... ich meines Teils hätte ja beinahe über sie
meiner selbst vergessen; so überredend haben sie
gesprochen. Wiewohl Wahres, daß ich das Wort
heraussage, haben sie gar nichts gesagt.
PLATON: Apologie des Sokrates
(1) Empirische Untersuchungen an literaturwissenschaftlichen Texten belegen, daß der Stil von Interpretationen in hohem Maße von poetischen Techniken der Suggestion und der sprachlichen Assimilation an den literarischen Gegenstandsbereich gekennzeichnet ist - und dies umso mehr, je weniger begriffliche Klärungen und empirische Textnachweise anzutreffen sind.
(2) Durch die semantische Unschärfe der gewählten dichtungssprachlichen Formulierungen schließt diese stilistische Tendenz eine genaue Prüfung und mögliche Widerlegung der vertretenen Behauptungen vielfach von vornherein aus.
(3) Andererseits sorgt die Poetisierung der Interpretationssprache in erheblichem Maße dafür, daß ein Bedürfnis nach einer solchen kritischen Prüfung im allgemeinen gar nicht erst aufkommt, weil die Zustimmung der Leser schon durch den ästhetischen Reiz und die suggestive Überzeugungskraft der mit poetischen Elementen durchsetzten Sprache weitgehend gesichert ist.
(4) Ein empirischer Kontrollversuch mit zwei verdeckt publizierten Interpretationsfassungen belegt, daß die Beurteilung literaturwissenschaftlicher Arbeiten tatsächlich in entscheidendem Maße vom Grad ihrer suggestiven Rhetorisierung abhängt: Die gleiche Interpretation stößt in poetisierter Präsentation überwiegend auf Zustimmung, in schmuckloser Darbietung überwiegend auf Ablehnung.
(5) Eine angemesscene Antwort wäre nicht ein Aufruf zum puritanischen Bildersturm in der Literaturwissenschaft, sondern die Besinnung auf das kommunikative Ziel der Unmißverständlichkeit anstelle einer gefälligen Scheinverständlichkeit.
(6) Denn nicht die einzelne Metapher oder die gelegentlich eingesetzte rhetorische Figur - etwa zur didaktischen Verdeutlichung oder zusammenfassenden Verstärkung vorangehender Klartext-Passagen, wie in anderen wissenschaftlichen Disziplinen - ist bedenklich, sondern die literaturwissenschaftliche Grundtendenz zur Verwendung poetischer Sprachmittel als funktionaler Ersatz für intersubjektiv überprüfbare Argumentationen.
(7) Psychoanalytische Deutungen von Literatur sind kein Spezialfall wissenschaftlicher Interpretation, sondern ein Spezialfall rhetorischer Suggestion - nämlich die Autosuggestion des Interpreten, der sich in seiner eigenen logischen Falle fängt.
II. Erläuterungen
In seiner "Kritik der Urteilskraft" hat Kant nicht nur
die Möglichkeit einer "Wissenschaft des Schönen",
also einer intersubjektiv zwingenden Beweisführung für
ästhetisch wertende Geschmacksurteile bestritten, sondern
zugleich die Idee einer "schönen Wissenschaft"
attackiert. Seine Begründung, die an unzeitgemäß
deftiger Direktheit nichts zu wünschen übrig läßt,
lautet hier: "so ist eine Wissenschaft, die als solche schön
sein soll, ein Unding. Denn wenn man in ihr als Wissenschaft nach
Gründen und Beweisen fragte, so würde man durch geschmackvolle
Aussprüche (Bonmots) abgefertigt."(1)
Genützt hat diese Warnung Kants wenig, zumindest in unserem
Fach. Denn daß sich viele Literaturwissenschaftler in der
Alternative zwischen literarischem und wissenschaftlichem Schreiben
mit mehr oder eher weniger Erfolg für eine Art 'Sekundärpoesie'
zu entscheiden pflegen, ist nicht länger etwas, was nur als
ein unverbindlicher Topos in akademischen Reden immer wieder beklagt
und dafür in Feuilletons immer wieder eingefordert
wird. Der sprachliche Anpassungsversuch von Literaturwissenschaftlern
an ihren literarischen Gegenstand ist längst die alltägliche
Wirklichkeit des Faches, wie ich 1977 anhand von 80 germanistischen
Interpretationen aus den letzten hundert Jahren ausführlich
belegt habe.(2) Da die Resultate dieser Untersuchung die praktische
Grundlage der folgenden Überlegungen bilden, seien sie hier
noch einmal knapp zusammengefaßt:
Die etwa 16800 poetischen Sprachelemente (wie Metaphern, Wortspiele
oder rhetorische Fragen), die in den 80 germanistischen Arbeiten
anzutreffen waren, lassen sich am prägnantesten so resümieren,
daß durchschnittlich auf jeden literaturwissenschaftlichen
Satz ein solches poetisierendes Element entfällt.
Der Sprachgebrauch der Germanisten übertrifft damit schon
statistisch um ein Mehrfaches die zu Vergleichszwecken in gleicher
Weise untersuchten sprachwissenschaftlichen, sprachphilosophischen
und historiographischen Texte. (Annähernd vergleichbare Werte
häufiger Poetisierung erreichen diejenigen unter den vertretenen
philosophischen Autoren, die - wiewohl untereinander höchst
gegensätzlichen Schulen angehörend - einheitlich alle
Bemühungen um wissenschaftlich argumentierendes Philosophieren
explizit mit dem gelehrten Schimpfwort "Positivismus"
oder auch "Szientismus" abtun und in eigenen Texten
auf die eine oder andere Weise 'hegelnd', 'heideggernd' oder 'adornisierend'
meinen, kontrollierte Argumentation durch die Imitation manierierten
Sprechens ersetzen zu können.)
In literaturwissenschaftlichen Arbeiten ist der poetisierende
Grundzug zwar von Autor zu Autor, ja sogar von Text zu Text unterschiedlich
stark ausgeprägt, aber insgesamt in den letzten einhundert
Jahren ausnahmslos und historisch unverändert nachweisbar.
Durch die intensive literaturwissenschaftliche 'Methodendiskussion'
(besonders zwischen 1965 und 1975) hat die Tendenz zur verbalen
Suggestion nicht etwa abgenommen, sondern ist sogar noch angestiegen
- bemerkenswerterweise auch und besonders in der DDR-Germanistik.
