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CLAUS ROXIN


Karl Mays ›Freistatt‹-Artikel · Eine literarische Fehde




Die sechs Aufsätze, die Karl May 1910 unter dem Titel ›Auch »über den Wassern«‹ zur Verteidigung gegen Ansgar Pöllmann, einen seiner heftigsten Kritiker, geschrieben hat, sind seit ihrer ersten Veröffentlichung nie wieder gedruckt worden1 und waren jahrzehntelang so gut wie verschollen. Wenn wir sie nachstehend, sechsundsechzig Jahre nach ihrem Erscheinen, in geschlossener Form, durch Anmerkungen erläutert, noch einmal vorlegen, so veranlaßt uns dazu mehr als das Bestreben, alle literarischen Zeugnisse Mays zu sammeln und der Forschung zugänglich zu machen. Denn Mays Artikelserie ist ungeachtet ihres ephemeren Anlasses nicht bloßes Forschungsmaterial, sondern darf auch heute noch selbständiges literarisches Interesse beanspruchen. Sie ist ihrem Inhalt nach zum Teil eine Variante der zur selben Zeit verfaßten Selbstbiographie und ein wichtiges Dokument aus der allerletzten Schaffensperiode Mays (1); sie zeigt May noch einmal als Polemiker von einer wenig bekannten Seite und literarisch eindrucksvoller als in den entsprechenden Passagen von ›Mein Leben und Streben‹ (2); sie liefert schließlich in ihrer zweiten Folge die bündigste Charakteristik seines Spätwerks, die May uns überhaupt hinterlassen hat (3).


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Die Aufsätze erschienen am 9. 4., 30. 4., 14. 5., 28. 5., 4. 6. und 11. 6. 19102, während Pöllmann seine achtteilige Artikelserie ›Ein Abenteurer und sein Werk‹ zwischen dem 25. 2. und dem 10. 5. 1910 veröffentlichte3. May begann seine Erwiderung also, bevor die letzten drei Folgen der Polemik Pöllmanns (am 10. 4., 25. 4. und 10. 5.) publiziert waren. Daher zeigen nur die ersten Erwiderungsartikel einen thematisch klar gegliederten Aufbau, während May gegen das Ende hin in mehr punktueller Weise auf diese und jene Behauptung Pöllmanns eingeht.


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Die Artikelfolge entstand im Frühjahr 1910 und lief damit der Arbeit an der Selbstbiographie parallel, deren Niederschrift man auf Grund der Forschungen Plauls4 auf die ersten zehn Monate desselben Jahres wird ansetzen müssen. In die Entstehungszeit der Freistatt-Artikel fällt außerdem die Abfassung jenes 50seitigen Berufungsschriftsatzes gegen das Charlottenburger Urteil vom 12. 4. 19105, der größtenteils in die Selbstbiographie eingegangen ist6, wie denn überhaupt alle diese zur selben Zeit entstandenen, teils autobiographischen, teils polemisierenden Arbeiten inhaltlich ineinandergreifen7 und als Bruchstücke einer letzten, großen, kämpferischen Konfession Mays gelesen werden müssen. Schon dieser Umstand rechtfertigt es, nach dem im Herbst 1975 erschienenen ungekürzten Neudruck der Autobiographie8 die Freistatt-Artikel wieder vorzulegen; eine kritische Ausgabe aller selbstbiographischen Schriften Mays, die eines Tages möglich sein wird, hätte ›Auch »über den Wassern«‹ unmittelbar neben »Mein Leben und Streben« zu stellen.

   Neben diesen Rechtfertigungsschriften sind im Jahre 1910 auch die letzten dichterischen Arbeiten Mays entstanden: der Abschluß von ›Winnetou IV‹9, die Novelle ›Merhameh‹10 und die Neufassung von ›Ardistan und Dschinnistan‹11, dem bedeutendsten Altersroman. Die letzte produktive Periode in der Spätzeit Mays, die im Jahre 1907 mit der Hausschatzfassung des › Mir von Dschinnistan‹12 eingesetzt hatte, brach im Herbst 1910 jäh ab. Danach kam - abgesehen von den sich hinschleppenden und schließlich siegreichen Prozeßkämpfen13 - (fast) nichts mehr14; die Wiener Rede vom 22. März 191215 bringt keine neue Konzeption, sondern nur noch ein Resümee aller dichterischen und biographischen Bekenntnisschriften seines Alters; auch die Selbstinterpretation der Freistatt-Artikel findet sich hier wieder.16

   Die Ursache für das plötzliche Versiegen der Schaffenskraft Mays liegt auf der Hand: Der körperliche Zusammenbruch des Schriftstellers, der sich in erschütternder Weise schon im Schlußkapitel der Selbstbiographie spiegelt17 und im Dezember 1910 in einer schweren Lungenentzündung gipfelte18, hatte seine Arbeitsfähigkeit fast vollständig zerstört; May hat sich davon in den anderthalb Jahren, die ihm noch zu leben blieben, nie mehr erholt. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß der im Jahre 1910 einsetzende endgültige Verfall seiner Physis durch die seinen bürgerlichen Ruf in den Jahren 1909/10 ruinierenden Schläge seiner Gegner bedingt war: Dazu gehören die Verleumdungen des Lebius19, die im Jahre 1910 erschienene Schmähschrift von Wilker20, die Pressekampagne, die May im Anschluß an das Charlottenburger Urteil vom 12.4. 1910 in den Augen der Öffentlich-


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keit als »abgestraften Räuber« erscheinen ließ21, und nicht zuletzt die zahlreichen Artikel des Paters Ansgar Pöllmann, die zum Anlaß für die Replik Mays in der › Freistatt‹ wurden.

