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Winnetou IV oder Die Umkehr zur Liebe


Mays letzter Roman und sein letztes Erzählwerk überhaupt ist der IV. Band Winnetou (1909/10). Die Botschaft dieses Romans entspricht der Theologie, den ethischen Überzeugungen und gesellschaftspolitischen Wunschvorstellungen, die - mehr oder weniger ausgeprägt - auch in den übrigen Spätwerken unseres Autors zu finden sind. May vertritt engagiert das Grundprinzip der Liebe, den Versöhnungsgedanken und, sehr deutlich, auch das ökologische Interesse:1 die Bewahrung der Schöpfung angesichts des Raubbaus mit der Natur.

   Im Zentrum des Romans steht das Schicksal der Indianer: des Volkes, dem die weißen Eroberer - im Zeichen des Kreuzes, unter dem Deckmantel des Christentums - so schreckliches Unrecht getan hatten. Doch May, der Visionär, sieht - ebenfalls im Zeichen des Kreuzes - eine neue Perspektive: für die Zukunft der Menschheit und speziell auch der Indianer! Heute,2 also 500 Jahre nach der 'Entdeckung' Amerikas durch Kolumbus, hat Winnetou IV an Aktualität noch gewonnen. Zur heutigen Diskussion über die fragwürdige, in Völkermord und brutale Unterdrückung verstrickte 'Christianisierung' Amerikas3 könnte Mays Roman als bemerkenswerter Beitrag gelesen werden.

   Nicht so pointiert in Winnetou IV, um so betonter aber im Einführungskapitel von Ardistan und Dschinnistan sowie in Briefen an Prinzessin Wiltrud sieht May die 'indianisch-germanische Rasse' in einer besonderen - weltgeschichtlichen - Rolle:


"Da drüben liegt Amerika [...] Dort lebt der rote Mann, von dem ihr meint, daß er dem Untergange gewidmet sei. Ihr irrt. Dieser rote Mann stirbt nicht [...] Es gibt ein übermächtiges, weltgeschichtliches Gesetz, welches befiehlt, daß der mit dem Schwert Besiegte mit dem Spaten dann der Sieger sei. Der gegenwärtige Yankee wird verschwinden, damit sich an seiner Stelle ein neuer Mensch bilde, dessen Seele germanisch-indianisch ist. Diese neue amerikanische Rasse wird eine geistig und körperlich hochbegabte sein [...] Sie wird sich aller geistigen Triebkräfte des Abendlandes bemächtigen, und wehe dem alten Europa, wenn es dem nichts Anderes entgegenzusetzen hat, als nur die alten Vorurteile, die alte Selbstüberhebung, die alten Kultursünden und - - die alten Kanonen! "4


   In Winnetou IV werden diese Gedanken aufgegriffen. Aber die, zweifellos skurrile, Idee von der 'indianisch-germanischen Rasse' tritt in den Hintergrund und wird nicht weitergesponnen. Und ein freundliches Wort findet der Dichter nun auch für die Yankees (S. 57f.).5 Auch der 'gelben Rasse', den orientalischen Völkern und den Europäern gilt, nach wie vor, die Sympathie Karl Mays.6 Gewiß, marginal finden sich - gegen 'Mischlinge' (S. 306) oder Armenier (S. 304) - auch in Winnetou IV manche Vorurteile. Solche Ausrutscher sind zu bedauern. Sie werden aber nicht ausgebaut zur 'rassistischen Lehre' und sollten nicht überinterpretiert werden.

   Von zeitgenössischen Modellen oder "gar von den nationalsozialistischen Wahngebilden" trennen die 'Rassentheorie' Karl Mays ganze "Welten".7 Denn die unantastbare Würde, die grundsätzliche Gleichwertigkeit aller Menschen vertritt der Autor, sehr betont, auch in Winnetou IV. Individuelle Rangunterschiede werden zwar nicht geleugnet; aber niemand steht, nach der Auffassung Mays, allein schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk, einer bestimmten Klasse oder einer bestimmten Religion über anderen Leuten. Auch der Bildungsgrad begründet keinen Unterschied im Wert einer Person; auch der Künstler steht nicht über anderen Menschen (S. 443). Und auch die Geschlechter, Frauen und Männer, sieht May als absolut gleichwertig an.


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   Günter Scholdt wandte zwar ein: "Patriarchalische Vorstellungen behaupten trotz gegenteiliger Beteuerungen weiter das Denken"8 im letzten Roman Karl Mays. Doch dies ist eine Behauptung, die dem Textbefund nicht entspricht.

   Dachte Scholdt an die zahlreichen Häuptlinge, die in der Tat eine große Rolle spielen in Winnetou IV? Aber patriarchalisch - im Sinne von absolutistisch - herrschen diese Häuptlinge keineswegs! Selbst Kiktahan-Schonka, der böse Anführer der Sioux, hat keine Macht über die 'Jungindianer' (S. 160) und erst recht keine Macht über die 'Jungindianerinnen' (S. 210). Und Frauen wie Aschta kennen ohnehin "keinen Häuptling über sich" (S. 160).

   Vielleicht dachte Scholdt an Tatellah-Satah, den greisen und ehrwürdigen 'Bewahrer der großen Medizin', den May als "Gebieter" beschreibt und mit den "alten, südamerikanischen" Herrschern vergleicht (S. 402). Aber autoritär wirkt auch dieser Mann nicht. Seine Macht ist durchaus begrenzt. Er bestimmt nicht allein und läßt auch Andersdenkende "mit entscheiden" (S. 516).

   Der Tyrannei, dem Machtstreben setzt May die dienende Liebe entgegen. Auch in Winnetou IV will der Dichter zugleich ein Prediger sein: "Ich möchte der Menschheit meinen Glauben geben, meine Liebe, meine Zuversicht, mein Licht, meine Wärme, meinen - - - Gott!"9

   Despotische Herrschaftsstrukturen sind für May der Ausdruck und die Folge der Sünde (S. 279), des Abfalls von Gott! 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' - diese Ideale sind für May theologisch begründet: Da Gott der Vater aller Menschen ist, sollen alle zu Geschwistern werden und soll es keine Herrschaft geben von Menschen über Menschen (S. 438f.).10

   Winnetou IV ist, wie alle Spätwerke Mays, theologische Poesie: nach Günter Scholdt die "Frucht eines [...] Synkretismus, in dem von [...] Christus bis Winnetou, dem indianischen Pendant, die globale Einheitsreligion ersehnt und verkündet wird." Allerdings liege der ganzen Erzählung, wie Scholdt hinzufügt, "letztlich unangefochten die interpretatio Christiana zugrunde"!11

   Mays Empfinden ist religiös, und sein Roman ist, ganz ohne Zweifel, inspiriert von der biblischen, vor allem der neutestamentlichen Theologie. Und doch könnte gefragt werden: Ist Winnetou IV eine SPEZIFISCH christliche Dichtung? Diese Frage exakt zu beantworten, ist - wie sich zeigen wird - gar nicht so einfach.

   May ist ein Hakawati, ein Märchenerzähler. Biblische Bilder, christliche Verkündigung, aber auch mythologische Poesie, Märchen- und Traumelemente, dies alles enthält der Roman.12 Nicht nur theologische, auch tiefenpsychologische Erkenntnismittel sind also erforderlich, um die Botschaft dieser Erzählung (wie der übrigen Alterswerke Mays) interpretieren zu können.

   Manche Thesen des Theologen, Kirchenkritikers und Psychotherapeuten Eugen Drewermann könnten, wie früher schon angedeutet wurde,13 sehr hilfreich sein zum Verständnis auch der Spätwerke Mays. Denn Drewermanns Methode, die Philosophie, die Theologie, die vergleichende Religionswissenschaft und die Tiefenpsychologie miteinander zu verbinden und aus dieser Sicht Märchen, Mythen und biblische Schriften zu interpretieren, könnte auch ein Schlüssel sein, der Bücher wie Winnetou IV zu erschließen vermag.

   Als "theologischer Dichter"14 findet Drewermann in der Öffentlichkeit sehr weitgehende Anerkennung. Als CHRISTLICHER Theologe jedoch ist er heftig umstritten. Sogar mit


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Lehr- und Predigtverbot wurde er von der Kirchenleitung bestraft. Aber - was hat dies mit May und Winnetou IV zu tun?

   Das 'Karl-May-Problem' und der 'Streitfall Eugen Drewermann' sind insofern nicht zu vergleichen, als May kein Fachtheologe war und keine theoretischen Abhandlungen über Mythen und biblische Stoffe verfaßt hat. Auch konnte May, als Lutheraner, von katholischen Lehramtsvertretern ja gar nicht belangt werden. Auf Angriffe von seiten katholischer Publizisten hat er sich aber doch eingelassen.15 Allerdings hat er, im Gegensatz zu Drewermann, die Konfrontation mit kirchlichen Gegnern nicht gesucht! Seinen Widersachern gegenüber - sofern sie nicht, wie Pöllmann,16 geradezu bösartig waren - zeigte May sich durchaus versöhnungsbereit.

   Trotz solcher Unterschiede gibt es zwischen May und Drewermann doch interessante Parallelen. Das prophetische Sendungsbewußtsein und - darüber hinaus - der Anspruch, eine umfassende, im Erkennen der 'Menschheitsseele' begründete UND an der Botschaft Jesu orientierte Deutung der Welt und des menschlichen Daseins zu liefern, sind für beide Autoren bezeichnend. Aber auch die Kritik, die Mays Spätwerk erfuhr: die theologische Beanstandung durch Paul Rentschka vor allem,17 entspricht zum Teil jenen Punkten, die heute auch Drewermann zum Vorwurf gemacht werden.

   Wichtige, in Winnetou IV durchgängig berührte, den ganzen Roman strukturierende Themen der Theologie sind im folgenden zu besprechen. Drewermanns Versuch, zwischen Tiefenpsychologie, Religionswissenschaft und christlicher Theologie zu vermitteln, soll dabei - als Orientierungshilfe zur Deutung von Winnetou IV - besonders berücksichtigt werden.



7.1

Das verlorene Paradies oder Die Folgen der Erbsünde


Das eigentliche Thema in Winnetou IV ist die Befreiung des Menschen aus seiner Verstrickung in persönliche Schuld und in überpersönliche Schuld-Zusammenhänge. Die persönliche Schuld des Individuums unterscheidet May von der 'Sünde der Welt', von den - ererbten und weitergezeugten - "Strukturen des Bösen" (Drewermann):18 von jenem Verhängnis, das alle betrifft und das Verhalten des einzelnen mit bestimmt.

   "Die christliche Kirche", heißt es in Mays Selbstbiographie, nennt dieses Verhängnis die "Erbsünde". Der Dichter fügt hinzu: "Die Vorväter und Vormütter kennen, heißt, die Kinder und Enkel begreifen"!19 In Winnetou IV wird dieser Zusammenhang der Generationen - der Zusammenhang von persönlicher Schuld und gemeinsamer 'Erbsünde' - poetisch zur Sprache gebracht.

   Sander, der Mörder Intschu-tschunas und Nscho-tschis, hat den Drang zum Mord und zur Selbstvernichtung an seine Kinder "vererbt" (S. 261). Über den - psychiatrisch interessanten (S. 244ff.) - Einzelfall der Familie Sander hinaus und übertragen auf die 'rote Rasse' bzw. die Menschheit überhaupt, begegnet die Erbschuld-Thematik im Dschinnistan-Mythos des Indianerromans.


7.1.1

Urbilder der Sehnsucht


Der 'junge Adler' beschreibt die fernste Vergangenheit der Indianer, die Zeit, da Amerika noch mit Asien verbunden war:20 Über die Gesandten der Königin Marimeh - Marah Durimeh, die 'Menschheitsseele', ist gemeint - standen die Indianer in innigster Verbindung


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mit Gott. Das 'Schutzengel-Gesetz von Dschinnistan'21 wurde eingeführt in Amerika: "Der Himmel wohnte auf Erden. Das Paradies stand weit geöffnet. Es gab keinen Unterschied mehr zwischen Engel und Mensch, weil jeder Mensch ein Engel war, nämlich der Schutzengel eines andern." (S. 277)

   Die Indianer aber - erklärt der 'junge Adler' -


"hatten keinen Dank für das Gesetz von Dschinnistan. Sie hatten keine entgegenkommende Tat für Manitou, für die Königin Marimeh, für die Erhaltung ihres Paradieses, ihrer Seligkeit, ihres Glückes. Das ist die große, die unverzeihliche Sünde unserer Ahnen, deren Folgen wir zu tragen haben bis auf den heutigen Tag! [...] Der Himmel verließ die Erde. Das Paradies verschwand. Die Liebe starb [...] Die Herrscher wurden zu Despoten, die Patriarchen zu Tyrannen. Hatte es erst nur ein Gesetz der Liebe gegeben, so regierte nun nur noch ein Gesetz des Zwanges. Was vorher segnete, das fluchte; was vorher zusammenstrebte, das bestand jetzt darauf, sich zu meiden. Die einzig mögliche Rettung schien in der Hand der Macht, der schonungslosen Strenge zu liegen. Und sie kamen, die Bedrücker, die Zuchtmeister, die Gewaltherrscher. Sie regierten mit eisernen Fäusten" (S. 278f.).


   Den Gedanken eines ursprünglichen, durch menschliche Schuld verlorenen Paradieses finden wir auch in anderen Spätwerken Mays22 und auch sonst in der Literatur. Wie jeder weiß, kennt auch die Bibel - die Urgeschichte des Jahwisten (Gen 2, 4b-25 u. 3, 1-24) - diese Vorstellung. Aber nicht nur der jüdisch-christlichen Tradition ist dieser Gedanke vertraut! Auch in anderen Religionen, auch in den Märchen und Mythen der Völker23 ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies "in unzähligen Variationen"24 verbreitet. Daraus aber folgt: Das verlorene Paradies ist ein archetypisches Bild der 'Menschheitsseele' schlechthin.

   Psychoanalytisch gesehen mischen sich in die Bilder vom verlorenen Paradies die frühkindlichen Erinnerungen an die Zeit der Geborgenheit im Schoße der Mutter (oder, nach der Geburt, am Leib der Mutter).25 Tiefenpsychologisch gedeutet ist das ursprüngliche Paradies ein Muttersymbol!26 Wenn also May das Paradies mit der 'Königin Marimeh', der 'großen Mutter'27 (die zugleich die Menschheitsseele ist), in Verbindung bringt, so ist dies sicher kein Zufall: keine willkürliche Erfindung, sondern ein archetypisches Bild - einer tiefenpsychologischen Einsicht entsprechend.

   Als Muttersymbol verstanden ist das ursprüngliche Paradies eine regressive Vorstellung. Negativ darf der Begriff 'Regression' hier freilich nicht gewertet werden! Wie Drewermann - im Anschluß an Sigmund Freud, C.G. Jung u.a. - erklärt, hat der 'Rückschritt', das Zurückgehen auf den mütterlichen Ursprung einen konstruktiven Sinn: Nach Freud "regrediert die psychische Energie unter dem Überdruck aktueller ANGST, und ihr Weg nach rückwärts möchte gerade auf einem Umweg wieder zu den Stationen des [...] geglückten Lebens zurückfinden, die im Unbewußten erinnert werden, um davon nach vornehin anknüpfen zu können."28

   C.G. Jung ging noch weiter. Die Regression verband er nicht nur, wie Freud, mit der Entwicklung des Individuums, sondern ebenso "mit den kollektiven Urbildern der Sehnsucht": mit Bildern der Hoffnung, die "in den Tiefenschichten der menschlichen Psyche" ihren Grund besitzen und "aus dem Erbe der Menschheitsentwicklung"29 ihre - helfende - Kraft beziehen.

