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EKKEHARD KOCH


Der »Kanada-Bill« · Variationen eines Motivs bei Karl May




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Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erhielt der Präsident der Union Pacific Railroad ein merkwürdiges Schreiben. Der Urheber versprach 10 000 Dollar für die Erlaubnis, in den Eisenbahnzügen weiterhin »three-card monte« spielen zu dürfen, wo dieses Kartenspiel verboten worden war. Ferner, so gelobte er, würde er nur reiche Reisende aus Chicago schröpfen - oder Methodistenpriester, da sie meistens beträchtliche Geldsummen mit sich führten und ihm persönlich unsympathisch waren; ja, er würde auch einen gewissen Prozentsatz seiner Gewinne an die Eisenbahngesellschaft abführen, wenn das Verbot nur aufgehoben würde. Die Erlaubnis wurde natürlich nicht erteilt. Der Spieler, der den Brief geschrieben hatte, war ein englischer Zigeuner und (hieß) . . . eigentlich William Jones. Er kam nach Kanada und trieb einen ganz leidlichen Pferdehandel, bis er bemerkte, daß mit der Karte noch ein Weniges mehr zu verdienen sei. Er hatte ein Spiel gelernt, welches man drüben in Germany »Kümmelblättchen« nennt - bei uns heißt es »three carde monte« - und trieb mit demselben zunächst da droben in den Britischen Kolonien sein Wesen, bis er es zu einer solchen Meisterschaft gebracht hatte, daß er sich über die Grenze herüber zu den Yankee's wagen konnte. Nun machte er den ganzen Norden unsicher, beutelte die pfiffigsten Gentlemen's bis auf den letzten Penny aus und suchte dann den Westen auf . . .

   Man kann es kaum glauben: diese Kurzbiographie findet sich bei Karl May. William Jones, genannt der »Canada Bill«, ist eine historische Gestalt, und alles, was uns May über ihn in dem eben zitierten Absatz berichtet, ist verbürgt, abgesehen von dem in der Literatur nicht erwähnten Pferdehandel. Der echte Canada Bill starb 1877. Ein Jahr später erschien in den ›Frohen Stunden‹, »authentischen Schilderungen nacherzählt von Emma Pollmer«, die Erzählung


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›Ein Self-man‹, in deren Mittelpunkt der große Präsident der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, steht: der Schurke, der ihm in den beiden Episoden zu schaffen macht, ist der Kanada Bill.1 Und kurze Zeit später brachte der ›Deutsche Hausschatz‹ »Ein Bild aus den Vereinigten Staaten Nordamerika's von   K a r l   M a y «  mit dem Titel ›Three carde monte‹. Im Mittelpunkt dreier Abenteuer stehen wiederum die beiden historischen Gestalten: Kanada Bill und Abraham Lincoln.2

   Als William Jones alias Canada Bill im Charity Hospital in Reading in Pennsylvanien gestorben war, erschienen Dutzende von Spielern zu seiner Beerdigung. Einer von ihnen erbot sich sogar, 1000 gegen 500 Dollar zu wetten, daß sich Bill nicht im Sarg befände. So groß war der Ruf des Canada Bill, daß ihm sogar noch bei seinem Tode zugetraut wurde, er habe seinen Mitmenschen wieder einmal ein Schnippchen geschlagen und lebe und spiele unbekümmert weiter. Der Spieler hätte die Wette verloren; aber daß der Kanada Bill sogar noch zu literarischem Ruhm gelangen sollte und im Werk eines der meistgelesenen Autoren überhaupt, nämlich Karl Mays, wieder auferstehen würde, gibt der Wette im nachhinein eine besondere Ironie. Der ›Kanada Bill‹ gehört zu den ersten Erzählungen Mays, die im Wilden Westen spielen; seine Motive wurden von ihm mehrfach verwendet und abgewandelt, bis sie schließlich im Band ›Old Surehand II‹ (1895) eine interessante Neuauflage unter veränderten Vorzeichen erfuhren.

William Jones3 kam in England als Sohn von Zigeunern zur Welt, wanderte nach Kanada aus und lernte das Kartenspiel bei dem bekannten Gauner Dick Cady. Jahrelang gingen ihm die Leichtgläubigen auf den Leim, und als er genug Fingerfertigkeit entwickelt hatte, zog er nach Süden. Das war 1850, und bis zum Bürgerkrieg war er ständiger Gast auf den Mississippi-Dampfschiffen, wo er mit seinem Partner George H. Devol die vornehmen Reisenden ausnahm. Der Sezessionskrieg vereitelte das weitere Geschäft. Zudem merkte Bill, daß Devol nun auch ihn betrog und um sein Geld bringen wollte. So setzte er sich nach Kansas City ab und tat sich mit dem Spieler Dutch Charlie zusammen. Ein einziger Kartenschwindel an reichen Bankiers brachte ihnen 200 000 Dollar ein, zehnmal soviel, wie Bill laut Karl May im ›Self-man‹ in St. Louis erbeutete. Und bevor der Betrug herauskam, saß Bill schon im Zug nach Omaha. So wie früher die Mississippi-Dampfer, so wurden nun die Züge sein ständiges Zuhause, und er schröpfte die Reisenden mit seinem »three-card monte« so lange, bis sich die Leitung der Union Pacific schließlich zum Verbot des Spiels gezwungen sah. Bill, um seine Existenz bangend, schrieb


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daraufhin an den Präsidenten der Gesellschaft; als sein Gesuch abgeschlagen wurde, begab er sich in den Osten. 1874 richtete er mit den beiden Spielern Jimmy Porter und »Colonel« Charles Starr in Chicago vier Spielbuden ein, wo er innerhalb von sechs Monaten 150 000 Dollar beim Spiel ergaunerte, nur um fast alles an andere Gauner wieder zu verlieren. Nachdem er Chicago abgegrast hatte, zog er nach Cleveland, aber bis dorthin war ihm sein Ruf schon vorausgeeilt, so daß er keine großen Erfolge mehr verbuchen konnte. Kurze Zeit trieb es ihn noch umher, bis er schließlich im Krankenhaus sein Ende nahm. Er hinterließ den Ruf des größten »three-card monte«-Spielers Nordamerikas, und wenn wir ihn im ›Self-man‹ als den größten Gauner und Spitzbuben der Vereinigten Staaten bezeichnet sehen und über ihn lesen, daß sein Ruf sogar hinüber in die alten Länder des europäischen Continentes gedrungen ist. Ich habe sogar gehört, daß man dort in allen Zeitungen von ihm schreibt, dann fällt es auch nicht mehr schwer, zu sehen, woher Karl May seine richtigen Informationen bezogen hat. Wahrscheinlich waren die Zeitungen anläßlich seines Todes voll mit Geschichten über ihn.

   Der Canada Bill war von mittlerer Größe, besaß ein Kindergesicht, hellblondes Haar und sanfte blaue Augen. Sein Mund reichte, wenn wir Devols Memoiren glauben können, von einem Ohr zum anderen. Er hatte einen schleppenden, unterwürfigen Gang und sah, wenn sein Gesicht in Ruhe war, wie ein Schwachsinniger aus. Seine Stimme war knabenhaft, kreischend, sein Gehabe linkisch, und er verstand es derart, dumme Fragen zu stellen und zu grinsen, daß ihn jeder für einen Einfaltspinsel halten mußte.

