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IV. Quellen und Traditionen des Mayschen Werkes


Vorbemerkung

Einordnungen des Mayschen Werkes in literaturgeschichtliche Zusammenhänge werden auf zweierlei Art vorgenommen: Einmal gattungsspezifisch, wie bei Beissel in seinen lesenswerten Aufsätzen zum Indianerroman und zum orientalischen Reise- und Abenteuerroman und bei Kralik (teilweise auch Mahrholz im KMJB 1927 – s. Abt. 2), oder aber, indem man von speziellen Autoren nachweist, daß May von Ihnen beeinflußt wurde: Während Biedermann das Verhältnis May–Cooper nicht in ausreichendem Maße untersucht, geht Franz Kandolf in seinen beiden Arbeiten über Ferrys "Waldläufer" den Auswirkungen der Beschäftigung Mays mit diesem Werk auf die Motive und das Personal des Mayschen Werkes genau nach.

Kandolf ist auch der May-Forscher, der die gründlichsten und informativsten Quellenforschungen angestellt hat. Besonders der Layard-Aufsatz, der nebenher einen wichtigen Hinweis zur Erzählung 'Mater dolorosa' enthält, und 'Schrittmesser und Landkarten' sind unentbehrliche Hilfsmittel der Karl-May-Forschung.


Karl-May-Jahrbuch 1918

R u d o l f  B e i s s e l :  Der Indianerroman und seine wichtigsten Vertreter (S. 219–253)

Beissel zeichnet kenntnisreich die Geschichte des Indianerromans von Las Casas bis Karl May nach. Alle wichtigen Autoren werden vorgestellt. Beissel geht näher auf die "Winnetou-Trilogie" ein (S. 250), bleibt aber bei einer allgemeinen Charakterisierung stehen. Der Aufsatz im ganzen ist sehr informativ.


Karl-May-Jahrbuch 1920

R u d o l f  B e i s s e l :  Der orientalische Reise- und Abenteuerroman (S. 142–177)

Beissel beginnt bei den altorientalischen und griechischen Romanen, behandelt kurz die mittelalterlichen Heldenepen und Volksbücher, die pseudohistorischen Romane des 17. Jahrhunderts, die von Grimmelshausens "Simplizissimus" beeinflußten Avanturierromane des 18. Jahrhunderts sowie die Robinsonaden und die Auswirkungen der Romantik auf das Genre der Orient-Romane. Karl May wird auf den Seiten 170ff in diese Tradition eingeordnet. Den Abschluß bilden Bemerkungen zu Robert Kraft und Reiseromanschriftstellern unseres Jahrhunderts.


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Karl May ist dreifach in die Geschichte dieser literarischen Gattung einzuordnen:

1. James Justinian Moriers (1780-1849) Werk "'Ayesha, die Jungfrau von Kars' ist ein Reise- und Abenteuerroman, der in vieler Hinsicht an Karl May erinnert. Der Hauptheld Osmond hat viele Ähnlichkeiten mit Mays Helden, besonders darin, daß er den schurkischen Räuber Kara Bey immer wieder laufen läßt. Die Handlung zieht sich durch ganz Kurdistan hinauf nach Kars, sodann übers Schwarze Meer nach Konstantinopel und Rhodos" (167).

2. "Der Schriftsteller, der als erster wieder die Traditionen des orientalischen Reise- und Abenteuerromans aufgriff und pflegte, war Karl May" (170).

3. "Angeregt durch seine Reiseerzählungen hat eine große Zahl wagemutiger Männer den heimischen Staub von den Füßen geschüttelt, sich mit offenen Augen in aller Herren Länder, besonders aber im Orient herumgetrieben und teilweise bereits begonnen, ihre Erlebnisse in Reise- und Abenteuerromanen zu verwerten. Hervorgetreten mit Romanwerken sind bisher Leopold Gheri, Dr. Franz Sättler, Otto Cesar Artbauer, sämtlich Deutsch-Oesterreicher. Alle drei bezeichnen sich offen als Schüler Karl Mays" (172).

