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Und Friede auf Erden! oder Das Kreuz von Raffley Castle


Wie der blinde Münedschi im Jenseits-Buch weist auch der kranke Waller in Pax bzw. Friede (1901/04) über die - spezifisch May-relevante - biographische Leseebene hinaus ins Allgemein-Menschliche, ins verbindlich Religiöse und jetzt auch - stärker als im Jenseits-Band - ins gesellschaftlich, ins politisch Brisante.1

   Wallers 'Sünden' sind die "der Gesamtheit"; seine Katastrophe "wird auch für Andere nicht ausbleiben" und der "Weg seiner Gesundung ist ganz genau derselbe, den auch die Gesamtheit zu gehen hat, wenn sie gesunden will vom größten aller Leiden." (S. 435f.)2

   Das größte aller Leiden ist in der Sicht des Friede-Romans der Egoismus. Und der Weg zur Gesundung ist der Weg zur Liebe: zur universalen Versöhnung, die alle Kreatur miteinbezieht.

   Die 'Philosophie' des Romans ist ein komplexes Gewebe. Wenn dieses Gewebe entflochten wird in verschiedene 'Botschaften', so muß natürlich bedacht werden: alle Botschaften gehören zusammen, durchdringen einander und interpretieren sich wechselseitig.



2.1

Religionen und Konfessionen


Und Friede auf Erden! ist ein religionspsychologisches Buch von unverbrauchter Bedeutung. Das Thema ist die Religion, die Betrachtungsweise ist psychologisch. Daß Mays Entlarvung des 'Hyperglaubens' der Religionskritik Freuds und seiner Schüler in mancher Hinsicht entspricht, wurde in der Sekundärliteratur erkannt und gewürdigt.3 Doch Mays Kritik unterscheidet sich vom Denkansatz Freuds in wichtigen Punkten. Denn der 'Psychologe' May ist ein Glaubender, ein 'homo religiosus' par excellence!

   Wer dies ignoriert, wird May nicht gerecht. Wir müssen bedenken: Eine 'Krankheit' ist im Verständnis dieses Autors nie die Religion selbst;4 wahnhaft und tödlich ist nur die Karikatur, die Fehlform der Religion. Und die Heilung, den Frieden bringt stets nur die wahre Frömmigkeit: als Liebe des Menschen zu Gott, zur Schöpfung und zu sich selbst.

   Wahnhaft und lieblos ist für May die aggressive, alles 'Fremde', alles 'Andere' ausgrenzende Rechthaberei. Wallers Blickverengung ist die der Ideologen: "Ich begreife nicht, wie ein Mensch einen anderen Glauben haben kann als den meinigen, welcher doch der einzig richtige, der einzig wahre ist." (S. 17) Alle Welt, so der Missionar, solle hören, "daß es kein anderes Heil als das unsere gibt" (ebd.)!

   Im Jenseits-Buch wurde die Spaltung der Christen in Konfessionen, in gegenseitig sich ausschließende Kirchen, gerügt und die "Einigung" beschworen: "Es wird dann nur ein Hirte und eine Herde sein! Aber wann? Sollen wir die Hände wartend in den Schoß legen und Gott allein walten lassen? Können wir denn nichts, gar nichts thun, diese Einigung herbeizuführen?!"5 Und Friede auf Erden! greift diesen Gedanken wieder auf: "Was macht zum Himmelreich denn schon die Erde? Ein einz'ger Hirt und eine einz'ge Herde!" (S.473)

   May deutet jetzt an, wie diese "Einigung" aussehen könnte: kein Uniformismus, keine zentralistische Einheitskirche, sondern ein 'Pluralismus' der Ausdrucksformen, der Ge-


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betsweisen, der Auslegung der Bibel (S. 175) und - so dürfen wir ergänzen - der theologischen Fonnulierungen: "Diese Verschiedenheiten" so der Chinese Fu, "müssen vorhanden sein, weil die Menschen verschieden sind." (S. 34)

   Also Einheit in der Vielfalt, "Entdeckung der Einen Wahrheit in vielen unterschiedlichen Aussageformen",6 versöhnte Verschiedenheit in der Treue zum 'eine Hirten': zu Christus! Ein modernes und zukunftsweisendes Ökumenekonzept,7 wie es später von Heinrich Fries u.a. systematisch entwickelt wurde,8 ist hier - in Friede - im Ansatz schon impliziert.

   Mays Vorstellung von der 'einen Herde' bleibt vage, gewiß. Die Entfremdung der Konfessionen und theologischen Denkrichtungen hat geschichtliche Hintergründe, die in Friede nicht analysiert werden. Um weiterzukommen, um den 'status quo' zu überwinden, bedarf es einer Psychologie des Verstehens, aber auch einer Anstrengung der Theologie: des Studiums vieler Detailfragen.9 Die Sache der Dichter und Träumer wird das nicht sein. Aber die Einigung würde gar nicht gesucht werden, wenn die Träumer und Visionäre nicht wären: Menschen (wie May), die eine Sehnsucht bewegt, die sich mit der Spaltung nicht abfinden, die Unruhe stiften und das 'erkenntnisleitende Interesse' an der Einheit der Christen erst wecken.

   Der erste Ökumeniker war May natürlich nicht. Der 'Irenismus', das Verlassen der engen Standpunkte, das Relativieren dogmatischer Positionen geht auf Erasmus und Leibniz, auf Herder, Lessing und andere Denker zurück. Aber die 'ökumenische Bewegung' war zu Mays Zeiten noch ein winziges Pflänzchen;10 insofern war May auch in dieser Hinsicht seiner Zeit voraus, gehörte er zu den 'Vätern' des ökumenischen Denkens.

   Die europäische Ökumene hatte meist nur die christlichen Konfessionen im Blick. Mays Roman aber geht weiter: Das Abendland, der "selbstsüchtige" Westen, soll mit dem Orient und das Christentum mit den östlichen Religionen versöhnt werden. Es geht Karl May um den Frieden der Völker, den Verzicht auf Gewalt (auf Waffengewalt in der politischen, auf geistige Gewalt in der weltanschaulichen Dimension) und in diesem Zusammenhang um den Ausschließlichkeitsanspruch des Christentums, um die Beziehung des Christentums zu den anderen Religionen.

   Wallers Verrücktheit gipfelt in der Idee, die heidnischen Tempel vernichten zu müssen. Er legt Feuer ans malaiische Gotteshaus! Und der Heidenpriester - verzeiht. Dem Fanatismus der Missionare, der "Aggressivität" (S. 140) des Islams und des Christentums [sic!] setzen Mary und Yin, der Philanthrop Professor Garden, die Chinesen Fu, Tsi und Fang, der malaiische Oberpriester, der englische Pfarrer Heartman u.a. - die 'Brüderlichkeit', die Güte, die Liebe entgegen.

   Sejid Omar zu Charley, dem Ich-Erzähler: "die Rassen und Religionen sind verschieden, die Menschenherzen aber sind alle eins und einig." (S. 504) Eine naive Schwärmerei, mit 'Indifferentismus', mit Gleichgültigkeit gegen dogmatische 'Wahrheiten' verbunden? Solche Polemik (von Rentschka u. a. vorgetragen11) erinnert an Waller und verfehlt die 'Leidenschaft', das pastorale Anliegen des Romans: May erhofft das irdische Glück und das ewige HEIL, "auf daß kein Mensch, kein einziger, verloren gehe." (S. 324)

   So groß ist des Dichters Menschenliebe, daß sie "die Seligkeit für Jedermann" (S. 473) erwarten muß. May hofft und setzt es voraus: ALLE Menschen können gerettet werden. Diese Überzeugung war für die christlichen Zeitgenossen alles andere als selbstverständlich. Im Bewußtsein nicht weniger Christen herrschte lange - und herrscht zum Teil ja noch heute - die Meinung, nur Getaufte könnten das Heil erlangen!12


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   Werden die Heiden 'verdammt'? Die Bibel läßt auf diese Frage unterschiedliche Antworten zu, und die Lehren der Kirchen waren in diesem Punkt eher verwirrend.13 Augustinus zum Beispiel lehrte die ewige Verwerfung der 'massa damnata'; das Konzil von Florenz (1442) bekräftigte die auf Cyptian zurückgehende These 'Außerhalb der Kirche kein Heil'; Calvin und auch andere Reformatoren glaubten an die Vorherbestimmung ('Prädestination') sehr vieler zur Hölle! Bis zu den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Heilsmöglichkeit auch außerhalb der Kirche14 war es ein weiter Weg.

   Die Frage, WIE - angesichts der Erlösung durch Christus, die May ja voraussetzt - der Heilswille Gottes auch 'extra ecclesiam' zum Ziel kommen könne, hat, wie Karl Rahner bemerkt, bis heute "noch keine ausgebildete und einhellige Antwort gefunden"!15 Von Rahners Theorie eines "anonymen Christentums" (die die traditionelle Kirchenlehre verbaliter festhält, zugleich aber uminterpretiert)16 bis zu Hans Küngs "gemeinsamer Suche" aller Religionen nach der Wahrheit17 gibt es innerhalb der neueren Theologie eine breite Palette möglicher Ansichten.

   Vor diesem Hintergrund ist es nicht so verwunderlich, wenn sich auch in Mays Roman verschiedene, nicht auf den ersten Blick miteinander zu vereinbarende Denkansätze zur Lösung des einen Problems (der Heilsmöglichkeit extra ecclesiam) finden. Das spricht nicht gegen May und sein Denkvermögen. Das zeigt nur an, wie schwierig und heikel für einen bekennenden Christen die Problenilage ist.

   In Friede und auch schon früher, in Deutsche Herzen z.B.,18 wird gelegentlich - aber nicht konsequent - die Auffassung vertreten, der christliche, der islamische und der buddhistische Glaube (und überhaupt alle Religionen) meinten in der "Summe", im Resultat "genau dasselbe":19 "Liebe Gott, und liebe deinen Nächsten!" (S. 33)

   Waller kommt diese Ansicht "ungemein verdächtig vor"! Doch immerhin: "Man hat darüber nachzudenken!" (S. 35) Charley und der Chinese Fu bestehen darauf. Aus den Wogen des Nils steigt "ganz dieselbe Offenbarung wie aus den Fluten des Tigris" (S. 9), und der Tempel führt zum selben Ziel wie die Kirche (S. 36). Die Religionen sollten voneinander LERNEN; der Malaienpriester sagt: "Ja, wir halten es sogar für unsere Pflicht, der Wahrheit, welche andere Religionen lehren, auch unsere Tür zu öffnen, um uns an ihr zu unterrichten." (S. 322)

   Die Chinesin Yin, die Verkörperung der Liebe und des weiblichen Prinzips, liest europäische Bücher und lernt von westlichen Diplomaten. "Was bei einem Manne die ganz gewisse Folge gewesen wäre, nämlich ein innerlicher Zwist zwischen der heimischen und der fremden Anschauung, das wurde bei Yin zum freundlichen Streben beider, in ihr zu einer vollen, friedlich klaren Harmonie zusammenzuklingen." (S. 460) Der Osten öffnet sich, in Yin, den westlichen Einflüssen. Aber auch umgekehrt muß gelten: die abendländische Kultur bzw. die christliche Religion dürfen sich nicht weiterhin als die "alleinigen Spender" und die farbigen Völker als "die alleinigen Almosenempfänger" betrachten (Dr. Fang, S. 178)!

   So denken heute namhafte Publizisten wie z.B. Hans Küng und seine chinesische Mit-Autorin Julia Ching.20 Aber so dachten im neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhundert die wenigsten Europäer!

   Karl May war ein Außenseiter. Doch geistige 'Ahnen' hatte natürlich auch er. Seine Bildsymbolik ist originär, aber nicht seine 'Lehre'. Im Humanismus, in der Aufklärung, bei Herder und Lessing, bei Voltaire (an dessen Polemik gegen dogmatische Intoleranz auch manche Passagen des Friede-Romans erinnern) und in der liberalen protestantischen


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Theologie des 19. Jahrhunderts21 sind ähnliche Ideen zu finden. May hat diese - freilich nicht populären - Strömungen teilweise gekannt und war von ihnen beeinflußt.22

   Die Offenheit für alle Weltreligionen wird auch heutige Christen, sofern sie kirchlich gebunden sind, wohl eher befremden. Aber heute könnte sich May auf zahlreiche (kritische und nonkonformistische) Theologen berufen. So würdigt z.B. der katholische Religionsphilosoph Bernhard Wette die "groß-ökumenische Bedeutung" der christlichen Mystiker, deren Gotteserfahrung er in größter Nähe zu den außerchristlichen, speziell den femöstlichen Religionen sieht.23

   Küng stellt, noch etliche Jahre vor Christentum und Chinesische Religion (1988), in seinem Buch Christ sein (1974) zwar kritische Fragen an die Weltreligionen; doch fragt und räsoniert er dann weiter:


Waren Buddha, Kung-futse, Lao-tse, Zarathustra, Mohammed nicht doch von denselben letzten großen Fragen und Hoffnungen umgetrieben [...]? Ja, suchen die Hindus im Brahma [...], die Chinesen im Tao und die Moslems in Allah vielleicht doch [...] die eine und selbe allerletzte Wirklichkeit? Selbstverständlich hat dabei jede Religion ihren eigenen Charakter und ihren eigenen - von den Christen oft gar nicht zur Kenntnis genommenen - Reichtum.24


   Noch weiter geht Eugen Drewermann. Er vergleicht die Bibel mit den Märchen und Träumen der Menschheit, aber auch mit den Mythen der nichtchristlichen Religionen: Die Auslegung der Bibel bedarf der Tiefenpsychologie, um - so Drewermann in einem seiner bekanntesten Bücher -


die traumnahen und daher überzeitlichen Überlieferungen der Bibel zu erfassen. Es sind Erfahrungen in der bildhaften Sprache der Seele, die die Menschen aller Zeiten und Zonen bewegt haben und uns heute noch in unseren Träumen zugänglich sind. Wenn diese Sprache entschlüsselt wird, merken wir erst, daß die biblischen Aussagen unsere ureigenste Sache sind und ursprüngliches Leben in uns wachrufen können.25


   Der Bildsprache der Seele entspringen, in verschiedener Weise natürlich, Märchen und Träume, Sagen und Mythen, die heiligen Bücher der Weltreligionen und - die Erzählungen Karl Mays!26

   In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß der berühmte Befreiungs-Theologe Leonardo Boff den 'Synkretismus',27 das 'Zusammenwachsen' der Religionen durch Dialog und Wechsel-Beeinflussung, gegen das herrschende Ökumeneverständnis (das den Synkretismus als größte Gefahr verteufelt) in Schutz nimmt. Im "Plädoyer für den Synkretismus" sieht Boff den "Aufbruch zur Katholizität des Katholizismus";28 denn das Christentum selbst sei - ein "grandioser Synkretismus"!29

   Im Anschluß an den Friede-Band Karl Mays (dem er zustimmt) und mit Bezug auf das Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns (von dem er sich distanziert) hat der Religionswissenschaftler und evangelische Theologe Paul Schwarzenau die "letztlich selbstmörderische Problematik unseres christlichen Exklusivitätsdenkens"30 kritisiert. Ähnlich wie Boff stellt Schwarzenau fest:


Hinter der Vermutung, daß uns aus den Weltreligionen doch eine Erweiterung der Gotteserkenntnis zuwachsen könnte, erhebt sich als eine [...] typische Reaktion die Angst vor dem sogenannten Synkretismus, der Religionsmengerei, wie man übersetzt. Nebenbei bemerkt, gab und gibt es keine wirkliche Religion ohne den Zusatz von synkretistischen Elementen. Die Religionsreiniger aller Zeiten sind meist nur auf einen von ihnen undurchschauten Synkretismus hereingefallen.31


   Wenn Küng und Drewermann, wenn Boff und Schwarzenau recht hätten - der Friede-Roman, der das "Heidnische im Christentume" und das "Christliche im Heidentume" zur Sprache bringt (S. 385), wäre glänzend gerechtfertigt. Wie auch immer, die Herausforde-


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rung des christlichen Glaubens durch andere Religionen hat May jedenfalls erkannt. Schon das ist verdienstvoll.

   In seinem Buch Der größere Gott fragt Schwarzenau weiterführend:


Muß aus einem lembereiten Hinhören auf die Botschaft anderer Religionen ein Synkretismus entstehen, der mit dem IDENTITÄTSVERLUST unserer eigenen Überlieferung einhergeht? [...] So wie ein Mensch, der Begegnungen standhält, zu seiner größeren Tiefe, zu seinen noch ungehobenen Möglichkeiten herausgerufen wird, so dürfte auch unserem Glauben [...] aus dem wirklichen Dialog mit den Weltreligionen ein noch unvorherschbares Wachstum aus ungehobener Tiefe, die in Christus gründet, bevorstehen.32


   Genauso dachte auch May. Einen 'schlechten' Synkretismus, eine - von Küng verworfene - "Cocktailreligion"33 hat er keineswegs vertreten. Christliche Identität und größtmögliche Offenheit für die kulturellen, ethischen und religiösen Werte auch der Nichtchristen schließen sich - für Küng wie für Schwarzenau und für May - eben nicht aus.

   An mehreren Stellen des Friede-Buchs werden die Religionen als 'gleich' angesehen. Daneben kommt nun allerdings - für die schon angedeutete Problemlage bezeichnend - noch eine andere, vertrautere und sozusagen orthodoxere Sicht des Verhältnisses von Christentum und Religionen zu Wort: Mary, das anglo-amerikanische Pendant zu Yin, hält die nichtchristliche Gottesverehrung "für das ganz natürliche und noch unbewußte Lallen der Menschheit in ihrem frühesten Kindesalter." (S. 57) Hier werden die anderen Religionen lediglich als Vorstufe zum Christentum gewertet, was der traditionellen, bei Thomas von Aquin ausgebildeten Unterscheidung von 'natürlichem' Denken und 'übernatürlicher' Offenbarung,34 aber auch der Auffassung mancher evangelischer Theologen35 sehr nahe kommt.

   Mays Spätwerk ist offen für nichtchristliche Religionen, für ihre Schätze und Reichtümer. Das Ja zum "herrlichen, [...] ewig unvergleichlichen Christentum" (S. 591) stehtjedoch außer Frage. Zwar liegt auch "dem heidnischen Götterdienste eine von der Erde einporhebende Idee zu Grunde" (S. 54), und kein "widersprechendes, verwerfendes oder gar verdammendes Wort" soll Andersgläubige kränken (S. 517); doch die LETZTE Antwort auf die Frage des Menschen nach Sinn und nach Heil - und mit diesem Bekenntnis schließt der Roman in der Friede-Version - ist das Kreuz Jesu Christi, das Leben und Sterben des Gottessohns.

   "Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit Alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben!" (S. 322) Dieses Schriftwort - Joh 3, 16 - hat der Malaienpriester, neben "andern heiligen Sprüchen", in seinem Tempel anbringen lassen: mit großen goldenen Lettern. Und was aus dem niedergebrannten Tempel zuletzt noch geborgen wird, ist das Neue Testament.

   Man könnte fragen, ob May die nichtchristlichen Religionen, wenn er sie mit dem Christentum so unbekümmert gleichsetzt (S. 32), wirklich gekannt und gründlich studiert hat. Man könnte fragen, ob seine Araber, seine Chinesen und Malaien überhaupt 'richtige' Moslems und 'richtige' Konfuzianer sind und nicht eher - wie früher schon Winnetou oder Hadschi Halef - 'anonyme Christen' im Sinne Karl Rahners: auf die Christusoffenbarung hin angelegte, diese Offenbarung (zunehmend bewußter) ersehnende Menschen!36

   Alfred Paffenholz hat recht: Bei aller Wertschätzung der anderen Religionen bleibt May "das Christentum doch näher. Es ist seine geistige Heimat. Aus anderen Religionen hat er sich alles das anverwandelt, was ihm sinnvoll, plausibel und nutzbar erschien.37 Das war nicht wenig, wie sein Oeuvre ausweist"; doch die "Hoffnungs- und Heilsgeschichte wird von Karl May letztlich doch immer christozentrisch gesehen."38


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   In Sejjid Omar setzt sich das Christentum durch. Seinen Koran gibt er nicht preis, aber Jesus steht ihm höher als Mohammed (S. 592). Auch den sonstigen 'Heiden' ergeht es nicht anders: Der christliche Pfarrer Heartman - auf Raffley-Castle - sieht zwar in jeder Religion die "Verwandtschaft mit seiner eigenen"; indes: je länger die Andersgläubigen mit ihm sprechen, desto mehr sehen sie ein, "daß Christus das wirklich war, als was er sich bezeichnete, nämlich der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wir glauben hier alle an ihn!" (S. 517)39

   Die Moslems, die Buddhisten usw. können Christen werden, wenn man ihnen ihre "Eigenart" läßt, wenn man sie nicht zwingt, "Europäer" zu werden (S. 175). Sie würden, so Dr. Tsi, "sehr leicht für den einzig wahren Glauben zu gewinnen sein, wenn dieser nicht in abendländisch enge [...] Formen gekleidet wäre." (S. 418)

   May ist eben doch - wie in früheren Erzählungen - ein 'Missionar'! Aber jetzt wird deutlich herausgestellt: Religiöse Überheblichkeit im Dienste der Unterdrücker (Pizarro und Cortez werden genannt) schlägt dem wahren Christentum ins Gesicht. In Jenseits hieß es: Die gelebte Gottes- und Menschenliebe ist "die einzig richtige Vorbereitung des Bodens zu der Saat, die dann allerdings durch die Predigt in Worten zu geschehen hat."40 In Friede wird dieser Ansatz weiterentwickelt!

   Der kranke Waller erklärt ganz offen und dreist:


"Man wirft uns Amerikanern in neuerer Zeit den Cäsarismus vor. Nun wohl, wir bekennen uns zu ihm. Und wie auf äußerem Gebiete, so wollen wir auch auf dem Gebiete des Glaubens Herrscher sein! Schau in die Weltgeschichte der neuen Zeit! Überall, wo eine Eroberung gemacht worden ist, sind ihr die Boten des Christentums vorangegangen." (S. 41)


   Dr. Fang hält diesem Zynismus - ähnlich wie heute der Franziskaner und Missionsexperle Walbert Bühlmann41 - entgegen: DIESE Art von Mission hat keinen Erfolg. Cäsaristische Christen verkennen, daß sie "bei uns so viel wie nichts gewirkt haben, weil der Chinese die Behauptung, das Christentum sei die einzig seligmachende Religion, als eine krasse Unhöflichkeit, als persönliche Beleidigung auffaßt." (S. 174f.)

   Und wie lesen wir bei Küng? Die "Inkulturation" der christlichen Botschaft wird einer Weltkirche mißlingen - wenn sie als "Imperium Romanum" erscheint und nicht als "katholisches Commonwealth"!42

   Wer die geschichtlichen Hintergründe der katholischen und protestantischen China-Mission näher kennt, wird Mays Friede um so höher schätzen. Küng verweist auf Papst Clemens XI.: Dieser hat, 1704, den chinesischen Katholiken unter Androhung der Exkommunikation ihre Ritenpraxis, den Gebrauch der chinesischen Gottesnamen sowie die Verehrung der Ahnen und des Konfuzius untersagt. Das hieß "im Klartext: Wer Christ bleiben oder werden wollte, mußte aufhören, ein Chinese zu sein."43

   Der Kirchenhistoriker Ludwig v. Pastor, sonst eher papstfreundlich, hat es beklagt: "Den chinesischen Christen wurden Dinge verboten, die nach ihrer Auffassung als Forderung von Anstand und guter Lebensart galten"!44



2.2

Zwei Grundweisen des Religiösen


Gewinnen kann - nach May - nur die Toleranz, das tiefere Verstehen, das 'wahre Christentum', dessen Voraussetzung die "Shen" ist: die Menschlichkeit. May preist die 'ewig gütige', die 'barmherzige und duldsame' Shen, die "mit dem ersten der Menschen vom Himmel niederkam und mit dem letzten wieder zu ihm aufwärts gehen wird." (S. 313)


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   Die Shen ist ein Mythos und zugleich - auf der "freimaurerisch angehauchten"45 Handlungsebene des Romans - "die Menschheitsverbrüderung, der große Bund aller Derer, die sich verpflichtet haben, nie anders als stets nur human zu handeln." (S. 324)46 Wer sich gegen die Shen versündigt, kann den Heiden nie "zum Christen machen"! (S. 589)

   Zentrales Motiv des letzten Roman-Kapitels ist das Kreuz Jesu Christi: "In hoc signo vinces - in diesem Zeichen wirst du siegen." (S. 560) Aber nicht mit 'Petri Schwert', nicht - wie es Konstantin versucht hat47 - mit Waffengewalt, "sondern durch das Wort der Liebe und durch die friedliche, versöhnende, ausgleichende Tat des Erlösers" (ebd.)! In China - und nicht nur dort - kann nur so Kirche werden: "Laßt uns vor allen Dingen Menschen sein, damit wir Christen werden können." (S. 591)

   Karl May reduziere, so wird oft behauptet, das Christentum auf bloße Moral, auf irdische Wohlfahrt. Diese Deutung ist, wie die genauere Analyse des Alterswerks erweist, nicht haltbar. May hat, mit Friedrich Schleiertnacher gesprochen, "Sinn und Geschmack für das Unendliche"!48 Er hofft, wie das frühere Schrifttum gezeigt hat und wie es Friede bestätigt, auf die Ewigkeit des Lebens in Gott. Das flammende Kreuz von Raffley-Castle weist - vertikal - nach oben zu Gott. Und es weist - horizontal - zu den Menschen, zur leidenden Kreatur. So: im Sterben des Gott-Menschen (S. 592), im Zusammenspiel der göttlichen Liebe mit der menschlichen Hingabe "entstand das Kreuz"! Und wo Menschen beginnen, an Gott, den wirklichen Gott der Liebe zu glauben und - in der Konsequenz dieses Glaubens - "sich der hilfsbedürftigen Brüder anzunehmen, da steht das Tor zum Himmelreiche offen, von welchem alle unsere Weisen sprachen, bis Christus kam, um diese Worte in Taten zu verwandeln." (S. 516)

   Welches Christentum ist 'wahr' und befreiend? Mays Antwort ist stets: die Liebe, die nimmermehr aufhört (vgl. 1 Kor 13, 8)! Und der Anti-Christ, der Wider-Geist, wird immer so schreien: "Verflucht sei dieses Gequieke [...] von Liebe, von Liebe, von Liebe! [...] Ich stürze mich in den Abgrund [...] Dann mögt Ihr Euch lieben, so lange Ihr wollt, meinetwegen in Ewigkeit; ich aber habe dann meine Ruhe!" (S. 645)

   Wallers 'alter' Geist, sein religiöser Hochmut, sein Narzißmus, sein pharisäischer Stolz, sein Wille zur Macht, das alles muß "in den Abgrund", damit das 'neue Leben' sich durchsetzen kann. Auch dieser Aspekt ist nicht nur autobiographisch und nicht nur individual-psychologisch zu deuten!