   Das Studium der psychischen Krankheiten brachte Jung zu der These, daß solche Erkrankungen - auf dem Umweg der Regression - die (im 'kollektiven Unbewußten': in der 'Menschheitsseele' verwurzelten) Kräfte der Selbstheilung in der Seele des Kranken zu aktivieren vermögen. Der 'Abstieg' zu den Hoffnungsbildern der Menschheitsseele, die 'Rückkehr zum verlorenen Paradies' ist also erforderlich, um 'von neuem geboren' zu werden (vgl. Joh 3, 3).30


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   In Winnetou IV finden wir diese heilende Rückerinnerung - universal - im Paradies der Königin Marimeh und - individualpsychologisch - im Heilungsprozeß der psychisch erkrankten, von "Angst" (S. 72) besetzten, von der Schuld des Vaters gezeichneten Sander-Brüder: Die Sanders kehren zurück zum Nugget-Tsil, dem Ort des väterlichen Verbrechens; und sie kehren, noch weiter, zurück zur Güte der "Mutter", die gerne verzeiht (S. 269)! Der Weg in die bessere Zukunft: der Aufstieg nach Dschinnistan, dem Lande der Schutzengel, dem Reich der unendlichen Liebe, kann nun beginnen.

   Die Erfahrung der Krankheit, auch der psychosomatischen Krankheit, ist eine menschliche Grunderfahrung. Aber auch die Erfahrung der 'Krankheit' im theologischen Sinne: die Erfahrung der Schuld, der verweigerten Liebe, der Entfernung von Gott, ist eine Urerfahrung des Lebens. Die Erinnerungsbilder eines frühkindlichen Paradieses können freilich, so Drewermann, schon "die ersten Verdichtungen einer Sehnsucht" sein, "die unser ganzes Wesen ausmacht"31 und - letztlich - die Rückkehr zu Gott, zur göttlichen Liebe zum Ziel hat.

   Die Sehnsucht nach (unendlicher) Liebe, das Verlangen nach Heilung, nach einem neuen - von der Angst und der Last einer dunklen Vergangenheit befreiten - Lebensbeginn findet sich, antizipiert, in den Hoffnungsbildern des verlorenen, immer neu zu suchenden Paradieses. Marimeh, die Königin dieses Paradieses, ist - theologisch gedeutet - dann nicht nur die leibliche Mutter, auch nicht nur die Menschheitsseele, sondern: Gott selbst, das mütterliche Antlitz der göttlichen Gnade.32

   "Manitou" und "Königin Marimeh" werden im Dschinnistan-Mythos Karl Mays, bezeichnenderweise, kaum unterschieden. Sie gehören zusammen: als 'väterliche' Kraft, als 'mütterliches' Antlitz des einen Gottes, der unendliche Liebe ist und dem Menschen - der zur Liebe befreiten Existenz - unendliche Zukunft und bleibende Heimat (Joh 14, 2f.) verheißt.


7.1.2

'Wir verbannten Kinder Evas'


Wie die Bibel und die Mythen der Völker berichtet auch der Dschinnistan-Mythos von einer Zeit, da Himmel und Erde noch miteinander vereint waren. Erst durch menschliche Schuld: einen urzeitlichen Frevel, dessen "Folgen wir zu tragen haben bis auf den heutigen Tag" (S. 278), sei die Einheit von Himmel und Erde zerbrochen und die Liebe (die Einheit des Menschen mit Gott und der Schöpfung) gestorben! Wie ist nun aber, historisch gesehen, diese Vision zu beurteilen?

   Daß der Dschinnistan-Mythos Karl Mays kein historischer Bericht, sondern ein 'Traum', eine poetische 'Utopie'33 ist, versteht sich von selbst. Aber auch die biblische, die jahwistische Erzählung will, wie Drewermann erläutert,34 keinen historischen Tatbestand, sondern - in bildhafter Ausdrucksweise - einen idealen Zustand beschreiben, in dem der Mensch sich befinden müßte, wenn er mit Gott, seinem Schöpfer, in Einheit leben würde.

   Die Erzählstoffe, die der 'Jahwist' - ein anonymer Verfasser bzw. Redaktor: ein großer Theologe und inspirierter Dichter des 9. oder 8. Jahrhunderts vor Christus - in seiner Urgeschichte gesammelt, poetisch gestaltet und theologisch erhellt hat, sind "zum Teil weltweit verbreitet und sicher nicht hebräischen oder auch nur semitischen Ursprungs".35 Das aber heißt: Nicht nur das - in der 'Rückkehr zur Mutter', zur Geborgenheit des Ursprungs, wiedererinnerte - Paradies (Gen 2), sondern die ganze jahwistische Urgeschichte, auch der Sündenfall und seine Folgen (Gen 3 bis 11, 9), sind "menschheitlich"36 zu


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verstehen: Die Denkweise, die diesen alttestamentlichen Erzählungen zugrundeliegt, entspricht der Urerfahrung, der "Kollektivseele" (C.G. Jung)37 des Menschen überhaupt.

   Schildert die Paradies-Geschichte den Menschen, wie er sein sollte und wie er von Gott gewollt ist, so stellen uns die Erzählungen vom Sündenfall und seinen Folgen (bis hin zur Menschheits-Zersplitterung nach dem 'Turmbau zu Babel') den gefallenen Menschen vor Augen, der die Einheit mit Gott nicht kennt und sich selbst entfremdet ist. Die bedrängte, die gnadenlose Existenz in der Ferne von Gott wird gezeigt: "ein Sein zum Tode, ein Kreislauf der Vergeblichkeit von Staub zu Staub"!38 Die jahwistische Schilderung der Ursünde, des "peccatum originale" (Augustinus),39 ist also ein "Spiegel, in dem die ganze Menschheit und ein jeder für sich sein Antlitz sehen [...] kann: mit seinen [...] Erbärmlichkeiten und Nichtigkeiten".40

   Mit Paradies und Sündenfall will der Jahwist - wie May in Winnetou IV - den Widerspruch zwischen ursprünglicher (von Gott gewollter) Größe und tatsächlichem Elend des Menschen beschreiben. Er will - so Drewermann -


den Kontrast aufzeigen zwischen der eigentlichen Bestimmung des Menschen und dem, was in der Abwendung von Gott [...] seine Wirklichkeit bestimmt; er möchte deutlich machen, daß das gegenwärtige Leben mit der dunklen Aussichtslosigkeit des Todes vor Augen, mit seiner Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit [...] das Los von Menschen sein muß, die sich [...] von Gott entfernt haben.41


   Gen 3 bis 11, 9 will zur Anschauung bringen, wie das Böse - immer mehr - vom Menschen Besitz ergreift. Die Entfernung des Menschen von Gott wird, sehr finster und pessimistisch, als fortschreitende Entwicklung betrachtet, die letztlich zur Katastrophe führt.42 Die jahwistische Urgeschichte zeichnet ein düsteres Bild des Menschen und der Geschichte der Völker. Denn die biblische Erzählung macht - einem Fachmann für alttestamentliche Exegese zufolge -


sichtbar, wie die [...] Verkehrtheit des menschlichen Wesens sich im Lauf der Menschheitsgeschichte auf allen Lebensgebieten durchsetzt [...] So erscheint die ganze Menschheit in einer Situation der Gottesferne, die durch die Sünde heraufbeschworen wurde und die es den Menschen unmöglich macht, aus eigener Kraft den Weg zu Gott einzuschlagen.43


   Eine dogmatische 'Erbsünden-Lehre', eine ausdrückliche Theorie, wonach die Sünde der Stammeltern auf die Nachkommen übergegangen sei, findet sich in der jahwistischen Urgeschichte und auch sonst im Alten Testament allerdings nicht.44 Auch in den Jesus-Worten der Evangelien gibt es nur wenige "entfernte Anspielungen"45 auf den ersten Sündenfall. Die kirchliche Erbsünden-Lehre, auf die sich May in der Selbstbiographie bezieht und die, implicite, auch Winnetou IV zugrundeliegt, hat in Gen 3 bis 11, 9 aber doch einen Anhalt. Und im Römerbrief des Apostels Paulus (Kap 5-7) hat diese Lehre eine, wenn auch mehrdeutige,46 systematische Grundlage.

   Die Not, die Entfremdung, das Elend der 'verbannten Kinder Evas', die Zerrissenheit, die "Spaltung des menschlichen Innern" als "Bild der Menschheitsspaltung überhaupt",47 die zwanghafte Verkettung, in die die Ursprungssünde den Menschen hineinzieht, hat Paulus so ausgedrückt: "Ich begreife mein Handeln nicht. Denn ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse [...] Dann aber bin nicht ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde." (Röm 7, 15.17)

   Nach dieser Auffassung gibt es also eine Fremdbestimmung, eine dämonische 'Besessenheit', eine vorpersonale, der Freiheit des einzelnen vorausliegende Macht des Bösen: eine "Vernunft der Negation",48 die von Menschen, die sich treiben lassen und nach dieser 'Logik' handeln, konsequent Besitz ergreift. An das Jesus-Wort könnten wir denken:


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"Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an." (Job 8, 44)

   In den Sander-Söhnen, besonders in Sebulon (dessen Name aufs 'Land der Heiden' verweist, in das der Erlöser, Jesus Christus, gesandt ist49), hat May diese Verstrickung konkret geschildert: Sie "kämpfen mit dem Mordzwange Tag und Nacht, und ich glaube nicht, daß einer von ihnen so stark sein wird, diesen Dämon in sich zu besiegen." (S. 27) Denn der "Vater", der "den Trieb zum Bösen [...] vererbt" (S. 261) hat, ist "da, der Vater! Ich fühle es an der Aufregung, an der Leidenschaft, die mich zersprengen möchte." (S. 255) Und nicht nur der leibliche Vater ist da: Der "Teufel" hat die Brüder "besessen" und besitzt sie "auch heute noch" (S. 249)!

   Das Böse, das - in der Sicht des Jahwisten bzw. Drewermanns - "alle Menschen ergreift und von ihnen selbst nicht mehr rückgängig gemacht werden kann",50 ist wirksam in dieser Welt. Aber - wie kommt es hinein in die Welt? Wenn Gott, der Schöpfer, nur gut ist? "Warum läßt der heilige Gott, der das Böse niemals wollen, bewirken und billigen kann, das Böse zu, oder warum hindert er die von ihm erschaffenen freien Wesen nicht, ihre Freiheit zum Bösen zu mißbrauchen?"51 Eine schwierige Frage, die wir adäquat nicht beantworten können!52 Wir können nur glauben und, wie May es immer getan hat, fest darauf bauen: "daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt" (Röm 8, 28).

   Das Böse schlechthin, das 'mysterium mali', entzieht sich unsrem Verstand. Sofern das 'peccatum originale' von einem, der Freiheit des Menschen vorausliegenden, bösen Prinzip - der 'Schlange' (Gen 3, 1-5)?53 - initiiert sein sollte, rührt die 'Erbsünde' an das Dunkel eines Mysteriums, das wir nicht zu durchschauen vermögen. Erkennbar und annähernd begreiflich aber ist dies: In allem, was er tut, bleibt der Mensch nie völlig allein! Und wenn er sündigt, zieht er andre in seine Schuld mit hinein.

   May sagt in Winnetou IV: Was wir tun, "mag es recht oder unrecht sein", tun wir nicht nur für uns "und nicht für den heutigen Tag, sondern für Jahrhunderte und Jahrtausende und für die Völker aller Erdenländer!" (S. 404) Überspitzt mag diese Formulierung wohl klingen. Mit Karl-Heinz Weger, einem katholischen Theologen, freilich könnten wir - in dieselbe Richtung gehend, aber doch etwas vorsichtiger - sagen: "Die Verweigerung der Gnade durch die Sünde eines Menschen ist nicht ein isolierter, den Sünder allein angehender Minuspunkt der Weltgeschichte. Sünde ist gleichzeitig auch Verweigerung der Gnadenvermittlung für andere. "54

   Die Welt, in die hinein wir geboren werden, ist keine 'neutrale' Welt. Sie ist durch die Schuld andrer Menschen, die Schuld auch unsrer Ahnen, negativ vorgeprägt.55 Und das Verhängnis wird, so scheint es, immer noch größer! Karl May in Winnetou IV: "Schuld zur Schuld" wird gehäuft. "Bedenke die Folgen! [...] Die Folgen, welche deine Person treffen, magst du verantworten können; aber die Folgen, welche deinen Sohn, deine Familie und deinen Stamm treffen, wird Manitou dir vorhalten" (S. 555)!

   Der Mensch ist ein soziales Wesen. In unsrem Denken und Tun sind wir teilweise abhängig von dem, was unsre - selbst wieder geschichtlich geprägte - Umwelt empfindet. Das Böse, das wir denken oder tun, belastet immer auch andere. Und wir selbst sind belastet: durch andere Menschen, durch die Übernahme ihrer Geschichte! Der Mensch ist, so müssen wir sagen, "der Unheilsgeschichte, [...] dem immer neuen Nachvollzug der Sünde bis ins Innerste seiner Existenz hinein ausgesetzt. Er ist von der Unheilsgeschichte der Welt in seiner Freiheit innerlich mitbestimmt."56

   Das Problem von Freiheit und Notwendigkeit in der Schuld ist damit schon angesprochen. Wie kann das Böse vom Menschen in Freiheit gesetzt sein und dennoch die "pro-


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zeßhafte Zwangsstruktur"57 aufweisen, die - in der Deutung Drewermanns - schon die Bibel, die jahwistische Urgeschichte, doch nahelegt?

   Die Freiheit des Menschen ist eingeschränkt: durch die 'Sünde der Welt', durch äußere Mächte und innere (vielleicht krankhafte, neurotische) Zwänge. Eine 'Notwendigkeit des Bösen' gibt es, für May wie für Drewermann, aber nicht. Denn nicht nur die Schuld und nicht nur die Erbsünde, auch die "Erbgnade"58 wirkt in der Welt!



7.2

Der Traumflug des 'jungen Adlers' oder Die Erlösung durch Liebe


Nicht als 'Zwang' zum Verbrechen, wohl aber als 'Neigung', als "Trieb zum Bösen" (S. 261) versteht Karl May die Wirkung der Erbsünde. Der Mensch kann diesen Trieb durchaus überwinden: Die Sander-Söhne z.B. können der Gewalt des Bösen widerstehen - durch die Augen des 'Herzle', durch die Güte der "Mutter" (S. 269), durch die "Energie der Liebe",59 die nach Drewermann die einzige Kraft ist, die zurückführen kann ins verlorene Paradies.


7.2.1

Die Überwindung der Angst


Einen Zwang zum Bösen kann es nicht geben - es sei denn, daß wir die Weise vor Augen hätten, in welcher der Mensch "im Felde der Angst"60 seine Freiheit verliert. Daß gerade "die Angst des Daseins [...] den Menschen [...] zu Handlungen treibt, die die Suche nach Liebe unerfüllbar und den Willen, sich durchzusetzen, tödlich machen",61 zeigt - nach Drewermann - die Psychoanalyse. Die Überwindung der Angst wäre, psychologisch gesehen, also das wirklich Befreiende und einzig Erlösende.