   Man muß diesen Hintergrund kennen, um Mays Reaktion richtig zu verstehen. Wenn er schreibt (vgl. S. 233): Es handelt sich . . . um die öffentliche Vernichtung meiner schriftstellerischen, bürgerlichen und moralischen Existenz, und wenn er sagt (ebenda): Ich bin im Vollbesitz aller bürgerlichen Ehrenrechte, und wer sich unterfängt, mich in diesem Besitz zu stören, der mag die Folgen tragen!, so sind das keine theatralischen Übertreibungen, sondern es ist der bittere Ernst eines Mannes, der sein Lebenswerk - mit Recht - bedroht sieht. Auch Mays immer wieder durchbrechende erregte Empörung ist begründet. Denn Pöllmanns Artikel wimmeln geradezu von gröblichen Beleidigungen. May selbst hat in seinem Aufsatz vom 24. Mai 1910 (vgl. S.253), der nach dem Abschluß der Pöllmann-Serie erschien, eine Blütenlese davon zusammengestellt. Sie ließe sich nach Belieben vermehren. Wenn etwa Pöllmann Mays Arbeiten schlechthin als »Machwerke und Lügenfabrikate«22 bezeichnet, wenn er die Kolportageromane ein »im innersten Wesen gemeines Erzeugnis einer perversen Phantasie« nennt23 und über den ersten Band des ›Waldröschen‹ pathetisch ausruft: »In diesen fast sechshundert Seiten qualmt die ekelhafte Stickluft des Verbrechens und der Folterkammern«, so mag das heute grotesk und lächerlich wirken. Es war aber damals die Sprache, in der man mit Menschen zweiter Klasse glaubte reden zu dürfen. Natürlich wußte Pöllmann von den Vorstrafen Mays.24 Er machte sie nicht zum unmittelbaren Gegenstand der Erörterung. Aber er konnte es doch nicht lassen, bei Erwähnung der frühen Jahre Mays auf die »Zeit seiner größten Seßhaftigkeit«25 anzuspielen und ein Vokabular zu wählen, das selbstgerechte Menschen zur Demütigung entlassener Strafgefangener für geeignet halten. Wenn Pöllmann May in Wendungen, die dieser mit besonderer Erbitterung registrierte, »für ewige Zeiten das Musterbeispiel eines literarischen Diebes«26 nannte und in (auch psychologisch) bedenklicher Weise seine eigenen Aggressionen und die des Publikums auf ihn zu lenken versuchte, indem er ihn »aus dem Tempel der deutschen Kunst hinauszupeitschen«27 versprach, so bricht sich hier wie in den schon vorher zitierten Metaphern in kaum verhüllter Form Bahn, worum es eigentlich ging: um die erbarmungslose Ächtung dessen, der einmal straffällig geworden war.

   Das wirft kein gutes Licht auf Pöllmann, und es bleibt anzuerkennen, daß der Benediktinerorden sich noch in der von ihm herausgegebenen »Sterbechronik« des sonst in mancher Hinsicht verdienstvollen


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Mannes von diesem Vorgehen distanzierte.23 So, wie Pöllmann es tat, hätte man auch zu einem »Kriminellen« nicht sprechen dürfen. Daß aber May, dessen bürgerliche Seriosität in seinen späteren Jahren außer Zweifel steht, durch diesen Ton im Kern seiner so mühsam errungenen inneren und äußeren Existenz getroffen werden mußte und daß seine körperliche Widerstandskraft dem auf die Dauer nicht standhalten konnte, ist nur zu verständlich, zumal da ein großer Teil der Presse unter dem Einfluß von Lebius, der insoweit auch Pöllmann inspiriert hatte29, in diesen Chor einstimmte; es bleibt erstaunlich genug, daß May sich seelisch aufrechterhielt. Wenn er sich in der Erwiderung auf Pöllmann einen kerngesunden, arbeitsfrohen und zukunftsgläubigen Mann nennt (S. 256), wenn er versichert: Ich bin weder geistig noch körperlich, weder seelisch noch moralisch . . . zusammengebrochen (S. 264), und wenn er mit den Worten schließt (S. 269): Wie lange soll das noch weitergehen? Mir schadet das nichts! Ich halte es aus!, so muß man erkennen, daß diese scheinbar selbstsicheren Bekundungen in Wahrheit verzweifelte Beschwörungen eines Menschen waren, der sich mit letzter Anstrengung gegen den körperlichen Verfall und das Verlöschen seiner schöpferischen Kraft wehrte. Darin liegt die Tragik, die sich in diesen Artikeln spiegelt, und ihr besonderer Wert als Lebensdokument. Sie zeigen May noch einmal im Vollbesitz seines schriftstellerischen Temperaments; aber die Schatten des nahenden Endes dringen heran. Egon Erwin Kisch hat May zu jener Zeit besucht, am 9. Mai 1910, und sein Bericht schließt mit den Worten30: ». . . man beschimpft ihn, wie man nie einen betrügerischen Kaufmann, einen gemeingefährlichen Fabrikanten, einen bestechlichen Beamten, einen selbstherrlichen Gutsherrn oder gar einen mißhandelnden Offizier zu beschimpfen wagen würde. Eben schüttelt ihn ein Hustenanfall, und trotzdem er, die Hilfe der Gattin unwirsch abweisend, aufrecht ins Haus zurückgeht, ist nicht zu verkennen, daß sein Lächeln vom hippokratischen Zug erbarmungslos durchstrichen wird.« Diese Momentaufnahme entspricht dem Bild, das auch die Freistatt-Artikel dem Sehenden zeigen.