: sehr lesenswert

H u b e r t  R a u s s e :  Aus der Geschichte des deutschen Abenteuerromans (S. 348–362)

Gegenüber Beissel (s. o.) keine neuen Angaben. Karl May wird nicht erwähnt.

E m i l  S e h l i n g :  Das Recht auf Phantasie (S. 363–375)

Sehling verteidigt May gegen jene Kritiker, die ihm zuviel Phantasie vorwarfen. Er reiht May in die Tradition der Ich-Erzählungen ein (oberflächlich) und vergleicht ihn mit Augustinus (Confessiones). Im ganzen: unbedeutend.


Karl-May-Jahrbuch 1921

F r i t z  K l a u b e r :  Die Wörter der Apache-Sprache im Reiseroman 'Winnetou' (S. 267–278)

Klauber sucht nach den Quellen der Kenntnisse Mays über die Apachen. Er stellt kurz die Geschichte der Apachen und die wichtigsten Werke über sie vor, dann geht er den indianischen Sprachproben im 'Winnetou' nach und überprüft sie anhand der Wörterverzeichnisse der Lite-


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ratur [Literatur] über die Apachen.

: Der Aufsatz entstand offensichtlich ohne Kenntnis der Bücherei Mays. Vgl. zum Thema: Poppe: "Karl May und die nordamerikanischen Indianersprachen" und den Reprint der Wörterverzeichnisse aus Catlin und Gatschet mit den Anstreichungen Mays im KMJB 1979 (Graff/KMV)


Karl-May-Jahrbuch 1922

F r a n z  K a n d o l f :  Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards (S. 197–207)

Austen Henry Layards Werk "Ninive und seine Überreste, nebst einem Berichte über einen Besuch bei den chaldäischen Christen in Kurdistan und den Jezidi oder Teufelsanbetern" aus dem Jahre 1849 (dt. Übersetzung von Dr. Meißner, 1850) benutzte May zur Gestaltung der Bände 'Durch die Wüste' und 'Durchs wilde Kurdistan'. Kandolf geht den Übereinstimmungen präzise nach.

Auf Layard gehen zurück: "vor allem die in den Text und in den Dialog sehr geschickt eingeflochtenen Bemerkungen geographischer, geschichtlicher und ethnographischer Natur ... die Schilderung der religiösen Zustände bei den Teufelsanbetern und den chaldäischen Christen ..., deren Beschreibung von May, manchmal sogar wörtlich, in seine Erzählung übernommen wurde ... die Erzählung des Bei der Dschesidi ... von ihrer Verfolgung und Vernichtung im Sindschar .... das grauenhafte Blutbad, das Beder Khan Bei, Abd el Summit Bei und Nur Ullah Bei unter den Nestorianern anrichteten ..., die Geschichte von Scheik Sofuks Verrat ... May hat die Episode, die sich 1847 abspielte, wörtlich Layards Werk entnommen. – Wahr sind namentlich die topographischen Angaben Mays. Layard hat seinem Buch eine sehr genaue Karte beigegeben ... Jedes von Kara Ben Nemsi besuchte Dorf, jeder Hügelzug, jeder Flußlauf ist auf der Karte Layards eingezeichnet, während die dazu gehörige topographische Beschreibung im Text zu finden ist" (S. 199f).

Personen der Erzählung haben ihre Vorbilder bei Layard: Layard "befreundete sich mit den Scheiks der Abu Salman- und Dscheburaraber. Einer ihrer Scheiks hieß Mohammed Emin ... die wunderbar schnelle Schimmelstute ... war in Wirklichkeit Eigentum Sofuks und hieß Kublah" (S. 201). Sofuk hat mit ihr den Esel des Sindschar mattgejagt (I, 359) und Sofuks Harem wird I, 347, beschrieben. "... der 'liebenswürdige' Mutessarif Mays (ist) ein getreues Konterfei Mohammed Paschas ... Die drastische Beschreibung durch Halef (I, 505) paßt genau auf ihn. Wir lesen bei Layard von seiner Instruktion an die