   Aber WELCHE Angst ist gemeint? Den Begriff 'Angst' versteht Drewermann im Sinne des Existenzphilosophen und evangelischen Theologen Sören Kierkegaard: nicht als - zur Selbsterhaltung des Menschen ja notwendige - Furcht vor dem Übel, überhaupt nicht als Furcht, die sich "auf etwas Bestimmtes"62 bezieht, sondern als letzte Erschütterung des menschlichen Daseins: als Erfahrung des 'Nichts', als 'Krankheit zum Tode',63 als "Neurose vor Gott".64

   Aus dieser Angst kann der Mensch sich selbst nicht befreien. Aus dieser Angst muß er sich befreien LASSEN - von Gott, der die Liebe ist (1 Joh 4, 8). In theologischer Betrachtung zeigt sich, daß der Mensch nicht leben, nicht menschlich leben kann, "wenn seine Angst nicht in Gott zur Ruhe gekommen ist."65 Denn nur dann, "wenn ich [...] glaube, daß es Gott gibt, der über dem Abgrund der Angst und des Nichts hinweg mein Dasein will", werde ich "fähig zu dem Allereinfachsten, aber in der Angst Allerschwersten: zu jenem kindlichen Vertrauen, mit dem allein die fluchbeladene Erde sich verwandeln könnte in das Reich der Himmel (Mt 18, 3)."66

   Vor diesem Hintergrund ist die Befreiung der Sander-Söhne in Winnetou IV zu verstehen! Was Hariman und Sebulon, bis zu ihrer Verwandlung am Nugget-Tsil, gequält und getrieben hat, war die "Angst" (S. 72): die metaphysische Angst, der Verlust des 'Urvertrauens'!67 Die "traurigen Augen" (S. 76) der Brüder, ihr zwanghaftes Wesen, ihr gesamtes Verhalten weisen in diese Richtung. Nach ihrer Heilung, nach ihrer Aufnahme in den 'Clan Winnetou' aber wird ihr Blick "immer freundlicher" (S. 297). Auch Sebulon, der vom "Dämon" - weit schlimmer noch als Hariman - zuinnerst Besessene, wird "unbefan-


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gener", wird "ruhig und vernünftig" (S. 272). Die Angst wird den Brüdern genommen! Zum Vertrauen und damit zur Liebe werden sie fähig.


7.2.2

Die entgegenkommende Tat für Manitou


Der "Fluch, der vom Vater auf die Söhne erbt", soll zum "Segen" werden, zum "Segen, welcher darin liegt, Geschehenes gut zu machen und dadurch den Vater erlösen zu können." So steht es in Winnetou IV (S. 574). Doch wäre zu fragen: Ist dieser - handlungstragende - Passus theologisch denn richtig? Dieselbe Frage hat sich schon früher, in Ardistan und Dschinnistan, gestellt:68 Kann ein Mensch sich selbst oder gar seine Ahnen "erlösen"?

   Bei Drewermann heißt es: "'Erbsünde' ist die Existenzweise, die der Mensch als überwunden erkennt, wenn er zum Glauben"69 an Gott, an Gottes Huld und Erbarmen, gekommen ist. Denn die Verkehrung der ursprünglichen (in den Paradiesesbildern erinnerten) Gottesordnung durch menschliche Schuld kann nur "von Gott her rückgängig gemacht"70 werden.

   Den Gedanken der Selbsterlösung, der Befreiung des Menschen aufgrund von eigener Anstrengung und nicht aufgrund von göttlicher Gnade, lehnt Drewermann - in diesem Punkte vollkommen orthodox im Sinne der Bibel und der christlichen Kirchen - mit Nachdruck ab: Der "notwendig verzweifelte Versuch" des Menschen, "sein eigenes nichtiges Dasein aus sich selbst zu rechtfertigen",71 entspricht ja gerade dem Wesen der Ursünde: dem Versuch des Menschen, selbst an die Stelle Gottes zu treten und also "wie Gott" (Gen 3, 5) zu sein!

   Eine Selbsterlösung in diesem (atheistischen, von J.P. Sartre z.B. vertretenen72) Sinne liegt May natürlich ebenso fern wie Drewermann. Auch in Winnetou IV steht ja fest: Von Gott, dem "einzigen Herrn", kommt jedes Erbarmen und jede Erlösung (S. 478)! Der Schutz, die Führung des 'großen guten Manitou' strukturiert - als letzter Grund des menschlichen Strebens - den ganzen Roman. Die Initiative, die Zuwendung Gottes als erste Voraussetzung für jegliches Heil bestimmt den gesamten Duktus in Winnetou IV (und allen anderen Spätwerken Mays).

   Das unbedingte "Vertrauen zum allmächtigen und allweisen Vater der Welten" (S. 263) schließt die Idee einer, mit den Heilstaten Gottes konkurrierenden, Selbsterlösung des Menschen vollständig aus. Eine göttliche 'Prüfung', die den Menschen "zur eigenen Tätigkeit", zur "entgegenkommenden Tat für Manitou" (S. 278) anspornen will und insofern den Menschen ins göttliche Heilswirken aktiv miteinbezieht, hält May aber für möglich und setzt er voraus. Daß dieser Gedanke - das menschliche Wirken, die tätige Liebe, als freie Antwort auf Gottes Initiative - theologisch korrekt ist, wurde (im Blick auf den Silberlöwen III/IV) schon geklärt73 und braucht hier nicht weiter erörtert zu werden.

   Nur dies sei noch eigens vermerkt: Auch Winnetou IV liegt die - theologisch richtige - Auffassung zugrunde, daß Gottes Gnade die Freiheit des Menschen nicht außerkraftsetzt. Zwar heißt es, daß Hariman aufgrund eines inneren Dranges dem 'Clan der Schutzengel' - der Gemeinschaft all derer, die zur Liebe befreit sind - beitreten "muß"! Und auch Sebulon wird es "noch müssen!" Denn es "kommt, ohne daß man es will. Und wenn es da ist, hat man zu gehorchen." (S. 293) Gottes Gnade ist also mächtig, ja über-mächtig sogar. Aber die Freiheit der Wahl, die Freiheit des Menschen, die Gnade anzunehmen oder zurückzuweisen,74 bleibt dennoch bestehen: Nicht weil ein anderer es will, sondern "weil ICH es will" (S. 296),75 erklärt Sebulon, wird er Mitglied des Clans der Erlösten.


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   Die dialektische Spannung, die dieser Romanszene ihren Reiz verleiht, entspricht dem schwierigen und letztlich nicht aufzulösenden Problem des Verhältnisses von göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit:76 Die Brüder hätten (wie Ahriman Mirza im Silberlöwen IV auch nein sagen können zu Gott! Dies wäre ihr eigenes, selbstzerstörerisches 'Werk' gewesen. Das endliche Ja der Sanders zur Liebe und damit zu Gott ist aber - wie May ja eindrucksvoll zeigt - nicht deren 'Werk' und nicht ihr 'Verdienst', sondern von Gott: von Gottes Gnade gewirkt.

   Jedes Mitwirken des Menschen am göttlichen Heilsplan ist selbst wieder bewirkt von Gottes Gnade allein. Diese Wahrheit wird in Winnetou IV nicht verdunkelt. Noch nicht vollständig beantwortet aber ist unsre Frage: Können die Sanders, von Gottes Liebe getragen, ihren Vater "erlösen" - durch ihren "Sühnetod" (S. 249)? Laut Shatterhand: ja! Denn dem Vater ist, wie Shatterhand den sterbenden Brüdern versichert, nun alles vergeben (S. 586).77

   Isoliert und nicht im Kontext des ganzen Romans gelesen, wäre dieser Passus bedenklich und theologisch unmöglich. Denn erlösen, im ursprünglichen Sinne, kann immer nur Gottes Liebe und nicht der 'Sühnetod' eines Menschen. Was zur 'stellvertretenden Sühne' des Mirs von Ardistan schon gesagt wurde,78 gilt aber auch für Winnetou IV: In der Nachfolge Jesu (wir kommen darauf noch zurück) ist eine TEILHABE des Menschen am Heilswirken Gottes, auch im Blick auf Verstorbene, denkbar und möglich. So verstanden ist die postmortale Erlösung des Sander-Vaters - sofern sich dieser, in eigener Freiheit, der Gnade nicht widersetzt - theologisch vertretbar.

   Pointierter als in Ardistan und Dschinnistan wird in Winnetou IV aber speziell dem Sühne-TOD (der Söhne) eine erlösende Wirkung (auch für den Vater) zugesprochen. Wie ist dies zu beurteilen?

   'Sühne' und 'Sühnetod' sind, wie Drewermann und vor ihm auch andre Theologen gezeigt haben,79 äußerst problematische Begriffe - auch dann, wenn sie, ausschließlich, auf den Kreuzestod Jesu bezogen würden. Denn die Lehre vom Erlösungstod Christi muß - so Drewermann - "rein äußerlich bleiben, wenn man den Tod des Gottessohnes nur als geschichtliches Ereignis würdigt und den 'Wert' der 'Sühne' Christi rein 'forensisch' darin sieht, daß Christus den Opfertod zum Entgelt für die Sündenschuld der Menschheit habe sterben müssen."80

   Die "an sich richtige und bedeutsame Lehre" vom Erlösungstod Jesu lehnt Drewermann zwar keineswegs ab. Aber er wendet sich gegen eine veräußerlichte, nur historische und juristische Deutung des Todes Jesu: als eines Rechtsaktes, "in dem bestimmte Schuldenlasten gegeneinander verrechnet" werden und als einzige "Verständnisbrücke [...] die geschichtliche Erinnerung an ein vergangenes Ereignis dienen kann."81

   Worum es Drewermann - und sicher auch May - eigentlich geht, ist dies: Das Drama von Tod und Auferstehung ist, zum einen, archetypisch schon vorbereitet "in der menschlichen Psyche"82 bzw. den (Jahrtausende alten) Mythen der Völker:83 den Hoffnungsbildern der 'Menschheitsseele'; und die Verwandlung des Todes ins Leben muß - zum andern - die innere Existenz des Menschen "hier und jetzt ergreifen", um "die Tür zum Himmelreich" zu öffnen und den "Weg des Menschen zu sich selber und zu Gott"84 zu erschließen.

   Nur so ist der 'Opfertod' der Sander-Söhne zu verstehen! Durch "innere Wandlung" sind sie zu - Shatterhands und 'Herzles' - "Beschützern geworden" und für sie "in den Tod gegangen!" (S. 622) Hier geht es nicht darum, daß der 'Zorn' Gottes durch eine besondere 'Genugtuung': eine adäquate 'Sühneleistung' beschwichtigt werden müßte, son-


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dern darum, daß die LIEBE Gottes durch menschliche Hingabe, durch die 'imitatio Christi', abgebildet und repräsentiert wird. Die 'Pro-Existenz': das Dasein für andere, das Jesus gelebt hat, wird in den Sander-Söhnen exemplarisch nachvollzogen - ganz im Sinne des Herrenwortes "Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben gibt für die Freunde" (Joh 15, 13).


7.2.3

Die große Medizin


Die von May postulierte "entgegenkommende Tat für Manitou" (S. 278) wird in der Selbsthingabe der Sander-Brüder konkret geschildert. Die "Energie der Liebe", die allein - nach Drewermann - das verschlossene Paradies zu öffnen vermag,85 ist überhaupt das zentrale Thema des Mayschen Spätwerks und auch der Abschiedserzählung Winnetou IV. Auch das, mythologisch verschlüsselte, Hauptmotiv des Romans - die Rückgabe der verlorenen 'Medizin' an die (mit Gott und der Schöpfung versöhnten) Indianer durch den dreimaligen Flug des 'jungen Adlers' um den 'Berg der Medizinen' - meint, wie sich zeigen wird, nichts anderes als die Überwindung der Angst und der Todesmächte schlechthin durch die Liebe.

   Ein Schlüsselbegriff in Winnetou IV ist die indianische "Medizin",86 die - wie der Autor erklärt - dem "Begriff des Wunders, des Segens, der göttlichen Liebe" entspricht. Die Medizin ist "gleichbedeutend mit dem Worte Mysterium", mit der Präsenz, der 'Epiphanie' des Göttlichen in der Welt - "in heiligster Verborgenheit" (S. 18) allerdings. Auf Erden gilt es die Medizin zu bewahren; und im "anderen Leben" wird der 'Große Geist', der 'gute Manitou', die Indianer fragen (S. 555) nach ihrer Medizin.

   Die 'Medizin' stellt das Leben in Fülle, das Glück, die Seligkeit dar: als "ewiges Leben" (S. 550) in der Einheit mit Gott und der Schöpfung. Die gewöhnliche Bedeutung des Wortes 'Medizin' als Medikament für die Krankheit des Körpers wird, in der Sprache der Indianer bzw. des Autors von Winnetou IV, transzendiert: Das Heil im umfassenden Sinn, die Heilung schlechthin ist gemeint! Die rettende Liebe, die Überwindung des Elends, der 'Spaltung des menschlichen Innern', die Überwindung der Schuld, die Auferstehung der Toten, die Öffnung des Paradieses sind letztlich gemeint.

   Die Medizin ist, so könnten wir sagen, das 'Sakrament'87 der Liebe Gottes inmitten der Welt. Die echten Medizinmänner - oder Medizinfrauen88 -, denen die 'Bewahrung der Medizin' in besonderer Weise anvertraut ist, sind folglich keine "Quacksalber und Possenreißer" (S. 144), sondern wirkliche "Aerzte", bedeutende Menschen und begnadete "Theologen", deren Gebräuche und Symbolik der 'zivilisierte' Europäer freilich nicht begreift (S. 19f.).89

   In höchst eindrucksvoller Weise bestätigt wird diese Auffassung Mays in den Schriften Drewermanns. Von den Medizinmännern bzw. Schamanen der Indianer berichtet dieser Autor, als Therapeut und Theologe, mit größtem Respekt und erstaunlicher Hochachtung. 'Schwarzer Hirsch' (1863-1950) z.B., ein großer Mystagoge und inspirierter Medizinmann der Sioux-Ogallallah, wird in mehreren Büchern Drewermanns als maßgebliche Autorität angesehen!90

   Es gibt, so Drewermann, "in der gesamten Literatur von und über Schamanen wohl kaum ein Beispiel, das menschlich so tief und anrührend wirkt wie das Leben dieses letzten großen Sehers eines untergehenden Volkes."91 Aus der Quelle des Unbewußten, aus der Tiefe der Menschheitsseele, aus der Energie der göttlichen Liebe schöpft die Prophetie dieses Medizinmanns ihre ekstatische Kraft, ihre therapeutische Wirkung, ihre 'sa-


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kramentale' Bedeutung. Dieses 'religiöse Genie',92 dieser "göttliche Heiler"93 vermittelt die "Erfahrung einer universellen Harmonie",94 deren visionäre Schau in den Büchern des Medizinmanns "an Größe und Schönheit den Gesichten des Ezechiel oder der Geheimen Offenbarung nicht nachsteht, ja sie an Reichtum und Kraft oft vielfach übertrifft".95

   Auch in Winnetou IV spielt ein Medizinmann der Sioux-Ogallallah eine wichtige Rolle: Wakon, der "die Geheimwissenschaften der roten Rasse" studiert hat, "in allen Waffen geübt" ist "und dennoch so friedlich gesinnt, als ob es auf der ganzen Erde überhaupt noch nie eine Waffe gegeben habe." (S. 145f.)

   Weit größer noch als Wakon aber ist: Tatellah-Satah, dessen Name "Tausend Sonnen" oder "Tausend Jahre" (S. 17) bedeutet. Marah Durimeh, der uralten Menschheitsseele, ist er sehr "ähnlich" (S. 402)!96 Als "Bewahrer der großen Medizin" ist er "Priester" (S. 431) und größter Gelehrter zugleich! "Was Hunderte und Aberhunderte von einzelnen Medizinmännern im Laufe der Zeit an Geistesgaben und Kenntnissen besessen hatten, das sprach man ihm, dem Höchstgestiegenen, in voller Summe zu." (S. 17)

   Tatellah-Satah ist kein gewöhnlicher Medizinmann. Er ist, wie der 'Schwarze Hirsch' in der Deutung Drewermanns, sehr viel mehr: Er ist "die Sehnsucht der roten Völker" (S. 404); "die ganze, glühende Sehnsucht" der roten Nationen ist in seinem Herzen vereint (S. 580); "die zertretene Seele der roten Rasse" findet in ihm "ihre einzige und letzte Zuflucht" (S. 159)!