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Gleichwohl hat May die literarische Form der Polemik in diesen Artikeln mit bemerkenswerter Sicherheit gemeistert. Während die parallel laufende Biographie zwischen objektiver Selbstanalyse, subjektivem Plädoyer und schmerzvoll resignierender Müdigkeit schwankt und gerade aus der Verschränkung dieser Stillagen ihren


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Charakter als nicht völlig durchgeformte, aber lebenswahre Bekenntnisschrift gewinnt, sind die Freistatt-Beiträge auf einen (Mays objektive Situation überspielenden) Ton kämpferischer Verve gestimmt, der alle etwaigen Zweifel des Lesers schon durch die suggestive Art des Vortrags beiseite schieben will. May gestattet sich hier keine Wehleidigkeit, keine Friedensgesten und keine entschuldigenden Ausflüchte. Er nimmt die Rolle des Angeklagten, in die Pöllmann ihn versetzen will, von vornherein nicht an, sondern geht mit großem Schwung in die Offensive und liefert ein (stellenweise vielleicht etwas forciertes) rhetorisch-polemisches Bravourstück, das ihm trotz seiner vielfältigen Verwundbarkeit argumentatorisch eindeutig die Oberhand gibt.

   a) Dabei neutralisiert er zunächst die diskriminierende Form der Anschuldigungen Pöllmanns durch eine geschickte Doppelstrategie. Er mißt einerseits das Vokabular des von ihm geflissentlich so genannten »hochwürdigen« oder gar »allerhochwürdigsten« Verfassers an den Geboten seines geistlichen Standes, der christlichen Ethik und der Humanität, und hat es leicht, auf Grund der dadurch entstehenden Kontrastwirkung den Herausgeber der ›Gottesminne‹ als einen Verbündeten der Sensations- und Revolverpresse erscheinen zu lassen, dem es nur auf Radau und eine Zeitungsprügelei ankommt. Andererseits demonstriert er im Hinblick auf die Herabsetzungen Pöllmanns gelassenes Selbstbewußtsein und dreht den Spieß herum, indem er dessen Statur an der seinen mißt: Pater Pöllmann glaubt wahrscheinlich, an meinem Wohlsein zu rütteln; aber er ist zu klein; er reicht nicht zu mir her; er rüttelt nur an sich selbst! (S. 264). Er ist ein Abgeschlossener. Es sind ihm die Konturen, über die hinaus er sich nicht entwickeln darf, streng vorgeschrieben. Ich bin aber trotz meines viel höheren Alters immer noch ein Werdender (S. 261). Mag er sich geberden, wie er will, ich schreibe ruhig weiter« (S. 234). Auch das den fünften Artikel eröffnende, an ›Mahomets Gesang‹ (Goethe) anklingende, den eigenen Lebenslauf symbolisierende Bild vom Rheinstrom, den der Kritiker mit lächerlichen Hantierungen und Reden zum Versiechen bringen will, wobei er nur sein eigenes seichtes Wässerlein abdämmt (S. 255 f.), ist ein kühnes und witziges Mittel, den Gegner zu »verzwergen«. So steht der arme Pöllmann schließlich da als ein kleines. . . Geisterlein, welches nur durch unausgesetzte Übertreibungen erreichen kann, daß es größer erscheint, als es in Wirklichkeit ist ... (S. 249). Eine solche (übrigens in der Sache zutreffende) Anti-Polemik war durch die Form des Angriffs legitimiert. Sie hat in ihrem Genre durchaus Format.

   b) Was die inhaltliche Seite der Auseinandersetzung betrifft, so ist


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auf Pöllmanns Scharfblick für charakteristische Details schon wiederholt hingewiesen worden31; darin (und in der Sammlung von Sekundär- und Quellenmaterial) liegt der relative Wert, den seine May-Studien heute noch haben. Im entscheidenden Punkt aber ist die Arbeit als literarische Polemik schwach, weil ihre abschätzigen Urteile ohne Begründung bleiben. Pöllmann hat literarisch im Grunde gegen May nichts vorzubringen und betont sogar selbst, daß er »heute noch wie früher die ersten etwa 20 Bände der May'schen ›Reiseerzählungen‹ zwar nicht für hohe Kunst, aber auch nicht für unerlaubt halte und einfachen, schlichten Gemütern ganz gern einmal in die Hand gebe. Darum bin ich auch dem Borromäus-Verein (Bonn) nicht so gram, daß er die Fehsenfeldischen Bände in seinem ›Auswahlkataloge‹ führt... Nur die letzten Bände wünschte ich gestrichen.«32 Da nun Pöllmann gleichzeitig betont hatte: »Nicht Mays Leben, seine Werke sind der Gegenstand unseres Disputes«33, fragt man sich etwas ratlos nach dem Grunde der von ihm entfachten Aufregung; der Polemiker dementiert sich hier selbst.

   May erkannte das natürlich (vgl. S. 259: Was will Pater Pöllmann denn eigentlich von mir?) und konnte durch Insistieren auf diesen Punkt seine Folgerung, daß es sich bei den Darlegungen seines Gegners um eine »Kolossalverschwendung von 3800 resultatlosen Zeilen« (S. 261) handele, eindrucksvoll begründen.

   c) Er nutzte außerdem die Blöße, die Pöllmann sich gab, geschickt aus, um die wahren Motive der Polemik zu entschleiern. Denn wenn literarische Gründe die Heftigkeit der Attacke nicht erklären konnten, so mußte etwas anderes dahinterstecken: Mißgunst und die Indienststellung durch Prozeßgegner. May hatte damit sogar recht. Allzu auffällig ereiferte sich Pöllmann darüber, daß May »mit seinen Abenteuerromanen Riesenhonorare« einstreiche, daß seine »leichte Ware. . . Auflage um Auflage« erlebe, daß er eine »klingende Ernte« gemacht habe und ein »feines Geschäftsverständnis« besitze34. Wenn May dazu sagte (S. 265): Das zeigt so recht die eigentliche Grundursache der Hetze gegen mich, den gelben Neid, so wird man dem nicht widersprechen können. Pöllmann, der literarischen Ehrgeiz hatte, aber keine besondere Resonanz fand und mit seinen eigenen größeren Arbeiten nie zu Ende kam, gönnte der »faszinierenden Schlange«35, als die er May sah, nicht den Erfolg. Auch erfaßte May einen richtigen Zusammenhang, indem er Pöllmann als Gedankenverarbeiter des Herrn Lebius und ein an fremden Gängelbändern hüpfendes Geisterlein bezeichnete (S. 265, 249). Pöllmann hat später selbst vor Gericht36 eingeräumt, daß er »ein gewisses Interesse an dem von