   Mays 'Herzenschristentum': seine Höherschätzung der 'Menschlichkeit' vor pedantischer Rechtgläubigkeit ist biblisch fundiert. Diese menschliche Art des Christentums entspricht der Mitte der Verkündigung Jesu: "Bleibt in meiner Liebe! [...] Dies ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe!" (Joh 15, 9ff.)

   Mays Verständnis des Christentums hat auch sonst eine große theologische Tradition. Es hat z.B. eine Parallele in Herders Humanitätsgedanken49 und in der undoktrinären, romantisch-humanistischen 'Gefühlsreligion'50 Friedrich Schleiermachers (1768-1834): "um Religion zu haben, muß der Mensch erst die Menschheit gefunden haben, und er findet sie nur in Liebe und durch Liebe."51

   Was hat diese Einstellung Mays oder Schleiermachers mit der Religions-Psychologie zu tun? Mays Thema ist nicht nur die Versöhnung des Christentums mit den anderen Religionen, sondern - fundamentaler - die Überwindung der 'Scheinreligion' (mag sie katholisch oder protestantisch, islarnisch oder buddhistisch geprägt sein) durch das 'echte Christentum'! Mays eigentliches Interesse gilt dem Gegensatz von bloßem 'Ritualismus' und wirklicher 'Herzensreligion' oder, pointierter gesagt, von 'Gewaltreligion' und 'Liebesreligion'. Sein Roman ist ein religionspsychologisches Buch, weil - in Waller und Mary


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zum Beispiel - zwei psychologisch verschiedene TYPEN von Religion miteinander konfrontiert werden: die pharisäisch-autoritäre und die, an Jesus orientierte, menschlich-befreiende Weise des Religiösen.

   Bis zur Heilung ist Wallers Religion nicht 'verinnerlicht', sondern nur 'aufgesetzt', nur "von den Eltern [...] vererbt" (S. 142)! Vergleichbar mit den 'Pharisäern und Schriftgelehrten' verkörpert der Missionar ein erdrückendes, verurteilendes, Angst machendes, zur Gewalt neigendes 'Eltern-Ich'.52 Er repräsentiert einen "Typ von Religion, dessen Unmenschlichkeit mit Händen zu greifen ist"!53

   Es macht betroffen und bestätigt die Intention des Friede-Buchs, wenn Eugen Drewermann - in Tiefenpsychologie und Exegese - schreibt, es sei gerade diese ummenschliche Form der Religion,


die sich der weitesten [...] Verbreitung erfreut; sie in sich selbst und in ihren scheinbar frömmsten Anhängern zu bekämpfen, stellt offenbar eine Aufgabe dar, die sich zu allen Zeiten gleichermaßen ergibt, - jedenfalls, wenn man in der Gestalt Jesu gerade eine entgegengesetzte Form von Glauben als verpflichtendes Vorbild verkörpert sieht.54


   Solche 'Jesuanischen' Vorbilder sind, in Friede, vor allem Yin, der Malaienpriester und Pfarrer Heartman: Sie stehen für jenen anderen Typus von Religion, der die Pharisäer zurückweist und die Sünder in Schutz nimmt, der alle liebt und jedem hilft, sich selbst zu bejahen: als etwas "ewig Bedeutungsvolles, als etwas ewig Geliebtes" (Paul Tillich).55

   Die strenge, männlich-harte Pharisäerreligion ist eine 'Krankheit'! Den Weg aber, der zur Heilung Wallers und zur "Jesus-Religion" (Drewermann), zur "menschenfreundlichen Denkart Christi" (Herder)56 führt, können wir "mit Recht 'Erlösung' nennen und den Schritt dahin als 'Bekehrung' bezeichnen."57

   Die Bekehrung zum 'Himmelreich' wird in den Gleichnissen Jesu von der kostbaren Perle und vom Schatz im Acker (Mt 13, 44ff.) als unermeßliche Freude verstanden, die das bisherige Leben von Grund auf verändert. In seinem etwa gleichzeitig mit dem Friede-Roman Karl Mays entstandenen Hauptwerk Die Vielfalt religiöser Erfahrung sieht William James (1842-1910), ein Mitbegründer der modernen Religionspsychologie, die "Glücksekstase" als bezeichnend für das Bekehrungserlebnis an.58 Die Lebensgeschichte der großen Bekehrten (Augustinus', Pascals und vieler anderer) bestätigt James' Theorie: Ihre Konversion war mit einer - freilich nicht anhaltenden, noch immer zu erlösenden -'Ekstase' verbunden!

   Bei Waller, John Raffley und dem Governor ist es nicht anders: Ihre 'Umkehr', ihre Heilung wird von einem grenzenlosen Glücksgefühl begleitet; sie sind 'außer sich', ihr Leben wird vollständig neu (S. 558)!

   Wodurch wird Wallers Glücksekstase bewirkt? Durch den Zusammenbruch seiner alten Doktrin, durch die Umkehrung seines bisherigen Wertesystems (das der Pharisäerreligion entsprach), besonders aber durch Charleys Gedicht, das diesem - mit mehreren Unterbrechungen - 'eingegeben' wurde und unter merkwürdigen, fast magisch anmutenden Umständen in Marys und damit in Wallers Hände gelangte.

   Dies ist der Wortlaut des Lehrgedichts (S. 57, 133 u. 219):59

Tragt Euer Evangelium hinaus,
Doch ohne Kampf sei es der Welt beschieden,
Und seht Ihr irgendwo ein Gotteshaus,
So stehe es für Euch im Völkerfrieden.
Gebt, was Ihr bringt, doch bringt nur Liebe mit,
Das Andre alles sei daheim geblieben.
Grad weil sie einst für Euch den Tod erlitt,
Will sie durch Euch nun ewig weiter lieben.


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Tragt Euer Evangelium hinaus,
Indem Ihrs lebt und lehrt an jedem Orte,
Und alle Welt sei Euer Gotteshaus,
In welchem Ihr erklingt als Engelsworte.
Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein;
Laßt ihren Puls durch alle Länder fließen;
Dann wird die Erde Christi Kirche sein
Und wieder eins von Gottes Paradiesen!


Zunächst hat Waller diese Verse gehaßt und verachtet. Dann aber, unter dem Einfluß Marys und ihrer verstorbenen Mutter, lernt er sie schätzen. Ob diese Zeilen "als Gedicht", in ästhetischer Hinsicht, sehr wertvoll sind, weiß er zwar nicht; doch der Inhalt ist von größter Bedeutung für ihn, und "im Ausdruck liegt Etwas", dem er "nicht widerstehen kann" (S. 60).

   Nach und nach, in einem langen Prozeß, Zeile für Zeile rezipierend, läßt er die Strophen - im Schlafe - hinuntersinken: in die Herz-Mitte der Existenz, bis zur Verwandlung in den 'neuen Taucher', der die kostbarsten Perlen aus der 'Tiefe' hervorbringt (vgl. S.555).

   Waller ist umgekehrt zur Jesus-Religion, zur gekreuzigten Liebe, die "Barmherzigkeit will und nicht Opfer" (Mt 12, 7). Er ist umgekehrt zur wahren Religion, die ihm - und der Menschheit - den Frieden bringt und die von Ängsten und Zwängen befreit. Er hat das wahre Christentum gefunden, das keine totalitären, keine terroristischen, sondern menschliche Züge trägt und das allen das Leben, das Leben in Fülle (Joh 10, 10) verheißt.



2.3

Die Auferstehung der Toten


Leben wäre nicht Leben 'in Fülle', wenn es im Tode vernichtet würde. Zur Shen, zur Menschlichkeit, gehört die Hoffnung über den Tod hinaus. Die Frage, die - bewußt oder verdrängt - wohl alle bewegt, ist die Frage nach dem Sinn ihres Lebens. Diese Frage aber ist nicht zu trennen von der Frage nach dem Sinn unseres Todes.

   Alles menschliche Handeln setzt einen Sinn und damit Zukunft voraus. Deshalb haben Platon und Cicero die Philosophie als ein Nachdenken über den Tod bezeichnet,60 und deshalb ist in allen Religionen, seitdem es Menschen gibt, auch der Tod ein wichtiges Thema. Dem Todesproblem kann das Denken nicht ausweichen; andernfalls wäre das ein Zeichen seiner Verflachung, seiner Resignation vor der Wirklichkeit.

   So ist es nur konsequent, wenn der Friede-Band, dieses ganz und gar menschliche Buch, auch des Todes und der Toten gedenkt: "Wer die Vergangenheit nicht achtet, der hat für die Zukunft keinen Wert" (S. 38), und "Wer auf seine Verstorbenen verzichtet, der ist nicht wert, daß sie für ihn gelebt haben. Er würde ja dadurch auf sich selbst verzichten, weil er sein Dasein nur dem ihrigen verdankt." (S. 37)

   Auf der biographischen Leseebene sind sicher die Vorfahren Mays, besonders die Mutter gemeint. Doch auf diesen Gesichtspunkt darf die Botschaft natürlich nicht eingeengt werden.

   Am Jenseits handelt - wie wir sahen - vom Sterben, vom Ernst des 'Gerichts', von der Zeit ZWISCHEN Leben und Tod, nicht aber von den Toten selbst. In Friede wird der Akzent nun verschoben: Die Toten selbst, ihr Dasein, ihr Hereinwirken in die Welt der Irdischen sind jetzt ständig im Blickfeld. Wenn Mays Chinesen ihren 'Ahnenkult' so betonen,


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dann aus diesem und keinem anderen Grund: Die Toten sind gar nicht tot; sie leben und sind mit der Erde aufs tiefste verbunden.

   Spiritismus? Wenn nicht in Jenseits, so doch hier in Friede? Nein, auch hier nicht! Denn die Toten sind zwar lebendig, aber sie treten nie auf, sie kehren nicht zurück ins irdische Sein, sie sind geborgen im Frieden Gottes. DIESER Glaube an das Leben der 'Toten' unterscheidet sich von okkulten Spielen und spiritistischem Schabernack fundamental: Spiritistische 'Mitteilungen' lassen die Toten - wie es bei Rahner heißt -


doch nur wieder so erscheinen wie wir, nicht wie sie sind. Tatsächlich zeigt sich bei den spiritistischen Sitzungen ja der Geist der Irdischen mit ihren krausen Vorstellungen und Süchten, nicht die Stille der von Gott erfüllten Ewigkeit [...] Nein, den Toten, die leben, begegnen wir [...] in Glaube, Hoffnung und Liebe, d.h. wenn wir unser Herz der schweigenden Stille Gottes selbst öffnen, in der sie leben; nicht dadurch, daß wir sie zurückrufen dahin, wo wir sind, sondern indem wir in die schweigende Ewigkeit unseres eigenen Herzens hinabsteigen [...]"61


   Diese Auffassung liegt auch dem Friede-Roman zugrunde: Im Hinuntersteigen in den 'Schlaf, in den 'Tiefschlaf, in die 'Ewigkeit seines Herzens' (so könnten wir sagen), findet Waller 'Kontakt' mit der verstorbenen Gattin!

   Fu, der chinesische Mandarin, meint klärend zu Mary: Der "Ahnenkultus" darf nicht mit den "abergläubischen Gepflogenheiten unserer untersten Volksklasse" verwechselt werden. Dies wäre ebenso falsch, "als wenn wir Ihre Seligen und Heiligen mit den Augen des Gespensterglaubens betrachten wollten, der in den niederen Kreisen Ihrer Bevölkerung vorhanden ist." (S. 38)62 Der Ahnenkult meint recht verstanden nur dies: "Auch wir Chinesen haben Mütter, die in unserer Liebe noch nach dem Tode weiterleben" (ebd.).63

   Die Toten leben weiter in unserer Erinnerung, im Gedenken der Liebe. Und wenn WIR dann sterben, wenn keiner mehr ist, der unsere Toten gekannt und geliebt hat? Hat der Tod dann gesiegt und sein Werk vollendet? May verneint das entschieden: Gottes Leben ist nicht nur "in uns, sondern wir befinden uns in ihm. Und am allerfestesten hält es uns dann, wenn es das, was an uns zerstörbar ist, fallen läßt, den Leib!" (S. 558)

   Die Toten leben in Gott, in SEINER 'Erinnerung', und nicht nur in den Herzen der Sterblichen. Doch Gottes 'Jenseits' und unser 'Diesseits' sind, wie May und die Theologen versichern,64 keine schlechthin getrennten Wirklichkeiten: "Die Ewigkeit ist vor uns, hinter uns, neben und rund um uns. Wir befinden uns in ihr [...] Wir leben in ihr und gehören zu ihr" (S. 475)! Deshalb ist Wallers 'Kontakt' mit der toten Gattin NICHT "nur Traum, nur Fieber, nur Wahnsinn" (S. 402)! Weil die Ewigkeit "auch unsere Zeit umschließt",65 sind nicht nur Waller, sondern uns allen die 'Toten' viel näher, als wir es ahnen: Sie wirken auf uns noch stärker und mächtiger ein als die Irdischen, weil es "für sie keine körperlichen und räumlichen Verhältnisse gibt, durch welche sie daran gehindert werden." (Dr. Tsi, S. 475)66

   Etwas Großes und Verheißungsvolles deutet Dr. Tsi uns hier an: Der Religionsphilosoph Bernhard Welte denkt, ganz im Sinne dieser Auffassung Tsis, an eine entgrenzte Kommunikationsfähigkeit,67 und Karl Rahner denkt - mit Verweis auf Thomas von Aquin - an einen "allkosmischen Weltbezug"68 der Verstorbenen! Ähnlich denkt May. Doch weil er Künstler ist und nicht Systematiker, verzichtet er auf eine ausgebaute 'Lehre von den letzten Dingen'. Das überläßt er den Fachtheologen (S. 409).69 Ihm genügt dieses Fühlen: Die Toten sind "hier bei uns"; sie treten vor Gott für uns ein (S. 476); sie schützen uns und sie brauchen, umgekehrt, auch uns: unser Gedenken,70 unser Gebet (S. 650), unsere Liebe!

   Sind solche Gedanken ernstzunehmen? In der katholischen Kirche wurde immer vorausgesetzt: Die Verstorbenen sind unsere 'Fürsprecher' bei Gott, und es ist auch umgekehrt


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sinnvoll und gut, für die Toten zu beten.71 Auf evangelischer Seite gibt es zwar Stimmen, die vom 'Todesschlaf` oder, noch weitergehend, vom 'Ganztod' (des Körpers UND der Seele) sprechen und folglich ein Leben der Toten zugunsten einer - als 'creatio ex nihilo' gedachten - Auferstehung am 'Jüngsten Tage' zurückweisen.72 Doch gerade die größten evangelischen Theologen unseres Jahrhunderts, Karl Barth, Paul Tillich, Rudolf Bultmann und (zum Teil) deren Schüler, sind durchaus anderer Meinung.73 So sehr sich diese Autoren auch unterscheiden und sich gegenseitig korrigieren, in diesem Punkt stimmen sie überein: Die Toten sind schon jetzt in Gottes Liebe geborgen - sofern sie sich nicht selbst von dieser Liebe getrennt haben.

   Woher will May (und woher wollen andere) wissen, daß die Toten nicht tot sind? Ist es nur der Mutterkomplex, der ungelöste Konflikt74 des Neurotikers, wenn sich Ma(r)y ihre Mutter "nicht tot denken" (S. 37) kann?

   Die "Parteinahme für das Dasein"75 der Geliebten auch nach ihrem Tode ist kein Sonderthema von psychisch Gestörten. Der Glaube an das Leben der Toten entspricht dem Wunsch, ja der "prophetischen Gewißheit"76 der Liebenden. Der Existenzphilosoph Gabriel Marcel hat geschrieben: "Einen anderen lieben heißt ihm sagen: du wirst nicht sterben!"77 Denn als Liebende sind wir, so Ortega y Gasset, "immerfort dabei, dem Geliebten Dasein zu geben"!78

   Orpheus und Eurydike, Dante und Beatrice, Novalis und Sophie, Rodrigo und Proëza (in Claudels Der seidene Schuh), alle großen Liebenden in Mythos, Dichtung und Wirklichkeit sehen ihre Liebe durch den Tod nicht widerlegt. Im Gegenteil: der Tod dient noch "der Sache der Liebe, räumt er doch alle Hindernisse aus dem Weg, verewigt, was ohne ihn vergänglich wäre."79

   So können wir es verstehen, wenn der todkranke Waller seine verstorbene Gattin 'sieht' und zu sprechen beginnt:


"Du kamst zu mir und gabst mir Augenlicht, in eure liebe, reine Welt zu schauen. Ich sah der Wahrheit in das Angesicht und will der Herrlichen mich anvertrauen [...] Gib mir die Hand, wie du sie mir gereicht, als du, mein Weib und Engel, zu mir kamst. Es hatte sich mir schon der Tod gezeigt, grad als du mich in deine Führung nahmst [...] Wie dank ich dir! Nun bist du himmlisch mein, die du nur irdisch einst die Meine warst. Laß mich ein Schüler jener Liebe sein, als deren Strahl du dich mir offenbarst." (S. 472f.)


   Die Toten leben. Sie stehen in Beziehung zu uns: als gute Mächte, als 'Brücken' zur Ewigkeit. WIE leben sie? Als leiblose 'Seelen'? Mit einem wie auch immer gedachten Astralleib? May legt sich nicht fest, er setzt nur voraus: Keine "Schemen", keine "Schatten" (S. 574) sind unsere Toten! Sie bleiben, was sie im Leben geworden sind; doch sind sie - IN dieser Identität - erlöst und verwandelt: befreit von irdischen Fesseln, geläutert vom Erdenschmutz.

   Im letzten, für die Friede-Fassung geschriebenen Roman-Kapitel glücken dem Dichter die merkwürdigsten, in ihrer Eigenart faszinierenden Bilder. In Raffley-Castle gibt es den "Ahnensaal", eine düstere Kammer rnit von Yin - nach Photographien - gemalten Porträts der Vorfahren Raffleys. "Da hängen sie im Tode" (S. 574), verblüffend gut getroffen. Doch sind sie wirklich das gewesen, was die Bilder zeigen? Nein, nur "Masken", nur "Larven" werden da gezeigt in dieser "Leichenkaminer" (S. 574f.). Das WESEN, die "Wahrheit" der Toten aber hat Yin, die Künstlerin, entdeckt. Die wirklichen Ahnen hat sie in einer Dynamik gezeichnet, die May so beschreibt:

   Die echten Porträts sind in einem zweiten, vom Licht durchfluteten Saale zu sehen. Auf einem Tisch liegt das 'Buch des Lebens' (vgl. Offb 20, 11), und in großer Schrift ist zu lesen: "Sie legen die Kleider ab, dann kommen sie!" Die "Kleider", die Körper, die "Lar-


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ven" müssen jetzt fallen!80 "Ki, der Himmlische" winkt nach der "Tür" und bringt das Leben in sie:


Und nun strömten sie hervor, dem Lichte entgegen, sie alle, die ihre Kleider, die Leiber, da unten abgelegt hatten [...] Sie quollen aus der Gruft [...] heraus und eilten durch den Saal, mit dankenden Gebärden an Ki, dem Himmlischen, vorüber, um durch die offene Tür zu verschwinden, die auf der andern Seite hinaus in den Garten und dann in das Leben führte. (S. 575f.)


   Der Endlichkeit, der tödlichen Enge des irdischen Lebens ist eine Türe geöffnet! "Ich bin die Tür", spricht der Herr, "wer durch müch hineingeht, wird leben." (Joh 10, 9) Doch lesen wir weiter bei May:


Welch eine [...] Szene! Welche Freude [...] in jedem Zug der Gesichter! Und sonderbar: das waren nicht mehr Gesichtszüge von sterblichen Personen; das waren nicht mehr die scharfen Linien und die festgezeichneten Konturen, welche die Körperlichkeit mit sich bringt; und doch besaß jeder und jede dieser Verwandelten die größte Achnlichkeit mit dem korrespondierenden Bilde im ersten Ahnensaale! (S. 576)


   Die Ahnen sind noch immer sie selbst! Ihre Gesichtszüge, als Mann oder Frau, sind die IHREN, aber ERLÖST von Begrenzung und Schuld: durch die Kraft des "Himmlischen", die Leben 'in Fülle' gewährt. Sie sind erlöst durch die göttliche Macht und die (stellvertretende) Liebe John Raffleys - des Nachkommen81 -, der seinerseits geliebt ist durch Yin, die unendliche Güte.

   Yin führt die Staunenden weiter: zum 'verlorenen Paradies'. Die Erlösung der Ahnen wird, auf diesem Bild, projiziert auf die Menschheit schlechthin!

   Pfarrer Heartman erzählt die Legende, die Yins Gemälde zugrundeliegt: Gott hat der "Shen" das "Land der Menschlichkeit" und Satanas der "Hen" (der 'Selbstsucht') das "Land der Rücksichtslosigkeit" geschenkt. "Der Menschengeist ging durch das Paradies und lernte dessen Seligkeiten kennen [...] Da sah er heimlich, wie die 'Hen' regierte, und das gefiel ihm wohl. Sie war die Königin, die Oberpriesterin der Hölle [...] Sie gab Gesetze für den Staat; sie richtete; sie strafte" - wie es ihr beliebte (S. 582).82 Der Menschengeist ließ sich betören. Das sah die Shen mit größter Sorge. Sie stürzte sich hinaus, um ihn zu retten. Da kam der Satanas, "erhob die Faust und schlug sie, daß sie tot zu Boden sank." (S. 582) Der Menschengeist ward nun verflucht, "das Tor der Seligkeit verschwand mit seinen Mauersäulen" (S. 583).

   Yin hat die Szene gemalt: Die Menschen werden aus dem Paradies hinausgetrieben; ein "alle Hoffnung verzehrendes Licht" entstellt die Gesichter. Aber - noch ein anderes, ebenfalls von Yin gemaltes, Bild ist zu sehen. Es zeigt genau dieselbe Gegend.


in späterer, später, vielleicht gar zukünftiger Zeit [...] Es war hier Feiertag, am Tag des Herrn, in Gottes Morgenfrühe! Und durch das Land der Hölle kamen sie gezogen, die jetzt nun wirklich Menschen waren, in allen Rassen, allen Farben und jeder Tracht, die es auf Erden gibt. (S. 585f.)


   Wie hieß es bei Dante? Über dem Höllentor war zu lesen:83


Durch mich gehts ein zur Stadt der Schmerzerkornen,
Durch mich gehts ein zur Qual der Ewigkeiten,
Durch mich gehts ein zum Volke der Verlornen [...]
Laßt, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.


In Mays Vision aber wird die Höllentüre geöffnet!84 In Scharen ziehen sie aus, der 'Menschengeist' allen voran - einst stolz und erhaben, jetzt arm und gering, in wirklicher Demut. Ein "Bettler" ist er geworden, ein Bettler vor Gott. Doch ahnt er es wohl: sein Gebet wird erhört. "Denn gar nicht weit von ihm steht Gottes Pforte offen, das Tor des Paradieses, das neu erstanden ist" (S. 586)!


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   Das Paradies wird in Friede nicht - wie es einem zyklischen Weltbild entspräche85 - nur 'wiederhergestellt'. Nein, etwas Neues (vgl. Offb 21, 5) wird geschaffen! Satanas und seine 'Hen' sind jetzt am Ende, für immer. Was steht auf ihren Gesichtern? "Haß und doch Anbetung, das ganze Entsetzen der letzten, höchsten Angst und dennoch aber die Freude, daß endlich, endlich nun Alles vorüber sei, daß Hölle und Teufel auf ewig verschwinden müsse" (S. 587).86

   Es beginnt nicht wieder dasselbe! Nicht zyklisch, sondern linear ist das Geschichtsverständnis Karl Mays: Die Geschichte hat ein ZIEL, die Neue Schöpfung!

