte!«

»Wer da ruhig bleiben kann, der ist der größte Hundsfott, den die Erde trägt!« sagte der Oberförster. »Ich habe gar nicht geglaubt, daß ich eine so weichherzige Seele bin.«

»In welcher Weise wird die Medizin jetzt wirken?« fragte der Staatsanwalt.

»Es wird sich schon in kurzer Zeit zeigen, ob sie überhaupt wirkt,« antwortete Sternau. »In zehn Minuten muß sie einschlafen. Dieser Schlaf wird sehr lange, vielleicht achtundvierzig Stunden dauern, und während dieser Zeit hat das Wichtigste zu geschehen. Der Schlaf darf in keiner Weise unterbrochen werden. Erwacht sie vor der Zeit, so war die Gabe zu schwach, und ich habe nachzugeben. Tritt Aufregung, Unruhe oder gar Fieber ein, so war die Gabe zu stark, und die Kranke wird sterben, wenn ich nicht sofort Gegenvorkehrungen treffe. Es ist überhaupt nicht abzusehen, welche Umstände eintreten können, und ich darf keine Minute lang ihr Lager verlassen. Ich muß bitten, Herr Hauptmann, Tag und Nacht ein gesatteltes Pferd bereit zu halten, damit ich an jedem Augenblicke einen Boten zur Stadt habe, wenn ich eine unvorhergesehene Medizin brauche.«


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»Sie brauchen nur zu befehlen, Cousin, so lasse ich alle Pferde satteln und todtreiten,« antwortete der Oberförster. »Ein solches Opfer ist gering gegen Das, was hier auf dem Spiele steht.«

Die Anwesenden warteten zehn bange Minuten lang. Die angstvolle Spannung war wirklich nervenzerstörend. Die Kranke kniete noch immer in ihrer betenden Stellung vor dem Sopha. Da, da senkte sie langsam das Haupt; ihre Lippen bewegten sich nicht mehr ohne Unterlaß, sondern in einzelnen, immer länger werdenden Pausen; endlich schlossen sich die Augen, und die vorher aufrecht knieende Gestalt sank haltlos in sich zusammen.

»Gott sei Dank!« betete es rund im Kreise.

»Halb gewonnen!« jubelte Sternau. »Mutter, legt ihr ein Negligee an und tragt sie nach dem Bette. Wir gehen; aber in fünf Minuten bin ich wieder da, um meine Wache anzutreten.«

Die Herren entfernten sich. Alimpo ging hinunter in den Hof, um nach dieser Aufregung einen Mund voll frischer, stärkender Luft zu athmen. Da stand Ludewig und kam auf ihn zu.

»Wie steht es, Herr Alimpo, gut oder schlimm?« fragte er.

»Rien comprends,« lautete die Antwort.

»Ich meine die Gräfin!«

»Rien comprends!«

Da faßte der Jäger den Spanier beim Arme und zog ihn hinüber nach dem Vorwerke, wo er den kleinen Kurt sogleich fand.

»Nicht wahr, Du kannst mit diesem Alimpo reden, Kurt?« fragte er diesen.

»Ja.«

»Willst Du einmal den Dolmetscher machen?«

»Ja.«

»So sage ihm, er soll uns erzählen, wie es jetzt bei der Gräfin abgelaufen ist.«

Die Drei setzten sich auf die Bank im Hofe, auch Frau Helmers und die Magd kamen dazu, und es dauerte nicht lange, so berichtete Alimpo weinend die ganze Begebenheit, und die Andern alle weinten ebenso herzlich mit, obgleich die Uebersetzung des Knaben eine sehr mangelhafte war.

Von dieser Stunde an verging ein Tag und noch ein halber. Es herrschte auf Rheinswalden eine Stille wie im Grabe. Man trat unhörbar auf, und man sprach nur leise; ja, der Oberförster hatte sogar einem Burschen, der einen andern unten im Hofe laut gerufen hatte, eine Ohrfeige gegeben und nur auf sehr eifriges Bitten nicht aus dem Dienste entlassen. Alle Stunden gingen Krankenbulletins von Mund zu Mund. Es war ein Hangen und Bangen wie vor dem Urtheilsspruche eines Richters, wenn man noch nicht weiß, ob das Verdict auf Schuldig oder Unschuldig lautet.

Am zweiten Tage kam der Steuermann an. Auf dem Vorwerke herrschte große Freude; sie wurde aber gedämpft durch die auf dem Hause lastende Schwere der Erwartung. Er hatte leise und fast heimlich seine Besuche gemacht, aber Sternau noch nicht gesehen. Des Mittags nach Tische saß er mit Frau und Kind in seiner Stube und ließ sich die Ereignisse der letzten Tage schildern.