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Lebius veröffentlichten Material« gehabt, sich an ihn gewendet und um »weitere Aufklärung« gebeten habe.

   d) Mit diesen Klarstellungen war Pöllmanns Arbeit als literarische Kritik erledigt. Doch bleiben noch zwei Anschuldigungen, die May als Schriftsteller betrafen: Der Vorwurf des Plagiats und die konfessionelle Kritik. Auch in diesen beiden Punkten hält May dem Angriff bemerkenswert souverän stand. Um mit den Plagiatsfragen zu beginnen, so kommt Pöllmann das Verdienst zu, eine Reihe von völkerkundlichen Quellen Mays aufgespürt zu haben. Sie haben nur einige frühe und vergleichsweise unbedeutende Geschichten des Schriftstellers mit ethnologischem Material gespeist. Doch wissen wir heute, daß auch die großen Reiseerzählungen sich bei der Beschreibung von Land und Leuten auf bedeutende völkerkundliche Werke des 19. Jahrhunderts stützen37. Eine Aufarbeitung des Gesamtmaterials steht bis heute aus, wird aber von uns in den nächsten Jahren in Angriff genommen werden. May hat sich diese Texte in den verschiedensten Arten nutzbar gemacht, die von Montagen wörtlicher Zitate bis zu freien Nachschöpfungen und völligen Umgestaltungen reichen. Doch handelt es sich in keinem Falle um Plagiate, weil noch die kleinste Erzählung Mays solcher Entlehnungen ungeachtet ein eigenschöpferisches Werk bleibt. Mays persönliche Stellungnahme im dritten Freistatt-Artikel (S. 243 ff.), die in ähnlicher Weise in seine Selbstbiographie eingegangen ist33, trifft durchaus den Kern der Sache.

   Als lange vor Pöllmann die Zeitschrift ›Alte und Neue Welt‹ darauf hinwies, »daß der phantasievolle Verfasser (scil. May) seine Reisen bis auf Layards Werke ausgedehnt habe«39, fragte die Redaktion des ›Deutschen Hausschatzes‹40, ob denn May damit etwas anderes tue, »als was jeder Gelehrte nicht unterlassen darf, wenn er eine gediegene Arbeit liefern will? Darum konnte sich nur ein literarischer Nullus, der selbst kein eigenes Geistesprodukt aufzuweisen hat, die Anmaßung erlauben, einem hochbegabten Schriftsteller den Vorwurf zu machen, daß dessen Reisen sich sogar auf Layards Werke erstreckten«. Die Diktion dieser Replik läßt May selbst als ihren (Mit-)Verfasser vermuten. Die Antwort ist frech, aber in der Sache nicht verfehlt. Denn natürlich ist es nicht tadelnswert, sondern notwendig und löblich, daß ein Reiseschriftsteller sich an möglichst gute Quellen hält. May wendet diesen Gedanken in den Freistatt-Artikeln mit sarkastischem Witz gegen Pöllmann selbst (S.264 f.): Die Quellen, aus denen ich schöpfte, waren Ehrenmänner, Huc, Gabet, Heine. Ich brauche mich nicht zu schämen, mich und meine Leser aus ihnen belehrt zu haben. Was aber ist aus jenen Charlottenburger Flugblättern und


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Pamphleten zu holen, deren Behauptungen oft ganz wörtlich aus den Pöllmannschen Zeilen klingen? Welche Ehre ist das wohl, Plagiator . . . des Herrn Lebius zu sein? Das war geschickt pariert.

   e) Anders verfährt May bei der Kritik, die sein Widersacher an der weltanschaulichen und »religionsphilosophischen« Tendenz seines Spätwerkes übte. Pöllmann41 äußert sich in diesem Punkte so affektbetont und überzogen, daß man auch einen Einschlag von Eiferertum zu den Motiven seines Handelns zählen muß. So spricht er im Hinblick auf ›Ardistan und Dschinnistan‹ von »spiritistischen Trance-Romanen« und nennt das Spätwerk ganz allgemein eine »Predigt des Indifferentismus auf spiritistischer Grundlage«. Er wirft May vor, seine Marah Durimeh »von der Papstlehre weg zur Trägerin eines verschwommenen Interkonfessionalismus« gemacht zu haben. Er wittert den »Pferdefuß« in dem von May 1907 in der Donauzeitung (Passau) veröffentlichten ›Glaubensbekenntnis‹42 und versteigt sich zu dem Satz: »seine (Mays) allgemeine christliche Kirche ist nichts anderes als eine tolerante Weltverbrüderung, ein aus dem Absud aller Religionen aufsteigender Liebesdusel«.

   Nun ist in der Tat das Christentum des späten May eine merkwürdige, aber eigenständige (weil psychologisch beglaubigte) Synthese von Elementen der Mystik, Lessingschen Toleranzdenkens und eines spiritualistischen Idealismus; seine Analyse bedürfte einer Spezialstudie. May sah jedoch ganz richtig, daß er sich gegen Vorwürfe der hier aufklingenden Tonart nicht zu verteidigen brauchte. So bestätigte er Pöllmann nur in schlichten Worten, was diesen so erregt hatte: daß er nämlich kein Tendenz- und noch viel weniger ein konfessioneller Schriftsteller sein wolle. Ich schreibe als Mensch zum Menschen, nicht aber als Katholik oder Protestant zu Katholiken oder Protestanten (S.237). Im übrigen aber entwarf er ein großes Panorama seiner schriftstellerischen Ziele, auf das gleich (unter 3) noch gesondert einzugehen sein wird; es ließ eine Beurteilung aus dem engen Blickwinkel konfessioneller Orthodoxie als kleinlich und seinem Gegenstande unangemessen erscheinen. Das war auch literarisch eine gute Lösung.

   f) Alles übrige, was Pöllmann in buntem Durcheinander gegen May vorbrachte, war persönlicher Natur. May konnte sich, nachdem der Gegner in den entscheidenden Punkten widerlegt und literarisch abgefertigt war, hier mit einer absichtsvoll pedantischen Aufrechnung der gewaltigen Übertreibungen Pöllmanns begnügen (S. 250 f.), die Einzelvorwürfe mit wenigen Worten wegwischen und damit auch solche Beschuldigungen unwirksam machen, die in ihrem Tatsachen-