   Den Menschen, den endgültig Erlösten, geht der "Einzig-Eine", der Nazarener mit den Nägelmalen voran. Doch dann tritt SIE hervor, die Shen, "zu dem Erlöser hin, nach dessen Geist die Seele ewig strebt." Christus nimmt sie auf. Er legt "den Arm um sie" (S. 587): eine zärtliche Geste, ein - erotisches - Vollendungsmotiv, das alte und älteste Parallelen hat (in den Märchen und Mythen) und auch der biblischen Prophetie (Jes 61, 10), der Johannes-Offenbarung (Offb 21, 2) und der Rose in Dantes Commedia87 entspricht. Die Shen also zieht Christus empor an sein Herz. Er winkt den Menschen, "ihm und ihr zu folgen [...] dem offenen Tore zu!" (S. 587)

   Die geöffnete Tür, auch sie - wie der "Garten" hinter dem Tor (S. 576) - ein Vollendungssymbol: Die dämonische Macht ist gebrochen, der Tod wird nicht mehr sein, und die Liebe wird triumphieren. Bis zur Vollendung aber gilt: Shen und Hen,88 Gott und Satanas - ein Dualismus von gegensätzlichen Mächten, von Gut und von Böse.

   Sein 'dualistisches Denken' wird May oft zum Vorwurf gemacht, als Indiz eines "psychischen Defekts"89 womöglich. Doch niemand kann bestreiten, daß dualistische Prinzipien, ihr Kampf und ihr Widerspruch, erfahrbare Realität in der Welt und im Herzen des Menschen sind. Die Existenzerfahrung ist zwiespältig - eine Zerrissenheit, die es in Hoffnung auszuleiden gilt, bis das Heil sich endgültig durchsetzt,90 bis zur "Hochzeit des Lammes" (Offb 19, 7), bis zum "neuen Jerusalem", das "bereit ist wie eine Braut, die sich geschmückt hat für ihren Mann." (Offb 21, 2)

   Ein mythischer Dualismus ist vielen Religionen, dem Parsismus besonders, aber auch biblischen Texten zu eigen. Ein Dualismus im strengen Sinn als gleiche Mächtigkeit und gleiche Ursprünglichkeit des Guten wie des Bösen ist dem Christentum allerdings fremd. Ein solcher Dualismus wird auch von May nicht vorausgesetzt: in Friede nicht und im späteren Märchen von Sitara91 ebenfalls nicht.

   Mays Problem - schon in den Kolportageromanen - ist ja 'nur' dies: Welche Macht wird gewinnen? Seine Antwort: der auferstandene Herr, die Liebe, die Menschlichkeit. Dieser Glaube gibt Kraft: zum Frieden schon JETZT, zum Frieden auf ERDEN.



2.4

Jenseitsglaube und Diesseitshoffnung


Ist die Botschaft des Friede-Romans religiös oder ist sie 'profan' zu verstehen? Diese Frage setzt eine falsche Alternative voraus. Dem Auferstehungsglauben als solchem kommt eine, von Christen oft nicht erkannte, gesellschaftskritische Relevanz zu, die Karl Barth nach dem Ersten Weltkrieg so formuliert hat:


Wir glauben also darum [...] an Reform und Erneuerung der Verhältnisse, an die Möglichkeit von [ ...] Bruderschaft auf der Erde [...], weil wir noch ganz anderer Dinge warten, nämlich eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Wir setzen darum unsere Kraft ein [...], weil wir des neuen Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel herabfährt, gewärtig sind. Wir haben darum den Mut, in diesem Äon Schranken, Fesseln und Unvollkommenheiten zu ertragen, aber auch nicht zu ertra-


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gen, sondern zu zerbrechen, weil wir [...] den neuen Äon meinen, in welchem der letzte Feind, der Tod, [...] aufgehoben wird.92


   Der neue Äon verlangt die Erneuerung dieser Erde - schon jetzt. Die Rückkehr des Paradieses, die Erlösung, die Heartmans Sage und Yins Gemälde beschreiben, liegen in "zukünftiger Zeit" (S. 585). Aber später heißt es: die "ferne Stunde, von welcher meine Sage sprach, ist keine andere als die jetzige!" (S. 637) Warum? Weil das Reich der 'Shen', das Reich der Liebe und des Friedens - wie Jesu Gleichnisse lehrten - schon "hier auf Erden" beginne (S. 408)!

   In der Tat: die "Königsherrschaft Gottes" (Mk 1, 15), die zur "ursprünglichen Botschaft"93 Jesu gehört, meint das künftige, das ewige Leben, ist aber - im Verständnis Jesu, - mit seinem eigenen Wirken, seiner Zuwendung zu den Armen und Schwachen, zu den Zöllnern und Sündern schon angebrochen.94 Die Zukunft hat schon begonnen! Auch der Hinweis Karl Mays auf die Gleichnisse Jesu (S. 408) ist interessant und berechtigt: Zeigen sie doch, daß zwischen dem Gottesreich und der Menschenwelt eine innere Beziehung besteht! Die jetzige Welt, davon gehen diese Gleichnisse aus, will Gott vollenden und umgestalten. Otto Knoch, ein katholischer Exeget, faßt zusammen: "Das Reich Gottes ist also eine Wirklichkeit, die in dieser Weltwirklichkeit bereits gegenwärtig ist und wirkt."95

   Manchen Auslegern zufolge steht das religiöse Element des Mayschen Spätwerks im Dienste einer rein diesseitigen "Prophetie vom 'neuen Menschen'";96 Mays 'Himmelreich' sei nichts anderes als das säkularisierte "Reich des Menschen",97 und diejenigen seiner religiösen Kritiker, die "in Mays Werk ein geheimes Ketzertum witterten und seiner christlichen Botschaft nie recht trauen wollten", hätten ganz recht.

   Nein, sie haben nicht recht! Mays Jenseitsglaube ist ebenso 'orthodox' wie seine Diesseitshoffnung.98 Denn die Liebe zu Gott und zur Welt, die Religion und das Engagement für Friede und Geschwisterlichkeit gehören eben zusammen.

   Zwar hat es immer auch Christen, auch Theologen und kirchliche Amtsträger gegeben, die den Glauben rein jenseitig verstanden und - wie z.B. manche Lutheraner im Anschluß an die (wohl mißverstandene) 'Zwei-Reiche-Lehre' des Reformators99 - das irdische und das himmlische 'Regiment' total voneinander trennten. DIESE Denkweise provoziert den Protest Nietzsches und Ludwig Feuerbachs, der geschrieben hat: "Aus Theologen will ich Anthropologen, aus Theophilen Philanthropen, aus Kandidaten des Jenseits Studenten des Diesseits, aus Betern will ich Arbeiter, aus religiösen Kammerdienern will ich freie Bürger niachen."100

   Doch die Bibel kann dieses Diktum nicht treffen. Sie redet von überirdischen Hoffnungen und bleibt der Erde doch treu. Die alttestamentlichen Propheten - am schärfsten Amos - wandten sich radikal gegen politisches Unrecht und den Rückzug der Religion ins bloß Kultische und Zeremonielle.101 Wie gesagt, auch die Predigt Jesu liegt auf dieser Linie, wenn sie das Reich Gottes "mitten unter uns" (Lk 17, 21) verkündet und - beim Evangelisten Johannes am deutlichsten - das ewige Leben als künftig und gegenwärtig zugleich versteht.

   In neuerer Zeit haben evangelische und katholische Theologen wie Harvey Cox, Jürgen Moltmann, Karl Rahner, Hans Küng, Ernesto Cardenal, Leonardo Boff u.a. die gesellschaftspolitische Relevanz des Jenseitsglaubens zum großen Thema erhoben. Der theologische Grund für diese - auch in amtlichen Dokumenten der Kirchen zu findende102 - Zusammenschau von Jenseits- und Diesseitshoffnung ist ein umfassendes Ja zum Leben:


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Wenn das jetzige Dasein in die Ewigkeit eingeht, stellt der Jenseitsglaube den Menschen Werst recht in die Erde hinein"!103

   Innerweltliche Utopien, Träume von Recht und Gerechtigkeit, von Liebe und Frieden sind notwendig. Sie gehören zum Menschen und seiner Bestimmung. Ohne solche Träume bliebe alles beim alten, und ohne solche Träume verlöre der Mensch seine Seele. Häretisch und 'ketzerisch' wäre es, wenn irdische Zukunftsentwürfe - im Friede-Band: "Ocama"104 - mit dem Gottesreich identifiziert würden; nicht häretisch, sondern biblisch ist es hingegen, wenn Diesseits- und Jenseitshoffnung aufs engste miteinander verknüpft werden. Dies und nichts anderes tut May, wenn er Heartman sagen läßt: "Das Paradies der Erde ist nicht das Himmelreich des Welterlösers, doch hat das Letztere zum Ersteren zu kommen." (S. 637)

   Das darf man - theologisch korrekt - nicht so verstehen, als habe der Mensch einen 'Anspruch' auf Erlösung. Nein, Erlösung ist Gnade! May aber will ja nur sagen: Die Ewigkeit reicht in die Zeit hinein und erneuert "das Antlitz der Erde" (Ps 104, 30). Von einer solchen Denkrichtung her ist Mays Friedensideal zu würdigen.

   Eine "altruistische Studie" hat der Autor seinen Roman genannt (S. 616). Gemeint ist die - von der Friedensidee der Propheten (z.B. Jes 2, 4) und der Reich-Gottes-Botschaft Jesu her motivierte - Vision einer Neuen Erde.

   Die Predigt Jesu ist mit einer Umwertung des gängigen Wertesystems verbunden: Jesus ist der Freund auch der Ausgestoßenen, der religiös oder sozial Heruntergestuften, der 'Unterprivilegierten' der damaligen - und der heutigen - Gesellschaft.105 Er ist gekommen, "zu suchen und zu retten, was verloren war." (Lk 19, 10) Er kündet eine neue Ordnung, die das Kranke heilt und die üblichen Maßstäbe - aufgrund einer größeren Liebe - durcheinanderbringt und relativiert: Die Letzten werden die Ersten, die Hungrigen werden gesättigt, die Kleinen werden groß und die Gefangenen werden frei. Die Stolzen aber werden gestürzt; und zerstreut werden, "die im Herzen voll Hochmut sind" (Lk 1, 51). In dieser Neuordnung erfüllt sich Gottes Verheißung (Lk 4, 21) und bricht das Reich seiner Liebe an, schon jetzt auf dieser Erde.106

   Auch die Biographie Karl Mays kann aus dieser Sicht gedeutet werden. Geradezu als Modellfall der Jesus-Verheißung kann sein Leben interpretiert werden. Auch seine Schriften, von den Kolportageromanen bis zu Friede, umschreiben in wachsender Klarheit die Neue Ordnung des Gottesreichs. Der Gesinnung Jesu verpflichtet, küßt Charley singhalesische - unberührbare, weil als 'schmutzig' geltende - Kinder (S. 112), bekehren sich Raffley und der britische Governor zu den Verachteten (den Malaien und Chinesen) und lehnt der Autor die Selbstüberhebung der Europäer scharf ab: "Die Strömung, welche jetzt gegen die Küste Chinas brandet, ist eine doppelte, nämlich eine religiöse und eine politische, und beide werden uns von einem und demselben Winde zugeführt, dem Egoismus." (S. 174)

   May wendet sich ab vom pseudo-religiösen Hochmut, vom pharisäischen Stolz, aber auch vom Nationalismus der Zeitgenossen, sei er nun deutsch oder europäisch gefärbt: Kein Volk ist minderwertig, und keines ist besser als das andere (S. 24)! Fragte man ihn, für welche Nation er kein besonderes "Faible" habe, so käme er "in Verlegenheit" denn "allen, allen" Völkern ist er gut (S. 189)!

   In den früheren Büchern waren meist Deutsche die Helden. Die Liebe zu anderen Völkein und Rassen, den diskriminierten zumal, war May freilich, trotz mancher Klischees und einiger Vorurteile, schon immer ein Anliegen:107


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Ich habe nun über ein Vierteljahrhundert lang an der schriftstellerischen Aufgabe gearbeitet, die deutsche Volksseele hinaus zu fremden Völkern zu führen, damit sie die Seelen dieser Völker kennen und lieben lerne, und sich für den Gedanken begeistere, daß diese Seelen ebenso wie sie Gott dem Herrn gehören, welcher der Urquell alles Hohen, Edlen und Schönen ist.108


   Fürs Erobern und Blutvergießen war der Dichter eigentlich nie. Menschliches Leben haben seine Helden - von manchen Entgleisungen im Frühwerk abgesehen - geschont und behütet. Trotz Superwaffen und Kraftmeiereien sind die Erzählungen Mays im Grunde doch "Friedensgeschichten".109 Die Versöhnung, die Milde, das 'Begraben des Kriegsbeils' war immer ein wichtiges Ziel. Aber in Friede geht May noch wesentlich weiter: Der Verzicht auf jegliche Art der 'Ausbeutung' (vgl. S. 170),110 die Versöhnung der Völker, die Verständigung mit fremden Kulturen, die Achtung des Krieges, die Kritik am Terror der abendländischen 'Zivilisatoren' (S. 278f.),111 die Zurückweisung der - von Nietzsche gepriesenen112 - "Uebermenschen" und "Uebernationen" (S. 151) werden zum brennenden Thema.

   Man muß sich, zum vollen Verständnis, die konträre Tendenz des Kürschnerschen Sammelwerkes vor Augen halten, das den Friede-Roman, in der ursprünglichen Pax-Fassung, enthielt!113 "Mit dieser Art von Gong" (S. 491) - der Kriegstreiberei des Wilhelminismus - wollte May nichts zu tun haben: "O ihr Toren! Wißt ihr denn nicht, daß Alles, was ihr Andem tut, das tut ihr für die Zukunft an euch selbst?!" (S. 275f.)

   Weit vorausblickend setzt der Dichter sich ein für die Schöpfung, die der Mensch zu "pflegen" und nicht zu 'beherrschen' habe (S. 136).114 Er plädiert für die "Menschenrechte" (S. 354), belächelt die "starken Geister" (S. 644), wendet sich gegen das 'Säbelrasseln' (S. 354), empfiehlt - wie ansatzweise schon in Old Surehand III115 - den "unbewaffneten Frieden" (S. 486)116 und erklärt lapidar: Der Einsatz der Waffen, ja allein schon die "bewaffnete Hand" - also der BESITZ von Waffen - setzt "das Wohl der Völker auf das Spiel und bezahlt mit Menschenblut, was ihr der Friede ganz umsonst und doppelt geben würde." (S. 479)

   Der ältere May ist ein prophetischer Dichter - inspiriert von der (diesseitig-jenseitigen) Reich-Gottes-Predigt des Jesus von Nazareth. Er ist ein christlicher Pazifist, ein Vorläufer der 'Friedensbewegung'. Parteipolitisch ist er, wie weiter oben schon vermerkt,117 allerdings nicht einzuordnen. Den "Sozialdemokratismus" nennt er mit dem "Anarchismus" und dem "Nihilismus" in einem Atemzug (S. 172).118 Zugleich aber meint er ein Bündnis der politischen Rechten mit dem Absolutheitsanspruch des Christentums zu erkennen und - als der Botschaft Jesu widersprechend - zu durchschauen. Mit feinem Sarkasmus deckt er die unheilige Allianz von "geistlicher Macht" (S. 612), von "christlichen 'Interessen'-Sphären" (S. 495 u.ö.) und militärischen Ambitionen auf: "Wir sind nämlich zwei Raufbolde, ein religiöser und ein zivilisatorischer." (S. 647)

   Es zeigt sich erneut: Mays Anliegen ist das "wahre" Christentum. Der - in Waller überwundenen und dann in Dilke gefahrenen - Gewaltreligion, in deren Namen unzählige Kriege geführt,119 ganze Völker und Kulturen zerstört, freie Gedanken unterdrückt, Andersdenkende verbrannt und "Menschen in Krankheit und Wahnsinn getrieben"120 wurden, DIESER 'Religion' wird die Jesus-Religion der Barmherzigkeit entgegengesetzt: "Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein" ist die direkte Antwort auf des Kaisers Kriegspropaganda!121

   Mays politische Aussagen, so meinte Peter Krauskopf, seien "in ihrer Naivität [...] kaum diskussionswürdig."122 Wirklich? Mays Aussagen sind so 'naiv' wie die Bergpre-


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digt Jesu. Den politischen Sachverstand werden sie nicht ersetzen können; als Gesinnungsethik, als Gewissensstachel - für Christen zumindest - sind sie aber doch aktuell.

   Hat May in Friede den Sinn für die Realität verloren? Im Gegenteil: er hat ihn gefunden! Ocama, der ewige Friedensort, der auf Gott und nicht auf die Macht der Waffen vertraut, ist ein "Zukunftsprojekt" (S. 498), das freilich schon jetzt zu erproben ist. May sieht es klar: Der Gesamtheit aller Menschen, "die auf Erden endlich einmal Frieden haben wollen" (S. 551), steht - bis zum Ende des Menschengeschlechtes vermutlich (S. 338f.) - das Vorurteil, die Selbstsucht gegenüber. Als habe May den Weltenbrand schon vorausgesehen, ertönt am Ende seines Romans der erschreckende Ruf. "Meine Brüder, es gibt --- Krieg!" (S. 658)

   Dieser "geniale Sprung vom Ideal in die unmittelbare Wirklichkeit" rückt, so Amand von Ozoróczy, "die Forderung der 'Shen' ins rechte Licht"; er "zeigt, wie viel noch zu tun bleibt, um ihre Frage zur brennendsten zu machen"!123

   Der Träumer May ist auch Realist. Er weiß: "Der Tag der Feindschaft ist noch nicht vorüber." (S. 657) Seine Zuflucht: "Die allerhöchste Gnade und der allerhöchste Schutz!" (S. 660) Der letzte Satz des Romans: "Gleich ist es Mitternacht; sie soll uns betend - dankend - hoffend finden! "


Anmerkungen


1Die folgenden Ausführungen entsprechen, leicht gekürzt, Hermann Wohlgschaft: 'Und Friede auf Erden!' Eine theologische Interpretation. In: JbKMG 1989, S. 101-145 (S. 113-137).
2Seitenangaben in () beziehen sich auf Karl May: Und Friede auf Erden! Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXX. Freiburg 1904.
3Vgl. Hans Wollschläger: "Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt". ' Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In: JbKMG 1972/73, S. 11-92. - Zur Beziehung May-Freud vgl. bes. Udo Kittler: Karl May auf der Couch? Die Suche nach der Seele des Menschen. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 9. Ubstadt 1985, S. 75ff.
4Vgl. Ernst Seybold: Aspekte christlichen Glaubens bei Karl May. SKMG Nr. 55 (1985), S. 26f.
5Karl May: Am Jenseits. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXV. Freiburg 1899, S. 348.
6Ernst Seybold: Anmerkungen zu Paul Rentschka: Karl Mays Selbstenthüllung. In: JbKMG 1987, S. 150-159 (S. 155, Anm. 39).
7Die fast wörtliche Übereinstimmung dieser Aussage mit Seybold: Ebd., S. 155f. (Anm. 39), ist interessant. Seybolds Beiträge im JbKMG 1987 und die Erstfassung des vorliegenden Buch-Kapitels sind völlig unabhängig voneinander entstanden.
8Vgl. z.B. Heinrich Fries: Ökumene statt Konfessionen? Das Ringen der Kirche um Einheit. Frankfurt/M. 1977.
9Dieses Studium ist inzwischen weit fortgeschritten. Die Überwindung der Kirchentrennung wäre nach der Meinung führender Theologen heute schon möglich! Besonders hilfreich: Heinrich Fries - Karl Rahner: Einigung der Kirchen - reale Möglichkeit. Quaestiones disputatae, Bd. 100. Freiburg, Basel, Wien 1983.
10Vgl. Yves M. Congar: Ökumenische Bewegung. In: Lexikon für Theologie und Kirche VII. Hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner. Freiburg 21962, Sp. 1128-1137. - Zur Una-Sancta-Bewegung im 19. Jhd.: Manfred Fleischer: Katholische und lutherische Ireniker - Unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jhd. Göttingen, Frankfurt, Zürich 1968.
11Vgl. oben, S. 525. u. 528f.
12Die besorgte Frage der Prinzessin Wiltrud von Bayern nach der Taufe Winnetous und die Antwort Mays spiegeln diese Ansicht sehr anschaulich! - Vgl. Karl May: Briefe an das bayerische Königshaus. In: JbKMG 1983, S. 76-122 (S. 77).
13Vgl. Karl Rahner: Heilswille Gottes. In: Lexikon für Theologie und Kirche V .Freiburg 21960, Sp. 165-168 - C.G. Diehl: Heidentum. In: Religion in Geschichte und Gegenwart III. Tübingen 31959, Sp. 141ff.


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14Textbelege bei Karl Rahner - Herbert Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium. Freiburg, Basel, Wien 1966, S. 709.
15Rahner: Heilswille Gottes, wie Anm. 13, Sp. 167.
16Vgl. Karl Rahner: Die anonymen Christen. In: Ders.: Schriften zur Theologie VI. Einsiedeln, Zürich, Köln 1965, S. 545-554 - Ders.: Anonymes Christentum und Missionsauftrag der Kirche. In: Ders.: Schriften zur Theologie IX. Einsiedeln, Zürich, Köln 1970, S. 498-515. - Rahner verfocht seine Theorie bis zuletzt, allen Einwänden von 'konservativer' und 'progressiver' Seite zum Trotz.
17Vgl. Hans Küng: Christ sein. München 1974, S. 105ff. - Hans Küng, Josef van Ess, Heinrich von Stieteneron, Heinz Bechert: Christentum und Weltreligionen. Hinführung zum Dialog mit Islam, Hinduismus und Buddhismus. München 1984, passirn.
18Vgl. Karl May: Deutsche Herzen - Deutsche Helden. Dresden 1885-87. Reprint Bamberg 1976, S. 584: "Welchen Namen man ihm auch geben möge, ob man ihn Herr, Gott, Manitou oder Allah nenne, er ist doch Ein- und Derselbe, die ewige, unendliche Liebe, der Schöpfer und Vater aller Menschen, der nicht nach der Verschiedenheit der Bekenntnisse fragt, sondern nur das Herz und die Nieren prüft. Vor ihm sind Alle gleich, Christen, Juden, Türken, Heiden. Nicht das Bekenntniß thut es, nicht die Confession, sondern der eine, große Gottesgedanke [...]"
19In diese Richtung gehen auch diverse Tagebuchnotizen Mays während seiner Orientreise; vgl. z.B. Hans Wollschläger - Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: JbKMG 1971, S. 165-215 (S. 211, Notiz vom 9.7.1900).
20Vgl. Hans Küng - Julia Ching: Christentum und Chinesische Religion. München 1988.
21Vgl. Wenzel Lohff. Liberale Theologie. In: Lexikon für Theologie und Kirche VI. Freiburg 21961, Sp. 1005ff. - Konrad Hecker: Liberalismus und liberale Theologie. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 4. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg, Basel, Wien 1972, S. 312-319.
22Vgl. Heinz Stolte: Auf den Spuren Nathans des Weisen. Zur Rezeption der Toleranzidee Lessings bei Karl May. In: JbKMG 1977, S. 17-57 - Ekkehard Koch: "Jedes irdische Geschöpf hat eine Berechtigung zu sein und zu leben". Zum Verhältnis von Karl May und Johann Gottfried Herder. In: JbKMG 1981, S. 166-206.
23Bernhard Welte: Das Licht des Nichts. Von der Möglichkeit neuer religiöser Erfahrung. Düsseldorf 1980, S. 57-64.
24Küng: Christ sein, wie Anm. 17, S. 85.
25Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. I. Die Wahrheit der Formen. Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende. Olten 41987 (Einband-Rückseite) - Zur Auseinandersetzung mit Drewermann vgl. unten, S. 743f.
26Daß alle diese Erzählstoffe von den Märchen bis zur Bibel im gleichen Sinne 'wahr' seien, ist natürlich - auch bei May - nicht gemeint. Daß Gott sich vor allem in Christus offenbart, ist für May selbstverständlich.
27Zum 'Synkretismus' in Mays Friede vgl. Walter Schönthal: Christliche Religion und Weltreligionen in Karl Mays Leben und Werk. SKMG Nr. 5 (1976), S. 18ff.
28Leonardo Boff: Kirche: Charisma und Macht. Düsseldorf 51985, S. 164-194.
29Ebd., S. 169ff.
30Paul Schwarzenau: "Ich bin ja Christ!" In: Ders.: Der größere Gott. Christentum und Weltreligionen. Stuttgart 1977, S. 33-48 (S. 33).
31Ebd., S. 46.
32Ebd., S. 47 (Hervorhebung von mir).
33Küng - Ching, wie Anm. 20, S. 297-307.
34Zur Problemlage vgl. Heinrich Fries: Fundamentaltheologie. Graz, Wien, Köln 1985, S. 219ff.
35Vgl. Diehl, wie Anm. 13, Sp. 142.
36Vgl. die Literaturangaben oben, Anm. 16. - Einen Hinweis auf die "anonymen Christen" gibt schon Seybold: Aspekte, wie Anm. 4, S. 10.
37Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk. SKMG Nr. 16 (1979), S. 8, sieht "gegensätzliche Strömungen" in Mays Glauben; dagegen meint Seybold: Aspekte, wie Anm. 4, S. 29, zu Recht: Mays Gedankenwelt ist weder verworren noch allzu widersprüchlich.