   Manches von der Beschreibung des Canada Bill klingt bei May noch an. In der ›Three-carde monte‹-Fassung beschreibt ihn Tim Kroner, genannt der »Colorado-Mann«, der die ganze Geschichte in Mutter Thicks Boarding House erzählt, als noch sehr jung (vielleicht kaum zwei oder drei Jahre älter als ich ). Bevor er die Familie Hammer, die ihn erst gastlich aufgenommen hat, im Kartenspiel betrügt, gibt er sich sehr harmlos (»Ich habe es . . . nur ein einziges Mal gesehen und bin ein Lehrling dabei«). Dieser Betrug ist ja der Auftakt für tragische Geschehnisse und wilde Abenteuer, in denen Tim Kroner jedesmal auch mit Abraham Lincoln zusammentrifft. Und als dieser den Kanada Bill im Coteau du Missouri erwischt, sagt der ihm ins Gesicht:»Wie viel Klettenwurzel und Höllenstein habt Ihr verbraucht, um Euer Haar schwarz zu färben? Ich gebe Euch den guten Rat, bei späterer Gelegenheit einen Bleikamm mit zu gebrauchen, dann werden auch die Haarwurzeln schwarz, die bei Euch vollständig hell geblieben


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sind.« Da die hellen Haare des Kanada Bill vorher nicht erwähnt werden, fragt es sich allerdings, ob May diese Information tatsächlich besaß und hier geschickt in die Erzählung verwob, oder ob sie seiner Phantasie entsprang und er damit nur das Gespräch interessanter gestalten wollte.



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Abgesehen von diesen Einzelheiten und von dem immer wieder in Szene gesetzten Betrug im Kartenspiel, ähnelt der Maysche Kanada Bill dem historischen weiter nicht. Taten wie die Entführung von Mary Hammer, Tims Verlobter, und die spätere Ermordung von Mary und Tims Vater in der ersten Episode der Hausschatz-Fassung waren dem echten Canada Bill ebenso wenig zuzutrauen wie die Anstiftung von Indianern zum Überfall auf einen Armeeposten4 oder der Sklavenhandel im ›Self-man‹. Bei May ist der Kanada Bill denn auch zum Typ des »Bösen« stilisiert, wie er in seinen übrigen Werken immer wieder auftaucht. Ebenso ist auch die zweite historische Gestalt in der Erzählung, Abraham Lincoln, im Grunde austauschbar gegen »Old Firehand« oder »Old Shatterhand« oder schlechthin den »Westmann« der späteren Romane, abgesehen von einigen historischen Angaben. Dennoch ist es interessant, die Gestalt Lincolns in seiner Erzählung noch näher zu betrachten. Er war lang und stark, schreibt May im ›Self-man‹, war frisch, derb und zähe wie ein echter Yankee, hatte eine scharf hervorspringende Nase, spiegelblanke Augen ohne Lug und Trug, einen breiten, scharfen Mund, ein eckiges Kinn und konnte trotz der Gutmütigkeit, die ihm anzusehen war, doch vielleicht ein Weniges verschmitzt und listig sein, wenn er es für gut hielt(wörtlich genauso, abgesehen von einem Wort, in ›Old Surehand II‹).

   Wenn wir uns an die Beschreibung Lincolns durch einen Biographen5 halten, so war Lincoln 1,93 m groß, hager, zäh. Er hatte einen langen Hals, zu lange Arme und wirkte übergroß und ungeschlacht. Er besaß grobgeschnittene Züge, eine stark vorspringende Nase, tief unter stark sich wölbenden Jochbogen liegende traurige Augen; seine eingefallenen blassen Wangen erschienen wie aus Holz geschnitzt. Aus seinem Blick war Gram zu lesen, aber es lag auch Güte und Mitleid darin. Dem späteren Innenminister der USA, Carl Schurz, einem von Lincolns eifrigsten Wahlrednern und besten Freunden, fiel ebenfalls die Übergröße Lincolns auf. Er beschrieb sein Antlitz als bleich und gelblich, mit tiefen Furchen und Falten. Interessant im Hinblick auf


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Mays Darstellung ist, daß er in Lincolns Augen etwas Gütiges und Schalkhaftes entdeckte. Bemerkenswert ist, daß May Lincolns Bart nicht erwähnt, während doch gerade diejenige Beschreibung bzw. dasjenige Bild Lincolns am berühmtesten geworden ist, das ihn mit Bart zeigt und das daher auch der Leserschaft am ehesten vertraut gewesen sein muß. Sollte May dies nur vergessen haben, oder sollte er in seinen Nachforschungen, die er ohne Zweifel vor dem Niederschreiben der Erzählungen betrieb, auf die Tatsache gestoßen sein, daß Lincoln bis kurz vor Antritt des Präsidentenamtes keinen Bart getragen hat? In der illustrierten Ausgabe von ›Old Surehand II‹ (1909) ist dann allerdings ein Bild Lincolns eingeschaltet ( gegenüber S. 32), das ihn mit Bart zeigt, während sich die Beschreibung nicht geändert hat. Es ist überliefert, daß May die Bildeinschübe genau überwachte - die Diskrepanz zwischen Text und Bild ist ihm entgangen.

   Lincoln arbeitete eine Zeitlang als Fährmann auf dem Ohio. Mit 19 half er als Flößer und Ruderknecht, eine Schiffsladung nach New Orleans zu bringen. Mit 22 Jahren (1831) schloß er sich ein zweitesmal einem ähnlichen Unternehmen an. Das einzige große Abenteuer bestand darin, daß Lincoln bei einer Gelegenheit das gestrandete Boot wieder flottmachte, was seine Gefährten sehr beeindruckte. Die Geschichte, daß Lincoln in New Orleans angesichts einer Sklaven-Versteigerung gesagt habe, wenn er je eine Chance erhalten sollte, solchen Dingen einen Schlag zu versetzen, würde er es mit aller Härte tun, ist wahrscheinlich erfunden. Und das einzige Abenteuer mit Indianern erlebte er ein Jahr später im Aufstand der unglücklichen Sauk- und Fox-Indianer, als er - als Hauptmann eines Freiwilligen-Regimentes - seine Männer davon abhielt, einen alten unschuldigen Indianer umzubringen. Seine gewaltige Kraft bewies er, als er den hünenhaften Raufbold Jack Armstrong im Ringkampf besiegte.

   Der historische Kern ist von May zu tollen Abenteuern ausgemalt worden: Die Verfolgung der Entführer Marys und die Verhinderung des Anschlages auf das Fort werden noch vom Holzfäller Abraham Lincoln unternommen, der allerdings bereits - als echter »Selfmademan« - nach Höherem trachtet, wie Tim dem Umstand entnehmen kann, daß er sich im Wald allein im Reden übt und auf das Amt des Anwalts vorbereitet. Lincoln erhielt seine Lizenz als Rechtsanwalt 1836, zwei Jahre nachdem er ins Repräsentantenhaus von Illinois gewählt worden war. May schickt ihn in der Hausschatz-Fassung gleich ins wilde Coteau du Missouri, wo er auf der Suche nach einem raffinierten Verbrecher wieder mit Tim und dem Kanada Bill


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zusammentrifft und einen verheerenden Ölbrand erlebt. In der Urfassung ›Ein Self-man‹ dagegen befreit er lediglich in Vicksburg in einem kühnen Handstreich Negerkinder, die einem Sklavenhändler in die Hände fielen.