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kern schwer zu widerlegen waren. Wenn etwa Pöllmann ihm in sehr detaillierter Weise die - freilich längst vergangene - Anmaßung eines Doktortitels vorwirft43, geht May nur sehr beiläufig auf die Nebenfrage ein, ob er gezwungen worden sei, das erworbene Diplom an das Ministerium herauszugeben (S. 250); aber der ohnehin mit zahllosen Einzelheiten belastete und über Pöllmanns Aufbauschungen durch genaue Nachrechnung belehrte Leser wird weitere Auskünfte nicht vermissen. In ähnlicher Weise beanstandet May hinsichtlich der von Pöllmann - offenbar unbefugt - abgedruckten Leserkorrespondenz nur das Fehlen der Anfragen und der Adressatennamen, ohne auf den Inhalt einzugehen. Wir haben diese Briefe aus dokumentarischen Gründen unten in geschlossener Folge abgedruckt.44


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So sind Mays Freistatt-Artikel auch in den Partien, die einer inhaltlich heute nur noch wenig belangvollen Tagespolemik gewidmet sind, literarisch nicht ohne Interesse. Das wichtigste Stück der Beitragsfolge ist aber fraglos der zweite Artikel, der ein von seinem Entstehungsanlaß fast völlig gelöstes Bild der literarischen Konzeption Mays in seinen letzten Lebensjahren entwirft.

   Der Aufbau des Textes ist klar und bedarf bis zum dritten Punkte keines Kommentars: May weist die Kritik in die ihm angemessen erscheinenden Grenzen und erklärt, daß er weder als Jugend- noch als Tendenzschriftsteller hinreichend verstanden werden könne (was die meisten seiner pädagogischen und soziologischen Interpreten bis heute nicht zur Kenntnis genommen haben). Dann aber wandelt sich seine Rede in eine den schlichten Leserverstand befremdende Preisung der ihm vorschwebenden wahren, der herrlichen Kunst, welche die Säulen und Tempel unseres Innenlebens baut. Sie sei die Kunst der Zukunft, die er nun schaffen wolle und im Hinblick auf die alles bisher geleistete nur als Vorübung und Skizze betrachtet werden dürfe.

   Das ist, wenn man die anfangs geschilderte Lebenssituation des alten Mannes in Rechnung stellt, nicht ohne tragische Ironie. Aber es ist doch mehr als ein Traum von unbestimmter Euphorie, wie er dem Ende voraufzugehen pflegt. Denn soweit derartige Visionen im Irdischen überhaupt und insbesondere nach den Kräften Mays erfüllbar waren, haben sie schon die Struktur seiner späten Arbeiten geprägt; wie auch Mays folgende Ausführungen (in den Abschnit-


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ten 5 und 6) die Substanz des bereits geschaffenen Alterswerks zu deuten unternehmen, das May bei längerem Leben gewiß noch reicher hätte ausgestalten können, dem aber nach menschlichem Ermessen nichts grundlegend Neues mehr hinzuzufügen war. Die Werke, um die der achtundsechzigjährige Autor die Vorsehung nach so langer ununterbrochener Lebensqual bittet, während der Tod so nahe vor seiner Tür steht - sie waren ihm schon gewährt worden!

   May hat das wohl im Grunde auch gewußt. Daß er bei keinem je erreichten Ziel verharren und daß sein eigentliches Werk so immer unerreichbar bleiben mußte, lag in der Natur seines utopischen Denkens. Der Satz, mit dem ›Ardistan und Dschinnistan‹ endet: Wir aber wendeten unseren weitern Aufstieg nun den Bergen, über deren Pässe der Weg nach Dschinnistan führte, und unserem hohen, weiteren Ziele zu. - - -, ist so - die drei Gedankenstriche eingeschlossen - nicht nur ein Romanabbruch, sondern ein Symbol seiner transzendierenden Dichtungsart, das hier zu Recht seinen Platz hat. Über sein Buch ›Am Jenseits‹ sagte er wenige Tage vor seinem Tode zu Robert Müller45, es spiele an Grenzen. Mit dem nächsten, paßt auf, komme ich dann hinüber. So stand er immer »vor dem Anfang«, und die entsprechende Passage in der ›Freistatt‹ bezeugt mehr als einen irrealen Plan.

   Der fünfte Abschnitt bringt denn auch keinen Entwurf zukünftiger Werke, sondern einen Schlüssel zu den Altersromanen, soweit diese rationaler Deutung zugänglich sind. May skizziert hier in wenigen Sätzen, als handele es sich um längst Bekanntes (alle meine Leser wissen) die vier Leseebenen, die seinen späten Werken die Struktur geben. Hinter der den »Haddedihn« allein einleuchtenden »Reiseerzählung« steht zweitens die äußere Biographie, der »Schlüsselroman«, die Schriftstellergeschichte von Verlegern, Lesern, Kritikern und Büchern (auch von Ehefrauen und vielem anderen mehr, wie wir heute wissen). Ihr ist drittens eine »innere Biographie« unterlegt, die das Außenweltgeschehen der beiden ersten Leseebenen als innere Auseinandersetzung und Entwicklung begreift, als Psychologie, als Drama der Einzelseele, so daß die Figuren plötzlich zu »Stimmen« eines intrapsychischen Dialoges, zu »Rollenträgern« im Seelenreich werden. Auf einer vierten Ebene aber wird das Psychologische wieder zum Menschheitlichen, das »Ich« zur »Menschheitsfrage« ausgeweitet, so daß die einzelnen Gestalten als seelisch-geistige Bedeutungseinheiten, als Entelechien der Völkergeschichte, hervortreten. Der Reiseweg, der Lebensweg, der Weg nach innen und der Entwicklungsgang der Menschheit sind hier also übereinandergeblendet und