Seit Erscheinen der Untersuchung hat sich nach internen Vergleichszählungen
an dem beschriebenen Sprachgebrauch germanistischer Arbeiten
nichts Nennenswertes verändert; allenfalls ist das sprachliche
Spektrum unter Etiketten wie 'Diskursanalyse', 'Dekomposition'(3), 'Dekonstruktivismus', 'Poststrukturalismus' oder auch 'Neostrukturalismus'
um jene verbalen Amokläufe bereichert worden, die Klaus Laërmann
in einer dankenswert schonungslosen Generalabrechnung als "das
rasende Gefasel der Gegenaufklärung" beim Namen genannt
hat.(4)
Die Darstellungssprache literaturwissenschaftlicher Interpreten
wird nun nicht nur dem allgemeinen Objektbereich 'Poesie'
angenähert, sondern nach Gattung, Stilregister und autorspezifischen
Merkmalen auch dem jeweiligen literarischen Gegenstand(5): Man redet über das Komische witzig, über das Tragische
pathetisch, über das Dramatische dialogisierend, über
das Lyrische rhythmisierend, über Thomas Mann ironisch, über
Brentano klangspielerisch und über Trakl in syntaktischen
Ellipsen.
In statistisch eindeutiger Weise verhält sich dabei die Neigung
zum Poetisieren bei den einzelnen Autoren umgekehrt proportional
zu wissenschaftlicher Eindeutigkeit (etwa durch Angabe von Begriffsdefinitionen)
und zu empirischer Nachprüfbarkeit (etwa durch Angabe von
Textbelegen): Argumentation wird durch Suggestion ersetzt,
Sachadäquatheit durch Stiladäquatheit vorgegaukelt.
Auch der vermeintliche 'Tiefsinn' vieler germanistischer Arbeiten
beruht zum großen Teil auf der durch rhetorisch-poetische
Mittel bewirkten Verschleierung der Voraussetzungen, die stillschweigend
in die Untersuchung eingehen. Bei hinreichender Offenlegung solcher
unterschobener Prämissen würde sich häufig ergeben,
daß die gewonnenen
Ergebnisse entweder banal sind
(nicht weniger banal jedenfalls, als dies in der Regel jedem Versuch
zu einer exakten Literaturwissenschaft vorgeworfen wird) - oder
aber daß sie banal falsch und in der Sache unhaltbar
sind. Die Funktionen einer der literarischen Sprache angenäherten
Redeweise in der literaturwissenschaftlichen Kommunikation lassen
sich demnach etwa folgendermaßen zusammenfassen: Der Einsatz
poetisierender Elemente dient angesichts ihrer prinzipiellen Vagheit
objektiv dazu, die literaturwissenschaftlichen Leser weniger durch
Argumente und Belege zu überzeugen als durch rhetorische
Suggestion zu gewinnen.
Der zweite Teil dieser These blieb dabei, im Gegensatz zu den
harten Fakten des textanalytischen Befundes, zunächst hypothetisch:
daß nämlich der Grad an Zustimmung zu germanistischen
Interpretationen wesentlich abhängt vom Grad der Poetisierung
und individuellen sprachlichen Anpassung an die behandelten Dichtungen
- daß also die Leser literaturwissenschaftlicher Publikationen
dergleichen geradezu normativ erwarten und ihre Gesamtbeurteilung
solcher Schriften stärker an stilistischen als an argumentativen
Qualitäten ausrichten. Zur empirischen Überprüfung
auch dieser zweiten Hypothese diente ein praktisches Experiment,
dessen Versuchsanordnung und dessen Resultate im folgenden zusammengefaßt
werden sollen.
Es kam hier vor allem darauf an, das Experiment wirklich unter
Ernstfall-Bedingungen durchzuführen - also nicht bloß
mit beeinflußbaren Studentengruppen als 'Versuchspersonen'
gewisse Trockenski-Tests zu veranstalten, von deren Ergebnissen
man sich dann die gerade passenden heraussucht. Es mußte
sich vielmehr um echte germanistische Publikationen und
um die echten Reaktionen der germanistischen Zunft darauf
handeln. Zu diesem Zweck habe ich einen literaturwissenschaftlichen
Aufsatz in zwei alternativen Fassungen veröffentlicht,
die zwar zu Tarnungszwecken unterschiedlichen Titel, Einleitung
und Schluß erhalten mußten, die sich sonst aber
im wesentlichen nur in Hinsicht auf den Grad ihrer sprachlichen
Poetisierung radikal voneinander unterschieden. Natürlich
führt auch ein unterschiedlicher Publikationsort zu zwei
nicht völlig austauschbaren Kontrollgruppen - aber so 'klinisch
rein' kann man bei diesem Typ von 'participating observation'
ohnehin kaum einmal arbeiten.
Ein passendes Objekt für eine derartige listig-abenteuerliche
Verstellung zu Erkenntniszwecken bot sich sofort an: für
so etwas kommt natürlich vor allem Karl May in Frage. Die
eine der beiden
Fassungen(6) wurde dabei so gut wie vollständig
von allen Elementen sprachlicher Poetisierung freigehalten;
die andere Fassung hingegen(7) wurde - genau nach dem Rezept der
textanalytisch ermittelten Resultate - mit den besonders branchenüblichen
Stilfiguren vollgestopft und insgesamt den bewährten suggestiven
Leserstrategien germanistischer Interpretationen angeglichen.
Sämtliche 40 Typen poetisierender Sprachelemente, die in
den untersuchten germanistischen Interpretationen aufgetreten
waren, kommen mindestens einmal vor. Auch die durchschnittliche
Häufigkeit der Stilfiguren liegt mit 17,3 poetischen Elementen
pro Druckseite gerade im mittleren Bereich des in jüngster
Zeit germanistisch Üblichen (etwa zwischen dem ermittelten
BRD- und DDR-Durchschnitt); zur Einschläferung der kritischen
Aufmerksamkeit des Lesers treten die Figuren freilich am Anfang
sehr sparsam, am Schluß dann gehäuft auf - auch dies
eine sehr verbreitet zu beobachtende verbale Taktik in germanistischen
Arbeiten.