   Als Redner und Geschichtenerzähler war Lincoln schon in jungen Jahren bekannt. Doch ist von frühen Reden kaum etwas erhalten, wenn auch überliefert ist, daß seine Ansprachen ungekünstelt und eindringlich wirkten und er einen für einen Grenzer ungewöhnlichen Bildungsschatz besaß.

   May läßt Lincoln im ›Self-man‹ folgende Rede halten:»Ihr sprecht: Wir müssen darauf hinarbeiten, unsre Neger so in die Gewalt zu bekommen, daß sie, selbst wenn ihnen die Freiheit verkündet würde, aus reiner Furcht bei uns bleiben würden«, declamirte er. »Was diese europäische Rasse, diese deutschen Yankee's von Humanität und christlicher Liebe schwatzen, ist der reine Unsinn. Die Liebe soll regieren! Die Liebe -? pah - Die Peitsche muß regieren! So sagt Ihr, weil der Eigennutz Euer Herz verhärtet und zu Stein verwandelt hat. Ich aber sage Euch, es wird die Zeit kommen, in welcher - - -«

   Lincoln trat 1834 zum erstenmal gegen die Sklaverei auf. »Sklaverei beruht auf der Selbstsucht der menschlichen Natur, der Kampf gegen die Sklaverei auf der Gerechtigkeitsliebe«, war seine oft vertretene Ansicht. »Wir bauen auf der Freiheitsliebe, die uns Gott in die Brust gepflanzt hat. Unser Heil liegt in der Erhaltung des Geistes, der die Freiheit hochhält als das Erbteil aller Menschen und in allen Ländern, wo es auch immer sei. Zerstört Ihr diesen Geist, so werdet Ihr vor Eurer eigenen Tür die Saat des Despotismus ausgestreut haben. Wenn Ihr Euch mit den Ketten der Knechtschaft abfindet, so werdet Ihr eines Tages diese Ketten tragen müssen.«

   In seiner Antrittsrede zu seiner zweiten Amtsperiode sprach Lincoln vom Fluch der Sklaverei. Vielleicht sei es der Wille des Schöpfers, diesen Fluch so lange fortdauern zu lassen, bis jeglicher Reichtum dahingeschwunden sei, den 250 Jahre unbezahlte Arbeit aufgehäuft hätten, bis durch das Schwert jeder Tropfen Blut gesühnt worden sei, den die Peitsche des Sklavenaufsehers habe fließen lassen. »Mit Haß gegen niemanden, voll Mitgefühl für alle, mit Festigkeit im Recht, so wie uns Gott das Recht erkennen läßt, so laßt uns das Werk vollenden, an dem wir arbeiten: die Wunden der Nation zu lindern, für denjenigen Sorge zu tragen, der in den Schlachten gekämpft, zu sorgen für die Witwen und Waisen und alles zu tun, wodurch wir einen gerechten und bleibenden Frieden erlangen können, in unserer Mitte sowohl wie mit allen übrigen Völkern.«


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In der ›Three carde monte‹-Fassung (Old Surehand II) ruft Lincoln:»Was meint ihr? Die Sklaverei sei eine heilige und notwendige Sache, welche weder durch Gewalt noch Gründe abzuschaffen sei? Ist die Bedrückung eines Menschen, die Verachtung und Peinigung einer ganzen Menschenrasse heilig? Ist es notwendig, ein abscheuliches Eigentumsrecht auf Menschenkräfte zu legen, welche für guten Lohn weit besser und weit treuer arbeiten würden ? Ihr wollt weder Gründe hören, noch irgendeine Gewalt anerkennen? Nun wohl, ich werde euch dennoch Gründe sagen, und laßt ihr sie nicht gelten, so wird sich dennoch eine unwiderstehliche Gewalt erheben, die euch die Negerpeitsche zerbricht, den Eigennutz aus dem Herzen reißt und alles zermalmen und vernichten wird, was sich ihr in den Weg zu stellen wagt. Ich sage euch, es wird eine Zeit kommen, in - - -«.

   »Ich weiß, daß es einen Gott gibt und daß Er Ungerechtigkeit und Sklaverei verabscheut«, sagte Lincoln in einer historischen Rede. »Ich sehe den Sturm kommen und weiß seine Hand darin. Wenn Er eine Aufgabe und einen Platz für mich hat, wie ich denke, so glaube ich, bin ich auf dem rechten Weg. Ich bin nichts, die Wahrheit ist alles! Ich weiß, daß ich auf dem rechten Weg bin, weil ich weiß, daß Freiheit Recht ist, wie Christus es gelehrt hat, und Christus ist Gott.«

   Die Worte, die in den historischen Reden Lincolns gefallen sind, und die, die May dem sich im Reden übenden ›Selfmademan‹ in den Mund legt, gleichen sich. Es ist von der Liebe die Rede, von Gerechtigkeit, Eigennutz, Peitsche usw. »Ich sehe den Sturm kommen«, sagte Lincoln, und May läßt ihn von der unwiderstehlichen Gewalt sprechen, die sich erheben wird. In der Rede, die May Lincoln halten läßt, als dieser sich auf das Amt des Anwalts vorbereitet, sagt er unter anderem:»Denn das muß ich euch sagen, ich heiße Abraham Lincoln, und der ehrenwerte Sir, dem dieser Name gehört, nimmt nur dann das Mandat eines Klienten an, wenn er die Überzeugung gewonnen hat, daß damit nicht die Verteidigung eines Schurken verbunden ist . . .« (Old Surehand II, 27). Da wird man doch etwas an den Tenor des Satzes erinnert: »Wenn Er eine Aufgabe und einen Platz für mich hat, wie ich denke . . .« Vergleicht man die Redeauszüge des historischen und des Mayschen Lincoln miteinander, so erscheint der Unterschied nur als ein Unterschied im Niveau, so als habe May Lincolns Reden für seine Absichten einfacher, derber formuliert. Der Grundtenor stellt sich ähnlich dar.


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So hinterläßt die Lektüre des ›Kanada Bill‹ einen zwiespältigen Eindruck. Zwar hat May zeitgenössische und historische Begebenheiten miteinander verquickt und so für seine Erzählung einen interessanten Rahmen und Hintergrund geschaffen, aber seiner Phantasie ließ er freien Lauf. Sowohl der Kanada Bill als auch Lincoln dienen nur als Staffage, Aufhänger für Abenteuer in üblicher Wildwest-Manier. Die erste Episode im ›Self-man‹ ist vielleicht noch akzeptabel, aber in den ersten beiden Episoden der Hausschatz-Fassung wird Lincoln als hartgesottener Westmann dargestellt, der sich nicht nur vor Tod und Teufel nicht fürchtet, sondern der auch bereit ist, sämtlichen Verbrechern auf einmal den Garaus zu machen und auch leichten Herzens über ein paar Indianerleichen hinweggeht. Ebenso erscheint die zweite Episode in der Urfassung - die Rettung der Kinder - noch glaubhaft, während die seltsamen Abenteuer im Coteau du Missouri nichts weiter als für die frühen Erzählungen Mays typische Handlungselemente enthalten.