   Im "Tempel" - der nach Drewermann eine archetypische Relevanz hat: als "eine Art Welthaus", als "Kosmosnachbild im Kleinen"97 -, im Tempel Tatellah-Satahs steht, auf der Haut des "Silberlöwen",98 geschrieben: "Bewahret eure Medizinen!" (S. 368) Diese Mahnung, diese Warnung verweist zurück auf die Vergangenheit. Denn das Paradies, die wahre Medizin, ging den Indianern durch eigene Schuld ja verloren.

   Um diesen Verlust symbolisch zu bezeichnen, 'raubt' Shatterhand den feindlichen Indianern ihre Medizinen. Aber nicht zerstören und nicht verletzen will er die Medizin; denn die Indianer sollen sie, unter bestimmten Voraussetzungen, wieder zurückerhalten. Einer alten Verheißung gemäß soll der 'junge Adler', der engste Vertraute Tatellah-Satahs, die Medizinen zurückbringen - in Verbindung mit einem FLUG, einem dreimaligen Flug um den 'Berg der Medizinen'.


7.2.4

Die Symbolik des Fliegens


Das 'Fliegen' ist überhaupt die Voraussetzung für die Rettung der Indianer und die Erlösung des Menschen: "Fliegen lernen! Wer das nicht will, bleibt unten, sei er Volk oder sei er Person." (S. 417)99 Seinem Volke das Fliegen zu lehren (S. 608), ist deshalb die eigentliche Mission des 'jungen Adlers'!

   Es dem Adler "nachzutun und sich über den Boden zu erheben", dieser Gedanke hatte die Indianer in früheren Zeiten nicht bewegt - meint Karl May in Winnetou IV (S. 417). Die Hopi-Indianer nun freilich erzählen - nach Drewermann - von einem Jungen, der sich in einen Adler verwandelte!100 Auch der 'junge Adler' in Mays Roman verwandelt sich gewissermaßen in einen Vogel: Um fliegen zu können, baut er sich einen 'Adler', ein "vogelähnliches" Gerät "mit zwei Leibern" und mächtigen Flügeln (S. 577).101

   Der Mythos von der Verwandlung des Menschen in einen Vogel ist, in verschiedenen Variationen, auch bei anderen Völkern, den Ägyptern z.B., bekannt. "Etwas, so scheinen diese Mythen in menschheitlichem Zeugnis sagen zu wollen, ist im Menschen selber 'vogelhaft': die Schwingen breitend, die Schwerkraft verlassend"!102


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   Was ist mit dem Flug-Motiv, letztlich, gemeint? Der 'junge Adler' fliegt nicht allein; er wird begleitet: von einer Frau, der jüngeren Aschta, deren Name die "Güte" bedeutet. Die Verwandlung des Menschen in einen 'Vogel' (mit 'zwei Leibern') und die Schwingen der Liebe, beides gehört wohl zusammen! Die Energie der Liebe, die dem Traumflug103 des 'jungen Adlers' ihre Schwingen verleiht, hat ihren Ursprung allerdings nicht in der irdischen Liebe! Hinter allem steht: Marah Durimeh, deren Bild dem ganzen Roman ja zugrundeliegt.104 Hinter allem steht: die 'große Mutter', die Königin des verlorenen Paradieses. Denn die Rückkehr der 'verbannten Kinder Evas' zur Königin Marimeh ist, wie wir sehen werden, das eigentliche Ziel des - von der Liebe getragenen - Erlösungs-Fluges in Winnetou IV.

   Sigmund Freud hatte, laut Drewermann, nicht unrecht, wenn er "die Symbolik des 'Fliegens'105 [...], die in der schamanistischen Erfahrungswelt eine so große Rolle spielt, als eine verschlüsselte Poesie der Liebe deutete und die Ansicht vertrat, diese Liebe gelte im Grunde der Sehnsucht nach dem Paradies der Kindheit, nach dem Schoß der Mutter."106 Drewermann fügt freilich hinzu: "Man muß den Gedanken Freuds [...] aus der Enge seiner Theoriebildung vom Ödipuskomplex entlassen und ihn buchstäblich in kosmische Dimensionen ausdehnen, um seine Wahrheit zu verstehen."107 Denn das Ziel der Liebe ist es, "die engen Grenzen der vordergründigen Welt zu verlassen und die Seele zum Himmel und zur Unterwelt FLIEGEN zu lassen."108

   Eben dies ist auch der Leitgedanke Mays in Winnetou IV. Und absolut stimmig ist es, wenn der Dichter das 'Fliegen' in Verbindung bringt mit der Rückgabe der 'Medizin' an die Indianer bzw. - denn dies ist ja immer gemeint - mit der Rückkehr des Menschen zu Gott, der die Liebe ist!

   Doch der Flug, der 'dreimalige' Flug um den 'Berg'109 kann die einzige Voraussetzung für die Rückgabe der Medizin und die Öffnung des Paradieses nicht sein. Es fehlt, wie May sehr richtig erkennt, noch etwas Entscheidendes. Was noch fehlt, ist - das Bekenntnis der Schuld! Denn ohne Geständnis kann die Angst nicht überwunden und die Umkehr zur Liebe nicht wirklich vollzogen werden.

   "Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen." (Gen 3, 12) Hier versteckt sich jeder hinter der Schuld des anderen: der Mann hinter der Schuld der Frau und die Frau dann hinter der Schuld der Schlange! "Auch dies ist eine Folge der Sünde, daß aus Angst immer der andere, nie aber das eigene Ich für schuldig gehalten wird"! Diese Art von Selbstentlastung zerstört aber "gerade die Gemeinsamkeit, auf die sie sich beruft [...] Das Vertrackte ist, daß es einen Verantwortungszusammenhang tatsächlich gibt. Was der Mensch in Gen 3, 12 vorbringt, stimmt [...] Der Handlungszusammenhang besteht wirklich; nur daß der Mensch darin nicht eine Ausweitung seiner [...] Verantwortung für den Nächsten erblicken will, sondern ein Alibi, um die Schuld im Grunde zu eliminieren, das macht die ganze Berechtigung dieser Betrachtung hinfällig. Die Flucht vor dem Eingeständnis der Schuld verfestigt die Schuld endgültig."110 Mit Karl May gesprochen: "wo auch immer die Menschheit sich vor Gott versteckt" und ihre Schuld nicht bekennt, "ist es mit dem Paradiese aus!"111

   Auf die Handlung in Winnetou IV übertragen: Sowohl die Indianer als auch die Europäer sind schuldig geworden vor Gott. Ohne die 'Solidarität der Sünder', ohne Einsicht und ohne die Bitte um Vergebung kann das verlorene Paradies sich nicht wieder öffnen!

   Tangua, der Häuptling der Kiowas, aber bekennt - in der Schlußpartie des Romans - seine persönliche Schuld und bittet Shatterhand um Verzeihung. Und dieser bekennt,


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stellvertretend für alle Weißen, deren noch größere Schuld und reicht Tangua seine Hände "zur Abbitte" (S. 620).

   JETZT ist das Paradies nicht mehr fern. Die Indianer bekommen ihre Medizinen zurück. Und der 'junge Adler' hat - fliegend - auf dem 'Berg der Medizinen' den Schlüssel gefunden zum letzten Ziel: zum 'Berg der Königsgräber', zur "mächtigen, hoch über den Wolken liegenden Plattform dieses Berges", wo "nicht nur die Leichen der verstorbenen Herrscher" zu finden sind, sondern die "Dokumente der verschwundenen Urzeiten", die Geheimnisse der ganzen "Vergangenheit" (S. 579f.).

   Diese Hinweise sind deutlich genug: Die 'Urzeit' wird nun zurückkommen; die früheste Vergangenheit, ihr Glück und ihr Segen, wird wieder lebendig; das Land der Schutzengel, das verlorene Paradies, das Reich der Königin Marimeh ist wiedergefunden.

   Und nicht nur das! Der Schlüssel zur Vergangenheit, zum göttlichen Ursprung, öffnet zugleich die Pforten - der Zukunft.112 Die gewonnene Zukunft, das endgültige Heil, das neue Dschinnistan ist in die größte Nähe gerückt. Denn "niemand wird uns mehr hindern, die Höhen zu gewinnen, die uns von Manitou zur Wohnung angewiesen sind!" (S. 581)

   Die 'Vergangenheit' ist die 'Zukunft', und der Ring ist also geschlossen. Die Frage liegt nahe: Wird das mythische Denken, das zyklische Zeit- und Lebensgefühl der Indianer (und wohl sämtlicher Naturvölker113) - das universelle Gefühl der Geborgenheit "im Ring der Welt" und "im Ring der Zeit",114 wie es 'Schwarzer Hirsch', der Sioux-Schamane, exemplarisch zum Ausdruck brachte115 - in Winnetou IV bestätigt? In gewisser Weise durchaus: Erlösung wird ja verstanden als Rückkehr zum Ursprung, zum Paradies der 'großen Mutter', der Königin Marimeh.

   Ein ewiger Kreislauf, eine diesseitige Wiederkehr, eine unendliche Kette von Wiederholungen des je schon Gewesenen wird in Winnetou IV aber nicht intendiert. Ganz abgesehen davon, daß das Paradies ja wohl kaum als historischer 'Zeitpunkt' der Menschheitsgeschichte zu interpretieren ist (sondern als Bild, als poetische Beschreibung der Heilsordnung, die Gott - von Ewigkeit her - gewollt hat und die der Mensch, zu Beginn seiner Geschichte schon, desavouiert hat),116 abgesehen davon also weisen die endgültigen "Höhen [...], die uns von Manitou zur Wohnung angewiesen sind", ganz ohne Zweifel über die Erde hinaus. Und erst recht die Symbolik des Fliegens weist in die vertikale, die irdische Geschichte transzendierende Richtung.

   Der Ritt zum 'Berg der Königsgräber', zur entdeckten Vergangenheit und zur gewonnenen Zukunft des Menschengeschlechts, soll "übermorgen" (S. 621) stattfinden. Eine feine Ironie! Denn berichtet wird nur noch - vom Begräbnis (S. 622) der Sander-Söhne. Das letzte und eigentliche Reiseziel wird in Winnetou IV, genau wie in Ardistan und Dschinnistan, nicht erreicht. Es kann noch gar nicht erreicht werden! Denn es liegt - jenseits der Erde und ihrer Geschichte.

   Immerhin, der Schlüssel zur Zukunft liegt schon bereit. Der 'junge Adler' hat ihn gefunden. WELCHEN Schlüssel hat er, fliegend, entdeckt? Das Fliegen SELBST ist, wie Dieter Sudhoff bemerkte, "der eigentliche Schlüssel":117 zum Verständnis von Winnetou IV, zum Verständnis des Menschen und seiner Bestimmung.

   Das letzte Ziel ist auf Erden nie zu erreichen.118 Auch diese Wahrheit will die Symbolik des Fliegens zum Ausdruck bringen. Denn das Fliegen ist stets auch - ein Todes-Symbol: "Die Seele will die Schwingen breiten; / Es muß, es muß gestorben sein."119 Das Bild von den 'Schwingen der Seele' besagt aber zugleich: Nicht nur ein Todes-Symbol, viel mehr noch ein Lebens-Symbol ist das Fliegen!


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   Der Flug des 'jungen Adlers', an der Seite von Aschta, im Vertrauen auf Manitou, ist ein Symbol der lebenspendenden Liebe, die die tiefste: die metaphysische Angst unsres Daseins - die Angst vor dem Nichts - zu überwinden und die Tore des Paradieses zu öffnen vermag. Mit seinem Vermögen, in die Luft zu fliegen, verkörpert der Vogel "die vertikale Orientierung" unseres Daseins "in die Höhe".120 Denn das Fliegen, die Sehnsucht nach der Ewigkeit ist dem Menschen, der menschlichen Liebe vor allem, ins Herz geschrieben. Es ist also, so Drewermann,


unerläßlich, an der Seite eines Menschen, den wir über alles lieben, den Weg des irdischen Todes [...] mitzuvollziehen und den Standpunkt oberflächlicher Diesseitigkeit aufzugeben; denn nur am Ufer eines weltjenseitigen Standpunktes werden wir die Wahrheit erkennen, die sich im Sterben begibt: ein Durchbrechen der irdischen Schwere, eine Auflösung der räumlichen Grenzen, eine Verwandlung des Wesens ins Licht [...]121


   Die Zeit wird verwandelt in - Ewigkeit. Als Wanderer zwischen zwei Welten bleibt der Mensch freilich eingespannt zwischen Erde und Himmel: der 'horizontalen' und der 'vertikalen' Ausrichtung seines Lebens. Die horizontale und die vertikale Komponente (die irdische Verantwortung und die himmlische Berufung) bilden zusammen aber das KREUZ, das "zu Gott empor" ragt und "seine beiden Arme" ausbreitet, "um jedermann und alle Welt zu umfangen." (S. 481)



7.3

Die interpretatio Christiana oder Ist Winnetou IV eine christliche Dichtung?


Das Kreuz ist das "Zeichen des Christentums" (S. 477). Vor dem Kreuz, dem Passiflorenkreuz, das Winnetou gepflanzt hatte, betet Tatellah-Satah, der 'Bewahrer der großen Medizin', zu Manitou. Ist Winnetou IV in der Grundidee also christliche Poesie? Entspricht die Botschaft dieses Romans der christlichen Heilslehre, den zentralen Aussagen des Neuen Testaments und der kirchlichen Theologie? Da May zwar nicht nur für Christen schrieb, sich selbst aber zum christlichen Glauben bekannte und in Winnetou IV - wie in sämtlichen anderen Spätwerken - sehr wichtige Themen der Theologie berührt, ist unsre Fragestellung wohl sinnvoll und legitim.


7.3.1

Das Passiflorenkreuz


Bis zum Eintritt Old Shatterhands in die Unterwelt des Passiflorenraums (S. 476) enthält Winnetou IV keine - spezifisch - christliche Symbolik. Eine religiöse Tendenz ist zwar durchwegs, von der ersten Romanseite an, zu erkennen. Aber bis zur Seite 476 könnte die Erzählung auch im Sinne anderer - monotheistischer, aber noch keineswegs christlicher - Religionen interpretiert werden. Denn von Jesus ist auf 475 'Einleitungs'-Seiten nie die Rede, auch nicht indirekt und symbolisch. Höchstens der Name 'Sebulon' könnte als - verschlüsselter - Hinweis auf die Heilssendung Christi (Mt 4, 13ff.) verstanden werden.122

   Jetzt aber, im letzten Teil des Romans, verändert sich die Perspektive. Die Tendenz scheint zunehmend missionarisch zu werden im Sinne des Christentums: In Winnetou hat "der Kreuzesgedanke [...] Wurzel gefaßt und sich zur Blüte und Frucht entwickelt" (S. 482). Und auch im Herzen Tatellah-Satahs (S. 500), der die "Sehnsucht der roten Völker"


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verkörpert, hat Winnetou "das Kreuz, das Sinnbild des Christentums" (S. 477) eingepflanzt!

   Das ganze Romangeschehen wird nun, so hat es zumindest den Anschein, erhellt im Lichte des christlichen Glaubens. Die Erlösung der 'roten Rasse' - und der ganzen Menschheit - kommt, wie es nun ausdrücklich heißt, vom Kreuz (S. 478)! Die Rückgabe der Medizin an die Indianer wird ermöglicht durch Shatterhand, dessen "Zeichen", wie wir jetzt erfahren, das Kreuz ist (S. 477); der vorausgegangene 'Raub' der Medizinen erweist sich, im Zeichen des Kreuzes, als "Segen": gemäß der Verheißung (S. 368). Auch der Erlösungsflug des 'jungen Adlers' erfolgt, jedenfalls indirekt, im Zeichen des Kreuzes. Denn der 'junge Adler' wurde, als "der Allererste" (S. 158), in den 'Clan Winnetou' aufgenommen: in die Gemeinschaft der 'Nachfolger' Winnetous und damit doch wohl - des 'Kreuzesgedankens'.