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38Alfred Paffenholz: Kleine Fluchten oder: Der Traum vom Paradies. Eine Erinnerung an Karl May und seine Wiederentdeckung. In: Karl May - der sächsische Phantast. Studien zu Leben und Werk. Hrsg. von Harald Eggebrecht. Frankfurt/M. 1987, S. 45-62 (S. 60f.).
39Schönthal, wie Anm. 27, S. 19, verweist auf die "T'ai-p'ing-Bewegung", die im 19. Jhd. eine Synthese zwischen konfuzianischen und christlichen Gedanken herzustellen versuchte. - Vgl. Bernhard Kosciuszko: Illusion oder Information? China im Werk Karl Mays. In: JbKMG 1988, S. 322-340 (S. 328f.).
40May: Am Jenseits, wie Anm. 5, S. 129.
41Vgl. Walbert Bühlmann: Wo der Glaube lebt. Einblicke in die Lage der Weltkirche. Freiburg 1974 - Ders.: Weltkirche. Neue Dimensionen. Modell für das Jahr 2001. Graz 1984. - In diesen Büchern begegnet ein von Grund auf geliutertes Missionsverständnis: weg von der "Eurozentrik" und hin zu einem echten Pluralismus der Mentalitäten, der Organisationsstrukturen, der Liturgien und Theologien.
42Küng - Ching, wie Anm. 20, S. 300.
43Ebd., S. 264.
44Ludwig von Pastor: Geschichte der Päpste, Bd. XV. Freiburg, Rom 81961, S. 309; zit. Nach Küng - Ching, wie Anm. 20, S. 264.
45Peter Krauskopf: Die Heldenrevision in Karl Mays Reiseerzählung 'Und Friede auf Erden' als Kritik am wilhelminischen Imperialismus I. In: MKMG 71 (1987), S. 8 - Zu freimaurerischen Einflüssen auf Mays Spätwerk vgl. Wagner, wie Anm. 37, S. 17-21; allerdings ist leicht zu beweisen, daß diese Einflüsse mit Mays christlicher Überzeugung vereinbar sind!
46Die 'Shen' kommt in der Pax-Fassung noch nicht vor; an ihrer Stelle steht dort die 'Bruderschaft des Pu'.
47Vgl. unten, S. 734f.
48Vgl. Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher: Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799); hier zit. nach P. Meinhold: Schleiermacher. In: Lexikon für Theologie und Kirche IX. Freiburg 21964, Sp. 413ff. (Sp. 414).
49Vgl. Koch, wie Anm. 22, S. 177f.
50'Gefühl' ist bei Schleiermacher nicht abwertend als 'Gefühlsduselei' zu verstehen, auch nicht "als bloße seelische Befindlichkeit, sondern [...] als unmittelbare und schlechthin unwiderlegliehe Selbstgegebenheit von Dasein" (Hecker, wie Anm. 21, S. 315).
51Schleiermacher, wie Anm. 48, hier zit. nach Schleiermacher-Auswahl. München, Hamburg 1968,S.9.
52Vgl. Thomas A. Harris: Ich bin o.k., Du bist o.k. Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse. Neudruck Hamburg 1975, S. 31ff.
53Drewermann: Tiefenpsychologie, wie Anm. 25, S. 478.
54Ebd.
55Paul Tillich: Die neue Wirklichkeit. Auswahl aus: Ders.: 'In der Tiefe ist Wahrheit' und 'Das Neue Sein'. München 1962, S. 93; zit. nach Drewermann: Tiefenpsychologie, wie Anm. 25, S.478.
56Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Bd. 2. Berlin, Weimar 1965, S. 298; zit. nach Koch, wie Anm. 22, S. 193.
57Drewermann: Tiefenpsychologie, wie Anm. 25, S. 479.
58Vgl. William James: Edinburgh 1901f.; deutsch: Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Eine Studie über die menschliche Natur. Olten, Freiburg 1979, S. 185-247 (S. 244). - Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Arbeit Paul Näckes; vgl. oben, S. 582.
59Der hier wiedergegebene Text der Friede-Fassung weicht von der Pax-Version geringfügig ab.
60Vgl. Platon: Phaidon XXIX. München 1962, S. 123 - M.T. Cicero: Tusculanae Disputationes I, 75; beides nach Josef Pieper: Tod und Unsterblichkeit. München 1968, S. 15.
61Karl Rahner: Das Leben der Toten. In: Ders.: Schriften zur Theologie IV. Einsiedeln, Zürich, Köln 41964, S. 429-437 (S. 437).
62Aberglauben gibt es auch in den 'höheren' Schichten der Gesellschaft. Da die Gleichwertigkeit der 'Einfachen' mit den sozial Höhergestellten ein wichtiges Thema in Friede ist, sollte die Rede von der "untersten Volksklasse" hier nicht als Indiz für überhebliches Standesdenken gewertet werden.


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63Zum chinesischen Ahnenkult aus christlicher Sicht vgl. Küng - Ching, wie Anm. 20, S. 63-66.- Vgl. auch Bernhard Kosciuszko: Illusion oder Information? II. China im Werk Karl Mays. In: JbKMG 1989, S. 146-177 (S. 165f.).
64Vgl. oben, S. 605.
65Karl May: "... daß ja diese Ewigkeit auch unsere Zeit umschließt" (Brief vom 21.3.1902 an Sophie von Boynburg, Graz). In: MKMG 56 (1983), S. 19f. (S. 19).
66Vgl. oben, S. 463f. zu Das Geldmännle.
67Bernhard Welte: Leiblichkeit als Hinweis auf das Heil in Christus. In: Ders.: Auf der Spur des Ewigen. Freiburg, Basel, Wien 1965, S. 83-112 (S. 87f.).
68Karl Rahner: Zur Theologie des Todes. Quaestiones disputatae, Bd. 2. Freiburg, Basel, Wien 51958, S. 21 u. 23.
69Diese Bemerkung fehlt in der Pax-Fassung.
70Daß wir den Toten "bittere Schmerzen" bereiten, wenn wir sie vergessen (S. 476), kann freilich - wenn überhaupt - nur für die 'Zwischenzeit' zwischen Tod und Vollendung durch Gott (fürs 'Purgatorium' also) zutreffen.
71Zur Abgrenzung dieser Auffassung gegen Vergröberungen der Volksfrömmigkeit vgl. z.B. Rahner: Das Leben der Toten, wie Anm. 61, S. 436f., und Franz-Josef Nocke: Eschatologie. Düsseldorf 1982, S. 130ff.
72Näheres bei Hermann Wohlgschaft: Hoffnung angesichts des Todes. Das Todesproblem bei Karl Barth und in der zeitgenössischen Theologie des deutschen Sprachraums. Beiträge zur ökumenischen Theologie, Bd. 14. Hrsg. von Heinrich Fries. München, Paderborn, Wien 1977, S. 100f. (Anm. 155) u. 131ff. - Interessant ist der Hinweis Ernst Seybolds im Brief vom 26.5.1988 an den Verfasser: "Die vor-neo-orthodoxe evangelische Frömmigkeit hat an das Lebendigsein der Entschlafenen vor Gott geglaubt. Das weisen die Gesangbuchlieder eindeutig aus. Auch die Untersuchungen über Luther und die lutherischen Bekenntnissehriften ergeben: Die Entschlafenen beten für uns, Maria natürlich auch."
73Vgl. Wohlgschaft, wie Anm. 72, S. 99ff. (zu Barth), 105ff. (zu Bultmann), 137ff. (zu Tillich) u. 194ff. (Zusammenfassung).
74Vgl. Wollschläger: Spaltung, wie Anm. 3, S. 51.
75Alexander Pfänder: Zur Psychologie der Gesinnungen. In: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung. Jg. 1 (1913), S. 368; zit. nach Josef Pieper: Über die Liebe. München 1972, S. 44.
76Gabriel Marcel: Geheimnis des Seins. Wien 1952, S. 472.
77Ebd.
78José Ortega y Gasset: Betrachtungen über die Liebe. Stuttgart 1956, S. 295.
79Ignace Lepp: Der Tod und seine Geheimnisse. Würzburg 1967, S. 142 - Vgl. Gerhard Wehr: Heilige Hochzeit. Symbol und Erfahrung menschlicher Reife. München 1986, S. 135ff. (zu Novalis und Sophie).
80Mit 'Kleidern' werden die menschlichen Körper auch im 2. Gesang des Bhagavadgita, einem der bekanntesten heiligen Bücher der Hindus, verglichen. - Auch Paulus (2 Kor 5, 2ff.) verwendet ein ähnliches Bild.
81Zum Motiv der 'stellvertretenden Sühne' der Nachkommen vgl. unten, S. 696ff. u. S. 721.
82Mays Erfahrungen mit der Strafjustiz spielen hier wohl herein!
83Dante: Divina commedia (Inferno 111, lff. 9); Vers 9 wird übrigens bei May: Deutsche Herzen, wie Anm. 18, S. 1337, zitiert.
84Ob mit der 'Hölle' hier der jenseitige 'Ort' der Todsünder oder das irdische 'Tränental' (oder beides) gemeint ist, muß wohl offen bleiben.
85Ein zyklisches Weltbild glaubt Günter Scholdt: Vom armen alten May. Bemerkungen zu 'Winnetou IV' und der psychischen Verfassung seines Autors. In: JbKMG 1985, S. 102-151 (S. 104), bei May zu erkennen. - Vgl. unten, S. 725.
86Ob dieser Passus im Sinne einer 'Erlösung des Teufels' zu interpretieren ist, sei dahingestellt.
87Vgl. Dante: Divina commedia (Paradiso XXXI, 1ff.: die weiße Rose als Christi "Braut"). -Eine künstlerische Interpretation dieser Himmelsrose hat z.B. Siegfried Köder mit seinem Ellwanger Kirchenfenster 'Vollendung' gegeben: Die Rose umhüllt ein liebendes Paar!
88Auf der autobiographischen Ebene könnte mit der "Shen" auch die idealisierte Klara May und mit der "Hen" die dämonisierte Emma Pollmer gemeint sein.
89Scholdt, wie Anm. 85, S. 137.


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90Vgl. Eberhard Simons: Dualismus. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 2. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg, Basel, Wien 1972, S. 77-82 (S. 78).
91Enthalten in Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheirn, New York 21982, S. 1-7.
92Karl Barth: Der Christ in der Gesellschaft (1920). In: Anfänge der dialektischen Theologie. Teil 1. Hrsg. von Jürgen Moltmann. München 21966, S. 3-37 (S. 35).
93Rudolf Pesch: Das Markusevangelium 1. Teil. Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Bd. II 1. Freiburg, Basel, Wien 1976, S. 101ff.
94Vgl. z.B. Herbert Leroy: Jesus. Überlieferung und Deutung. Darrnstadt 1978, S. 70ff.
95Otto Knoch: Wer Ohren hat, der höre. Die Botschaft der Gleichnisse Jesu. Werkbuch zur Bibel. Stuttgart 1983, S. 19.
96Martin Lowsky: Karl May. Stuttgart 1987, S. 107, mit Bezug auf Hans Wollschläger: Das Alterswerk. In: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34 "Ich". Barnberg 211958, S. 353 ff.
97Gert Ueding: Der Traum des Gefangenen. Geschichte und Geschichten im Werk Karl Mays. In: JbKMG 1978, S. 60-86 (S. 64); das folgende Zitat ebd., S. 74 - Später hat Ueding die Transzendenz in Mays Werken stärker betont; vgl. ders.: Die Rückkehr des Fremden. Spuren der anderen Welt in Karl Mays Werk. In: JbKM G 1982, S. 15-39.
98Vgl. Ernst Seybold: Plädoyer für Karl Mays Christlichkeit. In: MKMG 68 (1986), S. 11-17 (S. 14).
99Dazu Heinz Zahrnt: Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert. München 1967, S. 187ff.
100Zit. nach Heinrich Fries: Abschied von Gott? Eine Herausforderung - Ein Theologe antwortet. Freiburg, Basel, Wien 1971, S. 23.
101Vgl. Rudolf Kilian: Ich bringe Leben in euch. Propheten sprechen uns an. Stuttgart 1975, S. 34ff.
102Belege bei Hermann Wohlgschaft: Heute an Gott glauben. Wege zur Gotteserahrung. Aschaffenburg 1983, S. 32.
103Ernst Käsemann: Der Ruf der Freiheit. Tübingen 41968, S. 97.
104"Ocama" ist - nach Friede (S. 477) - ein Anagramm von "Macao": als Gegenentwurf zur portugiesischen Kolonie erfunden!
105Dazu, sehr provozierend, Adolf Holl: Jesus in schlechter Gesellschaft. München 51983.
106Mehr bei Wohlgschaft: Heute an Gott glauben, wie Anm. 102, S. 57ff.
107Belegstellen bei Koch, wie Anm. 22, S. 186ff. - Lowsky, wie Anm. 96, S. 86ff. - Vgl. oben, S. 276f.
108Aus Mays Brief an die Wiener 'Reichspost' vom 15.4.190 1; zit. nach Wilhelm Vinzenz: Karl Mays Reichspost-Briefe. Zur Beziehung Karl Mays zum 'Deutschen Hausschatz'. In: JbKMG 1982, S. 211-233 (S. 214).
109Friedhelm Munzel: Aufder Suche nach dem Frieden unter den Menschen. Karl Mays Sehnsucht nach dem Frieden als Stärkung für erzieherisches Bemühen um den Frieden heute. In: Beiträge pädagogischer Arbeit, 26. Jg. (1982), S. 48-66 (S. 59).
110In der Pax-Fassung etwas anders formuliert.
111Besonders eindrucksvoll ist die Reiterszene S. 125ff. (in der Pax-Fassung etwas kürzer geschildert).
112Vgl. Wagner, wie Anm. 37, S. 41.
113Vgl. oben, S. 402ff.
114Mays Interpretation des 'Herrschaftsauftrages' Gottes an den Menschen (Gen 1, 28) als Auftrag zum Pflegen und Bewahren entspricht durchaus dem Verständnis dieser Bibelstelle durch heutige Exegeten beider Konfessionen. - Vgl. Ernst Seybold: Karl-May-Gratulationen. Geistliche und andere Texte zu und von Karl May. Ergersheim 1987, S. 43 (Anrn. 56 u. 57).
115Vgl. Karl May: Old Surehand III. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XIX. Freiburg 1896, S. 128: "Steckt, wie Petrus, Eure Schwerter in die Scheide, Eure einzige Waffe soll nur die Liebe sein [...] Wie es einen Menschen gab, welcher die erste Mordwaffe erfand, so wird es dereinst, so wahr ein Himmel über uns ist, auch einen Menschen geben, der die letzte Waffe zwischen seinen Fäusten zerbricht."
116Ganz konsequent bleibt May hier freilich nicht: Im Silberlöwen IV, aber auch später in Ardistan und Dschinnistan und Winnetou IV spielen Waffen eine, wenn auch sehr untergeordnete, Rolle bei der 'Sicherung' des Friedens!
117Vgl. oben, S. 471.


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118Vielleicht erklären sich solche Äußerungen - teilweise - auch mit persönlichen Rücksichten auf Kreise des Hochadels, zu denen May ja gute Beziehungen pflegte; zum andern ist zu bedenken, daß die damalige Sozialdemokratie atheistische Tendenzen hatte, die May natürlich ablehnte.
119Zur latenten Kriegsneigung des Christentums" [sic!] vgl. Eugen Drewermann: Der Krieg und das Christentum. Von der Ohnmacht und Notwendigkeit des Religiösen. Regensburg 1982, S. 195-206.
120Drewermann: Tiefenpsychologie, wie Anm. 25, S. 477.
121So Krauskopf: Heldenrevision II, wie Anm. 45, in: MKMG 72 (1987), S. 3-11 (S. 8), zu Recht.
122Ebd.
123Amand von Ozoróczy: Karl May und der Friede. In: KMJB 1928. Radebeul 1928, S. 29-114 (S. 52); zit. nach Ekkehard Bartsch: 'Und Friede auf Erden!' Entstehung und Geschichte. In: JbKMG 1972/73, S. 93-122 (S. 114).


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3

Im Reiche des silbernen Löwen oder 'Was ich da sah, das ward noch nie gesehen


In den Jahren 1902/03, also zwischen der Erst- und Zweitfassung des Friede-Romans, entstand Im Reiche des silbernen Löwen III/IV (künftig nur Silberlöwe). Wie in Friede, aber psychologisch pointierter und theologisch gehaltvoller noch als dort, ist das Thema die göttliche Gnade bzw. die Selbstfindung des Menschen - im Kampf mit dem eigenen 'Schatten', im Hinhören auf die eigene Seele.1

   Eugen Drewermann vertritt die Auffassung: Weil Gott durch die Seele spricht, ist es "ein und dasselbe [...], die Angst des Daseins zu überwinden und zu Gott hinzufinden", ein ganzer Mensch zu werden und zu einer "frommen Poesie der Dankbarkeit und des Gebetes hinzufinden"!2 Eine solche Poesie ist - der Silberlöwe. Seine Botschaft soll, in ihrer prophetischen Kraft, ihrer letzten Bedeutsamkeit für den Menschen, erhellt werden.

   Vorauszuschicken ist die banale, aber doch wichtige Bemerkung: Nicht jede Aussage des Romans hat denselben Rang und dasselbe Gewicht. Wie jeder Mensch hat auch May, neben wirklichen Glaubensüberzeugungen, bestimmte Meinungen, die nicht derselben Tiefe entspringen, die heute vertreten und morgen relativiert werden können. Bloße Meinungen und letzte Überzeugungen genau voneinander zu trennen, ist sicher schwierig; aber Merkmale der Unterscheidung gibt es im Silberlöwen durchaus.

   Der Ustad, "eine Art Tolstoi",3 verschmäht jeden Alkohol. "Und alles, woran Blut war, ißt er nicht." (III, S. 565)4 Über die richtige Ernährung philosophiert auch der Autor: "Wenn die Menschen doch wüßten, was die Art und Zubereitung der Nahrung für einen Einfluß [...] hat!" (III, S. 345) Nur - May sind solche Dinge zwar wichtig; doch zur Religion erhebt er sie nicht.

   Die Heilung der Krankheiten (des Ich-Erzählers und Hadschi Halefs) durch Gebet, durch psychische Energien, durch die Kräfte des Unbewußten wird im Silberlöwen breit ausgemalt. Als Seelenarzt ist der Ustad bewegt vom göttlichen Geist; seine Ausstrahlung, sein "noch unbekanntes Fluidum" (III, S. 296) hat eine heilende Wirkung. Der Mitte der Botschaft entspricht dies schon eher! Und - man könnte Verdacht schöpfen. An die Geistheiler könnte man denken, wie sie in der Sektenszene heute verbreitet sind. Doch May grenzt sich ab von jeder Magie, vom "Okkultismus", von der "Pneumatologie" und "ähnlichen [...] Geschenken" der 'übersinnlichen Wissenschaft' (III, S. 330).5

   Der Pedehr, auch Hanneh u.a., tragen bestimmte Ansichten über den Leib, den Geist und die Seele vor (z.B. III, S. 322ff.). Der Autor macht sich Gedanken darüber. Zur eigentlichen Botschaft gehören diese Erörterungen aber wohl kaum; dafür sind sie zu tastend und unbestimmt.

   Was seine Leib-Seele-Theorien betrifft, könnte sich May an Swedenborg angelehnt haben.6 Auch könnte er, wie andere Zeitgenossen, manche Ideen Rudolf Steiners übernommen haben.7 Eine anthroposophische Lehre hat er aber nicht verkündet. Spezifisch esoterische,8 den Anthropologien der Bibel kontradiktorisch widersprechende Aussagen gibt es bei ihm nirgendwo.

   May sei, so wird oft gesagt, ein Eklektiker. Dem "Christentum, dem Parsismus und dem Manichäismus"9 habe er einen Dualismus von Licht und Schatten, von Geist und Materie10 entnommen. Doch solche Behauptungen werden May nicht gerecht. Denn


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weder betrachtet er den Leib als etwas Böses, noch versteht er Gut und Böse als gleich michtige Seinsweisen.11

   Für die theologische Deutung des Silberlöwen sind die Leib-Seele-Spekulationen des Autors nicht entscheidend. Wir lassen sie, im folgenden, auf sich beruhen und beschränken uns auf zentrale Aussagen des Romans.



3.1

Die Würde des Menschen vor dem Antlitz des Schöpfers


In Nietzsches Buch Die fröhliche Wissenschaft (1882) läuft der "tolle Mensch" auf den Markt und schreit unaufhörlich: "Ich suche Gott! Ich suche Gott!" In der Menge nur großes Gelächter. Denn Gott ist tot - im Bewußtsein von Menschen, die ihn nicht mehr zu brauchen scheinen.

   Der tolle Mensch spricht aus, was die andern schon nicht mehr beschäftigt:


"Wohin ist Gott?" rief er. "Ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet - ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! [...] Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? [...] Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht? [...] Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden [...]?"12


   May verstand sich als Antipoden des Philosophen13 (der das Entsetzen über den Gottesverlust, im hier zitierten Text, freilich selbst noch bezeugt): "Und an demselben Tag, da drüben Alles stürzt, wird hier das Wunder neu geboren werden, daß Steine schreien, wenn man Gott nicht hört!" (IV, S. 334)

   Für May ist die Erde nicht losgekettet von ihrer Sonne. Der Mensch ist nicht hinausgeworfen in die Leere des Raums, und die Stelle Gottes braucht er nicht einzunehmen. MENSCH darf er sein vor dem Angesicht Gottes: "Bau auf mein ew'ges Wort; steig auf zur Sonne. Amen!" (III, S. 513)

   Der Mensch ist - in allen Werken Mays ein Grundmotiv - von guten Mächten geführt. Ein planender Geist, ein ewiger Wille bestimmt alles Sein: "Wie wunderbar die Fäden des menschlichen Lebens gesponnen werden! [...] Wer legt die Muster auf? Wer lenkt das unermüdliche Schiffchen [...]? Immer und immer nur wir selbst? Wir armen armen, kurzsichtigen Thoren!" (III, S. 288)

   Der Mensch ist gehalten in Gottes Hand. Woher nimmt May dieses Wissen? Der Ustad hat vier "Bibliotheken": die Bibel, sein eigenes Herz, die sichtbare Schöpfung und "viele, viele" Bücher (III, S. 323f.). Prägnant und theologisch sehr richtig sind die Spuren Gottes im Blick: Gottes Selbstoffenbarung in der Welt und in den heiligen Schriften sowie die Lebenserfahrung des Autors und anderer Menschen!

   Zum Glauben gehört die Erinnerung. Wer glaubt, blickt zurück und erkennt: In wieviel Not (IV, S. 388) hat Gott mich bewahrt! Er hat es getan und wird es auch weiterhin tun (vgl. Jes 46, 4). "Kein Fatum, kein Kismet, sondern eine Führung, eine Oberleitung" (IV, S. 388)!

   Welche Führung ist gemeint? Eine 'reine Idee', ein numinoses Prinzip, eine kosmische Energie im Sinne Rudolf Steiners oder des modernen 'New-Age-Bewußtseins'?14 Der Silberlöwe weist in eine andere Richtung: Die "Summe alles dessen, was geschrieben ist", ist der PERSÖNLICHE,15 die Antwort des Menschen erwartende Gott. Die "Summe" ist der


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Ausruf der Mekka-Pilger "nach langer, mühsamer Wanderung [...] 'Hier bin ich, o mein Gott!'" (III, S. 324)

   Im Verständnis Mays - und der Religionen - ist Gott das letzte Ziel der menschlichen Sehnsucht. Aber müßte die Welt nicht anders aussehen, wenn Gott allmächtig und gut ist? Wenn gute Mächte, wenn Gottes Engel den Menschen behüten (IV, S. 388)?

   In fast all seinen Dimensionen hat May das Unglück erlebt und drastisch geschildert. In erzählender Theologie16 hat er alle Leiden, sehr eindringlich, benannt und - im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen - zum guten Ende geführt: "Warum geben unsere Dichter solchen Lebenskämpfen fast immer einen tragischen Schluß? Kennen sie unsern Herrgott nicht?" (III, S. 563f.)

   May will das Leid gewiß nicht verharmlosen.17 Angesichts des Zweifels an Gottes Güte und Gerechtigkeit verweist er auf die Verantwortung des Menschen in dieser Welt.18 Auf rationale Erklärungen für das Leid verzichtet er aber. Er lädt nur ein zum Vertrauen: daß "zu unserm Heile die Gründe dessen, was geschieht, verborgen bleiben" (III, S. 474)!

   Warum läßt Gott uns leiden? May gibt keine plausible Antwort. Eine Schwäche seines Konzepts, seiner theologischen Poesie?

   Romano Guardini hat kurz vor seinem Tode gesagt, er werde sich - in der Ewigkeit, im 'letzten Gericht' -


nicht nur fragen lassen, sondern auch selber fragen; er hoffe in Zuversicht, daß ihm dann der Engel die wahre Antwort nicht versagen werde auf die Frage, die ihm [...] keine 'Theodizee' und Theologie, auch die eigene nicht, habe beantworten können: Warum, Gott, zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?19


   Warum läßt Gott uns leiden? Karl Rahner hat alle gängigen Antworten in Frage gestellt.20 Sein Credo: Gottes Geheimnis ist unergründlich - zu bejahen nur in der Liebe, die dennoch vertraut.