   Als Redakteur der ›Frohen Stunden‹ schrieb May in rascher Folge eine ganze Reihe von Erzählungen, die alle nach ähnlichem Schema angelegt sind, »bunt-schematische Fabeleien«, »Talentproben«, wie sie Wollschläger6 nennt. Teilweise schon spannend und geschickt erzählt, tragen sie dennoch den Stempel des Anfängers, der nicht nur schreiben wollte, sondern der auch um sein tägliches Brot schreiben mußte. Was den ›Kanada Bill‹ betrifft, so kam May wohl nur weniges beim Niederschreiben »aus der Seele« - zu konstruiert und künstlich wirken viele Episoden.7 Bei den beiden Versionen ›Ein Self-man‹ und ›Three carde monte‹ gleichen sich manche Absätze aufs Wort; May machte sich gar keine Mühe, alles für den Hausschatz neu zu formulieren, was er für die ›Frohen Stunden‹ schon geschrieben hatte. Er erfand auch für die Hausschatz-Fassung keine neuen Namen, sondern er wechselte sie nur aus. Bei beiden Versionen hielt er dieselbe Erzählform ein, nur daß sich der Leser des ›Self-man‹ die Rahmenerzählung dazu denken muß, während sie in der Hausschatz-Fassung ausgeführt ist. Das Motiv des Indianerüberfalls ist in letzterer nur weiter ausgemalt, und in dieser spielt auch der Kanada Bill eine Rolle, während er im ›Self-man‹ eigentlich überflüssig und nur Statist ist.

   Der junge Karl May suchte Motive und Sujets; er hatte seinen eigenen Weg noch nicht gefunden; er schrieb in diesen ersten Jahren schon schnell und viel, aber seine Phantasie brauchte noch die


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Anregung, um sich zu entzünden, den Keim, um zur Entfaltung zu kommen So nahm er Motive, wo er sie fand. Die Zeitungsartikel über den Canada Bill gaben ihm Anregungen; möglicherweise war er auch vom Schicksal des großen Präsidenten wirklich berührt; vielleicht verband er die Geschicke beider Gestalten, um damit besonderes Interesse bei der Leserschaft zu wecken. Aber er schöpfte nicht nur aus Lexika und Zeitungsberichten, er ließ sich in dieser frühen Phase seiner Schriftstellerei durchaus auch von Kollegen inspirieren, die er eines Tages nicht nur im Ruhm weit überflügeln würde: Freilich gab es dabei mancherlei Schwierigkeiten, berichtet der Colorado-Mann von seinem Weg zum Mississippi (Old Surehand II, S. 26), denn die Gegend, durch welche ich den Pfad nehmen mußte, war ganz verteufelt unsicher. Die Creeks, Seminolen, Choctaws und Komantschen lagen einander in den Haaren, bekämpften sich bis auf die Messerspitzen und behandelten dabei jeden Weißen als gemeinschaftlichen Feind.

   Die Indianerstämme, die hier genannt sind, spielen, abgesehen natürlich von den Komantschen, in den übrigen Erzählungen Mays keine Rolle mehr. Sie passen auch, wie May wohl später bei seinen Studien ethnologischer Werke merkte, in derartige Abenteuergeschichten gar nicht hinein. Die Darstellung der Choctaw durch May ist für Kenner der Verhältnisse unglaubwürdig.8 Die Indianer sind typisiert, der Name Choctaw ist beliebig austauschbar gegen jeden anderen einer indianischen Völkerschaft, die in Mays frühen Erzählungen auftaucht. Der Name des Häuptlings, »Schwarzer Panther«, ist nicht typisch für die »Fünf zivilisierten Stämme«, wohl aber für Mays frühe Namensgebungen. Und die Choctaw glauben bei May natürlich auch an »Manitou«.

   Die Choctaw sind in dieser Erzählung nur Staffage. Einfluß von Gerstäcker oder Sealsfield scheint erkennbar. Sealsfield hat dem Schicksal der Creek sein Werk ›Tokeah‹ gewidmet, und Gerstäckers Romane haben Arkansas oder den Mississippi oft zum Schauplatz. Daß May tatsächlich am Beginn seiner Karriere auch Anleihen bei anderen Autoren machte, zeigt besonders deutlich eine Erzählung aus den ›Frohen Stunden‹, deren Verbindung mit den ›Kanada Bill‹-Erzählungen fast zwanzig Jahre später hergestellt wurde: Vom Tode erstanden. Ein Abenteuer aus Californien von Emma Pollmer.9 Zwar ist Vorsicht geboten: nicht jede Ähnlichkeit von Motiven bei verschiedenen Schriftstellern beweist gleich eine Entlehnung. In diesem Fall aber ist der Einfluß Gerstäckers auf May ganz offensichtlich. In seinen Erzählungen ›Kreuz und Quer‹10 beschreibt Gerstäcker


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»Das Hospital auf der Mission Dolores«, und May scheute sich nicht, die Beschreibung der Mission bis in Einzelheiten zu übernehmen und zur Grundlage seiner Geschichte zu machen.11 Ähnlich wie bei den ›Kanada Bill‹-Erzählungen und anderen frühen Geschichten Mays liefert hier ein bei eifriger Suche entdecktes Motiv den Anlaß für die Entladung seiner Phantasie - analog zur ›Seehundsjagd‹, wo um einzelne Bilder eine Geschichte gesponnen wird. Hatte er Teile aus dem ›Self-man‹ ganz einfach in die ›Three carde monte‹-Fassung übertragen, so übernahm er aus dem Gerstäcker-Bericht ganze Abschnitte in ›Vom Tode erstanden‹ und machte sich gar nicht die Muhe, sie bis zur Unkenntlichkeit umzuformulieren. Daß sich Mays Beschreibung der Mission dennoch im ganzen gesehen besser und flüssiger liest als die Gerstäckers, zeigt, welches beachtliche Talent sich in diesen Jahren allmählich entfaltete.

   So gewinnen die frühen Erzählungen Mays heute eine neue Bedeutung, da sie uns einen kleinen Eindruck von der Arbeitsweise des jungen Redakteurs geben können, der noch den Anstoß von außen benötigte, während er später doch vorwiegend aus dem eigenen Inneren schöpfte.

   Interessant ist, daß sich schon in diesen frühen Erzählungen eine Haltung ausdrückt, der May auch später treu blieb. Bereits in der Urfassung heißt es, daß die Runners und Loafers einem mehr zu schaffen machen konnten als alle Indianer zwischen dem Mississippi und dem großen Meer zusammengenommen. Und es ist dann auch ein weißer Verbrecher, der die Indianer zum Kampf gegen die Weißen aufstachelt. Auch Rassenvorurteile kennt May nicht. Tim heiratet eine Freigelassene, eine Farbige. Der Ölmann ist Mulatte und mit einer Deutschen verheiratet. Die Sklaverei wird als moralischer Übelstand abgelehnt. »Wenn die Sklaverei kein Unrecht ist, so gibt es kein Unrecht.« So dachte Lincoln, und diese Grundtendenz findet sich in allen Werken Mays. Besonders gut kommen in den Erzählungen, vor allem in der ersten, die Deutschen weg. »Ich kenne diese Deutschen«, erklärt Lincoln,»sie sind Ehrenmänner durch und durch und mögen von der Sclaverei Nichts leiden.« Kein anderer Präsident hat in der Tat so viele Deutsche unter seinen persönlichen Freunden gehabt wie Lincoln, der sich auch um die deutsche Sprache bemühte und dessen Wahlsieg 1860 vor allem dem deutschen Element in den USA zu verdanken war. Und der deutschen Leserschaft wird in der Urfassung noch mit den Worten geschmeichelt: Ja, er (Lincoln) war ein ganzer Mann, ein self-man, wie es keinen zweiten giebt, und darum hatte er das Herz auf dem rechten Flecke, war zäh grad wie Hickoryholz und


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weich dabei wie - wie - ja, wie es sonst eigentlich nur die Deutschen sind. - Ein Zugeständnis an die Leserschaft, sicherlich, dem man aber angesichts des Eintretens Mays für den Antisklavereigedanken und gegen Rassenvorurteile keine chauvinistische Bedeutung beizumessen braucht.