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Arnauten: 'Geht, zerstreuet, mordet, aber bringt mir Geld!'" (S. 201). "Wir ... treffen auf Mir Scheik Khan, das geistliche Oberhaupt der Teufelsanbeter, in dem uns May ein ziemlich genaues Abbild von Layards Scheik Nasr zeichnet" (S. 202). Ali Bei wird nach Baadri Hussein Bei gezeichnet (I, 552), der Bei von Gumri (II, 426) nach Abd el Summit. Aus dem bei Layard alten und fieberkranken Mutesselim von Amadijah macht May einen Blutsauger. Die übrigen handelnden Personen habe May, meint Kandolf, frei erfunden; in Sir David Lindsay jedoch klinge Layard selbst an.

Zum Schluß seiner Ausführungen weist Kandolf auf weitere Quellen Mays hin: "In Mays Bibliothek befindet sich ein zweibändiges Werk: Moritz Wagner: "Reise nach Persien und dem Lande der Kurden". Eine Stelle darin lautet: "Die Kosnafkurden scheiden sich in die Mir Mahmalli und Mir Yussufi. Diese sollen in alter, beständiger, gegenseitiger Fehde leben ... nur ein kleiner Strom bildet die Grenzscheide zwischen ihnen." Am Rande hat May bemerkt: 'Sujet'. Nehmen wir nun den Band 'Orangen und Datteln' zur Hand, so finden wir, daß May diese drei Zeilen zu einer reizenden, 70 Seiten langen Erzählung ausgearbeitet hat: 'Mater dolorosa'. 70 Seiten aus drei Zeilen! ...

Freilich läßt sich bei ihm das Bestreben beobachten, möglichst alte Reisewerke und Karten zu benutzen, die längst vergriffen und darum nur wenigen bekannt sind. So diente ihm beispielsweise für 'Von Bagdad nach Stambul' eine vom englischen Reisenden Rich im Jahre 1829 gemachte Reise in Persien als Unterlage" (S. 206f).

: Eine der wichtigsten Quellenstudien

R i c h a r d  v .  K r a l i k :  Von Odysseus bis zu Old Shatterhand (S. 217–221)

"Der Typus der romantischen Reiseerzählung geht von Homer bis zu Karl May in notwendiger Folge. Das Wesentliche am Urtypus der Odyssee ist die abenteuerliche Reise des Helden durch die ganze bekannte Welt. Man kann bei Homer drei Bestandteile des Kunstwerks unterscheiden, die zusammengenommen die unfehlbare Wirkung hervorbringen: 1. der Held, der allen Schwierigkeiten gewachsen ist; 2. die Häufung dieser Schwierigkeiten bis ins fast unüberwindlich Scheinende; 3. der abwechslungsreiche Szenenwechsel als Hintergrund jedes neuen Problems. Die Ähnlichkeit mit Karl May ist auffallend. Selbst die (teilweise) Ichform haben wir bei Homer. Und wir könnten noch ein viertes wesentlich gemeinsames Zubehör anführen: die starke religiöse und ethische Stimmung beiderseits, dort in den Götterszenen, hier in den religiösen Gesprächen" (S. 217).


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Der Rest des Aufsatzes gibt in sehr groben Zügen die Geschichte des Abenteuerromans bis zu Karl May wieder. Bedenklich ist Kraliks Schlußwort: "Um noch einmal May mit Homer zusammenzuknüpfen, sei erwähnt, daß der vor-alexandrinische Text des Homer sehr weitschweifig war und daher in Alexandria erheblich gekürzt und zusammengezogen wurde – eine Operation, die ich auch für Karl Mays Unsterblichkeit empfehle" (S. 221).


Karl-May-Jahrbuch 1924

K o n r a d  G ü n t h e r :  Ein Pionier der Wüstenforschung (S. 71–89)

Günther entwirft ein Lebensbild des deutschen Afrikaforschers Gerhard Rohlfs, dessen Werk "Kufra" (1881) in Mays Bibliothek steht. Als Quelle scheint May das Buch allerdings nicht benutzt zu haben; Leben und Abenteuer dieses Forschers erinnern jedoch an Mays Helden.