   Missionarisch wirkt der Abschiedsroman Karl Mays zweifellos: Der "Gott der Weißen" soll, so wünscht es Tatellah-Satah, an die "Stelle des ohnmächtigen Manitou der Indianer" treten! Genauer gesagt: Das Kreuz, welches "blüht, um uns zu erlösen", nimmt den Indianern zwar 'Manitou' (d.h. die bisherige VORSTELLUNG von ihm); aber nur, um Manitou - den "Allgütigen" - ihnen aufs neue "zu geben" (S. 481)!

   Die interpretatio Christiana, die Erhellung des ganzen Romangeschehens im Lichte des christlichen Glaubens scheint, mit der Betonung des Kreuzesgedankens und der Ablösung des indianischen (nur EINEM Volke gehörenden) Manitou durch den universalen (ALLE Völker liebenden) Manitou, über jeden Zweifel erhaben. Die Frage ist nur: Meint der Dichter mit dem 'Gott der Weißen', dem "Allmächtigen", "Allweisen", "Allgütigen" (S. 481), tatsächlich den Gott Jesu Christi?

   Anders gefragt: Steht die PERSON Jesu Christi - wie es dem geschichtlichen Offenbarungsverständnis der neutestamentlichen Heilslehre entspräche - im Mittelpunkt des Erlösungsgeschehens in Winnetou IV? Und wird der 'Kreuzesgedanke' von May wirklich christlich, spezifisch christlich interpretiert?

   Als 'Sinnbild des Christentums' wird das Kreuz zwar bezeichnet. Aber von Christus selbst ist, expressis verbis, auch im Schlußteil des Romans nie die Rede. Den 'Kreuzesgedanken' erklärt May bzw. Tatellah-Satah uns so: "Das Kreuz ruht in der Erde und ragt zu Gott empor. Das ist das eine, was es bedeutet. Aber es breitet seine beiden Arme aus, um jedermann und alle Welt zu umfangen. Das ist das andere, was es bedeutet." (S. 481)

   Beim Kreuz, das in der Erde ruht und zu Gott emporragt, könnten wir an die 'axis mundi', die 'Mittelachse der Welt', den 'Weltenbaum' denken: an eine Symbolik also, die - nach Drewermann, im Anschluß an Eliade123 - in der Mythologie vieler Völker, besonders im Schamanismus, beheimatet ist. Diese 'Weltachse', als 'Himmelsleiter' verstanden, meint - mythologisch - "das Zentrum der Erde": den heiligen Ort, wo der "Verkehr mit dem Himmlischen - oft nach Wegfall einer paradiesähnlichen Urzeit - ausnahmsweise noch möglich ist".124

   Auch die Querbalken des Kreuzes, die Arme, die alle Welt umfassen, könnten - sehr allgemein, noch ohne Bezug auf Christus und ganz im Sinne des 'Weltenbaums' - als "Bild des Zustandes der Einheit von Gott und Mensch"125 interpretiert werden. Nicht nur den 'Weltenbaum' der Mythologien, auch den 'Baum des Lebens' in der jahwistischen Paradieserzählung (Gen 2, 9) UND auch den 'Baum des Kreuzes' bringt Drewermann mit der 'Achse der Welt' in Verbindung.126 Der Kreuzesgedanke muß, nach dieser Auffassung, also nicht im - exklusiv - christlichen Sinne verstanden werden.


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   Das Kreuz in Winnetou IV ist aber doch ein besonderes Kreuz: Aus "Leidensblumen" (S. 478)127 gebildet, ist es ein schönes, sehr eindrucksvolles Symbol für das Leben, das den Tod überwindet. Die Geheimnisse des Todes und der Auferstehung, des Karfreitags und des Ostersonntags, werden im Zeichen des Passifloren-Kreuzes vereint!

   Das Wesen des Christentums, das 'unterscheidend Christliche',128 ist mit diesem Gedanken ALLEIN aber noch keineswegs angesprochen. Denn die Hoffnung des Menschen, im Tode nicht unterzugehen, ist, auch außerhalb des Christentums, in der 'Menschheitsseele' verankert: Der Gedanke der Auferstehung, des Fortlebens nach dem Tode, ist nahezu allen Religionen - auch vielen Mythen und Märchen - gemeinsam!129

   Das Passifloren-Kreuz könnte, ganz allgemein, "das Erdenleid" (S. 478) bezeichnen, dessen Überwindung zum Hoffnungsgut aller Menschen gehört. Der Romantext enthält aber noch weitere Hinweise, die - in VERBINDUNG mit dem Kreuzes- und Auferstehungsgedanken - einer spezifisch christlichen Deutung der Winnetou IV-Symbolik nun doch eine sichere Grundlage bieten.

   "Die Passionsblume hat bekanntlich über zweihundert Arten" (S. 476). Im Passiflorenraum aber sind nur zwei dieser Arten130 vertreten. Und das blühende Kreuz, das Winnetou gepflanzt hatte, wird von nur EINER Spezies der Leidensblume gebildet: der Passiflora "incarnata" (ebd.)! Die österlichen Mysterien, Tod und Auferstehung, werden also - wie in anderen Werken Mays, dem Friede-Roman131 z.B. - zusammengeschaut mit dem Weihnachts-Geheimnis: der menschgewordenen Liebe Gottes ('et incarnatus est').

   Gewiß, auch der Inkarnationsgedanke, der Glaube an Götter oder Götter-Kinder in menschlicher Gestalt, ist in den Mythologien verbreitet.132 Aber mit solchen, vom Kreuz Jesu Christi doch weit entfernten, Ideen hatte May nichts im Sinn. Nein, die Kreuz-Symbolik in Winnetou IV, die "Passiflora incarnata", meint die eine und einzigartige Macht der Liebe, wie sie im Neuen Testament verkündet wird: die geschichtliche Tat, die Selbstmitteilung Gottes im Kind in der Krippe und am Kreuz von Golgatha!

   Die Heils- und Hoffnungsgeschichte des Menschen hat May "letztlich doch immer christozentrisch gesehen."133 "Jesum Christum zu verstehen", war für den Dichter, wie er (im Vorfeld von Winnetou IV) an Prinzessin Wiltrud schrieb, "das Alpha und das Omega aller menschlichen Forschung"! Den Heiland "theologisch zu betrachten", sah er, als Ethnograph und Literat, zwar nicht als seine Aufgabe an (das "ist des Priesters Sache, der höher steht als ich"); aber seinen Glauben, seinen - wie er betonte - "unerschütterlichen Glauben" an Gott und "Jesum Christum"134 wollte er, mit poetischen Ausdrucksmitteln, doch bezeugen.


7.3.2

Winnetou - Roter Heiland oder Nachfolger Christi?


Der christliche Glaube hat seinen Grund in "der konkreten Person Jesu".135 Christus ist, im Verständnis des Neuen Testaments, nicht nur der Verkünder, sondern selbst der Verkündigte, nicht nur der Botschafter, sondern zugleich auch der INHALT der Botschaft vom Heil. Als christliche Poesie im eigentlichen Sinne wäre Winnetou IV also nur dann zu bezeichnen, wenn nicht nur der 'Geist', nicht nur die Botschaft, sondern die PERSON Jesu Christi, explizit oder implizit, im Mittelpunkt des Erlösungsgeschehens zu finden wäre. Christliche Dichtung wäre Winnetou IV, wenn der Glaube AN Jesus - 'narrativ', mit literarischen Stilmitteln - bezeugt würde. Ist dies der Fall?

   Der "Gott der Weißen", der an die Stelle Manitous treten soll (S. 481), ist - im Verständnis Mays - ohne Zweifel der Gott Jesu Christi: der Gott der 'Weißen' UND der 'Ro-


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ten', der Gott aller Menschen, die - in Jesus, in seiner Liebe - geeint werden sollen (vgl. Joh 17, 21).

   Nicht nur die Geburt, der Tod und die Auferstehung des Heilands, auch - wie später noch zu belegen ist - das Pfingstereignis: die Geistsendung und (damit verbunden) die Entstehung und das Wachstum der Kirche, des neuen, des universalen 'Gottesvolks',136 bilden - allegorisch verschlüsselt - den Hintergrund des Romangeschehens. Die Person des Erlösers aber steht, wie im folgenden zu erläutern ist, nur mittelbar, implicite, im Zentrum von Winnetou IV.

   Im Mittelpunkt der letzten Erzählung Karl Mays steht, vordergründig, die Titelfigur: der tote und dennoch lebendige, der 'auferstandene' Winnetou. Tatellah-Satah erklärt: "Mir schien, als sei die Zukunft der Apatschen mit ihm gestorben [...] Ich ahnte die Geschichte und die Geheimnisse unserer Rasse [...] Ihre Seele sollte erwachen, in Winnetou [...] Nun war er tot, und die Seele seiner Rasse war gestorben. So glaubte ich, ich Tor!" Tatellah-Satah aber fährt fort:


"Die Stimme des Lebens drang wieder zu mir herein. Und wo ich sprechen hörte, sprach man von Winnetou. Er lebte. Er kam [...] über Prärien, Täler und Berge in seine Heimat zurück [...] Er war nicht tot [...] Seine Taten wachten auf [...] Seine Seele wurde laut. Sie begann zu sprechen, zu predigen. Sie [...] wurde zur Turmesflamme, die über die [...] Berge leuchtet. Wer Gutes, Reines und Edles wollte, der sprach von Winnetou [...] Er ist die erste geistige Liebe seiner Rasse! Ich lernte viel begreifen, was ich früher nicht begreifen konnte." (S. 422f.)


   Allen Apatschen und allen roten Völkern hat Winnetous 'Tod' die Augen geöffnet: "Wir waren blind. Wir sind nun sehend geworden!" (S. 431)

   Wovon ist die Rede? Von Winnetou? Oder - von Christus, von der Glaubenserfahrung der Emmaus-Jünger? Interessant sind die Anklänge schon! Im Evangelium heißt es: In den, noch blinden, Augen der Jünger ist Jesus gestorben.


Wir aber hatten gehofft, daß er es sei, der Israel erlösen werde [...] Da sagte er zu ihnen: "Begreift ihr denn nicht? [...] Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?" [...] Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn [...] Und sie sagten zueinander: "Brannte nicht unser Herz, als er mit uns redete?" (Lk 24, 21ff.)


   Aufgrund dieser Text-Analogie und einer Reihe von anderen Winnetou-Christus-Parallelen wurde von May-Forschern angenommen, der Autor von Winnetou IV habe den Apatschen mit dem 'Erlöser' identifiziert! Dieter Sudhoff z.B. hatte gemeint: Winnetou wird zum "Heiland der roten Rasse, in der Erweiterung auf die Menschheit wird er zu Jesus Christus."137 Und Christoph F. Lorenz stimmte dem zu: "Winnetou übernimmt tatsächlich im Roman die Funktion Christi als allgegenwärtiger und doch nie sichtbar auftretender Mittelpunkt des Geschehens".138

   Auch Roland Schmid hatte, in der Frageform allerdings, diese Gleichsetzung suggeriert: "Soll sich der Leser unter Winnetou etwa 'symbolisch' eine Christusfigur vorstellen?" Und soll das zweite, das eigentliche Testament des Apatschen (das Shatterhand, in Winnetou III, nicht gefunden hatte) "das 'Neue' Testament symbolisieren [...]?"139

   Und weiter: Sind die Mitglieder des 'Komitees', die ein falsches Winnetou-Bild entwerfen,140 "jene Vertreter des Christentums, die noch nicht den Weg zum echten Glauben gefunden haben [...]?" Und sind die Mitglieder des 'Clans Winnetou', die sich 'Winnetous' und 'Winnetahs' nennen ("so wie sich die Nachfolger Christi Christen nennen durften"141), dann "die wahren Christen und Christinnen in der Nachfolge Christi [...]?"142

   Und ist der 'junge Adler', die Parallel-Gestalt zu Winnetou, "ein Symbol für die Wiederkehr des Messias am Tag des 'Jüngsten Gerichts' [...] und damit für den Weg zur endgültigen Erlösung der gefallenen Menschheit"?143


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   Nicht alle diese Fragen sind mit einem glatten 'Ja' zu beantworten. Was Winnetou betrifft, kommt eine (durchgängige) Gleichsetzung mit Christus überhaupt nicht in Frage - weil der Textbefund, in wichtigen Partien, diese Gleichung nicht zuläßt.

   Winnetous Bekenntnis zum Heiland ging die "große Umkehr" des Apatschen "vom Kriegsgedanken zum Friedensgedanken, vom Hasse zur Liebe, von der Rache zur Verzeihung" (S. 565) voraus. Zum Glauben hatte Winnetou, nach einem langen Weg, erst allmählich gefunden; er "bewegte diese Kunde" - die Botschaft vom Kreuz - "in seinem Herzen [...] Er beobachtete; er prüfte. Er begann, zu glauben." (S. 481)

   Zu Christus, dem Gottessohn, passen solche Stellen gewiß nicht! Der 'Erlöser' kann Winnetou nicht sein - zumal er ja selbst erlöst werden mußte (S. 500) und der "Schuldner" Old Shatterhands war (S. 265), dessen Freundschaft er die Hinwendung zum Christentum zu verdanken hatte.

   In den hier zitierten Romanpassagen ist der Apatsche nicht Christus, wohl aber - ein Nachfolger Christi, ein Glaubender, der (kraft göttlicher Gnade) den Weg der 'imitatio Christi' gewählt hat: den Weg, den ALLE Christen - dem Auftrag Jesu (Mk 8, 34f.) gemäß - zu gehen haben. Als exemplarischer Christ, nicht aber als 'roter Heiland' sollte Winnetou also betrachtet werden. Denn auch solche Textstellen des Romans, die eine allegorische Deutung des Apatschen als 'Christusfigur' immerhin zulassen, könnten - mindestens ebenso gut - im obigen Sinne verstanden werden: der "zum Himmel strebende Winnetou" (S. 499)144 als Nachfolger Christi, als 'Auferstandener' in DEM Sinne, wie alle "in Christus Entschlafenen" (1 Kor 15, 18) nicht tot, sondern lebendig sind.

   Eine Gleichsetzung Winnetous mit dem Heiland ist in manchen Textstellen unmöglich145 und in anderen Partien zwar denkbar, aber keineswegs erforderlich. Dasselbe gilt für den 'jungen Adler'. Was dessen Flug um den 'Berg der Medizinen' betrifft, wäre eine christologische Deutung allerdings naheliegend. Diesen Flug mit dem - endzeitlichen - "Kommen des Menschensohns auf den Wolken des Himmels" (Mt 24, 30) in Verbindung zu bringen, wäre wohl möglich.

   Gesichert ist jedenfalls dies: Winnetou bzw. der 'junge Adler' sind transparent auf Christus hin. Das aber heißt: Die Person Jesu Christi steht, indirekt und verschlüsselt, im Zentrum des Erlösungsgeschehens von Winnetou IV! Und der Glaube an die Macht der Liebe, die sich in Christus offenbart, wird - vermittelt durch die Titelfigur - dem Leser ans Herz gelegt. Insofern ist dieser Roman eine christliche Dichtung.

   Noch nicht geklärt ist aber die Frage: Kann Winnetous Testament mit der Botschaft des Neuen Testaments ohne weiteres gleichgesetzt werden? Und kann der 'Winnetou-Clan' mit der christlichen Kirche: dem universalen, vom Geist des Auferstandenen - stets neu - belebten Volk Gottes identifiziert werden? Oder handelt es sich, wie behauptet wurde, um eine "Sekte":146 einen pseudo-missionarischen Clan der Erwählten, der - im Alleinbesitz der Wahrheit - die Andersdenkenden (die Mitglieder des 'Komitees' z.B.) verteufelt und zur echten Mission (die nicht auf Unterwerfung, sondern auf Dialog und 'Inkulturation' setzt) also nicht fähig ist?