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Merkwürdig und denkwürdig sind diese ersten Versuche des Schriftstellers Karl May, der sich - unbelastet noch von größeren historischen Kenntnissen - aus vielerlei Quellen seine Geschichten zusammenfabulierte, bis er schließlich den eigenen Weg zu seinen bedeutenden Reisewerken fand. Was den ›Kanada Bill‹ betrifft, so hat May die Uneinheitlichkeit, die Ungereimtheiten und den Anachronismus seiner Erzählung bemerkt, als er den Band ›Old Surehand II‹ zusammenstellte. Er versuchte sich in aller Eile doch noch mit Geschick aus der Affäre zu ziehen, und was daraus entstand, ist bemerkenswert genug.

   In der Version ›Three carde monte‹ erscheint der Erzähler der Geschichte, nämlich der »Colorado-Mann«, als vom Schicksal gebeugt, etwas melancholisch, schweigsam und ernst. Erst als der Name »Kanada Bill« fällt, fährt er überrascht aus seiner zusammengesunkenen Haltung hoch. Man bittet ihn, seine Geschichte zu berichten, und jeder der anwesenden Gäste hält ihm sein Glas zum Trinken entgegen. Er aber wehrt allen Brandy ab.

   Ganz anders verhält sich Tim Kroner in der ›Old Surehand II‹-Fassung. Er hatte anscheinend bisher schon das große Wort geführt, und dann will er jedem, der ihm nicht glaubt, daß der Kanada Bill der größte Schurke in Amerika war, die Richtigkeit seiner Aussage mit »einigen Zoll kalten Eisens in den Leib beweisen«. Und er weist den Brandy auch nicht ab, sondern er trinkt aus allen Gläsern. Schon die Rahmenerzählung läßt für den Leser erkennen, daß Tim Kroner möglicherweise ein Aufschneider ist.

   Die Erzählung Kroners entspricht in allen Einzelheiten der ›Three carde monte‹-Fassung. Aber während diese nach der Geschichte aufhört, ohne daß die Rahmenerzählung nochmals aufgenommen wird, und man das Gefühl hat, sie ende etwas in Schwermut und Melancholie, nimmt die Rahmenhandlung in ›Old Surehand II‹ eine überraschende Wendung. Kroner wird aggressiv und unerträglich selbstgefällig. Da Old Shatterhand, der sich bei der Erzählung schon


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das Seine gedacht hatte, ein zweifelhaftes Gesicht macht, wird er von Kroner angegriffen. Kroner, der nach seiner Erzählung einst ein deutsches Mädchen zur Frau nehmen wollte, beschimpft nun Old Shatterhand als »Dutchman«, ohne ihn allerdings zu erkennen, obwohl er vorher behauptet hatte, daß »Old Shatterhand in meinem Beisein manchen Fehler gemacht (hat), den ich für unmöglich gehalten hätte«.

   Old Shatterhand weist Kroner nun nach, daß seine Erzählung nicht stimmen kann, da sich Lincoln schon 1836 als Rechtsanwalt etablierte, das erste Öl in den USA aber erst 1857 entdeckt wurde. Ja, die Geschichte mit dem Ölbrand hat Kroner allem Anschein nach gestohlen - Old Shatterhand erinnert an den Ölbrand in New Venango (in ›Winnetou II‹, wie auch in einer Fußnote angegeben ist). Und der richtige Colorado-Mann kann der Aufschneider auch nicht sein, wie ihm Old Shatterhand unverhohlen erklärt (S. 77).

   Bemerkenswerterweise wird über 500 Seiten später im Buch (S.584) nochmals auf die Geschichte angespielt. Als Toby Spencer bei Mutter Thick die Gäste beleidigt (heute in GW Bd. 15 am Beginn), versucht ihm derjenige, der die erste Geschichte erzählt und sich für Tim Kroner, den Colorado-Mann, ausgegeben hatte, entgegenzutreten. Es war jedenfalls nicht eigentlicher Mut, sondern nur die Absicht, sich als einen tüchtigen Kerl aufzuspielen, was ihn veranlaßte, das Wort zu ergreifen. Und Toby Spencer hängt ihn ja dann auch an einen Kleiderhaken, nachdem er ihm neben anderem ins Gesicht gesagt hatte: »Alle Wetter, wie kommt denn so ein Karnickel, wie Ihr seid, dazu, sich mit dem Namen eines Löwen zu schmücken!« Nun weiß es der Leser genau! Sollte einem Leser die merkwürdige Geschichte doch unerträglich gewesen sein und er mißbilligend den Kopf geschüttelt haben, so wird ihm mehrmals von May versichert: der Erzähler war ja nur ein Aufschneider. Daß dies gegen Ende des Buches nochmals betont wird, beweist nicht nur, daß May bei der Zusammenstellung des Buches doch nicht so sorglos umging, wie früher angenommen wurde, sondern auch, daß ihm das Niveau seiner Lincoln-Geschichte selbst nicht hoch erschien.

   In der ›Three carde monte‹-Fassung wird das Ende des Kanada Bill schon angedeutet: er sei jämmerlich im Hospital verkommen (wie es ja dem historischen tatsächlich erging). May arbeitete die frühe Erzählung ›Vom Tode erstanden‹ so um, daß sie nun das Ende des Kanada Bill enthielt. In der Urfassung kam der Kanada Bill in ihr gar nicht vor, und bis zum Schlußteil dieses Abenteuers kann der Leser auch bei der Lektüre der ›Old Surehand II‹-Version nur ahnen, daß hinter Dr.


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White (ursprünglich Dr. Haffley) der Kanada Bill stecken muß. Erst nach der Rückkehr Eduards von den Goldfeldern zu seiner geliebten Anitta, die Dr. White für sich beansprucht, tritt Old Shatterhand in Aktion. Bis zu diesem Zeitpunkt gleicht die Geschichte fast wörtlich der Urfassung (einschließlich aller aus dem Gerstäcker-Bericht übernommenen Einschübe), danach ist sie völlig neu gefaßt. Die Änderungen, die May in der sonst übernommenen Urfassung vornahm, lassen wieder erkennen, daß ihm ebenfalls hier das Niveau seiner Geschichte nicht recht behagte. Die ursprüngliche Erzählung ›Vom Tode erstanden‹ ist mehr oder weniger Kolportage, und May hat denn auch manche Szenen umgearbeitet oder weggelassen, die ihm anscheinend selber kitschig vorkamen.