Vor allem aber kam es darauf an, die sprachliche Fassung dieses
Aufsatzes in möglichst vielen Zügen der Schreibweise
des behandelten Verfassers, also dem - interessierten Lesern wohlbekannten
- Personalstil Karl Mays zu assimilieren. Das beginnt mit
einigen schon durch Arno Schmidt gebrandmarkten stilistischen
Fingerabdrücken wie "derselbe/dieselbe/dasselbe",
relatives "welcher/welche/welches" oder das bei May
häufig schwach flektierte Prädikatsnomen "Mays
Schachzug ist ein ganz einfacher";(8) neben Sam Hawkens' "Wenn
ich mich nicht irre!" kamen auch andere, kurz vorher erst
zitierte Formulierungen Mays wörtlich in den Text
der Interpretation.
Wie beim alten May in seinem mystischen Spätwerk (und wie
z.B. bei Richard Alewyn in Gedichtinterpretationen)(9) wurden gelegentlich
ganze Versfolgen im Prosadruck versteckt; allgemein bestimmt
das explizit hervorgehobene Stilprinzip der Wiederholung
nicht nur die Sätze Karl Mays, sondern zunehmend auch die
Sätze der literatur-
wissenschaftlichen Beschreibung
Mays - so daß z.B. statt einfach von "Wiederholungen"
synonym häufend von einer "Vielzahl von Wiederholungen,
von Spiegelungen und Parallelen, Äquivalenzen und Korrespondenzen"
sowie "Wiederholungen, Wiederholungen und nochmals Wiederholungen"
die Rede ist, die "immer und immer wieder" anzutreffen
seien.(10)
Und schließlich wurde dem ganzen Aufsatz die darin selbst
beschriebene typische Ablaufstruktur eines May-Romans als
'abenteuerliche Enträtselung eines Geheimniskomplexes' zugrundegelegt:
Am Anfang steht das "dunkle Rätsel" May - ein "nicht
ganz geheures Objekt" -, das zu einem "Abenteuer der
Erkenntnis von Verborgenem" lockt, bei der man ständig
einer "Gefahr entgehen" muß - immer wieder nämlich
"droht hier die Gefahr, einer falschen Spur zu folgen",
doch mit dem Happy-End ist dann doch "das eigentliche Geheimnis
des 'Old Surehand' aufgedeckt."(11)
Die möglichst vollständig gesammelten und protokollierten
Reaktionen auf diese beiden Fassungen des Aufsatzes lassen nun
an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Bemerkenswert
ist zunächst schon einmal die Tatsache, daß auf die
durchgehend poetisierte Fassung (deren Merkwürdigkeit,
trotz deutlich eingebauter Warnsignale für den Kenner, niemandem
auffiel) mehr als doppelt so viele bewertende Äußerungen
eingegangen sind: Auf die 'nüchterne' Version haben, obwohl
früher und leichter zugänglich publiziert, nur 12 Personen
mit insgesamt 37 wertenden Ausdrücken explizit reagiert;
auf die 'poetische' Version hingegen 22 Personen mit insgesamt
80 Wertäußerungen. Da es mir im grundsätzlichen
Zusammenhang dieses Buches nur um die Demonstration eines generellen
Symptoms zu tun ist, übergehe ich Namen und Details(12) und gebe
hier nur die vollständigen Listen aller mir bekanntgewordenen
Wertäußerungen an.
Hier zunächst sämtliche bewertenden Formulierungen zur
poetisierten Fassung des Aufsatzes:
NEGATIV: Gefahr des Verwitzelns; recht vage; mit einiger Skepsis.
Ganz anders sehen die Relationen bei den wertenden Äußerungen
auf die nüchterne Fassung des Aufsatzes aus:
NEGATIV: apodiktische Behauptung; F. irrt auch, wenn... ; wirkt
es merkwürdig, daß F. ... ; nun ersetzen apodiktische
Behauptungen nicht Detailkenntnisse; verdächtiger Überschwang;
eine Reihe recht problematischer Thesen; ein großes Fragezeichen
ist zu setzen; einige Fehler unterlaufen; Hauptthese überzogen;
nicht sehr stichhaltig; unverständlich, warum... ; nicht
zulässig, daß... ; das Lesen bereitet Schwierigkeiten;
Ist das ernst gemeint? ; Unmenge von ganz eindeutigen Fehlern;
Beschimpfungen in rüdem Ton; Eulenspiegeleien; Kuckuck ein
Ei ins Nest gelegt; aberwitzige Stilisierung Mays; These nicht
ernst zu nehmen; will auf sich selbst aufmerksam machen; vielerlei
Eitelkeiten; solche alerten Jung-Germanisten; mit einer schicken,
ach so gewagten These für den gediegenen Snob; intellektuelle
Scherzartikel; geradezu aberwitzig.
Nicht nur solche Formulierungen, sondern schon die rein quantitativen
Relationen sprechen eine deutliche Sprache: Die 80 Wertäußerungen
zum poetisierten Text sind zu 96% positiv, wobei
auch die drei einzigen kritischen Äußerungen im unmittelbaren
Kontext eines Gesamtlobes auftreten; dagegen sind die Bewertungen
der nüchternen Fassung zu 76% negativ, wobei
von den 9 positiven Bemerkungen 6 im unmittelbaren Kontext kritischer
Kommentare auftreten. Besonders aufschlußreich sind dabei
natürlich die Fälle, in denen derselbe Leser auf beide
Fassungen reagiert hat - und erwartungsgemäß ausnahmslos
zustimmend auf den poetisierten Text, skeptisch bis ablehnend
auf den schlichten. Zu denken sollte auch die Tatsache geben,
daß mehrere Leser emphatisch positiv auf die stilistisch
elegante Fassung reagiert haben, obwohl sie zugleich seine zentrale
These für falsch erklären - dies wäre wohl
kaum vorstellbar in anderen Wissenschaften, in denen gerade die
Richtigkeit des Gesagten als vorrangiger Beurteilungsmaßstab
gilt.
Nun muß man deutlich sagen, daß ein solcher, schwer
unter ganz gleichartigen Umständen wiederholbarer Einzelversuch
am lebenden Objekt natürlich in empirisch-methodischer Hinsicht
nicht vollkommen 'wasserdicht' ausfallen kann - aber komplementär
zu den 16800
Belegen in den stilistisch analysierten Interpretationen
anderer Literaturwissenschaftler, sozusagen als praktische Nagelprobe
auf den massiven textempirischen Befund, dürfte das
Resultat doch von eindeutiger Aussagekraft sein. Alles in allem
jedenfalls lassen sich die beschriebenen Reaktionen nicht anders
zusammenfassen, als daß die poetisierte Fassung des Versuchstextes
mit auffälliger Emphase gelobt wurde, während die nüchterne
Fassung desselben Aufsatzes auf deutliche Ablehnung stieß.