   "Was bist du betrübt, meine Seele, und so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen." (Ps 42, 6) Auch Mays Gedanken münden ein in den Lobpreis. In allen Klagen, in allen offenen Fragen verläßt er sich auf das Wort in der Bergpredigt Jesu (Mt 6, 8): "Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, noch ehe ihr darum bittet." (III, S. 291)

   Die sündige, auf Erlösung harrende Kreatur (Röm 8, 18ff.) steht für May unter dem großen Regenbogen der unendlichen Güte des Schöpfers. Der "Gottessonnenstrahl" erreicht den Menschen, wenn er sich selbst nicht versperrt: "Nun sah ich erst, wieviel die Huld des Herrn dem Menschen spendet, und griff mit fester Hand in diese Fülle" (IV, S. 170f.)!

   Was ist der Mensch angesichts dieser "Huld des Herrn"? Im Alten Testament steht ein bekannter, in seiner Bedeutung aber weithin noch unentdeckter Text (dessen 'anthropozentrisch gewendete' Theologie im Silberlöwen wiederkehrt):


Seh' ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst [...]? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt [...] Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde! (Ps 8, 4ff.)


   Dieselbe Dialektik von Abhängigkeit und Größe des Menschen gibt der Botschaft des Silberlöwen ihre zeitlose Substanz und ihren theologischen Hintersinn!

   Dem Ruhm der göttlichen Größe in den Psalmversen entspricht das Gotteslob des Ustad: "Schon sehe ich den Ort der Andacht ragen, der zeigen soll, wie groß, wie groß der Herr, wie aber winzig, winzig klein das arme Menschlein ist." (IV, S. 642)


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   Ist damit schon alles gesagt? Muß der Mensch klein sein, damit Gott um so größer wird? Der Psalmist wagt das erstaunliche, ja bestürzende Wort: "Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott." Der biblische Dichter hat diese Idee aus ägyptischen Liedern übernommen. Dort war freilich der Pharao gemeint,21 hier dagegen ist JEDER Mensch angesprochen. Und das ist - revolutionär! So hoch steht also der Mensch: Gott macht ihn groß, so wie der Liebende den Geliebten erhöht und 'groß herauskommen' läßt!

   DIESES Menschenbild wird, in heimlicher Auseinandersetzung mit Nietzsche, auch im Silberlöwen zur Sprache gebracht. Nietzsche predigte wider das Christentum und seine 'Sklavermoral'. Für ihn hat die Religion ihren Ursprung im Ressentiment der 'Schwachen' gegenüber den 'Starken'.22 Vor diesem Hintergrund, von der Religionskritik Nietzsches her, ist die Botschaft des Silberlöwen zu interpretieren.

   Den frommen Ustad verhöhnt der Herrenmensch Ahriman: "Du sprichst so kindisch und zugleich so altersschwach, wie eure sogenannte Frömmigkeit ja stets zu reden pflegt!" (III, S. 598) Doch Kara Ben Nemsi setzt der bigotten, von Nietzsche zu Recht attackierten Sklavenmoral - der "Schwachkopf-Frömmigkeit" (IV, S. 143) der Duckmäuser - den "unverfalschten Gottesglauben" (ebd.) entgegen, der seine Würde auch Gott gegenüber verteidigt.23

   Der Mensch soll "aufrecht" stehen vor Gott und die "kriecherische Weise" (IV, S. 120) vermeiden. Denn die wahre Frömmigkeit kennt keine "Mummelgreise"; sie gibt die Kraft "zum Lebenskampf" und fordert "frohe Menschenkinder, die sich in Gottes reinem Lichte sonnen." (IV, S. 143)

   Die "Freude an Gott ist eure Stärke" heißt es in der Bibel (Neh 8, 10). Solche Freude und solche Kraft verkündet der Silberlöwe. Wie Psalm 8 verbindet auch May die Freude, den STOLZ des Geschöpfs mit der EHRFURCHT vor seinem Schöpfer.

   Sein 'Ebenbild', den Menschen, hat der Weltenkönig "gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit", die im Grunde die Erscheinungsform Gottes sind!24 Vom Übermenschen Nietzsches unterscheidet sich dieses Menschenbild - dennoch - fundamental: Nicht in titanischer Auflehnung, nicht in der Trennung von Gott findet der Mensch seine Größe; nein, in der VERBINDUNG mit Gott und nur so kann der Mensch seine 'Königswürde' behalten! Denn seine Hoheit ist ihm verliehen vom Schöpfer, aus dessen Hand er seine Würde entgegennimmt. Gott beschirmt sein Geschöpf und weist ihm den Weg: "Weich ja nicht von ihm ab! [...] Du würdest diesen starken Schutz verlieren und nicht Gebieter, sondern Sklave sein!" (IV, S. 3 88)

   Der Mensch ist die 'Krone', das "herrlichste Gedicht der ganzen Schöpfung" (III, S. 268)!25 Sein Ziel ist die "Individualität", die Eigenständigkeit, die geistige Freiheit und die "volle Selbstbestimmung" (IV, S. 40). Die göttliche "Oberleitung" deren "Absichten auszuführen" des Menschen Bestimmung ist, nimmt seine Freiheit ernst und setzt ihn nicht herunter zur willenlosen Puppe; sie läßt ihm "jeden möglichen Spielraum" für seine eigenen "Gedanken und Entschlüsse" (IV, S. 388)!

   Dem aufklärerischen Pathos, aber auch der paulinischen Freiheitsmaxime26 gemäß, vertritt Karl May im Silberlöwen die weitestgehende Selbständigkeit, die größtmögliche Eigenverantwortung des Menschen. Zu gehorchen hat er nur dem "Schah" und nicht den "Hoben", die in aller Welt die Lüge verbreiten, der Herrscher "habe ihnen die Gewalt gegeben, die doch nur er allein besitzen kann." (IV, S. 396)

   Wie May erläutert, ist der Schah kein andrer als Gott.27 Dann aber gilt: Alle Menschen sind Geschwister; es darf da keine "Großen" (IV, S. 396) geben, die den Kleinen ihre Würde rauben!


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   Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - diese im Grunde biblischen Ideale der Französischen Revolution bestimmen das Menschenbild des Silberlöwen. Das Prinzip der Gleichheit in der Würde verbietet jede Art der Bevormundung, aber auch jede Art des Kollektivismus. May betont die Verschiedenheit der Individuen: Jeder soll sich entfalten "in seiner besondern Eigenart"; deshalb kann "die Form für den einen nicht auch die Form für den andern sein." (IV, S. 210) Da jeder auf SEINE Weise Gottes Ebenbild zu sein hat, darf es keine - politische oder geistliche - Herrschaft von Menschen über Menschen geben. Der Mensch soll "freien Geistes" werden und "nicht mehr bloß [...] nach Regeln" und Gesetzen handeln, die "von Menschen vorgeschrieben sind" (IV, S. 162f.)!

   Das "Gefühl der Abhängigkeit"28 von menschlichen Instanzen sucht May zu überwinden. Menschliche Autorität und geistliche Vollmacht lehnt er allerdings nicht grundsätzlich ab: Als 'Meister' ist der Ustad das religiöse Vorbild seiner Dschamikun. Aber er kennt seine Grenze! Er verweist auf Gott, macht andere nicht abhängig von seiner Person, entmündigt sie nicht und nimmt ihnen nicht ihre freie Verantwortlichkeit.29

   Das diabolische Gegenbild wäre der absolutistische Herrscher oder der Sektenfährer! Im Roman - der finstere "Schatten" im Traum des Ich-Erzählers, von dem der Autor berichtet:


Er faßte meine Hand Wein ist dein Geist; mein ist auch deine Seele Aus meiner Hand strömt dir das höchste Glück, das es für Menschen gibt in Zeit und Ewigkeit: Du bist vollständig willenlos und folglich frei von jeder Schuld und Sühne! Tu Alles, was ich sage, ob Gutes oder Böses, der Rechenschaft bist du fortan enthoben" (IV, S. 318)!30


   Der Träumer widersteht seinem 'Schatten'. Er weiß, der Mensch ist seinem Wesen nach frei. Seine Freiheit und seine Verantwortung darf er nicht abtreten an fremde Instanzen. Denn er muß, gerade darin liegt seine Würde, SELBST einmal Rechenschaft geben.31

   Ob er will oder nicht, der Mensch steht - in Freiheit - seinem Gott gegenüber. Ob als Feind oder Partner, als Knecht oder Freund, bleibt ihm selbst überlassen (vgl. Job 15, 9ff.)!

   Auch vor Gott ist der Mensch nicht nur passiv und nicht nur Befehlsempfänger. Befähigt und berufen zum eigenen Tun, kommt dem Menschen auch Gott gegenüber eine gewisse Selbständigkeit zu! Schakara meint zu Kara Ben Nenisi: "Ihr sollt Euch auf den Schah-in-Schah verlassen, ja." Doch die "Trägheit nur braucht immerwährend Hilfe." Wer Charakter hat, der weiß, daß er sich "selber helfen könne. Effendi, komm; Charakter ist vorhanden! Wir greifen gern mit eignen Händen zu. Und wenn der Schah das sieht, wird er sich freun. Denn darin grad, daß wir es selbst vollbringen, liegt seine größte Macht: direkte Volkesliebe!" (IV, S. 396)

   Schakaras so harmlos klingende Worte verschlüsseln die Theologie des Autors. Wenn Gott den Menschen in seine eigene Verantwortung ruft und zum selbständigen Tun befreit, dann meint der Dichter nichts anderes als die 'Selbsttranszendenz' und 'Selbststeuerung' des geschaffenen Daseins, wie sie z.B. von Karl Rahner (im Dialog mit dem neuzeitlichen Denken) vertreten werden: Die Gnade Gottes setzt die eigene Tat, "die innerweltliche Aufgabe des Menschen nicht herab, sondern gibt ihr erst ihre letzte Würde, Dringlichkeit und Gefahr" - weil der Mensch "sein Heil nicht an seiner weltlichen Aufgabe vorbei [...] wirken kann"!32

   Mays Theologie läuft hinaus auf die später von protestantischen Theologen wie Gogarten, Bonhoeffer und Cox, aber auch von katholischen Theologen wie Rahner und Metz33 verfochtene These einer von Gott in ihre (relative) Selbständigkeit entlassenen Welt: Gerade WEIL Gott die Welt in Christus liebt und endgültig annimmt, gibt er sie frei in ihr


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Eigenes, in ihre volle Weltlichkeit, die freilich auf Gott - als den absoluten Grund ihres Daseins - immer bezogen bleibt.

   Wer die Verantwortung des Menschen im Heute und Jetzt, wer die Gegenwart nüt ihren Herausforderungen nicht annehmen, also "nichts mehr von der Erde, sondern nur noch den Himmel sehen" will, gleicht - May zufolge - dem Esel: Zum "Naturzwange, zu allem immer nur 'Ja' sagen zu müssen", kommt die "Köpfe-hoch-Dressur" noch hinzu (IV, S. 28f.)!34

   Wer, umgekehrt, in dieser Welt aufgeht und "nie den Himmel, sondern nur die Erde" sieht, gleicht dem gefesselten Kamel: "Zum Kniebeugen" reichen seine Stricke aus, "doch nicht dazu, das Haupt emporzuheben"; es hat, genauso wie der Esel, "nichts zu thun als das, was die Dressur befahl" (IV, S. 30)!



3.2

Der große Traum und das befreite Gebet


Der Anthroposoph Alfred Schütze nennt zwei Grunderscheinungsformen des Übels: "Erdsucht und Erdflucht sind die beiden Lebensirrtümer, denen der Mensch verfallen kann."35

   Die Theologie des Silberlöwen verfällt diesen Irrtümern nicht. Der Blick zum Himmel ist in diesem Großroman so wichtig wie die Treue zur Erde. Weil die Vertikale (die Verbindung mit Gott) und die Horizontale (die irdischen Aufgaben) zusammen das "Kreuz" bilden36 und weil das Bekenntnis zu Christus nicht fehlt, ist der Silberlöwe christliche Dichtung.

   Die Welt und der einzelne Mensch, so sagten wir, behalten auch ihrem Schöpfer gegenüber die Autonomie, die relative Selbständigkeit. Gott liebt diese Welt, er zieht sie an sich (Joh 12, 32), aber er saugt sie nicht auf.

   Symbol für die Bundes-Beziehung,37 für die Distanz und die Nähe Gottes zur Erde, ist in den Traumwelten des Silberlöwen die Alabasterkrone über dem "hohen Haus" des Ustad. Sinnbild der Wohnung Gottes unter den Menschen (Ez 37, 27; Offb 21, 3) ist diese Krone! Leuchtend "an der Scheidelinie zwischen Himmel und Erde" (III, S. 514) hat sie die Form eines offenen Zeltes: ein Zeichen des Aufbruchs, des Unterwegsseins des Menschen zu Gott.

   Die Alabasterkrone verweist - in ihrer Vorläufigkeit - auf Christus, auf das Kommen des Menschensohnes am Ende der Zeit (Mk 13, 26):


Wer ist es, der da kommen wird? [...] Der, welcher mitten unter ihnen ist, wenn zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen? Aber wenn er es thäte, würde er in der bisherigen Weise weiterbauen? Sprach er nicht immer nur von seines Vaters Hause [...]? Warum also hier Stein auf Stein türmen, [...] während für unsere kurze Wanderung ja doch ein Zelt genügt? (III, S. 513f.)


   Errichtet wurde die Zeltkrone über dem Haus des Ustad, dem wichtigsten Schauplatz des Romans: jenem monströsen Etagenbau, jener "steinernen Leiche" (III, S. 513), jener Tempelruine, die das Werk der Religionen ist - eine brisantes Motiv (auf das wir später zurückkommen) - und die am Ende zusammenstürzt. "Jahrtausende haben da unten gebaut, stark und fest wie für endlose Zeiten, und doch vergeblich für die Ewigkeit!" (III, S. 514)

   Nach dem Sturz der Ruine ist es zu Ende mit der "ganzen, steinernen Vergangenheit" (IV, S. 560). Doch das Zelt, die Alabasterkrone, bleibt erhalten - als Zeichen des Bundes, der göttlichen Huld.


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   "Seht, das Zelt Gottes unter den Menschen!" (Offb 21, 3) In der Vision des Dichters, am Ende des Romans, zeigt die 'Neue Schöpfung' schon jetzt ihre Kontur: Die Berge "'machten sich auf, und auf allen Höhen 'wurde Licht'38 [...] Die Alabasterkrone erschien, [...] als ob sie der Erde vom Himmel entgegengestreckt werde" (IV, S. 641)!

   Das im Traum des Erzählers vorausgeschaute 'Gebet', die "im Gesteine verborgene Bergesseele" (III, S. 631), gibt die Ruine nun endlich frei: "einer Offenbarung gleich" (IV, S. 641).

   Was hat der Träumer gesehen? Noch vor seinem Traum,39 in der 'Real-Fiktion' der Erzählung, hat er mit Halefs Sohn das Bergesinnere durchforscht. Unter der Ruine, in der dunkelsten Tiefe, im unterirdischen See (in den Abgründen der Welt und des eigenen Herzens, könnten wir sagen40) fand er ein Gerippe, ein menschliches Skelett, "ganz zusammengekrümmt, die Kniee bis an den Leib herangezogen, die eine Hand geöffnet, um nach Hilfe auszufassen, die andere aber geballt, wie in fluchender Drohung ausgestreckt." (IV, S. 305)

   Wie mag dieser Mensch "gebetet, geflucht, geschrieen, gewimmert haben" in diesem Souterrain aller Welten! Keiner hat ihn, so scheint es, gehört. Mit dem "letzten Fluch" wird er zu Allah gegangen sein (IV, S. 306).

   Das Schreckensbild weitet sich aus: "Die Brechung des Lichtes bewirkte ein scheinbares Emporsteigen alles Dessen, was sich da unten befand, und so erhob sich vor unsern Augen eine Menge menschlicher Gestalten, welche sich zu bewegen und drohend auf uns zuzuschwimmen schienen." (IV, S. 307)

   Ihre Phantasie spiegelt den Forschern nur Leichen, nur dürre Gerippe vor. Die Ängste des Autors, die "Untergeschosse"41 seines Bewußtseins melden sich an! Doch die psychologische Deutung allein führt nicht weiter.

   Kara Ben Nemsi und sein Begleiter sehen den Tod: Skelette von Menschen, die verhungert oder ertrunken sind. Unzählige sind tatsächlich so gestorben! Angesichts extremer Martern stellt sich die Frage des Leids nun verschärft. Der Atheist muß solche Qualen als sinnlos betrachten. Er kann nur laut protestieren oder still resignieren.

   Aber setzt der Protest nicht ein Vorverstindnis von Sinn und von Liebe voraus? Eine Instanz, die diesen Protest zur Kenntnis nimmt?


Wir stehen doch vor dem Dilemma, entweder uns immer neu davon zu überzeugen, daß dieser Schrei [...] doch gehört und beantwortet wird in einer Weise, die von hier aus nicht begriffen [...] werden kann, oder uns davon zu überzeugen, daß alle diese Proteste von vornherein sinnlos sind.42


   Wenn man den Toten ihre letzte Würde und Bedeutsamkeit nicht absprechen will, muß man auf ihre Rettung durch Gottes Liebe vertrauen. Solches Vertrauen kommt im Silberlöwen zu Wort, in schlichten Versen und kunstvollen Traumbildern. "Wir leben, und auch unter uns ist nicht der Tod, sondern etwas ganz Anderes" (IV, S. 307), versichert Kara Ben Nemsi seinem Gefährten in der Unterwelt.

   Ein Hoffnungsbild, ein Zeichen sieht der Erzähler im Innern des Berges: etwas "weiß Glitzerndes", ein Postament mit einer strahlenden Lichtfigur. Die verkalkten Gerippe, die Schatten des Todes, der versteinerte Erdenfluch scheinen zurückgelassen: Hier "ist es mir, als sei der Fluch in Segen umgewandelt, und was dort Kalk im Todeswasser war, das kniee hier erlöst im alabasternen Gebete!"43 Doch alles ist noch unbestimmt: "Es kniet hier Jemand, den ich bloß nur ahne. Ein betender Gigant! [...] Hebt er die Hände fordernd auf zum Himmel? Hält er sie still gefaltet in Ergebung?" (IV, S. 311)


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   Später will Kara Ben Nemsi - damit endet die 'reale' Vorgeschichte des Traumes - zurückkehren, um die Figur dann deutlicher zu sehen.

   Er sieht sie im Traum! Zunächst, am Eingang des Berges, begegnet der 'Warnende'. Als Türhüter44 prüft er den Helden: "'Kannst du beten?' 'Ja.' 'Richtig?' 'Ich hoffe es.' 'So geh hinein!'" (IV, S. 315)45

   Im Innern der Tempelruine, im "descensus ad infer(n)os",46 trifft der Träumer den - eigenen? - Schatten: den 'Zauberer', dessen Blick so spitz ist "wie die Klinge eines Dolches" (IV, S. 316f.)!47 Er kämpft mit dem Unhold. Er taucht mit ihm unter in die schwärzeste Flut, in den Abgrund des 'Todes'. Doch im Gebet wird - der Tod in Leben verwandelt (IV, S. 328).

   Auf den Sockel der Alabasterfigur rettet sich Kara Ben Nemsi. Der Zauberer, eben noch giftig und sinnend auf Unheil, ist plötzlich ein Mensch mit Herz und Gefühl. Er sitzt neben dem Träumer und - betet für ihn!48

   Ein Gerippe kommt angeschwommen, gefolgt von andren Skeletten.49 Sie dürsten nach Rache. Seit Jahrtausenden zemagen sie - die Säulen des Tempelgebäudes: "Vernichten wir da draußen allen Trug, so fördern wir in diesem Raum die Wahrheit." Den Träumer klärt das Gerippe nun auf: "Es ist der Fluch, an dessen Fuß Ihr hockt! Der Fluch, der Fluch, der hier so oft erklungen, daß er des Steines Seele werden mußte!" (IV, S. 334)

   Das 'Gebet' des steinernen Giganten ist - wie Karas Traum nun enthüllt - eine Geste des Fluchs, der geplanten Zerstörung! Aber es fehlt noch: die Unterschrift am Sockel der Figur. Dieses letzte Wort fordern die Gerippe von Kara Ben Nemsi. Doch dieser mahnt: "Ihr selbst gestandet ein, daß Euer Wort Euch mit zerschmettern werde. Glaubt an das meinige, so werdet Ihr von ihm hinaus [...] geführt!" (IV, S. 336)

   Das befreiende Wort hält der Träumer zurück - bis die 'Toten' ihre Schuld bekennen. Eine überraschende Wendung! Der Blickwinkel des Lesers muß sich jetzt ändern: Denn die 'Opfer' sind - zugleich auch die Schuldigen! Ihre Schuld ist: der Hochmut, welcher Gott "nicht anerkannte" (IV, S. 348)! Auch ihnen wurde das Gebet empfohlen: Der Warner "'sagte es, doch beteten wir nicht. ' 'Warum nicht?' 'Ist das Gebet für so erhabne Geister, wie wir waren?'" (IV, S. 337)

   Ist jedes Leid nur die Folge der "Selbstübergötterung" (IV, S. 33)? Das kann man nicht sagen und das meint auch nicht May. Aber DIESE Geister, die Skelette in der Bergeshöhle, waren - ihre eigenen Götter. Wie den Selbstgerechten in Jenseits50 ist ihnen - der 'Boden' entschwunden (IV, S. 348). Wir sehen: auch hier wieder die Absage des Autors an Nietzsche! Die Gerippe blieben im 'Tod': weil sie sich getrennt hatten - von Gott.

   Der Weg ins Freie zeigt sich dem Gebet, der wahren Gottverbundenheit. Die Geister kommen, durch Kara Ben Nemsi, zur Einsicht: "'Vergib uns unsre Schuld klang es von Kopf zu Kopf und auch hinaus ins vordere Bassin." (IV, S. 342)

   JETZT ist die Rettung nicht fern: "Die Seele naht, die Seele Eures Bildes Und soll der Stein an Gottes Stelle reden, der nichts und nichts [...] als segnen kann, so gebt ihm Hände, welche benedeien!" Denn noch ist es Zeit, "des Bildes Rachefaust verzeihend zu gestalten." (IV, S. 343) Und dies ist die Rettung: Der Verzicht auf die Rache, das Gebet für die Mörder, die Übergabe der Schuld in die Gnadenhand Gottes geben dem "verzauberten Gebete" (IV, S. 339) seine Seele, seine Leuchtkraft zurück.

   Die Schuld der gottlosen Geister, die Schuld der verkalkten Gerippe ist jetzt getilgt; der Bann ist gebrochen, die Nacht überwunden: Gott macht die Finsternis heil (Ps 18, 29)! Die Alabasterfigur wird zur Quelle des Lichts: "Das Bild ward nicht von außen her


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beschienen. Es trug das Licht in sich [...]" Der Träumer ist fasziniert: "Was ich da sah, das ward noch nie gesehen, weit keine Kunst noch je so Schönes schuf!" (IV, S. 346)

   Gott selbst ist, dem brennenden Dornbusch (Ex 3, 5) vergleichbar, erschienen! In DIESER Nähe kann der Mensch nicht verweilen. "Wird dieses Licht zur Schattenlosigkeit, so sind wir alle [...] hier verloren!" (IV, S. 346) Die Gerippe fliehen. Sie suchen den Schutz des 'Halblichts', des Schattens.

   Und Kara Ben Nemsi? Die Grenze zum Geheimnis, zum absoluten Mysterium, kann er nicht überschreiten. Die Skelette und das träumende Ich halten der Lichterscheinung nicht stand, weil die unmittelbare Gottesschau dem Menschen - auch dem Dichter, dem Visionär - auf Erden verwehrt ist. Folgerichtig läßt May seinen Helden die Geister hinausführen: in die Distanz zur göttlichen Glut, zum Beit-y-Chodeh, zum irdischen Hause Gottes hinauf.

   Mit der 'Seelenwanderung', mit der Rückkehr der Verstorbenen aus dem Jenseits,51 mit der 'Wiedergeburt' in einem neuen Körper, hat diese Szene natürlich nichts zu tun! Man muß die semantische Vielschichtigkeit des Romans52 und, besonders im Traumgeschehen, die wechselnde Bedeutung der Bilder beachten: Auf seiner 'realen' Erkundungsfahrt sah Kara Ben Nemsi ein 'echtes' Gerippe; im Traum aber sind die Skelette keine Leichen im physikalischen Sinne. Nicht den biologischen Tod, sondern die Verstocktheit, die 'Verknöcherung' des gottfernen Menschen stellen sie dar!

   May ist theologischer Dichter und nicht Spiritist. Die Aussage-Intention, die katechetische Botschaft seiner Traum-Gestaltung, ist nicht die Rückkehr der Toten ins irdische Sein, sondern die Rettung des Sünders aus dem 'Grab' der Sünde. Das Thema des Traums ist die rechte Gottesbeziehung des Menschen, zugleich aber die Transzendenz, die unendliche Größe des Schöpfers, die der Mensch nur zu ahnen und nicht zu 'greifen' vermag.

