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CLAUS ROXIN


Erich Heinemann zum Gedenken († 26. Juli 2002)





Ich habe Erich Heinemann am 22. März 1969, dem Gründungstag der Karl-May-Gesellschaft (KMG), kennengelernt. Er selbst hat unsere erste Begegnung geschildert,1 und ich habe die »Zuneigung«, von der er dort spricht, von Anfang an erwidert. Erich Heinemann war in den ersten, für ihren weiteren Weg entscheidenden Jahren der KMG in allen organisatorischen und geschäftlichen Fragen unserer Gesellschaft neben Alfred Schneider mein engster Mitarbeiter. Selten ist eine Zusammenarbeit produktiver gewesen als die zwischen uns Dreien.

   Alfred Schneider, der eigentliche Gründer unserer KMG, war, als er sich zu diesem Wagnis entschloß, schon 63, Erich Heinemann gerade 40 Jahre alt. Die beiden ergänzten sich wunderbar. Alfred Schneider war trotz seiner vorgerückten Jahre dynamisch, begeisterungsfähig und unermüdlich, in schwächeren Stunden aber auch nervös, verzagt oder verstimmt. Dann war Erich Heinemann der ruhende Pol in unserem Triumvirat: unermüdlich wie Schneider, aber niemals aufgeregt, stets besonnen, ausgleichend und ein Meister im Ersinnen konstruktiver Lösungen. Welch ungeheure Arbeit er neben seiner Berufstätigkeit in den Aufbaujahren der KMG für unsere Gesellschaft geleistet hat, kann nur noch ich bezeugen, der ich in ständigem brieflichen und telefonischen Austausch mit ihm alle unsere Aktivitäten abgesprochen habe. Ohne ihn wäre die KMG nicht aufzubauen gewesen. Solange die KMG besteht, wird seine Arbeit in ihr fortwirken. Unsere Gesellschaft schuldet ihm dafür immerwährenden Dank.

   Meine Verbundenheit mit Erich Heinemann und die Freundschaft, die er sich bei vielen Mitarbeitern und Mitgliedern erworben hat, beruhen aber nicht nur auf seinen Leistungen, sondern ebenso auf der Anziehungskraft seiner Persönlichkeit. Er war ein eher zurückhaltender Mensch, und alles Laute und Auftrumpfende war ihm fremd. Wer aber näher mit ihm umging, verspürte bald, daß sich hinter der wortkargen Nüchternheit und gänzlich unprätentiösen Bescheidenheit seines Auftretens ein Mensch von sensibler seelischer Konstitution, ein Gemüt von lyrisch-melancholischer Grundstimmung, aber auch ein Herz verbarg, das voller Liebe war: der Liebe zu seiner Frau und Familie nicht nur, sondern auch zu seiner engeren Heimat, zu seinen Freunden und zur großen weiten Welt, die sich ihm durch Karl May und andere Abenteuerliteratur, aber auch durch die Berichte von Forschungsreisenden erschloß.

   Diese Liebesfähigkeit ist fruchtbar geworden und hat seinem Leben große Erfüllungen gebracht, weil er die verhältnismäßig seltene Fähigkeit


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besaß, sie in gestaltende Arbeit umzusetzen. Karl May hatte ihm vieles gegeben. Er aber hat sich nicht, wie die meisten May-Leser, mit nostalgischen Erinnerungen an seine Jugendlektüre begnügt, sondern er hat ihm durch den Aufbau einer Gesellschaft gedankt, die Mays Ansehen bewahrt und mehrt. Er hat sich vielen Menschen in der KMG freundschaftlich verbunden gefühlt und durch die Arbeit der KMG große Bereicherung erfahren. Aber er hat auch diese Erlebnisse nicht in seinem Herzen verschlossen, sondern er hat der KMG und ihren Mitarbeitern und Mitgliedern in zwei Büchern2 ein Denkmal gesetzt, das ihn und uns alle überdauern wird. In entsprechender Weise hat sich seine Liebe zu Hildesheim und zur niedersächsischen Landschaft in ungezählten heimatkundlichen Veröffentlichungen niedergeschlagen, hat er dem Hildesheimer Afrikareisenden Hornemann eigene Forschungen und würdigende Arbeiten gewidmet, hat er Abenteuerbücher für die Jugend geschrieben und bearbeitet und - last, not least - auch die May-Forschung durch wertvolle Arbeiten bereichert. Auch sein eigenes Leben der frühen Jahre hat er in mehreren Bänden von hohem zeitgeschichtlichen Wert geschildert. Noch bis in die letzten Tage seines Lebens hat er an seinen Memoiren gearbeitet und seine Kindheitsgeschichte auf mehreren hundert Seiten bis in die Dreißigerjahre hinein ausgebreitet; dabei ist ihm eine Darstellung von weit mehr als privater Bedeutung gelungen, die - auch wenn sie Fragment geblieben ist - einen Druck verdient hätte. Seine an Storm und Fontane geschulte Erzählbegabung, sein scharfer Blick für das Charakteristische von Personen und Situationen, sein leiser und gütiger Humor und sein feines Gefühl für Stimmungen haben ihn zu einem glänzenden Schilderer gemacht. Die Begeisterung unserer Mitglieder über seine beiden Chroniken legt davon Zeugnis ab.

   Nimmt man dies alles zusammen, wird man sagen müssen, daß Erich Heinemann, so anspruchslos er auftrat und so bürgerlich sein beruflicher Weg vom Lehrling bis zum Verwaltungsdirektor der AOK verlaufen ist, ein bedeutender Mensch war und daß ihm allen Schicksalsschlägen zum Trotz3 ein reiches und erfülltes Leben geschenkt worden ist. Er war, obwohl eine schwere Krankheit die letzten dreieinhalb Jahre seines Lebens überschattet hat, bis in seine späten Tage hinein produktiv - war auch bei der letzten Mitarbeitertagung der KMG im Frühjahr 2002 noch anwesend - und hielt bis zuletzt engste Verbindung mit seinen Freunden. Seine Frau, die vertrauteste und völlig unentbehrliche Gefährtin seines Lebens, hat mir erzählt, Erich habe noch am Vortage seines Todes bei mir angerufen und sich von mir verabschieden wollen, wie er es bei seinem Freunde Dömken getan hat. Aber die Kraft hat dann nicht mehr gereicht. Lieber Erich, Du warst einer meiner besten und treuesten Freunde und wirst in meiner und unser aller Erinnerung als ein vorbildlich lauterer Mensch und als großer (Mit-)Gründungsvater der KMG immer weiterleben!


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1Erich Heinemann: Eine Gesellschaft für Karl May. 25 Jahre literarische Forschung 1969-1994. Husum 1994, S. 29
2Neben der in Anm. 1 genannten Chronik ist im Jahre 2000 aus seiner Feder eine weitere selbständige Darstellung: Dreißig Jahre Karl-May-Gesellschaft. 1969-1999 im Husumer Hansa-Verlag erschienen.
3Carl-Heinz Dömken deutet in seinem Nachruf an, daß Erich Heinemann gewiß kein leichtes Leben gehabt hat; vgl. Carl-Heinz Dömken: Unser Freund Erich Heinemann starb am 26. Juli 2002. »... tschüss!«. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft 133/2002, S. 1ff.


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