F r a n z  K a n d o l f :  Krüger Bei und der "Vater der Fünfhundert" (S. 90–104)

Im ersten Teil seiner Ausführungen verweist Kandolf auf einen Band des "Magazin für die Literatur des Auslandes", 29. Bd., 1845, den May besaß (vgl. Bibliotheksverzeichnis KMJB 1931, S. 291) und in "dessen hintere Einbanddecke May mit Bleistift geschrieben hatte: 'Krüger Bei'" (S. 91). Die Notiz bezog sich auf den Aufsatz "Ein deutscher Renegat in Nordafrika", den Kandolf vollständig wiedergibt. Wir erfahren daraus, daß ein Johann Gottlieb Krüger, in Rheinpreußen geboren, in die französische Fremdenlegion eintrat, 1834 desertierte, zum Islam übertrat und einige Zeit als Sklave eines Berber-Häuptlings leben mußte. Er konnte jedoch fliehen und wurde Leibwächter des Beis von Tunis. Kandolf weist darauf hin, daß der Krüger Bei der Quelle nicht in allen Einzelheiten (Herkunft, Beruf: May macht ihn zum Sohn eines Bierbrauers) mit dem Krüger Bei in 'Krumir', 'Satan und Ischariot II' und 'Deutsche Herzen – Deutsche Helden' übereinstimmt, glaubt aber dennoch, daß May Krüger Bei persönlich in Nordafrika kennengelernt habe (1868–1870).

: Eine wichtige, schwer aufzufindende Quelle wird zugänglich gemacht.

In seinem 1937 entstandenen Aufsatz "Sir David Lindsay und Krüger Bei" (Erstabdruck im KMJB 1979 – Graff/KMV) ergänzt Kandolf seine 1924 gemachten Aussagen: Er führt eine Textstelle aus P. R. Martini "Ein Spaziergang in Tunis" (Gartenlaube 1881) an, die er nun zu Mays Primärquelle erklärt, da sich hier die Widersprüche zwischen der ersten Quelle und den May-Texten nicht findet.


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Seine Meinung, May habe Krüger Bei persönlich kennengelernt, nimmt Kandolf in seinem späteren Aufsatz zurück. Der zweite Teil des Aufsatzes ist dem "Vater der Fünfhundert" gewidmet. Kandolf nennt Ernst Marnos Werk "Reisen im Gebiete des blauen und weißen Nil", Wien 1874, als Quelle für diese Figur. Kandolf merkt an, daß der "Vater der Fünfhundert" nicht so sehr aus einem Guß geraten ist, wie der Krüger Bei. May hatte diese Figur aus nur wenigen Zeilen Marnos entwickelt: eine kraftvolle Gestalt, die jedoch so nicht gelebt hat. Genausowenig, wie es einen Reis Effendina gab, für den Kandolf den englischen Forscher und Sklavenjäger-Verfolger Sir Samuel Baker als ideelles Vorbild annimmt.

: Der Aufsatz Kandolfs ist im KMJB 1979 (Graff/KMV) wiederabgedruckt. Zur Quellenlage der Sudanromane vgl. Bernhard Kosciuszko in Jb-KMG 1981, S. 64–87.


Karl-May-Jahrbuch 1925

F r a n z  K a n d o l f :  Schrittmesser und Landkarten (S. 154–165)

Kandolf fand heraus, welche Karten und Quellen Karl May bei der Gestaltung seiner Werke "mit Bestimmtheit" (S. 158) benutzte:

1. 'Durch die Wüste': "Das algerisch-tunesische Binnenmeer" von Dr. Joseph CHAVANNE aus "Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik; 2. Jg., Wien 1880: "Beigefügt ist eine vorzügliche Karte über das algerisch-tunesische Schottbecken von Kapitän ROUDAIRE" (S. 158).