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versetzen jedes Detail in vielfältige Bedeutungszusammenhänge. So kann etwa eine Gestalt wie Marah Durimeh eine alte Kurdin, die erzgebirgische Großmutter des Dichters May, die seelische Inspirationskraft seiner Märchenphantasie und die Menschheitsseele zugleich verkörpern. Die Alterswerke erhalten dadurch inhaltlich wie kompositorisch eine ungewöhnlich komplexe Struktur, deren interpretatorische Aufarbeitung bis heute nur im Ansatz gelungen ist. May selbst hat sich immer, wie auch in dem vergleichsweise mitteilungswilligen Freistatt-Absatz, mit lapidaren und etwas ungeduldigen Andeutungen begnügt, als sei jedem gutwilligen Leser ohnehin klar, was »der Dichter sagen wollte«. Doch werden noch mehrere Germanistengenerationen daran zu arbeiten haben. Das ist auch keine an banale Esoterik vergeudete Mühe, sondern eine lohnende Arbeit, wenngleich sich dies noch nicht weit genug herumgesprochen hat. Immerhin hat ein der May-Schwärmerei so unverdächtiger und bei aller sonstigen Bedenklichkeit seines Sitara-Buches in diesem Punkte bahnbrechender Autor wie Arno Schmidt festgestellt46, es sei »dies grandiose Durcheinanderklingen der . . . Lesemodelle, wodurch diese Spätwerke einen so hohen Grad an Polyfonie gewinnen, wie er nicht allzu zahlreichen Großen Büchern der Weltliteratur sonst noch eignet«.

   Hält sich der fünfte Abschnitt noch weitgehend im Bereich des »gemeinten Sinnes«, des vom Dichter Abstrahierten und dem Leser deutend Zugänglichen, so sagt die auf den ersten Blick naive Aeroplan-Parabel des sechsten und letzten Abschnitts mehr, als May wohl selbst bewußt war. Daß der eigene Gedankenflug die geistige Höhe der »Draisinenpoesie« übersteige, ist eine zu triviale Aussage, als daß sie die mystische Begeisterung des Endes rechtfertigen könnte. Was sich hier in Wahrheit ausspricht, ist die Quintessenz seines Dichtertums: daß dieser Mann die Wirklichkeit nie annehmen konnte, sondern sie zeitlebens überfliegen mußte. Karl May ist der Übergang zum »Realitätsprinzip«, die Einwurzelung in die »Scholle« nie recht gelungen, sondern er blieb im Werk ausschließlicher noch als im Leben ein dem »Lustprinzip« verhafteter Traumgänger. Er stand nie »mit beiden Beinen auf der Erde«; und er hätte nicht einmal existieren können, hätte er nicht den »Aeroplan« seiner Dichtung gehabt.

   Die Ambivalenz seiner literarischen Erscheinung, der »Jugendschriftsteller« wie der »Großmystiker«, hat hier vermutlich ihre Ursache. Denn einerseits kann das Nichtannehmen der Realität als ein Symptom der Unreife, der Unerwachsenheit und kindlicher Phantasiegebundenheit gelten, wie denn auch Mays Werke (besonders die früheren) solche Züge in exemplarischer Ausgeprägtheit zeigen und


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durch sie entgegen seinem Wunsch zu einer Jugendlektüre von magischer Anziehungskraft geworden sind. Andererseits aber hat eine solche existenzielle Verweigerung gegenüber der Realität nicht nur regressive Züge, wie man lange Zeit gemeint hat, sondern sie weist Wege ins Zukünftige, indem sie einer schlechten Realität den Dienst verweigert und fliegend (das heißt: mit sehnsüchtiger Phantasie) andere, bessere Formen des Lebens antizipiert. Der Rückgang zum Ursprung, wie ihn May in nahezu genialer Weise in ›Ardistan und Dschinnistan‹ bewußt vollzieht, ist zugleich der Ursprung des utopischen Denkens und schöpferischer Weltentwürfe, die Rückkehr zu einer Stufe, von der aus das Leben keine vorgezeichnete Einbahnstraße ist, sondern alles noch wieder neu und gut werden kann. Von ›Friede auf Erden‹ bis ›Winnetou IV‹ hat May mit Vorbedacht so gearbeitet, und dies ist es, was er meint, wenn er von denen spricht, die von der ausgelaugten Scholle und aus dem toten Wust des längst Überlebten emporstreben, um dem Aufgange eines neuen, menschlich schönen Tages entgegenfliegen zu können. Es ist die Entrücktheit des von der Erde »losgelösten« Mystikers, in der sich ihm die irdischen »Geheimnisse« entschleiern und die ihm die »Zukunft« des Menschengeschlechtes im »Sonnenstrahl« der Phantasie sichtbar macht. Man darf sich durch die etwas vage Metaphorik nicht täuschen lassen: die von den anthropologischen Grundlagen her erfaßten Gegensätze von Krieg und Frieden, Aggression und Liebe, Männlich und Weiblich, die dem Alterswerk die innere Spannung geben, sind tatsächlich Themen von »menschheitlicher« Bedeutung. Jedenfalls ist das alles psychologisch, soziologisch und literarisch gleichermaßen bemerkenswert und bedarf unter diesen Aspekten sorgfältiger Untersuchungen, die hier nicht gegeben werden können.47An dieser Stelle muß es genügen, wenn erkennbar wird, in welche Dimensionen Mays überaus gedrängte Selbstcharakteristik immerhin hineinreicht.

   Gleichzeitig bietet die Aviatiker-Passage gerade wegen der Einfachheit des Bildes ein anschauliches Beispiel für die Art, in der Mays Phantasie arbeitete: Wenn er sich ein Flugzeug vorstellte48, so dachte er dabei nicht, wie es der realitätsangepaßte Normalbürger tun wird, an die Verbesserung der Verkehrsbedingungen oder vergleichbare Wirklichkeitsbezüge, sondern der optische Außenwelteindruck verwandelte sich ihm sogleich in ein unerhört bedeutungshaltiges Symbol seelischer Grundbefindlichkeiten, das er begrifflich keineswegs auseinanderzulegen verstanden hätte. Man muß diese Art des Denkens nachzuvollziehen versuchen, wenn man seiner »Symbolik« auf den Grund kommen will.