Soweit der Kasus; was kann man daraus lernen? Zunächst einmal
liegen hier verschiedene Mißverständnisse nahe. Es
geht in diesem Zusammenhang nicht um eine puritanische
Abstinenzregel etwa nach dem Motto: "Dienst ist Dienst, und
Schnaps ist Schnaps." Es spricht gar nichts gegen einen gelegentlichen
Schnaps im Dienst, solange er die Erledigung der dienstlichen
Obliegenheiten des Wissenschaftlers nicht beeinträchtigt.
Dagegen dürfte es diagnostisch sicher sein, daß der
Dauerzustand eines poetischen Delirium tremens in manchen germanistischen
Interpretationen zu einer chronischen literaturwissenschaftlichen
Dienstunfähigkeit führen muß.
Da habe ich doch nicht etwa selbst in Metaphern geredet? Macht
nichts - sie fassen ja nur ein vorher argumentativ und empirisch
expliziertes Resultat zusammen. Jedoch ich bin kein Ikonoklast:
die vorgebrachte Kritik ist keineswegs ein Plädoyer für
eine Art sprachlicher Trockenstarre. Es dreht sich hier nicht
um irgendeine intellektuelle Prüderie und Berührungsangst
gegenüber allen Metaphern oder einem guten Schuß didaktischer
Rhetorik - und schon gar nicht spricht etwas dagegen, wenn sich
ein Literaturwissenschaftler beim Schreiben als ein im doppelten
Sinne witziger Kopf erweist. Bilderstürmerei in der
Wissenschaft ist vollkommen unsinnig, wenn sie sich darauf richtet,
sozusagen noch die allerletzten Bilder aus der Kirche zu verbannen.
Bedenklich wird es nur, wenn man den 'Tempel der Wissenschaft'
in ein Museum umfunktioniert, in das die Leute dann nur noch gehen,
um sich ein schönes 'Bild der Wissenschaft' anzugucken (oder
um den Professor auf der sprachlichen Orgel präludieren
zu hören).
Hier liegt das wirkliche Problem: bei dem durch die Textanalysen
nahegelegten und durch den praktischen Kontrollversuch bestätigten
Befund, daß in der Germanistik poetische Suggestion als
Surrogat für begriffliche Präzision und wissenschaftliche
Argumentation dient. An die Stelle von 'Literaturwissenschaft'
als einem Zweig der Wissenschaft, die dem Ideal der Wahrheit verpflichtet
ist, tritt
'Wissenschaftsliteratur' als ein Zweig von Literatur
- nämlich die nur bei uns so genannte 'Sekundärliteratur',
die man erst dann als adäquat empfindet, wenn sie sich dem
Primärtext möglichst stark anähnelt. Hans Fromm
hat leider völlig recht, wenn er in seinen Überlegungen
zur "Verantwortung des Philologen" von 1981 mahnt:
Wenn Fromm hier die seit langem überfällige Ausbildung
einer literaturwissenschaftlichen Fachsprache einfordert, dann
kann man sich diesem Postulat nur zugleich mit folgender Warnung
anschließen: Eine neuere, bessere Terminologie heißt
nicht (und kann für uns, wie im vorigen Kapitel begründet,
prinzipiell nicht heißen), man brauche ein neues Vokabular.
Der auch von Fromm beklagte "ornatus difficilis von Talmi"(14)
in manchen Dissertationen führt hier nicht zum Besseren.
Präzision ist keine Frage des verwendeten Wortschatzes, sondern
des Umgangs damit.
Weder poetische Suggestion noch pseudowissenschaftliche Imponiergestik
helfen der literaturwissenschaftlichen Arbeit weiter, sondern
nur die pointierte Nüchternheit des Argumentierens, des begrifflichen
Präzisierens und des empirischen Kontrollierens. Der kritische
Weg steht allein noch offen.
(2) Das große Renommee der Psychoanalyse im Umkreis der
Philosophischen Fakultät und hier besonders in der Literaturwissenschaft
beruht in erheblichem Maße auf einem 'Weißen-Kittel-Effekt':
auf der Herkunft aus der Medizinischen Fakultät mit ihrem
hohen sozialen und wissenschaftlichen Ansehen. Deshalb scheint
ein Hinweis darauf vonnöten, daß der weiße
Kittel der Psychoanalytiker mittlerweile große bis flächendeckende
Flecken aufweist, die vorwiegend von Anwürfen aus zwei Richtungen
stammen: (a) von wissenschaftstheoretischen Einwänden
gegen die logische Theoriestruktur der Psychoanalyse; (b) von
empirischen Einwänden gegen die experimentelle Belegbarkeit
bzw. therapeutische Wirkung der Psychoanalyse.
(3) Freuds Anspruch auf wissenschaftliche Wahrheit seiner Theorien
wird heute praktisch von keiner wissenschaftstheoretischen Richtung
mehr akzeptiert:
- Selbst Sympathisanten der Psychoanalyse aus dem Lager der 'Hermeneutik'
oder der 'Kritischen Theorie' zeihen Freud eines deplaziert
vertretenen "funktionalen Erklärungsanspruchs"(15)
bzw. eines "szientistischen Selbstmißverständnisses".(16)
- Der späte Wittgenstein als Protagonist der 'Sprachanalytischen
Philosophie' kennzeichnet die psychoanalytische Tätigkeit
als eine zwar sympathische und möglicherweise nützliche,
aber unwissenschaftliche Sprachverwendung, als eine Form
von "Mythologie".(17)
- Die konstruktivistische Wissenschaftstheorie der 'Erlanger Schule'
straft die Psychoanalyse - als einen Musterfall ungleicher Chancenverteilung
im Dialogspiel der Wissenschaft - durch völlige Nichtbeachtung.