»Wie heißt denn die Gräfin?« fragte er.


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»Rosa,« antwortete seine Frau.

»Der Familienname?«

»Rodri - Rodri - ich kann mir das Wort nicht merken.«

»Roderwanda,« fiel hier Kurt ein.

»Roderwanda?« fragte der Vater nachdenklich. »Hm! Und eine Spanierin ist sie?«

»Ja.«

»Sollte es vielleicht nicht Rodriganda heißen, statt Roderwanda?«

»Ja, ja, so heißt es, so!« sagte Kurt.

»Wirklich?«

»Ja, jetzt besinne ich mich auch,« stimmte die Mutter bei. »Kennst Du diesen Ort?«

»Nein, aber ich habe davon gehört. Hm! Wunderbar!«

»Was denn?«

»Und dieser Doctor Sternau ist unschuldig gefangen gewesen?«

»Ja. Frau Sternau erzählte es mir.«

»Wo?«

»In - in - in einer Stadt, deren Name so klingt wie Porzellan.«

»Barcelona meinst Du wohl?«

»Ja, ja, das ist es!«

»Wahrhaftig, das wäre wunderbar!« sagte der Steuermann nachdenklich.

»Was ist's dann? Was hast Du?«

»Weißt Du nicht, weshalb man ihn gefangen genommen hat?«

»Man hat es ihm gar nicht gesagt.«

»Doch etwa nicht wegen eines Mannes, der von Rodriganda verschwunden ist?«

»Nein. Aber - aber - mein Gott, was weißt denn Du davon? Von Rodriganda ist wirklich einmal Einer verschwunden. Frau Sternau erzählte es.«

»Ah! Wer war es?«

»Ein Husarenlieutenant.«

»Hm! Hat man keine Ahnung, wohin er gekommen ist?«

»Nein. Aber warte, da fällt mir ein: Doctor Sternau glaubt, daß er auf ein Schiff geschleppt worden ist.«

»Alle Wetter, jetzt fängt es an zu stimmen! Wie hieß das Schiff?«

»Das hat Frau Sternau nicht gesagt.«

»Gewiß nicht? War es nicht die »Pendola«? Besinne Dich genau!«

»Ich weiß es gewiß, daß sie keinen Namen genannt hat.«

»Auch nichts Weiteres hat sie gesagt?«

Die Frau des Steuermanns besann sich noch ein Weilchen; dann sagte sie lebhaft:

»Halt, jetzt fällt es mir ein: Es soll ein Advokat die Hand dabei im Spiele gehabt haben.«

»Wie hieß er?«

»Ich habe den Namen nicht gemerkt; er war so fremd und schwer.«

»Hieß er Gasparino Cortejo?«

»Wahrhaftig, das muß er gewesen sein! Aber Mann, wie hast Du das Alles erfahren?«


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»Das werde ich Dir noch erzählen. Jetzt sage vor allen Dingen, ob man wirklich gar nicht mit Doctor Sternau sprechen kann.«

»Nein, gar nicht.«

»So muß ich warten, bis er sich wieder sehen läßt.«

»Es ist wohl etwas sehr Wichtiges?«

»Ungeheuer wichtig, wenn sich meine Ahnung erfüllt.«

»Und ich darf es nicht hören?«

»Jetzt noch nicht. Ich weiß nicht, ob der Doctor es haben will, daß ich davon schon jetzt spreche.«

Um dieselbe Zeit, in welcher dieses wichtige Gespräch geführt wurde, saß Sternau am Bette seiner Kranken. Außer ihm befand sich nur noch seine Mutter im Zimmer. Sie saß bei einer Arbeit, hinter der dichten Fenstergardine verborgen. Die Gräfin hatte vom ersten Augenblicke an bis jetzt in ununterbrochener Ruhe geschlafen. Sie hatte wie ein schönes Marmorbild im Bette gelegen; kein Härchen hatte sich bewegt, keine Wimper gezuckt, kein Athemzug war hörbar gewesen.

»Mutter!« klang es da leise durch die tiefe Stille des Raumes.

»Mein Sohn?« frug sie ebenso leise.

»Komm einmal her!«

Sie erhob sich und glitt hin an seine Seite. Ihr ängstlich fragender Blick traf sein Auge und fand darin einen leisen Hoffnungsschimmer.

»Fühle diese Hand!« bat er.