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Man wird die Freistatt-Artikel Karl Mays, die für den Tag und die Stunde geschrieben waren, in Zukunft unter seinen selbstbiographischen Arbeiten nicht länger übersehen dürfen.



1abgesehen von dem Separatabdruck des zweiten Artikels im MittBl. der KMG Nr. 5, S. 3-7. Wir hatten schon damals im Vorwort (a. a. O., S. 2) auf unsere Absicht hingewiesen, dem Pöllmann-Streit später eine besondere Dokumentation zu widmen. Dieses Versprechen wird durch die vorliegende Jahrbuchveröffentlichung nach mehr als sechs Jahren eingelöst. Der merkwürdige Titel der Aufsätze Mays erklärt sich daraus, daß Pöllmann die meisten seiner Beiträge in der Zeitschrift ›Über den Wassern. Halbmonatsschrift für schöne Literatur‹ (Münster, Verlag der Alphonsus-Buchhandlung) hatte erscheinen lassen.
2Vgl. Plaul, Anm. 358, S. 486 in der von ihm kommentierten Ausgabe von Mays ›Mein Leben und Streben‹, Hildesheim-New York 1975.
3vgl. Plaul, a. a. O., Anm. 224, S. 419.
4vgl. die ausführlichen Darlegungen bei Plaul, a. a. O. 499-507. Demgegenüber vertritt Roland Schmid (Bamberger Ausgabe, Bd. 34 ›Ich‹, 29. Aufl., 1975, 280) die Ansicht, die Selbstbiographie sei »1909 begonnen und Ende 1910« abgeschlossen worden, während Maschke (Karl May und Emma Pollmer, Bamberg, 1973 S. 118) den Beginn der Niederschrift auf 1908 ansetzt und Wollschläger die Entstehung auf den »Herbst-Winter 1910« verlegt (Karl May, Reinbek 1965, S. 141). Was den Beginn der Arbeit betrifft, so ist freilich zu bedenken, daß in sie verschollene Teilstudien eingegangen sind, die spätestens ab 1906 entstanden sein müssen (vgl. Bartsch in diesem Buche, S. 207); ein Abschluß der Biographie nach Oktober 1910 kann (entgegen R. Schmid und Wollschläger) nicht in Betracht kommen, weil das Buch mit Sicherheit schon Anfang Dezember 1910 im Handel war (Plaul, a. a. O., 507, 535, Anm. 19 mit weiteren Nachweisen).
5In diesem Urteil war Rudolf Lebius, der May einen »geborenen Verbrecher« genannt hatte, auf Grund eines offenbaren Fehlurteils von der Anklage der Beleidigung freigesprochen worden (vgl. dazu nur Wollschläger, a. a. O. S. 139). In der Berufungsverhandlung vom 18. 12. 1911 wurde Lebius verurteilt (darüber ausführlich Beissel, Jb-KMG 1970, 11 ff.).
6S. 259- 290 der Erstausgabe, Freiburg, 1910; der Text ist jetzt in der Anm. 2 genannten Reprintausgabe von Plaul wieder zugänglich, während die Ausgabe des Karl-May-Verlages auch in der letzten Auflage (29. Aufl., 1975) auf die Wiedergabe des Textes verzichtet und seine spätere Publizierung »im Rahmen einer Facharbeit« in Aussicht stellt (S. 260, Anm. 1). Der Schriftsatz muß Mitte Juni 1910 abgeschlossen gewesen sein (Plaul, a. a. O., S. 506).
7Das wird in den Anmerkungen zum Abdruck der Freistatt-Artikel (unten S.269 ff.) im einzelnen nachgewiesen.
8vgl. dazu meine Besprechung dieser Ausgabe in diesem Buch, S. 287 ff.
9Die letzte Folge des Erstabdrucks in der Augsburger Postzeitung erschien am 27.4. 1910 (Wollschläger, a. a. O., 139).
10Der unbearbeitete Text aus dem Eichsfelder Marienkalender, Heiligenstadt 1910, ist 1974 in dem Auswahlband ›Der große Traum‹, Deutscher Taschenbuch-Verlag Nr. 1034, S. 241 260, wieder erschienen.
11Wollschläger (a. a. O., 141) datiert die Neufassung auf den »Sommer 1910«.
12Erscheinungsnachweise bei Klußmeier, Mitt. d. KMG, Nr. 21 (Sept. 1974) S. 21- 24; das erste Heft erschien im November 1907, das letzte im September 1909.
13Vgl. zu den letzten Prozeßsiegen Mays den in diesem Buche, S.209, faksimilierten Brief, der ein bemerkenswertes biographisches Zeugnis dafür ist, wie May nach diesen späten - zu späten - Triumphen seelisch wieder auflebte; er hätte ohne sie den temperamentvollen Vortrag im Wiener Sofiensaal wohl schwerlich noch halten können. In der Sache handelte es sich neben der Verurteilung des Lebius vom