- Der 'Logische Empirismus' verlangt für die Erklärungskraft
einer Theorie eine entsprechende prognostische Kraft und
verwirft deshalb die Psychoanalyse, die weder für einen Einzelfall
noch für statistisch analysierte Fallmengen Vorhersagen ermöglicht,
sondern immer erst post festum die Fakten interpretiert
und so eine reine "Nachhersage" bietet.(18)
- Am schärfsten wird die Psychoanalyse vom 'Kritischen Rationalismus'
mit dem Hinweis auf prinzipiell fehlende Falsifizierbarkeit
attackiert. Popper formuliert in diesem Sinne nach J.Black: "Eine
geschickte Anwendung gewisser Bedingungen wird fast jede Hypothese
mit den Erscheinungen übereinstimmend machen; dies ist der
Einbildungskraft angenehm, aber vergrößert unsere
Kenntnisse nicht"(19); dementsprechend "würde keine
logisch mögliche Beschreibung menschlichen Verhaltens mit
den psychoanalytischen Theorien von Freud, Adler oder Jung unvereinbar
sein".(20)
(4) Hier liegt wohl in der Tat das entscheidende Manko: schon
Freud selbst(21) - und ähnlich jeder seiner Nachfolger bis hin
zu Lacan -immunisiert seine Annahmen durch ad-hoc-Erklärungen
gegen widerstreitende Fakten (nicht als Akt der Täuschung,
sondern der Selbsttäuschung) und entwickelt dafür ein
ganzes Repertoire von Ausweichbegriffen zur scheinbar plausiblen
Uminterpretation von Widerlegungen in Bestätigungen, von
'Non-A' in eine bloß verkappte Variante von 'A': "Abwehr",
"Widerstand", "Zensur", "reaktionsbildung",
"Verweigerung", "Verneinung", "Verwerfung",
"vertauschung", "Verschleierung", "Entstellung",
"Verschiebung", "verdrängung", "indirekte
Darstellung", "Darstellung durch Gegensinn", "verschwiegener
Wunsch", "kontrapunktische Reaktion", "nicht
manifester, aber latenter Inhalt" usw.usf.(22) Sollten also die
Fakten es wagen, dem Analytiker zu widersprechen: desto schlimmer
für die Fakten. (Schon Wallenstein(23) kannte diese Finte.) Kein
Wunder, daß schließlich die Logik auf der Strecke
bleibt: für Freud ist das Abstreiten einer Tatsache
ein Eingestehen, ein als unsinnig erkannter Traum ergo
besonders sinnträchtig, ein männliches Symbol
durch 'Vertauschung' nach Bedarf auch ein weibliches(24). Anything
goes: es ist wie bei einer Patience mit so lockeren Regeln, daß
sie immer aufgeht. Im Geduldsspiel 'Wissenschaft' kann aber nur
eine, die korrekte Patience aufgehen - und alle anderen
nicht.
(5) Obwohl Freud selbst sich an experimentellen Widerlegungen
und sogar Bestätigungen seiner Theorien desinteressiert erklärte,
fehlt es mittlerweile nicht an Versuchen, psychoanalytische Teiltheorien
in wissenschaftliche Gesetzeshypothesen umzuwandeln und
empirisch auf ihre intersubjektive Stichhaltigkeit zu testen.
Die Resultate sind unbefriedigend: Während wohlmeinende Kommentatoren
neben vielen Widerlegungen wenigstens für einige Teilbereiche
der Freudschen Theorie (bes. Oral- und Analentwicklung, Homosexualität)
Indizien für eine empirische Stützung erkennen(25), sehen
weniger nahestehende Forscher keinen einzigen stichhaltigen Beweis
zugunsten der Psychoanalyse - und eine Menge stichhaltiger Gegenbelege(26).
Noch düsterer ist das Ergebnis einer Zusammenfassung von
26 unabhängigen statistischen Untersuchungen zum Heilungserfolg
bei psychisch Kranken: "Patienten, die mit Psychoanalyse
behandelt wurden, erfuhren Besserungen in einem Ausmaß
bis zu 44%; bei Patienten, die eklektisch [sc. gemischt] behandelt
wurden, besserte sich der Zustand in einem Ausmaß bis zu
64%; bei Patienten, die nur pflegerisch oder von praktischen Ärzten
behandelt wurden, besserte sich der Zustand in einem Ausmaß
bis zu 72%. Es scheint daher eine umgekehrte Korrelation zwischen
Genesung und Psychotherapie zu bestehen - je mehr Psychotherapie,
desto kleiner die Genesungsrate."(27)
(6) Die für die Literaturwissenschaft interessanten Annahmen
Freuds über einen regelmäßigen Zusammenhang zwischen
kindlicher Sexua-
lität und späteren Verhaltensformen
bis hin zur Sublimation in künstlerischen Manifestationen
haben sich bisher in keiner Weise wissenschaftlich erhärten
lassen. Demgegenüber sind die empirisch eher gesicherten
Theorieteile (Ablauf der frühkindlichen Sexual- und Sozialentwicklung,
Ursachen der Homosexualität) für die Literaturwissenschaft
im allgemeinen ohne Belang. Psychoanalytische Vermutungen über
einen Zusammenhang zwischen Autorpsyche und Werk sind deshalb
wissenschaftlich haltlos.(28) Hinzu kommt, daß wir über
die frühkindliche Entwicklung von längst verstorbenen
Dichtern noch weitaus weniger genau, zuverlässig und vollständig
informiert sein können als der Analytiker bei seinem
Patienten. Psychoanalytische Interpreten erschließen daher
häufig aus dem Werk des Dichters seine traumatischen
Erlebnisse und erklären zirkulär daraus dann
wieder das Werk; so hat man z.B. im Falle Karl Mays in konkurrierenden
Spekulationen aus denselben Abenteuerromanen schon auf Homosexualität
des Verfassers(29), auf zu frühes Abstillen(30) und auf die 'Urszene'
des beobachteten mütterlichen Ehebruchs mit resultierender
Ich-Spaltung(31) geschlossen - ohne jede Aussicht auf Entscheidung.