Sie nahm die marmorweiße Hand der Schlafenden in die ihrige und nickte dem Sohne freudig zu.

»Und fühlst Du den Puls, Mutter?«

»Ja, wahrhaftig!«

»Sieh die Lippen, wie sie sich röthen, und der bleiche Todesglanz ist von den Wangen gewichen! Gehe zum Hauptmann und melde ihm, daß die Gräfin in einer Stunde erwacht sein wird!«

»Mein Sohn! Ist's wahr?«

»Ja.«

Da zog sie den Kopf ihres Sohnes an ihr Herz, streichelte ihm zärtlich die Wange und frug leise:

»Wird es zum Glücke sein?«

»Das steht bei Gott! Mutter, ich bete soeben so inbrünstig wie noch nie in meinem Leben!«

»Gott der Herr mag Dein Gebet erhören. Du verdienst dieses Glück, mein gutes Kind!«

Sie glitt lautlos zur Thür hinaus, kam nach kurzer Zeit wieder zurück und nahm ihren vorigen Sitz wieder ein. Aber arbeiten konnte sie nun nicht mehr - auch sie betete aus vollem, treuen Mutterherzen, daß Gott barmherzig sein und die nächste Stunde zum Heile wenden möge. Sie kannte ihren Sohn; sie wußte, daß er das Fehlschlagen seiner Hoffnung nie überwinden werde.

Eine halbe Stunde verging, da hörte man bereits die leisen Athemzüge der Kranken und sah, wie die Decke sich über der wogenden Brust hob und senkte. Dann rötheten sich die Wangen; jetzt, jetzt bewegte sich die Hand - der ganze


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Arm, und die Lider zuckten. Und wieder nach kurzer Zeit legte die Schlafende den Kopf langsam auf die Seite. Die Brust Sternau's wollte zerspringen; aber er hielt die warme Hand der Kranken in der seinigen und blieb äußerlich ruhig, obgleich es in seinem Innern tobte und stürmte.

Jetzt legte sie das Gesicht herüber nach seiner Seite, und sein scharfes Auge sah, daß die Lider jenes Zucken verriethen, welches dem Erwachen vorherzugehen pflegt. Und nicht lange dauerte es, so erhoben sie sich langsam, langsam. Das Auge öffnete sich, blickte erst starr grad aus -

»Allgütiger Himmel, hilf! Jetzt entscheidet es sich!« flehte Sternau im Stillen.

Das Auge bekam dann jenen träumerischen Ausdruck, welcher dem Erwachen eigen ist, und richtete sich endlich mit dem Lichte des vollständigen Bewußtseins auf die umgebenden Gegenstände.

»Gewonnen!« jubelte es in der Seele des Arztes.

Das Auge Rosa's glitt von Gegenstand zu Gegenstand, und ein tiefes Befremden malte sich in ihren Zügen. Da fühlte sie, daß ihre Hand gehalten wurde. Schnell und erschrocken suchte ihr Blick Den, der diese Berührung wagte; sie sah Sternau, sie erkannte ihn und fuhr empor.

»Carlos, mein Carlos!« rief sie.

»Du bist es?«

»Ja, mein Leben, meine Seligkeit, ich bin es,« antwortete er mit zitternder Stimme.

»Wo bin ich? Wie lange habe ich geschlafen?«

»Beruhige Dich, Du bist bei mir,« bat er, die Arme um sie schlingend und sie an sein Herz ziehend.

»Ja, ich bin still, denn ich bin bei Dir!« sagte sie innig, indem sie ihm den Mund zum Kusse bot. »Aber ich muß lange, sehr, sehr lange geschlafen haben.«

»Sehr lange. Du warst krank.«

»Krank?« frug sie nachdenklich. »Wie ist's denn! Ich habe ja gestern meine Amy nach Pons begleitet, und dann - ah, dann warst Du fort. Ich bin nach Manresa zum Regidor gefahren und habe mich mit Alfonzo und Cortejo gezankt, um zu erfahren, wo Du bist. Dann wurde oben bei Cortejo geschossen; später ward mir sehr übel und ich wollte schlafen gehen, bin aber im Gebete eingeschlafen. Wo warst Du, mein Carlos?«

»Ich war in Barcelona,« antwortete er.

»Ohne mir vorher Etwas zu sagen, Du Böser!«

Da klang ein leises, unterdrücktes Schluchzen hinter der Fenstergardine hervor. Rosa hörte es.

