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ERICH HEINEMANN

Die Arbeit der Karl-May-Gesellschaft ·

Eine Zwischenbilanz des Jahres 1971/72



Auch im dritten Jahr ihres Bestehens ist die Karl-May-Gesellschaft (KMG) ihren Zielen, die in der literarischen Anerkennung Karl Mays ihren Gipfelpunkt sehen um beträchtliche Längen nähergerückt. Ihre Bemühungen wurden in der Öffentlichkeit mit der summarischen Feststellung gewürdigt: »In der Bundesrepublik gewinnen Person und Werk des Autors May an Ansehen« (»Die Zeit« 26. 11. 1971).

   Zu dieser Beurteilung führte das zweite, im Herbst 1971 vorgelegte Jahrbuch der KMG. Besprechungen erschienen in führenden deutschen und österreichischen Zeitungen und erreichten eine für ein Jahrbuch ungewöhnlich hohe Zahl. Fast ausnahmslos wird der wissenschaftliche Charakter dieser Publikation der KMG bestätigt. Die »FAZ« die sich ausführlich mit dem Jahrbuch und den Plänen der KMG beschäftigt, stellt fest, daß, jenseits aller Bubenromantik eine ernstzunehmende Forschung beginnt. Im Stadium rascher Verwirklichung sieht der »Mannheimer Morgen« die Pläne der KMG. Die »Cellesche Zeitung« bescheinigt der Gesellschaft, sie werde ihrer selbstgestellten Aufgabe überzeugend gerecht. Nach der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« hat Karl May eine neue »Karriere« begonnen, »nun nicht mehr als Schriftsteller für Kinder und Jugendliche, sondern als ernstgenommener Mystiker, als bedeutendes Erzähltalent«. In ähnlichem Sinne äußerte sich auch die bekannte Literaturwissenschaftlerin Käte Hamburger nach der Lektüre des Jahrbuchs 1971; sie forderte, Karl May müsse »aus dem Stand des Jugendschriftstellers befreit werden«. In der Literatur und in anderen Zweigen der Wissenschaft, so berichtet die »Deister- und Weserzeitung«, sei durch die Bemühungen der KMG Interesse für Karl May wachgerufen. Und der Berliner »Tagesspiegel« verkündet: »Mit Karl May geht es wieder aufwärts, seit kürzlich die KMG gegründet wurde: Jetzt lesen


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... auch ernst zu nehmende Wissenschaftler Karl May.« Für die »Wiener Zeitung« die dem Jahrbuch eine ganze Seite ihrer Ausgabe widmet, ist Karl May in psychologischer Hinsicht ein Phänomen und näherer sachlicher Betrachtung wert. »Das Jahrbuch liefert ... verblüffende Ergebnisse«, urteilt das »Spandauer Volksblatt« »zeigt Karl May als ein Phänomen für die Wissenschaft und liest sich so interessant wie ein May selbst«. Den »Lübecker Nachrichten« eröffnen sich »bemerkenswerte Aspekte der scheinbar unscheinbaren Gestalt dieses Schriftstellers« und die »Bremer Nachrichten« schließlich erkennen zutreffend daß W. D. Bachs Aufsatz »Fluchtlandschaften« Arno Schmidts vielumstrittene Deutung von Mays Schriften ad absurdum führt.

   Es besteht nicht die Absicht - und würde auch den Rahmen dieses Beitrages sprengen -, die verschiedenen Rezensionen des Jahrbuches 1971 hier ausführlich vorzustellen. In der Vielzahl der Pressestimmen findet die Arbeit der KMG Anerkennung und Zustimmung.

   In einer breit angelegten Aktion wandte sich die KMG an germanistische Institute des In- und Auslandes um sie mit ihren Zielen und Publikationen bekanntzumachen. Weitreichende und - wie wir hoffen - nützliche Kontakte wurden hergestellt. Eine größere Anzahl der angeschriebenen Institute gehört seitdem zu den Dauerbeziehern der Jahrbücher.

   Einen von uns verfaßten Gedenkartikel zum 60. Todestag Karl Mays übernahmen etwa 50 Redaktionen, darunter eine Zeitung in St. Louis. Über das »Waldröschen« brachte der Süddeutsche Rundfunk am 19. 11. 1971 eine Sendung von Volker Klotz; der Hessische Rundfunk übertrug am 27. 12. 1971 »Irrgarten der Kolportage« von Gert Ueding - beide Verfasser gehören der KMG an. Auch in anderen Sendungen wurde über die KMG gesprochen, so im Hessischen Rundfunk am 21. und 23. 8. 1971 und im Südwestfunk am 27. 1. 1972. In der Karl-May-Sendung des ZDF am 3. 4. 1972 kamen Prof. Dr. Claus Roxin (Vorsitzender der KMG) und Prof. Dr. Heinz Stolte (Vertreter des Wissenschaftlichen Ausschusses der KMG) zu Wort. Der Beitrag im Jahrbuch 1971 veranlaßte die Gemeinde Gartow, durch eine Tafel am Hause des ehemaligen Hotels Krug an den Aufenthalt Karl Mays im Jahre 1898 zu erinnern.

   Unter Mitarbeit der KMG entstand ein neuer Artikel über Karl May


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in der Brockhaus-Enzyklopädie, der den neueren Erkenntnissen der Forschung Rechnung trägt.

   Im Berichtszeitraum wurde die Veröffentlichung der vierteljährlich erscheinenden »Mitteilungen der KMG« fortgesetzt. Sie enthalten wie bisher vorwiegend aktuelle und informative Beiträge, verarbeiten aber auch Forschungsmaterialien, die sich nach Umfang und Art für das Jahrbuch nicht eignen. Bereits zu einer Tradition geworden ist die Beigabe einer faksimilierten Karl-May-Handschrift. Seit der Nr. 11 (März 1972) liegt die Redaktion in Händen von Hansotto Hatzig. Die typographische Gestaltung wurde verbessert.

   Die 15 Lieferungen umfassende Reihe der Nachdrucke aus den »Frohen Stunden«, in denen Karl May 1877/78 insgesamt 12 Erzählungen veröffentlichte, wurde abgeschlossen; nächstens soll »Der beiden Quitzows letzte Fahrten« als Reprint der KMG erscheinen. Mit der Sammlung »inform« will die KMG ihren Beziehern schwer zugängliche Texte aus Büchern, Zeitschriften und Sendungen, die Karl May betreffen, zur Verfügung stellen. Für die Freunde Karl Mays und für die Mitglieder der KMG erschien erstmalig auf einer Schallplatte Karl Mays »Ave Maria« und »Vergiß mich nicht«, aufgenommen vom Chor der Thomaskantorei Hellbrook unter Leitung von Hartmut Kühne.

   Unter dem Titel »Karl Mays Waldröschen. Ein Kolportageroman des 19. Jahrhunderts« veröffentlichte die KMG ein Sonderheft (36 S., Abb., Faksimiles). Es enthält neben Gert Uedings Funk-Essay Text-Untersuchungen der Olms-Ausgabe und einen Pressespiegel.

   Der Anstieg der Mitgliederzahl hält erfreulicherweise an. Sie erreichte bei Redaktionsschluß 460. Damit gehört die KMG zu den größten literarischen Gesellschaften in der Bundesrepublik und in Österreich. Ihre Anschrift lautet: 2 Hamburg 72, Swebenbrunnen 8 c, Tel. (04 11) 6 43 33 07.


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