   Den Glanz der Gottheit, das 'Mysterium tremendum et fascinosum',53 kann man nicht schauen. Der Karl-May-Verleger Euchar A. Schmid kommentierte es richtig: "Unser Bestehen liegt in menschlichem Wirken und menschlichem Sein, und die letzte Erkenntnis muß uns verschlossen bleiben, solange wir auf dieser Erde wandeln."54 Zu dieser Begrenztheit aller Erkenntnis, die für die theologische Forschung eine - in ihren Systemen und Lehrgebäuden freilich oft vergessene - "Selbstverständlichkeit"55 ist, bekennt sich der Dichter im Silberlöwen III/IV.



3.3

Die Bergpredigt Jesu und die Ethik des Silberlöwen


Der Mensch bleibt Mensch, und den Standpunkt Gottes kann er nicht einnehmen. Doch die Verbindung des Menschen mit Gott ist möglich und notwendig zu seinem Heil. Im Gebet - in der Bitte, im Lob und im Dank (IV, S. 8) - wird diese Verbindung konkret: Gott, dem "einzig Einen", versprechen die Skelette, daß sie "wieder beten werden!" (IV, S. 348)

   In Nietzsches Also sprach Zarathustra heißt es: "Sie sind alle wieder fromm geworden, sie beten, sie sind toll [...] der schlimme Zauberer [...] und Schatten."56

   Viele Nietzsche-Sujets kehren wieder im Silberlöwen. Auch der Spott, die Satire. Doch verhöhnt werden bei May nur die Heuchler, die den Namen Gottes mißbrauchen. Ihr 'Tempel', ihre zum Stein gewordene Überheblichkeit, muß zusammenbrechen. Was jedoch bleibt und nicht zerstört werden kann, sind das "Kirchlein", das noch zu bauen ist (IV, S. 642), und die alles überragende Alabasterkrone.


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   Auf das 'Kirchlein' werden wir später zurückkommen. Und die Alabasterkrone? Auf der "höchsten Höhe" des Etagen-Bauwerks steht das Zelt, das "eigentliche 'hohe Haus'" des Ustad (III, S. 510). Die 'Predigt' der Tempelruine schließt es ab: als das "Amen" (III, S. 5 12), das nicht vergeht!

   Als das 'Amen' hat der Ustad dieses Zelt bezeichnet. "Das war das richtige Wort." Kara Ben Nemsi hat den Meister verstanden. "Möchten doch auch andere" ihn "verstehen!" (III, S. 513f.)

   Das - in Zarathustra ebenfalls bekannte57 - "Amen" hat eine Schlüsselbedeutung im Silberlöwen. Was meint dieses Wort? Die Bibelexegese erklärt: Dem hebräischen 'Amen' liegt dieselbe Wurzel zugrunde wie den hebräischen Wörtern, die 'Glaube', 'Bestand' und 'Vertrauen' bedeuten. Im Neuen Testament ist das Amen identisch mit Christus: In ihm ist das Ja und das Amen gekommen "zu allem, was Gott verheißen hat" (2 Kor 1, 20; vgl. Offb 3, 14)!58

   Leonardo Boff deutet es so: Amen sagen heißt "sich freudig und gelassen einem verborgenen und letzten Sinn der Wirklichkeit anzuvertrauen". Das Amen umfaßt den ganzen Menschen "in seinem Streben zum Himmel und in seiner Verwurzelung auf der Erde".59

   Mit dem Streben zum Himmel und der Treue zur Erde ist die Theologie des Silberlöwen (und überhaupt des Mayschen Spätwerks) auf die kürzeste Formel gebracht. Das fromme Gebet ist wichtig; aber gegen die Verantwortung des Menschen in dieser Welt darf es nicht ausgespielt werden!60 So ist es richtig und konsequent, wenn May die theologisch begründete ETHIK betont: "Es muß doch etwas Großes um die wahre Humanität sein" (IV, S. 260)!

   Mays Alterspoesie ist, so dürfen wir sagen, ein 'hohes Lied' der Liebe. Nicht nur die Schreibtischlampe des Ustad, den ganzen Roman - von Ausrutschern: häßlichen Einzelszenen allerdings abgesehen - schmückt der Hymnus "Die Liebe hört nimmer auf!" (IV, S. 3; 1 Kor 13, 8) Ein Signal der Vergreisung, der "parareligiösen Ideologie"61 des alten Mannes, der - so Ahriman über den Ustad - "nicht mehr denken kann und darum nur noch lieben will" (III, S. 600)?

   Die Liebe ist das Wesen der echten Religion. Denn Gott ist die Liebe (1 Joh 4, 8). Und das Denken wird durch die Liebe nicht ersetzt, sondern vermenschlicht. Die Liebe ist - so Rahner - das "Stichwort für das Ganze des Menschen",62 und Mays Erzählung setzt dieses Stichwort um in poetische Handlung. Des Dichters Prämisse: "Jede Kreatur will Liebe haben und giebt sie doppelt wieder, wenn sie sie empfängt!" (III, S. 280) Auch "die Tiere und überhaupt alle Geschöpfe zu lieben", ist Gottes Gebot (III, S. 86). Und "wo die Liebe wohnt, da ist die schönste [...] Seligkeit" (III, S. 118)!

   Auch Halef hat es erkannt. Seine Rede - zu Beginn des Kapitels 'Ueber die Grenze' - entspricht dem Grundakkord des Silberlöwen: dem Sterben des 'alten' und der Wiedergeburt des 'neuen' Menschen. "Ich wohne in diesem Leben, doch Allah hat mir seine Boten gesandt, welche mir sagen, daß ich für ein anderes bestimmt sei. Nun frage ich mich, was ich in jenem anderen Leben brauchen werde." Halef weiß, was er preiszugeben und was er "einzutauschen" hat: "Ich will Liebe anstatt des Hasses, Güte anstatt der Unduldsamkeit, Menschenfreundlichkeit anstatt des Stolzes, Versöhnlichkeit anstatt der Rachgier." Der Hadschi sieht ein: Leben heißt "neu" werden, "und das, was wir das Sterben nennen, wird grad das Gegenteil davon, nänilich das Aufhören des immerwährenden bisherigen Sterbens sein!" (III, S. 71f.)

   'Streben' und 'Sterben' sind für May - dasselbe.63 Denn die Kunst des Lebens und die Kunst des Sterbens bedingen einander.64 Sie sind identisch mit der Kunst des Liebens!


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Augustinus fragte: Ist das sterbliche Leben (vita mortalis) nicht, besser gesagt, ein lebendiges Sterben (mors vitalis),65 ein Hineinwachsen ins liebende Sein? Das Neue Testament geht noch weiter: Wer glaubt und wer liebt, der ist schon gestorben; er ist "hinübergeschritten vom Tod in das Leben" (Joh 5, 24).

   Was heißt das konkret? Die Liebe, die den Tod überwunden hat, kennt keinen "Sonderstolz"; sie schätzt auch den 'Niederen' hoch und will von ihm lernen (IV, S. 215f.). Sie schaut den Verachteten an.66 Sie behandelt ihn freundlich (III, S. 427), gibt ihm Ansehen und richtet ihn auf -. durch das gute Wort, das von Herzen kommende Lob. "Wie leicht es doch ist, Menschenherzen zu erfreuen! Warum thut man das so wenig?" (III, S. 359)

   Mays Ethik rechnet mit noch ungeweckten Möglichkeiten des Menschen: Mit den Möglichkeiten GOTTES in ihm.67 Mit Natalie, in Goethes Wilhelm Meister, gesprochen: "Wenn wir die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind."68 Denn die Liebe drängt das Böse zurück und lockt das Gute hervor: bei Halef zum Beispiel (III, S. 11 2f.) und später beim Aschyk (IV, S. 43 1 ff.).

   Mays Ethik entspricht den Seligpreisungen Jesu. Alle Themen der Bergpredigt finden sich zentral auch im Silberlöwen oder klingen zumindest mit an: die Armut des Menschen vor Gott (IV, S. 642);69 die getröstete Trauer (III, S. 420ff.); die Gewaltlosigkeit (III, S. 227f.);70 der Durst nach Gerechtigkeit (IV, S. 117f.); die Sehnsucht nach Frieden (III, S. 410); das Licht-sein in dieser Welt (IV, S. 321); das Gebet im Verborgenen (IV, S. 312); die Feindesliebe (IV, S. 195); die absolute Wahrhaftigkeit (III, S. 438ff.);71 das Schwur-Verbot (III, S. 213); die ideale Beziehung von Mann und Frau (angedeutet in Schakara und Kara Ben Nemsi); das die Bergpredigt abschließende Motiv des auf Felsen gebauten Hauses (IV, S. 520f.; vgl. Mt 7, 24).

   Karl May und die Bergpredigt Jesu - dies wäre ein Thema für eine Spezialuntersuchung. Hier mag die These genügen: Den Geist, das Wesentliche der Verkündigung Jesu hat May wohl begriffen. Das "ganze Gesetz" (Mt 7, 12), die Einzelgebote 're-duziert' er - fährt er zurück - auf jene Liebe, die das Ganze des Menschen umfaßt, die Erde bejaht und die letzte Bestimmung, den Himmel, nicht vergißt.

   Denn die Liebe gibt dem Menschen Bestand. Sie gibt ihm Halt für das Leben und Kraft für das Sterben. Sie sagt ihm, daß er leben und "niemals sterben werde" (III, S. 427): weil der Tod nur das Leben bringt (III, S. 422).72



3.4

Gottes Erbarmen und die Freiheit des Menschen


Wie Halef neigt auch May dazu, die "ganze Welt" - nach überstandenen Zornesausbrücben - "verzeihend zu umarmen" (III, S. 89). Seine Güte ist freilich, wie Schakara bemerkt, mit Strenge gepaart. Die Liebe "lächelt nicht den ganzen Tag" (IV, S. 117). Sie liebt zwar die Menschen, aber nicht "das Böse" in ihnen (III, S. 531).

   Gott schuf die Welt "als größtes Wort der Liebe, / Doch will die Menschheit dieses Wort nicht fassen." (III, S. 540) In seiner Freiheit kann der Mensch die Liebe Gottes bejahen oder zurückweisen. Diese doppelte Möglichkeit hat May schon oft und in vielen Variationen literarisch gestaltet. Im Silberlöwen wird diese Thematik entfaltet und theologisch vertieft.


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   Durch seine Liebe will der Ustad das Böse auch in Ahriman überwinden! Dem SEGEN soll der Mirza verfallen; und die Liebe soll ihn verfolgen - bis er zusammenbricht und zu einem neuen, wunderbaren Leben" (III, S. 597) erwacht.

   Es wäre denkbar, daß May im Silberlöwen III die Bekehrung des Ahriman und überhaupt die Erlösung der Hölle im Sinn hatte. Des Ustads Märchen 'Tausend und ein Tag' legt das nahe. An den apokryphen - von einigen Kirchenvätern übernommenen - LuziferMythos (vgl. Offb 12, 7ff.)73 knüpft der Meister an und erzählt:


"Es war am Tag, an welchem die Erlösung suchen ging. Sie klopfte an an allen, allen Erdenpforten. Doch [...] fand sie keine Thür, die ihr geöffnet wurde. Da ging sie trauernd weiter, bis zum tiefsten Schlund, in welchem die verdammten Geister wohnen. Sie [...] weinte über Chodehs Menschenkinder [...] Doch als sie dann die nassen Lider hob, da kam [...] er selbst, von Chodeh einst verbannt, der sich erkühnt, dem Himmelsherrn zu gleichen! [...] 'Gieb mir die Hand!' sprach er [...] 'Was keiner Himmelsliebe möglich war, hast du erreicht durch deine Erdenthränen. Wenn die Erlösung um die Menschen weint, so muß sogar das Herz der Hölle brechen. Ich war der Erste aller Kreatur. Ich war der Erste, der den Herrn betrübte. Nun will ich auch der Allererste sein, der reuig wiederkehrt mit der Erlösung!'" (III, S. 596)


   Ein schönes Märchen. Ein Menschheitstraum! Häretiker des frühen Christentums haben eine LEHRE aus diesem Traum gemacht: die 'Apokatastasis panton', die Rettung allen Seins - auch der Hölle!74 Im Sinn einer Hoffnungsvision (nicht einer dogmatischen Lehre) erhob z. B. auch Carl Orff - im Spätwerk De temporum fine comoedia - die Rettung des Satans zum Ziel des göttlichen Heilsplans: Nach dem Schuldbekenntnis "pater, peccavi!" wird Luzifer erneut zum Engel des Lichtes.75

   Auch Ahriman, der Teuflische, wird sich - so meint der Ustad - "aus dem Abgrund" erheben; die Pforten der Hölle werden sich hinter ihm schließen und der Himmel wird sich ihm öffnen (III, S. 600)!

   Diese Prognose wird im Silberlöwen IV aber nicht erfüllt. Die "endgültige Erlösung selbst der Hölle"76 wird jetzt verworfen! Der Ich-Erzähler kritisiert das Märchen des Ustad: "Nach dieser deiner Liebestheorie würde der Himmel schnell zur Hölle werden, nicht aber die Hölle zum Himmel." Die Bibel spreche "nicht ohne Grund von dem [...] Feuer, welches nie verlischt." Wenn er die Hölle selig mache, verderbe der Ustad den Himmel! Der Effendi zum Ustad:


"War das etwa der Inhalt deiner Bücher, die du schriebst? Hast du jene angebliche Gottes- oder Christusliebe gelehrt, welche jedem Schuldigen die Strafe erläßt, nur damit Gott seinen Himmel nicht leer stehen zu lassen brauche? [...] Hast du jene pseudogöttliche Langmut gepredigt, welche das Unkraut ungehindert emporschießen läßt, bis der Weizen erstickt worden istr (IV, S. 117f.)77


   Mays Eifer ist eigentlich unbegründet. Denn im Märchen des Ustad BEREUT Luzifer seine Schuld. Der Vorwurf Kara Ben Nemsis trifft also nicht zu: "Gottes Ordnung", wonach die Reue der Vergebung vorangehen müsse (IV, S. 116), hat der Ustad ja gar nicht bestritten!

   Aber im Schlußband des Silberlöwen verschieben sich manche Akzente. Die ewige Finstemis: das Verlorengehen als eine Möglichkeit des menschlichen Seins wird stärker betont als im Silberlöwen III.

   Warum dieser, von Jenseits her bekannte,78 Gedanke jetzt erneut und verstärkt? Auf der autobiographischen Leseebene ist mit Ahriman der Redakteur Mamroth gemeint. Für solche Leute ist, der aktuellen Gemütsverfassung des Dichters gemäß, das 'Heulen und Zähneknirschen' die angemessene Strafe! Doch die nur autobiographische Deutung wird dem Gesamtanspruch des Romans, der theologischen Botschaft des Silberlöwen, nicht gerecht.


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   In der Bergpredigt seliggepriesen werden nur die, die "thun, was der Meister fordert!" (IV, S. 174) Mays - spirituelles - Anliegen ist der Emst der Nachfolge Christi, das rechte Leben im Sinne des Evangeliums!

   Dietrich Bonhoeffer unterschied die "billige" und die "teure" Gnade: Billige Gnade "ist Predigt der Vergebung ohne Buße, [...] ist Absolution ohne persönliche Beichte."79 Die lutherische Lehre von der 'Rechtfertigung des Sünders aus Gnade allein' sei im Sinn dieser billigen Gnade mißverstanden worden. Bonhoeffer verstand die reformatorische Lehre als Bekenntnis zur 'teuren' Gnade: Teuer sei Gottes Gnade, "weil sie den Menschen unter das Joch der Nachfolge Christi zwingt"; Gnade aber sei es, daß Jesus sagt: "Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht."80

   Diese beiden Aspekte, die teure Gnade und das leichte Joch, werden im Silberlöwen - am Exempel des Aschyk - verkündet.

   Der Aschyk, der 'Geliebte' Pekalas, ist ein verstockter Betrüger. Der Effendi nimmt ihn gefangen und bestraft ihn entsetzlich. Er schleppt ihn hinunter: zum verkalkten Gerippe, ins Dunkel der Tempelruine.

   "In solcher Art Gesellschaft wird man mürbe!" (IV, S. 364) Die Stunden im Bergesinnern, die Einsamkeit und die Existenzangst, werden für den Aschyk zur 'teuren Gnade', zum Fegefeuer auf Erden.81 Kara Ben Nemsis Höhlentraum erfüllt sich an dem Gefangenen. Auch dieser träumt: er habe tausend Jahre im Wasser gelegen, "verhärtet und verkalkt" in seinen Sünden. "Da kam ein Ruf von oben." Die Tage seines Lebens kamen "einzeln, furchtbar einzeln, einer nach dem andern!" Doch sie klagten ihn nicht an; das tat er "ja schon selbst" (IV, S. 426)!

   Auch dieses Motiv, Gottes Gericht als Selbstanklage des Menschen, ist vom Jenseits-Band her bekannt. Der Aschyk steht zur eigenen Schuld, träumend und dann im Erwachen. Und wie er spricht "Vergieb mir meine Sünden!", hört er schon die Ruderschläge. Der Effendi kommt, ihn zu befreien. Der Sünder will jetzt seine Schuld bekennen: "Laß uns hinauf zum Beith-y-Chodeh steigen! Das ist der einzig rechte Ort zum Beichten!" (IV, S. 427f.)

   Wie die Totenköpfe im Traum des Erzählers folgen die Sündentage dem Aschyk zum Tempel. Die 'billige Gnade' weist er zurück. Er will sühnen, seine Verbrechen gestehen, sich "der Behörde zur Strafe melden" (IV, S. 499). Sein Herz aus Stein ist gebrochen. Ein neues Herz, einen neuen Geist hat ihm Gott jetzt geschenkt (vgl. Ez 36, 26).

   Der Aschyk jubelt vor Freude, wiedergutmachen zu können, was er getan hat (IV, S. 428). Ein Glücksgefühl kommt über ihn "wie fast noch nie in seinem ganzen Leben" (IV, S. 5 17). Auch hier - wie bei Waller in Friede - jene "Glücksekstase", die nach W. James das Bekehrungserlebnis begleitet!82

   Dem sanften Joch Christi entspricht die "bedingungslose Begnadigung" (IV, S. 640) durch den Schah: Die Strafe wird dem Aschyk erlassen! Ein Vergleich mit Zachäus (Lk 19, Iff.) liegt nahe: Aus eigenem Antrieb verläßt der Aschyk seinen früheren Weg, um einen "neuen, guten Weg" zu gehen (IV, S. 502). "So holt sich Allah den Verlornen wieder, den die Gerechtigkeit des Menschen noch tiefer in den Abgrund stoßen würde!" (IV, S. 431)83

   Dem Aschyk ist alles vergeben - ohne ein "Vermittelungsgeschäft" (IV, S. 501) der Diener des Schahs, aber nicht ohne Reue, nicht ohne Schuldbekenntnis und nicht ohne die Änderung seines Lebens. Die von May hier vorausgesetzte Theologie ist stimmig und völlig korrekt - auch im Sinne der katholischen Gnadenlehre, wie sie Karl Rahner erläutert:84 Seine durch Christus vermittelte Gnade bietet Gott allen an, auch den Moslems,


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den Hindus usw. Diese Gnade kann der Mensch nicht erwerben durch die Vermittlungsgeschifte fremder Instanzen: In "freier dialogischer Partnerschaft"85 steht der einzelne seinem Gott gegenüber, dessen Gnade reines Geschenk ist. Am Menschen freilich liegt es, dieses Geschenk anzunehmen oder abzulehnen. In diesem Sinne hat Kara Ben Nemsi recht, wenn er dem Aschyk erklärt: Die Gnade kann "dir nur Einer bringen, ein Einziger, und der bist du selbst!" (IV, S. 501)

   Gewiß - auch die Annahme des Gnadengeschenks von seiten des Menschen ist durch die Gnade ermöglicht: Gott selbst gibt dem Aschyk die Kraft, das Rechte zu tun (IV, S. 502)!

   Interessanterweise beendet Karl Rahner seine Erörterung - über das Verhältnis von Gnade und menschlichem Tun - mit dem Hinweis: "Um das Problem 'Gnade - Freiheit' wirklich zu 'verstehen', es stehen zu lassen und es anzunehmen, muß man in die Gestimmtheit des Beters zurückkehren." Der Beter empfängt sich von Gott und "gibt sich Gott zurück [...] Bezieht man diese Position des Beters [...], dann begeht man keine petitio principii [...] Man nimmt nur an, was man unweigerlich ist":86 das Geschöpf, das in Freiheit schafft und in Gnade geschaffen wird.

   Diese Position des Beters nimmt der Aschyk ein! Seine "Verhärtung" verwandelt sich ins "Gebet" (IV, S. 425). Durch die erneuerte Gottesbeziehung wird seine verlorene Liebesfähigkeit wiederhergestellt und seine Identität wiedergefunden. "Es wächst jetzt eine Säule" in ihm auf; in ihr "liegt Gottesstärke"! Der Aschyk erkennt: "Gottesstärke das ist sie [...] die Gnade!" (IV, S. 502)

   Zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod hat der Mensch zu wählen (IV, S. 117). Der Aschyk verkörpert die Reue, die Gottes Ruf schließlich hört und befolgt. Die zweite Möglichkeit - die verschmähte Gnade, die Schuld ohne Reue - verkörpern Ahriman und seine Verbündeten.

   Dogmatisch verstanden ist die schwere Sünde die in Freiheit vollzogene Abkehr des Menschen von Gott.87 Nach Gen 3, 3ff. ist das Wesen der 'Sünde zum Tod', in letzter Konsequenz, das 'Seinwollen wie Gott'. Was könnte das heißen? Im Silberlöwen wird es verdeutlicht: Das Prinzip des Ahriman ist der ungehemmte 'Wille zur Macht', die perfekte Gewalt über Menschen. Die Stelle Gottes - eines falschen, die Freiheit des Menschen verhöhnenden Gottes - will er selbst einnehmen. Sich dünkend, Gott gleich zu sein, will er die Menschen "verführen, den Himmel zu verlassen und mit ihm ein Reich zu gründen, in dem der Herr nichts zu befehlen habe." (III, S. 629)

   "Satansbegegnungen"88 gab es in Mays Erzählwerk schon früher: in Abrahim-Mamur, im Baron von Helfenstein, in Harry Melton zum Beispiel. Doch der Mirza, der 'Fürst der Schatten', ist aus feinerem Holz geschnitzt. Ihm geht es nicht nur ums Geld; um die Seele seiner Opfer, um die totale Herrschaft geht es dem Mirza.

   Äußerlich wirkt Ahriman eher anziehend. Sein Schmuck ist zwar falsch und sein Geschmeide nicht echt; aber sein Gesicht ist doch schön. Es erinnert an das Werk eines Künstlers:89 an die Züge des Loki (III, S. 587), der rätselvollsten Gestalt der germanischen Götterwelt. Dem Fürsten der Nacht, dem "Vater der Lüge" (Joh 8, 44) gleicht dieser Mann, der die "Seligkeit verspricht und doch aber nur Verderben giebt" (III, S. 587)!

   Auf den ersten Blick hat das Böse "wohl immer eine verlockende Gestalt [...] Die Hölle ist ein Sumpf, auf dem die Decke üppig grünt und blüht" (III, S. 630)! Der "raffinierten Intelligenz" (III, S. 612), der Propaganda des Ahriman - die mit "trügerischen Schlüssen" (III, S. 630) blendet - kann der Schwache leicht erliegen. Wahrscheinlich an Nietzsche denkend, sinniert der Erzähler: "Es war mir, als ob Ahriman Mirza zwei verschiedene Leben besitze Er riß mir Gedanken aus der Tiefe, von denen ich niemals eine Ah-


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nung gehabt habe. Und er wußte sie so zu leiten [...], daß es mir schwer wurde, sie als irrig zu erkennen." (III, S. 622f.)

   Ist Ahriman die Verkörperung des Satans? Ist der Teufel überhaupt eine 'Person'? Woher kommt das Böse, wenn Gott die Liebe ist? Das alles bleibt bei May in der Schwebe. Auf solche Diskussionen läßt sich der Schriftsteller nicht ein. Er meint nur: von Gott kann das Böse nicht kommen (III, S. 63 1). Und wenn der Schmutz einmal abfällt, zerfließen die Schemen "in Nichts" (IV, S. 41f.).90

   Zunächst ist Ahriman stark, und die "Geschmeidigkeit der Hölle" formt seine Ideen (III, S. 599). Und doch hat er Angst! Er leugnet nicht - wie gewöhnliche Atheisten - die Existenz und die Ewigkeit Gottes. Er glaubt an die ewige Hölle, "weil jener Eine [...] ewig ist!" (III, S. 606) Im Jakobusbrief steht geschrieben: "Auch die Dämonen glauben - und zittern." (Jak 2, 19) Bei May heißt es ähnlich: Die Reue "jubelt", doch "die Teufel zittern" (IV, S. 117)!