»Wer weint? Wer ist hier?« fragte sie. »Ist es meine gute Elvira?«

»Nein, mein Herz.«

»Wer sonst?«

»Es ist eine sehr gute und liebe Frau, die Dich gern sehen wollte.«

»O, eine Fremde!« rief sie erschrocken. Und zugleich bemerkte sie erglühend, daß sie im Negligee vor dem Geliebten lag. »Wer ist sie?«

»Meine - Mutter.«


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Rosa sah ihn erst an, als ob sie ihn nicht verstehe, dann aber rief sie in großer Freude:

»Deine Mutter? O, welch' ein Glück, welch' eine Ueberraschung! Rufe sie her! Schnell, schnell!«

»Aber, Rosa, Du mußt französisch mit ihr sprechen; sie versteht das Spanische nicht.«

»Sie mag nur kommen! Schnell!«

»Mutter,« bat Sternau, »komme her! Sie will Dich sehen.«

»Mein Sohn, ich verstehe die Worte nicht, welche Ihr redetet, aber ich hörte, daß sie bei Bewußtsein ist und daß Ihr glücklich seid. Ist es so?«

»Ja. O, Gott hat unser Gebet über alle Maßen erhört. Komm'!«

Da kam sie langsam herbei. Rosa hatte ihr Schlafgewand dichter drapirt und sich aufgerichtet. Sie streckte der Nahenden mit freudeglänzendem Angesichte die Hände entgegen und sagte:

»Sie sind die Mutter meines Carlos? Seien Sie mir tausend Mal gegrüßt. O, nun habe auch ich eine Mutter! Darf ich Ihre gute, folgsame Tochter sein?«

Frau Sternau legte ihr unter strömenden Thränen beide Hände auf das Haupt und sagte:

»Mein Kind, ich flehe Gottes reichsten Segen herab auf Ihr theures Haupt. Ich würde mein Leben hingeben, um glücklich zu sein!«

Sie hielten einander in stiller Umarmung umschlungen; da erhob sich Sternau, verließ das Gemach und rannte zum Hauptmann.

»Victoria, gesund, gesund, gesund!« stürmte er bei diesem zur Thüre hinein.

»Himmeldonnerwetter!« rief dieser ganz erschrocken; dann aber besann er sich und sprang auf. »Ist es wahr, wirklich wahr?«

»Ja.«

Da warf der Hauptmann beide Arme in die Luft und schrie, was er nur schreien konnte:

»Hurrah! Hussah! Sapperment! Gesund! Hallelujah! Gesund! Victoria! Himmelheiliges Hagelwetter! Hosiannah David's Sohn! Kann man zu ihr? Kann man sie sehen?«

»Nein.«

»Das ist ärgerlich! Das ist grausam! Das ist geradezu unmenschlich! Aber Etwas muß ich thun! Was mache ich nur vor Freude? Schlage ich ein halbes Dutzend Menschen todt, oder reiße ich die Kirche ein? Warte, wart' ich hab's!«

Wie aus einer Pistole geschossen, rannte er hinaus. Sternau begab sich sogleich wieder in das Krankenzimmer zurück, denn er mußte verhüten, daß die Unterhaltung der beiden Frauen auf Gegenstände kam, von denen Rosa noch nichts wissen durfte. Sie lag noch in den Armen der Mutter. Sie sprachen nicht, sie weinten nur und liebkosten sich. Rosa streckte ihm die Hand entgegen.

»Mein Carlos, ich danke Dir für die Mutter, die Du mir gegeben hast! O, wie sehr lieb habe ich sie bereits! Aber ist es wahr, daß ich krank gewesen bin?«

»Ja, mein Herz.«

»Lange?«

»Sehr lange.«


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»So ist es nicht gestern geschehen, was ich vorhin erzählte?«

»Nein, sondern vor drei Monaten.«

»Vor drei Monaten!« flüsterte sie erstaunt. »So war ich wohl ganz ohne Besinnung?«

»Ganz und gar.«

»Und Du hast mich geheilt, Du?«

»Gott gab es zu, daß ich das rechte Mittel traf.«

»Und wo ist Alfonzo, Cortejo, Alimpo und meine gute Elvira?«

»Alimpo und Elvira sind hier. Das Andere sollst Du später erfahren, mein Leben. Du darfst noch nicht viel sprechen; Du mußt Dich schonen!«

»Ich werde Dir gehorchen. Aber Eines sage mir: Wo bin ich hier?«

»Bei einem Freunde von uns Allen.«

»Nicht auf Rodriganda?«

»Nein. Du sollst es heute noch erfahren.«

»Und,« fragte sie stockend, »mein Vater? Ist es wahr, daß er zerschmettert worden ist?«