(7) Eine völlig andere Frage ist es, ob in einem speziellen
Fall wie demjenigen Karl Mays die literaturwissenschaftliche Textanalyse
unter anderen auch sexuelle (nicht: 'psychische'!) Aspekte einbeziehen
sollte. Hier muß man sorgfältig differenzieren zwischen
überprüfbaren literaturwissenschaftlichen Behauptungen
und bloß spekulativen Konstruktionen. Ich möchte
diese Differenzierung in Hinsicht auf drei Bereiche exemplarisch
andeuten, nämlich auf Karl Mays Landschaften, seine Personenstrukturen
und das sprachliche Material seiner Texte:
- Was zunächst die Landschaftsinterpretationen aus
psychoanalytischer Sicht angeht, so weist hier meist schon die
Willkürlichkeit der Ergebnisse auf die Beliebigkeit des Verfahrens
hin. Denn in unserer Spra-
che können wir ausnahmslos jede
Landschaftsform habituell als Körperform (oft sogar
als mehrere verschiedene) auffassen: jeder Berg ein Busen, jeder
Baum ein Phallus, jede Schlucht eine Vulva, jeder Talkessel ein
Gesäß, jede Blume harrend der Defloration usw.usf.(32)
Wenn der Dichter aber Landschaften gar nicht ohne potentielle
sexuelle Assoziationen des Lesers beschreiben kann, dann
sind auch die Zuordnungen der Interpreten auf keine Weise falsifizierbar
und damit nichtssagend. Und wenn sich die Landschaften in einer
Dichtung, wie bei Karl May, schon aus der Oberflächenhandlung
völlig zureichend erklären lassen (z.B. als strategisch
günstige Örtlichkeiten), dann sind tiefenpsychologische
Umdeutungen schlicht überflüssig - nach dem 700
Jahre alten wissenschaftstheoretischen Grundsatz, den man 'Occams
Rasiermesser' nennt: "Entia non sunt multiplicanda praeter
necessitatem." (Auf gut Deutsch: Was man nicht braucht, das
ist auch nicht brauchbar.)
- Dagegen hebt sich das Personal in Mays "Reiseerzählungen"
so auffallend von anderen Texten verwandter Gattungen ab, daß
man wohl einfach nicht umhin kann, das Fehlen der abenteuertypischen
Liebesgeschichten und die vielen zärtlichen Männerfreundschaften
bei der Untersuchung der Produktion und Rezeption von Mays Werken
entsprechend in Rechnung zu stellen. Hier scheint Arno Schmidt
in der Tat auf eine ziemlich heiße Spur gestoßen
zu sein; seine 'Elbogensche Hypothese' erweist sich als textanalytisch
fruchtbar und führt in jedem Band zu einer Vielzahl bestätigender
Textbefunde.
- Im Beispielfall der beiden 'Verkehrten Toasts' entspricht dem
schon nicht mehr zweideutigen Gehabe des männlichen Pärchens
überdies eine unmißverständliche Anordnung des
sprachlichen Materials bei der - dem Dichter ja besonders
viel Freiraum lassenden - Namengebung. Wenn Arno Schmidt nämlich
im Rahmen seiner tiefensprachpsychologischen 'Etym-Theorie' Dick
Hammerdull über "Hammer" als maskulin und Pitt
Holbers über "hole/hohl" als tuntig-feminin deutet,
dann hat er dabei ein viel stärkeres Faktum noch übersehen:
Im amerikanischen Slang steht von altersher "dick" für
Penis und "pit" (eigentlich 'Schacht') für Vagina;
Vor- und Zuname der beiden sind also jeweils gleich konnotiert.
Aber bei solchen lexematischen Deutungen ist wiederum eine Vorsichtsmaxime
zu beachten: Die
sprachliche Deformation muß vom Dichter
stammen, nicht vom Interpreten. Wenn Schmidt hingegen auf eigene
Faust alle Kuriosa in Culiosa und jedes "vollständig"
in "voll ständig" umwandelt, so argumentiert er
damit, so in-ständig er auf seinem Stand-Punkt be-steht,
voll-ständig unver-ständig.
(8) Generell scheitert die Möglichkeit, unter Absehung vom
Autor das Werk selbst und sein Personal psychoanalytisch
zu interpretieren, regelmäßig daran, daß jeder
tiefenpsychologische Vorstoß unter die 'Oberfläche
des Textes' bei dichterischer Fiktion ins Leere stößt.
Die Frage nach Hamlets 'heimlichen Wünschen' ist sinnlos,
weil Hamlet kein wirklicher Mensch mit bekannten und unbekannten
Seiten ist, sondern eine fiktive Dramenfigur, die nur genau
so und genau soweit existiert, wie sie durch den Dramentext erschaffen
wird. Alle weitergehenden Fragen nach dem im Text 'Verschwiegenen'
bewegen sich auf der Ebene von "Wo sind denn die Eltern von
Max und Moritz?" oder der berühmten Debatte "How
many children had Lady Macbeth?"
(9) Aus den genannten Erwägungen ergibt sich, daß
die Psychoanalyse eine geradezu ideale literarische Interpretationsmethode
für denjenigen bereitstellt, der als einzelner Leser für
sich allein ein originelles, plausibles und emotional befriedigendes
Verständnis einer Dichtung - ohne die Gefahr einer Widerlegung
durch Fakten - gewinnen will. Für die Erlangung wissenschaftlich
gesicherten Wissens über Literatur hingegen ist eine
beliebig manipulierbare Pseudotheorie wie die Psychoanalyse offenkundig
von geringem Nutzen.
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Ich hatte bisher
immer angenommen, die Logik sei eine universale
Waffe, und jetzt mußte ich plötzlich erkennen, daß
ihre Kraft und Gültigkeit
davon abhängt, wie man
sie einsetzt und gebraucht.UMBERTO ECO: Der Name der Rose
1 Alle Zitate: Kritik der Urteilskraft § 44, B 176f.
//47//
2 Harald Fricke: Die Sprache der Literaturwissenschaft. Textanalytische und philosophische Untersuchungen. München 1977.
//48//
3 Dies ist übrigens schon ein polemischer Ausdruck aus dem Wortschatz von Goebbels, wie man nicht ohne Überraschung belegt findet bei Christa Wolf: Kindheitsmuster. Weimar 1976. Neudruck Neuwied 1979, S.217.
4 Klaus Laërmann: Das rasende Gefasel der Gegenaufklärung. Merkur 433 (1985). S.211-220. - Ähnlich Wolf Wucherpfennig: We don't need no education. Foucault und die poststrukturalistische Germanistik. In: Germanistik und Deutschunterricht im Zeitalter der Technologie. Vorträge des Germanistentages 1987. Hrsg.v. Norbert Oellers. Tübingen 1988. Bd.1. S.162-174.
5 Ähnlich konstatiert zusammenfassend Hayden White: "interpretative discourse is governed by the same principles [...] as those used in narration" (H.White: The Rhetoric of Interpretation. In: Poetics Today 9 (1988). S.253-274, hier S.270).