   Zur Reue findet Ahriman nicht. Sein Zittern geht über in Panik. Als Perser glaubt er an die Lehre vom "Chodem" des Menschen. May erklärt: "Chodem ist das persische Wort für 'ich selbst'. Die dortigen Metaphysiker aber bezeichnen mit diesem Worte [...] so eine Art dessen, was wir 'Doppelgänger' nennen, aber in viel höherem, edlerem Sinne." Der Geist des Menschen wird, nach der Sage, "geleitet von einem Geiste aus höheren Regionen, der Gott mit seinem eigenen Schicksale dafür verantwortlich sei, daß der ihm anvertraute Mensch seine Bestimmung erreiche." Dieser Geist sei imstande, seinem Schützling zu erscheinen: in dessen eigener Gestalt. Tue er das, "so sei das ein sicheres Zeichen, daß er ihn für immer verlassen werde, also entweder des nahenden Wahnsinns oder des zu erwartenden Todes." (IV, S. 537f.)

   Diesen Glauben macht sich der Ustad zunutze. Er legt die Maske des Ahriman an, erscheint ihm bei Nacht und treibt ihn in die Verrücktheit.

   Die Chodem-Sage darf man nicht mißverstehen als Belegstelle für den Aberglauben des Autors. Dieser ist "weder Perser noch Sektierer" (IV, S. 248)! Die Chodem-Legende, das Doppelgänger-Motiv,91 ist bei May eine Metapher, ein der Romantik entlehntes92 literarisches Bild für die theologische Einsicht, daß der Mensch beschützt ist von Gott und diesen Schutz auch verlieren kann: wenn er seine eigene Bestimmung verfehlt, wenn er - schuldhaft - zerbricht an seinem "ich selbst".93

   Gottes Liebe will der Mirza nicht haben. Seinen höheren Geist, seine Bestimmung von Gott her, will er nicht annehmen. 'Ahriman', das absolut Böse, ist also nicht - wie die Schattenseiten des Ich - 'integrierbar'; es kann nur 'hinausgeworfen' werden!94

   Beim Pferderennen erfüllt sich sein Schicksal. Der Aemir wird vom "Teufel" - so der Name seines Rosses95 - gepackt und in den Kopf gebissen. Seine "verhüllte Wahrheit" (IV, S. 633) wird offenbar: "Ahriman Mirza ist der Fürst der Schatten, und wenn er stürzt, ist es mit ihnen aus --- !" (IV, S. 632) So leiert er, nun gänzlich verrückt, vor sich hin.

   Aus ist es auch mit den Bundesgenossen des Mirza. Die 'Rose von Schiras', die Mätresse des Ahriman, stürzt in den eigenen Säbel. Und den Scheik ul Islam "erschlagen die Ruinen" seiner selbsterrichteten "Lehrgebäude ohne weitere Umstände".96


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3.5

Ideologie und Glaube


Manche Interpreten haben am Silberlöwen die Seitenhiebe auf katholische Kreise besonders geschätzt. Diesem Lob dürfte die Gleichsetzung von 'katholisch' und 'ideologisch' zugrunde liegen. Aber die Textanalyse des Romans und die Tatsache der unterschiedlichen Strömungen innerhalb des Christentums bzw. der katholischen Kirche zwingen zum Differenzieren.

   Bei den "Ultra-Taki" könnte May an die traditionalistische Richtung in der katholischen Kirche gedacht haben.97 Insgesamt gilt seine Kritik aber nicht speziell dem Katholizismus,98 sondern - allgemein - dem Mißbrauch der Religion zu ideologischen Zwecken, der militanten Scheinheiligkeit, die es in allen Religionen geben kann.

   Wogegen wendet sich May konkret? Wie unterscheidet sich der echte Glaube, den May postuliert, vom ideologischen Denken, das er verwirft? Bei der Deutung des Friede-Buchs wurde dazu einiges vermerkt.99 Im folgenden soll es ergänzt und vertieft werden.

   Als Religionskritik, d.h. als Kritik an defekten Formen des Religiösen, sind im Silberlöwen die Beschreibung der Tempelruine,100 die Parabel vom Baum El Dscharanil (IV, S. 24ff.), die Sage von Chodeh, dem Eingemauerten (IV, S. 212ff.), sowie die Szenen um den Scheik ul Islam und seine Taki-Kurden anzusehen. Die Kritik bezieht sich im wesentlichen auf die religiöse Eitelkeit, die Überheblichkeit religiöser Instanzen, die Zementierung des Bestehenden unter Berufung auf den göttlichen Willen, die menschenverachtende Gewalt im Namen der Religion, die Verdrängung Gottes durch die klerikale Machtausübung. Sehen wir uns, exemplarisch, einige Textstellen an.

   Im Gefolge des Scheik ul Islam befinden sich ein 'Heiliger', ein 'Seliger', ein 'Hauptpriester', ein 'Divisionsgeneral' und ein 'Brigadegeneral' (IV, S. 275). Diese Leute sind "so pfauenstolz und truthahneitel" (IV, S. 446), "so sanft, so fromm und doch so unverschämt!" (IV, S. 456)

   Während Ahriman seinen Haß und seine Gottlosigkeit offen bekennt, klingt beim Scheik alles "so tiefreligiös und gottgefällig, [...] so ekelhaft [...] weihevoll und darum so [...] niederträchtig" (IV, S. 446)! Vor dem Mirza läßt er die Larve dann fallen: "Wir sind sanftmütig und von Herzen demütig, weil uns das zur Herrschaft führt. Aber hinter dieser Sanftmut steckt die Schonungslosigkeit [...] Fordre ja den Taki-Orden101 nicht heraus!" (IV, S. 489)

   Die Nähe dieser Menschen lähmt. Sie erstickt alles Leben. Der vom Typhus genesene Kara Ben Nemsi durchforscht das 'Allerheiligste', den Schlupfwinkel der Taki im Innern des Berges; die Atmosphäre dieses "Sacrosanctum" droht ihn wieder krank zu machen! "Diese Luft hält kein Gesunder aus, viel weniger ein Genesender!" (IV, S. 503)

   May parodiert die Fassadenfrömmigkeit, die Jesus gegeißelt hat (Mt 23) und die in jeder Religion möglich ist. Er spießt die Selbstherrlichkeit der "Vertreter Gottes" auf, die alle Verrenkungen und alle "Verbeugungen" für sich in Anspruch nehmen: um dann "so gütig" zu sein, auch "Gott einen Knicks zu machen" (IV, S. 22f.).

   Der Dichter attackiert - wie in Friede - den Alleinvertretungsanspruch der Religionen:102 Der Scheik und seine Leute "geberden sich, als ob sie den Herrgott zu beschützen [...] hätten." Sie glauben "sich von jedem vernünftigen Worte angegriffen und schlagen ihre mißverstandenen Kuransprüche Jedem an die Backen, der besser, tiefer und höher denkt als sie! Wehe dem, der daran zweifelt, daß sie die Einzigen sind, die Allahs Licht erleuchtet!" (IV, S. 446)


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   Nur sich selbst, nur IHRE Art lassen sie gelten: Der wackere Tifl "plärrte [...] nicht wie sie"; da schlossen sie ihn aus (IV, S. 456)! "Taki heißt fromm. Die betreffenden Kurden führen diesen Namen, weil sie [...] behaupten, daß nur sie allein den Himmel erlangen werden. Jeder nicht ganz Gleichdenkende wird als verdammenswerter Ketzer betrachtet und mit [...] Strenge verfolgt." (IV, S. 230) Die Taki können sich das leisten - weil sie dem Bedürfnis nach Gehorsam, nach totaler Gängelung entgegenkommen: Sie "können [...] unfehlbar tun, weil sie leider nicht die einzigen geistig Dummen sind!" (IV, S. 446f.)

   Die Parabel vom 'Baum der Geschwätzigkeit' schlägt in dieselbe Kerbe.103 Vom Schutz der "Lehrsitze" ist die Rede, von uneinnehmbaren "Mauern". Ein 'Seil der Konfessionen' versperrt den Eingang zum Himmelreich. Die Wächter dieser 'Seligkeit' sind "in die Trachten aller Völker gekleidet. Jeder von ihnen hatte etwas in der Hand, was er sein 'heiliges Buch' nannte, und jeder von ihnen versicherte, daß er der einzig und allein berechtigte Aussteller der hier vorzuzeigenden Erlaubniskarte sei." (IV, S. 26f.)

   Ein Angriff gegen das Christentum? Nein, denn der christliche Glaube wird im Silberlöwen ja ausdrücklich bezeugt. Der "missionarische Zug",104 das Werben für die Botschaft Jesu fehlt keineswegs. Aber der Christ Karl May hat Respekt auch vor anderen Religionen - wo immer sie nicht "die Verknöcherung des Herzens zur unbedingten Folge" haben (III, S. 291).

   Mays Anliegen ist die Toleranz zwischen den Religionen und die Offenheit des Christentums für neue Erkenntnisse. Die Taki-Macht indessen stellt sich ausschließlich "auf die Seite des Bestehens und Erhaltens" (IV, S. 240). Den Willen Gottes mit der Macht des Faktischen gleichsetzend, will der Scheik den Abriß der Tempelruine verhindern. "Denn selbst der Wahn wird heilig, wenn er [...] durch sein Alter zur Ehrfurcht mahnt [...] Ich habe als Scheik ul Islam die heilige Pflicht, selbst den Irrtum zu erhalten" (IV, S. 288)!

   Die konservative Ideologie wird zum blanken Zynismus. Nicht genug damit: die Autorität des Scheiks tritt in Konkurrenz zu den Plänen des Ahriman, der sich selbst zum "Götzen" und den Schah zur "Puppe" (III, S. 620f.) machen will. Im Klartext: Auch der Scheik stellt sich selbst über Gott!

   Derselbe Gedanke liegt dem "architektonischen Quodlibet" (III, S. 507), der versteinerten Frömmigkeit des 'hohen Hauses' zugrunde. Dieses "Gebäudekonglomerat" (III, S. 509) ist von den heidnischen Religionen, vom babylonischen Götterkult, vom Judentum und zuletzt von christlichen Sekten errichtet worden.105 Ein "großes baustilistisches Rätsel" (III, S. 494) ist diese Tempelruine. "Wer war der Architekt, der dieses Unikum ersann?" (III, S. 508)

   Der Architekt war der Hochmut, der sich gleich dünkt mit Gott. Der Baumeister war die Arroganz, die das Gebet - die unmittelbare Beziehung des Menschen zu Gott - verbaut und vermauert. Die Tempelruine, deren Abbruch sich der Scheik widersetzt, ist das Symbol einer selbstherrlichen Religion, die ihre Traditionen verabsolutiert, ihre (innerlich ausgehöhlten) Machtstrukturen hervorkehrt und das Gebet zu reglementieren versucht.

   Heinrich Fries erklärt: Die Sprache des Glaubens ist das Gebet. "Alle Gebete der Welt meinen [...] das eine Geheimnis: die Transzendenz, die Gottheit, Gott." Die Frage sei nur, ob der Mensch dieses göttliche Gegenüber wahrt oder es ersetzt durch eine irdische Instanz - "sei es eine Person, ein Kollektiv oder ein innerweltlicher Wert."106

   Eben dies ist die eigentliche Sünde der Ultra-Taki: Nicht Gott, sondern den Scheik ul Islam beten sie an (IV, S. 543)! Doch der Sturz aller Götzen steht schon bevor. Das Inne-


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re des Berges, das Untergeschoß der Tempelruine wird die Wirklichkeit Gottes - das vom Zauber befreite Gebet - offenbaren.

   Seine Vision vom verzauberten, im Sturz der Ruinen aber befreiten Gebet bringt May in Verbindung mit einem anderen Schlüsseltext des Romans: der Legende vom 'eingemauerten Herrgott'. Was sagt dieser Text?

   Der Teufel wollte Baumeister werden. Er beschloß, als Meisterstück "ein Werk zu schaffen, bei welchem alles Schein, nichts aber Wahrheit sei"! Als der Teufel seine Lehre begann, "war Gott ein lieber Himmelsgast und ließ sich oft bei seinen Menschen nieder [...] Sie liebten ihn; sie gönnten ihn auch andern [...] In diesen Menschheitsfrieden trat der Andre [...] und ließ den Neid der Hölle rings verbreiten." Der Erfolg: Alle drängten Gott, "nur hier bei ihnen noch, sonst nirgends zu erscheinen". Da - verließ Gott die Menschen: Er "ging betrübt von dannen." Der Teufel aber sprach: "Wißt ihr noch nicht, daß Gott sich zwingen läßt? [...] Beweist ihm euern Ernst, so muß und wird er tun, was ihr begehrt."

   Die "Gestalt des Höchsten" nahm der Teufel an - und kehrte, als Gott, zu den Menschen zurück: "Ich prüfte euch [...] ihr habt bestanden. Die Macht der Frömmigkeit ist größer als die meine. Drum nehmt mich hin als euer Eigentum. Ich will nun euch und niemand sonst gehören!" Man baute einen Turm. "Der Teufel saß als Gott im Heiligtume. Doch seine Scharen regten sich, ihn eiligst für das Volk hier einzumauern. Das Bauwerk stieg ihm immer höher [...] Und betend lag dabei die Andacht auf den Knieen! [...] Fast war der Berg verschlossen." Da schwang sich, unbemerkt, "ein dunkler Flederhäuter" aus der Öffnung - und verschwand (IV, S. 213f.)!

   Der Teufelsberg ist, so erklärt May, identisch mit der Tempelruine. Und die Baumeister sind die "Männer des Taki-Ordens" (IV, S. 485).

   Die Legende von 'Chodeh, dem Eingemauerten' muß zu den theologisch wichtigen Stellen des Silberlöwen gezählt werden. Die Macht der Frömmigkeit als Blendwerk des Teufels! Das erinnert an die Religionskritik durch evangelische Theologen in der ersten Hälfte unsres Jahrhunderts. Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer u.a. sahen in den Religionen die 'Machwerke' des Menschen: des sündigen Strebens, über Gott zu verfügen!107 Das Christentum interpretierten sie 'nichtreligiös': als 'reinen Glauben', als 'Gericht' über die Religionen und ihre Praktiken!

   Diese Abwertung der Religionen zur bloßen Magie hat sich aber nicht durchgesetzt. Das Konzept des 'religionslosen Christentums' wird heute - auch in der evangelischen Theologie - verworfen als Selbstüberhebung des Christentums. Von ernstzunehmenden Theologen werden die religiösen Symbole wieder positiv gesehen: als legitimer - vom Mißbrauch freilich immer bedrohter - Ausdruck der Transzendenz-Erfahrung des Menschen.108

   Auch May kritisiert, wie gesagt, nicht die Religion als solche, nicht ihr Wesen, sondern ihr Unwesen. Er kritisiert die falsche Religion, ihre Verkehrung ins IDEOLOGiSCHE.

   Aus der Sicht des katholischen Theologen und christlichen Ökumenikers nennt Heinrich Fries eine Reihe von Kriterien des ideologischen Denkens.109 Im Lichte dieser Kriterien könnte die Theologie des Silberlöwen - in ihrer Nähe zum Reformkatholizismus110 - neu verstanden werden.

   Wie unterscheiden sich Ideologie und wirkliches Christentum? Während der Schah - im Silberlöwen - die Freiheit des Individuums respektiert, nehmen die Ideologien den konkreten Menschen nicht an. Der Schablone, dem allgemeinen Prinzip hat sich der einzelne "zu fügen und zu opfern".111 Das persönliche Gewissen wird mißachtet. Ethische Ent-


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scheidungen werden von übergeordneten Instanzen getroffen. Der einzelne handelt richtig, wenn er sich am Kollektiv orientiert.

   An die "Schwachkopf-Frömmigkeit" (IV, S. 143) stellen die Ideologien einen Totalanspruch: Ihre Denkweise ist "ebenso aggressiv wie intolerant"; Dialog und sachliche Auseinandersetzung sind diesem Denken völlig fremd; es geht ihm "nicht um Weckung von Einsicht, nicht um Überzeugung durch Gründe, sondern um [...] den Sieg über den Gegner."

   Solches Denken bleibt unkritisch gegen sich selbst. Es stellt sich nirgendwo in Frage und ist - wie der Scheik ul Islam - von der Unfehlbarkeit seines Systems überzeugt. Es ist "nicht bereit, Irrtümer [...] bei sich selbst einzugestehen"!

   Das Bestehende, die Tradition, will die Ideologie "mit dem Nimbus des Notwendigen" umgeben. Oft genug wird die Religion dafür in Anspruch genommen. Das Faktische, auch das Unrecht wird - wie der Scheik ul Islam es tut - "mit der Gloriole des einzig Möglichen oder gar des Gottgewollten" versehen.

   Nach Helmut Thielicke sind die Ideologien die moderne Form des Götzendienstes:112 Der Ideologe verkennt - wie Ahriman - seine Grenze und seine Endlichkeit. Er macht sich zum "Schöpfer aller Werte und Normen - im Sinn des Wortes der Genesis: 'Ihr werdet Gott gleich sein, erkennend das Gute und das Böse' (Gen 3, 5)."113

   Gewiß, auch der christliche Glaube kann ideologisch verfremdet werden. Die "Entindividualisierung ihrer Gefolgschaft" ist aber nicht die notwendige "Eigentümlichkeit der christlichen Kirche":114 Seinem Wesen nach ist der christliche Glaube keine Ideologie, weil er das Gewissen achtet und den Menschen nicht zum Mittel entwürdigt. Der Glaube ist keine Ideologie, weil er sich - wie May - "zur theologischen Anthropozentrik bekennt, die in der Mitte des christlichen Glaubens, in der Menschwerdung Gottes, gründet. Der Mensch als unvertretbare Person ist dem Glauben wichtiger als alle 'lsmen' und Theoreme."115

   Anders als die Ideologie läßt der Glaube sich FRAGEN und herausfordern. Er vermeint nicht, alles zu wissen. Er trägt - wie der Mensch Karl May - die Frage, "die Vorläufigkeit, das Unvollkommene und Stückwerkhafte als Element seiner selbst in sich selbst."

   Der Glaube ist keine Ideologie, weil er - wie die Dschamikun im Silberlöwen - den unendlichen Wert aller Menschen bejaht, weil er - wie Hadschi Halef - das Freund-Feind-Schema überwindet und weil er - wie der Ustad - nicht im Dienst von menschlicher Herrschaft steht, sondern im Dienst jener Liebe, die ihr Urbild in Jesus erkennt: "Der Größte von euch soll euer Diener sein." (Mt 23, 11)

   Alles in allem: Der Glaube ist keine Ideologie, weil er die Welt nicht vergöttlicht und weil er - wie das 'Ich' in Mays Geschichten - "keine innerweltliche Absolutheit akzeptiert", sondern das Erste Gebot beachtet: "Du sollst keine fremden Götter neben mir haben." (Ex 20, 3)



3.6

Die 'kirchliche Bescheidenheit'


Der Glaube ist keine Ideologie, weil er mit dem Verschwinden bestimmter Strukturen - der Tempelruine. - "nicht selbst in den Sog der Auflösung geraten muß, sondern neue Verwirklichungen in neuen Formen finden kann, ohne sich untreu zu werden."116

   Dieses Neue ist im Silberlöwen das "Kirchlein": zu erbauen aus den Steinen der - gestürzten - Tempelruine, "in der senkrechten Linie des Alabasterzeltes" (IV, S. 439), des


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Symbols der göttlichen Nähe. "Zu einer so klaren, liebevollen Beantwortung alter, düsterer Ruinenfragen kann man [...] keinen Augenblick lang gleichgültig sein!" (IV, S. 52 1)

   Vor "Jahren" hat der Autor die folgenden Verse ins Notizbuch geschrieben: "Hinauf, hinauft Ich raste nicht. / Ich will und will nicht unten bleiben. / Mein frömm , seligstes Gedicht / Will ich beim Glühn der Alpen schreiben. / Das werde ich dann heimlich, still / In einem Kirchlein niederlegen. / [...]" (III, S. 558)

   Jetzt, im Roman, werden diese Verse umgesetzt in eine Vision: Mit dem neu gebauten 'Kirchlein' heißt es, "gern fürlieb zu nehmen." (IV, S. 642) Denn "von Gottes Felsen" ist es getragen; "lächerlich" wäre ein solches Menschenwerk nur dann, wenn es sich den Anschein gäbe, "auch aus Gottes Felsen zu bestehen!" (IV, S. 520f.)

   Kürzer und kritischer, schöner und richtiger kann man's nicht sagen. Mit der "Idyllik beschaulicher Gebirgskapellen"117 hat dieses "Kirchlein" nichts zu tun! Denn mit wenigen Strichen deutet May dasselbe Bild einer menschlichen, von Gottes Liebe getragenen Kirche an, wie es - sechzig Jahre später - vom II. Vatikanischen Konzil systematisch entfaltet wurde: Kein 'Haus voll Glorie', keine trutzige Festung ist diese Kirche, sondern ein Sinnbild des 'wandernden Gottesvolks', das mit dem künftigen "Gottesreich" (Mk 1, 15) nicht identisch ist,118 seinem Herrn aber - in Demut - entgegenstrebt.

   May skizziert das Bild einer liebenswürdigen Kirche, die die Mündigkeit der Menschen beachtet, die Gottes Segen empfängt und diesen Segen dann weitergibt (IV, S. 630): als "Stadt auf dem Berg", als "Licht für die Völker", als "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit der Menschen untereinander."119

   Das ist nicht triumphalistisch gemeint. Wie später das Konzil zeichnet May das Bild einer VORLÄUFIGEN, sich entwickelnden Kirche, mit deren empirischem Zustand gerade wder GANZ Kirchentreue"120 sich nie völlig identifizieren kann!

   Der Visionär sieht eine "kirchliche Bescheidenheit" (IV, S. 520) kommen, für die zu leben sich lohnt. Auch das "freundlich blickende [...] 'Pfarrhaus'" (IV, S. 521) wird nicht vergessen. Ähnlich wie am Ende des Friede-Bands findet der Dichter auch im Silberlöwen ein Wort für die Priester der Kirche:

   Zwar hieß es zunächst, die Dschamikun brauchten nur Rosen, aber keinen Altar, keinen Rednerstuhl (III, S. 284) und "keinen Imam" (111, S. 477) für ihre Gottesdienste. Doch dann wird näher erklärt: "Es gab noch keinen Priester, und doch stieg Alles [...] den Berg hinauf, zur Laienandacht, die erst später, bei gesicherteren Zuständen, von berufenerer Hand geleitet werden sollte." (IV, S. 438f.)

   Ist der "Verzicht auf priesterliche Mittler"121 das Ziel des Mayschen Kirchenbildes? Das Wort 'Mittler' ist vieldeutig und theologisch umstritten. Im Neuen Testament ist nur Einer der "Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Jesus Christus" (1 Tim 2, 5). Dennoch gilt Mays These: "Priester Gottes müssen sein; die Menschheit kann sie nimmermehr entbehren"122 - wenn sie Gott und nicht sich selbst verkünden, wenn sie Helfer der Schwachen und Fürsprecher der Unterdrückten, wenn sie Diener der Menschen und nicht Herren über den Glauben sind (vgl. 2 Kor 1, 24).

   Priester kann die Menschheit "nimmermehr entbehren" - wenn sie einer Kirche dienen, die "Anwalt des Menschen"123 ist, die Gottes Liebe bezeugt und die Verheißung nicht überhört: "Seht, ich mache alles neu." (Offb 21, 5)


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3.7

Zusammenfassung: Der Silberlöwe als theologische Poesie


Den Glauben an den Sieg der Liebe in einer geschundenen Welt haben viele verloren. Dennoch bleibt der Name Gottes "tief eingegraben in die Hoffnungs- und Leidensgeschichte der Menschheit. In ihr begegnet uns dieser Name, [...] verehrt und verneint, mißbraucht, geschändet und doch unvergessen."124 Der Name Gottes, der - im Bewußtsein so vieler Menschen verschüttete - Glaube an Gottes Dasein und Liebe ist die eigentliche Botschaft des Silberlöwen. Als theologische Dichtung von hohem Niveau ist dieses Werk zu bezeichnen.

   Daß Mays Glaube nicht verschwommen, nicht vage und schon gar nicht okkult, sondern biblisch begründet, theologisch fundiert und gesellschaftspolitisch relevant ist, hat die Textanalyse gezeigt. Der Inhalt des Silberlöwen ist reicher und tiefer, als bisher vermutet wurde. In der - nicht nur polemischen, sondern sehr fein differenzierenden - Auseinandersetzung mit Nietzsches Atheismus ist die lebendige und lebenspendende Beziehung des Menschen zu Gott das zentrale Thema des ganzen Romans.

   Die dialektische Grundbefindlichkeit: die Begrenztheit und Abhängigkeit, aber auch die unendliche Sehnsucht und die Größe des menschlichen Seins sieht May in der Geschöpflichkeit des Menschen begründet. Die Königswürde, die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung des Individuums leitet er ab aus der Freiheit des Menschen vor dem Antlitz des Schöpfers.

   In seiner Freiheit kann der Mensch zu Gottes Liebe Ja oder Nein sagen. Beide Möglichkeiten werden im Silberlöwen dem Leser vor Augen gestellt. Eine theologisch durchdachte und anthropologisch verantwortete Gnadenlehre übersetzt Karl May in poetische Handlung.

   Das Streben zum Himmel und die Treue zur Erde, die Verbindung des Menschen mit Gott und seine Aufgabe in der Welt werden in gleicher Weise ernstgenommen. Die Einsicht in die eigene Schuld, die Übergabe des Dunkels in die Gnadenhand Gottes, das Bekenntnis zum Kreuz und die tätige Liebe im Sinn der Bergpredigt Jesu lassen den Menschen - in den Traumwelten des Romans und in der Realität des Lebens - den 'Tod', die Trennung von Gott, überwinden.