»Nein, er lebt. Nun aber schweige, mein Herz, sonst wirst Du wieder krank!«

In diesem Augenblicke klangen einzelne Waldhorntöne vom Hofe herauf, und dann erklang vierstimmig in getragenem Tempo der Choral:

»Wie wohl ist mir, o Freund der Seele,
Wenn ich in Deiner Liebe ruh'!
Ich steige aus der Schwermuthshöhle
Und eile Deinen Armen zu.
Da muß die Nacht des Trauerns scheiden,
Wenn mit so angenehmen Freuden
Die Liebe strahlt aus Deiner Brust,
Hier ist mein Himmel schon auf Erden
Wer wollte nicht vergnüget werden,
Der in Dir suchet Ruh' und Lust!«

»Was ist das? Was war das?« fragte Rosa mit verklärtem Lächeln im Angesicht.

»Das ist ein frommes Kirchenlied, welches unser Freund Dir zu Ehren blasen läßt. Ich war jetzt bei ihm und habe ihm gesagt, daß Du genesen wirst.«

»O, dann ist er wohl ein sehr guter und theilnehmender Mensch?«

»Das ist er. Du hast nie einen besseren Freund gehabt als ihn.«

»So sage ihm meinen Dank, bis ich selbst mit ihm sprechen werde! Aber, mein Carlos, ich habe eine Bitte, die ich nicht gern sage.«

»Sage sie getrost, mein Leben!«

»Nicht dem Geliebten, sondern dem Arzte sage ich sie,« meinte sie, vor Verlegenheit erröthend. »Wenn ich so lange krank war, so habe ich wohl auch sehr - sehr wenig - - genossen?«

Er stieß einen Ruf der Freude aus und antwortete:

»Rosa, das konntest Du auch dem Geliebten sagen, denn gerade ihn macht dies glücklich. Da Du zu essen begehrst, so bin ich nun vollständig überzeugt, daß Du


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genesen wirst. Mutter mag gleich gehen und holen, was ich ihr aufschreiben werde. Oder soll Elvira es bringen?«

»Ja, ich möchte sie so gern sehen. Aber Mama soll ja auch wieder mit kommen!«

Er schrieb einige Worte auf einen Zettel, den seine Mutter nach der Küche trug. Unterwegs begegnete ihr der Oberförster. Er hielt sie beim Arme fest und fragte:

»Ist's wahr, daß sie gesund wird?«

»Gott sei Lob und Dank, ja.«

»Hollah! Juchhe! Juchheirassassah! Hat sie meinen Choral gehört?«

»Ja.«

»Und sich gefreut? Es ist mein Lieblingschoral; es fiel mir kein anderer ein; meine Burschen haben ihn auf den Jagdhörnern geblasen.«

»Sie war ganz gerührt und läßt sich von ganzem Herzen bedanken.«

»So, ah! Da lasse ich ihr noch etwas Anderes vorblasen: »Im Wald und auf der Haide«, »Goldne Abendsonne«, »Wer meine Gans gestohlen hat«, »Morgenroth« und »O, du lieber Augustin«. Oder denken Sie, daß sie »Bin i net a hübscher Rußbuttenbu« lieber hört?«

»Ja, Herr Hauptmann, das kann ich nicht sagen. Ich habe überhaupt keine Zeit, ich muß in die Küche!«

»Warum?«

»Der Herr Doktor hat mir Etwas aufgeschrieben, was die Kranke genießen soll.«

»Was denn? Her mit dem Zettel!«

Er nahm Ihr das Papier aus der Hand und las:

»Was? Dünne Suppe von Bouillon mit Weizengries! Ein wenig Backobst! Ist der Tausendsakkramenter gescheidt! Das soll einer Kranken aufhelfen! Holen Sie ihr Rehkeule, Dampfnudeln, Krautsalat, rohen Schinken, ein paar Pfeffergurken und einen marinirten Hering; das macht Appetit, und stärkt das Gehirn und die Nerven.«

Er flog in höchster Eile wieder in den Hof hinab, wo seine vier Bursche abermals nach den Hörnern greifen mußten. Sie bliesen ein Programm ab, welches zwar sehr gut gemeint war, aber einen Kunstverständigen zur hellen Verzweiflung hätte bringen können.

Er stand dabei und taktirte. Da sah er den Steuermann von Weitem stehen und schritt auf ihn zu.