   Vom Stil her unterscheidet sich das Abenteuer ›Vom Tode erstanden‹ von der ›Three carde monte‹-Erzählung: die Geschichte ist etwas ausschweifend, wort- und bildreich, teils schwülstig, während die Kanada-Bill-Geschichte spannend, eher etwas derb und bündig erzählt ist. May erkannte diesen Unterschied, was auch in der Rahmenerzählung in ›Old Surehand II‹ (S. 86) zum Ausdruck kommt: Der Erzähler machte jetzt eine Kunstpause und zeigte dabei eine so verheißungsvolle Miene, daß ich im stillen annahm, er werde nun als ›Schriftsteller‹ sein Erzählertalent leuchten lassen. Ich hatte mich auch nicht geirrt, denn er gab dem Folgenden die Form einer Novelle, welche ganz gut hätte gedruckt werden können. Später, bevor in der Erzählung Old Shatterhand in Aktion tritt, heißt es (S. 97): Wahrscheinlich erwartete er, ein Lob zu hören, doch blieb dieses aus, weil seine Erzählung bisher nicht genug interessant und spannend gewesen war. Interessant zu lesen, wie May seine frühen Erzählungen selber einschätzte. Auch wird wieder entschuldigt, was dem Leser vielleicht an der Geschichte merkwürdig erscheinen mag: damit nämlich, daß der Erzähler die »Wahrheit« eben in seiner Weise ausgeschmückt habe. Das wird auch von vornherein klargemacht:»Dank Sir«, flüstert Mutter Thick Old Shatterhand zu (S. 79), »daß Ihr vorhin den Krawall vermieden habt! Mit der jetzigen Erzählung werdet Ihr zufrieden sein. Er schreibt Bücher, und erzählt so schön, oh so schön!« Na, da war ich denn doch neugierig, was dieser Mann für eine Geschichte aus den einfachen Tatsachen machen würde.

   May war bei der Zusammenstellung des ›Old Surehand II‹-Bandes überarbeitet und unter ständigem Druck. Er hatte keine Zeit, die einzelnen Geschichten neu zu schreiben, er mußte, um sie zusammen verwenden zu können, eine entsprechende Rahmenerzählung ersinnen. Er setzte dem etwas einfachen, bündigen Stil Kroners genau das


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Gegenteil, den ausschweifenden, bilderreichen Stil des Literaten entgegen und entschärfte auf diese Weise beide. Kroner und Literat charakterisieren sich nämlich nun auch durch ihre Redeweise - der eine als etwas ungehobelt und als Aufschneider, der andere als Schriftsteller. Unterstrichen wird dies durch eine treffsichere und gezielte Rahmenerzählung. Und irgendwie bleibt der Eindruck, daß sich May - seine eigenen frühen Werke mit Abstand betrachtend, ein wenig auch belächelnd - mit dem Zusammenschnitt auch etwas über seine alles für bare Münze nehmenden Leser lustig machen wollte - mit dem Schalk im Nacken: so schön, oh so schön!

   Alle die hier erwähnten literarischen Meisterstückchen, die den späteren May als das ausweisen, was er war: einen Erzähler von Format, finden sich nicht in der bearbeiteten Ausgabe in »Kapitän Kaiman«. Hier bleibt das Unbehagen nach der Lektüre und wird auch nicht dadurch gemindert, daß die vierte Episode zeitlich zurückgedreht wurde, indem die Bearbeiter aus Winnetou seinen Vater Intschu tschuna und aus Old Shatterhand den wesentlich älteren Old Firehand machten. Während die ursprüngliche ›Old Surehand II‹-Fassung eher Respekt vor May einflößt, bringt ihn die heutige ›Kapitän Kaiman‹-Fassung bei urteilsfähigen Lesern in Mißkredit.12 Die ›Old Surehand II‹-Fassung ist noch in anderer Hinsicht interessant. Die Wandlung Kroners - vor seiner Erzählung erscheint er wohl etwas als Aufschneider, aber nicht als der Feigling, als der er sich schließlich entpuppt - erinnert an die Wandlung Old Wabbles und anderer Gestalten Mays, und vielleicht ist die ›Old Surehand II‹-Fassung doch nicht allein aus einem Kunstgriff Mays hervorgegangen, sondern tiefgründiger, als ein oberflächlicher Leser vermuten mag. In der Tat, das Ende des Kanada Bill fügt sich in die Deutung, die Wollschläger von der seelischen Entwicklung Mays am Ende seiner dritten Schaffensperiode gegeben hat13:»Der Arrestant kam während der ganzen Durchsuchung seiner Wohnung nicht wieder zu sich und wurde in diesem bewußtlosen Zustande fortgeschafft. Als er dann später in der Haft erwachte, begann er zu schreien und zu wüten. Der Fausthieb Old Shatterhands hatte sein Gehirn in der Weise erschüttert, daß er nicht wieder richtig zur Besinnung, zum Bewußtsein kam. Er kämpfte Tag und Nacht mit den Gestalten derer, an denen er sich vergangen hatte, und wurde dabei so gefährlich, daß ihn nur die Zwangsjacke bändigen konnte. Die Tobsucht ließ nicht von ihm, bis sie ihn mit schäumendem Ringen tot niederwarf.«14

Nichts von alldem findet sich in der Urfassung ›Vom Tode erstanden‹. Hier wird der Doktor abgeführt, und man erfährt


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schließlich, daß er schlicht aufgehängt worden sei. Es kann kein Zufall sein, daß May das Ende nun in dieser Weise schildert. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht und die Alterswerke Mays zum Vergleich heranzieht, wird in diesem Abschnitt unschwer mehr erkennen als nur eine Darstellung vom Tode des Kanada Bill. Der dem eben zitierten Absatz folgende Satz:»Ein Ende durch den Strang wäre weniger schrecklich gewesen; aber er hatte diesen Tod verdient und war selber an ihm schuld, denn hätte er nicht auf Old Shatterhand geschossen, so wäre er nicht von diesem zu Boden geschlagen worden« wirkt unbeholfen, etwas komisch, so als wäre May aus einem nur halbbewußten Zustand, in dem der vorhergehende Abschnitt geschrieben worden war, plötzlich mit einem Ruck in die Realität zurückgekehrt. Von tieferen Seelenschichten her scheint das Ende des Kanada Bill diktiert worden zu sein: Reminiszenzen an lange Vergangenes und Zeichen des Beginns einer tiefgreifenden Wandlung Mays zu dieser Zeit.



Für verschiedene Hinweise und Anregungen danke ich herzlich den Herren Anton Haider, Innsbruck-Pettnau, Hansotto Hatzig, Mannheim, Heinz Neumann, Bietigheim Prof. Dr. Claus Roxin, Stockdorf, Alfred Schneider, Hamburg, und Dr. Wilhelm Vinzenz, Maisach.


1›Frohe Stunden‹, Dresden-Leipzig, 2. Jahrgang, Nr. 25-28, 1878 (hierin die eben zitierte Beschreibung des Kanada Bill) heute unter dem Titel ›Ein Selfmademan‹ in Gesammelte Werke Bd. 71 ›Old Firehand‹ mit geringfügigen Abweichungen gegenüber der Urfassung. Auf einen Vergleich der Textvarianten der einzelnen Fassungen soll hier verzichtet werden.
Die Handlung der Erzählung führt in die Südstaaten der USA. Der Trapper Tim Summerland trifft auf einen Holzfäller und Flößer namens Abraham Lincoln, der Fenzstangen in den Süden schaffen will. Beide tun sich zusammen. Die Fahrt mit dem Floß führt sie an Fort Gibson vorbei, das von Komanchen überfallen und geplündert wurde. Vom Ufer aus beschossen, entdecken sie einen Weißen, der, wie sich herausstellt, der Anstifter der Indianer gewesen ist. Er wird von Tim und Lincoln niedergeschossen, Lincoln erkennt in ihm den berüchtigten Falschspieler Kanada Bill. Sie lassen ihn für tot liegen, aber im zweiten Teil der Erzählung stellt sich heraus, daß er doch mit dem Leben davongekommen ist. In diesem zweiten Teil trifft Tim in Vicksburg seine Jugendliebe Betty Kroner wieder, eine freigegebene Sklavin, die ihn seinerzeit ausschlug und einen anderen heiratete. Doch ihr Mann starb früh, und nun während einer Reise verlor sie auch ihre vier Kinder, die von einem Sklavenhändler geraubt wurden. Tim hilft ihr und trifft auf der Suche nach den Kindern seinen alten Kumpanen Lincoln wieder, der es inzwischen vom Holzfäller zum Anwalt gebracht hat und einem Kassenräuber auf der Spur ist. Mit Lincolns Hilfe gelingt es in einem mutigen Handstreich, die Kinder freizubekommen. Diese waren an den Kanada Bill verkauft worden, der nun Ländereien besitzt aber immer noch seine Betrügereien betreibt. Betty bekommt ihre Kinder wieder und heiratet Tim; was aus dem Kanada Bill wird, erfährt der Leser nicht. Lincoln und Tim sehen sich nicht wieder, aber dieser verfolgt Lincolns Aufstieg weiter mit Bewunderung.