( : Eine Gegenüberstellung des Chavanne-Textes und des May-Textes bietet Haider: "Karl May und Joseph Chavanne" in M-KMG 32, 19–22).

2. 'Durch die Wüste' und 'Durchs wilde Kurdistan': Layard: "Ninive und seine Überreste". (Vgl. Kandolfs Jahrbuchaufsatz 1922: Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards.)

3. 'Von Bagdad nach Stambul': "RICH, "Narrative of a Residence in Koordistan", London 1836. May hat das Werk zweifelsohne benützt ... nebenbei hat ihm aber sicher auch die Karte KIEPERTS von Armenien und Kurdistan vorgelegen, die in Berlin bei Schropp 1858 erschienen war" (S. 159). Für die Ereignisse am Birs Nimrud benutzte May "als Vorlage eine vorzügliche und sehr ausführliche Karte: KIEPERT, "Die Ruinenfelder von Babylon", erschienen bei Reimer, Berlin. Diese Karte kommt auch wieder für den zweiten Band von 'Im Reiche des silbernen Löwen' in Frage" (S. 160).

( : Im KMJB 1979 (Graff/KMV) zeigt E. Mörth, daß May für den Band


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'Von Bagdad nach Stambul' außerdem ausführlich Armand von Schweiger-Lerchenfeld: "Der Orient" benutzte.)

4. 'In den Schluchten des Balkan', 'Durch das Land der Skipetaren', 'Der Schut': "Auf der Karte von HANDTKE, "Karte der Balkanländer", herausgegeben bei Flemming 1880, läßt sich nun Schritt für Schritt aufs genaueste – ein paar kleine Versehen abgerechnet – der Spur Kara Ben Nemsis folgen" (S. 160).

5. Der "Krumir": "Karte von Tunesien, nach den französischen Generalstabskarten bearbeitet", Verlag Wurzer & Co., Zürich 1881".

6. 'Satan und Ischariot II': "es ist merkwürdig, daß er, als er am zweiten Band von 'Satan und Ischariot' schrieb, nicht auf diese gute (sc. wie bei 'Der Krumir'), sondern auf eine sehr dürftige im Sohr-Berghaus-Atlas befindliche Karte zurückgriff" (S. 160f).

7. 'Im Lande des Mahdi': "Ernst MARNO: 'Reise im Gebiet des blauen und weißen Nil 1869 bis 1873", Wien 1874, und die entsprechende Karte hierzu, die besonders für die Abenteuer am Dschebel Arasch Kol ... eine treffliche Beleuchtung bietet. Von Faschodah geht die Reise weiter in den tiefsten Sudan ... Die in "PETERMANNS Mitteilungen" 1866 enthaltene und von Petherick gezeichnete Karte jener Gegenden, die in Mays Besitz war, ist nur mit Vorsicht zu gebrauchen, da sie ... auf Grund der Angaben der Eingeborenen gezeichnet ist, und daher auf Genauigkeit keinen Anspruch erheben kann" (S. 161). So kommt es, daß der deutsche Held "mit dem 'Falken' aus dem Bahr el Dschebel in den Rohl einfährt, während doch nach der späteren Entdeckung der Rohl in den Bahr el Ghasal einmündet" und daß May "die Quellflüsse des Tondji in einer vom jetzigen Stand der Forschung abweichenden Richtung strömen läßt" (S. 156).

(Vgl. auch: B. Kosciuszko: "In meiner Heimat gibt es Bücher" in Jb-KMG 1981)

8. 'Am Jenseits': "Karte Arabien, Iran, Turan', bearbeitet von Adolf Gräf, Weimar, Geographisches Institut 1873" (S. 162).

9. 'Unter Geiern': "die Karte , die im Jahrgang 1872 der Geographischen Mitteilungen von PETERMANN nebst dem Bericht über die wissenschaftliche Erforschung (sc. des Yellowstoneparks) durch Professor HAYDEN erschienen ist" (S. 1643.

: Vgl. dazu: B. Kosciuszko: "Eine gefährliche Gegend " im Jb-KMG 1982.)