»Helmers, wissen Sie schon, weshalb geblasen wird?«

»Ja.«

»Nun?«

»Die Gräfin Rodriganda ist vom Herrn Doktor Sternau gerettet worden.«

»Ja. Der Doktor ist ein Teufelskerl in der Medizin, aber von einem guten Küchenzettel versteht er weder Gix noch Gax. Sie haben ihn wohl noch gar nicht einmal gesehen?«

»Nein. Und doch möchte ich so gern und recht bald einmal mit ihm sprechen.«


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»Ist es etwas Besonderes? Sind Sie vielleicht krank oder eins der Ihrigen?«

»Nein. Es ist eine spanische Geschichte, die vielleicht von Wichtigkeit für ihn ist.«

»Eine spanische Geschichte? Sapperlot, das klingt ja höchst interessant!«

»Von Rodriganda.«

»Alle Teufel! Was wissen Sie von Rodriganda? Darf ich es denn nicht wissen?«

»Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Doktor lieb sein wird wenn ich zu Anderen eher davon spreche, als zu ihm. Es handelt sich vielleicht gar um ein wichtiges Geheimniß.«

»So! Na, da will ich allerdings nicht in Sie dringen. Sind Sie heut zu Hause?«

»Ja.«

»Gut, so werde ich zu Ihnen schicken, sobald er einmal zu sprechen sein wird. Adieu!«

Es dauerte nicht lange, bis die leichte Suppe für Rosa zubereitet war. Frau Elvira trug sie nach dem Krankenzimmer. Als sie in dasselbe eintrat, saß die Gräfin aufrecht im Bette und Sternau an ihrer Seite.

»Willkommen, meine gute Elvira,« sagte Rosa. »Ich habe lange nicht mit Dir sprechen können.«

Der guten Kastellanin liefen sofort die hellen Thränen über die Wangen.

»O, meine liebe, beste Contezza,« schluchzte sie, »der heiligen Madonna sei Dank, daß Sie mich wieder kennen. Wir haben Alle während Ihrer bösen Krankheit große Betrübniß erlitten.«

»Ich bin nun wieder wohl, und Du kannst fröhlich sein.«

Sie nahm die leichte Speise zu sich; dabei rötheten sich ihre Wangen immer mehr, und Doktor Sternau gewann die vollständige Ueberzeugung, daß er bereits heut über die traurigen Ereignisse mit ihr sprechen könne, welche sie aus Spanien nach dem fernen Deutschland geführt hatten.

Nach dem Essen versank sie wieder in einen leichten Schlummer, der dem Arzte willkommen war, da er die Kräfte der Genesenden voraussichtlich noch mehr stärken werde. Frau Sternau blieb mit Elvira im Krankenzimmer zurück, Sternau jedoch ging hinab, um nach dem anstrengenden Wachen nun einmal frische Luft zu schöpfen.

Als er durch das Vorwerk schritt, saß der Steuermann auf der bereits erwähnten Bank des Hofes. Den Doktor erblickend, erhob er sich und zog grüßend den Südwester, den er auch dann zu tragen pflegte, wenn er sich in der Heimath befand. Sternau dankte durch das Abnehmen seines Hutes und blieb stehen, da er merkte, daß der Andere mit ihm zu sprechen beabsichtige.

»Verzeihung! Sind Sie der Herr Doktor Sternau?« fragte Helmers.

»Ja,« lautete die Antwort.

»Haben Sie Zeit zu einer Mittheilung, welche ich Ihnen nothwendiger Weise machen muß?«

»Ja. Sie sind gewiß der Steuermann Helmers, der Vater unseres kleinen Kurt?«


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»Sie haben es errathen, Herr Doktor. Ich bin erst vor ganz Kurzen hier angekommen.«

»Ist Ihre Angelegenheit eine ärztliche?«

»Nein. Sie betrifft Ihren Aufenthalt und Ihre Erlebnisse in Spanien.«

»Ah!« sagte Sternau verwundert. »Waren Sie in Spanien?«

»Nein, aber ich habe während meiner letzten Seereise zufälliger Weise Einiges erfahren, was Sie interessiren wird, wie ich annehmen muß.«

»Sie machen mich wirklich neugierig! Ich wollte jetzt einen kleinen Spaziergang machen, um mich zu erholen, aber wir haben ja hier frische Luft genug. Setzen wir uns also auf diese Bank

Sie nahmen beide neben einander Platz.