//49//
//50//
6 Harald Fricke: Karl May und die literarische Romantik. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 11 (1981). S.11-35.
7 Harald Fricke: Wie trivial sind Wiederholungen? Probleme der Gattungszuordnung von Karl Mays Reiseerzählungen. In: Erzählgattungen der Trivialliteratur. Hrsg.v. Zdenko Skreb und Uwe Baur. Innsbruck 1984. S.125-148.
8 s.Anm.7, S.138.
9 s.Anm.2, S.122f.
//51//
10 s.Anm.7, S.138 bzw. 140 bzw. 141.
11 s.Anm.7, S.125/127/132/140/141.
12 Näher dazu die in den Drucknachweisen angeführte Erstfassung dieses Versuchsberichts.
//52//POSITIV: sehr guter Beitrag; sehr eigenständiger Beitrag;
sehr lesbar; elegant formuliert; Spaß gemacht; guter Aufsatz;
wirklich ein toller Stil; mit Begeisterung gelesen; selten eine
so angenehme und erleuchtende Lektüre gehabt; die bisher
beste Analyse einer Mayschen Reiseerzählung; glänzend;
trefflich; hervorragende Bereicherung; nützliche Schlußfolgerungen;
wertvolle Bewertungsgrundlagen; vielversprechender Aufsatz; vorzügliche
Arbeit; zu wesentlichen neuen Erkenntnissen verholfen; sympathisch;
couragiert; mutig und wahr; besonders beeindruckt; am treffendsten
charakterisiert; überaus perspektivenreicher Aufsatz; eindringlich;
besondere Stringenz und Beweiskraft; Reihe erhellender Detailbeobachtungen;
mit großem Vergnügen gelesen; willkommene Bereicherung;
außergewöhnliches Lesevergnügen; ohne staubtrockene
Wissenschaftlichkeit; mit großem Vergnügen noch einmal
gelesen; ein wirkliches Vergnügen; ein sprühender Genuß,
nebst der Belehrung; das Beste, was es zum 'Old Surehand' gibt;
auch das Beste zur Gattungszuordnung bei Karl May; sein Witz hat
mich entzückt; eine ganz wichtige Ergänzung zu vorliegenden
Studien; wunderbar; hat hier viele begeisterte Leser gefunden;
hochinteressanter Text; mit Freude und Vergnügen; kann ich
nur beipflichten; vorzüglich; vorzüglich herausgearbeitet;
ein phantastischer Aufsatz; philologische Akribie; weiter theoretischer
Horizont; einer der wenigen ernsthaften Beiträge zur Karl-May-Forschung;
Vergnügen zu lesen; sehr flott geschrieben; germanistische
Belletristik; gelungen; souveräne Überblicksperspektive;
ihre Stärke ist die Fülle der Perspektiven; Fragen aufwerfen
gehört nicht zu den geringsten Qualitäten des Beitrags;
angenehme Unterbrechung; didaktische Hilfe; plausibel und überzeugend;
brillanter Aufsatz; einleuchtende Ergebnisse; glänzend geschrieben;
Einklang zwischen kurzweiligem Stil und Gegenstand; hat besonders
erfreut; Lachen und Einsicht gehen zusammen; Formulierungen sind
leserfreundliche Volltreffer; Lesevergnügen; großen
Spaß bereitet; geistig anregend; in der Sache vollends
überzeugend; Diktion witzig und doch von zulänglicher
wissenschaftlicher Genauigkeit; auf tiefernster, profunder Gelehrsamkeit
aufgebaut; mit Meisterhand ausgeführt; glänzend; vor
Leben und Witz sprühend; Glanznummer des Bandes.
//53//POSITIV: ausgezeichnet; exakte und präzise wissenschaftliche
Erkenntnis; zwei Stunden bester Unterhaltung; grandioser Befund;
mit Genuß gelesen; geradezu brillante Interpretation; mit
Sorgfalt erarbeitet; schöner Aufsatz; wird dem Jahrbuch zur
Zierde gereichen.
//54//
//55//Bei der Bestimmung des hermeneutischen Phänomens hat man
immer auf die Sprachhaftigkeit der Objekte und darauf hingewiesen,
daß der Hermeneutiker mit seinem Gegenstand die gleiche
Sprache spreche. Daß er es nicht ganz tut, darauf kommt
es an. [...] Geschichtlich hat die gemeinsame Sprachteilhabe zur
Folge gehabt, daß die Notwendigkeit einer disziplinspezifischen
Begriffssprache erst gar nicht gesehen und ihr Aufbau später
ungewöhnlich erschwert wurde. Wir stehen heute immer noch
eher am Anfang als am Ende dieser wissenschaftshistorischen Entwicklung.(13)
13 Hans Fromm: Von der Verantwortung des Philologen. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 55 (1981). S.543-566, hier S.564.
14 Ebenda.
//56//EXKURS: Thesen zur psychoanalytischen Literaturinterpretation
Nein, unser Denken hat sich die Freiheit
bewahrt, Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzufinden, denen nichts in der
Wirklichkeit entspricht, und schätzt diese
Gabe offenbar sehr hoch, da es innerhalb wie
außerhalb der Wissenschaft so reichlichen
Gebrauch von ihr macht.FREUD: Der Mann Moses
(1) Gerade im Bereich der Forschungsliteratur zu Karl May stößt
man häufig auf eine Sonderform suggestiver Interpretation,
auf Deutungen unter Berufung auf diese oder jene Richtung der
Psychoanalyse. So allerdings, wie sie dabei von den Literaturwissenschaftlern
- die selten über mehr als die zusammengelesene Sachkompetenz
des engagierten Amateurs verfügen - eingesetzt wird, handelt
es sich nicht etwa um eine 'Hilfswissenschaft' des Philologen,
sondern um ein besonders raffiniertes Amalgam von rhetorischer
Suggestion und pseudowissenschaftlicher Sprachgebärde.
//57//
15 Martin Bartels: Ist der Traum eine Wunscherfüllung? Überlegungen zum Verhältnis von Hermeneutik und Theorie in Freuds Traumdeutung. In: Psyche 33 (1979). S.97-131. - Vgl. dazu Hans-Jürgen Möller: Psychoanalyse - erklärende Wissenschaft oder Deutungskunst? München 1978.