7.3.3

Der Clan der Schutzengel


Dem Abschiedsroman Karl Mays liegt ein missionarisches Programm zugrunde: "Die ganze rote Rasse soll sich", nach dem Vorbild des 'Clans Winnetou', "zu einem einigen Winnetou gestalten" (S. 516); und "die Nächstenliebe" soll - im Zeichen des Kreuzes - "die ganze Menschheit" vereinen (S. 291)! Erst dann, wenn sich "alle Stämme, Völker


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[...] und Rassen" zur "harmonischen, von Gott gewollten Persönlichkeit" vereinigt haben, "wird die Schöpfung des wirklichen 'Menschen' vollendet sein und das Paradies sich uns, den bisher Sterblichen, von neuem öffnen." (S. 3)

   Mit Bezug auf die Indianer - gemeint ist aber die Menschheit schlechthin - beklagt May die Feindschaft der Stämme und den Zerfall des einen Volkes in "immer kleiner" werdende Gruppen (S. 66). Diese Spaltung, die Menschheits-Zersplitterung "in Atome" (S. 279), sieht May im Zusammenhang mit der Urschuld: der Außerkraftsetzung des 'Schutzengel'-Gesetzes von Dschinnistan durch die menschliche Ich-Sucht.

   Auch hier wieder zeigt sich: Mays Denken ist biblisch begründet und seine Aussagen sind, im Kern, theologisch fundiert. Die "Atomisierung des Menschlichen"147 ist - so Drewermann zur jahwistischen Urgeschichte - in der Tat eine Folge der 'Erbsünde', der Ablehnung Gottes durch die menschliche Selbstüberhebung!

   'Babel', zu deutsch 'Verwirrung' (Gen 11, 9) bzw. 'Zerrissenheit', ist - nach der Sünde - nun überall: "Die Entwicklung der Gottesferne führt", so Drewermann, "zu einer wachsenden Dissozialität und Zersplitterung, zu einer Erhöhung des aggressiven Potentials [...] So etabliert sich die menschliche Zusammengehörigkeit [...] in Kleingruppen, die mit dem Anspruch der Selbständigkeit gegeneinander stehen."148

   Allein die Energie der Liebe kann die verlorene Einheit zurückbringen! Es erhebt sich, so heißt es bei May, "ein großer, rettender Gedanke" (S. 279) aus der Tiefe des 'Niagara-Falles', d.h. des Niedergangs der Menschheit: das göttliche Liebesgebot als "der einzige Weg" zur Rettung (S. 286)!

   Dem, aus der Erbsünde kommenden, Drang nach "Zerklüftung", dem "Weg des Patriotismus", der "nationalen Selbstüberhebung" und "politischen Rücksichtslosigkeit" setzt May den Weg "zur Vereinigung aller Einzelnen [...] zu einem einzigen, großen Volke" (S. 164) entgegen. In diesem Kontext würdigt er das Bestreben der indianischen Medizinmänner, der Zersplitterung entgegenzuarbeiten,


und zwar in doppelter Weise, nämlich zunächst in theologischer und sodann in sozialer. Der theologische Weg der Vereinigung lag in dem Gedanken [...] "Großer, guter Manitou" [...] Und der soziale Weg der Vereinigung wurde in dem Gedanken der Clans gegeben, durch welche die äußerlich zerspaltenen Stämme innerlich wieder verbunden [...] werden sollten. (S. 165)149


   Im 'Clan Winnetou' wird die Einheit des Menschengeschlechts, zeichenhaft, antizipiert: Apatschen und Sioux-Ogallallah, also Nationen, "die sich unbedingt als Todfeinde zu betrachten hatten" (S. 167), sind in dieser - 'sozialen' UND 'theologischen' - Gemeinschaft vertreten!

   Die Zahl der 'Winnetous', der Befolger des Schutzengel-Gesetzes, wuchs rasch und "jetzt zählen sie schon auf tausende." (S. 288) Auch Weiße können Mitglieder werden. Denn die Ausgrenzung einer Rasse wäre gegen den "Grundgedanken" des Clans: der Vereinigung aller Nationen durch die "Nächstenliebe" (S. 29l)!

   Die biblischen Parallelen sind offenkundig. Das geeinte 'Volk Gottes' sind im Alten Testament die 'zwölf Stämme', die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs - im Neuen Testament aber die Mitglieder der Kirche, des neuen und 'wahren Israel' (vgl. Röm 9-11). Die Zugehörigkeit zu dieser einen Kirche ist, analog zum 'Clan Winnetou', nicht an die Kette der Generationen, nicht an die biologische Herkunft, sondern an die Glaubensentscheidung des einzelnen gebunden.

   Die "Wahrheit Israels, die im Alten Bunde volkhaft-national bestand", ist jetzt - so Drewermann - "nach innen gezogen und damit personal bzw. 'existentiell' geworden".150 Dasselbe trifft zu für die 'Winnetous' bzw. die Hörer des Wortes (des Testaments des


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Apatschen): Die innere, die 'seelische' Person des Bundes-Stifters wird in den 'Jüngern' geboren, um - mehr und mehr - in ihnen zu wachsen (S. 523f.).

   Die babylonische Menschheits-Zersplitterung hat ihr neutestamentliches Gegenbild im Pfingstereignis: in der Geburtsstunde der Kirche (Apg 2, 1-13). Und wie heißt es in Winnetou IV? Im Passiflorenraum, "dem Kreuze gegenüber [...], standen zwölf Apatschenhäuptlinge" (S. 480); sie "bildeten den Stab sämtlicher Apatschenstämme, auf welche Tatellah-Satah sich verlassen konnte" (S. 485). Ein deutlicher Hinweis! Allein schon die 'Zwölf' (die im zwölfstrahligen Stern, dem Zeichen des 'Winnetou-Clans', eine Entsprechung hat) verweist aufs 'neue Volk Gottes' und seine Repräsentanten: die zwölf Apostel, die symbolisch das 'neue Israel' vertreten.151

   Im Passiflorenraum, vor dem Blumenkreuz, finden die Lesungen statt - aus Winnetous Testament: Aller Augen sind "nach innen" gewandt, "um die Ankunft dessen", dem diese Zusammenkünfte gewidmet sind, "nicht zu übersehen"! Eine tiefe, ja "heilige Bewegung" geht durch den Raum. "Das hob empor! Und das riß hin!" (S. 521f.) Denn die "Turmesflamme", zu der Winnetou, nach seinem Tode, geworden ist (S. 432), greift über in die Versammlung.

   Kein Zweifel: Die Vorlesung aus Winnetous Testament ist, in wichtigen Zügen, eine Nachgestaltung des biblischen Berichts über das Pfingstereignis: die Geistsendung durch den auferstandenen Christus.

   Was bewirkt dieser Geist? Durch den Geist Jesu Christi, so heißt es bei Paulus, werden "alle in einen einzigen Leib aufgenommen" (1 Kor 12, 13). Die Kirche, die Gemeinde der Glaubenden, wird selbst zum "Leib Christi" (Eph 4, 12). Als 'corpus Christi mysticum', als 'mystischer Leib Jesu Christi' kann die Kirche deshalb bezeichnet werden.152

   Auch hierzu gibt es Entsprechungen in Winnetou IV: Die "ganze rote Rasse soll", wie schon oben vermerkt, "zu einem einigen Winnetou" (S. 516) und alle Völker der Erde sollen zur 'corporativen Person', zur "harmonischen, von Gott gewollten Persönlichkeit" (S. 3) werden!

   Während die indianischen Clans, laut May, früher nur immer nach Tieren benannt wurden und niemals nach einem Menschen, wurde "zum ersten Male [...] mit dem Namen Winnetou" ein Clan nach einer Person bezeichnet (S. 167). Da dieser Clan, diese corporative Person sich öffnet für alle Nationen und 'Winnetou' - wie gezeigt wurde - transparent ist für Christus, kann der 'Clan Winnetou' als Chiffre für den 'Leib Christi' verstanden werden!

   HIER also steht Winnetou, der Name des 'Imitators', tatsächlich für Christus. Eine Blasphemie? Davon kann nicht die Rede sein. Denn May will ja nicht den Häuptling zu 'Jesus' erklären oder Christus durch Winnetou ablösen, sondern - im 'Clan Winnetou' - "die Geschichte von Kirche, Christenheit und Menschheit" in der "Nachfolge"153 Christi poetisch beschreiben.

   Nicht als 'neuer Heiland' und nicht als Stifter einer 'neuen Religion' ist Winnetou zu verstehen. Denn die Mitglieder des 'Clans Winnetou' tun "nichts Besonderes" (S. 289): nichts 'Neues', das Liebesgebot Überbietendes. Der Clan der Schutzengel, dessen "Organisationsform [...] an die 'unsichtbaren Logen' der Freimaurer"154 erinnern mag, weist "keine Spur von Seltsamkeit" (S. 291) auf. Nichts Okkultes und keine Geheimlehre will er verkünden, sondern 'nur' die Liebe: die Botschaft des Erlösers!

   Das Passiflorenkreuz: der Hintergrund, vor dem das Testament des Apatschen verlesen wird, steht für die Liebe, die alles Zerschlagene heilen und alles Gespaltene wieder ver-


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binden will. Es steht für die Liebe, die die Zerrissenheit der Welt und des Menschen zu überwinden vermag.

   Das Kreuz, aus der "Passiflora incarnata" gebildet, steht als Symbol für die christliche Signifikanz des Apatschen, aber auch des 'Clans Winnetou'. Das Kreuz steht für die Kirche, deren Auftrag sich "aus ihrem Ziel" ergibt: "der Heimkehr aller Menschen in die 'Fülle Gottes' (Eph 3, 19)."155

   Das Passiflorenkreuz, das 'alle Welt umarmt', steht - in der eschatologischen Perspektive - für das Ende der Zeit: "Ich sah eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, aus allen Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron und [...] trugen Palmzweige in den Händen. Sie riefen mit lauter Stimme: Die Rettung kommt von unserem Gott" (Offb 7, 9)!

   Im 'Clan der Schutzengel' wird diese Rettung bezeugt und, von den Indianern zunächst, vorweggenommen.


7.3.3

Das Testament des Apatschen und die Missionierung Amerikas


Ist Winnetou IV eine christliche Dichtung? Nach dem bisher Gesagten darf die Antwort ein 'Ja' sein. Ein Zweifel steht freilich noch immer im Raum: Kann es, aus theologischer Sicht, akzeptiert werden, daß May den 'Schutzengel-Clan' nach dem 'Imitator' des Erlösers und nicht nach Christus selbst benennt? Und daß er nirgendwo sagt, die 'Winnetous' seien - im Namen des trinitarischen Gottes getaufte - Christen?

   Der 'Clan Winnetou' wurde, vom 'Bewahrer der Medizin', sehr früh schon gegründet: zu einer Zeit, da Winnetous Testament den Indianern noch gar nicht bekannt war. Den Kreuzesgedanken und damit das Christentum, das Shatterhand repräsentiert hatte, wollten oder konnten die Indianer zunächst noch nicht annehmen. Nur Winnetou hatte die Botschaft 'in seinem Herzen bewegt'. Nur er war - zum Glauben gekommen (S. 481f.).

   Das 'Pfingstereignis' nun aber verändert die Situation. Die Worte des Testaments erreichen die Hörer und fallen auf fruchtbaren Boden. Die Frage ist nur: Sind die Worte des Testaments die Worte - des Evangeliums? May verrät uns dies nicht. Über den "Inhalt" des Testaments soll "an anderer Stelle" (S. 360), d.h. in den - nie publizierten und nie geschriebenen - Fortsetzungsbänden Winnetous Testament gesprochen werden!

   Mit dem Neuen Testament ganz einfach identisch kann die Schrift des Apatschen natürlich nicht sein.156 Im Geist des Evangeliums wird sie - nach allem, was wir sonst über den Häuptling erfahren - aber doch wohl geschrieben sein. Mays Vorhaben, Winnetous Testament zu veröffentlichen, wäre freilich - nach Sudhoff -


das verwegenste Unternehmen der abendländischen Literaturgeschichte geworden, sicher auch von vornherein zum Scheitern verurteilt, hätte es sich doch um nichts Geringeres als das Neuschreiben des Neuen Testaments, der Lebensgeschichte Jesu Christi gehandelt. Spekulationen über dieses Wagnis sind sinnlos [...] doch kann man sich denken, daß es sich nicht um eine Neuinterpretation, sondern um eine Neuverschlüsselung gehandelt hätte, mit dem Ziel, die Lehre Christi [...] verständlicher zu machen.


   Denn es "schien May", nach Sudhoff, "daß das Neue Testament - das doch schon so alte - und seine 'himmlische Wahrheit' von den Menschen nicht mehr angenommen würde"!157

   Hatte May da so unrecht? Daß es nicht genügt, nur einfach die Bibel vorzulesen, weiß jeder Prediger. Die Bücher des Alten wie des Neuen Testaments sind in ihrer Ausdrucksweise ja keineswegs zeitlos. Sie wurden für bestimmte Adressaten verfaßt. Sie setzen kon-


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krete Erfahrungen und bestimmte kulturelle Bedingungen voraus, die für andere Zeiten und andere Kulturkreise nicht ohne weiteres zu vermitteln sind. Wenn Matthäus z.B. für die 'Judenchristen' oder Paulus für eine bestimmte Gemeinde in Korinth oder Rom schrieb, könnte dieselbe Botschaft dann nicht auch für andere Kulturen, die indianische z.B., neu formuliert werden? In einer Weise, die DEREN Erfahrungen ernstnimmt und an DEREN Lebensbedingungen anknüpft?

   Daß May ein 'Evangelium für die Indianer', in der Art etwa der heutigen 'Befreiungstheologie', hätte schreiben können, mag man bezweifeln. Aber das PROBLEM hat der Dichter - schon im Friede-Band158 - doch richtig gesehen: Die Notwendigkeit der 'Inkulturation', der Vermittlung des Christentums in fremde Kulturen und neue Epochen hinein, hat er durchaus erkannt - auch in Winnetou IV.

   Einen Teil seines Testaments hat Winnetou "für alle Menschen" verfaßt, einen andern Teil aber für seine "roten Brüder" (S. 262f.)! So abwegig wird die Vermutung also nicht sein: Winnetous Testament enthält die Botschaft Jesu - im Gewand der Indianerkultur, in der Symbolsprache der Schamanen und Medizinmänner.

   In Winnetou IV betont May zwar sehr den Gedanken der 'Einheit', der Solidarität aller Stämme und Völker. Aber im Sinn einer 'Gleichmacherei' ist diese Einheit gewiß nicht gemeint. An eine 'versöhnte Verschiedenheit' wird May viel eher gedacht haben. Denn die "Verschiedenheiten" unter den Völkern und religiösen Bekenntnissen, die der Autor in Friede ja gelten läßt,159 werden auch in Winnetou IV nicht bestritten: Den Indianerstämmen billigt May das "wohlberechtigte Nationalgefühl" (S. 283) durchaus zu; ein "Stammeshaus für jeden einzelnen roten Stamm" (S. 601) fordert Shatterhand auch für 'Winnetou City', den Sitz der 'Vereinten Nationen'!

   Die Verschiedenheit der Individuen, der Gruppen und Völker begründet eine Verschiedenheit, einen Pluralismus auch der religiösen Ausdrucksformen. Auch der christliche Glaube kann und soll sich in verschiedenen - sich wechselseitig bereichernden - Formen artikulieren.160 Die 'Evangelisierung' der Völker Amerikas aber ist ohne Rücksicht auf amerikanische Besonderheiten, ohne Rücksicht auf das Erbe der Indianer erfolgt!