Sie nahmen Beide neben einander Platz, und der Steuermann erzählte, was er in und bei Funchal gehört und erlebt hatte. Je weiter er in seinem Berichte kam, desto größer wurde die Aufmerksamkeit, mit welcher Sternau ihm zuhörte. Endlich sprang dieser gar auf und rief erregt:

Spätauflage

»Herr, Sie glauben gar nicht, wie wichtig mir Ihre Mittheilungen sind. Daß Sie jenes Gespräch im Hofe der Mutter Dry belauschten, das ist kein Zufall, sondern Gottes Schickung. Also sie sagten wirklich, daß sich ein Gefangener im Raume des Schiffes befinde?«

»Ja.«

»Daß dieser aus Rodriganda entführt worden sei?«

»Ja.«

»Und daß ein gewisser Gasparino Cortejo seine Hand dabei im Spiele gehabt habe?«

»Ja.«

»Wie nannten Sie den Kapitän dieses Schiffes?«

»Henrico Landola. Sein Schiff ist »La Pendola«, was zu Deutsch »Die Feder« heißt.«

»Und Sie glauben, daß dieser Landola eine und dieselbe Person mit dem schwarzen Kapitän sei?«

»Ich bin sogar überzeugt davon. Das Schiff hatte eine Maske angelegt. Ich wette um mein Leben, daß die »Pendola« nichts Anderes ist als das Raubschiff »Lion«, welches die afrikanischen und ostamerikanischen Seen unsicher macht.«

»Mein Gott, dann wäre ja dieser Henrico Landola kein Anderer als Kapitän Grandeprise?«

»Gewiß, Herr Doktor. Es sollte mich freuen, wenn meine Mittheilungen Ihnen von einigem Nutzen sein könnten.«

»Von einigem Nutzen, sagen Sie? O, nicht blos das, sondern von einer ganz außerordentlichen Wichtigkeit sind sie mir!« antwortete Sternau. Und dann fügte er nachsinnend hinzu: »Das stimmt ja ganz genau mit Dem zusammen, was mir Garbilot im Gefängnisse gesagt hat!«

»Garbilot?« frug Helmers. »Jaques Garbilot vielleicht?«

»Ja. Kennen Sie ihn, Steuermann?«

»O, sehr gut. Er war ein sehr tüchtiger Kerl. Als ich Schiffsjunge auf dem »Entrebras« war, führte er als Matelot dieses Schiff. Später trafen wir wieder auf


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dem »Country« zusammen. Dann ging er ab, und man hörte sagen, daß er auf die schlimme Seite gefallen und unter die Piraten gegangen sei. Es sollte mir leid thun, wenn dies wahr gewesen wäre.«

»Es ist wahr gewesen, er hat es mir in seiner Todesstunde gestanden. Ich habe seine Beichte gehört, denn er befand sich mit mir in einer Gefängnißzelle, in welcher er bei mir gestorben ist. Ich bin Ihnen sehr viel Dankbarkeit schuldig für Das, was Sie mir heute gesagt haben. Wissen Sie nicht, wohin die »Pendola« von Madeira aus gegangen ist?«

»Ich hörte, daß sie an der Kapstadt anlegen wolle, aber bei einem Piraten darf man solche Angaben leicht bezweifeln. Sie werden ja wissen, daß diese Art von Schiffen keinen bestimmten Kurs einhält. Ein Seeräuber fährt nur dahin, wo er eine Beute erwarten kann.«

»Wäre es denn nicht von hier aus zu erfahren, wo die »Pendola« angelegt hat oder gesehen worden ist?«

»O ja, aber eine solche Erkundigung ist mit bedeutenden Geldkosten verknüpft. Wenden Sie sich an das auswärtige Amt nach Berlin, und lassen Sie von dort aus bei den Consuls anfragen. Sie werden Nachricht erhalten, obgleich eine ziemliche Zeit bis dahin darüber vergehen wird.«

»Und wenn ich nun bitte, diese Anfragen auf telegraphischem Wege zu thun?«

»So wird es schneller gehen, aber auch mehr Kosten verursachen. Aber ich setze den Fall, daß Sie erfahren, in welcher See sich die »Pendola« befindet, was kann es Ihnen dann helfen?«

»Ich werde dieses Raubschiff aufsuchen.«

»Weshalb?«

»Um den Gefangenen zu befreien!«

»Ist Ihnen seine Freiheit so werthvoll?«

»Von ungeheurem Werthe! Vielleicht erzähle ich ihnen den Fall später ausführlich. Sagen Sie einmal: Stehen Sie jetzt unter Engagement?«