16 Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse. Frankfurt a.M. 1968, bes. S.300ff.
17 Ludwig Wittgenstein: Gespräche über Freud. In: L.Wittgenstein: Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychologie und Religion. 2.Aufl. Göttingen 1971. S.73-86, hier S.86. - Vgl. dazu Hans Rudi Fischer: Sprache und Lebensform. Wittgenstein über Freud und die Geisteskrankheit. Frankfurt a.M. 1987.
18 Vgl. dazu u.a. David Rapaport: The Structure of Psychoanalytic Theory. New York 1969. - Paul Kline: Fact and Fantasy in Freudian Theory. London 1972. - Meinrad Perrez: Ist die Psychoanalyse eine Wissenschaft? Bern 1972. - Hans Westmeyer: Kritik der psychologischen Unvernunft. Stuttgart 1973.
19 Karl Popper: Die Logik der Forschung. 2.Aufl. Tübingen 1969, S.50.
20 Karl Popper: Objektive Erkenntnis. Hamburg 1973, S.50.
//58//
21 Am ausdrücklichsten wohl im Aufsatz "Die Verneinung". In: Sigmund Freud: Gesammelte Werke. Hrsg.v. Anna Freud u.a. 4.Aufl. Frankfurt a.M. 1983. Bd. XIV, S.9-15; ähnlich auch: Konstruktionen in der Analyse. Ebenda Bd. XVI, S.41-56.
22 Vgl. dazu Stephen Toulmin: The Logical Status of Psycho-Analysis. In: Philosophy and Analysis. Hrsg.v. A. MacDonald. Oxford 1954. S.132-139. - Alfred Therstappen: Immunisierungsstrukturen bei Sigmund Freud. Ein Beitrag zur wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit Freuds Entwicklung der Psychoanalyse. Diss.phil. Aachen 1980. - Enzo Codignola: Das Wahre und das Falsche. Essay über die logische Struktur der psychoanalytischen Deutung. Frankfurt a.M. 1986. - Literarhistorisch besonders interessant, obwohl aus psychiatrischer Sicht kritisierend: Thomas Szasz: Karl Kraus and the Soul-doctors: A Pioneer Critic and his Criticisms of Psychiatry and Psycho-Analysis. New York 1977.
23 In Schillers Drama (Die Piccolomini II.6) wird Illos Zweifel an der Astrologie von Wallenstein selbst wieder zum astrologischen Defekt erklärt: "Du redst, wie du's verstehst. [...] Dir stieg der Jupiter / Hinab bei der Geburt, der helle Gott; / Du kannst in die Geheimnisse nicht schauen." - Ähnliches dürfte, seit Karl Kraus, schon so manchem Skeptiker durch Senis tiefenpsychologische Erben widerfahren sein.
24 "Manche Symbole bedeuten ein Genitale überhaupt, gleichgültig ob ein männliches oder weibliches, z.B. das kleine Kind, der kleine Sohn oder die kleine Tochter. Ein andermal kann ein vorwiegend männliches Symbol für ein weibliches Genitale gebraucht werden oder umgekehrt. Man versteht das nicht, ehe man Einsicht in die Entwicklung der Sexualvorstellungen der Menschen gewonnen hat." Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. In: Freud (s.Anm.21). Bd. XI, S.159.
//59//
25 z.B. H.Thomä/H.Kächele: Wissenschaftstheoretische und methodologische Probleme der klinisch-psychoanalytischen Forschung. In: Psyche 27 (1973). S.205-236, 309-355. - Eliot Slater: The Psychiatrist in Search of a Science. III: The Depth Pychologies. In: British Journal of Psychiatry 126 (1975). S.205-224. - S.Fisher/R.P.Greenberg: The Scientific Credibility of Freud's Theory and Therapy. New York 1977.
26 z.B. Hans Juergen Eysenck: The Decline and Fall of the Freudian Empire. London 1985. - Christof T.Eschenröder: Hier irrte Freud. Zur Kritik der psychoanalytischen Theorie und Praxis. 2., erw.Aufl. München 1986. - Robert Langs: Die psychotherapeutische Verschwörung. Stuttgart 1987. - Dieter E.Zimmer: Tiefenschwindel. Die endlose und die beendbare Psychoanalyse. 2., erw.Aufl. Reinbek 1990 (zuvor als Serie in der "Zeit" unter dem angemesseneren, weil weniger insinuierenden Titel: Der Aberglaube des 20.Jahrhunderts). - Pierre Debray-Ritzen: La psychanalyse, cette imposture. Paris 1991 (bes. Kap.2: Les superstitions psychanalytiques ou Les sept plaies d'Egypte). - Zum unangemessen eifernden Ton und oft wahllosen Vorgehen mancher Opponenten der Psychoanalyse vgl. hingegen Thomas Köhler: Abwege der Psychoanalyse-Kritik. Zur Unwissenschaftlichkeit der Anti-Freud-Literatur. Frankfurt a.M. 1989.
27 Hans Jürgen Eysenck/Glenn D.Wilson: Experimentelle Studien zur Psychoanalyse Siegmund Freuds. Wien 1979, S.442f.
//60//
28 Hierzu und zum folgenden vorbildlich rational abwägend Hendrik Birus: Psychoanalyse literarischer Werke? Alternativen der Freudschen Literaturinterpretation. In: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII.internationalen Germanisten-Kongresses Göttingen 1985. Hrsg.v. Albrecht Schöne. Bd.6. S.137-146.
29 Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl Mays. Neuausgabe Frankfurt a.M. 1969.
30 Wolf-Dieter Bach: Fluchtlandschaften. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 2 (1971). S.39-73.
31 Hans Wollschläger: "Die sogenannte Spaltung des menschlichen Innern, ein Bild der Menschheitsspaltung überhaupt". Materialien zu einer Charakteranalyse Karl Mays. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 3 (1972). S.11-92.
//61//
32 Hellsichtig dazu Alberto Moravia: "Du weißt doch sehr gut, Vladimiro, daß es nichts gibt, das sich nicht im sexuellen Sinn deuten ließe. [...] Zum Beispiel: gibt es etwas weniger Sexuelles als eine Landschaft? Berge, Ebenen, Flüsse, Täler..." (Ich und Er. Übs.v. Piero Rismondo. Reinbek 1973, S.86.)
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Harald Fricke: Ein wirkungspsychologisches
Stilexperiment
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