   Was Mays Spätwerk für den interessierten Leser so anziehend (oder, je nach Einstellung, befremdlich) macht, ist die eigenartige, aber folgerichtige Verbindung von tiefster Gläubigkeit und schärfster Ideologiekritik. Die geistige Begegnung Karl Mays mit Nietzsche und anderen Religionskritikern125 hat sein theologisches Denken, wie der Text des Silberlöwen erhellt, befruchtet und von naiven Vereinfachungen weitgehend befreit.

   Weder dem Christentum noch der Kirche kündigt May "seine Gefolgschaft auf'.126 Aber er wendet sich, als gläubiger Christ, gegen den Mißbrauch der Religion zu ideologischen Zwecken: zur Entmündigung des Menschen und zum Mittel der Macht.

   Der Silberlöwe ist große Literatur, deren religiöse Brisanz unsere Darstellung - in einer theologischen Annäherung - aufzeigen sollte.



Anmerkungen


1Die folgenden Ausführungen entsprechen, leicht gekürzt und neu untergliedert, Hermann Wohlgschaft: "Was ich da sah, das ward noch nie gesehen". Zur Theologie des 'Silberlöwen III/IV'. In: JbKMG 1990, S. 213-264 (S. 226-256).
2Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. 1. Die Wahrheit der Formen. Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende. Olten 41987, S. 484.


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3Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider. Dokumente einer Freundschaft. Beiträge zur Karl-May-Forschung 2. Bamberg 1967, S. 49 - May hat den alten Tolstoi geschätzt und einige Bücher von ihm besessen.
4Seitenangaben in () beziehen sich auf Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III/IV. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXVIII/XXIX. Freiburg 1902/03.
5'Pneumatologie' usw. sind unscharfe Begriffe. Eine Auseinandersetzung mit der 'okkulten Welle' müßte zunächst das jeweils Gemeinte präzisieren. - Dazu hilfreich Josef Sudbrack: Neue Religiosität - Herausforderung für die Christen. Mainz 1987.
6Vgl. Volker Krischel: Karl Mays "Schattenroman". Gesichtspunkte zu einer "Weltdeutungs-Dichtung". SKMG Nr. 37 (1982), S. 11.
7Vgl. aber Christoph F. Lorenz: "Das ist der Baum EI Dscharanil". Gleichnisse, Märchen und Träume in Karl Mays 'Im Reiche des silbernen Löwen III und IV'. In: JbKMG 1984, S. 139-166 (S. 152): Vor "allzu raschen Vergleichen zwischen Mays Alterswerk, der 'mystizistisch' angehauchten Theosophie der Jahrhundertwende und der anthroposophischen Geisteswissenschaft ist zu warnen." - Vgl. auch Dieter Sudhoff: Karl Mays Großer Traum. Erneute Annäherung an den 'Silbernen Löwen'. In: JbKMG 1988, S. 117-183 (S. 165).
8Zum Begriff der Esoterik vgl. Sudbrack: Neue Religiosität, wie Anm. 5, S. 11 Off.
9Krischel, wie Anm. 6, S. 10 - Richtig ist, daß May "Elemente aus dem Manichäismus und dem Parsismus" (Walter Schönthal: Christliche Religion und Weltrefigionen in Karl Mays Leben und Werk. SKMG Nr. 5 (1976), S. 21) literarisch verwendet hat, ohne sich aber mit solchen Ideen zu identifizieren.
10Vgl. Sudhoff, wie Anm. 7, S. 130 u. passim. Ebd., S. 168, heißt es sogar, der Mensch habe sich nach May "zwischen den Polen Gut (Geist) und Böse (Materie) zu bewähren"! Die hier suggerierte Gleichsetzung von 'Materie' und 'das Böse' ist im Silberlöwen aber gewiß nicht zu finden. In Mays Roman ist die Materie als solche weder gut noch böse, und der Geist kann sowohl gut (Ustad, Kara Ben Nemsi!) als auch böse (Ahriman!) sein.
11Vgl. oben, S. 624.
12Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. Bd. 2 der Ausgabe Karl Schlechta. München 1966, S. 126ff.
13Vgl. Werner von Krenski: Friedrich Nietzsche - Karl May. In: KMJB 1925. Radebeul 1924, S. 198-237 - Wolfgang Wagner: Der Eklektizismus in Karl Mays Spätwerk. SKMG Nr. 16 (1979), S. 39-43. - "Mays Nietzsche-Rezeption wurde entscheidend von Sascha Schneider gefördert, der in manchen Vorstellungen Nietzsche sehr nah stand." (Sudhoff, wie Anm. 7, S. 181, Anm. 105) - May besaß bekanntlich von Nietzsche einen Band Gedichte und Sprüche und acht Bände der Gesammehen Werke sowie sechs Bände Sekundärliteratur über Nietzsche.
14Hans-Jürgen Ruppert: New Age - Endzeit oder Wendezeit? Wiesbaden 1985, S. 17f., nennt lünf Unterscheidungsmerkmale zwischen christlichem Glauben und New-Age-Bewegung (bzw. Esoterik und Anthroposophie), darunter an erster Stelle: In der New-Age-Bewegung wird Gott - im Gegensatz zum Christentum - "als unpersönliche Kraft gedacht." Ruppert, dessen Buch nach Auskunft von Sachkennern zu den ganz wenigen wissenschaftlich seriösen Werken über New Age, Esoterik, Spiritismus usw. gehört, bezeichnet New Age als "Neognosis" (ebd., S. 18); ähnlich Sudbrack: Neue Religiosität, wie Anm. 8, S. 132ff. - Auch die vier anderen bei Ruppert und Sudbrack genannten Kriterien zur 'Einordnung' von New Age usw. treffen auf den Silberlöwen zum Teil gar nicht und zum Teil nicht eindeutig zu.
15Vgl. Martin Buber: Gottesfinsternis. In: Ders.: Werke I. München, Heidelberg 1962, S. 503-603 - Heinrich Fries: Fundamentallheologie. Graz, Wien, Köln 1985, S. 55f. - Sudbrack: Neue Religiosität, wie Anm. 8, S. 143ff.
16Vgl. Schönthal, wie Anm. 9, S. 37ff.
17Vgl. Ernst Seybold: Plädoyer für Karl Mays Christlichkeit II. In: MKMG 69 (1986), S. 31-38 (S. 32f.).
18Besonders deutlich in Pax bzw. Friede; vgl. oben, S. 625ff.
19Nach einem Bericht von Walter Dirks; mitgeteilt bei Eugen Biser: Interpretation und Veränderung. Paderborn 1979, S. 132f.
20Vgl. Karl Rahner: Warum läßt Gott uns leiden? In: Ders.: Schriften zur Theologie XIV. Zürich, Einsiedeln, Köln 1980, S. 450-466.
21Vgl. Erich Zenger: Mit meinem Golf überspringe ich Mauern. Einführung in das Psalmenbuch. Freiburg, Basel, Wien 1987, S. 207f.
22Diese Gedanken finden sich vorwiegend in Nietzsches Büchern Jenseits von Gut und Böse (1886) und Zur Genealogie der Moral (1887).


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23Zur Dimension der Klage und des Protests als einem legitimen Ausdruck der Gottesbezichung vgl. Hermann Wohlgschaft: Heute an Gott glauben. Wege zur Gotteserfahrung. Aschaffenburg 1983, S. 36 (mit Verweis auf die Psalmen und andere bibfische Texte).
24Vgl. Artur Weiser: Die Psalmen. Das Alte Testament Deutsch. Teilband 14/15. Göttingen 71966, S. 97.
25Daß der Mensch die Schöpfung ausbeuten dürfe, ist damit nicht gesagt. Denn 'Herrschen' im Sinne des göttlichen Auftrags bedeutet so viel wie 'pflegen', 'weiden' und 'schützen'; dazu Zenger, wie Anm. 21, S. 208. - Vgl. Ernst Seybold: Karl-May-Gratulationen. Geistliche und andere Texte zu und von Karl May. Ergersheim 1987, S. 43 (Anm. 56 u. 57).
26Vgl. Gal 5, 1: "Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. So steht fest und laßt euch nicht wieder mit dem Joch der Knechtschaft beladen!"
27Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 210, sagt ausdrücklich: "Der Schah ist aber Gott." - Auch ohne diesen Hinweis wird die Gleichung Schah=Gott aus dem Text des Silberlöwen deutlich.
28So hieß ein Bild Sascha Schneiders (1893); dazu Sudhoff, wie Anm. 7, S. 137.
29Vgl. Ernst Seybold: Aspekte christlichen Glaubens bei Karl May. SKMG Nr. 55 (1985), S.42.
30Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl Mays. Frankfurt/M. 1974, S. 213ff. - Krischel, wie Anm. 6, S. 18f., und andere Interpreten deuten diese Stelle als Auseinandersetzung mit dem Katholizismus. - Sudhoff, wie Anm. 7, S. 137ff., sieht - ebenfalls in die Enge führend - eine herbe Kirchenkritik durch May; im "Handschlag mit dem Schatten" ein Bild der TAUFE zu sehen (ebd., S. 138), ist aber völlig abwegig, weil eine Ablehnung der Taufe den Ansichten Mays in keiner Weise entspricht.
31Vgl. oben, S. 602ff.
32Karl Rahner: Die Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung. In: Ders.: Schriften zur Theologie V. Einsiedeln, Zürich, Köln 21964, S. 183-221 (S. 220).
33Vgl. z.B. Friedrich Gogarten: Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisation als theologisches Problem. Stuttgart 1953 - Dietrich Bonhoeffer: Ethik. München 61963 - Harvey Cox: Ihe Secular City. New York 1963 (der deutsche Titel Stadt ohne Gott ist sehr mißverständlich!) - Karl Rahner: Theologische Reflexionen zur Säkularisation. In: Ders.: Schriften zur Theologie VIII. Einsiedeln, Zürich, Köln 1967, S. 637-666 - Johann B. Metz: Zur Theologie der Welt. Mainz 1968 - Johann Figl: Säkularisierung. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe, Bd. 4. Hrsg. von Peter Eicher. München 1985, S. 84-94.
34May könnte an den Esel, den J-A-Schreier in Nietzsches Also sprach Zarathustra (Kapitel 'Die Erweckung') gedacht haben!
35Alfred Schütze: Das Rätsel des Bösen. Stuttgart 21969, S. 59; zit. nach Lorenz, wie Anm. 7, S. 151 - Natürlich entspricht diese Einsicht nicht nur der Anthroposophie, sondern ebenso dem Christentum.
36In Friede: das Kreuz von Raffley-Castle! - Vgl. auch unten S. 727f. (zum Passiflorenkreuz in 'Winnetou IV').
37Gottes Bund mit den Menschen (und der ganzen Schöpfung) ist das zentrale Thema des Alten und Neuen Testaments.
38May zitiert hier den Propheten Jesaja (Kap. 60, 1).
39Zur Deutung des Traums vgl. die bei Sudhoff, wie Anm. 7, S. 175f. (Anm. 4), genannte Literatur.
40Der Berg, der See, das Wasser, der Kanal, die Höhle, das Unterirdische sind natürlich auch archetypische Symbole; dazu Marie-Louise v. Franz: Psychologische Marcheninterpretation. Eine Einführung. München 1986, S. 119f. - Zur Zeugungs- und Geburtssymbolik in Mays Traum-Topographie vgl. Sudhoff, wie Anm. 7, S. 150.
41Hans Wollschläger: Das "Hohe Haus". Karl May und das Reich des Silbernen Löwen. In: JbKMG 1970, S. 118-133 (S. 132).
42Karl Rahner - Karl-Heinz Weger: Was sollen wir noch glauben? Theologen stellen sich den Glaubensftagen einer neuen Generation. Freiburg, Basel, Wien 1979, S. 64.
43Vgl. Sudhoff, wie Anm. 7, S. 155: Der Alabaster ist im Silberlöwen ein Symbol des Reinen und Wahren, der Kalk dagegen ein Symbol des Falschen und Sündigen.
44Dazu ebd., S. 133.
45Dazu Seybold: Aspekte, wie Anm. 29, S. 41 ff.
46Im Jahre 359 ins Apostolische Glaubensbekenntnis eingefügter Artikel. - Der Träumer 'imitiert' Jesu Abstieg zur 'Hölle' (zur 'Scheol', heute meist mit 'Totenreich' übersetzt)!


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47Dazu Sudhoff, wie Anm. 7, S. 136 u. 148f. (zur autobiographischen Deutung der Beschreibung des Zauberers).
48Wie sich am Traum-Ende herausstellt, ist der Zauberer mit dem Warner am Eingang der Höhle identisch. Nach Sudhoff: Ebd., S. 133 u. S. 168f., ist der verwandelte Zauberer - auf der weltanschaulichen Ebene des Romans - der wieder zum guten Engel gewordene Luzifer.
49Zu Hartmut Wörner: Ezechiel 37, 1-4. Das Grundmotiv des "Großen Traums"? In: MKMG 51 (1982), S. 13-16, ist zu sagen: In Mays Traum gibt es allenfalls vage Anklänge zur Vision des Propheten Ezechiel (vgl. Sudhoff, wie Anm. 7, S. 178, Anm. 66).
50Vgl. oben, S. 607.
51Sudhoff, wie Anm. 7, S. 164f., legt den anthroposophischen Gedanken einer "Wiedergeburt ins Erdendasein", einer Bewährung für die Ewigkeit "in einem zweiten" irdischen Leben nahe. Diese Deutung kommt aber kaum in Frage, da May die 'Reinkarnation' auch sonst nicht vertritt.
52Vgl. Sudhoff: Ebd., S. 117.
53Vgl. Rudolf Otto: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen. München 1963 (Sonderausgabe der Erstauflage von 1936), S. 13ff. u. 42ff.
54Euchar Albrecht Schmid: Gestalt und Idee. In: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 34 "Ich". Bamberg 381991, S. 367-420 (S. 412).
55Karl Rahner: Erfahrungen eines katholischen Theologen. In: Vor dem Geheimnis Gottes den Menschen verstehen. Karl Rahner zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Karl Lehmann. München, Zürich 1984, S. 105-119 (S. 105).
56Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Ein Buchfür alle und keinen (1883-85). München o.J. (Goldmann-Taschenbuch 7526), S. 253.
57Vgl. ebd., S. 187ff. ('Die sieben Siegel oder: Das Ja-und-Amen-Lied').
58Vgl. Heinrich Schlier: Amen. In: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament I Hrsg. von G. Kittel. Stuttgart 1933, S. 339-342.
59Leonardo Boff: Vater unser. Das Gebet umfassender Befreiung. Düsseldorf 41986, S. 195ff.
60Josef Sudbrack: Beten ist menschlich. Aus der Erfahrung des Lebens zu Gott gehen. Freiburg, Basel, Wien 1973, gibt einen Überblick über die verschiedenen modernen theologischen Ansätze zum Thema 'Gebet'.
61Joachim Kalka: (Werkartikel zu) Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III/IV. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 288-301 (S. 297).
62Karl Rahner: Liebe. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 4. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg, Basel, Wien 1972, S. 319-333 (S. 320).
63So Hans Wollschläger: Erste Annäherung an den 'Silbernen Löwen'. Zur Symbolik und Entstehung. In: JbKMG 1979, S. 99-136 (S. 118).
64Vgl. z.B. Eberhard Jüngel: Tod. Stuttgart 1971, S. 161f.
65Vgl. Augustinus: Confessiones 1, 6.
66Vgl. Krischel, wie Anm. 6, S. 27ff.
67Vgl. Jürgen Moltmann: Mensch. Stuttgart 1971, S. 169.
68Johann Wolfgang v. Goethe: Gedenkausgabe der Werke, Briefe, Gespräche, Bd. 7: Wilhelm Meisters Lehrjahre. VIII. Buch. Zürich 21962, S. 570.
69Die hier angeführten Belegstellen sind nur Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
70Der im Silberlöwen III vertretene Pazifismus wird im IV. Band teilweise zurückgenommen (wobei der autobiographische Hintergrund zu beachten ist). Doch immerhin ist auch im Schlußband zu lesen: "Man zieht von allen Seiten bewaffnet gegen uns heran. Darum starren nun auch wir in Waffen; mein guter, kriegerischer Chodj-y-Dschuna hat es so gewollt. Wie überflüssig!" (IV, S. 561, Rede des Ustad).
71Selbst die Notlüge wird heftigst angeprangert!
72Auch im Silberlöwen betont May das Leben nach dem Tod: Der Ustad hat die Dschamikun "gelehrt, daß der Tod für ewig besiegt [...] sei" (III, S. 421). Und Kara Ben Nemsi "weiß, daß das Leben des Menschen nicht mit dem Tode aufhört. Selbst wenn Hadschi Halef stürbe", würde er ihm "unverloren bleiben" (III, S. 295)!
73Vgl. Bibel-Lexikon. Hrsg. von Herbert Haag. Einsiedeln, Zürich, Köln 21968, Sp. 1069f. (Art. Luzifer).


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74Dazu F. Mussner - J. Loosen: Apokatastasis. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1. Hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner. Freiburg 21957, Sp. 708-712.
75Zit. nach Roland Schmid: Nachwort (zu Am Jenseits). In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXV. Hrsg. von Roland Schmid. Bamberg 1984, N 14-24 (N 22).
76Krischel, wie Anm. 6, S. 26.
77An welche "Bücher" mag May gedacht haben? Eindeutig hat er die Existenz einer ewigen Hölle nur in frühesten Textfragmenten (Karl May: Hinter den Mauern und andere Fragmente aus der Haftzeit. In: JbKMG 1971, S. 130 u. 137) und im Buch der Liebe (Karl May: Das Buch der Liebe. Dresden 1875/76, S. 35ff.; Reprint der KMG. Regensburg 1988. Hrsg. von Gernot Kunze. Bd. 1: Textband) bestritten.
78Vgl. oben, S. 607f.
79Dietrich Bonhoeffer: Nachfolge. München 91967, S. 13f. - Auf die "billige Gnade", mit der sich May nicht zufrieden gab, verweist auch Seybold: Plädoyer II, wie Anm. 17, S. 36.
80Bonhoeffer: Nachfolge, wie Anm 79, S. 15.
81Vgl. Seybold: Aspekte, wie Anm. 29, S. 20f.
82Vgl. oben, S. 619.
83Natürlich kann die Bekehrung des Aschyk auch autobiographisch gelesen werden; dazu Sudhoff, wie Anm. 7, S. 171ff.
84Vgl. Karl Rahner: Gnade (III. Zur Theologie der Gnade). In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 3. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg, Basel, Wien 1972, S. 130-140.
85Ebd., S. 133.
86Karl Rahner: Gnade und Freiheit. In: Ebd., S. 144-149 (S. 149).
87Vgl. Karl Rahner: Sünde (V. Dogmatisch). In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX. Hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner, Freiburg 21964, Sp. 1177-1181.
88Gert Ueding: Die Rückkehr des Fremden. Spuren der anderen Welt in Karl Mays Werk. In: JbKMG 1982, S. 15-39 (S. 37).
89Mit dem Künstler ist Sascha Schneider gemeint; das Bild ist abgelichtet bei Hatzig, wie Anm. 3, S. 42, links (Bildteil).
90Diese stark autobiographisch gefärbte (weil auf Mays Gegner bezogene) Stelle darf theologisch nicht überinterpretiert werden - als ob das Böse "Nichts" sei!
91Dieses Motiv begegnet bei May sehr oft, z.B. - im Friede-Roman - in Waller-Dilke.
92Vgl. Ueding, wie Anm. 88, S. 20ff.
93Vgl. Hatzig, wie Anm. 3, S. 39.
94Vgl. v. Franz, wie Anm. 40, S. 123.
95Auch die beiden Rosse Syrr ('Geheimnis') und Iblis ('Teufel') symbolisieren den Sieg des Göttlichen bzw. die Niederlage des Bösen. - Vgl. Hans Wollschläger: Karl Mays Schattenroman. In: Karl May's Gesammelte Werke, Bd. 29 Das versteinerte Gebet. Bamberg 1957, S. 581-593 (S. 587).
96Hans Wollschläger: Karl May. Grundriß eines gebrochenen Lebens. Zürich 1976, S. 127.
97Vgl. Krischel, wie Anm. 6, S. 13-18.
98Vgl. Lorenz, wie Anm. 7, S. 144ff. - Sudhoff, wie Anm. 7, S. 136f. (gegen Arno Schmidt u.a.) - Volker Krischel: "Wir wollen nicht Herren aber euren Glauben sein, sondern Hetfer zu eurer Freude". Anmerkungen zu Karl Mays Religionskritik im 'Silberlöwen III/IV'. In: Karl Mays "Im Reiche des silbernen Löwen". Karl-May-Studien, Bd. 2. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Paderborn 1993, S. 255-267.
99Vgl. oben, S. 617ff.
100III, S. 501ff. (Beschreibung des Oberbaus) und IV, S. 315ff. (Beschreibung des Kellergewölbes).
101Arno Schmidt: Abu Kital. Vom neuen Großinystiker (1958). In: Karl May. Hrsg. von Helmut Schmiedt. Frankfurt/M. 1983, S. 45-74 (S. 61), bringt den "Taki-Orden" mit den Jesuiten in Verbindung.
102Lorenz, wie Anm. 7, S. 150, verweist auf Lessings 'Ringparabel'; vgl. unten, Anm. 105.
103May schränkt allerdings ein: Dieses Gleichnis entstamme der persönlichen Lebensgeschichte des Ustad; folglich sei es als "individuelle" Meinung und nicht als "Gottesbotschaft" zu bewerten (IV, S. 22)!
104Krischel, wie Anm. 6, S. 25.


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105Vgl. ebd., S. 21ff. - A. Schmidt: Abu Kital, wie Anm. 101, S. 62, bezeichnet dieses Bauwerk als "allegorisch äußerst gelungen" und "Lessings 'Parabel' mehr als gleichwertig"!
106Fries: Fundamentaltheologie, wie Anm. 15, S. 57.
107Vgl. Heinrich Fries: Religion. In: Handbuch theologischer Grundbegriffe II Hrsg. von Heinrich Fries. München 1963, S. 432-441 (S. 432ff.).
108Vgl. Norbert Schiffers: Religion. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 6. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg, Basel, Wien 1973, S. 203-212 (S. 209ff.).
109Vgl. Heinrich Fries: Glaube und ideologisches Denken. In: Ders.: Herausgeforderter Glaube. München 1968, S. 133-150 - Karl Lehmann: Die Kirche und die Herrschaft der Ideologien. In: Handbuch der Pastoraltheologie II/2. Hrsg. von F.X. Arnold u.a. Freiburg, Basel, Wien 1966, S. 109-180 - Karl Rahner: Ideologie und Christentum. In: Ders.: Schriften zur Theologie VI. Einsiedeln, Zürich, Köln 1965, S. 59-76.
110Mays Nähe zum Reformkatholizismus betont Krischel, wie Anm. 6, S. 12 u. 19f., zu Recht. -Zu Mays Interesse an katholischen Refonnbewegungen vgl. auch Wagner, wie Anm. 13, S. 27f.
111Fries: Glaube und ideologisches Denken, wie Anm. 109, S. 145 - Die folgenden Zitate sind, wenn nicht anders vermerkt, ebd., S. 144-150 entnommen.
112Helmut Thielicke: Theologische Ethik II/2. Tübingen 1958, S. 66ff.; zit. nach Fries: Glaube und ideologisches Denken, wie Anm. 109, S. 147.
113Fries: Ebd.
114Sudhoff, wie Anm. 7, S. 138 - Ganz anders als May setzt Sudhoff einen ausgesprochen defizienten Kirchenbegriff voraus.
115Dieses und die folgenden Zitate nach Fries: Glaube und ideologisches Denken, wie Anm. 109, S. 149f.
116Ebd., S. 150.
117Sudhoff, wie Anm. 7, S. 179 (Anm. 69) - Zum "Kirchlein" vgl. auch Seybold: Aspekte, wie Anm. 29, S. 43 (Anmerkung).
118Vgl. Hans Küng: Die Kirche. Freiburg, Basel, Wien 21968, S. 108ff.
119Zweites Vatikanisches Konzil. Dogmatische Konstitution über die Kirche ('Lumen Gentium'), Art. 1.
120Joseph Ratzinger - Karl Lehmann: Mit der Kirche leben. Freiburg, Basel, Wien 41977, S. 26f. (Zitat nach Ratzinger!).
121Sudhoff, wie Anm. 7, S. 138; ähnlich Krischel, wie Anm. 6, S. 25.
122Karl May: Und Friede auf Erden! Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXX. Freiburg 1904, S. 439 - Vgl. Seybold: Aspekte, wie Anm. 29, S. 38 - Ders.: Anmerkungen zu Paul Rentschka. In: JbKMG 1987, S. 150-159 (S. 158, Anm. 58) - Hermann Wohlgschaft: Mays Friede-Roman und die Lehre der Kirche. In: MKMG 83 (1990), S. 18-24 (S. 22).
123Paul Michael Zulehner: Kirche - Anwalt des Menschen. Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen. Wien, Freiburg, Basel 198 1.
124Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I. Freiburg, Basel, Wien 1976, S. 87.
125Vgl. oben, S. 119f.
126Sudhoff, wie Anm. 7, S. 139; vgl. dagegen Seybold: Aspekte, wie Anm. 29, S. 26f.




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Sekundärliteratur


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