   Schlimmer noch: Die 'Christianisierung' Amerikas stand, von der besseren Einsicht und dem Edelmut einzelner Missionare (des Dominikaners Las Casas z.B.) abgesehen, im Dienste des Kolonialismus!161 "Ueberall, wo eine Eroberung gemacht worden ist, sind ihr die Boten des Christentums vorangegangen." So schrieb Karl May im Friede-Roman.162 Und auch in Winnetou IV beklagt er den "Blut- und Länderdurst" (S. 287) der 'Zivilisatoren', der 'christlichen' Eroberer.

   Admiral Christobal Colons, bekannt unter dem Namen Kolumbus, landete am 12.10.1492 auf einer (heute nicht mehr bestimmbaren) Karibischen Insel. Er pflanzte dort, wie auch später an anderen Orten, die spanische Flagge auf und errichtete neben ihr das Kreuz.163 Die Geisteshaltung der Kolonialisten war damit bezeichnet: Die Weißen sind gekommen, um das Land zu beherrschen, es seiner Schätze zu berauben und die 'Heiden' zum Christentum zu bekehren. Die Zerstörung der indianischen Hochkulturen und die weitgehende Vernichtung der physischen Existenz der Urbewohner Amerikas waren die Folge.

   Über tausend Jahre zuvor, vor der Schlacht gegen Maxentius (im Jahre 312), soll der römische Kaiser Konstantin I. im Traum die Weisung empfangen haben, das Zeichen des Kreuzes auf die Schilde seiner Soldaten zu setzen. Am Himmel über der Sonne habe der Kaiser, so wird berichtet, ein Kreuz gesehen mit der Aufschrift 'In hoc signo vinces': 'In diesem Zeichen wirst du siegen'!164 Mit diesen Worten ließ May auch das - von Sascha


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Schneider (1903) gemalte und mit dem Titel 'Die sterbende Menschheit' versehene - Deckelbild zu Winnetou IV signieren: "In hoc signo vinces?!"165

   Das Fragezeichen will selbstverständlich besagen: An den Sieg des Kreuzes im konstantinisch-kolumbianischen Sinne glaubte May nicht. Das Rufzeichen aber kann nur bedeuten: In einem anderen, geistlichen, Sinne glaubte May an den Sieg des Kreuzes sehr wohl.

   Das Kommen des Bleichgesichts verstand der Dichter als "Zuchtrute" Manitous (S. 287), die den 'roten Mann' aber nicht nur strafen, sondern - vor allem - zur Umkehr: zur Befolgung des 'Schutzengelgesetzes' bewegen sollte. Die Eroberungspolitik und die Art der Missionierung Amerikas durch die Weißen wollte May mit dieser Bemerkung natürlich nicht rechtfertigen. Was er sagen wollte, war dies: "Kein Mensch steigt ohne die Hilfe anderer Menschen empor. So auch die Völker, die Nationen, die Rassen." (S. 397) Hätten die Weißen das wirkliche Christentum: die Religion der Liebe gebracht, so wäre der "Dank der roten Rasse" sehr groß gewesen (S. 265)!

   Die rote Rasse "vermag [...] ohne die weiße nichts" (S. 482). Das heißt: Die Solidarität der Weißen und besonders den christlichen Glauben brauchen die Indianer durchaus. Zugleich aber gilt: Sie sind, wie die anderen Völker der 'dritten Welt', keine "Almosenempfänger";166 denn auch die Europäer könnten - wie Shatterhand von Algongka und Athabaska - sehr viel von den Indianern LERNEN (S. 68).

   Bezogen auf die Mission, die Vermittlung des Evangeliums an die Manitou-Gläubigen, würde dies heißen: Die indianischen Mythen oder die Riten der Medizinmänner müßte das Christentum nicht verachten und nicht verdächtigen. Auch den Mythen liegt ja, wie Drewermann unterstreicht, "etwas Wahres" zugrunde; was in den Mythen geglaubt und verehrt wurde, kann das Christentum "zur Vollendung"167 bringen. Und es kann, zudem, von der Erfahrungswelt der Schamanen auch "lernen"!168 Es gilt also, "von nun an gerecht zu sein und von den bisherigen Fehlern, die wir in der Psychologie der roten Rasse begingen, endlich einmal abzulassen." (S. 21)

   Die Mythen der Völker und die Weisheitslehren der Medizinmänner entspringen der 'Menschheitsseele'. So gesehen ergibt es einen tieferen Sinn, wenn May, durch den 'Bewahrer der Medizin', das Bild Marah Durimehs (der Menschheitsseele) an die Seite des Winnetou-Porträts - des zum Kreuz und zum Himmel strebenden Christus-Nachfolgers - stellen läßt (S. 566).

   Und das dritte Porträt, das ebenfalls an der Seite Winnetous zu betrachten ist? Das Bild Abu Kitals, des - durch die List der Menschheitsseele bekehrten - 'Gewaltmenschen'?169 Vielleicht wollte May durch diese Konstellation auch zum Ausdruck bringen: Die Missionierung Amerikas, die Hinführung der Indianer zum Christentum, setzt - zum einen - den Verzicht auf jede Art von Gewalt und - zum andern - das Anknüpfen an der 'Naturreligion', den Mythen der Menschheitsseele voraus.

   Sicher ist dies: Ein 'Evangelisierungs'-Programm, das die Gottes- und Menschenliebe nicht glaubwürdig bezeugt und fremden Kulturen die europäische Denk- oder Lebensweise aufoktroyiert, wird keinen Erfolg haben. Dem WORT, das "erzählen" und "predigen" will, was dem Menschen förderlich ist (S. 617), kommt zwar große Bedeutung zu; aber ihr Ziel: Menschen zu "fangen" (ebd.; vgl. Mk 1, 17), erreichen die 'Winnetous' - die Christen - nur dann, wenn sie die Liebe, die sie verkünden, auch leben!

   Der "Samen, den Old Shatterhand in das Herz seines Bruders Winnetou legte", trägt - im Finale - "köstliche Früchte": weil der 'Clan Winnetou' "von seinen Gliedern weiter nichts verlangt, als edle Menschen zu sein, die nur Liebe geben, weil nur diese allein den Menschen edel macht." (S. 617) Dies sind die Früchte: Auch die bisher feindlichen India-


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ner erklären ihren Beitritt zum 'Clan der Schutzengel', weil dieser - durch wahre Barmherzigkeit - die Wahrheit seines Programms ja bewiesen hat.

   Genügt dies? Ist der missionarische Auftrag der christlichen Kirchen mit der Erfüllung des Liebesgebots nun hinreichend definiert?

   In seiner bemerkenswerten - eher progressiven und, ökumenisch gesehen, doch weiterführenden - Enzyklika Evangelii Nuntiandi (8.12.1975) hat Papst Paul VI. die 'Evangelisierung der Welt' als gestuften Weg: als vielschichtiges Geschehen mit verschiedenen Elementen beschrieben. Sechs Elemente werden genannt: das 'Zeugnis des Lebens', die 'ausdrückliche Verkündigung', die 'Zustimmung des Herzens', der 'sichtbare Eintritt' in die Gemeinschaft der Glaubenden, der 'Empfang der Zeichen' (der Sakramente) und der 'Anstoß zu neuem Apostolat'.170

   Zumindest die 'Anfangsstufe der Evangelisierung': das lebendige Zeugnis für die Liebe Gottes inmitten der Welt, ist das Thema in Winnetou IV. Aber auch die andern vom Papst genannten 'Stufen' sind - in poetischer Weise natürlich - im Roman enthalten.

   Bei der 'ausdrücklichen Verkündigung' unterscheidet die Enzyklika primäre und sekundäre Elemente. Als wichtigster Inhalt der Verkündigung wird genannt: Gott "ist der Vater [...] Also sind wir untereinander Brüder in Gott."171 Die 'Vertikale' (Gott) und die 'Horizontale' (Geschwisterlichkeit) werden in dieser Kurzformel zusammengebracht: der Deutung des Passiflorenkreuzes in Winnetou IV entsprechend!

   Als primär sieht die Enzyklika, selbstverständlich, auch die Botschaft vom Heil in Jesus Christus an. Diese Botschaft enthält der Roman Karl Mays, wie gezeigt wurde, indirekt und einschlußweise.

   Da die 'Zustimmung des Herzens' im Rundschreiben des Papstes primär als Zustimmung zum 'Lebensprogramm' der Liebe und erst sekundär als Zustimmung "zu den Wahrheiten, die der Herr aus Barmherzigkeit geoffenbart hat",172 verstanden wird, liegt auch hier eine Entsprechung zum Mayschen Alterswerk vor. Wenn der Beitritt zum 'Clan Winnetou' als sichtbarer Eintritt in die Gemeinschaft der Glaubenden und der zwölfstrahlige Stern als äußeres Zeichen für diesen Eintritt genommen wird, dann sind - in poetischer Analogie - auch das vierte und fünfte Element der Enzyklika in Mays Roman impliziert. Und dem sechsten Element entspricht natürlich die Aussendung der 'Winnetous' am Ende der Erzählung.

   Ist Winnetou IV also christliche Dichtung? Ja. Aber in einem sehr weiten, 'groß-ökumenischen'173 Sinne! Denn auch für andere Religionen, für fremde Kulturen und - besonders - die Mythen der Menschheitsseele ist dieser Roman, wie alle Spätwerke Mays, sehr offen.

   NICHT offen ist May aber für - nur - äußerlichen Kult: für die Pseudo-Verehrung Winnetous bzw. Christi. Das protzige Denkmal für den Apatschen muß stürzen: weil es zur Wahrheit nicht hinführt, sondern diese verdunkelt! Winnetous Testament, die Botschaft der Liebe, das 'Evangelium für die Indianer' muß an die Stelle des - militanten - Denkmals aus totem Gestein treten. Und die Mitglieder des 'Komitees', die das Standbild errichten wollten,174 müssen zurücktreten.

   Denn ihr Werk ist nur eitel und nichtig. Wie der Turmbau zu Babel: die "künstliche axis mundi",175 die - so Drewermann - den "Narzißmus", die "Selbstvergötterung" des Menschen verkörpert.176

   Mit dem Sturz des Denkmals rechnet May ab: mit der Eitelkeit dieser Welt, mit der "Sünde" (S. 446) des Menschen, mit dem Machtstreben kirchlicher Funktionäre, die ihren Auftrag verkennen und der Menschheit nicht dienen. May rechnet ab mit der "Lüge" (S.


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447), der Selbstüberhebung des Menschen und zugleich - mit sich selbst, dem "früheren Karl"!177



Anmerkungen


1Vgl. Karl May: Winnetou. IV. Band. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXXIII. Freiburg 1910, S. 397f. u. 558.
2Das vorliegende Kapitel wurde 1992 verfaßt.
3Vgl. z.B. Gert v. Paczensky: Teurer Segen. Christliche Mission und Kolonialismus. München 1991.
4Karl May: Ardistan und Dschinnistan I. Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXXI. Freiburg 1909, S. 18f. - Vgl. Karl May: Briefe an das bayerische Königshaus. In: JbKMG 1983, S. 76-122 (S. 109ff.).
5Seitenangaben in () beziehen sich auf May: Winnetou IV, wie Anm. 1.
6Vgl. May: Briefe, wie Anm. 4, S. 114f.
7Ulrich Schmid: Winnetous fliegende Feder. Abbreviaturen zum 'Testament des Apachen'. In: Karl Mays 'Winnetou'. Studien zu einem Mythos. Hrsg. von Dieter Sudhoff und Hartmut Vollmer. Frankfurt/M. 1989, S. 266-280 (S. 273) - Zu soziologischen Aspekten des Romans vgl. Wojciech Kunicki - Norbert Honsza: Unterhaltungsliteratur im europäischen Realismus. Karl May und 'Winnetou IV'. In: JbKMG 1986, S. 225-240.
8Günter Scholdt: (Werkartikel zu) Winnetou IV. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Reinhard Tschapke. Stuttgart 1987, S. 320-325 (S. 324).
9May: Briefe, wie Anm. 4, S. 116 (am 18.4.1909 an Prinzessin Wiltrud).
10Vgl. Peter Uwe Hohendahl: Von der Rothaut zum Edelmenschen. Karl Mays Amerikaromane. In: Karl Mays 'Winnetou', wie Anm. 7, S. 214-238 (S. 227): "Nicht weniger als eine herrschaftsfreie Welt wird in einem neugeschaffenen Mythos vor Augen gestellt."
11Günter Scholdt: Vom armen alten May. Bemerkungen zu 'Winnetou IV' und der psychischen Verfassung seines Autors. In: JbKMG 1985, S. 102-151 (S. 103).
12Vgl. Ekkehard Koch: Winnetou Band IV. Versuch einer Deutung und Wertung, 2. Teil. In: JbKMG 1971, S. 269-289 (S. 286 - zum Märchencharakter des Romans).
13Vgl. oben, S. 615, 634 u. 684f.
14Auf einer Tagung der Katholischen Akademie Bayern ('Glaube und Kirche. Zu einigen Sachaussagen bei Eugen Drewermann') am 21./22.2.1992 in München wurde Drewermann so bezeichnet!
15Vgl. oben, S. 526ff.
16Vgl. oben, S. 528.
17Vgl. oben, S. 525.
18Vgl. Eugen Drewermann: Strukturen des Bösen. Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer, psychoanalytischer und philosophischer Sicht. 3 Bände. Paderborn 1977ff.
19Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910. Hrsg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 21982, S. 12.
20Vgl. oben, S. 553.
21Vgl. oben, S. 556.
22Vgl. z.B. oben, S. 510 u. 623.
23Vgl. z.B. Mircea Eliade: The Quest. Chicago 1969. Deutsch: Die Sehnsucht nach dem Ursprung. Von den Quellen der Humanität. Wien 1973.
24Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. I. Die Wahrheit der Formen. Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende. Olten, Freiburg 41987, S. 240.
25Nach Eugen Drewermann: Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. II. Die Wahrheit der Werke und der Worte. Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis. Olten, Freiburg 31987, S. 430.
26Nach Drewermann: Tiefenpsychologie I, wie Anm. 24, S. 240.
27Vgl. Hartmut Vollmer: Marah Durimeh oder Die Rückkehr zur 'großen Mutter'. In: Karl May. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Sonderband Text + Kritik. München 1987, S. 158-190.