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18. 12. 1911 (vgl. Anm. 5) um das Landgerichtsurteil vom 22. 12. 1911, in dem Pauline Münchmeyer zur Zahlung von 60 000 Mark verurteilt worden war (dazu Hoffmann, Nachwort zum Faksimiledruck des ›Waldröschen‹, Hildesheim-New York 1971, 2648).
14Die auf den 3. Dezember 1911 datierte zweite Fassung des Schriftsatzes an das Königl. Landgericht (Privatdruck, 147 S.) greift nicht nur auf die Erstfassung vom Juni 1910, sondern partienweise vermutlich auch auf die biographische Abhandlung ›Frau Pollmer. Eine psychologische Studie‹ (1908) zurück, deren vom Karl-May-Verlag in Aussicht gestellte Veröffentlichung (vgl. Stolte, bei Fritz Maschke a. a. O., Vorwort S. X) noch aussteht. Doch ist diese Arbeit zugleich eine Fortschreibung des Prozeßkapitels aus ›Mein Leben und Streben‹. Sie kann in diesem Sinne als Mays »letztes Werk« angesehen und wird von der KMG ebenfalls als Begleittext zur Selbstbiographie wieder vorgelegt werden.
15vgl. darüber die ausführliche Dokumentation in Jb-KMG 1970, 47-91
16Man vergleiche mit der Selbstdarstellung als »Aviatiker« im zweiten Freistatt-Artikel die Notizen zum Wiener Vortrag in Jb-KMG 1970, 54 f., 57 f., 68
17vgl. ›Mein Leben und Streben‹, S. 29 f.: . . . meinen Körper . . . hat es endlich doch gepackt. Er will zusammenbrechen . . . Ich machte am liebsten sterben, sterben, sterben . . .
18vgl. dazu Wollschläger, a. a. O., 140; Hoffmann, Waldröschen-Nachwort (wie Anm. 13), 2644 f.
19vgl. zusammenfassend Wollschläger, a. a. O., 130-140
20Karl May - ein Volkserzieher?, Eine dringende Abwehr zum Schutze unserer Jugend gegen die Verherrlichung Mays, Langensalza 1910. Die Schrift ist von Lebius wesentlich beeinflußt.
21vgl. die Pressedokumentation bei Lebius, Die Zeugen Karl May und Klara May, Berlin-Charlottenburg 1910, 298-309
22S. 101 der Serie ›Ein Abenteurer und sein Werk‹, Jahrgang 1910 der Zeitschrift ›Über den Wassern‹ (vgl. Anm. 1); aus dieser Serie stammen, soweit nichts anderes vermerkt ist, alle folgenden Pöllmann-Zitate.
23Hier und im nächsten Zitat: a. a. O., 272
24vgl. seine bei Plaul, a. a. O., 486, Anm. 360, wiedergegebene Zeugenaussage
25a. a. O., S. 236
26a. a. O., S. 132
27so in der ›Freie(n) Stimme‹, Radolfzell, 6.2.1910; vgl. Plaul a. a. O.,420, Anm. 224
28vgl. unten S. 281 f.
29vgl. dazu die eigene Aussage Pöllmanns vor dem AG Sigmaringen vom 28.4.1911; bei Plaul, a. a. O., 486, Anm. 360
30in ›Hetzjagd durch die Zeit‹, Berlin 1926, jetzt wieder zugänglich als Fischer-Taschenbuch Nr. 1467 (Mai 1974); das Zitat findet sich in dem Beitrag ›Im Wigwam Old Shatterhands‹ (S. 54).
31vgl. Wollschläger, Karl May, a. a. O., 69; Jb-KMG 1972/73, 55, bei Anm. 118 a; Roxin, Jb-KMG 1974, 34 u. 40.
32a. a. 0., S. 94
33a. a. O., S. 68
34in der Reihenfolge der Zitate a. a. O., 63, 64, 92, 93
35a. a. O., S. 73
36Vernehmung vor dem AG Sigmaringen am 28.4.1911, bei Plaul, a. a. O., S. 486 f., Anm. 360
37vgl. etwa Plischke, Von Cooper bis Karl May, Düsseldorf 1951, 115 f., Kandolf, Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards, KMJB 1922, 197 ff.; Schrittmesser und Landkarte, KMJB 1925, 154 ff.; Heinke, Durch die Wüste ins wilde Kurdistan, Wiesbaden 1975, 130 ff.; Maschke, Karl May und Alfred Brehm, Mitt. d. KMG Nr. 7, S. 19 ff. Über die Quellenauswertung durch den frühen May vgl. auch Koch in diesem Bande S. 37 f. und 45 f., Anm. 11
38vgl. ›Mein Leben und Streben‹, 221-226


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39abgedruckt in Mitt. d. KMG, Nr. 19, S. 30
409. Jahrgang, 1882 (November), Heft 3; abgedruckt in Mitt. d. KMG, Nr. 17, S. 17
41In der Reihenfolge der Zitate: a. a. O., 96, 97, 274, 277 278
42Jetzt wieder abgedruckt in: Dittrich/Wagner/Weigl: Schriften zu Karl May, Ubstadt 1976 (Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 2).
43a. a. O., S. 166 ff. Die bisher ausführlichste Darstellung dieser Frage findet sich bei Lebius, Die Zeugen Karl May und Klara May Berlin 1910, 10-27.
44Die ersten beiden dieser Briefe sind charakteristische Zeugnisse der »Renommierzeit«, die ich schon in anderem Zusammenhange (Jb-KMG 1974,15 ff.) ausführlich kommentiert habe.
45Jb-KMG 1970, S. 109
46Sitara und der Weg dorthin, Karlsruhe 1963, 295. Daß ich bei der Schichtung der »Lese-Ebenen« mit Arno Schmidt nur teilweise übereinstimme, wird dem Kundigen nicht entgangen sein.
47Grundlegende, wenngleich von ganz verschiedenen Ansätzen herkommende Arbeiten zu der im Text nur umrißhaft gezeichneten Problematik sind Uedings ›Traumliteratur‹ (vgl. meine Rezension in diesem Bande, S. 293 ff.) und Wollschlägers Abhandlung über ›Ardistan und Dschinnistan‹, die im Jb-KMG 1977 erscheinen wird.
48Wie sehr Karl May vom Motiv des »Fliegens« fasziniert war, zeigen nicht nur die Freistatt-Artikel und der Wiener Vortrag (22. 3. 1912), sondern vor allem sein letzter Roman ›Winnetou IV‹. Unmittelbare Anregungen für die Szenen dieses Buches holte er sich am 26. September 1909, als er während eines Berlin-Besuchs zusammen mit Klara zum Flugplatz Johannisthal (Kreis Teltow) hinausfuhr, dort die Sportflugzeuge besichtigte und ausführliche Gespräche mit den Fliegern führte. (Anm. d. Red.)





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