: Kandolfs wichtige Quellenstudie ist wiederabgedruckt im KMJB 1979 (Graff/KMV)


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Karl-May-Jahrbuch 1928

F r a n z  K a n d o l f :  "Und wen ich da oben auf dem Felsen fand?" (S. 176–182)

In der Erzählung 'Nur es sema' (Repr. KMG: 'Christus oder Muhammed') schildert May einen christlichen Eremiten, der mitten unter fanatischen Mohammedanern auf einem Felsen lebend der Bevölkerung mit Rat und Tat hilft.

Kandolf fand zwar keine Quelle für Mays "Sujet", aber er bringt ein Beispiel aus späterer Zeit, das zeigt, daß May nichts Unmögliches schildert: Der Franzose Charles de Foucault, ein christlicher Priester mit wildbewegter Vergangenheit, lebte von 1901–1916 in der Sahara unter Mohammedanern, von denen er als Wohltäter, Freund, Arzt und Berater geschätzt wurde.


Karl-May-Jahrbuch 1929

A l f r e d  B i e d e r m a n n :  Fenimore Cooper und Karl May (S. 428–436)

Biedermann geht zunächst auf allgemeine Übereinstimmungen der Werke Mays und Coopers ein. Beiden wird der Vorwurf gemacht, blutrünstig zu sein: Für Karl May wird der Vorwurf abgewehrt; Cooper wird wegen der historischen Treue entschuldigt. Ein zweiter Vorwurf gegen beide ist, daß sie ihre Helden idealisieren; das aber ist nach Biedermann Merkmal jeder epischen Gestaltung. Weitere Gemeinsamkeiten werden kurz angesprochen: "Beide stehen auf dem Boden des Christentums und betonen, Cooper gelegentlich, May vielleicht allzuoft, ihren Gottesglauben; Andersgläubigen treten sie nicht zu nahe. Überraschende Einstimmigkeit finden wir bei beiden Schriftstellern in der Schilderung der Liebe. Rein erotische Darstellungen fehlen" (S. 433).

Dann kommt Biedermann auf den Unterschied zwischen May und Cooper zu sprechen: "Cooper ist Epiker, May Dramatiker. Cooper erzählt in aller Ruhe den Verlauf der Handlung. Aufregende, atemberaubende Ereignisse werden mit der gleichen Abgeklärtheit und Breite gegeben wie etwa die Schilderung eines gewaltigen weltverlorenen Sees an einem Sommermorgen. Diese innere Ruhe kennt May nicht. In seinen Werken finden wir in Aufbau, Entwicklung und Lösung der Handlung, in Sprache und Stil ein Feuer, das wir als dramatisch bezeichnen dürfen. May hat vor Cooper das 'Tempo' voraus. Der Dichter May stellt sein Ich in den Mittelpunkt der Geschehnisse, der Verlauf der Handlung wird dadurch ohne weiteres beschwingter, die


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Anteilnahme des Lesers vergrößert. Die poetische Kraft der Naturschilderung aber ist bei Cooper eine ganz einzigartige; er übertrifft hierin Karl May" (S. 433f).

Es folgt eine oberflächliche Betrachtung der Frage "ist Karl May von Cooper abhängig?" Biedermann findet folgende Übereinstimmungen:

"Der einfache, bescheidene Nathanael Bumppo erwirbt sich in Kürze seinen ersten Kriegsnamen 'Wildtöter'; das eben erst aus Deutschland nach dem wilden Westen verschneite Greenhorn May trägt recht bald den zu großer Berühmtheit führenden Namen Old Shatterhand. Wildtöters Verhältnis zu dem Häuptling der Mohikaner entspricht dem Old Shatterhands zu Winnetou. Die Scheu vor Blutvergießen, den Mut und die Kaltblütigkeit haben Wildtöter und Old Shatterhand gemeinsam; beide genießen auch beim Gegner wegen ihrer Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit unbegrenzte Achtung. (Die Wahrheitsliebe ist aber bei Wildtöter größer als bei Shatterhand.) Die schöne Wah-ta-Wah ist das Urbild der Nscho-tschi Ich glaube nicht, daß diese Übereinstimmungen, die man noch beliebig vermehren könnte (Magua – Tangua) nur zufällig sind" (S. 435). Die Gegenüberstellung May/Cooper ergibt abschließend: "Cooper schildert den Verzweiflungskampf der roten Rasse getreu der Geschichte. Sein "Lederstrumpf" ist das hohe Lied vom Untergang eines in den Tod gehetzten Volkes. Im "Winnetou" zeichnet May das letzte qualvolle Ringen, das letzte Zucken des sterbenden roten Mannes" (S. 436).