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2›Deutscher Hausschatz‹, 5. Jahrgang, 1878-79, Nr. 26-28, Redaktionsschluß der Nr. 28: 28. März 1879.
Auch diese Erzählung beginnt im Süden der Vereinigten Staaten. Die Eltern des Erzählers Tim Kroner waren von Kentucky nach Arkansas gezogen und betrieben dort in der Nachbarschaft der deutschen Familie Hammer eine Farm. Mary Hammer, eine von zwei Töchtern, und Tim verloben sich, aber das Glück wird bald getrübt. Ein gewisser William Jones betrügt die Familie im Kartenspiel (»Three carde monte«) und wird des Hauses verwiesen, worauf er aus Rache mit seiner Bande Mary entführt; während der Verfolgung der Verbrecher trifft Tim auf den Holzfäller Abraham Lincoln, der sich ihm anschließt und hilft, die Verbrecher unschädlich zu machen. Durch Tims Ungeschicklichkeit kommen tragischerweise sein Vater und Mary ums Leben, und Jones, der Kanada Bill, der Mörder, entwischt. Ein zweites Zusammentreffen mit Lincoln und dem Kanada Bill hat Tim am Arkansas. Als Tim im Posten Smoky Hill für Lincoln Ausrüstungsgegenstände holen will, entdeckt er, wie die Offiziere des Forts vom Kanada Bill, der sich gerade im Fort aufhält, im Kartenspiel betrogen werden. Nach harter Bestrafung des Gauners schwört dieser Rache und stiftet Indianer zum Überfall auf den Armeeposten an. Lincoln und Tim verhindern eine Katastrophe, aber der Kanada Bill entkommt aufs neue. Noch einmal trifft Tim, nun als bedeutender Westmann genannt der »Colorado-Mann«, mit Lincoln und dem Kanada Bill zusammen. Im wilden Coteau du Missouri sucht Lincoln, der inzwischen Anwalt geworden ist, einen raffinierten Verbrecher, während Tim Marys Vater sowie den Mulatten Guy Willmers besuchen will. Willmers, der mit Betty - Marys Schwester - verheiratet ist, hat es hier zum »Ölprinzen« gebracht, und da der von Lincoln gesuchte Betrüger eine Vorliebe für »Ölmänner« hat, bringt das Schicksal Lincoln und Tim ein drittesmal zusammen. Und auch der Kanada Bill sucht hier sein Glück. Nach einigen wilden Abenteuern und einem verheerenden Ölbrand wendet sich alles zum Guten; nur den Kanada Bill erreicht die gerechte Strafe nicht. Erst viel später ist er jämmerlich im Hospital verkommen.
Diese Version wurde von May 1895 in den Band ›Old Surehand II‹ aufgenommen (im 1. Abschnitt ›Bei Mutter Thick‹) und durch eine weitere Erzählung ergänzt, die auf der frühen Erzählung ›Vom Tode erstanden‹ beruhte (vgl. Anm. 9). Bekanntlich wurden die Einschalt-Erzählungen aus ›Old Surehand II‹ in GW Bd. 19, ›Kapitän Kaiman‹, zusammengefaßt. Hierin findet sich die Erzählung in der heutigen Form unter dem Titel ›Der Kanada Bill‹, eingeteilt in vier Abschnitte, mit nicht sehr großen stilistischen Änderungen gegenüber der ›Old Surehand II‹-Fassung, jedoch mit anderen wichtigen Änderungen.
3Alle Einzelheiten über den Kanada Bill sind entnommen aus: Jay Robert Nash, Bloodletters and Badmen. A Narrative Encyclopedia of American Criminals from the Pilgrims to the Present. New York 1973 (M. Evans and Co., Inc.)
4Das Motiv findet sich sowohl im ›Self-man‹ als auch in der ›Three carde monte‹-Fassung.
5Die Angaben zur Biographie Lincolns und die Redeauszüge sind dem Artikel »Lincoln, Abraham« in der Encyclopedia Americana und dem Buch ›Abraham Lincoln‹ von Walter Görlitz (Heidelberg 1948) entnommen.
6Hans Wollschläger, Karl May in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1965, 43; Neuauflage: Zürich 1976, 53
7Allerdings ist bemerkenswert, daß es wieder und wieder Motive wie der Ölbrand oder die verhinderte Liebe zwischen Tim und Mary sind, die eine Verarbeitung verlangen. So zeigt auch die Kanada-Bill-Erzählung deutlich, daß Mays Leben und Schaffen zu komplex und vielschichtig waren, als daß sie durch ein einziges Modell oder eine einzige Theorie erschöpfend erhellt werden könnten. Menschliche Begriffe und Modelle vermögen eben immer nur Teilaspekte zu erfassen.
8Die Creeks und Choctaws lebten ursprünglich vornehmlich in Georgia, Alabama und Tennessee. Kulturell eng verwandt mit ihnen waren die Cherokee und Chickasaw, die im selben Gebiet ansässig waren. Unter der Führung der Cherokee