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28Drewermann: Tiefenpsychologie I, wie Anm. 24, S. 242, mit Bezug auf Sigmund Freud: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1917). Gesammelte Werke XI. London 1944, S.353.
29Drewermann: Ebd. (mit Bezug auf Carl Gustav Jung).
30Nach Drewermann: Ebd., S. 243.
31Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 430.
32Vgl. oben, S. 660ff.
33Vgl. oben, S. 407f.
34Vgl. Eugen Drewermann: Strukturen des Bösen, Bd. I. Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht. Paderborn 1988 (textgleich mit 61987), S. 336-389.
35Ebd., S. XXVIII.
36Ebd.
37Vgl. Carl Gustav Jung: Die Bedeutung der Psychologie für die Gegenwart (1933). Gesammelte Werke X: Zivilisation im Übergang. Olten, Freiburg 1974, S. 157-180 (S. 160).
38Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 96.
39Nach Johannes Auer: Erbsünde im dogmatischen Verständnis. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III. Hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner. Freiburg 21959, Sp. 967-972 (Sp. 968).
40Eugen Drewermann: Strukturen des Bösen, Bd. III. Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht. Paderborn 1988 (textgleich mit 51986), S. 583f.
41Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 96f.
42Nach Gerhard v. Rad: Theologie des Alten Testaments, Bd. I. München 51966, S. 174.
43E. Haag: Der Mensch am Anfang. Die alttestamentliche Paradiesvorstellung nach Gn 2-3. Trier 1970, S. 181; zit. nach Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 4f.
44Nach J. Blinzler: Erbsünde. Die Lehre der Schrift. In: Lexikon für Theologie und Kirche III, wie Anm. 39, Sp. 965ff. (Sp. 965).
45Ebd., Sp. 966 (genannt werden hier Mk 10, 5-8 par.; Joh 3, 5f. u. Joh 8, 44).
46Nach ebd. ist vor allem die Deutung von Röm 5, 12d ("weil alle sündigten" in der offiziellen Einheitsübersetzung) umstritten.
47May: Mein Leben und Streben, wie Anm. 19, S. 177.
48Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 580.
49Vgl. oben, S. 568.
50Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 579.
51Johannes Schuster: Das Böse. In: Philosophisches Wörterbuch. Hrsg. von Walter Brugger. Freiburg, Basel, Wien 121965, S. 41f. (S. 41).
52Vgl. Karl Rahner: Warum läßt Gott uns leiden? In: Ders.: Schriften zur Theologie, Bd. XIV. Zürich, Einsiedeln, Köln 1980, S. 450-466.
53Die Schlange in Gen 3 mit dem 'Teufel' gleichzusetzen, ist exegetisch allerdings kaum zu vertreten. Die Deutung der Schlange in Gen 3 ist unter den Auslegern überhaupt sehr umstritten. Interessant sind die Ausführungen bei Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 38ff.
54Karl-Heinz Weger: Erbsünde heute. Grundlegung und Verkündigungshilfen. München 1972, S.78.
55Daß die 'Erbsünde' durch ZEUGUNG übertragen werde, ist damit nicht gesagt. Diese Vorstellung hat keine biblische Grundlage; sie ist eine relativ späte Lehrmeinung, die erst bei Augustinus belegt ist. Heute ist diese Vorstellung nicht mehr nachzuvollziehen, da sie die einheitliche Abstammung des Menschengeschlechts voraussetzt und die biologische Zeugung ins Zwielicht rückt. - Vgl. Weger, wie Anm. 54, S. 32ff.
56Weger: Ebd., S. 80.
57Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 322.
58Weger, wie Anm. 54, S. 71.
59Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 326.
60Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 569.
61Ebd., S. 560.
62Sören Kierkegaard: Der Begriff Angst. Eine simple psychologisch-hinweisende Erörterung in Richtung des dogmatischen Problems der Erbsünde, von Vigilius Haufniensis. Kopenhagen 1844. Deutsch: Hamburg 31.-35. Tsd. 1965 (Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft), S. 40.


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63Vgl. Sören Kierkegaard: Die Krankheit zum Tode. Eine christliche psychologische Entwicklung zur Erbauung und Erweckung, von Anti-Climacus. Kopenhagen 1849. Deutsch: Hamburg 1962.
64Eugen Drewermann: Strukturen des Bösen, Bd. II. Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht. Paderborn 1988 (textgleich mit 51985), S. 570.
65Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 561.
66Ebd., S. 553f. - Zur Angst als innerer Triebkraft des Autors von Winnetou IV (und des Spätwerks überhaupt) vgl. Jürgen Hahn: "Da klebte ich zwischen Himmel und Erde". Betrachtungen zu Karl Mays Alterswerk. In: JbKMG 1992, S. 299-317 (S. 301ff. u. passim). - Vgl. oben, S. 597ff.
67Zum Begriff des Urvertrauens vgl. Peter L. Berger: Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz. Übersetzt von Monika Plessner. Frankfurt/M. 9.-12. Tsd. 1972, S. 82ff.
68Vgl. oben, S. 698ff.
69Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 553.
70Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 322.
71Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 553.
72Vgl. z.B. Sartres Drama Die Fliegen (1942); dazu Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 233ff.
73Vgl. oben, S. 638.
74Dazu Karl Rahner: Zur Theologie der Gnade. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 3. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg 1972, S. 130-140 (S. 138).
75Hervorhebung von mir.
76Vgl. oben, S. 647.
77Vgl. Dieter Sudhoff: Karl Mays "Winnetou IV". Studien zur Thematik und Struktur. Materialien zur Karl-May-Forschung, Bd. 6. Ubstadt 1981, S. 142ff.
78Vgl. oben, S. 698ff.
79Vgl. z.B. Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis. München 1968, S. 186-189 (zur 'Satisfaktionstheorie' des Anselm von Canterbury).
80Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 531.
81Ebd.
82Ebd.
83Drewermann (ebd.) verweist auf "das uralte Bild des sterbenden Gottes, das die frühen Jäger und Pflanzer zur Deutung ihrer Daseinswirklichkeit verwendeten"!
84Ebd.
85Wie Anm. 59.
86Vgl. oben, S. 558.
87Die Medizinen der Häuptlinge werden aufbewahrt unter der Platte des Tempelaltars (S. 369) - auch dies ein deutlicher Hinweis auf die sakrale Bedeutung der Medizin!
88Vgl. oben, S. 575 (Anm. 50).
89Vgl. oben, S. 574f. (Anm. 49).
90Vgl. z.B. Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 79-94 u. passim - Ders.: Der tödliche Fortschritt. Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums. Freiburg, Basel, Wien 21992 (Lizenz-Ausgabe des Pustet-Verlags. Regensburg 61990), S . 40 u. passim. - Drewermann bezieht sich auf Schwarzer Hirsch (Black Elk): Ich rufe mein Volk. Leben, Visionen und Vermächtnis des letzten großen Sehers der Ogalalla-Sioux. Übersetzt von Siegfried Lang. Olten, Freiburg 1965 (Originalausgabe: New York 1932; Neuauflage: Göttingen 81992) - Ders.: Die heilige Pfeife. Das indianische Weisheitsbuch der sieben geheimen Riten. Olten, Freiburg 21978 (original: Manderson 1947).
91Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 79.
92Vgl. ebd., S. 89.
93Ebd., S. 79.
94Ebd., S. 115.
95Ebd., S. 80.


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96Ganz so hoch wie Marah Durimeh in Ardistan und Dschinnistan steht er allerdings nicht, wie Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 120, zu Recht bemerkt und zutreffend erläutert. - Vgl. oben, S. 571.
97Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 181.
98Mit diesem Hinweis will May natürlich, zusätzlich zum Dschinnistan-Motiv, eine weitere Verbindung des Amerika-Romans mit dem orientalischen Spätwerk (Im Reiche des silbernen Löwen III/IV) andeuten.
99Vgl. Karl May: Auch "über den Wassern" (1910) mit Anmerkungen von Hansotto Hatzig und Ekkehard Bartsch. In: JbKMG 1976, S. 230-272 (S. 240ff.).
100Nach Eugen Drewermann: Fundevogel u.a. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. Olten, Freiburg 1990, S. 60.
101Vgl. Ingmar Winter: Realitätsfluchten oder: Die Manifestation des Mythos. In: MKMG 69 (1986), S. 25-30 (S. 28f.).
102Drewermann: Fundevogel, wie Anm. 100, S. 60.
103Winnetou IV ist, wie alle Spätwerke Mays, eine Traum-Poesie - obwohl (expressis verbis) in diesem Roman nicht geträumt wird. - Vgl. Dieter Sudhoff: Der beflügelte Mensch. Traumflug, Aviatik und Höhenflug bei Karl May. In: JbKMG 1986, S. 110-154.
104Vgl. oben, S. 553.
105Vgl. P. Federn: Über zwei typische Traumsensationen. In: Jahrbuch für Psychoanalyse, Bd. VI. Hrsg. von Sigmund Freud. Leipzig, Wien 1914, S. 89-134 (S. 128).
106Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 327.
107Ebd.
108Ebd., S. 322.
109Die heilige Zahl 'drei' verweist aufs Mysterium Gottes; und auch der 'Berg' ist, religionswissenschaftlich gesehen, ein Symbol für das Göttliche.
110Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 84.
111May: Briefe, wie Anm. 4, S. 107 (am 7.3.1908 an Prinzessin Wiltrud) - Interessant ist in diesem Zusammenhang: Die katholische Bischofskonferenz Guatemalas hat alle Indio-Völker des Landes um Vergebung gebeten wegen der "Irrtümer und Widersprüche", in die sich die Kirche während der fünf Jahrhunderte der 'Evangelisierung' in Lateinamerika verwickelt habe (Bericht in der 'Süddeutschen Zeitung' Nr. 227 vom 1.10.1992, S. 10).
112Vgl. Koch, wie Anm. 12, S. 277ff.
113Dazu Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 600-605.
114Nach Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 344-368.
115Schwarzer Hirsch: Ich rufe mein Volk, wie Anm. 90, S. 188; ausführliches Zitat bei Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 359f.
116Vgl. oben, S. 716f. - Vgl. auch Hans Küng: Credo. Das Apostolische Glaubensbekenntnis - Zeitgenossen erklärt. München 1992, S. 36.
117Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 133.
118Vgl. oben, S. 703 ff.
119Karl May: Winnetou III. Karl Mays Werke IV. 14. Hg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger. Zürich 1991, S. 419.
120Drewermann: Fundevogel, wie Anm. 100, S. 76 - Vgl. Winter, wie Anm. 101, S. 25.
121Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 430.
122Vgl. oben, S. 568.
123Vgl. Drewermann: Strukturen II, wie Anm. 64, S. 52f., mit Bezug u.a. auf Mircea Eliade: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Frankfurt/M. 1975 (Original: Paris 1951), S. 250ff.
124Drewermann: Strukturen II, wie Anm. 64, S. 52.
125Ebd., S. 53; vgl. auch ebd., S. 510 u. 512.
126Vgl. Drewermann: Der tödliche Fortschritt, wie Anm. 90, S. 116.
127Schon in der 'Marienkalender'-Geschichte Christ ist erstanden! (1893) hat May die Passifloren-Symbolik detailliert erläutert; vgl, Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 128.
128Vgl. Karl Rahner: Christentum. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 1. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg 1972, S. 381-399.
129Vgl. Eugen Drewermann: "Ich steige hinab in die Barke der Sonne". Alt-Ägyptische Meditationen zu Tod und Auferstehung in bezug auf Joh 20/21. Olten 1989.


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130Neben der Passiflora "incarnata" wird die Passiflora "quadrangularis" genannt, die die Wände des Raumes schmückt. Das Symbol des 'Vierecks' verweist auf die Erde (vgl. Herder-Lexikon 'Symbole'. Bearbeitet von Marianne Oesterreicher-Mottwo. Freiburg, Basel, Wien 51982, S. 96), während das Kreuz auf Erde und Himmel zugleich verweist. Der Gedanke der Einheit von Gott und Welt liegt der Symbolik des Passiflorenraums zugrunde!
131Vgl. oben, S. 406f.
132Dazu Küng, wie Anm. 116, S. 63f.
133Alfred Paffenholz: Kleine Fluchten oder: Der Traum vom Paradies. Eine Erinnerung an Karl May und seine Wiederentdeckung. In: Karl May - der sächsische Phantast. Studien zu Leben und Werk. Hrsg. von Harald Eggebrecht. Frankfurt/M. 1987, S. 45-62 (S. 61)
134May: Briefe, wie Anm. 4, S. 107 (am 7.3.1908 an Prinzessin Wiltrud).
135Rahner: Christentum, wie Anm. 128, S. 383.
136Vgl. Karl Rahner: Volk Gottes. In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 8. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg 1973, S. 65-68.
137Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 101 - Ähnlich schon Koch, wie Anm. 12, S. 272 - Kai Riedemann: Aspekte zur Deutung der Winnetou-IV-Symbolik. SKMG Nr. 17 (1979), S. 24.
138Christoph F. Lorenz: Auf der Suche nach dem verlorenen Ich. Namens-, Orts- und Persönlichkeitsmythen in Karl Mays "Winnetou IV". In: Karl Mays 'Winnetou', wie Anm. 7, S. 241-265 (S. 256).
139Roland Schmid: Winnetou als Symbolgestalt. In: Karl May: Freiburger Erstausgaben, Bd. XXXI. Hrsg. Von Roland Schmid. Bamberg 1984, N 23-29 (N 27 u. 26).
140Vgl. oben, S. 559f.
141Horst Wolf Müller: Winnetou. Vom Skalpjäger zum roten Heiland. In: Karl Mays 'Winnetou', wie Anm. 7, S. 196-213 (S. 206)
142R. Schmid, wie Anm. 139, N 27.
143Ebd., N 28.
144May bezieht sich auf das von Sascha Schneider (1904) für Winnetou III gemalte Deckelbild. - Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 103, sieht in diesem Bild "eine deutliche Darstellung der Himmelfahrt Christi."
145So auch Sudhoff: Ebd., S. 104f.
146Müller, wie Anm. 141, S. 207.
147Drewermann: Strukturen I, wie Anm. 34, S. 161.
148Ebd.
149Zum Clan-Wesen der Indianer vgl. oben, S. 574 (Anm. 46).
150Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 579.
151Vgl. auch Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 105-108.
152Das GANZE Wesen der Kirche ist mit dieser Bezeichnung freilich nicht erreicht; vgl. Marie-Joseph Le Guillou: Kirche (III. Theologische Vermittlung). In: Herders theologisches Taschenlexikon, Bd. 4. Hrsg. von Karl Rahner. Freiburg 1972, S. 118-132 (S. 122).
153Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 101 - Auch nach Koch, wie Anm. 12, S. 275, steht der 'Clan Winnetou' für das "wahre Christentum".
154Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 108.
155Le Guillou, wie Anm. 152, S. 121.
156Shatterhand und Herzle hatten ja "noch nie etwas ähnliches gelesen" (S. 360)!
157Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 101.
158Vgl. oben, S. 614ff.
159Vgl. Karl May: Und Friede auf Erden! Gesammelte Reiseerzählungen, Bd. XXX. Freiburg 1904, S. 34
160Vgl. oben, S. 612f.
161Vgl. z.B. Paczensky, wie Anm. 3 - Kirkpatrick Sale: Das verlorene Paradies. Christoph Kolumbus und die Folgen. Aus dem Amerikanischen von Brigitte Rapp. München 1991.
162May: Und Friede auf Erden!, wie Anm. 159, S. 41.
163Nach Sale, wie Anm. 161.
164Nach J. Vogt: Konstantin. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VI. Hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner. Freiburg 21961, Sp. 478ff. (Sp. 479)
165Vgl. Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider. Dokumente einer Freundschaft. Beiträge zur Karl-May-Forschung 2. Bamberg 1967, S. 177.


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166May: Und Friede auf Erden!, wie Anm. 159, S. 178.
167Drewermann: Strukturen III, wie Anm. 40, S. 518.
168Drewermann: Tiefenpsychologie II, wie Anm. 25, S. 107ff. u. passim.
169Vgl. oben, S. 483ff.
170Vgl. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 2. Apostolisches Schreiben Papst Pauls VI. über die Evangelisierung in der Welt von heute (1975). Hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn.
171Ebd.
172Ebd.
173Vgl. oben, S. 613ff. - Als weiteres Beispiel für diese Geisteshaltung sei genannt: Die größere Ökumene. Gespräch um Friedrich Heiler. Hrsg. von P. Emmanuel Jungclaussen OSB. Regensburg 1970. - Bemerkenswerterweise räumen auch die Bischöfe Guatemalas (wie oben, Anm. 111) immerhin ein: Gott ist viel früher als die sogenannten Entdecker in den Völkern und Kulturen Lateinamerikas gegenwärtig gewesen; so sei z.B. die Maya-Religion eine "zufriedenstellende Hilfe" gewesen, Welt und Leben zu deuten! "Die irrige Idee von der Überlegenheit der europäischen gegenüber der indigenen Kultur" habe manche Missionare zur Unterdrückung veranlaßt!
174Sudhoff: Winnetou IV, wie Anm. 77, S. 114, sieht in den Mitgliedern des Komitees die Vertreter des bloßen "Namenschristentums". - Ähnlich schon Koch, wie Anm. 12, S. 271f.
175Drewermann: Strukturen II, wie Anm. 64, S. 53.
176Ebd., S. 535.
177Vgl. oben, S. 378.




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