Karl-May-Jahrbuch 1930

H a n n s  G r a e f e :  Krüger Bei? (S. 328–332)

Graefe berichtet von einem Aufsatz des Freiherrn von Maltzahn in "Globus. Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde." 1870. Maltzahn traf 1868 in Tunis einen Deutschen namens Baba Hassan, einen Sattler aus der Mark Brandenburg, der ursprünglich Schulze hieß. Aus preußischen Diensten floh er in französische. Er kam nach Nordafrika, desertierte zu den Kabylen und trat zum Islam über. Später "trat er in den Dienst des Beis von Constantine, wo er es zu hohen Ehren brachte. Er wurde Befehlshaber einer Milizkompanie" (S. 329). Schulze floh aber auch von dort, kam zum Scheich von Tuggurt und von dort zum Bei von Tunis: "Baba Hassan bekam den Rang eines Schatir, eines gemeinen Throntradanten" (S. 331). Diese Stelle hatte er 1868 seit 30 Jahren inne. Graefe schließt: "Bestimmend aber ist für mich für die Gleichsetzung Krüger – Schulze folgender Grund: Maltzahn schreibt, daß die Anwesenheit eines Deut


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schen in der Leibwache des Beis von Tunis etwas ganz Unerhörtes sei. Wenn nun außer Schulze noch ein Deutscher – nämlich Krüger – dort gedient hätte, hätte Baba Hassan es sicher dem Freiherrn erzählt" (S. 332).

: Graefes Aufsatz ist im KMJB 1979 nachgedruckt worden. Vgl. auch KMJB 1924: Kandolf: "Krüger Bei und der Vater der Fünfhundert" und Kandolfs Aufsatz "Sir David Lindsay und Krüger Bei" im KMJB 1979, wo Kandolf Graefe widerspricht und auf einen Aufsatz in der "Gartenlaube" 1881 verweist, in dem auf einen Brandenburger Bierbrauersohn die Rede kommt, der Oberst der Leibgarde des Beis von Tunis ist und ständig "mir" und "mich" verwechselt.

Fazit: Graefe irrt; Mays Krüger-Bei hat mit Schulze nichts zu tun.


Karl-May-Jahrbuch 1932

F r a n z  K a n d o l f :  Winnetou und Rayon brulant (S. 484–493)

Kandolf verfolgt anläßlich der Lektüre der May-Fassung des "Waldläufer" die Spuren, die die Bearbeitertätigkeit Mays in seinem Werk hinterlassen haben: "Eine der prächtigsten Gestalten Ferrys ist der junge Komantsche Rayon Brulant, der in Wirklichkeit ein geborener Apatsche ist. Und dieser junge Krieger ist der Ur-Winnetou Karl Mays" (S. 485). "Die beiden Erzählungen 'Deadly dust' (1879) und 'Winnetous Tod' (1883) zeigen einen Winnetou, der sich an das Vorbild bei Ferry nicht bloß anlehnt, sondern – bis auf wenige Züge – das körperliche und seelische Abbild seines Vorläufers ist" (S. 486). Kandolf geht nun auf die berühmte Silberbüchse Winnetous ein, die May in seiner Bearbeitung Rayon brulant zuschreibt. Bei Ferry, so Kandolf, ist von einer solchen Büchse nirgends die Rede. Auch die Übersetzung des Namens "Winnetou" mit "Brennendes Wasser" sieht er bei Ferry vorgegeben: Rayon Brulant heißt: "Brennender Strahl".