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bildeten sie zu Anfang des 19. Jahrhunderts fortschrittliche Indianerstaaten mit eigener Verfassung und sogar einer eigenen Schrift. Zusammen mit den Seminolen, deren ursprüngliche Heimat Florida war und die sich ihnen nach ihrer Deportation nach Oklahoma anschlossen, wurden sie zu den »Fünf zivilisierten Stämmen«. Die Cherokee wurden von den USA 1819 sogar als gleichberechtigte Nation anerkannt. Aber da die zivilisierten Indianernationen den Weißen ein Dorn im Auge waren, wurden sie mit Gewalt gesprengt; die Stämme wurden bis etwa 1840 z. T. unter unglaublicher Brutalität nach Arkansas und Oklahoma deportiert. Bis zum Bürgerkrieg, der neues Elend brachte, schafften sie es, ihre Staaten neu zu formieren. Mit den alteingesessenen Indianern gab es natürlich Streit. Auch zwischen einzelnen Gruppen der verbündeten Stämme entflammten Kämpfe während des Bürgerkrieges, als sich die Stämme nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen konnten. Die Eigenstaatlichkeit wurde schließlich von der Regierung der USA aufgehoben.
9›Frohe Stunden‹, 2. Jahrgang, Nr. 38-41, 1878. Das Abenteuer führt den Leser in die wilde Zeit des kalifornischen Goldrausches. In der alten Mission »Santa Barbara« hatte sich allerlei Gesindel niedergelassen und den alten Pfarrer vertrieben. Nur ein Deutscher, das Factotum des Pfarrers, ist mit seiner Frau und seiner wunderhübschen Tochter Anitta geblieben, die eng mit dem jungen Deutschen Eduard befreundet ist. Allerdings begehrt der begüterte Doktor Haffley, der in Wahrheit ein gewissenloser Gauner ist, das Mädchen zur Frau und soll es auch bekommen, wenn Eduard nicht binnen sechs Monaten dreitausend Dollar zusammenbringt. Während Eduard auf den Minen sein Glück sucht, nimmt der Deutsche Gromann eine Stelle bei Haffley an, der den »Doktor« aus dem Osten kennt, wo er anscheinend eine Gaunerei verübt hat. Bei seiner Rückkehr wird Eduard das Opfer eines Anschlages durch Haffley, doch rettet ihn Gromann, der Haffley auch an die Polizei ausliefert, so daß dem Glück von Anitta und Eduard nichts mehr im Wege steht. In der ›Old Surehand II‹-Fassung heißt die Mission »Santa Lucia«, der Doktor heißt White und ist in Wahrheit der Kanada Bill, und der Anschlag auf Eduard wird nicht nur angedeutet, sondern in allen Einzelheiten geschildert. Eduard hatte das Glück, Old Shatterhand und Winnetou kennenzulernen, die ihm eine reiche Goldfundstelle zeigten, und Old Shatterhand rettet auch Eduard das Leben. Gromann ist in dieser Version ein Detektiv, der dem Doktor seit seiner Gaunerei im Osten auf der Spur ist. Gromann und Old Shatterhand überführen den Kanada Bill und retten so das Glück der beiden Liebenden.
10Friedrich Gerstäcker, Kreuz und Quer. Gesammelte Erzählungen. Jena: Costenoble o. J. (etwa 1875, Gesammelte Schriften, 2. Serie, 15. Band).
11Auf die Parallelen hat wohl als erster Pfarrer Josef Höck, Itter/Tirol, aufmerksam gemacht. Details der Übereinstimmungen wurden schon 1953 von Anton Haider, Innsbruck-Pettnau, angegeben. Einige wesentliche Übereinstimmungen sollen hier genannt werden: Gerstäcker schreibt über die Mission: »Es war ein mächtiges Gebäude, aus ungebrannten Backsteinen aufgebaut. Das Haus hatten nur eigentlich drei Menschen bewohnt: der Geistliche, dessen alte Haushälterin und eine Art Factotum des katholischen Pfarrers, ein Deutscher . . .« May spricht ebenfalls von einem mächtigen Gebäude, die Kirche sei aus ungebrannten Backsteinen aufgeführt. Die Mission sei in der letzten Zeit nur von drei Personen bewohnt worden. . .: einem alten Geistlichen, seiner noch älteren Haushälterin und einem Deutschen, welcher . . . das Factotum des Pfarrers war. Gerstäcker: »Unten in einem der Flügel errichtete ein Deutscher eine Brauerei, mauerte einen Kessel ein und fing an zu kochen. In der vorderen Flanke, zunächst der Kirche, setzte sich ein Amerikaner fest und etablierte eine Restauration, wobei er es bald zweckmäßiger fand, eines der alten, großen und öden Zimmer zu einem Tanzsalon umzuwandeln, in dem dann allwöchentlich ein paar Fandangos gehalten wurden.« May: Ein Franzose aus dem Elsaß errichtete unten in einem der Flügel eine Brauerei, mauerte einen riesigen Kessel ein und fing an, ein Getränk zu kochen, welches er die Verwegenheit hatte, Bier zu nennen. In der vorderen Flanke, gerade neben der Kirche, setzte sich ein


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Amerikaner fest und errichtete eine Restauration, wobei er es für außerordentlich zweckmäßig fand, einen Theil des Kirchenschiffes in einen Tanzsalon umzuwandeln, in dem allwöchentlich einige . . . Fandango's abgehalten werden konnten. Gerstäcker: »Eines aber büßten alle ein: das mitgebrachte Gold - denn eben nur mit Gold wurden in damaliger Zeit Arzneien aufgewogen, und ein tüchtiger Arzt hatte seine beste und erträglichste Mine in den Krankheiten seiner Patienten.« May: Eines aber büßte jeder Kranke sicher ein: das mitgebrachte Gold. In damaliger Zeit wurde die Arznei geradezu mit Gold aufgewogen, und ein tüchtiger Arzt hatte seine einträglichste Mine in den Krankheiten seiner Patienten.- Auch was May über das Verschwinden des Pfarrers, das Einziehen des Arztes und die kalifornischen Krankheiten schreibt, ist teilweise wörtlich aus Gerstäckers Beschreibung übernommen.
12Wie mir nach der Konzipierung des vorliegenden Aufsatzes zur Kenntnis kam, hat Anton Haider bereits 195 3 auf die Umwandlung Tim Kroners in einen »Flunkerer« aufmerksam gemacht und schon damals zu einer Änderung der Bearbeitung durch den Karl-May-Verlag geraten.
13Jb-KMG 1972/73, 11ff.
14Ges. Reiseerzählungen XV, 113


B i b l i o g r a p h i s c h e  N a c h b e m e r k u n g  d e r  R e d a k t i o n:


Seit kurz nach dem Ersten Weltkrieg die dreibändige Old-Surehand-Fassung aus dem Handel gezogen wurde, gab es bisher nur zwei Ausgaben, die die Rahmenerzählungs-Form beibehielten.

   1961 erschien in der Deutschen Buchgemeinschaft Berlin-Darmstadt-Wien als »einmalige Lizenzausgabe mit Genehmigung des Karl-May-Verlags, Bamberg« ein großformatiger, einbändiger ›Old Surehand‹. Diese Fassung, herausgegeben von Roland Schmid, enthält wieder die beiden Erzählungen ›Der Kanada Bill‹ und ›Das sprechende Leder‹, um »die ursprüngliche Einteilung wieder erkennbar« zu machen. Der Hinweis des Herausgebers im Vorwort: »Der Text stützt sich auf die Urausgabe«, ist freilich unzutreffend. Der Text folgt der Kapitän-Kaiman-Fassung, in der der »Colorado-Mann« nicht als Aufschneider, sondern als ernstzunehmender Westmann erscheint (Anton Haiders Rückbearbeitungs-Vorschlag - vgl. Anm. 12 - wurde also nicht angenommen) und in der Old Firehand den Kanada Bill besiegt; die Erzählung des »Literaten« über das Ende des Kanada Bill wurde zudem auf eine Inhaltsangabe von eineinhalb Seiten zusammengestrichen.

   1965 erschien im Bertelsmann-Lesering, Gütersloh (später über den Mosaik-Verlag, Hamburg, auch im Buchhandel), der ›Old Surehand‹ in der ursprünglichen dreibändigen Einteilung, »nach der 1895 erschienenen Erstausgabe neubearbeitet von Peter Korn« (d. i. Bertelsmann-Hausautor Roland Gööck). Die Handlungsfolge blieb unverändert mit allen Einschalt-Erzählungen, doch hat der Bearbeiter sehr weitgehende stilistische Eingriffe vorgenommen, so daß auch diese Ausgabe für Studienzwecke nur bedingt brauchbar ist. Der für die Forschung wichtige originalgetreue Nachdruck der ersten Buchausgabe steht also nach wie vor aus.




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