»Nein.«

»Getrauen Sie sich, ein Schiff zu führen?«

»Das versteht sich!«

»Vielleicht eine kleine Dampfjacht?«

»Ja, wenn ich einen guten, zuverlässigen Maschinisten im Raume habe.«

»Würde es eine solche Yacht mit der »Pendola« auf offener See aufnehmen können?«

»Alle Teufel, das ist keine leichte Frage! Sie müßte einige sehr brave Geschütze haben, fest gebaut sein und mit tapfern Jungens bemannt werden, die gut bewaffnet werden müßten.«

»Also für möglich halten Sie es!«

»Unter den angegebenen Bedingungen, ja.«

»Wie theuer würde eine solche Yacht ungefähr sein?«

»Vierzigtausend Thaler ohne die Ausrüstung.«

»Könnte man eine gebrauchte zu kaufen bekommen?«

»Hm, wohl schwerlich. Dergleichen Fahrzeuge werden nur zum Privatgebrauche gebaut. Es sind Vergnügungsschiffe für Millionärs, und für so einen Geldmenschen


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wäre es geradezu eine Schande, seine Yacht zu verkaufen. Uebrigens würde ein gebrauchtes Fahrzeug für Ihren Zweck wohl kaum etwas taugen. Sie müssen sich einen guten Seefisch nach Ihren eigenen Angaben bauen lassen. Auch die Ausrüstung würde nach diesen Angaben hergestellt werden müssen.«

»Wo baut man am Besten?«

»Ich würde für die berühmten Werften zu Greenock am Clyde stimmen.«

»Also in Schottland!«

»Ja. Und Sie müßten in eigener Person hinreisen.«

»Aber ich verstehe mich auf dieses Fach nicht gut genug. Hätten Sie Lust, mich zu begleiten, im Falle, daß ich mich entschließe, Ihren Rath auszuführen?«

»Von Herzen gern, Herr Doctor!«

»Nun gut, so werde ich es mir überlegen. Meine Schwester, welche Ihre Frau sehr lieb hat, fragte mich, ob ich nicht geneigt sei, Ihnen eine Summe vorzuschießen, welche Sie in den Stand setzte, sich zur See selbstständig zu machen. Bestelle ich mir eine Yacht, so sind Sie zwar nicht der Besitzer, aber doch der Kommandant derselben, und erreichen wir unseren Zweck, so werde ich gern bereit sein, auf Weiteres für Sie zu sorgen. Jetzt will ich noch ein wenig nach dem Walde gehen. Was Sie mir mitgetheilt haben, ist so ausführlich, daß ich der Einsamkeit bedarf, um es mir zurecht zu legen. Guten Abend, Steuermann!«

»Guten Abend, Herr Doktor!«

Sie reichten einander die Hände und trennten sich. Ein Jeder von ihnen hatte jetzt die Ueberzeugung, daß ihre Schicksale von jetzt an wenigstens für einige Zeit mit einander verbunden seien.

Es war wohl mehr als eine Stunde vergangen, als Sternau wieder zurückkehrte. Als er in das Krankenzimmer trat, fand er Rosa unter strömenden Thränen wach im Bette sitzend. Die Kastellanin saß bei ihr und weinte mit. Seine Mutter hatte ihren Platz am Fenster inne und kam bei seinem Eintritte sehr eilfertig auf ihn zu. Es mußte etwas ihr Unangenehmes geschehen sein.

»Wie gut, daß Du kommst, Karl!« sagte sie. »Ich kann nicht spanisch verstehen, aber ich vermuthe, daß Frau Elvira geschwatzt hat. Sie sprachen sehr viel und sehr lange mit einander, und ich vermochte es nicht, sie durch meine Bitten zum Schweigen zu bringen.«

Er wandte sich mit besorgten Blicken an Rosa, diese aber bat ihn mit bewegter Stimme:

»Zürne uns nicht, mein Carlos! Die gute Elvira erzählte mir Einiges, und da konnte ich es nicht länger aushalten; ich habe ihr Alles abgefragt.«

»Aber, mein Gott, das muß Dir heut ja unendlich schädlich sein!« sagte er.

»Nein,« antwortete sie. »Die Gewißheit greift mich nicht so sehr an, wie die Besorgniß, welche ich vorher empfand.«

»So fühlst Du Dich nicht bedenklicher als vorher?«

»Nein. O, ich bin stark, nachdem ich erfahren habe, was Du gelitten hast; Du sollst Dich meiner nicht zu schämen haben. Ich werde mich bemühen, Deiner werth zu sein. Mein Gott, mein guter Gott, so bin ich also wahnsinnig gewesen! Wirklich!«

»Ja, wahnsinnig in Folge eines Giftes.«


Ende der zwölften Lieferung - Fortsetzung folgt.



Karl May: Waldröschen

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