Karl-May-Jahrbuch 1933

F r a n z  K a n d o l f :  Karl May und Gabriel Ferry (S. 191–198)

Kandolf knüpft an seine Studie im vorigen Jahrbuch an. Er geht nun näher auf Mays Bearbeitungstechnik ein: "Um es gleich zu sagen: durch Karl May hat der "Waldläufer" wesentlich gewonnen. Die ermüdend langschweifigen Zwiegespräche sind verschwunden, das fad Sentimentale im Verkehr des Waldläufers mit seinem Pflegesohn tritt bedeutend zurück, der junge, unbedeutende


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Tiburcio Arellanos erfährt in den Händen Karl Mays die Umwandlung in einen berühmten Rastreador, und außerdem finden sich so viele Zutaten aus der Feder Karl Mays, daß der Leser, der mit den Werken des Radebeuler Erzählers vertraut ist, bald Ferry vergißt und sich in die Vorstellung hineinliest, er habe einen echten "Karl May" vor sich. Denn diese Bearbeitung ist so weitgehend, daß man fast gezwungen ist zu sagen: der "Waldläufer" hat zwei Verfasser gehabt: Gabriel Ferry und Karl May ...

Die Bearbeitung Karl Mays bestand ferner darin, daß er ganze Teile des "Waldläufers" unter den Tisch fallen ließ, während er Dinge, die Ferry nur andeutet, zum Inhalt von neuen, spannenden Kapiteln machte. So tut Ferry die Herzensangelegenheit des Indianers mit ein paar Worten ab, Karl May dagegen ersinnt eine ganz neue Liebesgeschichte. Er führt uns ins Lager der Komantschen und ins Wigwam der schönen Mo=la, der heimlich Angebeteten. Der "Kluge Fuchs", der Häuptling der Komantschen und Vater des Mädchens, erscheint vor uns und stellt dem jungen Krieger eine schwere Aufgabe, durch deren Erfüllung er sich die Squaw erringen soll; der Komantsche zieht aus, wie einst die Ritter der "Tafelrunde", um sich den Gegenstand seiner Minne zu erkämpfen. Das ist alles nicht mehr Ferry, sondern Karl May, echter, urwüchsiger Karl May" (S. 192).

Kandolf beschäftigt sich weiterhin mit Ferry-Anklängen in Mays Werk: Der Titel des Romans 'Deadly dust' (und der Plan zu diesem Werk) sollen durch den "Waldläufer" inspiriert worden sein; in Lord Castlepool ('Der Schatz im Silbersee') sieht Kandolf einen Epigonen des spleenigen Engländers aus dem "Waldläufer"; die Erzählung 'Der schwarze Mustang' soll angeregt worden sein durch die Ferry-Gestalt El Mestizo. Anklänge finden sich laut Kandolf auch bei der Liebesgeschichte des 'Old Firehand'. Dieser selbst hätte ein Vorbild in dem "Großen Adler" und Old Shatterhand könnte im jungen Tiburcio vorgezeichnet sein. Auch Sans-ear (Indianertöter Pedro Diaz) und Santer (Cuchillo) sowie Melton (Baraja) lassen sich nach Kandolf im "Waldläufer" wiederfinden. Kandolf führt die Schlußzeilen der Bearbeitung an: "... der "Waldläufer" hat noch gar manches Abenteuer erlebt, von dem der freundliche Leser später hören wird" (S. 196). Daraus schließt Kandolf: May "selber hatte im Sinn, eine Fortsetzung zu schaffen. So und nicht anders müssen diese Schlußworte gedeutet werden. Und wahrlich, Gabriel Ferry hätte keinen finden können, der würdiger und berufener gewesen wäre, sein Werk fortzusetzen, als Karl May" (S. 197).

: Vgl. das Vorwort zu Bd. 70 der Bamberger Edition.


Die alten Jahrbücher

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